Deceptor von LairdofPen (Elend und Internetsucht) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1 -------------------- Er hatte nicht einmal gemerkt wie das Auto auf die Gegenfahrbahn kam. War es das Sechserpack Bier im Kreislauf seines Vaters oder der vermaledeite Nebel bei der Heimfahrt. Die Fahrerin des anderen Autos saß wie ein Häufchen Elend neben ihrem Auto und weinte bitterlich. „Wieso?“ – Fero schoss diese Frage in binnen der Minuten die ihm auf der Straße blieben ständig durch den Kopf. Die Sanitäter hatten behutsam seinen Kopf mit einer Manschette gesichert und hoben ihn nun vorsichtig in den Krankenwagen. Irgendwie waren seine Beine extrem kalt. Er versuchte die Aufmerksamkeit des Sanitäters neben ihm zu erwecken. „Hey meine Beine sind kalt! Könnte ich vielleicht eine Decke bekommen?“ Der Sanitäter warf ihm einen mitleidigen Blick zu. Fero schätzte ab ob ein Rettungshelfer heutzutage noch Deutsch verstehen muss. Es war die plausibelste Erklärung warum man ihn nicht verstehen konnte. Was ihm nicht auffiel war die Tatsache, dass er keinen einzigen Ton herausgebrachte hatte. Vielmehr ein heiseres Gurgeln. Erbärmlich. Am liebsten wäre Fero jetzt zu Hause. Dort war es warm. Sein Vater hatte erst letztes Jahr einen neuen Holzkamin im Wohnzimmer eingebaut. Dort war es warm. Der Sanitäter zog eine Spritze mit merkwürdig klarer Flüssigkeit voll. Er spürte den Einstich nicht. Endlich wurde es warm. Dann wurde alles schwarz. § Fero erwachte inmitten eines biederen Zimmers mit geschmacklosen, weißen Möbeln. Seine Mutter saß neben seinem Bett mit verheulten Augen und starrte ihn erleichtert an. „Oh Fero“, schluchzte sie und drückte seine Hand. „Mir geht’s gut. Wo ist Papa?“ Ihre Unterlippe begann zu beben. Und ihm wurde schlagartig der Ernst der Situation klar. Der Autounfall war schwer. Er war schwer verletzt worden. Sein Vater getötet. Ihm wurde schwindlig. Doch nach weinen war ihm im Moment nicht zumute. Er lehnte sich tief in das Kissen, das merkwürdig hart war. Er bekam den Drang jetzt wegzulaufen. Einfach laufen. Fort. Beim Versuch seine Beine zu heben merkte er, dass er diese nicht mehr kontrollieren konnte. Sie waren wie taub. Abgestorben. „Oh Fero“, schluchzte seine Mutter abermals. Und nun Brach sie in Tränen aus. „Papa ist tod – und der Arzt sagt du wirst nie wieder laufen können.“ Das waren in der Tat schlechte Nachrichten. Zu viele auf einmal. Er fühlte sich erschlagen von der Realität. Hintergangen vom Schicksal. Hintergangen vom Rest der Welt. Beim Versuch einen Schuldigen zu finden rannen ihm Tränen von den Wangen. Es zeugt von weltlicher Ignoranz Gott dafür verantwortlich zu machen. Er glaubte nicht an Gott. Er glaubte nicht an Schicksal. Er glaubte nicht an den Rest der Welt. Es war schlichtweg seine Schuld. „Mama Ich“ – er stoppte schlagartig und fiel erneut ins Koma. Seine Mutter wimmerte und verbarg ihr Gesicht in der Bettdecke. Es sollten seine letzten gesprochenen Worte für eine lange Zeit sein. § Reha nannten sie es. Der Chefarzt kam täglich zur Visite und murmelte den Assistenzärzten unverständliches Latein entgegen, während er sanft seinen Nacken abtastete. Reha, das ist eine Abkürzung für Rehabilitierung. Seinem Verständnis nach war dies etwas gutes. Es tat jedoch weh. Ständig kam jemand und massierte ihn, dann kam einer der schmierigen Pfleger und verpasste ihm eine Spritze in den Oberschenkel. Nach einigen Wochen stellten sie ihm seinen neuen besten Freund vor. Es war ein klappriger Rollstuhl. Er sei jetzt nicht mehr dazu verdonnert ständig im Bett zu liegen. Aber dafür wurde er dazu verdonnert ständig in einem Stuhl mit Rädern zu sitzen. Wie sich zeigte erwies sich das aufstehen ohne Beine als äußerst schwierig und kräftezehrend. 60 Kilo waren doch schwerer als urtümlich von ihm angenommen. Seine Mutter kam anfangs noch täglich zu Besuch. Zur Arbeit genötigt kam sie dann aber jeden dritten Tag vorbei. Fero fand gefallen am Betrachten von Vögeln in den Bäumen und dem Verstecken vor den Schwestern. Obgleich man in seinem Krankenhaus durchaus seine Ruhe haben kann, ging ihm die ständige Bemutterung der Pflegerinnen langsam aber sicher auf die Nerven. Hiro kam auch ab und zu vorbei. Er brachte ihm die frischesten Hefteinträge einmal wöchentlich aus dem Unterricht vorbei. Ähnlich wie Feros Mutter aber war er ebenfalls tief bestürzt darüber, dass Fero kein Wort mehr sprach. Und so gab es nicht viel zu lachen. Die beste Nachricht seit langem war das Angebot des Oberarztes, dass er nun nach Hause könne, sich aber noch möglichst schonen solle. Hiro war strikt begeistert. Es war nicht mehr weit von der Schule zu ihm. Ein Grund ihn öfters zu besuchen. Außerdem war die neugewonnen Zeit Feros ein guter Ausgangspunkt um ihn mit einer der neuesten Pandemien zu infizieren: Internetspielen. Fero war nie ein besonders engagierter Computerspieler gewesen. Hatte lieber Sport getrieben. Da dies nun leider aus motorischen Gründen nicht mehr zu bewerkstelligen war, versuchte er sich nun eben hiermit die Zeit zu vertreiben. „Deceptor“ – ein echt blöder Name für ein Spiel. Nichtssagend und kitschig. Aber bevor er in Selbstmitleid versank versuchte er es wenigstens mal damit. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)