Die Geschichte des legendären Sullivan O'Neil 2 von Izaya-kun (Zwischen Gott und Teufel) ================================================================================ Kapitel 2: Die Geschichte des alten Henrys ------------------------------------------ Ich stand den zwei Wachmännern gegenüber, die – wie ich später erfuhr – die Aufgabe hatten, dafür zu sorgen, dass niemand die Skulpturen der Stadt beschädigte. Der Größere von ihnen stand rechts von mir und er musste seinen Hut nach hinten ziehen, um mich zu sehen. Sein Haar war bereits ergraut und sehr dünn, sein Gesicht unrasiert und ebenso wenig gepflegt. Es wirkte, als hätte man einen alten Greis in eine Rüstung gesteckt, bis sein Sarg fertig gestellt worden wäre. Und er war daraufhin einfach los gerannt, ohne zu merken, dass er längst tot war. Ich hätte nicht gedacht, dass es bis auf den Abt meines damaligen Klosters noch mehr solcher Menschen gab, die einfach nicht wussten, wann ihr Leben den Punkt namens Ende erreicht hatte. Sein Partner war das absolute Gegenstück zu ihm: Klein, Dick, glatt und jung. Ich erinnerte mich an Jacks Uniform, jedoch war diese hier blau statt rot, im Großen und Ganzen aber fast die Selbe. Er trug eine Brille und hatte buschige Augenbrauen, die ihn wie einen kleinen Bären wirken ließen. Ich zog meine Kapuze zurück und baute mich etwas auf, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass ich irgendein Streuner wäre. Dennoch achtete ich darauf, den Kopf etwas zu senken und überließ den beiden das erste Wort. Während der Jüngere mich eingehend musterte und dabei keinen Hehl daraus machte, sondern selbstbewusst auf mein braunes Haar sah, mein rasiertes Gesicht und meine Nassen Schuhe, räusperte sich der Alte etwas. Mir kam dieser kleine Zusammenstoß gelegen, denn ich war neugierig, wie die Menschen in Brehms waren. Der alte Mann folgte verwirrt meinem Blick hinauf zur Statue, dann sah er mich wieder an. „Können wir helfen? Ist etwas nicht in Ordnung, junger Mann?“ Es erstaunte mich, dass sie direkt anboten, mir eine Hilfe zu sein. In Annonce hätten die Wachen mich wahrscheinlich ausgefragt, wenn sie sich überhaupt die Mühe gemacht hätten, sich um mich zu kümmern. Freundlich schüttelte ich den Kopf und erklärte ruhig und entschuldigend: „Nein, nein. Ich bin nur nicht von hier und habe mich gefragt, wer denn dieser Mann ist.“ „Das ist der alte Henry.“, erklärte er mir und blinzelte offen neugierig. Seine Augen waren klein und wie die eines Maulwurfes oder einer Maus tiefschwarz. „Und wer ist der alte Henry?“, wollte ich wissen, diesmal wandte ich das Wort an den Kleineren. „Ein war großer Mann.“, brummte er und sah mich misstrauisch an. Dann rückte er seine Brille mit den kreisrunden Gläsern zurecht. Dieser Kerl mochte es, nach etwas gefragt zu werden, das merkte man. Wahrscheinlich las er viel und bildete sich ebenso viel darauf ein. Mit einem Blick, als hätte man ihn darum gebeten und als wäre es eine lästige Pflicht dem nachzukommen, erklärte er: „Er hat vor zweihundertfünfundsiebzigeinhalb Jahren die große Botschaft des damaligen Königs Connell Marc Dexter dem Dritten überbracht, dass die Krone das Haupt gewechselt hat, da der König des Nachbarlandes gefallen ist, weswegen der Krieg beendet war und dreitausendzweihundertsiebenundzwanzig Soldaten, fünfzehn Dörfer und zwei Städte gerettet werden konnten, inklusive sämtlicher Frauen und Kinder.“ Ich zeigte mich erstaunt über sein Wissen und begeistert, obwohl mir diese Daten nicht wirklich weiter halfen und sie mich eher langweilten. Mit einem mit Absicht verehrenden Blick sah ich hinauf zur Steinfigur und fragte offenbar äußerst interessiert: „Und wie hat dieser Mann das fertig gestellt?“ Der Ältere der Beiden wollte antworten, doch der Jüngere kam ihm zuvor. „Ganz einfach: Luther Henry Mattheus wurde des Diebstahls angeklagt und ins Exil geschickt. Angeblich soll er der Prinzessin, er war ihr Reitlehrer, ein wertvolles Diadem geraubt haben. Eigentlich hätte er hingerichtet werden sollen, aber sie allein glaubte an seine Unschuld und ihr Herr Vater war so gerührt, dass er ihn lediglich verbannte. Ein halbes Jahr später begann der Krieg und der neue Reitlehrer der Prinzessin entführte eben diese und allen war klar, dass dies von Anfang an geplant worden war. Man brachte die Prinzessin an einen geheimen Ort und da niemand wusste, wer nun wirklich darin verstrickt worden war, brach in Brehms und Umgebung ein Krieg aus. Der König fiel und somit auch der Vater der Prinzessin und alle anderen waren so in ihre Machtkämpfe verwickelt, dass niemand sich um das Wohl dieses armen Kindes kümmerte. Sie stritten um die Herrschaft, keiner wollte die Prinzessin zurückhaben – denn sie wäre ja die nächste Nachfolgerin des Königs gewesen.“ „Außer der alte Henry.“, erklärte der Alte rechts von ihm und zog abermals seine Mütze zurecht, denn scheinbar war diese ihm zu groß. Daraufhin nickte der Dickere etwas entnervt, da man ihn unterbrochen hatte. „Genau, außer Luther Henry Mattheus.“ Ich schwieg und wartete auf die Erklärung. Selbstverständlich musste ich den Dicken nicht auffordern weiter zu erzählen und so sprudelte es aus ihm heraus: „Als die Botschaften des Krieges auch das Exil erreichte, machte er sich auf die Suche nach ihr, fand heraus wo sie war und befreite sie letzten Endes. Die Prinzessin jedoch war schwer verwundet und nicht mehr zu retten. Sie schrieb ihren letzten Willen auf – der Frieden des Landes – und sandte ihren Reitlehrer mit dieser frohen Botschaft nach Brehms, zu ihrem ehemaligen Schloss.“ „Dort sollte die Friedensbotschaft verkündet werden und den Krieg beenden.“, ergänzte der Alte, der sich scheinbar auch an der Erzählung beteiligen wollte. Sein Partner bemerkte daraufhin trocken: „Wie es meistens bei Friedensbotschaften ist.“ „Aber?“, hakte ich nach, denn es klang durchaus nach einem Aber. Der Dicke wirkte beleidigt, scheinbar hatte ich ihm die Überraschung kaputt gemacht. Etwas zerknirscht über seine zwei Zuhörer fuhr er fort: „Aber kurz bevor er das Schloss erreichte, wurde sein Pferd von einem Feind nieder geschossen, genau an dieser Stelle. Er wurde darunter begraben, so erzählt man sich und beide seiner Beine gebrochen. Mit letzter Kraft zog er sich weiter, die Schriftrolle in der einen, das Schwert in der anderen Hand.“, seine Stimme nahm einen verehrenden und fast übertriebenen Klang an. Es erinnerte an einen Theater-Dialog. „Er verkündete die Botschaft sterbend auf den Stufen des Schlosses und mit seinen letzten Atemzügen. Er war ein Held.“ Ungläubig zog ich eine Augenbraue hoch. „Und man hörte auf ihn?“ „Natürlich nicht.“, gab er nach einigem Zögern geknickt zu. „Eigentlich…hörte man ihn gar nicht.“ „Abgesehen von einem Wachmann des Schlosses.“, warf der Alte freundlich ein. Sein Partner verdrehte die Augen. „Der aber so betrunken war, dass man ihm eh nicht glaubte. Man warf seine Leiche zu den anderen Kriegsopfern und verbrannte sie einfach, um die Pest zu vermeiden. Ich gebe zu, es war lediglich ein heldenhafter Tod und ein nicht sehr gerechter Umgang mit seinen Überresten. Aber als man später nach dem Krieg erfuhr, dass er die Wahrheit gesprochen hatte, feierte man ihn als Held.“ Eine Weile ließen die zwei ihre Geschichte des Wagemuts und der Tollkühnheit auf mich wirken, aber da sie nicht annähernd Wirkung auf mich ausübte, beschloss ich einen Schlusssatz zu machen. Der alte Henry sollte nicht ganz so schlecht dastehen, denn scheinbar mochte der Dicke ihn. Lächelnd bemerkte ich recht ironisch: „Da hatte er ja Glück, dass er da wenigstens noch gefeiert wurde, als er tot war. Denn lebendig schien er ja nicht gerade beliebt gewesen.“, im Hinterkopf fragte ich mich, ob der alte Henry sich wirklich darüber gefreut hätte, denn wirklich berauschend klang es nicht. Ich stellte mir vor, alle würden mich für einen Dieb halten, mich hassen, fortjagen, sogar hinrichten wollen und dann würde ich eine Prinzessin retten, dank ihr sterben und niemand hörte mir dabei auch nur annähernd zu. Ich für meinen Teil würde mich zumindest nicht über eine solche Statue freuen. Ich war dann tot und nicht mehr da, da half mir ein schön gestalteter Steinklotz auch nicht mehr. „Oh ja.“, bestätigte der alte Mann eindringlich nickend und riss mich damit völlig aus meinen Gedanken. „Keiner wird ihn jemals vergessen.“ „Zumindest so lange die Statue hier steht.“, wandte ich ein, denn ohne die wäre diese Geschichte wohl längst Geschichte gewesen. Abgesehen von Historiker-Fanatikern wie diesem Wachmann hier, die sich solche Dinge anlasen und es sich sogar merkten. Aber solche Menschen hatten für gewöhnlich genauso viele Zuhörer, wie der alte Henry damals – gar keine, abgesehen von Betrunkenen Wachmännern, die genauso wenige hatten, außer weitere Betrunkene. Der Lauf der Dinge., dachte ich sarkastisch. So bleibt alles im Gleichgewicht. „Zumindest so lange die Statue hier steht.“, wiederholte der Dicke nachdenklich. „Und das wird vermutlich sehr lange sein.“, dann schreckte er hoch und sah mich wieder misstrauisch an. „Aber nun genug zum alten Henry. Wer seid Ihr?“ Er erinnerte sich wieder daran, wieso er mich angesprochen hatte und seine Augen flammten vor Ehrgeiz auf, einen Verbrecher zu stellen. Scheinbar war in Brehms nicht viel los und die Soldaten langweilten sich. Ich lächelte zaghaft, verbeugte mich leicht und log: „Falcon O’Connor.“, dann richtete ich mich wieder auf und sah die beiden offenherzig an. Mehr sagte ich nicht, denn auch wenn es bei diesen beiden vielleicht nicht angebracht war, so wollte ich dennoch nicht wirken, als hätte ich etwas zu verbergen. Ich wollte nur das sagen, was man wissen wollte, sonst sah es aus wie eine früheilige Verteidigung und das wiederum, als würde man etwas verbergen wollen. „Habt ihr Papiere dabei?“, hakte der Dicke nach. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, es ist alles begraben worden.“ „Begraben worden?“, wiederholte der Ältere unverständlich. „Ich bin mit einem guten Bekannten hier. Unsere Häuser sind unter den Schneemassen zusammengebrochen und nun suchen wir hier Unterkunft.“ „Verstehe.“ Der Dickere musterte mich übertrieben skeptisch, um noch einmal seine Position zu verdeutlichen, dann stellte er sich aufrecht und erklärte: „Nun, dann vergesst bitte nicht eine Aufenthaltsgenehmigung zu besorgen. In Brehms kostet jeder Aufenthalt, der länger als einen Tag dauert nämlich eine Genehmigung.“ Neugierig wurde ich hellhörig. „Wieso denn das?“ Dann sah ich kurz zum Himmel. Schnee begann hinunter zu rieseln, winzige, kleine, weiße Flocken. Ich sah zu, wie sie auf die blauen Uniformen fielen und sofort schmolzen. „Die Stadt durchqueren darf jeder, das dauert nur einen Tag. Aber wer länger bleiben will, der sollte schon etwas für das zahlen, was er hier zu sehen bekommt. Das hier ist schließlich Brehms und nicht irgendeine Kleinstadt!“ „Und wenn Ihr vorhabt, länger als eine Woche zu bleiben, müsst Ihr eine Adresse nachweisen können.“, erklärte mir der Rechte freundlich und beugte sich etwas zu mir herunter. „Wir möchten hier keine Obdachlosen haben, darum.“, fügte sein Partner etwas schnippischer hinzu. Ich nickte und fragte, wo ich solch eine Genehmigung denn herbekäme und die zwei begannen mit wilden Erklärungen und Gesten, mit denen sie mir den Weg zum Rathaus beschrieben. Es schien ein leichter Weg, aber jeder der beiden wusste selbstverständlich den besseren. In Gedanken driftete ich etwas ab. Ich überlegte, wenn jeder diese Dinge so handhaben würde wie Brehms, dann wäre Annonce bald die schönste und sauberste Stadt der Welt. Aber wo wären all die Armen? Warf man sie einfach aus der Stadt? Oder richtete man sie hin? Zwar war es sauberer, schöner und vielleicht gesünder, doch um welchen Preis? Die Zwei einigten sich darauf, dass ich einfach nach der großen Rathausfahne Ausschau halten sollte, dann würde ich den Bunten Platz schon finden. Irgendwann sah ich Nevar. Er war aus dem Gebäude gekommen und stand vor der Metallwand. Die Kapuze hatte er wieder über seinen Kopf gezogen und scheinbar sah er geduldig zu mir herüber. Ich bedankte mich freundlich für die Beschreibung, unterbrach die beiden in ihrer Diskussion ob es Bunter Platz oder Farbenfroher Platz hieß und löste mich einfach aus der Unterhaltung. Die Wachmänner sahen mir verdattert und etwas traurig nach. Scheinbar sprachen nicht oft Leute mit ihnen und nun waren sie enttäuscht, dass dieses große Ereignis wieder vorbei war. Ich beschloss sie wieder anzusprechen und nach belanglosem Zeug zu fragen, sollte ich sie eines Tages wieder treffen. Ruhig zog ich die Kapuze hinauf und trat neben Nevar. „Da seid Ihr ja wieder.“, sagte er ruhig und wir sahen den Wachen zu, wie sie ihrer Patrouille wieder nachzugehen begannen. „Ich habe mich ein wenig unterhalten.“ „Und etwas Interessantes erfahren?“, wollte Nevar wissen. Ich zuckte mit den Schultern und wandte mich ganz und gar ihm zu. Nun, wo er da war, waren diese kleinen Dinge wie Figuren oder Verzierungen nicht mehr von Belang. Solches bildete den Inhalt meiner Freizeit, wie ich meine Zeit ohne ihn nannte. Nevar deutete mein Schweigen scheinbar als nein, denn er fragte kein weiteres Mal nach, sondern trat mit mir hinter die Metallwand. Dort war es als erstes trocken und als zweites windgeschützter. Ich fragte mich, wieso es diese seltsame Art von Vorraum gab. Hätte man die eine, offene Wand nicht komplett öffnen und mit Säulen versehen können? Oder schließen, so dass es einen Raum ergab? Stattdessen wirkte es, als hätte man eine Terrasse bauen wollen und den Zaun aus einem versehen heraus hoch bis zur Decke gezogen. Man fühlte sich wie in einem Gefängnis, nur mit mehr Liebe zum Detail verzierten Gitterstäben. Irgendwann würde ich Nevar danach fragen, aber nicht jetzt, denn jetzt sah ich ihn nur geduldig an. Er hatte mir etwas zu sagen, das wusste ich, nur wusste ich nicht, was. Nachdem wir in der hintersten Ecke standen, verkündete er ruhig: „Ich war hier, um jemanden zu treffen. Dieser jemand hat großes Interesse an Euch, er möchte Euch kennen lernen.“ „Und wer soll das sein?“, fragte ich gelangweilt. Nevar nickte und sah wieder zum Platz. Er beobachtete die wenigen Leute, die meisten flohen vor dem Schnee. Er wurde stärker und dichter, bald wäre alles weißer als ohnehin schon und meine Fußspuren würden verschwinden. Drei kleine Kinder jagten sich rutschend um die Figur herum und versuchten, sich mit Schneebällen zu treffen. Der einzige, der etwas abbekam, war der alte Henry und schon bald hatten sie ihn als ihr neues Ziel entdeckt und das ausgerechnet jetzt, wo die beiden Wachen verschwunden waren. „Sein Name ist Antonius Domenico. Er ist der Gildenmeister und ein guter Bekannter.“ „Also gehört Ihr einer Gilde an.“, stellte ich fest und suchte in Nevars Gesicht nach Antworten. Er jedoch gab mir nicht die geringste, sondern fuhr desinteressiert fort: „Er möchte Euch kennen lernen und Euch ein Angebot machen.“ Er ließ diesen Satz im Raum stehen, so wie die Tatsache, dass mich jemand zwar erst kennen lernen wollte, jedoch schon vorher wusste, dass er mir ein Angebot zu machen hatte. Wieso dann noch kennen lernen? Da von Seiten Nevars kein weiteres Wort zu kommen schien, fragte ich ernst: „Und was für ein Angebot?“, doch selbstverständlich zuckte mein Gegenüber nur mit den Schultern. „Das fragt ihn besser selbst.“ „Ich habe kein Interesse daran, mit ihm zu reden.“ „Das habe ich ihm auch gesagt.“, wandte er amüsiert lächelnd ein. Ich schnaubte kurz. „Dann ist ja alles geklärt.“ „Und ich sagte ihm, Ihr werdet es trotzdem tun.“, er sah mich an und in seinen blauen Augen lag Ernst und fast schon eine Warnung. „Hört Euch sein Angebot wenigstens an, Falcon. Ihr seid so weit, Ihr könnt Aufträge annehmen und Euch ein eigenes Leben aufbauen.“ „Und um welchen Preis?“, finster erwiderte ich seinen Blick und schüttelte den Kopf. „Nein, Nevar. Ihr habt viel für mich getan, das gebe ich zu. Aber Fakt ist, ich habe nie darum gebeten. Ich schulde Euch nichts, weder Dankbarkeit noch anderes. Und ich werde gewiss nicht den gleichen Fehler machen und mein Leben erneut als Verbrecher anfangen.“, seufzend beobachtete ich die Kinder. Sie kreischten und rannten um die Statue herum, während die zwei Wachmänner versuchten sie einzufangen. Immer, wenn einer je eines der Kinder gepackt hatte, bewarf das Dritte sie mit Schnee, bis sie los ließen. Man konnte nicht unterscheiden, ob es Spaß oder ob es eine ernsthafte Verfolgungsjagd war, aber auf jeden Fall sah es von weitem sehr amüsant aus. „Bei meinem letzten Versuch habe ich mein neues Leben begonnen, indem ich einen Priester erpresst und einen Verbrecher freigekauft habe. Ich habe daraus gelernt. Ich will ein ehrliches Leben, auf ehrlichem Weg erbaut.“ „Dann müsstet Ihr aus Eurer Vergangenheit eine komplette Lüge machen. Und spätestens, wenn das auffliegt, ist es vorbei.“, Nevar schien ungerührt und spöttisch. Er glaubte nicht daran, dass so ein Leben möglich war, zumindest nicht in dieser Welt. Und wahrscheinlich hatte er damit Recht. Ich hatte ihm den Rücken zugedreht und spürte, wie er sich nun von hinten an mein Ohr beugte. Ohne mich zu berühren zischte er: „Hört es Euch wenigstens an. Was kann es schaden?“ „Damit Ihr Eure Lorbeeren kassieren könnt für meine tolle Ausbildung?!“, zischte ich verhasst zurück, ohne mich auch nur annähernd umzudrehen. „Hört es Euch an. Ihr habt mein Wort, das Ihr gehen könnt, wenn Ihr nein sagt. Ihr werdet es nicht bereuen.“ „Und wenn ich ja sage? Kann ich dann auch gehen, wann immer ich will?“ Nevar schwieg und ich wusste nicht, ob das nun als nein zu deuten war. Der ältere Soldat und rutschte aus, der Dicke fiel über ihn und rollte einige Schritte weiter. Als die zwei sich aufsetzten, waren sie schneeweiß, wie lebendige Schneemänner. Lachend suchten die Kinder das Weite. „Also gut. Ich höre es mir an, aber ich werde auf nichts eingehen, was ich nicht will. Ich habe nicht vor an einem Verbrechen teilzunehmen, damit das klar ist.“, drohend sah ich ihn an. „Ich bringe mich eher um, als für jemanden Leute umzubringen oder weiß der Teufel, was noch.“ Nevar richtete sich wieder etwas auf und zog eine Augenbraue hoch. Als wäre ich ein absoluter Idiot flüsterte er: „Wie kommt Ihr darauf, dass wir eine Bande Verbrecher wären?“ „Seht Euch an, dann wisst Ihr wieso!“, fluchte ich. „Also? Was ist jetzt?“ Das brachte ihn zum schmunzeln, jedoch sagte er nichts, sondern drehte um und ging erneut durch die Tür. Ich seufzte leicht und warf einen letzten Blick zur Statue. Die zwei Männer versuchten sich gegenseitig hoch zu helfen, stellten sich aber mehr als nur unbeholfen an und warfen sich gegenseitig um. Ihnen würde niemand eine Statue bauen, wenn sie verschwänden, aber ich würde mich an sie erinnern. Und ich? Was war mit mir? Wer würde sich an mich erinnern, mir gedenken? Dem neuen Mann, Falcon O’Connor? Schweigend folgte ich Nevar hinein in das Haus der Gilde Deo volente. Niemand., dachte ich. Absolut niemand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)