Ray of light von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 6: Mystify ------------------ Ich war leicht überrumpelt, als Luke auf einmal näher kam. Doch irgendwie zog er mich magisch an. Auch ich rückte näher. Jetzt konnte ich sein Geruch wahrnehmen. Er roch angenehm. Nicht wie andere, die sich mit Deo eindieseln als würden sie wochenlang nicht duschen und müssten ihren Gestank überdecken. Ich blickte in seine blauen Augen und verlor mich in ihnen. Sie waren von so einem intensiven blau. Sie waren nicht hellblau, so wie bei den meisten, sondern ziemlich dunkel. Ich sah wie sein Gesicht immer näher kam. Auch ich kam ihm automatisch näher. Wir hielten erst an als sich unsere Nasen bereits berührten. Mit einem Mal sah ich Kais Gesicht vor meinem inneren Auge. Augenblicklich zog ich mich zurück. *** Oh mein Gott! Hatte ich etwas falsch gemacht? Oder warum machte sie auf einmal einen Rückzieher. Moment mal, was mache ich hier eigentlich? Ich wollte das Mysterium unseres gemeinsamen Nachnamens lösen und sie nicht verführen. Aber irgendetwas an ihr hat mich magisch angezogen. „Es tut mir leid“, war das einzige, was ich herausbrachte. Sie schüttelte nur den Kopf. Ich sah wie in ihren Augen Tränen standen. „Ich... ich gehe jetzt lieber“, sagte ich und wollte aufstehen. „Nein... es ist schon gut... es war mein Fehler...“, sagte Emma und legte mir eine Hand auf die Schulter, zog sie jedoch gleich wieder zurück. Auch ich hatte den elektrischen Schlag gespürt, den ihre Berührung ausgelöst hatte. Ich setzte mich wieder und sah sie an. Sie schien irgendetwas vor sich hin zu murmeln. Ich versuchte es zu verstehen. Es klang wie ‚Kai’. Ich schluckte. Dann nahm ich meinen ganzen Mut zusammen. Ich wollte ihr nicht wehtun, doch ich musste es sie einfach fragen: „Wer ist Kai?“ Sie sah mich traurig an. „Kai ist in der gleichen AG wie ich.“ Sie schluckte. „Ich... ich... habe mich in ihn verliebt... doch er empfindet nicht das Gleiche... für mich... und es... fühlte sich einfach falsch an... ich kam mir auf einmal wie ein billiges Flittchen vor... ich... es...“, sie brach ab. Ich war überrascht. So etwas hatte ich nicht erwartet. Ich hätte gedacht, dass Kai ihr freund ist und sie deswegen Gewissensbisse quälen. Aber das war etwas anderes, in Gewisserweise. Ich nickte. „Das versteh ich.“ Ich versuchte zu lächeln, doch es gelang mir nicht. „Es war einfach nur dumm von mir... ich... wir wollten doch eigentlich nur reden, weil wir den Gleichen Nachnamen haben...“ Ich brach ab. Sie nickte: „Ja, das sollten wir klären“. *** Es fühlte sich so falsch an. Da saß mir dieser fremde, gutaussehende Junge gegenüber und das erste, was ich machen wollte, war ihn zu küssen. Und das obwohl ich erst heute morgen- kaum zu glauben das es tatsächlich erst vor so kurzer Zeit war, mir kam es viel länger vor- eine Abfuhr erhalten hatte. Und das von einem Typen, dem ich schon seit einem knappen Jahr hinterher lief. Ich sah wieder Luke an. Er sah tatsächlich gut aus. Ganz anders als Kai. Kai hatte kurze, blonde Haare, grüne Augen und war nicht ganz schlank- er hatte durchaus einen kleinen Bauch-, was mich aber nicht störte. Auch hatte er die ganze Zeit ein Lächeln auf den Lippen und sein Charakter war einfach unübertrefflich. Luke hingegen hatte kinnlange, schwarze Haare, dunkelblaue Augen und war muskulös. Unter seinem Hemd konnte man zwar nicht viel erkennen, aber ich hätte schwören können, dass er ein Sixpack hatte. Er war eher nachdenklich und seinen Charakter konnte ich noch nicht wirklich einschätzen. Zum einen schien er ganz sympathisch, zum anderen war da diese Sache von eben und der Nachname schien mir auch nicht ganz rein. „Also... Nachname“, sagte er. Ich schrak aus meinen Gedanken auf. Hatte ich ihn wirklich die ganze Zeit angestarrt? „Äh... ja“, war das einzige, was ich herausbrachte. „Also“, fuhr er fort, „ich habe den Nachnamen meines Vater- und meiner Mutter, wenn ich sie je kennengelernt hätte. Das lässt sich also alles nachprüfen. Bei dir ist es etwas anders. Ich will jetzt nicht sagen, dass du lügst oder so. Aber deine Mutter hätte doch, als sie dich ausgesetzt hatte, einen falschen Namen auf die Geburtsurkunde setzen können. Rein theoretisch.“ Ich lies die Worte auf mich wirken und dachte nach. „Wieso hätte sie das tun sollen?“, fragte ich schließlich. Jetzt schien Luke nachzudenken. „Vielleicht“, sagte er zögerlich, „vielleicht... damit man sie nicht über den Namen aufspüren konnte.“ Ich sah auf die Uhr. Mist schon so spät! Irgendwie musste ich Luke von hier weg bekommen, wenn ich noch jagen wollte. Also fing ich an munter drauf los zu brabbeln. „Ja... also... wahrscheinlich ist das mit dem Nachnamen einfach nur ein Zufall. Oh nein! Sieh nur wie spät es ist! Macht sich dein Vater denn keine Sorgen? Also ich finde du solltest jetzt gehen“. Und um meinen Worten Nachdruck zu verleihen, stand ich auf und hielt ihm die Tür auf. Er schien reichlich verwirrt über meinen plötzlichen Stimmungswandel, doch er stand auf und ging, nicht ohne mir noch einen letzten, verletzten Blick zuzuwerfen. Er tat mir leid, doch ich hatte keine Zeit, um mich bei ihm zu entschuldigen. *** Ich war reichlich verwirrt. Was hatte ich denn getan oder gesagt, dass sie so gekränkt hatte, dass sie mich einfach so rausschmiss? „Luke, du bist noch hier?“, fragte Eric überrascht. Ich sah auf und bemerkte, dass er bereits im Schlafanzug war. „Ähm... ja... wie spät ist es?“ Ich war doch höchstens fünf Minuten mit Emma alleine gewesen. „Es ist gleich elf“, sagte Eric. Oh Gott! Ich nahm mir meine Jacke und rannte nach Hause. Ich dachte angestrengt nach. Wie konnte ich drei Stunden mit Emma in einem viel zu kleinem Gästezimmer verbringen, so dass es mir gerade mal wie fünf Minuten vorkam? Das war doch gar nicht möglich. Grüblerisch rannte ich nach Hause. Ich wollte möglichst schnell möglichst viele Meter zwischen mir und Emma bringen. Ich gestand es mir zwar selbst noch nicht ein, aber ihre plötzliche Schroffheit hatte mich verletzt. Ich hätte nicht gedacht, dass das möglich wäre. *** Ich hörte, wie Eric in sein Zimmer ging. Er hatte seine Zähne geputzt und würde gleich einschlafen so müde wie er ausgesehen hatte. Tante Sabine und Onkel Jens schliefen bereits. Ich lauschte nach Erics Gedanken und schon bald waren sie in Träume übergegangen. Ich seufzte einmal tief, schloss das Gästezimmer ab und hievte meinen Koffer aufs Bett. Ich suchte meine schwarze Jogginghose und meinen schwarzen Pullover und zog sie an. Dann suchte ich mir meine Waffen zusammen. Ich würde nur einen Pflock und ein Kruzifix mitnehmen. Dann öffnete ich das Fenster über der Kommode und kletterte nach draußen. Ich lauschte doch alles bleib ruhig. Ich hatte also niemanden aufgeweckt. Der Friedhof war ganz in der Nähe und leicht zu finden. Da ich niemanden schreien hörte, sah ich mich erst mal nach neuen Gräbern um. Der Friedhof war groß, daher dauerte das eine Weile. Ich konnte jedoch nichts entdecken. Ich setzte mich auf eine Bank und konzentrierte mich. Wenn jemand auf diesem Friedhof war, dann würde ich seine Gedanken hören können. Außer es wäre wie bei Luke. Plötzlich kamen mir Zweifel. Was wäre, wenn ich meine Gabe verlor? Das wäre schrecklich! Ich würde schwächer werden und bei der Jagd ungeschützter, da ich die Strategie der Vampire erst durchschauen müsste. Ich seufzte und blieb auf meiner Bank sitzen. Dort blieb ich die ganze Nacht, doch nichts ungewöhnliches geschah. Im Morgengrauen ging ich wieder zurück. Ich war total müde. Und tatsächlich ich schlief den ganzen Tag. Zum Glück hatte ich die Tür wieder aufgeschlossen gehabt, so dass sich Tante und Onkel keine Sorge machen mussten. Auch in der nächsten Nacht war ich wieder auf der Jagd. Doch auch diesmal ließ sich nichts übernatürliches blicken. Tante Sabine, Onkel Jens und Eric brachten mich am Sonntag zum Bahnhof. „Schade das du schon gehen musst, oder sollte ich lieber fahren sagen?“, meinte Eric zum Abschied. Ich verdrehte die Augen. Diese Art von Humor war mir einfach zu dumm. Zum Glück sah es niemand. Ich hatte die ganzen Nächte durch immer wieder nachgedacht. Über Luke, mein Leben, mein Schicksal und meine Zukunft. Um nicht wieder in dieses ewige Grübeln zu verfallen, holte ich Bis(s) zum Morgengrauen aus meinem Koffer und fing an zu lesen. Ich war gerade an der Stelle, wo die Cullens sich aufteilen, um Bella vor dem Tracker zu schützen, als sich mein Instinkt meldete. Ich schaute auf. Vor mir saß ein Mann. Ich erschrak. Ich hatte nicht bemerkt, dass sich jemand zu mir gesetzt hatte. Der Mann – jedenfalls glaubte ich, dass es ein Mann war – trug einen langen, schwarzen Mantel, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Der Mann sah auf und ich schrak zurück. Die Augen des „Mannes“ waren glühend violett. Mir war sofort bewusst, dass dies kein Mann war. Es war ein Dämon. Genauer gesagt ein Meror-Dämon, der Vorbote der Apokalypse. Felicia hatte sie mir immer wieder beschrieben, damit ich, wenn ich je einen treffen sollte, mich in Acht nehmen würde. Und jetzt saß mir so ein Dämon direkt vor der Nase. Ich wagte kaum zu atmen. Der Meror verbrannte mich praktisch mit seinem Blick. Ich konnte mich nicht rühren, nicht einmal meinen Blick abwenden. Ich wusste nicht wie lange wir so dasaßen, doch auf einmal drang die Stimme des Schaffners zu meinen Ohren: „Die Fahrkarten, bitte!“ Von einem Moment auf den anderen war der Meror verschwunden. Ich konnte nicht mehr. Ich sank vornüber und verlor das Bewusstsein. Als ich erwachte, bemerkte ich, dass sich jemand über mich beugte. Allein aus Reflex sprang ich auf und ging auf Abstand. Mein Gegenüber schien nicht mit so einer spontanen Reaktion gerechnet zu haben und schrak zurück. Als meine Sinne wieder klarer wurden, erkannte ich die Uniform. Es war der Schaffner, der sich anscheinend Sorgen um mich gemacht hatte, als ich da so leblos rumlag. „Alles in Ordnung, junges Fräulein“, fragte er mich vorsichtig. Ich war zu benommen, um mich über die Wortwahl aufzuregen. ‚Junges Fräulein’. Ich hatte mehr gesehen, als er je sehen wird. Wenn ich nicht wäre, wäre die Welt schon ein paar Mal untergegangen. Natürlich konnte er das nicht wissen, aber ich hasste es als Kind behandelt zu werden. Von der Reife her war ich schon mindestens 25. „Mir geht’s gut“, stammelte ich, als ich mich so weit gefasst hatte, dass ich antworten konnte. „Sie sehen aber nicht so aus“. Der Schaffner musterte mich besorgt. Anstelle einer Erwiderung schaute ich aus dem Fenster und fragte: „Wo sind wir gerade?“ „Wir erreichen in Kürze den Braunschweiger Hauptbahnhof“. „Da muss ich raus. Ab dort wird sich dann meine Mutter um mich kümmern“, sagte ich und wich dem besorgten Blick des Schaffners aus, der mich musterte, als ob ich verrückt wäre. Der Zug wurde langsamer. Ich nahm meine Sachen und quetschte mich an dem Schaffner vorbei, der keine Anstalten machte, zur Seite zu gehen. Ich drehte mich nicht mehr um, spürte aber immer noch den Blick des Schaffners auf meinem Rücken, bis ich die Abteilungstür hinter mir schloss und er mich nicht mehr sehen konnte. Ich stieg aus dem Zug aus und guckte mich suchend um. Ich entdeckte Felicia schnell und ging auf sie zu. Doch dann erstarrte ich. Hinter ihr sah ich den Meror-Dämon, unbemerkt von der Menge und er ging zielstrebig auf Felicia zu. Mir fielen meine Taschen aus den Händen. „Nein!“, es war nur ein krächzen. Mehr brachte ich einfach nicht heraus. 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