Everything about you von -Red-Karasu ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Everything about you (We don't love because, but despite) Mit einem frustrierten Seufzen lege ich den Kopf in den Nacken und sehe dumpf Richtung Zimmerdecke. Nicht, dass ich in meinem, nur von ein paar Kerzen erhellten, Wohnzimmer viel erkennen könnte – aber ob ich nun Löcher in die Notenblätter vor mir oder in die Luft starre ist am Ende auch egal. Seit Stunden sitze ich mittlerweile hier und versuche mit der Komposition eines neuen Stücks voran zu kommen, aber von Erfolg ist weit und breit keine Spur. Meine Fingerkuppen schmerzen vom Druck der Saiten und auch der Rest meines Körpers fühlt sich durch das lange Sitzen unangenehm steif an. Vorsichtig hebe ich die Gitarre von meinem Schoß und stelle sie, an die Couch gelehnt, neben mir ab. So hat das einfach keinen Sinn mehr. Ich fahre mir genervt mit den Händen durch die Haare und strecke mich kurz. Als ich aufstehen will fällt mein Blick auf Ryuutarou, der bis eben geschlafen hat, mich jetzt aber aus seinen großen grünen Augen anklagend ansieht. Ich streichle ihm flüchtig über den Kopf und kraule kurz das weiche Fell in seinem Nacken, was er mit einem leisen, aber widerwilligen Miauen quittiert. Was genau er von meiner Zuwendung hält unterstreicht er gleich noch einmal, indem er aufsteht und sich in Richtung seines Körbchens verzieht. Na danke. Verlass du mich ruhig auch noch, du treulose Tomate. Nicht mal auf seine Haustiere kann man hier noch zählen. Ich muss über mich selbst den Kopf schütteln als ich aufstehe. Jetzt beschimpfe ich schon in Gedanken meinen Kater; es muss mit mir wirklich bergab gehen. Immerhin hat der Kleine mir schon die ganze Zeit Gesellschaft geleistet, während ich gearbeitet habe. Aber wem mache ich eigentlich etwas vor? Gearbeitet. Als ob mir irgendwer, der mich auch nur ein bisschen kennt, abnehmen würde, dass ich in den letzten Stunden irgendetwas produktives getan habe. Im Grunde genommen habe ich doch nur darauf gewartet, dass du wiederkommst. Dass du vor meiner Tür stehst und wieder alles in Ordnung ist. Verdammt, ich hasse es, wenn du nachts nicht bei mir bist. Nachdem ich ein paar weitere sinnlose Minuten in meinem Wohnzimmer verharrt und auf die gläserne Platte meines Couchtischs gestarrt habe, greife ich mir meine Zigaretten und gehe damit zum Fenster. Obwohl ich seit Jahren rauche, kann ich es nicht leiden, wenn die ganze Wohnung nach Qualm riecht. Auch so eine Sache, über die wir immer wieder diskutiert haben. Ich öffne das Fenster und die Nachtluft schlägt mir kalt entgegen. Ich atme tief ein – der Geruch von Regen liegt schwer in der Luft. Für einen Moment stehe ich einfach nur mit geschlossenen Augen da, bevor ich mir eine Kippe anzünde und einen tiefen Zug nehme. Warum mussten wir uns heute wieder streiten? Rational gesehen weiß ich, dass das in eigentlich jeder Beziehung vorkommt. Trotzdem hasse ich es, wenn wir uns wegen irgendwelcher Nichtigkeiten so sehr in die Haare bekommen, dass du schließlich ohne ein weiteres Wort aus unserer gemeinsamen Wohnung stürmst. Vielleicht weil ich immer insgeheim dachte, dass wir nie so sein würden. Es ist so kindisch, oder? Es geht doch immer nur um Probleme, die eigentlich keine sind. Als ob es nicht vollkommen egal ist, wer nun vergessen hat Futter für Ryuutarou zu kaufen, oder das letzte Bier getrunken hat. Aber nein – Idioten, die wir sind, muss natürlich ein großes Drama aus solchem Kinderkram gemacht werden, bis wir uns sinnlos anschreien. Und immer tut mir jedes einzelne dumme Wort Leid, sobald die Wohnungstür hinter dir ins Schloss fällt. Wir könnten uns so viel Schmerz ersparen, wenn wir nicht beide so unglaublich verbohrt und stur wären. Wenn du nicht dazu tendieren würdest, eher vor einer Diskussion zu fliehen als vielleicht deine Meinung ändern zu müssen. Und ich nicht so verbissen darauf bestehen würde, dass wir nicht streiten, sondern diskutieren. Manchmal frage ich mich, wann wir so geworden sind. Mit einem erneuten Seufzen öffne ich die Augen, nehme einen weiteren Zug von meiner Zigarette und lasse meine Blicke über das nächtliche Szenario vor mir schweifen. Um diese Uhrzeit sind kaum noch Autos unterwegs und auch Fußgänger sieht man nur selten. Aber wer würde schon freiwillig das Haus verlassen, um in so einem Wetter draußen herumzulaufen, wenn man genauso gut im Bett liegen könnte. Es dauert ein paar Sekunden, bis ich bemerke, dass tatsächlich jemand an der Bushaltestelle wartet, die auf der anderen Straßenseite nur ein paar Meter von unserem Apartment entfernt ist. Und noch einen Moment länger, bis ich sehe, dass es tatsächlich du bist. Du stehst vollkommen bewegungslos da – halb im Lichtkegel, den eine Straßenlaterne auf dich wirft – und siehst allem Anschein nach einfach starr auf den Boden zu deinen Füßen, ohne auf den stetig fallenden Nieselregen zu achten. Fast so wie ich vorhin auf meine Notenblätter gestarrt habe. Mit einem Kopfschütteln schnippe ich die Überreste meiner Zigarette aus dem Fenster und gehe mein Handy holen, das, unter einigen losen Blättern vergraben, noch im Wohnzimmer liegt. Das kleine Gerät ruht kühl in meiner Hand, während meine Finger schnell einige Worte tippen. ‚Willst du nicht endlich wieder reinkommen? Du erkältest dich.‘ Ich schicke die Nachricht ab und sehe dann wieder aus dem Fenster, sodass ich beobachten kann, wie du leicht zusammenzuckst, als sie dich erreicht und dein Telefon vibriert. Deine Hände scheinen etwas zu zittern, als du dein Telefon schließlich aus der Hosentasche hervorholst und auf das Display siehst. Ich nehme an, du hast die Nachricht gelesen, denn du schüttelst den Kopf und lässt das Handy wieder in einer Tasche verschwinden. Der Jackentasche diesmal. Sturer Bock. Es würde mich nicht einmal wundern, wenn du dir im Klaren darüber wärst, dass ich weiß, dass du keine dreißig Meter von unserer Wohnung entfernt die Zeit totschlägst, statt dich irgendwo im Warmen aufzuhalten. Erneut greife ich nach meinem Handy und drücke die Kurzwahltaste für deine Nummer. Ohne dich aus den Augen zu lassen halte ich es an mein Ohr und warte geduldig, bis du den Anruf endlich annimmst. „Was willst du?“ Deine Stimme klingt genervt, aber wir wissen beide, dass du unsere Streitereien mindestens ebenso sehr hasst wie ich. „Ich will, dass du endlich wieder reinkommst...“, beantworte ich deswegen ehrlich und so ruhig ich kann deine Frage. „DU hast doch gesagt, dass ich gehen soll.“ Habe ich das? Wirklich? Verdammt, ich weiß es nicht mehr, wirklich nicht. Wieder drängt sich mir die Frage auf, wie es so weit kommen konnte. „Und du weißt, dass ich das so nicht gemeint habe...bitte, komm wieder rein, dann können wir immer noch reden.“ Und ich mich bei dir entschuldigen. Ohne ein weiteres Wort unterbrichst du die Verbindung. Hilflos starre ich dich weiter vom Fenster aus an. Auch ohne noch einmal anzurufen weiß ich, dass du dein Telefon jetzt ganz ausgeschaltet hast und ich kann dir nicht einmal böse sein deswegen. Habe ich wirklich gesagt, dass du gehen sollst? Ich kann es mir nicht vorstellen, aber manchmal sage ich Dinge, die ich nicht so meine, wenn ich wütend bin. Tun wir das nicht alle? Oder nur du und ich, weil wir irgendwann verlernt haben miteinander zu reden? Ohne weiter nachzudenken wende ich mich vom Fenster ab und durchquere schnell das Wohnzimmer, was mir einen weiteren empörten Blick von Ryuutarou einbringt. Ich schlüpfe quasi im Gehen in meine Schuhe, während ich mit einer Hand bereits nach meinen Schlüsseln greife. Es ist definitiv mehr Glück als Verstand, dass ich nicht stolpere, als ich im Dunkeln die Treppen hinunter haste und schließlich die Haustüre aufreiße. Ohne mein Tempo zu drosseln überquere ich die restliche Distanz zur Bushaltestelle, sodass ich tatsächlich etwas außer Atem bin, als ich endlich vor dir stehe. Allerdings siehst du mich nicht an und auch sonst deutet nichts darauf hin, dass du mich überhaupt wahrnimmst. „Komm wieder mit hoch...“, wiederhole ich leise meine Bitte von vorhin. Wieder keine Reaktion. „Zero, bitte...“ Ich lege dir vorsichtig eine Hand auf die Schulter, bemerke dabei wie nass der Stoff deiner Jacke mittlerweile geworden ist. Aber immerhin siehst du mich jetzt an. „Komm wieder mit hoch. Es tut mir Leid, ich hab es nicht so gemeint.” Mein Tonfall kommt der Beschreibung ‚bettelnd‘ sehr nahe. Ich habe gerade wirklich Angst davor, dass du dich vollkommen unterkühlst und am Ende mit einer Grippe oder Schlimmerem im Bett liegst. Oder dass ich es endgültig vermasselt habe und du beschlossen hast doch lieber ohne mich weiterzuleben. Dass ich dich dazu gebracht habe mich zu hassen. Dabei will ich doch eigentlich nichts mehr als dass es dir gut geht. Dass du glücklich bist – und am besten glücklich mit dem Leben, das wir uns gemeinsam aufgebaut haben. Ich gebe meine Hoffnung, dich überzeugen zu können schon beinahe auf, als ich dich leise seufzen höre. „...bist du sicher, dass du es nicht ernst gemeint hast?“, willst du dann ernst wissen und siehst mich im Gegensatz zu deinem Verhalten gerade am Telefon unsicher an. „Natürlich!“, ist alles, was ich darauf erwidere, bevor ich es nicht mehr aushalte und dich an mich ziehe. Ich spüre, wie du nach kurzem Zögern deine Arme ebenfalls um mich legst und mir fällt ein Stein vom Herzen. „Ich würde nie wollen, dass du gehst, ich hab nur mein dummes Maul nicht unter Kontrolle gehabt. Es tut mir Leid, wirklich.“ Für einen Moment lockere ich meine Umarmung, um dir noch einmal in die Augen zu sehen. „Also bitte, lass uns wieder ins Warme gehen.“ Eine halbe Stunde später sitze ich wieder in unserem Wohnzimmer auf dem Sofa, mit dem Unterschied, dass sich sämtliche Frustration in Luft aufgelöst hat. Ich habe dich endlich wieder bei mir. In eine kuschelige Wolldecke eingewickelt sitzt du neben mir und schmiegst dich in meine Arme, während Ryuutarou es sich schnurrend auf deinen Füßen bequem gemacht hat. Jeder Gedanke an Arbeit ist fürs Erste wie weggewischt, stattdessen vergrabe ich mein Gesicht in deinen Haaren und atme tief deinen vertrauten Geruch ein, während meine rechte Hand liebevoll über deine Seite streichelt. „...ich hoffe, du erkältest dich nicht...“, murmle ich irgendwann, durchbreche damit die Stille, die sich wie ein Kokon um uns gelegt hat. „Und wenn doch, musst du mich eben pflegen...“ Deine Stimme ist leise, aber ich höre förmlich, wie du lächelst. Du drehst dich ein wenig in meiner Umarmung, sodass du den Kopf bequemer an meine Schulter lehnen kannst. „Und wenn du da bist, dann macht es auch nichts erkältet zu sein...“, höre ich dich noch verschlafen nuscheln. Es scheint als hätte die Kälte dir doch mehr zugesetzt, als du dir selbst eingestehen wolltest, denn es dauert keine fünf Minuten mehr, bis du eingeschlafen bist und vollkommen entspannt in meinen Armen liegst. Dabei hattest du noch gesagt, dass du nicht erschöpft oder müde wärst. „Sturkopf.“ Sanft hauche ich einen Kuss auf deine Schläfe, während ich mit meinen Liebkosungen fortfahre, zufrieden damit dich einfach wieder bei mir zu haben. Ich weiß, dass wir morgen über all das werden reden müssen und es wird sicher nicht das letzte Mal sein, dass uns unser Temperament zu schaffen macht. Aber auch wenn wir es wirklich nicht immer leicht miteinander haben, ich kann und will nicht mehr ohne dich leben. Denn du, in all deiner Unvollkommenheit, mit all deinen Macken und Fehlern, bist es, der mein Leben erst so vollkommen macht. Der mich glücklich macht, weil du mich dich lieben lässt und mich trotz meiner Ecken und Kanten, trotz meiner Fehler, genauso liebst. And I love to kiss you in the rain I love everything you do Love everything about the way you’re loving me The way you lay your head Upon my shoulder when you sleep[/] © LeAnn Rimes – But I Do Love You Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)