Insane. von Mirabelle (110) ================================================================================ Kapitel 3: 31 ~ Niemals zurück schauen -------------------------------------- 31. Niemals zurück schauen Hermine sah sich um. Chaos. Alle Ordnungen waren auf den Kopf gestellt, doch es gab nichts mehr zu befürchten. Soeben hatte Harry Voldemort, Tom Riddle, endgültig ausgelöscht, der Krieg war vorbei, sie konnten ihr Leben geordnet fortsetzen. Nach einigen Sekunden – oder waren es Minuten? Stunden? – der Atemlosigkeit brach auf dem Gelände von Hogwarts eine kleine Vorhölle aus. Zwar lachten die meisten, konnten kaum fassen, was soeben geschehen war, doch andere verloren sämtliche Anspannung und realisierten plötzlich die Verluste. Freunde, Geliebte, Familie. So viele hatten in dieser Schlacht ihr Leben gelassen, viel zu viele, um es sich ausmalen zu wollen. Hermine wollte nicht daran denken. Fred. Tonks. Remus. Snape. Verflucht, Snape, den sie alle so falsch eingeschätzt hatten. Und so viele andere, dass Hermine nicht daran denken wollte, ihr standen schon jetzt die Tränen in den Augen. Und … Panisch sah sie sich um. Ein blonder Schopf. Zwei. Zwei? Lucius und Narcissa. Hermine scherte sich nicht um die beiden, wie sie panisch durch die Halle rannten, bleich und verängstigt, in ihrem Glauben erschüttert und vor allem eins – besiegt. Doch sie suchte das gleiche wie sie. Ohne auf ihre Umgebung zu achten rannte Hermine los. Suchte mit ihren Augen verzweifelt die Halle ab. Wo bist du. Wo bist du. Wo bist du nur… bitte, sei okay. Sei in Ordnung! Das Leid um sie herum war schwer auszublenden, doch Hermine konnte nun niemanden unterstützen. Sie konnte sich nicht um andere kümmern, während sie selbst so schmerzlich jemanden vermisste. Da. Da war er. In der hintersten Ecke der Halle, allein und mit bösen Blicken gestraft. Verängstigt. Verwundet. Draco. Sie wusste, dass sie ihm nicht zu nahe kommen durfte. Über so lange Zeit hatten sie es geheim gehalten. Fast zwei Jahre. * Hermine beobachtete Malfoy nun schon seit Tagen und war sich sicher. Auch wenn sie Harry niemals glauben konnte – Malfoy war einfach kein Todesser – irgendetwas stimmte mit dem Slytherin nicht. Er bewegte sich, als wäre er konstant auf der Suche nach einem Versteck, er aß wenig, hatte tiefe Ringe unter den Augen, war bleich. Malfoy wirkte besiegt. Und wann immer Hermine versuchte, ihm unauffällig zu folgen, verschwand er. Doch, es stand fest, dieser Fiesling versteckte etwas, und Hermine war gewillt, herauszufinden, worum es sich handelte. „Harry“, fragte sie mit angespannter Stimme, „du willst mir nicht zufällig morgen zum Frühstück deinen Unsichtbarkeitsumhang leihen? Nur bis nachmittags.“ „Uhm…“, Harry schien nicht sicher, was er von dieser Frage halten sollte und sah Hermine fragend an, doch sie lächelte nur schwach. „Ich werde ihn schon in einem Stück zurückbringen. Ich will nur etwas nachprüfen.“ „Na gut. Du willst mir aber nicht sagen, worum es geht?“ „Tut mir leid.“ Noch immer lächelte Hermine ein wenig melancholisch. Sie hatte ungern Geheimnisse vor ihren Freunden, doch sie würde niemals herausfinden, was es mit Malfoys Verhalten auf sich hatte, wenn sie zu dritt herumgeisterten. Merlin, die zwei konnten nicht leise sein, und wenn sie den Slytherin verfolgten, würden sie ihn vielleicht verhexen, bevor er überhaupt irgendetwas Verdächtiges getan hatte. Am nächsten Morgen nahm Hermine dankbar den Tarnumhang entgegen und warf ihn schon im Gryffindorturm über. In der großen Halle setzte sie sich an den Kopf des Tischs, kaute unter dem Umhang auf einem Toast herum und starrte auf den Slytherintisch. Malfoy kam spät. Er kippte eine Tasse Kaffee und war im Begriff die Halle wieder zu verlassen. Hermine verlor keine Sekunde und wollte sich auf den Weg ihm hinterher machen, doch Malfoy wurde von Theodore Nott aufgehalten. Die Gryffindor unterdrückte ein Fluchen. Nach dem Mittagessen hatte sie mehr Glück. Wieder war Malfoy auffällig spät, wieder nahm er fast nichts zu sich. Dieses Mal kam er jedoch unbehelligt davon, nach ein wenig Suppe sprang er wie von der Tarantel gestochen auf und ging mit großen Schritten aus der Halle, Hermine ungesehen auf den Fersen. Er lief die Treppen hoch, nicht wie erwartet in die Slytherinkerker. Die Gryffindor war verwirrt. Sie hatte vieles erwartet, aber alles davon hatte sich in den Kerkern abgespielt. Abrupt stoppte Malfoy. Er drehte sich ein letztes Mal um, doch er sah niemanden und seufzte erleichtert auf. Nun, das stimmte nicht ganz. Hermine stand drei Meter hinter ihm, atemlos, und starrte auf die altbekannte Wand vor ihr. Der Raum der Wünsche. Sie traute ihren eigenen Augen kaum. Woher kannte Malfoy den Raum? Was hatte er vor? Und überhaupt, was tat sie nun? Betrat er den Raum erst einmal, konnte sie nur davor warten und würde nicht herausfinden, was er trieb. Ehe sie sich versah, lief er gezielt dreimal vor dem Raum auf und ab. Hermine wurde panisch. Als Malfoy die Tür öffnete, sprintete sie vor und steckte ihren Fuß zwischen Tür und Rahmen. Malfoy war sichtlich irritiert. Sah Hermine einen Schimmer Panik in seinen müden Augen? Definitiv. Er schlug die Tür ein wenig fester zu und Hermine entwich ein Schmerzenslaut. Malfoy zog überraschend wendig seinen Zauberstab und griff, scheinbar vage ahnend, was sich abspielte, ziellos in die Luft vor ihm. Bei dem Glück, das Hermine heute hatte, brauchte er natürlich nur zwei Schnapper, bis ihr Lockenkopf wieder sichtbar wurde. Sie hatte die Augen zusammengekniffen, aber als nichts passierte, öffnete sie sie langsam. Malfoy sah sie ausdruckslos an. Hinter ihr erhob sich ein Raum mit scheinbar zahllosen magischen Artefakten. Nahe am Eingang stand ein seltsamer Schrank. Er kam ihr bekannt vor. * Es war fast zwei Jahre her, dass Hermine Draco und das Verschwindekabinett entdeckt hatte. Er hatte sie bedroht, sie hatte gleichgezogen, sie hatten sich ignoriert, Hermine war wieder auf ihn zugekommen. Er war verwundert, dass sie ihren Freunden scheinbar noch nichts verraten hatte. Sie war irritiert, dass er sie noch nicht verhext hatte. Nach einem angespannten Monat hatte Hermine ihn noch einmal zum Raum der Wünsche verfolgt, und sich wortgewaltig Einlass verschaffen. (Vermutlich, weil er nicht wollte, dass ihr Gezeter noch mehr Leute anlockte, auch wenn es unwahrscheinlich war.) Erneut wurden sie handgreiflich, als Hermine versuchte, Dracos Umhang an seinem linken Arm hochzuziehen. Sie schaffte es. Draco erschlaffte sofort, Hermine brach in Tränen aus. Sie umarmte ihn. Damals fing alles an. Nun stand sie hier. Alles um sie herum schien zu verschwimmen, als Draco aufsah und ihr fragende Blicke zuwarf, die ihr nur noch mehr wehtaten. Sie waren nie wirklich ein Paar gewesen, es war schlicht zu gefährlich. Doch Hermine verband alles mit Draco. Nun war alle vorbei. Fast unmerklich schüttelte sie den Kopf. Kurz schien er die Fassung zu verliere – tu das nicht, dachte Hermine, wenn du jetzt einbrichst, schaffe ich es nicht – doch dann nickte er ebenso unauffällig. Sie seufzte. Ein letzter, trauriger Blickwechsel. Im Augenwinkel sah sie Lucius und Naricssa herbeieilen. Sie drehte sich um. Langsam, als ob etwas sie zurückziehen würde, lief Hermine davon. In Richtung der Mitte der Halle. Dorthin, wo Harry war. Und vor allem Ronald. Ronald, der in sie verliebt war. Es war besser so, für alle Beteiligten. Sie zwang sich ein Lächeln auf, überbrückte die letzten Meter zwischen ihr und Ron, warf sich ihm in die Arme und ließ es zu, dass er sie küsste. Um sie herum hörte sie leisen Jubel. Es war besser so. Sie würde glücklich sein. Er ebenfalls. Es war besser so. Sie durfte nur niemals zurück schauen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)