Post Blue von Mebell (It's between you and me) ================================================================================ Kapitel 2: 05:00 ---------------- 05:00 Vorsichtig hebt Farin die Bettdecke an, verlässt leise die wärmende Zuflucht. Wobei auch eine Horde lärmender Kinder den tief und fest schlafenden Bela nicht geweckt hätte. Farin registriert die Kälte des Bodens im Kontakt mit seinen nackten Füßen kaum. Genauer gesagt ist es der Kontakt zu irgendeinem Comic, da heute die Wahl auf das Zimmer des Schlagzeugers gefallen ist. Die Zimmerwahl verfluchend tapst Farin unbeholfen durch das kreative Chaos seines Freundes, bedacht darauf, sich nicht zu verletzen oder gleich den Boden zu küssen. Was bei aalglatten Comicseiten und einem original Batmobil nicht gerade einfach ist. Er zuckt wie jedes Mal zusammen, als die Plüschfledermaus, die von der Decke baumelt, seine Haare streift. Doch der nervige Zeitgenosse zeigt ihm auch, dass er es fast geschafft hat. An der Tür angekommen, wirft er einen letzten Blick zurück, erkennt in dem wenigen Licht aber eh so gut wie nichts. Unordnung und ein schnarchender Schlagzeuger bleiben zurück, mit der Erkenntnis, dass Bela irgendwo immer noch ein gottverdammtes Kind ist. Nur eine Tür weiter befindet er sich in wesentlich ordentlicheren Verhältnissen, genauer gesagt in seinem Zimmer. Seufzend lässt er sich auf sein Bett fallen, knipst das kleine Nachtlicht an. Routiniert greift Farin von seinem Schreibtisch das Notizbuch und den abgekauten Bleistift, um sich an irgendetwas Produktiverem als Wachliegen zu versuchen Doch die Ideen bleiben wie sooft in den letzten Tagen aus. Unterbewusst kritzelt Farin auf einer Seite herum, meist nur unerkennbarer Nonsens statt geistreicher Textzeilen. Nur ab und verirrt sich ein Wort auf das Papier: „Wrack“, fett geschrieben, „Zukunft“, durchgestrichen, oder „Bela“, kaum sichtbar. Selbst die kreative Energie ist mit seiner restlichen Energie verschwunden, ohne irgendein Lebenszeichen zu hinterlassen. Farin fährt sich kurz über das Gesicht, kann sich vorstellen, wie dort die Augenringe prangen. Er sollte sich das Make-Up von Bela leihen, wobei selbst damit die Spuren seiner letzten Wochen nicht mehr zu vertuschen wären. Er schläft so gut wie nicht mehr, er isst kaum noch, macht sich allgegenwärtig Sorgen um die Zukunft, sein Leben. Dazu sein bester Freund, um dessen Leben er stellvertretend ebenso bangen muss. Begleitet wird er von den körperlichen Nebenerscheinungen. Sein Zusammenbruch bei der letzten Bandprobe war alles andere als harmlos, gleich wenn er ihn als solches herunter geredet hatte. Farin will nicht, dass sich der drogenabhängige Schlagzeuger auch noch Sorgen um ihn machen muss, hat Bela doch nicht mal sein eigenes Leben, oder die Reste davon, im Griff. Natürlich macht sich der Ältere trotzdem Sorgen. Was in diesen Sekunden lautstark bewiesen wird. „Warum bist du schon wieder WACH?“ Farin zuckt zusammen, lässt den Stift auf die Matratze fallen, sieht in das wutverzerrte Gesicht seines besten Freundes. Jetzt ist wieder dieser Punkt gekommen, an dem Bela im Rausch hässlich wird. Wobei seine Wut mit ernsthaften Sorgen verbunden ist, somit ihre Lebensberechtigung hat. „Weil ich nicht schlafen kann.“ Eine simple, aber wahre Antwort. „Du schläfst überhaupt nicht mehr. Meinst du etwa, ich merk das nicht?“ Die Antwort „Ja“ wäre jetzt wahrscheinlich unangebracht, deshalb verkneift Farin sich alle weiteren Worte und lässt den Schlagzeuger weiter seinen Monolog fauchen: „Du bist krank. Krank. Es ist Fünf Uhr früh.“ „Mhm... Und du bist ja die Unschuld vom Lande. Wer hat sich gestern Nacht nur zugedröhnt...“ Der Satz fällt absolut beiläufig und im gelangweilten Ton, leider bemerkt Farin seinen fatalen Fehler erst viel zu spät. „Hör auf mit deinen beschissenen Gegenanschuldigungen.“, brüllt Bela ihm entgegen. Er will definitiv Streit. Warum auch nicht? Die anderen Mieter würde es freuen. „Ja ja, Anschuldigungen. Sieh dich doch an. Du bist nicht mehr du.“ „Was bist du dann? Halt, ich weiß die Antwort. Ein blondhaariger Wichser, mit dem ich zufällig zusammenwohne.“ Es wird wieder hässlich. Extrem hässlich, aber Farin nimmt es hin, jedoch nicht ohne zu kontern. „Du gottverdammtes Arschloch. Zieh doch aus, wenn dir danach ist. Ach, ich vergaß... Du brauchst das Geld ja für den nächsten Trip.“ Die Ader auf Belas Schläfe pocht bedrohlich, der Indikator für das Folgende. Mit schnellen Schritten steht er direkt vor seinem immer noch sitzenden Freund, greift grob in den Haarschopf, nähert sich seinem Gesicht. Farin kann den immer noch alkoholisierten Atem riechen. „Wenn du zu irgendeinem Seelenklempner gehen würdest...Hätten wir eindeutig weniger Probleme.“ „Dann kann ich dich gleich mitnehmen. Die wissen sicher nicht mal mehr, wo sie dich hin stecken sollen. Zu den Suizidgefährdeten, den Alkis oder doch den Drogenabhängigen?“, lacht Farin freudlos. Sofort verschwindet die rabiate Hand, mitsamt ihrem Besitzer. Der letzte Blick spricht Bände, zeugt davon, was Farins Worte gerade eben erreicht und angerichtet haben. Fast traurig sehen die grünen Augen ihn an, sprechen millionen Vorwürfe aus, ohne ein einziges Wort zu sagen. Ein Satz hat gereicht, um jegliche Streitlust Belas verpuffen zu lassen, Farin kann Worte zu tödlichen Klingen schärfen. Vielleicht kommt es aber auch nicht auf den genauen Wortlaut an, sondern darauf wer den Satz wie ausspricht. Unbeachtet dessen schließt Bela leise die Zimmertür, nicht einmal mehr den lauten Abgang beherrscht er gerade. Somit ist er alleine mit seinem schlechtem Gewissen und dem Klopfen des Besens ihrer Untermieterin, die sich wie immer fruchtlos über den, dieses Mal im Vergleich wirklich eher harmlosen, Geräuschpegel aufregt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)