Runenherz von Runenwölfin (Weltenwandler Chroniken Teil 1) ================================================================================ Kapitel 8: Die Macht der Magie ------------------------------ Die Jagd war für Sayuri erfolgreich verlaufen, dass zeigte der Fasan, der leblos aus ihrem Maul hing. Im Gegensatz zum Rest des Rudels hatte sie alleine jagen müssen, da man sie nicht wirklich akzeptierte, immerhin gehörte sie nicht zur Familie. Mit dem Federvieh vor sich baumelnd lief sie zurück zum Treffpunkt von Runas Clan, bis sie ein herzzerreißendes Heulen vernahm, das eindeutig von ihrer Freundin stammte. Dann bebte plötzlich die Erde und riss die Schwarzweiße unsanft von den Pfoten, erst nach einigen Sekunden schaffte sie es wieder auf die Beine, nur um im nächsten Moment von der Gelben umgerannt zu werden, die auf einmal wie eine Irre auf sie zusteuerte und ohne Notiz von ihr zu nehmen im Unterholz verschwand. „Was zum…?“, stammelte die Zurückgelassene verwirrt. Ihre Beute kümmerte sie nun nicht mehr, sie ließ den Vogel, der ihr bei dem Zusammenstoß runtergefallen war, achtlos auf der Erde liegen und überlegte, ob sie jetzt Runa nachrennen sollte oder erst herausfinden musste, was hier vorging. Hatte die Gelbe sie nicht bemerkt? Sie war doch direkt vor ihr gewesen, wie konnte man sie da übersehen? Viel Zeit zum Nachdenken blieb ihr nicht, da hörte sie schon das Krächzen von Spot, ihre Entscheidung fiel also darauf erst einmal der Sache nachzugehen. Einige Meter weiter fand sie die Amsel, die wie wild auf eine alte Fähe einhackte. Das in die Jahre gekommene Weibchen hatte einen grauen, fahlen Pelz, der schon ziemlich zerrupft aussah, ihre Augen waren durchdringend grün und leuchteten verheißungsvoll, als hätte ihr jemand Glühwürmchen hinter die Iris gesteckt. Der Schwarzweißen wurde es schlagartig klar: Magie! Die Graue setzte Magie ein, das wusste Sayuri genau, auch wenn sie sich nicht sicher sein konnte, woher sie dieses Wissen hatte, es handelte sie tatsächlich um Hexenkräfte. Drohend stellte sich die junge Wölfin vor die Alte: „Wer bist du?“ Als das glühende Grün sie erfasste, lief es ihr eiskalt den Rücken herunter. Ihr Nackenfell stellte sich noch weiter auf, als es sowieso schon stand, trotzdem fasste sie all ihren Mut zusammen und blieb hart: „Antworte mir!“ Daraufhin kam nur ein Lachen. Kein freundliches, sondern ein verrücktes, ja sogar einschüchterndes Lachen: „Ich bin die, die das Schicksal in seine Wege leitet.“ „Ich verstehe nicht?“ Deutlich verwirrt über diese Worte, legte die Schwarzweiße den Kopf schief. „Sie nimmt mir meine Illusion ab. Ihr alle seid für sie tot und endlich wird sie das tun, für was sie immer vorbestimmt war. Yaris muss sterben. Er ist das Leid in Person und hat es nicht anders verdient. Nur sie kann es schaffen seiner grausamen Herrschaft ein Ende setzen.“ „Ich sag dir, die ist verrückt die Alte!“, rief Spot wütend und versuchte ihr dabei in die Augen zu picken, was die Wölfin aber verhindern konnte, in dem sie die Schnauze schüttelte und ihm damit den Boden unter den Füßen wegzog. „Weg, du Krähe.“ Das machte den Vogel noch angriffslustiger, allerdings begnügte er sich jetzt damit ihren Rücken anzugreifen, in der Nähe der spitzen Zähne war es ihm dann doch zu gefährlich. Nur so langsam begriff Sayuri, was die Magierin gerade machte. Runa hatte sie nicht gesehen, weil diese Fähe ihr die Sinne verwirrte. Eine Illusion vorzuspielen war eine mächtige Fähigkeit und konnte wohl jeden Verstand vernebeln. Wenn die Gelbe nun zu Yaris lief, um ihn zu ermorden, begab sie sich in größte Gefahr. Blitzschnell drehte sie sich um und rief Spot zu: „Wir müssen Runa hinterher! Deine nutzlosen Bemühungen bringen gar nichts, also höre auf damit. Deine Freundin rennt geradewegs in ihr Verderben und du hast nichts Besseres zu tun, als das hier?“ Daraufhin hetzte sie los. In ihrem Wahn würde ihre Lebensretterin sicher schon ziemlich viel Strecke hinter sich gebracht haben und sie wollte ihre Spur auf keinen Fall verlieren. Ihre Beine trugen Runa weiter und weiter durch die Landschaft, doch sie nahm diese überhaupt nicht wahr. Ihre Gedanken kreisten um das, was sie gerade gesehen hatte und um Yaris. Was hatte er ihr nur angetan? Niemals hätte sie sich auf ihn einlassen sollen, nein, weglaufen so weit es ging, wäre die beste Methode gewesen. Dieser Wolf brachte jedem Verderben und genau das hatte sie feststellen müssen, als sie damals das erste Mal einen Fuß in sein Revier setzen musste… Angeschlagen und klitschnass folgte Runa ihrem neuen Rudel, das sie in die Mitte genommen hatte, als würden sie einen Schatz zwischen sich transportieren. All die Augen, die sie anstarrten, machten die junge Wölfin nervös. Noch immer hing der Geruch von verbranntem Fleisch in ihrer Nase und sie wusste nicht, ob sie ihn lieber loswerden wollte oder ihn als gerechte Strafe sehen sollte, die eine Mörderin eben ertragen musste. Die Leute von Yaris trugen alle einen recht dunklen Pelz, die meisten waren grau, der Rest braun, nur die Gelbe stach regelrecht heraus mit ihrer ungewöhnlichen Färbung. Die Rüden sahen alle sehr angetan aus, wahrscheinlich galt so helles Fell in dieser Region als besonders schön, etwas was der Fähe jetzt erst klar wurde, vorher hatte sie nie darüber nachgedacht. Yaris lief ganz vorne, man konnte von der mittigen Position also nur seinen Rücken sehen, aber selbst da erkannt man, wie er stolzierte, als hätte er gerade einen großen Hirsch ganz alleine erlegt. Wahrscheinlich bin ich nur so etwas wie eine Trophäe für ihn, ging es der Gelben durch den Kopf. Was sollte sie auch schon für ihn sein? Würde er sie lieben, dann hätte er ihr das hier niemals angetan. Die ersten Schritte in dem neuen Revier fühlten sich so anders an, auch wenn es sicher nicht am Untergrund lag, denn der war der gleiche Waldboden, wie im Gebiet ihres Vaters. Doch schon bald änderte sie die Beschaffenheit des Grundes, es wurde steiniger. Yaris hatte ihr oft erzählt, dass es hier viele Felsen und Höhlen gab und genau das bestätigte sich jetzt. Allerdings kannten die Rudelmitglieder den besten Weg durch das unwegsame Gelände und sie kamen daher gut voran, bis sie schließlich einen Platz umringt von Felswänden erreichten, der ein gutes Versteck bot. Dort hielten sich noch weitere Wölfe auf, hauptsächlich Fähen, Jungwölfe und alte Tiere. Etwas grob wurde die Neue auf eine erhöhte Stelle gestoßen, wo sich ihr neuer Gefährte neben sie gesellte. Arrogant blickte er in die Menge unter ihnen und grinste breit: „Darf ich vorstellen, das ist Runa. Sie ist eure neue Alphawölfin. Behandelt sie mit Respekt und merkt euch, dass sie Mein ist. Sollte jemand auch nur eine Pfote an sie legen, dann wird er mit seinem Leben bezahlen.“ Er hob sie Schnauze und heulte darauf, alle anderen stimmten mit ein, zuletzt schließlich Runa, doch aus ihrem Gesang hörte man die Traurigkeit, die in ihrem Herzen wohnte. Noch immer spürte Runa keinerlei Anstrengung beim ununterbrochenen Rennen, als würde ihre Magie das völlig ausgleichen können. Sie rannte schon seit Stunden, vielleicht waren es sogar Tage, sie wusste es nicht und konnte es nur mit dem Wort „lange“ beschreiben. Irgendwann erreichte sie schließlich ihr Ziel, eine unscheinbare Höhle, in die sie ohne zu zögern ging und sich umschaute. Der Ort, an dem ich gestorben bin, dachte sie. Niemand schien seit den Ereignissen hier gewesen zu sein, nur ein paar Mäuse hatten ihre Spuren hinterlassen. „Hallo?“, rief sie in die Düsternis. „Ich weiß nicht ob du mich hörst, aber ich muss mit dir sprechen. Eine andere Stelle ist mir nicht eingefallen. Zeige dich, Lichtwesen, ich brauche dich!“ Stille. Kein Licht und auch kein Ton kamen, doch sie wollte einfach nicht aufgeben. „Warum?“, jammerte sie. „Warum hast du mich zurückgebracht? Das ich das erlebe? Das ich sehe, wie alle, die mir etwas bedeuten, sterben? Ist es wirklich meine Bestimmung?“ Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie sehr heftig atmete. Die lange Reise hatte sie wohl doch mehr erschöpft als vermutet und so ließ sie sich einfach fallen, um sich ein wenig Ruhe zu gönnen. Ihren Kopf vergrub sie in den Pfoten und wimmerte vor Schmerz in sich hinein. Auf der einen Seite gab es da diese Wut und den Rachendurst, auf der anderen Seite unerbittliche Trauer, auch wenn die sich noch nicht ganz entfaltete, weil immer noch der Schock tief in ihr saß. „Wäre ich doch nur gestorben…“ „Es tut mir leid.“ Die Stimme klang melodisch und rein. Runa drehte sich langsam um und sah das strahlende Lichtwesen vor sich. Es schwebte sanft über den Boden, das Gesicht neutral, doch wieder war es der Wölfin nicht möglich es direkt anzusehen. „Kannst du es nicht ändern? Kannst mich nicht in dein Reich holen, dort wo ich hingehöre?“ „Das geht nicht, Fähe. Dein Schicksal ist noch nicht erfüllt, du musst Artos zur Seite stehen, damit er der König wird, der er sein kann. Und du wirst die Magischen beschützen.“ Das rief Erinnerungen an die Prophezeiung wach, die Runa einst gehört hatte. Die frühen Sonnenstrahlen des ersten Morgens in der neuen Umgebung weckten die Gelbe aus ihrem unruhigen Schlaf. Für kurze Zeit glaubte sie daran, dass die Ereignisse nur ein böser Traum gewesen waren, bis ihr langsam klar wurde, dass alles der Wahrheit entsprach. Die Höhle empfand sie als kalt und ungemütlich, was wahrscheinlich auch dran lag, dass sie nicht an diesem Ort sein wollte. Nachdem sie sich umgesehen hatte und Yaris nicht finden konnte, spürte sie Erleichterung. In seiner Nähe fühlte sie sich alles andere als geborgen, auch wenn sie immer noch Liebe für ihn im Herzen trug, so wollte sie ihn im Moment nicht sehen. Mühsam rappelte sie sich auf und wagte sich zum Ausgang, um einen Blick nach draußen zu werfen. Weiter entfernt stand ihr Gefährte und unterhielt sich mit einem ungewöhnlich großen Wolf. Noch während sie sich fragte, wer das wohl sein könnte, kam eine alte Fähe zu ihr und setzte sich neben sie. „Der Wolf heißt Artos. Ein Friedenbringer, dessen Ruf ihm vorauseilt. Doch bei unserem Anführer wird er wohl auf Granit beißen mit seiner Vorstellung von einem ruhigen Zusammenleben aller Rudel“, erklärte sie. „Ich bin übrigens Pythia.“ „Artos? Ich habe noch nie von ihm gehört.“ Wie sollte sie auch? Immerhin hatte ihre Familie isoliert von allen anderen gelebt. „Es freut mich dich kennenzulernen. Pythia klingt sehr ungewöhnlich.“ „Oh, ich wurde nicht mit diesem Namen geboren, aber als man feststellte, wie besonders ich bin, wurde ich umbenannt.“ „Was bedeutet er?“ „Prophetin. Ein wenig übertrieben, aber ich sehe manchmal mehr als andere. Das ist nicht meine einzige Fähigkeit. Ich kann auch anderen eine Illusion vorspielen, also ihren Geist manipulieren.“ Die Gelbe legte erschrocken die Ohren an. Sie hatte ja gewusst, dass die Wölfe hier außergewöhnlich begabt waren, aber das man darüber so offen sprach, fühlte sich dann schon seltsam an. Die Graue lachte: „Auch in dir sehe ich extrem viel Potenzial. Allerdings musst du deine Angst davor erst einmal ablegen, sonst wirst du nie wirklich Kontrolle darüber haben, was du mit deiner Magie machst.“ „Ich werde tun, was mir möglich ist“, meinte Runa und blickte wieder zur Artos, der mit Leidenschaft seine Argumente vorbrachte, leider konnte man ihn von ihrer Position aus nicht verstehen. Langsam kamen auch andere Fähen näher und beschnupperten vorsichtig ihre neue Alphawölfin, sie alle schienen ihr freundlich gesinnt und deswegen ließ die Neue sie gewähren. Im Grunde wusste sie nicht einmal, wie sie ihr Recht als Anführerin verteidigen sollte, sie war viel zu jung und unerfahren für diesen Rang, doch ihr Gefährte hatte ja klar gemacht, wer hier der Boss war und daran musste sie sich alle halten. „Wie lange ist Yaris schon der Anführer?“, wollte sie wissen. „Er hat nie erwähnt, dass er das Rudel bereits führt.“ „Oh, seit zwei Tagen. Seine erste Amtshandlung war dich zu holen. Du solltest dich geehrt fühlen“, antwortete die graue Seherin. „Ja“, bekam sie nur als traurige Antwort. „Und wo ist sein Vater, der vorige Alpha?“ „Er hat ihn getötet. So läuft das in unserem Rudel. Unsere strengen Regeln versteht nicht jeder, aber sie haben ihren Sinn.“ „Mhmm…“ Jetzt konnte man deutlich erkennen, dass Yaris Artos abwies und das nicht ohne ihn auf Übelste zu drohen, die Reaktion verwunderte wohl niemanden, bis auf den großen Wolf, der ja nicht wusste, was für ein Rudel in diesem Gebiet lebte. Trotzdem schien er gefasst, es kam wohl öfters vor, dass er auf Ablehnung für sein Vorhaben stieß. Runa faszinierte die Idee und sie hätte sich gerne mit dem Riesen unterhalten, doch das traute sie sich nicht und so blieb sie sitzen und verfolgte das Geschehen aus dem Hintergrund. Im ersten Moment merkte sie gar nicht, was neben ihr gerade passierte, bis sie plötzlich ein Leuchten im Augenwinkel wahrnahm. Erschrocken richtete sie ihren Kopf zu alten Wölfin neben sich, dessen Iris zu glühen begonnen hatte. „Artos!“, sagte sie mit einer ungewöhnlich tiefen Stimme. „Auserwählt den Frieden zu bringen. Auserwählt um der König der Wölfe zu sein. An seiner Seite die Göttin Fenris, die im Verborgenen die Fäden ziehen und die Magischen vereint. Das Königreich wird über Generationen bestehen und Wohlstand und Glück bringen, bis zu dem Tag, an dem der goldene Wolf geboren und das Schicksal von neuem beginnt. Die Allmächtige an seiner Seite, um die Ordnung ins Chaos stürzen.“ Mit offenem Maul starrte die Gelbe Pythia an. Das war eine Prophezeiung gewesen und damals hatte sie noch nicht gewusst, wie sehr das ihre Zukunft beeinflussen würde. „Aber steht ihm denn nicht die Göttin Fenris zur Seite?“, fragte Runa das Lichtwesen. „Du bist Fenris.“ Die Gelbe riss erschrocken die Augen auf. „Natürlich bist du keine Göttin, aber man wird es glauben und dir diesen Beinamen gehen. Fenris gilt als Erschafferin aller Wölfe, die allmächtige Mutter. Jeder Wolf, der in der freien Natur geboren wurde, kennt diese Geschichte und darauf wird sich ihre Hoffnung aufbauen, die das Königreich zu dem macht, das es sein wird.“ „Aber…aber ich schaffe es nicht einmal meine Magie zu zügeln. Etwas was ich im Kampf gegen Yaris dringend nötig hätte.“ „Nun…“ Eine lange Pause brachte absolute Stille, bis plötzlich ein helles Licht aufflammte, was die Fähe fast erblinden ließ. Als ihre Sehkraft sich ganz langsam erholte, sah sie plötzlich einen in allen Farben glitzernden Stein vor sich schweben. Der Anblick raubte ihr fast den Atem, Worte fand sie dazu nicht, also erhob das leuchtende Wesen wieder die Stimme: „Mit diesem Stein wirst du die Macht haben über die Runenmagie zu gebieten. Man nennt ihn auch das Runenherz. Setze ihn weise ein und bedenke, dass der richtige Weg manchmal im Verborgenen liegt.“ Dann gab es wieder einen hellen Lichtblitz und die wunderschöne Gestalt war verschwunden, mit ihr der Stein, zumindest glaubte Runa das im ersten Moment. Dann sah sie an sich herab und bemerkte einen schwarzes Band um ihren Hals, an dem der wertvolle Schatz baumelte. Seine Farbenpracht hatte er verloren und erschien jetzt in einem tiefen Blau, er wirkte nun mehr wie ein normaler Stein, aber so glatt, dass man sich darin spiegeln konnte. So etwas kannte die Wölfin nur von den Besuchern im Zoo, die solchen Schmuck an ihren Körper getragen hatten. Jetzt war die Fähe auf alle Fälle bereit, um den nächsten Schritt zu gehen. Nach ein wenig Ausruhen, brach sie schließlich auf, um Yaris zu finden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)