Post Blue von Mebell (It's between you and me) ================================================================================ Kapitel 7: 10:00 ---------------- A/N: Schön, dass ihr uns treu seid, ehrlich! :) Hier ist auch Nachschub, wie versprochen. *** 10:00 Die Tür fliegt lautstark auf, Farin zuckt am Küchentisch zusammen, lässt fast seine Tasse fallen. Vor ihm steht ein übernächtigter, aufgedrehter Schlagzeuger mit manischem Grinsen auf den Gesichtszügen. „Guten Morgen Bela. Du kommst aber früh...“ Tatsächlich ist zehn Uhr eine neue Rekordleistung seines Freundes, wie Farin leider feststellen muss. Natürlich hat der Schlagzeuger nicht ewig an sich halten können, frönt somit weiter seinem alten Lebensstil. Wobei er heute einmal alle Gründe dieser Welt bekommen hat, so richtig auf den Putz zu hauen, das muss Farin sich eingestehen. „Endlich sind wa das dreckige Bassproblem los...Was für nen Freudentag.“, leicht schwankend dreht sich Bela im Kreis, droht immer fast zu kippen, hält sich gerade so auf den eigenen Füßen. „Et ist weg, das kleine, kleine, miese Stück Dreck.“, die vom Alkohol kratzige Stimme grölt das „Dreck“ besonders lange. Farin beschließt die Sucht für heute Sucht sein zu lassen, ebenso wie die Probleme und Sorgen einfach Probleme und Sorgen sind. Ihre geliebte Untermieterin hat jetzt schon den Besen ausgepackt, also ist der Rest nun auch egal. Schwungvoll stellt Farin seinen Teetasse ab, schlurft zu ihrer Musikanlage und legt irgendetwas sehr Lautes in den Plattenspieler. Sofort lässt Bela sich von den Tönen mitreißen, tanzt, hüpft, springt durch die kleine Küche. Die gute Laune ist wie eine Epidemie, nicht aufzuhalten oder zu unterdrücken. Aus diesem Grund nimmt der Gitarrist die Hand an, die ihm hingehalten wird, eine Einladung zu ein paar Minuten ganz eigener Freiheit. Die Gitarrenriffs im Hintergrund donnern durch die ganze Wohnung, laut und ungestüm, gemeinsam mit den beiden Freunden. Farin braucht keine Drogen oder Alkohol, nein, der Schlagzeuger in einer seiner Hochphasen reicht ganz allein für die berauschende Wirkung. Gemeinsam entwickeln sie ihre eigene Art von Freudentanz, ganz sicher mit viel Pogo, auf jeden Fall auch etwas Headbangen, natürlich auch die hohe Kunst der Luftgitarre, eine Note von Samba und eventuell sogar ein klitzekleinesbisschen Walzer. Dazu grölen, singen, schreien sie ihre Hass- und Freudenparolen, so laut, dass jeder in der Straße Bescheid weiß. Ab und an stiehlt sich einer einen Kuss vom Anderen, hilft dem Gegenüber auf, wenn er vor Ekstase stolpert. Es geht einiges mehr als nur Farins Lieblingstasse zu Bruch, aber die Scherben heizen ihnen nur noch mehr ein, lassen sie lauthals lachen. In diesen Momenten kann Farin ein stückweit nachvollziehen, warum Bela das jede Nacht braucht. Wenn auch nur ein stückweit, es ist der Anfang von so etwas wie Verständnis. Gerade aber sind sie beide gleich, ist eh alles egal, die besten Freunde zusammen, einfach nur glücklich. Die Welt hätte untergehen können und es wäre unbemerkt an ihnen vorbei gegangen. Irgendwann jedoch verlassen Bela die letzten Reserven, völlig verausgabt bricht er einfach auf seinem Freund zusammen, begräbt ihn mit sich auf den kalten Küchenfliesen. Über ihnen donnern immer noch Gitarre, Schlagzeug und Bass, Farin spürt den ohnmächtigen, vielleicht auch schlafenden Bela auf seiner Brust. Doch selbst das stört ihn nicht im Geringsten, er liegt einfach so da, spielt mit den zotteligen Haarsträhnen seines Freundes und grinst. Bis der letzte Akkord verklungen ist, die hysterischen Schreie aus der Wohnung unter ihnen und das Klopfen des Besens ebenso. Die Ruhe ist tödlich, saugt jegliches Gefühl von Lebendigkeit aus seinen Adern. Alles, was Farin im vergangenen Augenblick glücklich gemacht hat beklemmt ihn auf einmal. Sein bester Freund liegt völlig stoned, betrunken, wahrscheinlich in einem äußert kritischen Zustand auf ihm. Sie haben keinen Bassisten mehr, ein Drittel der Band fehlt unwiderruflich. Sein Lohn wurde gekürzt, seine Schichten dafür länger und ihre Wohnung noch teurer. Seine psychischen Probleme treiben ihn mittlerweile fast dazu, auch mit Drogen in anderer Art und Weise anzufangen. Schlaftabletten sind eine feine Erfindung der Pharmaindustrie. Außerdem haben sie immer noch keine Ahnung, wie sie die Zukunft gestalten wollen, leben zu sehr in der Gegenwart. Reflexartig drückt Farin die zerbrechliche, schlaffe Hand Belas, klammert sich an sie. Egal wie, der Schlagzeuger gehört mit in diese ungewisse Zukunft. Nur wird dieses Vorhaben auch sein Ruin sein. Er merkt zu oft, genau wie gerade, dass er die Stimmung seines besten Freundes eins zu eins widerspiegelt, egal ob dieser himmelhochjauchzend oder zu Tode betrübt ist. Wenn er das hier so weiter treiben würde, käme irgendwann der Tag X an dem nicht so etwas Harmloses wie ein Abwasch, sondern sein ganzes Leben auf dem Spiel stünde. Aber was ist das überhaupt, sein Leben? Die nicht mehr wirklich existierende Band? Sein scheußlicher Job in der Fabrik? Sein Alltagstrott oder seine Träume? Hat er überhaupt noch Träume? Er kennt die Antwort, in dem Moment als er die Frage nur halb gedacht hat, ist sie schon da gewesen. Hinterhältig kam sie aus der Ecke geschlichen, hat sich auf ihn gestürzt wie eine Raubkatze. Sein Leben hängt ziemlich leblos auf ihm. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)