Der Scherbensammler von Katherine_Pierce (Mehr als nur ein Gesicht) ================================================================================ Kapitel 7: Gipfeltreffen der Psychopathen ----------------------------------------- Zwei Tage waren seit dem ersten Nachsitzen vergangen. In dieser Zeit hatte Kate sich so gut es ging von Kaiba ferngehalten, was sich schwierig gestaltete, da er in Chemie immer noch in Ryous und ihrer Gruppe mit von der Partie war. Glücklicherweise hatten sie nur drei Stunden Chemie pro Woche. Dennoch sorgte Kate dafür, möglichst oft in der Vorbereitung zu sein und irgendwelche Utensilien zur Durchführung des Experimentes herauszukramen. Dank des Nachsitzens kannte sie sich jetzt verdammt gut aus. Kaiba hatte es sich nicht nehmen lassen, seiner Strafe zu entgehen, indem er wichtige geschäftliche Konferenzen vorschob, aber Mr Johnson mit ein paar Uniwürdigen Hausarbeiten abzuspeisen. Der Lehrer ließ Kaiba das auch durchgehen, hatte der Junge doch immerhin nur untadelige Zensuren. Mal von dem kleinen Zwischenfall mit der Salzsäure abgesehen hatte Seto Kaiba auch nie Schwierigkeiten gemacht, so dass Mr Johnson beschloss, ein Auge zuzudrücken. Kate allerdings musste weiterhin zwei Stunden nach dem Unterricht bleiben. Nicht, dass es ihr sonderlich viel ausgemacht hätte. Sie hatte schließlich niemanden, der auf sie wartete und dem sie Rechenschaft schuldig war, wenn man mal von Banner und der Heimleiterin Mrs McKenna absah. Jedoch musste Kate zugeben, dass die gute McKenna sich meistens mit den Bulimieerkrankten Mädchen und depressiven anderen Bewohnern herumschlug. Da Kate außer ihren drei anderen Persönlichkeiten keine weiteren Probleme aufzuweisen hatte, erfuhr sie nicht gerade viel Beachtung, was sie aber auch nicht störte. Sie mochte es nicht unbedingt, im Mittelpunkt zu stehen und betüddelt zu werden. Das erinnerte sie allzu sehr an früher. Als sie noch bei ihrem Onkel gelebt hatte. Kate war lediglich aufgefallen, dass Ryou ihr seit ihrem ersten Nachsitzen nicht mehr von der Seite wich. In der Schule zumindest. Sie hätte niemals zugelassen, dass er sie nach Hause begleitete, auch wenn Ryou nichts so leicht umhauen konnte. Das hatte er zuletzt in Chemie eindrucksvoll bewiesen, als Mr Johnson sie an der Buttersäure hatte schnuppern lassen und die meisten im Kurs danach ziemlich grün um die Nase gewesen waren. Nur Kaiba hatte keine Miene verzogen. Und Ryou auch nicht. Warum auch immer ihr Kumpel sie nicht mehr aus den Augen ließ, Kate nahm es hin, ohne Fragen zu stellen. Ryou würde schon einen guten Grund haben und irgendwann mal mit der Sprache herausrücken. Dessen war sie sich ganz sicher. Freitagmittag, die letzte Stunde vor dem Wochenende war Französisch. Ein Fach, das Kate ums Verrecken nicht beherrschte. Zum Glück hatte sie auch hier wieder Ryou an ihrer Seite, der sie in den Prüfungen mit Tipps versorgte, so dass sie bislang nur einmal durchgefallen war. Aber das war auch nicht Kates Schuld gewesen, sondern die des Scherbensammlers, der plötzlich Ai in den Vordergrund hatte treten lassen. Ein Kleinkind von vier Jahren beherrschte nun mal keine Fremdsprachen. Wenn es wenigstens Sue gewesen wäre, das fleißige, schüchterne Bienchen. Aber nein, es hatte ja ausgerechnet die Schwächste im Bunde sein müssen. Kate seufzte. Sie besprachen gerade mal wieder das passé compose. Eine Zeitform, die ihr nur dann lag, wenn sie gut gefusselt war. Die Tatsache allerdings, nach dieser Französischstunde das Wochenende mit Nachsitzen zu beginnen, beschäftigte Kate um Einiges mehr als irgendwelche Verben, die man konjugieren sollte. Prompt wurde sie daher von der biestigen Lehrerin Mademoiselle Delacour zum Lösen einer Aufgabe drangenommen. „Konjugieren Sie das Verb ‚être’!“, forderte Mademoiselle das Mädchen auf. Irritiert zuckte Kate zusammen und starrte ihre Lehrerin an, wie ein Auto. ‚Scheiße, ich hab nicht aufgepasst!’, dachte sie, während sie auf ihre Lippe biss und krampfhaft überlegte, wie sie sich am besten durch die Aufgabe mogeln konnte. „Ich warte.“, unterbrach Mademoiselle Kates Gedankefluss. Die Rothaarige seufzte leise, dann aber erhob sie die Stimme: „ Je suis, tu es, il/ elle/ on est, nous sommes, vous êtes, ils/ elles sont.“ Das hatte Kate recht schnell heruntergeleiert. Ryou, der neben ihr saß, war erleichtert. So weit hatte sie es richtig gemacht. „Wie schön. Kommen wir jetzt zu courir.“, verkündete Mademoiselle boshaft. Ein unregelmäßiges Verb. Etwas Schlimmeres hätte sie sich nicht einfallen lassen können. Besorgt warf Ryou seiner Banknachbarin einen Seitenblick zu. Kate schien zu Verzweifeln. „Tut mir Leid, Mademoiselle, ich kann courir nicht konjugieren.“ Die Lehrerin zog eine Augenbraue hoch. „So, so. Sie wissen, dass das Hausaufgabe war?“, fragte sie eisig. Betreten nickte Kate. „Ja. Es tut mir Leid, Mademoiselle.“ Sie hatte nur keine Zeit mehr gehabt zu lernen. Nicht, nachdem Cleo ihren Körper übernommen und sich mit ein paar Jungs gekloppt hatte. Die Folgen davon waren immer noch allzu deutlich zu spüren. Und zu sehen ebenfalls. ‚Was musste Cleo sich auch ausgerechnet mit marodierenden Oberschülern anlegen?’, dachte Kate knurrig, während sie sich Mühe gab, möglichst zerknirscht dreinzuschauen, damit die Französischlehrerin nicht merkte, wie egal ihr diese unregelmäßigen Verben eigentlich waren. „Wenn Sie noch einmal unvorbereitet zu meinem Unterricht erscheinen, sorge ich dafür, dass Sie durch Ihre Prüfung rasseln!“, keifte Mademoiselle wenig angetan ob der Tatsache, dass ihre Schülerin so unverfroren zugab, nichts für die Stunde getan zu haben. Und als Kate immer noch nicht angemessen reagierte, fügte die Lehrerin zischend hinzu: „Haben wir uns verstanden?“ Jetzt bekam sie endlich die Reaktion, die sie sehen wollte. Kate nickte mehr als betreten. „Ja, Mademoiselle Delacour.“, sagte sei sehr kleinlaut. „Bon. Alors...“ Damit ging der Unterricht weiter. Allerdings ohne, dass Kate ihm großartig gefolgt wäre. Nach einer halben Ewigkeit klingelte es endlich zum Schulschluss. Jubel und Hektik brachen aus. Die Schüler packten hastig ihre Sachen zusammen und machten, dass sie davon kamen. Niemand legte Wert darauf, länger in der Schule zu bleiben als nötig. Nur Kate beeilte sich nicht. Sie musste ohnehin noch nachsitzen, wenn zum Glück nur noch diesen Nachmittag. Allerdings hatte sie nach dieser katastrophalen Französischstunde überhaupt keine Motivation irgendwelche idiotischen Reaktionsgleichungen von der Tafel zu wischen oder im Lehrmittelkabuff für Ordnung zu sorgen. ‚Und Kaiba, der Depp wird sich wohl längst wieder verzogen haben, um in seiner Firma für Recht und Ordnung zu sorgen.’, dachte Kate missmutig, während sie den Französischraum verließ und sich auf den Weg zum Chemie- und Physiktrakt machte. „Hey, Kate, warte doch mal!“, hörte sie plötzlich jemanden rufen. Sie drehte sich um. Es war Ryou, der gerade eben aus dem Jungenklo gekommen war und jetzt eilig auf sei zu rannte. Keine Minute später bremste der Weißhaarige vor ihr ab. Er lächelte schwach. „Hast du schon was vor am Wochenende?“, wollte er dann leicht atemlos wissen. Irritiert sah Kate ihn an. Hatte Ryou Bakura sie gerade gefragt, ob sie in den nächsten zwei Tagen irgendwelche Pläne hatte? ‚Ich glaub, mich laust die grüne Haselmaus.’, dachte Kate ungläubig, schüttelte aber wahrheitsgemäß den Kopf. Nein, sie hatte nichts vor. Wie jedes Wochenende würde sie daheim bleiben, über ihren Büchern hängen und vor Langweile fast sterben. Ohne Erlaubnis der Heimleitung durfte sie eigentlich nirgends hingehen, auch wenn weder sie noch Cleo sich an diese Regel hielten. Cleo am Allerwenigsten. Die Kämpferin verabscheute es, sich irgendwem oder –etwas unterordnen zu müssen. Sie ging wohin immer sie wollte. Meist war das in die Innenstadt, um sich mit irgendwelchen Halbstarken zu prügeln. Oder aber sie ging in ein nahe gelegenes Dojo, um ihre Kampfkünste zu trainieren. Da sie jedoch nicht immer den Oberbefehl über Kates Körper bekam, zumindest nicht am Wochenende, fiel das meist flach. Es war Ai, die an den freien Tagen ans Licht durfte, da sie im Wohnheim nicht sonderlich viel Schaden anrichten konnte, wenn man mal von geplünderten Keksdosen oder genässten Betten absah. Und natürlich von nicht erledigten Hausaufgaben. Aber damit musste Kate nun mal leben. Jeden einzelnen Tag, den sie noch auf dieser Erde verbringen durfte. Für ihre Krankheit gab es keine Heilung, wie etwa bei den Leuten mit Depressionen. So was konnte man überwinden. Sogar bei einer Borderline- Störung war das möglich. Nur eben nicht, wenn man eine Multiple war. Kate war dazu verdammt, den Rest ihres Lebens um die Oberhand über ihren Körper fürchten zu müssen. Sie würde niemals einen Freund haben können, ganz einfach, weil kein Mann der Welt ein Mädchen würde haben wollen, das noch drei andere Persönlichkeiten in sich trug und diese nicht kontrollieren konnte. Nicht, dass Kate sich nach einer Liebschaft verzehrt hätte, aber es tat schon weh, zu sehen, wie fröhlich die anderen Mädchen waren, weil sie Freunde hatten, die ihnen jeden Wunsch von den Augen ablasen, mit ihnen ausgingen oder zärtlich sprachen. Sogar die Streits waren etwas, um das Kate die vergebenen Mädchen beneidete. Sie hatte gar nichts. Nur Doktor Banner für zwei Stunden an einem Nachmittag in der Woche. Sie konnte nicht mal von sich behaupten normale Freunde zu haben. Höchstens Bekanntschaften, wie etwa Ryou. „Hallo? Erde an Kate!“ Ryou fuchtelte mit seiner Hand vor ihrem Gesicht herum. Für einen Augenblick hatte Kate einen unglaublichen traurigen, wehmütigen Ausdruck in ihren grünen Katzenaugen gezeigt. Jetzt aber schüttelte sie sich energisch und schien wieder völlig sie selbst zu sein. „Entschuldige, Ryou. Ich war grad ein bisschen abwesend.“, sagte sie zerknirscht, seufzte leise und musterte ihn dann unverwandt. „Worum ging es eben noch mal?“ Etwas irritiert zog Ryou eine Augenbraue hoch. „Ich hatte dich gefragt, ob du am Wochenende schon was vor hast.“, wiederholte er dann aber geduldig seine Frage. „Hm, oh ja. Stimmt.“ „Und?“, bohrte Ryou ungeduldig, der in den letzten Tagen eifrig Internetrecherche betrieben hatte. „Wie ‚und’?“ „Hast du nun was vor oder nicht?“ Langsam wurde er doch ungeduldig. Kate schien überhaupt nicht bei der Sache zu sein. Er betrachtete sie näher. Komisch, in der Pause heute war ihm gar nicht aufgefallen, dass sie ein Veilchen hatte. Wo hatte sie das denn her? ‚Bestimmt hat diese Cleo Rabatz gemacht.’, mischte Kura sich ein, dabei genüßlich grinsend. ‚Halt die Klappe!’, moserte Ryou, der überhaupt kein Interesse daran hatte, sich auch noch mit seinem Yami rumärgern zu müssen. ‚Werd ja nicht freche, Kleiner. Sonst macht Kate mal mit mir Bekanntschaft!’, drohte Kura, der sich von nichts und niemandem den Mund verbieten ließ. Von Ryou schon gleich dreimal nicht. „Nein. Eigentlich nicht.“, beendete Kate den Schlagabtausch zwischen Ryou und Kura. „Und uneigentlich?“, hakte Ryou gleich begeistert nach. „Auch nicht.“, kam es knapp von ihr. „Toll. Was hältst du davon, am Samstag zu mir zu kommen und wir schauen uns ‚Stirb Langsam’ an?“ Damit hatte Kate nun gar nicht gerechnet. „Du guckst Actionfilme?“, entfuhr es ihr ungläubig. Prompt wurde Ryou rot. Am Liebsten sah er Animes. Oder Schnulzen, aber das konnte er der harten Kate doch nicht sagen! Eigentlich war es Kura, der die Actionfilme besaß. Und ein paar Horror- und Splatterfilme durften natürlich nicht fehlen. „Stell dir vor, ich guck Actionfilme.“, gab Ryou sarkastisch zurück, „Also, was ist nun? Hast du Lust dazu oder willst du lieber in deinem Wohnheim vergammeln?“ Schon in dem Augenblick, da er dies aussprach, wusste er, dass er einen dummen Fehler gemacht hatte. „Was hast du gesagt?“, fauchte Kate. In ihren grünen Katzenaugen loderte es. Noch nie zuvor hatte Ryou das Mädchen so zornig gesehen. Nicht einmal bei dem Zwischenfall in Chemie. ‚Bravo!’, applaudierte Kura höhnisch, der aber nicht leugnen konnte, dass er die Show genoß. Mit etwas Glück würde er gleich Bekanntschaft mit Cleo machen. ‚Scheiße!’, durchzuckte es Ryou. Er hatte nicht geglaubt, dass Augen, vor allem so grüne, wie die Kates, wahrhaftig lodern konnten wie Feuer. Grüne Flammen starrten ihn an. Von oben herab. Moment mal. Von oben herab? Kate war doch eigentlich gleich groß wie er, also 1, 70 Meter groß. Wie konnte sie da plötzlich auf ihn herabsehen? ‚Cleo...’, dachte Ryou ziemlich verängstigt. Er hatte in Chemie gesehen, dass sie fast an Kaiba heranreichte. Sie musste mindestens fünf Zentimeter größer sein als Kate. „Was hast du gesagt, du miese kleine Ratte?“, zischte die Kämpferin erbost. Sie hatte ihre Schultasche zu Boden fallen lassen, die Hände in die Seiten gestemmt und durchbohrte Ryou mit ihren Blicken. Dem Jungen wurde es langsam wirklich unheimlich. Nur Kura indes lachte innerlich. Es war nur zu deutlich, wie sehr er sich an dem Schauspiel ergötzte. Früher oder später würde er eingreifen. Aber noch nicht. „Ich...hab es nicht so gemeint, Kate. Tut mir Leid. Ist mir so rausgerutscht.“ „Kate?“, höhnte da die Kämpferin, „Man sollte meinen nach der Salzsäure- Aktion hättest du kapiert, dass Kate nicht allein über ihren Körper zu bestimmen hat.“ „Cleo, dann eben.“, gab Ryou zurück, „Ich hab es nicht böse gemeint. Ich wollte nur, dass Kate mal mehr Kontakt mit ihren Mitmenschen hat. Mehr auch nicht.“ „ ‚Mehr auch nicht!’“, äffte Cleo den Weißhaarigen nach. Immer noch wütend starrte sie ihn an. „Ich sag dir mal was, du halbe Portion! Kate braucht keine Freunde, klar? Und schon gar keinen kleinen, schmächtigen Speichellecker wie dich!“ Das empörte Ryou über die Maßen. Mehr aber noch Kura, der sich gleich angesprochen fühlte, wie immer, wenn man seinen Wirt mit Beschimpfungen überhäufte. Er ließ sich ja Einiges bieten, aber das ging doch eindeutig zu weit! „Speichellecker? Nimmst du deinen Mund da nicht ein bisschen zu voll, Weib?“, fauchte Kura, der sich einfach mal Ryous Körper bemächtigt hatte. Cleo zog eine Augenbraue hoch. „Wer bist du denn?“, wollte sie dann leidlich interessiert wissen. Ihr war sofort klar gewesen, als sie diese Stimme hörte, dass sie es nicht mehr mit diesem kleinen Schwachmaten zu tun hatte. Zum einen war dieser Kerl größer als der Schwächling und er hatte auch einen tiefere Stimme. Insgesamt wirkte er viel männlicher, was Cleo nicht gerade abstieß. Im Gegensatz zu Kate hatte sie eine Vorliebe für Männer, die ihr Paroli bieten konnten. Und dieser Knallkopf, der sich ihr gerade präsentierte, gehörte unbestritten zu dieser Gruppe. Daher lächelte sie leicht, allerdings ohne einen Funken Wärme darin. „Ich an deiner Stelle würde nicht so dämlich grinsen, Herzchen. Dazu hast du keinen Grund.“, erwiderte Kura mit hochgezogener Augenbraue. „Ach ja? Dich mach ich locker fertig, Schmalzlocke.“ „Das werden wir ja sehen, Erdbeerhöschen.“ Cleo lief tatsächlich leuchtend rot an, als er das sagte. Woher zum Henker wusste der Kerl, dass Kate heut ein Höschen mit Erdbeeren drauf trug? Konnte der etwa durch Klamotten spannen? „Na, überrascht?“, wollte Kura wissen. Statt einer Antwort bekam er eine gepfefferte Ohrfeige. ‚Verdammt, für ein Weib schlägt sie fest zu.’, beschwerte Kura sich. ‚Selbst Schuld!’, gab Ryou zurück, der aber alles in allem erleichtert war, nicht länger mit Cleo konfrontiert zu sein. „Du Miststück wagst es einen Mann zu schlagen?“, fauchte Kura nun erbost. Er ballte seine Hände zu Fäusten und war drauf und dran sich ernsthaft mit diesem Mädchen, das er nur knapp überragte, zu schlagen, als Ryou ihm in Erinnerung rief, dass sie sich im Schulflur befanden und jederzeit von einem Lehrer gefunden werden konnten. Kura ließ sich die Argumentation Ryous kurz durch den Kopf gehen, befand dann aber, das Nachsitzen die Sache nicht wert sei und machte der hitzköpfigen Cleo stattdessen einen besseren Vorschlag. „Heute Nacht, Punkt Zwölf auf dem Sportplatz!“ Mit diesen Worten schulterte Kura seine Tasche und verließ den Ort des Geschehens. Zurück blieb eine sehr verwunderte Cleo, die nicht leugnen konnte, dass der Typ, dessen Namen sie immer noch nicht kannte, Schneid hatte. „Ach, bequemst du dich auch endlich mal her?“, ertönte Kaibas giftige Stimme, kaum, dass Kate den Chemieraum betreten hatte. Sie zuckte merklich zusammen. „Was machst du denn hier?“, entfuhr es ihr überrascht. Die anderen Tage hatte er sich doch immer verkrümeln können! „Nachsitzen, was denn sonst?“, erwiderte Kaiba trocken. Er lehnte mit verschränkten Armen an der Tür zur Vorbereitung. „Aber...“, stammelte Kate verwundert, „...die letzten paar Tage warst du auch nicht hier.“ „Jetzt bin ich es aber, also hör auf zu lamentieren.“ „Okay, okay.“ Rasch stellte Kate ihre Sachen ab. Dann fiel ihr ein, dass sie überhaupt nicht wusste, was sie zu tun hatte. Fragend sah sie Kaiba an, der sich ob ihrer Unwissenheit ziemlich zu amüsieren schien. Damit sie nicht auch noch hier ein Auftauchen Cleos riskierte, riss Kate sich zusammen. „Was sollen wir denn diesmal machen?“, fragte sie mit zusammengebissenen Zähnen. „Ich hatte mich schon gefragt, wann du dich danach erkundigst, Thompson.“, höhnte Kaiba, der auf das Kabuff hinter sich wies. „Wir sollen heute Bücher sortieren und ein paar Kolben auswaschen.“, fügte er hinzu. „Ah ja.“ „Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?“ Kate zog es vor, nicht darauf zu antworten. Stattdessen marschierte sie zum Spülbecken. Sie ahnte schon, dass Kaiba nicht würde abwaschen wollen, war es doch Weiberarbeit. Und sie hatte Einiges an Übung darin. Nachdem sie genügend Wasser in das Becken hatte laufen lassen, griff sie nach einer Petrischale, die Kaiba ihr aber mit einem Handtuch sofort wieder aus der Hand riss. „Bist du noch ganz dicht?“, fauchte er. Erschrocken sah sie zu ihm auf, da er sie um gut anderthalb Köpfe überragte. Was hatte sie bloß diesmal falsch gemacht? „Da ist Schwefelsäure dran, das kannst du nicht einfach so anfassen!“, belehrte Kaiba sie. „Oh.“, antwortete Kate wenig geistreich darauf. „Ja, oh.“, knurrte der Jungunternehmer, „Lass mich lieber den Abwasch machen. Kümmer du dich um die Bücher, das ist ungefährlicher.“ Irritiert gehorchte Kate. Wie kam es, dass Kaiba sich benahm, wie er sich benahm? ‚Hat der irgendwelche Drogen genommen?’, fragte sie sich, während sie brav die Bücher nach Jahrgängen trennte. Nach Ablauf von zwei Stunden durften die beiden Sünder endlich gehen. Kate reckte sich. Sie hatte irgendwie gute Laune. Das Nachsitzen war nun endgültig vorbei und sie Kaiba los. Zumindest hoffte sie das. Schon wollte sie das Gebäude durch die Notausgangstür verlassen, als man sie zurückhielt. „Kann ich dich irgendwohin mitnehmen?“, drang Kaibas Stimme an ihr Ohr. Sicher, dass sie sich verhört hatte, blieb Kate wie angewurzelt stehen. „Willst du mich verarschen?“, entfuhr es ihr, während sie sich zu ihm umwandte. „Nein, eigentlich nicht.“, erwiderte Kaiba, nun merklich kühler, „Ich wollte nur freundlich sein.“ „Tut mir Leid, aber normalerweise bist du das Arschloch vom Dienst, deswegen bin ich ziemlich verwundert.“ „So, so.“, war alles, was Kaiba dazu einfiel. Dann fügte er aber hinzu: „Willst du nun oder nicht?“ Ein Blick auf den grauen Himmel draußen, brachte Kates Entschluss, zu laufen mächtig ins Wanken. Sie hatte nun wirklich keine Lust nass bis auf die Knochen zu werden. „Okay.“, willigte sie ein. Ohne ein weiteres Wort marschierte Kaiba davon. Kate sah zu, dass sie ihm hinterherkam. Sie stiegen die Treppen bis ins Erdgeschoß hoch, wo sich der Haupteingang befand. Keiner von beiden sagte etwas. Stattdessen schritt Kaiba nur schneller aus, als wolle er unbedingt verhindern von jemandem gesehen zu werden, so dass Kate Mühe hatte, mit ihm Schritt zu halten. Doch sie beklagte sich nicht. Vor Kaiba würde sie niemals Schwäche zeigen. Nur über ihren verstümmelten Leichnam. Endlich hatten sie das Gebäude verlassen. Auf dem Parkplatz wartete schon Roland mit dem Privatwagen des jungen Unternehmers. Kaiba ließ Kate zuerst einsteigen, dann setzte er sich neben sie und wies Roland an, ihn zur KC zu bringen. „Wo wohnst du überhaupt?“, wollte Kaiba dann wissen. Kate zuckte zusammen, als habe man sie geschlagen. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, Kaibas Angebot anzunehmen? Sicherlich würde er entsetzt sein, wenn er wüsste, dass sie in einem Wohnheim für psychisch kranke Jugendliche lebte. Und noch schlimmer, wenn er herausfände, dass sie eine Multiple war. Bestimmt würde Kaiba gerichtlich gegen sie vorgehen. Und sie müsste die Schule verlassen. Kaiba war mächtig genug, um ihre ganze Zukunft zu versauen, indem er sie einfach in eine Irrenanstalt abschieben ließ. „Alles okay bei dir?“, erkundigte sich der Unternehmer beinahe teilnahmsvoll. Ihm war keinesfalls entgangen, dass Kate arg zusammen gezuckt war, als er gefragt hatte, wo sie wohnte. Hatte sie etwas zu verbergen? Oder lebte sie bloß in schäbigen Verhältnissen, deren sie sich schämte? „Was?“ Gehetzt sah sie ihn an. Kaiba zog eine Augenbraue hoch. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. „Ich hab mich lediglich nach deinem werten Befinden erkundigt.“, meinte er dann neutral klingend. Es ging doch nicht an, dass er Interesse an dem merkwürdigen Benehmen diesen Görs zeigte! „Alles klar, mach dir keinen Kopf!“, log Kate rasch, sah aber Kaiba nicht an. Man konnte es in ihren Augen lesen, wenn sie nicht die Wahrheit sagte. Selbst Menschen, die sie kaum kannte und mit denen sie nichts zu tun hatte, waren in der Lage das zu erkennen, so dass sie lieber kein Risiko einging. Kaiba merkte zwar, dass sie log, ging aber nicht weiter darauf ein. Was ging ihn das denn an? Kate Thompson hatte ihn rein gar nicht zu interessieren und dass er ihr angeboten hatte, sie mitzunehmen war nur eine Wiedergutmachung dafür, dass sie ihn hatte früher gehen lassen. „Wo wohnst du denn nun?“, bohrte er beharrlich. Kate steckte noch immer in einer Zwickmühle. Sollte sie ihm ihre richtige Adresse sagen? Gerade als sie kurz davor war, sich in ihr Schicksal zu ergeben, hatte sie einen Geistesblitz. Schon machte sie den Mund auf und gab ihrem Mitschüler die genaue Adresse an. Bestimmt hatte Doktor Banner nichts dagegen, wenn sie sein Haus als ihr Zuhause ausgab. Er würde es verstehen. Sie lächelte, zufrieden, dass sie so eine elegante Lösung für ihr Problem gefunden hatte. Wenig später erreichten sie schon Banners Haus, das recht groß und luxuriös war. Kaiba zog eine Augenbraue hoch, sagte aber kein Wort. Währenddessen hielt Roland am Straßenrand, Kate schnappte ihre Schultasche, öffnete die Autotür und wandte sich dann, halb im Aussteigen begriffen, Kaiba zu. „Dank fürs Mitnehmen.“ Sie lächelte sogar. Bevor ihr Mitschüler den Mund aufmachen konnte, war sie schon ausgestiegen, hatte die Tür zugeknallt und wandte sich Banners Haus zu. Roland derweil trat aufs Gas und manövrierte den Wagen wieder auf die Straße zurück. Dabei warf er einen Blick in den Rückspiegel. Sein Arbeitgeber saß dort mit versteinerter Miene. Nichts war aus dieser Mimik abzulesen. Jedenfalls nicht für einen Außenstehenden. Roland aber, der seinen Chef nun mal gut kannte, wusste, dass ihn etwas beschäftigen musste. Und er war sich fast sicher, dass es mit dem jungen rothaarigen Mädchen zu tun hatte, das sie soeben zuhause abgeliefert hatten. ‚Für ein Mädchen aus der High Society benahm sie sich aber ziemlich vulgär und gewöhnlich.’, schoss es Roland durch den Kopf, während er das Auto durch den dichten Verkehr fädelte. „Schauen Sie gefälligst auf die Straße, Roland!“, ertönte Kaibas autoritäre Stimme missmutig aus dem Fond des Wagens. Hastig beeilte der Angestellte sich, den Worten des Unternehmers Folge zu leisten. Er wusste nur allzu gut, dass seinem Chef schnell der Kragen platzte, wenn man ihm nicht gehorchte. Allerdings kam Roland nicht umhin, sich weiter zu fragen, was Seto Kaiba wohl dazu bewogen haben könnte, ein Mädchen dieses Kalibers mitfahren zu lassen... Um Punkt Mitternacht fand Bakura sich auf dem Sportplatz ein. Dunkle Wolken zogen über den nächtlichen Frühsommerhimmel, ab und an konnte man ein paar Sterne erhaschen, sowie die silberne Sichel des Mondes. Die Bäume, die den Platz umstanden, wogten in einer sanften Brise hin und her. Insgesamt hatte die Atmosphäre etwas gespenstisches, obwohl auch friedlich. Gespannt sah Bakura sich um. Keine Spur von der rothaarigen Hexe. ‚Pah, sie ist feige und drückt sich.’, dachte er verächtlich, während er die Arme verschränkte, ‚Das hätte ich mir ja denken können.’ Ein Grinsen erschien auf seinen harten, kalten Zügen. Typisch Mädchen. Egal wie kämpferisch und brutal sie sich geben mochten, sie scheuten doch immer vor einem offenen Krieg zurück. ‚Nimm den Mund bloß nicht zu voll!’, riet aus dem Hintergrund Ryou, der am Liebsten daheim gewesen und die Wiederholung von ‚Mila Superstar’ geguckt hätte, aber leider war Kura nicht geneigt gewesen, seinem Wirt den Körper zu überlassen. Sie hatten sich lediglich darauf einigen können, die Folgen, die Ryou verpasste, auf Videokassette aufzunehmen, so dass er das Wochenende mit Fernsehen verbringen konnte, wo doch seine geplante Verabredung mit Kate geplatzt war. Natürlich nur dank Cleo. Genervt warf Bakura einen Blick auf Ryous Armbanduhr. Es waren schon sieben Minuten nach Zwölf. Als er beschloss, gehen zu wollen, trat seine Gegnerin endlich auf den Plan. Ihm und Ryou fielen gleichermaßen beinahe die Augen raus bei ihrem Anblick. Das lange rote Haar flatterte in der Brise wie eine Fahne hinter ihr her. Ihre langen, muskulösen Beine steckten in schwarzen Stiefeln, die bis zum Knie reichten und der Rest ihres Körpers war in ein knappes schwarzes Top, wie einer ebenso kurzen und schwarzen Hotpants gewandet. In ihrer linken Hand hatte das Mädchen zwei Stöcke, wie man sie beim Kendo benutzte. „Ich dachte schon, du kämst nicht.“, raunzte Bakura zur Begrüßung. Spöttisch zog das Mädchen eine Augenbraue hoch. Ihre grünen Augen blickten hart und unbeugsam zu ihm auf, wenn auch der Größenunterschied zwischen ihnen nicht gerade nennenswert war. „Was glaubst du denn? Ich nehme jede Herausforderung an. Und von einem weißhaarigen Psychopathen aus Prinzip schon.“, erwiderte Cleo gelassen. Ihre Stimme war etwas rauer als Kates. Insgesamt schien sie noch selbstbewusster. Bakura wurde klar, dass dieser Kampf kein Klacks würde für ihn. „So, so. Schlägst dich wohl öfter mit meinesgleichen, was?“, stichelte der Weißhaarige, der darauf brannte, seine Kräfte mit den ihren messen zu können. Zugegeben, es würde ziemlich unfair werden, denn sollte er merken, dass er am Verlieren war, würde er Cleo wohl oder übel ins Reich der Schatten verbannen müssen. Von einem Mädchen ließ Bakura sich nicht unterkriegen, geschweige denn demütigen. „Könnte man so sagen. Nehmen wir mal diesen verrückten Ägypter mit dem Goldstab da.“, kam es ganz gelassen von Cleo. Sie erlaubte sich lediglich ein kleines Grinsen. „Oha, Yami Marik? Na ob das klug war...“ Cleo schnaubte. „Ich bitte dich, der Kerl hat mich um Gnade angewinselt, nachdem ich mit ihm fertig war.“ Das klang allzu beiläufig. Bakura selbst hatte schlechte Erfahrungen mit Yami Marik gemacht, weswegen er ihr nicht recht glauben mochte. Um herauszufinden, ob sie log oder wahr sprach gab es nur eine Möglichkeit: kämpfen. Genau aus diesem Grund schnappte Bakura sich auch einen der Stäbe, die Cleo so locker in der Hand hielt. Das quittierte sie mit einem leisen Lachen, gefolgt von einem kokett klingenden ‚Ungeduldig?’, das Bakura ziemlich aus dem Konzept brachte. Er erstarrte in seiner Bewegung, brauchte sogar einen Moment, um sich wieder zu besinnen. Dann aber nickte er. Sie sollte ja nicht glauben, er hätte sie bloß zum Schwatzen herbestellt. Nein, viel eher wollte er ein kleines Exempel statuieren, nämlich, dass sich niemand an Ryou zu vergreifen hatte, außer ihm selbst natürlich. „Fein. Dann fangen wir mal an.“ Wie geschäftsmäßig das klang. Als ob sie es gewohnt war, sich mit Leuten zu schlagen. ‚Na ja, wundern würde es mich jedenfalls nicht.’, warf Ryou ein, der schon um seinen Körper fürchtete. Die Schmerzen durfte er nämlich meistens ausbaden. ‚Klappe, ich muss mich konzentrieren!’, fauchte Bakura entnervt. Aus irgendeinem ihm unbekannten Grund war er total nervös in Cleos Nähe. Lag es daran, dass er sie nicht einzuschätzen wusste? Oder doch an etwas Anderem? „Bereit?“, riss ihn da Cleo aus seinen Gedankengängen. Grimmig nickte Bakura. Er ließ ihr sogar den Vortritt. Ein großer Fehler, wie sich noch zeigen sollte. Vorerst war er damit beschäftigt, ihre noch recht lockeren Schläge abzuwehren, die aber doch recht gut koordiniert waren, wie er zugeben musste. Bald schon geriet Bakura ins Schwitzen. Zwar ging es Cleo ganz ähnlich, aber sie hatte mehr Ausdauer, wie der Weißhaarige mit Schrecken feststellen musste. Wenn das so weiter ging würde er vor Erschöpfung aufgeben müssen. Und das wollte Bakura überhaupt nicht. Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Alles in ihm arbeitete, um ja nicht schmerzhaft von Cleos Stock getroffen zu werden. Nicht immer erfolgreich, aber er hatte auch ein paar Treffer landen können, die sein Gegenüber nicht einfach so weggesteckt hatte. Nach einer weiteren halben Stunde war bei beiden das Maß voll. Sie hatten zwar eher zögerlich begonnen, waren aber immer forscher und brutaler geworden, so dass eine größere Anstrengung vonnöten gewesen war, um durchzuhalten. Irgendwann aber waren alle Kräfte verbraucht. Erschöpft sanken die beiden jungen Leute auf den kühlen Rasen. „Oh mann...“, sagte Cleo. „Das war gut.“, sagte Kura. Dann sahen sie sich an. „Wir sollten das öfter machen.“, sagten sie wie aus einem Mund. Sie begannen schallend zu lachen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)