Der Wächter des Drachen von Xanderle (Fortsetzung von "Drachenherz" und "Die Söhne des Drachen") ================================================================================ Kapitel 16: Von Risiken und Nebenwirkungen ------------------------------------------ Es war ein herrliches Gefühl, so glücklich aufzuwachen; die Welt umarmen zu wollen. Die Farben waren strahlender, die Vögel zwitscherten heitere Sonaten. Einfach alles war schöner als jemals zuvor. Vielleicht sollte man den Tee etwas genauer unter die Lupe nehmen? Schliesslich wäre es nicht das erste Mal, dass Lady Jin sich veranlasst sah, ihrer Tochter eine ... Mixtur unterzujubeln. „Was?“ Jin, die auf der Bettkante von Ayas Bett sass, lachte laut auf. „Das meinst Du doch nicht im Ernst.“ „Aber ... es ist alles so komisch. Vielleicht sind es die Nachwirkungen von diesem Schlaftrunk, den Du mir vor einer Woche verabreicht hast.“ „Nein. Es sind wohl eher die Nebenwirkungen des Hauptmanns.“ „Bitte? Aber .. also ... ich ... wir haben gar nichts ..!“ Ayas Wangen färbten sich blutrot. „Natürlich nicht. Schliesslich sprechen wir über den Lieblingswauzi Deines Vaters. Aber brav oder nicht, der Mann verdreht Dir den Kopf. Das kannst Du nicht leugnen.“ „Also ...“ „Ich weiss“, sagte Jin weise und faltete die Hände im Schoss. „Dann ist das ... normal?“ „Normal? Wahrscheinlich nicht. Wundervoll? Auf jeden Fall! Dein Vater hat dieses Talent auch.“ Mylady seufzte verzückt. „Manchmal muss ich drei Mal am Tag nach unten kucken, ob der Erdboden noch dort ist, wo er hingehört.“ Sie streckte die Beine aus und wackelte mit den Zehen. „Mama ...“ „Was denn? Sobald es um die eigenen Eltern geht, ist das Thema Liebe wohl tabu, hm?“ „Nein. Das nicht.“ „Ja, ja. Der einzige, der akzeptiert, dass wir AUCH ein Liebesleben haben, dürfte Lee sein. Na ja ... er war schon immer mein Lieblingskind! Ihr anderen könntet so langsam mal ausziehen!“ „Mama!“, lachte Aya. „Du HAST kein Lieblingskind.“ „Sagt wer?“ „Du.“ „Ach das!“, winkte Jin ab. „Das hab ich nur gesagt, damit ihr andern nicht alle heult.“ Die ungeliebte Tochter verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. Sie wurde prompt in eine feste Umarmung gezogen. „Bist Du glücklich?“, flüsterte Jin. „Unsagbar glücklich.“ „Das ist schön, Mäuschen!“ Ein dicker Schmatzer wurde auf Ayas Schläfe gedrückt. Als Aya vor die Tür trat, war ihre Welt noch immer wunderschön. Die Farben, die Klänge, einfach alles! „Guten Morgen, Haupt ... Mann ... Takashe?“ „Guten Morgen, Prinzessin.“ „Wo ... wo ist Hauptmann Nezu?“ „Ach so, ja. Das hatte ich ja ganz vergessen“, liess Lady Jin sich etwas zögerlich vernehmen. „Wir hielten es für besser, wenn Hauptmann Nezu seinen Posten als Dein Kage bis zur Hochzeit auf Eis legt.“ „Auf Eis?“ Aya versuchte vergeblich, nicht allzu entsetzt zu klingen. „Na ja. Es wäre vielleicht nicht besonders schicklich, wenn ihr Tag für Tag ganz mutterseelenallein miteinander seid.“ „Ach.“ „Er hat ja auch Unmengen an Papierkram aufzuarbeiten, wie man so hört.“ „Ach ... hört man das?“ „Hmmja. Und so kann er sich auch ganz seinen Rekruten widmen. Soll ein ganz hervorragender Jahrgang sein.“ „Hört man das auch?“ „Ja!“ „So.“ Als Jin die Enttäuschung in der Stimme ihrer Tochter hörte, strich sie ihr über die Wange. „Er wird den ganzen Vormittag in den Trainingshallen sein“, flüsterte sie ihr ins Ohr. „Nur damit Du es weisst.“ Selbst die jüngeren Damen bei Hofe pflegten ihre großen und kleinen Rituale schon mit charmanter Routine. Der Austausch des gestrigen Klatschs gehörte ebenso dazu, wie eine idyllische Teestunde und der kleine Spaziergang durch den Palast. Unersetzlicher Bestandteil dieses Ausflugs war, wie jeder wusste, die mittlere Galerie der großen Trainingshallen. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund kamen die jungen Frauen fast täglich hierher. In gewissen Kreisen munkelte man gar, die durchtrainierten, jungen Soldaten Seiner Lordschaft könnten der Grund hierfür sein. Alles reine Spekulation, natürlich. Heute hatte sich - zum ersten Mal seit etlichen Jahren - auch Prinzessin Aya der kleinen Prozession angeschlossen. Das erste Missgeschickt passierte Leutnant Obku. Der Kampfstab seines Trainingspartners traf ihn hart in die Rippen. Sargent Leng machte beinahe Bekanntschaft mit der Speerspitze eines Kollegen und Hamira Tekishe liess sich gar von einer hölzernen Attrappe austricksen. Da all diese Ereignisse recht zeitnah stattfanden, brauchte es kein Kriminalisten-Hirn, um daraus die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. Vor allem nicht, da alle drei jungen Männer mit verliebten Kuhaugen in Richtung der mittleren Galerie stierten. Ja, Hauptmann Nezu hasste die täglichen Stippvisiten der Hofdamen! Und die ungewohnt heftige Reaktion seiner Rekruten legte die Vermutung nahe, dass sich heute ausnahmsweise auch Prinzessin Aya unter den Zuschauerinnen befand, denn im Palast befand sich exakt EIN Mädchen mit dem Potential selbst gestandene Soldaten innerhalb weniger Augenblicke in verliebt sabbernde Idioten zu verwandeln. Deren Ausbilder inklusive. Oh ja, er hasste es wirklich! „Wenn es den Herrschaften genehm wäre, die Augen GERADEAUS ZU RICHTEN?“ Angesichts dieses Gebrülls zuckte der Schmacht-Trupp schuldbewusst zusammen. „Auf den Boden und vierzig!“, knurrte der Blutwolf mitleidlos. Sofort liessen die Kage-Anwärter alles fallen, was sie in Händen hielten, warfen sich auf den Boden und machten eifrig Liegestütze. Der Vorteil dieser Übung bestand eindeutig darin, dass der Hauptmann selbst nun ungestört den Blick schweifen lassen konnte. Prompt blieb er an einem schimmernden Paar Augen hängen. Ja, er hasste es! Hasste den überhöhten Puls. Den trockenen Mund. Die Begierde, die durch seine Eingeweide schoss. Mit diesen Symptomen seit Jahren vertraut, neigte er jedoch lediglich respektvoll das Haupt. Der Gruß wurde huldvoll erwidert. Erst als Seri hinter ihr zu kichern begann, riss Aya widerstrebend ihre Augen los und nahm den Weg wieder auf. Ein bis zwei Rekruten waren so unvorsichtig, den Hauptmann für abgelenkt genug zu halten, um einen letzten Blick zu wagen. „Habe ich IRGENDETWAS von aufhören gesagt?“ „Nein, SIR!“ „Obku, Leng, Tekishe! Sie werden freundlicherweise eine Woche lang für Ordnung auf dem Kasernenhof sorgen.“ „Eine Wo ...?“ „Zwei!“ „Jawohl, SIR!“ Hinterher kursierte das Gerücht, der Granitbeißer hätte die Saulaune des Jahrhunderts, seit er seinen Schützling nicht mehr höchstpersönlich beschatten durfte. Aber ... na ja. Prinzessin Aya war auch ein kleines bisschen zickiger als sonst. Drei Tage später war Aya wirklich kurz davor, zickig zu werden. Nicht nur, dass ihr Verlobter sich nun aus beruflichen Gründen rar machte, nein, er schien diesen Zustand auch privat vorzuziehen. Kurz und gut, der Hauptmann zeigte seit seiner partiellen Beurlaubung bedauerlich wenig Nebenwirkungen. Das heisst ... seine üblichen Nebenwirkungen auf die Prinzessin blieben selbstverständlich die gleichen. Nur schien er es darauf in keinster Weise anzulegen. Er war zurückhaltender als ein Mönch mit fünffachem Keuschheits-Gelübte. Anfangs sah Aya wenig Anlass zur Sorge. Vielleicht kam er sich nur beobachtet vor? Vielleicht würde traute Zweisamkeit das Problem beheben? Ein Versuch war es wert. Nach zwei weiteren Tagen wurde der Versuch abgebrochen. Der Hauptmann schien sich schlichtweg zu weigern, lauschige, abgelegene Plätze anzusteuern. Um genau zu sein, mied er sie wie die Pest. Vielleicht - ganz vielleicht - hatte er andere Erwartungen an diese neue Situation gehabt? Vielleicht - noch viel vielleichter - hatte er andere Erwartungen an ... SIE gehabt? Er war immerhin um einiges erfahrener als sie. So ziemlich JEDER war um einiges erfahrener als sie. Waren ihre Umarmungen zu linkisch gewesen? Ihre Küsse zu eifrig? Unter Umständen hatte sie den Dreh noch nicht richtig raus. Aber ohne Übung würde sich daran bestimmt nichts ändern. Und nun hatte der Herr beschlossen, jegliche Aktivitäten amouröser Art einzustellen. (Aya weigerte sich schlichtweg, die gelegentlichen Wangenküsse, denen es fast gänzlich an Leidenschaft mangelte, unter diese Kategorie fallen zu lassen.) Eine in Liebesdingen etwas erfahrenere Maid hätte möglicherweise geahnt, dass besagte Leidenschaft nur mit Hilfe eiserner Disziplin in Zaum gehalten wurde. So aber musste die Prinzessin davon ausgehen, dass Liebe und Leidenschaft nicht unbedingt Hand in Hand gingen. Leider lag der Fall bei IHR eindeutig anders. Zum ersten Mal in ihrem Leben brach sich das Feuer, uraltes Erbgut ihrer Ahnen, mit voller Macht Bahn. Nachts - genährt von den wenigen Kostproben, die ihr zurückhaltender Bräutigam ihr gewährt hatte - wurde Aya von den wildesten Träumen und verlockendsten Phantasien geplagt. So war es kein Wunder, dass der Verstand der jungen Dame nach einer knappen Woche, in der es nur wohlkalkulierte, flüchtige Berührungen gegeben hatte, ernsthafte Zweifel an den fleischlichen Gelüsten des Hauptmanns anmeldete. Dabei hatten die Gerüchte um ihn und diverse Damen eindeutig etwas anderes besagt. Aya hatte zwar keinerlei Zweifel, wem das Herz Takeru Nezus gehörte, wohl aber daran, wer seine schlummernde Begierde zu wecken vermochte. Eifersucht, ein Thema das man eigentlich schon abgehandelt wähnte, trat erneut zu Tage. Irritiert beobachtete Jin ihre Nägel kauende Tochter. Hatte das Kind diese Angewohnheit nicht mit zwölf abgelegt? „Schätzchen, ist etwas?“ „Wie bitte?“ „Hast Du was?“ „Ich ... äh ... nein.“ „Du wirkst heute aber recht nervös.“ „Ja. Ich weiss auch nicht.“ „Wir können die Farben auch morgen noch begutachten.“ „Nein, schon gut. Ich finde sie sehr schön. Bis auf das Blau. Es ist noch zu kräftig.“ „Ja. Finde ich auch. Wir mischen noch etwas Grau bei, dann sehen wir´s uns noch mal an.“ EIn abgrundtiefer Seufzer war die einzige Antwort, die sie bekam. Sofort legte Mylady ihre Seidentücher beiseite. „So, Mäuschen“, meinte sie und nahm Ayas Hand. „Und jetzt will ich wissen, was los ist.“ „Nichts.“ Jin schloss die Augen und betete um Geduld. Manchmal könnte sie Zuko für sein Erbgut erwürgen. „Und das hier?“ Sie hob Ayas angeknabberte Fingernägel auf Augenhöhe. „Oh. Ich ... mach´s nicht wieder.“ „Aya. Du bist Erwachsen. Wenn es Dir Spass macht, Deine Maniküre auf diese radikale Art zu erledigen ist das Deine Sache. Aber es macht Dir leider keinen Spass. Seit Tagen bist Du das personifizierte Glück und jetzt ... WAS ist los?“ „Ich hab nur ... Ich muss ... Also ...“ „Ja?“ „Hast Du vor Papa andere Männer geküsst?“ „Äh ... was?“ „Vergiss die Frage!“ „Setz Dich da hin.“ In vollkommener Missachtung der ihr eigenen Grazie liess Aya sich auf eine Bank plumpsen. „So. Und jetzt von vorn. Nein, ich habe nie fremdgeknutscht. Und warum willst Du das wissen?“ „Na ja ... ihr habt ... Ihr seid ... Papa ist immer noch verrückt nach Dir!“ „So?“ Jin blinzelte geschmeichelt. „Na ja, das hoffe ich.“ „Das kann jeder sehen.“ „Äh ...“ „War das von Anfang an so?“ „Was? Dass er verrückt nach mir war?“ „Ja.“ „Äh ... schon. Na ja, nachdem er wieder aufgetaucht war. Aber zu meiner Schande muss ich gestehen, dass er trotzdem der Vernünftigere war. Wenn es nach mir gegangen wäre ...“ Mylady hielt inne. In ihrem Alter noch rot zu werden war irgendwie unprofessionell. So als Mutter. Doch ihre Sorge war unbegründet, denn Aya starrte ohnehin nur auf ihre Hände hinab und biss sich auf die Unterlippe. „Schätzchen ... Hast Du Angst davor?“ „Angst? Wovor?“ „Vor der Ehe. Dem ... na ja ... dem ... dieser Sache eben.“ Die Prinzessin blickte auf. „Was? Nein!“ „Oh. Gut. Das musst Du auch nicht. Es ist etwas ganz Natürliches. Und sehr ... erbauend. Der körperliche Ausdruck ihrer Gefühle stärkt das emotionale Band zwischen Mann und Frau ganz enorm.“ Im Geiste konnte Jin förmlich sehen, wie ihr Drache in mildem Unglauben spöttisch seine Augenbraue zückte. `Zitieren wir etwa aus dem Sutra-Kama, Kobold?´ Rasch schob sie die rauchige Stimme aus ihren Gedanken. Es ging jetzt um Wichtigeres! Um VIEL Wichtigeres, denn plötzlich hingen Tränen an Ayas Wimpern. Jin zog ihre Tochter an sich. „Sag mir, was los ist!“ „Er ... er tut nichts!“ „Er? Takeru?“ „Ja!“ Aya unterdrückte ein Schluchzen. „Er ist kein bisschen verrückt nach mir. Wenn wir alleine sind ... Ich könnte genauso gut seine Cousine sein. Ich dachte immer, wenn man sich so liebt ... Aber vielleicht trifft das ja nicht auf alle Menschen zu. Nur auf mich schon. Ich bin leider ziemlich verrückt nach ihm. Aber er nicht nach mir! Und Ich ...“ „Spätzchen!“ Jin strich beruhigend über die schwarzen Locken ihres Mädchens. „Ach, Spätzchen! Er IST verrückt nach Dir! Jeder der Augen im Kopf hat wird Dir das bestätigen.“ „Und warum küsst er mich dann nicht mehr?“ SO war das also. „Gar nicht mehr?“, hakte Jin vorsichtig nach. „Auf die Wange!“ Dass man dem Wort Wange eine derart abwertende Betonung geben konnte ... „Dann ist er vermutlich noch verrückter nach Dir, als ... als angenommen.“ „Weil er mich auf die WANGE küsst?“, fragte die Prinzessin ungläubig. „Ich ... ich kann´s nur nicht!“ „Du kannst was nicht?“ „Das Küssen!“ „Was?“ Jin lachte auf. „Also, nach allem, was wir von diversen Balkonen aus sehen durften ...“ „Nein“, flüsterte Aya jetzt leise. „Ich hab einfach keine Übung darin.“ „Hast Du Dich dabei denn unbehaglich gefühlt?“ „Nein. Es ... war ganz wundervoll.“ „Dann hast Du Dich auch nicht dumm angestellt. Man merkt einfach, ob es richtig ist oder nicht.“ „Aber ihm scheint es nicht gefallen zu haben.“ „Unsinn. Das hättest Du gemerkt.“ „Ach ja? Und wie denn? Ich hatte nie ... Und ... und ER? Ganz offensichtlich mangelt es unserem ehrenhaften Hauptmann in dieser Hinsicht nicht an Routine! Und ebenso offensichtlich entspreche ich nicht seinen üblichen Standards! Er mag anscheinend eher so liederliche Frauenzimmer wie diese ... diese Kaori!“ „Aya. Das mit der Gräfin ist doch längst vorbei. Du hast keinerlei Grund eifersüchtig zu sein.“ „Sie WÜRDE er küssen!“ „Ich weiss nicht, ob er sie küssen würde. Aber ich glaube, ich weiss, warum er es bei Dir nicht tut.“ „Und warum?“ Aya beobachtete wie eine Träne auf ihren Fingern in hunderte, winziger Tröpfchen zersprang. „Weil das mit den Männern und dem Verlangen so eine Sache ist, verstehst Du?“ Die Prinzessin zuckte mit den Schultern. „Bei Männern ist es so: sie ... also sie können sich nur bis zu einem bestimmten Punkt beherrschen.“ „Takeru Nezu ist der beherrschteste Mensch, den ich kenne.“ „Ja. Zweifellos. Aber ich meine ja auch in körperlicher Hinsicht.“ „In körperlicher Hinsicht? Seine Körperbeherrschung ist mindestens so groß wie ...“ „Ja! Aber das meine ich nicht. Ich meine den ... die körperliche Liebe. Himmel, vielleicht solltest Du dieses Gespräch mit Deinem Vater führen.“ „NEIN!“ „Scht. Schon gut. Aber er redet erstaunlich gerne darüber. Manchmal kann er ...“ „Mama!“ „Entschuldige. Also, ich versuche es jetzt ganz offen anzusprechen. Wenn ein Mann eine Frau begehrt, dann empfindet er ... Begierde. Herrje ich bin nicht gut darin. Du, als Frau, hast derartige Gefühle natürlich auch. Aber Deine körperlichen Reaktionen lassen sich besser kontrollieren. Bei Männern ist das ... ihr Körper reagiert entsprechend der Unterschiede, wenn Du verstehst, was ich meine.“ „N ... nicht wirklich.“ Jin seufzte. Wo war Zuko, wenn man ihn brauchte? „Die kleinen Unterschiede zwischen Mann und Frau sind Dir doch bewusst, oder?“, fragte sie etwas verzweifelt. „Natürlich sind sie das.“ Ayas Wangen wurden heiss. „Na, das ist ja schon mal was.“ „Mutter. Ich bin mit Brüdern aufgewachsen. Und Lee hat ziemlich oft irgendwelche Bücher angeschleppt.“ „Ach. Hat er?“ „Ja.“ „Nun ja. Zu wissen, was wo hingehört ist längst nicht alles. Bei Männern ist es jedenfalls so, dass sie sich, wenn sie einen gewissen Punkt erreicht haben, nicht mehr zurückhalten können. Und je mehr sie eine Frau ... lieben, umso früher kommt dieser Punkt. Dein Vater hat, bevor wir verheiratet waren, auch immer ziemlich früh die Notbremse gezogen. Er sagte dann ständig so Dinge wie `Bis hierher und nicht weiter!´ `Nein, Jin. Lass das Jin!´ und ich wäre noch sein Untergang und all das. Verstehst Du? Der Hauptmann würde sich vermutlich lieber ... lieber - also Du weisst ja, was man mit Wallachen macht - als Dich zu entehren. Er hat bestimmt nur Angst, zu weit zu gehen.“ Aya sah ihre Mutter an und blinzelte. „Er hat Angst, zu weit zu gehen? Nur beim Küssen?“ „Aber ja. Ich kann gar nicht sagen, wie oft ein Kuss schon gereicht hat, um Deinen Vater so richtig in Fahrt zu...“ „Mutter!“ „Was denn? Ich HAB nunmal nur ihn als Referenz.“ „Aber er HAT Dich geküsst. Auch vor der Heirat!“ „Ja. Aber ER war auch der Feuerlord und nicht dessen Offizier, der sich mit einer königlichen Prinzessin eingelassen hat.“ „Eingelassen?“, fragte Aya indigniert. „Du BIST heute aber auch schwierig.“ „Entschuldige.“ „Worauf ich hinaus will ist die Tatsache, dass Du nunmal nicht einfach befummelt werden darfst. Zumindest offiziell. Und bevor es dazu kommt, lässt er es wohl lieber ganz bleiben.“ „Aber er rührt mich überhaupt nicht an. Ich habe sogar das Gefühl, er will nicht einmal mit mir alleine sein.“ „Ach, Mäuschen.“ Jin strich eine Haarsträhne hinter Ayas Ohr. „Seine Demut und Ergebenheit unserer Familie gegenüber sind Dinge, die sich nicht über Nacht ablegen lassen. Er liebt Dich schon so lange! Aber aus der Distanz. Vielleicht musst Du ihm diese Ehrfurcht erst austreiben?“ „Austreiben? Wie soll ich das denn machen?“ „Na ja. Er will nicht mit Dir allein sein? Dann sorg dafür, dass ihr es trotzdem seid. Er will Dich nicht küssen? Dann überrumple ihn irgendwie. Aber es wäre trotzdem schön wenn ihr die Grenzen nicht überschreitet. Außer vielleicht ein bisschen.“ „Ich glaube nicht, dass Hauptmann Nezu irgendetwas überschreitet.“ „Wirklich? Ich betrachte ihn eher als einen Mann, der die Grenzen des Menschenmöglichen schon sehr oft überschritten hat.“ „Ja. Was seinen Beruf angeht schon.“ „So? Und seine Gefühle für Dich? Ich glaube nicht, dass er sie zulassen wollte. Es war eine selbstgesetzte Grenze. Und er hat sie trotzdem überschritten. Ich weiss, Du hast momentan Zweifel. Aber eines ist so sicher, wie das Feuer im Tempel: er liebt Dich! Und zwar mit allen Risiken und Nebenwirkungen. Und er IST verrückt nach Dir. So sehr, dass er sich selbst nicht über den Weg traut.“ „Denkst Du wirklich, dass ist der Grund für seine Zurückhaltung?“ „Ja. Das denke ich. Ein Spielsüchtiger sollte sich schliesslich auch von Pai Cho fern halten. Glaub ich. Oder? Vielleicht wird es Zeit für einen Plan.“ Circa eine Stunde, nachdem ein gewisser Plan Formen angenommen hat „DU begleitest uns auf den Ausritt?“, zischte Takeru in einem unbeobachteten Moment seinen Freund an. „Der Dienstplan sah anders aus!“ „Kommandant Kuroto hat es aber so angeordnet. Er scheint tatsächlich noch immer zu glauben, ER hätte in diesem Haufen das Sagen. Und ich wollte seine Illusionen nicht zerstören.“ „Han ...“ „Gibt es ein Problem?“, fragte eine unschuldige Frauenstimme von der Tür. „Nein. Kein Problem, Hoheit“, erwiderte Hauptmann Nezu knapp. Hoheit! Natürlich. Immer und immer nur Hoheit. Statt gegen einen Heuballen zu treten oder sich in lautem Geschrei zu üben blieb Ihre HOHEIT gelassen und lächelte. „Schön. Können wir dann?“ „Von MIR aus schon lange!“, murmelte Han. Kaum eine Viertelstunde später, sie hatten eben den Rand eines kleinen Kiefern-Wäldchens erreicht, bestätigte sich Takerus Verdacht. „Ach Du Schreck!“, intonierte Han laut. „Ich glaube Xerxes hat sich einen Stein in den Huf getreten.“ Takeru blickte stirnrunzelnd über die Schulter. Wie erwartet torkelte Hans Hengst wie eine betrunkene Primaballerina. „Sicher!“, knirschte er sarkastisch. „Den Trick hast Du ihm letztes Jahr beigebracht.“ „Trick? ICH?“ Han fasste sich entrüstet an die Brust. „Dass Du mir so etwas zutraust ...“ „Alles, Han. Alles! Also weiter jetzt.“ „Weiter? Solange Du keinen Hufschmied aus dem Hemdsärmel zauberst, glaube ich das kaum.“ „Han.“ „Ich fürchte, ihr müsst ohne mich weiter. Aber kein Grund zur Sorge. Ihr seid schliesslich in den besten Händen, Prinzessin.“ „Wir können genauso gut umkehren“, meinte Takeru. „Ich habe ohnehin das Gefühl, dass es bald regnen wird.“ „Wirklich? Ich sehe keine einzige Wolke. Ich glaube, dass sich das Risiko in Grenzen hält“, erwiderte Takerus sicherer Untergang leichthin. Aber SIE war es ja auch nicht, deren Kopf Mylord auf der höchsten Zinne des Palastes aufspießen lassen würde, sollten die Grenzen des Anstandes frühzeitig überschritten werden. Aya hatte keine Ahnung von seinen Sorgen, oder, falls doch, scherte sie sich nicht darum. Sie schenkte Han ein freundliches Abschieds-Lächeln und ritt weiter. Takeru bleib nichts anderes übrig, als es ihr gleichzutun. Seine Mine drückte jedoch alles andere als Zustimmung aus. Als sie begann, leise vor sich hin zu summen, begann ER, unruhig um Sattel hin und her zu rutschen. Am einfachsten wäre es, er liesse sich bis zur Hochzeit unter Vollnarkose setzen. Verdammte Lust! „Ist der Tag nicht herrlich?“ „Durchaus.“ „Die Luft ist so klar.“ „Noch.“ „Oh, ich liebe diesen Wasserfall! Ich würde gerne absteigen.“ Auch DAS noch! „Wie Ihr beliebt.“ Takeru zügelte Are, schwang sich auf den Boden, stellte sich neben Ayas kleine Stute, um ihr beim Absitzen zu helfen. Wie immer wartete er, bis sie Beine und Röcke geordnet hatte, legte die Hände an ihre Hüften und hob sie aus dem Sattel. Und wie immer stütze Aya sich dabei an seinen Schultern ab. Was allerdings NICHT der üblichen Vorgehensweise entsprach, war die Tatsache, dass diese Arme sich nun lockend um seinen Hals schlangen, wodurch sich ihre geschmeidige Gestalt fest an seinen Körper schmiegte, als sie langsam daran hinab glitt. Herrgott! Wie viele Tage denn noch? Wie ein hypnotisiertes Kaninchen starrte der Hauptmann in sehnsüchtig leuchtendes Gold. Ihre Lippen kamen immer näher, ihr Atem streifte schon seidenweich sein Gesicht. Er würde sie in die Büsche zerren, ihr alles vom Leib reissen, was ihn trennte von dem, was sein war! Er würde ... Er würde das nicht zulassen! Im letzten Augenblick schaffte er es, sein Gesicht zur Seite zu drehen. „Dieser Baumstamm sieht nach einer guten Sitzgelegenheit aus.“ Erstaunlicherweise klang seine Stimme so fest wie ... gewisse andere Körperteile es waren. Für Aya waren diese Worte wie eine schallende Ohrfeige. Na bitte. Sie hatte es ja gewusst. Bei Hauptmann Nezu gingen Liebe und Begehren getrennte Wege. Ungefähr so, wie bei ihr Herz und Verstand. Da stand sie nun, auf dem Boden abgestellt, wie ein Sack Reis, die Arme schmerzhaft leer und das Gesicht rot vor Scham. Sie wollte nach Hause, auf ihr Zimmer und in ihre Kissen heulen! Vielleicht noch ein bisschen auf diesen über und über mit Orden behangenen Felsbrocken einschlagen. Aber zunächst ... „Ich möchte zurück!“, presste sie durch die Enge in ihrer Kehle. „Wir sind doch eben erst ...“ „Ich will zurück! Ihr hattet Recht. Es wird gleich regnen.“ In der Tat konnte man durch die Bäume hindurch sehen, wie sich am Horizont bereits eine dunkle Gewitterfront auftürmte. „Wie Ihr wünscht.“ Beim Aufsitzen beschränkte man den Körperkontakt auf ein Minimum. „Vielleicht ist es wirklich besser, wir beeilen uns“, murmelte Takeru, als in der Ferne das erste Donnergrollen zu hören war. Aya nickte mit abgewandtem Kopf. Eile hin oder her, sonderlich weit kamen sie nicht, denn der Wind hatte die verhängnisvollen Wolken schneller heran gepeitscht, als gedacht und der Himmel öffnete seine Schleusen. Innerhalb weniger Sekunden war Aya durchnässt bis auf die Knochen. Takeru brachte sein Hirschzebra nahe an ihres und ergriff vorsichtshalber Maes Zügel. „Der Wind wird stärker. Wir müssen einen Unterschlupf finden!“, rief er durch das Prasseln des Regens. „Ungefähr fünf Minuten von hier ist ein alter Heuschober.“ Der Heuschober war, Agni sei Dank, trotz seines Alters noch immer gut in Schuss und bot somit ein wasserdichtes Dach, trockenes, duftendes Heu und sogar ein paar alte, zerschlissene Decken. Nachdem Takeru eine der Decken ausgeschüttelt und sie Aya gereicht hatte, band er die Reittiere an und rieb sie, so gut es eben ging, mit Stroh etwas trocken. „Sobald es nicht mehr so stürmt, kehren wir zum Palast zurück“, sagte er dann. Aya, durch Nässe, Kälte und Zurückweisung mittlerweile an den Rand ihrer Beherrschung gebracht, reagierte entsprechen. „Natürlich!“, fauchte sie. „Ich könnte ja zutraulich werden.“ „Bitte?“ „Nichts. Keine Angst. Ich werde Euch nicht mehr bedrängen.“ „Ich verstehe nicht, was Ihr meint.“ „So?“ Jetzt sah man - mütterliche Ratschläge hin oder her - Rot. Purpurrot. „Nun, es ist zweifelsohne so, dass ich im Küssen weit weniger Erfahrung habe, als gewisse Damen, die Ihr zu frequentieren pflegtet!“ Sie versuchte erst gar nicht, die Verletztheit in ihrer Stimme zu unterdrücken. „WIE bitte?“ Nun, eines hatte sie immerhin erreicht; die ungeteilte Aufmerksamkeit ihres Verlobten zu erregen. „Ihr habt mich sehr wohl verstanden. Leider kann ich nicht aus dem unermesslichen Erfahrungsschatz Eurer ehemaligen Maitresse schöpfen.“ „Ich glaube nicht, dass Ihr diese Diskussion fortsetzten möchtet!“ „Ach ja? Dann irrt Ihr Euch möglicherweise.“ „Aya ... Die Gräfin hat nichts, aber auch gar nichts mit uns zu tun.“ „Wirklich? Und warum ist es dann so eine Zumutung, mich zu küssen? Das wird sich bestimmt nicht ändern, wenn ... Ihr es nie tut.“ Ayas Empörung wich und machte der Beklommenheit Platz. „Sie kann es bestimmt besser, nicht wahr?“, flüsterte sie. „Besser?“ Takeru runzelte die Stirn. „Ich kann mich nicht erinnern, die Gräfin besonders oft geküsst zu haben.“ Damit hielt er das Thema eigentlich für beendet. Seine Verlobte nicht. „Ich weiss sehr gut, in welchem Verhältnis Ihr zu Kaori Ren standet!“ „Das ist mir durchaus bewusst. Doch lasst mich Euch versichern, dass... Küsse in besagtem Verhältnis eine mehr als untergeordnete Rolle spielten.“ Ungläubig starrte sie ihn an. Vielleicht hatte ihre Mutter sich geirrt. Vielleicht war der Hauptmann einfach ein Mann, der Küssen generell nichts abgewinnen konnte? Das wäre allerdings ... jammerschade. Denn sie selbst hatte eine mehr als ernstzunehmende Vorliebe dafür entwickelt. „Oh“, machte sie leise. „Ich ... verstehe.“ „Gut.“ „Fein.“ Es war schwer, Haltung zu bewahren, wenn man auf einem Heuballen sitzend in den Regen starrte und krampfhaft die Tränen zurückhielt. „Was meintet Ihr mit `Zumutung´?“ „Ist nicht so wichtig“, flüsterte Aya. „Das könnt Ihr nicht ernst gemeint haben.“ „Ich möchte nicht weiter darüber sprechen!“ „Die Gelegenheit, die Diskussion zu beenden, hattet Ihr, wenn ich mich Recht entsinne, eben ausgeschlagen.“ Konnte man einen Menschen wirklich so sehr lieben, und ihn trotzdem samt seiner verdammten Beobachtungsgabe und einem funktionstüchtigen Gedächtnis auf den kalten, kalten Mond wünschen? „Es gibt nichts zu diskutieren. Es ist Eure Sache, ob, wann und wie Ihr mich küsst.“ „Tatsächlich?“, knirschte es hinter ihr. „Ich wünschte, dem wäre so.“ „Wieso? Ihr braucht nicht ...“ „Ihr glaubt also, ich würde es absichtlich vermeiden, Euch zu küssen?“ Er harkte sich mit den Fingern durch die kurzen Haare. „Ihr habt Recht.“ „Aber ich ... Mit der Zeit kann ich es bestimmt besser!“, stiess Aya trotzt des Kloßes in ihrem Hals aus. „Besser? Ihr habt überhaupt keine Ahnung, was Ihr ... Wenn Ihr diese Sache noch weiter perfektioniert ... Himmel, Aya! Manchmal habe ich das Gefühl, Dein einziger Daseinszweck ist es, mich um den Verstand zu bringen.“ „Dich?“ Sie sprang auf. „Um den Verstand? Ebenso gut könnte ich versuchen, das Pu-Jang-Gebirge um einen Kilometer zu versetzen!“, schrie sie. Vor lauter Rage bemerkte sie nicht einmal, dass er sie eben zum ersten mal geduzt hatte. Ungläubig starrte er sie an. Warf sie ihm etwa Gleichgültigkeit vor? Sie? Ihm? Das Mädchen, um das sich seit Jahren sein gesamtes Leben, beruflich wie privat, drehte? Das war zuviel! Selbst für einen stoischen Gesellen, wie den Hauptmann. Er packte seinen Plagegeist und zog ihn an sich. So fest und unvermittelt, dass die Luft aus Ayas Lungen keuchend entwich. „Der Pu-Jang?“, knirschte er, den Mund nur Zenimeter von ihrem entfernt. „Auf eine blosse Bitte von Dir würde er sich vermutlich ins hinterste Hinterland des Erdkönigreichs verkrümeln. Ein Lächeln, und er richtet es sich auf dem Meeresgrund wohnlich ein.“ Dann bekam sie endlich ihren Kuss. Wobei Kuss ein eher unzureichendes Wort dafür war. Er brandmarkte ihre Lippen als seinen Besitz, forderte die völlige Kapitulation. Und er bekam sie. Aya begegnete der Invasion mit offenen Armen, schlang sie um ihren Bezwinger und ergab sich. Takeru stand der Sinn nicht mehr nach Ehrerbietung und Korrektheit. Ihm stand der Sinn einzig und allein nach ihr. Blindlings griff er in ihr seidiges Haar, umfasste ihren Kopf, und drängte sie gegen die hölzerne Wand des Heuschobers, um sie noch heftiger zu küssen. Als sich seine muskulöse Schwere gegen ihren Leib presste, krallte Aya stöhnend die Hände in den goldbraunen Schopf. Das war es, wovon sie in ihren Träumen Nachts aufschreckte. Dieses brennende, ziehende Sehnen, das sie nicht mehr zur Ruhe kommen lies. Schamlos wölbte sie sich gegen ihn. Er umfasste ihre Hüften und konfrontierte sie mit den Konsequenzen ihres Tuns. Die fordernde Härte war neu, wundervoll und liess ihre Knie den Dienst verweigern. „Takeru?“ So atemlos, dass er sie kaum verstand. So atemlos, dass er sich nicht mehr zurückhalten konnte. Ein glühender Mund glitt zu ihrem Hals, vertrieb die Kälte, die der Regenguss hinterlassen hatte. Seine Hände, früher ein Muster an Zurückhaltung, taten endlich, wonach ihn seit Ewigkeiten gelüstete, fuhren über Taille und Flanken noch höher, bis er schliesslich ihre Brüste umfasste. Heißkalte Blitze durchfuhren Aya. „Takeru!“ „Aya!“ Das heisere Flüstern, direkt unterhalb ihres Ohrs liess Sternenfunken regnen. „Bitte!", stammelte sie hilflos. Ihr Wunsch war ihm Befehl. War es immer gewesen. Angesichts des betörenden Flehens hob er sie auf die Arme, trug sie in den hinteren Bereich des Verschlags und bettete sie auf das weiche Heu. Als er in ihr Feen-Antlitz blickte, überkam für einen Sekundenbruchteil das Bewusstsein, zu weit zu gehen. Doch dann streckte sie die Arme aus und zog ihn wieder zu sich. Der samtweiche, willige Mund berauschte ihn mit exquisiter Süße, liess ihn erneut alles vergessen. Alles, außer der Tatsache, dass dieses Wesen zu ihm gehörte, dass er sie haben musste. Langsam liess er sich auf sie sinken. Aya schwebte, glaubte zu vergehen. Dass das blosse Gewicht eines Mannes einen solchen Rauschzustand auslösen konnte ... So fest sie konnte klammerte sie sich an ihn, drängte ihren Leib gegen ihn. Wenn er doch endlich ... Vermutlich hätte Zukos diszipliniertester Soldat vor dieser Leidenschaft kapituliert, wenn, ja wenn nicht ein Blitz just diesen Moment dazu auserkoren hätte, in der Nähe einzuschlagen. Mit einem Krachen brachte er die Realität zurück in die Geisteswelt des Hauptmanns. Was im Namen aller höllischen Dämonen tat er hier? Liess hirnlos seine Lust Amok laufen? Er war drauf und dran sie hier und jetzt zu nehmen. Im Heu! Ohne auch nur einen Gedanken an ihre Sicherheit zu verschwenden! Verdammt! Er hatte ja gewusst, dass dieser „Ausflug“ so enden würde. Han würde in der nächstbesten Jauchegrube landen, soviel stand fest! Aya, noch immer im Reich der Sinne verloren, merkte erst, dass etwas nicht stimmte, als ihr Angebeteter sich von ihr losmachte. Und selbst das bekam sie nur mit, weil sich die Kühle der Luft sofort wieder in ihrer klammen Kleidung festsetzte. „Was ist?“, keuchte sie irritiert, als er begann, auf und ab zu gehen. „Was IST?“ Er fuhr sich durchs Haar, obwohl jemand das nur allzu gerne für ihn erledigt hätte. „Oh, nichts weiter!“ Aya war sich FAST sicher, dass sein beissender Sarkasmus dem höfischen Protokoll widersprach. „Ich bin nur drauf und dran eine königliche Prinzessin zu entehren.“ „Ich ... ich fühle mich aber eher ge- als entehrt“, stammelte Aya, verständlicherweise noch immer etwas verwirrt durch das abrupte Ende ihrer Glückseligkeit. Und natürlich auch durch die Glückseligkeit selbst. „Setz Dich dort drüben hin!“ „Takeru ...“ „Siehst Du, was passiert, wenn ich meine sogenannte Kaltblütigkeit in den Wind schlage? Glaubst Du jetzt, dass ich Dich begehre? Über alle Maßen?“ „Takeru ...“ „Setz Dich einfach auf diesen Strohballen! Nein! Der andere, dort im Eck!“ Er klang derart bestimmt, dass Aya tatsächlich zum entferntesten Strohballen schlingerte, sich setzte und vorwurfsvoll zu ihm herüber sah. „Mir ist kalt“, gab sie ihm nach einer Weile würdevoll zu verstehen. Ihr wurde eine Jacke zugeworfen, die jedoch selbst fünf Minuten später keine wärmende Wirkung zeigen wollte. „Mir ist leider immer noch kalt.“ „Aya, legst Du wirklich Wert drauf, dass ich die Zeit bis zu unsrer Vermählung im Kerker verbringe?“, knirschte es aus dem gegenüberliegenden Eck. „Aber ... wenn mir doch kalt ist?“, fragte sie leise. Takeru seufzte. Ja, sie war nass geworden und ja, es war wirklich kühl. Mit drei langen Schritten strebte er in Richtung der zitternden Aya, hob sie auf die Arme, setzte sich und wickelte sie enger in seine Uniformjacke. „Besser?“, knurrte er etwas unwirsch. „Ja.“ So gehalten zu werden, den Kopf an seine Brust gelegt, dass sie seinen steten, gleichmässigen Herzschlag hören konnte, vertrieb die Kälte auf wundersame Weise. „Und die Zweifel, die Du bezüglich meiner Gefühle hattest?“ „Auch besser.“ „Nur besser?“ „Nein“ Sie kuschelte sich enger an ihn. „Weg.“ „Das ist gut“, murmelte er in ihr Haar. „Noch mehr dieser unverfänglichen Zufälle halte ich nämlich nicht aus. Von jetzt an keine Spaziergänge oder Ausritte in trauter Zweisamkeit mehr.“ „Gar nicht mehr?“ „Nein. Und Küsse nur noch, wenn im Nebenzimmer jemand ist. Jemand, der NICHT Han Osaru ist!“, fügte er in Gedanken an seinen Freund hinzu. Aya nickte widerstrebend. Prompt stieg ihr seine Wärme zu Kopf. „Du riechst gut!“, wisperte sie. „Bemerkungen über meinen Geruch sind ebenfalls zu unterlassen“, ächzte ihr überstrapazierter Verlobter. „Darf ich dann erwähnen, wie wundervoll es sich anfühlt, so gehalten zu werden?“ „Nicht, wenn Du es vermeiden kannst.“ „Und wenn nicht?“ „Aya, bitte!“ „Warum denn nicht?“ „Weil. Es. Mich. Wahnsinnig. Macht.“ „Nur wenn ich sage, dass ... dass Du gut riechst?“ „Zum Beispiel.“ Ihre Nasenspitze rieb sich verdächtig zärtlich an seiner Halsmulde. „Dann sollte ich Deinen Geschmack wohl auch nicht erwähnen.“ „Nein!“ „Na gut.“ Takeru betete lautlos um mehr Willenskraft. Sollte er bis zur Hochzeit tatsächlich die Finger von ihr lassen können, hätte er sich eigentlich seinen dritten Phönix-Orden verdient. Inclusive Feuerkranz und dem ganzen Brimborium! Allerdings rückte diese Auszeichnung in weite Ferne, als ein sehnsuchtsvoller Seufzer seine mehr als kooperationsbereiten Lippen streifte. Die Niedertracht dieses Überraschungsangriffs zwang ihn in die Knie und wider besseren Wissens neigte er den Kopf. Schon wieder! Ihr Mund war ein Geschenk des Himmels, ihr zuerst sanfter, dann hetzender Atem reinstes Ambrosia. Ehe er es sich versah, war seine ganz persönliche, kleine Folter wieder in schönstem Gange. Sie wären vermutlich erneut im Heu gelandet, hätte sich nicht ein barmherziger Engel namens Han Osaru genähert, lauthals ein anzügliches Liedchen schmetternd. „Komm, mein Liiiiebchen, komm zuhuuu miiiiiir, untern Kirschenbaaaaaaaaaaaauuume. Komm, mein Liiiiebchen, komm zuhuuu miiiiiir, zeig mir Deine Pfl ...“ „HAN!“ „Oh! DA seid ihr! Bitte vielmals um Verzeihung. Hab im Regen die Spur verloren. Benötigen die Herrschaften vielleicht ein paar wasserdichte Mäntel?“ Von seinem Kollegen erntete Hauptmann Osaru natürlich nur ein unwilliges Funkeln. Die Prinzessin war wie immer liebenswürdiger. „Was für eine bemerkenswerte Stimme Ihr habt, Hauptmann.“ „Wirklich?“, strahlte Han. „Vielen Dank, Hoheit!“ „Und noch bemerkenswertere Nerven!“, knurrte Meister Gargoyle, während er Aya in einen viel zu großen Mantel half. „Jahrelanges Training. Beides. Für die Stimme das Anbrüllen von Rekruten, für die Nerven die Auseinandersetzungen mit einem gewissen Freund, der nicht genannt werden möchte. Vielleicht,“, setzte er flüsternd hinzu. „Würde dieser Freund noch die Strohhalme aus dem Haar Ihrer Hoheit entfernen?“ Wieder im Palast angekommen, wurde zuerst dafür gesorgt, dass jemand sich um die triefend nasse Prinzessin kümmerte. Dieser Sorge entledigt, machte Hauptmann Nezu sich sofort daran, die nicht minder durchgefrorenen Hischzebras zu versorgen. Dabei wechselte er, ganz nebenbei, ein ernstes Wort mit seinem Freund. Die Standpauke stiess, wie war es auch anders zu erwarten, jedoch auf taube Ohren. „Agni, Taku, Du solltest wirklich dankbarer sein. Wenn Du mitbekommen hättest, wie sie Dich angesehen hat ... Richtig herzzerreissend, dieser Blick. Das Mädel hatte etwas Bestätigung bitter nötig. Kein Wunder, wo sie mit einem Eisklotz verlobt ist.“ „Eisklotz?“ „Ähm ... Nein! Du bist so heissblütig wie ein Feuersalamander. Berüchtigt für Dein explosives, unberechenbares Temperament. Muss Dich glatt verwechselt haben.“ „Wenn ich nicht so gute Laune hätte ...“ „Ach. Die ist gut? SAG das doch! Was so eine einsame Stunde im Regen doch alles ändern kann ...“ Prinzessin Aya fand, mit dem Wissen, dass ihre körperlichen Begehrlichkeiten durchaus auf Gegenseitigkeit beruhten, spielend zu einem glücklichen, ausgeglichenen Selbst zurück. In Punkto Küsse und dergleichen blieb ihr Kage zwar weiterhin stur wie ein Elch-Muli, aber das sah sie nun wesentlich gelassener. So vergingen die sechs verbleibenden Tage bis zur Verlobungsfeier langsam aber sicher, ohne dass weitere Zwischenfälle das junge Glück trübten. Bis ... am Abend zuvor. Feuerpalast, am späten Abend vor der Verlobungsfeier Takeru hatte eben den zweiten inneren Ring mit den Wohnungen der Kage erreicht, als sich ihm vollkommen unvermittelt die Nackenhaare sträubten. Wie angewurzelt blieb er stehen und lauschte. Kein Ton, kein noch so leises Geräusch ließ auf etwas Ungewöhnliches schließen. Auch das flackernde Zwielicht der unzähligen Fackeln enthüllte nur das übliche Bild. Was zum Teufel ...? Da! Ein Geruch! Jasmin. Überall sonst im Palast hätte er dem Geruch vermutlich keinerlei Beachtung geschenkt. Aber hier? Hier war der süssliche Duft so verräterisch wie eine Blutspur. Der Kiefer des Hauptmanns verhärtete sich. Das wagte sie nicht! Oder? Er verließ den Hauptgang in Richtung der Dachterrassen. Der ungeladene Gast, der sich in Takeru Nezus Wohnung breitgemacht hatte, hätte es wahrlich besser wissen müssen. Fragliche Person ging in den schlicht eingerichteten Räumen nervös auf und ab. Einerseits konnte sie die bevorstehende Begegnung kaum erwarten, andrerseits ... „Was tust Du hier?“, blaffte es kalt. Kaori schnellte herum und starrte auf die schattenhafte Silhouette vor der verglasten Balkontür. „Agni! Hast Du mich erschreckt!“, keuchte sie erschrocken. „Antworte!“, knurrte Takeru ungnädig. „Was willst Du?“ Beschämenderweise immer noch ihn. Doch das würde Kaori, Gräfin von und zu Ren, niemals zugeben. „Wie unhöflich“, schnurrte sie daher und ließ, im Versuch unbeeindruckt zu tun, ihren Finger verspielt an einer Tischkante entlang gleiten. „Geht man so mit ehemaligen Freunden um?“ „Wir waren einiges, aber Freunde niemals!“ „Schön. Wie es Dir beliebt.“ „Zum letzten Mal, Gräfin. Was WOLLT Ihr?“ „Oh, ich habe von Deiner überraschenden Verlobung mit unserem keuschen Prinzesschen gehört. Da musste ich einfach kommen.“ Hauptmann Nezus Augen verengten sich zu eisigen Schlitzen. „Ahnt Aya die Reine eigentlich, dass sie im Begriff ist einen ... Dieb zu ehelichen?“ Takerus Mine blieb hart. „Ja“, sagte er ruhig. „So sehr Dich das auch enttäuschen mag. Du kannst ihr nichts eröffnen, was sie nicht bereits weiss.“ „Wie schade!“, gurrte Kaori. „Ich kläre die Leute doch so gerne auf! Na ja.“ Sie schnalzte mit der Zunge. „Mir bleibt ja immer noch der Hofstaat.“ „Das wagst Du nicht!“ „Ach nein? Dann bin ich wohl mutiger, als Du dachtest. Sollte diese Verlobungsfeier stattfinden, wird alle Welt erfahren, dass Zukos feines Töchterlein sich mit einem ehemaligen Kleinkriminellen eingelassen hat. Das arme Ding! So verblendet.“ „Glaubst Du ernsthaft, damit durchzukommen?“ „Ich glaube, Du würdest eher sterben, als die Prinzessin all dem Hohn und Spott auszusetzen. Ich glaube, Du würdest eher auf Dein honigsüsses Püppchen verzichten, als es so zu beschmutzen. Nicht wahr... Hauptmann?“ Sein Blick versetzte Kaori beinahe in Panik. Doch sie war darauf vorbereitet. „Jetzt würdest Du mich am liebsten erwürgen. Nicht wahr?“ Sie lachte. Es klang schrill. „Zu spät“, flüsterte sie. „Ich habe meine Fäden bereits gesponnen. Wenn Du die Verlobung nicht auflöst, werden morgen hunderte von Gästen eine zutiefst schockierende Neuigkeit erfahren. Diskretes Getuschel kann ja SO laut werden.“ Trotz der eisblauen Mordlust in seinem Blick trat sie näher an ihn heran und stellte sich auf die Zehenspitzen. „Sollten Dir die einsamen Nächte als Junggeselle irgendwann zu einsam werden, wirst Du wissen, wo Du mich findest“, hauchte sie in sein Ohr. „Du magst ja zur Ehe nicht taugen, aber in meinem Bett lege ich auf Ehrbarkeit keinen gesteigerten Wert, wie wir beide sehr wohl wissen.“ „Scher Dich raus!“ Am nächsten Morgen hatte der Hauptmann eine Nacht hinter sich, die unter den fürchterlichsten Nächten seines Lebens - und davon hatte dieses Leben einige hinter sich gebracht - einen absoluten Spitzenplatz einnahm. Er hatte mit sich gerungen, sich verflucht und dann weiter mit sich gerungen. Dabei war ihm eines klar geworden: Sein persönliches Wohlbefinden war die eine Sache, aber um keinen Preis der Welt war er gewillt Ayas Glück zu opfern. Und ganz nebenbei hatte er zu akzeptieren gelernt, dass ER für ebendieses Glück unabdingbar war. Kurz und gut, er würde auf Kaoris Erpressungsversuch nicht eingehen. Und noch kürzer und besser: er brauchte Hilfe. Er war es zwar ganz und gar nicht gewohnt, um Hilfe zu bitten, aber man hatte auch schon Reiher würgen sehen. So war der erste Besucher, den Seine Lordschaft in aller Herrgottsfrühe empfing, sein zukünftiger Schwiegersohn. „Takeru?“ „Mylord.“ Zuko verdrehte die Augen. Allem Anschein nach würde der Bräutigam seiner Tochter noch länger für ein „Du“ brauchen, als dereinst Tian Fu. „Was kann ich für Euch tun, Hauptmann?“ Er gestattete sich, dem letzten Wort eine ironische Note beizumengen. Als er seinen Blutwolf jedoch dabei ertappte, wie er erst einmal tief durchatmete, verging ihm das Scherzen. Er lauschte dem sachlichen, ruhigen Bericht des Hauptmanns. Die folgende Stille belastete jedem Quadratzentimeter des Raumes. „Sieh an“, murmelte Zuko schliesslich. „Die kleine Kaori Ren fährt also ihre Krallen aus.“ „Es wäre überaus unangebracht, wenn ich derjenige wäre, der dieses Verlöbnis löst. Allerdings könntet Ihr es tun, wenn Ihr es wünscht.“ „Wenn ICH es wünsche?“ Zukos Braue erhob sich über ihr übliches Niveau.„Was wünscht IHR denn?“ „Das wisst Ihr.“ „Hm. Wahrscheinlich. Aber hören will ich es trotzdem. Möchtet Ihr, dass die Verlobung gelöst wird?“ „Nein. Es würde Aya unglücklich machen. Und ... mich.“ „Ah!“, machte Zuko leise und zufrieden. „Hast es also endlich eingesehen. Gut! Dann wollen wir mal einen Schlachtplan entwerfen. TIAAAAAAAAN?“ Schlitternd schoss Konsul Fu aus der kleinen Tür, die sein Büro vom Arbeitszimmer Seiner Lordschaft trennte. „Ja, oh Ohrenbetäubender?“ „Hol meine Frau, meinen Onkel, meine ... ach was! Trommle einfach die ganze Familie zusammen. Außer Aya. Ich denke, sie sollte die Nachricht aus anderem Munde erfahren. Ruf die fünf vertrauenswürdigsten Kabinettsmitglieder. Und Fon! Er soll die Dienerschaft einweihen.“ „Einweihen, Mylord?“ „Erklärung folgt. Nun eile, so schnell Deine Pantoffeln Dich tragen, mein Freund.“ Innerhalb kürzester Zeit hatte der Drache seine Truppen mobil gemacht. „So. Hat jeder verstanden, was er zu tun hat?“, fragte er die rund vierzigköpfige Schar. Einmütiges Nicken. „Bestens. Dann zurück an die Arbeit. Jin, auf ein Wort.“ Mylady wartete mit artig gefalteten Händen, bis alle anderen das Büro verlassen hatten. „Nun, mein Schuppentier, was liegt Dir auf dem Herzen?“ „Ist Dir bewusst, dass Dir und den Hofdamen die wichtigste Aufgabe zukommt?“ „Aber ja! Du kannst Dich auf uns verlassen. Operation Gerüchteküche wird vollkommen reibungslos verlaufen.“ „Das ist mein Kobold!“ Während Mylords engste Vertraute das Gegenkomplott vorbereiteten, wurde Prinzessin Aya in die neuesten Entwicklungen eingeweiht. „Sie will uns also bloßstellen?“, fragte sie, ein wenig blass um die Nase, seit der Name Kaori Ren gefallen war. „Ja. Es tut mir sehr leid. Dass sie so weit gehen würde ...“ „Ist recht verständlich.“ „BITTE?“ „Immerhin musste sie Dich aufgeben.“ „Das ist lächerlich!“, schnaubte Takeru. Angesichts seines Tonfalls blinzelte Aya überrascht. „Sie hat mir nichts bedeutet, und ich ihr nicht.“ „Offenbar sah sie das ein wenig anders.“ „Aya, es ist nur ihr verletzter Stolz. Nichts weiter.“ „Woher nimmst Du die Gewissheit, dass sie Dich nicht geliebt hat?“ Diese Unterredung verlief nicht so, wie sie sollte, fand Hauptmann Nezu. Seine Verlobte hätte alles Recht der Welt, ihm bittere Vorhaltungen zu machen. Und was tat sie? Erforschte die Gefühlswelt seiner ehemaligen Maitresse. Eine Gefühlswelt, die quasi nonexistent war! „Es gibt nur einen Menschen, den die Gräfin liebt. Sich selbst.“ „Vielleicht. Vielleicht auch nicht.“ „Soll ich sie zum Tee einladen, damit wir darüber SPRECHEN können?“, knirschte Takeru. Schon wieder dieser Tonfall. Aya schwankte zwischen Unglauben, Gekränktheit, Erleichterung und Amüsement. Letztendlich trug die Erleichterung den Sieg davon. Endlich begann er sie wie einen normalen Menschen zu behandeln. Unbewusst zwar, aber es war ein Anfang. „Warum hältst Du Dich für so wenig liebenswert?“, fragte sie leise. Der Blick, den er ihr jetzt zuwarf, war zutiefst irritiert. „Prinzessin, habt Ihr verstanden, worum es geht?“ „Ich denke schon. Deine ehemalige Geliebte versucht Deine Vergangenheit als Druckmittel gegen Dich einzusetzen. Was ziemlich albern ist, da mir diese Vergangenheit nicht das Geringste ausmacht.“ „Und was ist mit den Anderen?“, fragte Takeru. „Diejenigen, die dumm genug sein werden, dem Tratsch Bedeutung beizumessen, sind mir ehrlich gesagt egal.“ „Egal?“ „Ja. Egal. Außerdem glaube ich, dass es weniger sein werden, als Du befürchtest.“ „Was? Das kann nicht Dein Ernst sein. Du weisst, wie gerne die Leute sich das Maul zerreissen.“ „Ja. Das weiss ich. Aber ich weiss auch, was die meisten Leute von Dir halten. Viel. Sehr viel. Ich glaube, sogar sehr viel mehr, als Du selbst von Dir hältst. Was mich wieder zu der Frage bringt, warum Du Dich selbst für nicht liebenswert hältst.“ „Es ist nicht meine Aufgabe, liebenswert zu sein!“ „Momentan jedenfalls nicht“, murmelte die Prinzessin. „Könnten wir dieses Gespräch BITTE wieder in geregelte Bahnen lenken?“ „Oh, tut mir leid. Mir wurde kein Konversationsplan vorgelegt.“ „Aya!“ „Was?“ „Kannst Du nicht ein einziges Mal so reagieren, wie man es erwarten würde?“ „Nämlich?“ „Mir Vorwürfe machen?“ „Warum?“ „Es ist immerhin meine Ex-... Bekanntschaft, der wir diesen Ärger zu verdanken haben.“ „Es ist nicht Deine Schuld, dass sie sich in Dich verliebt hat.“ „Sie HAT sich nicht ... Diese Diskussion ist vollkommen fruchtlos, oder?“ „Scheint so. Du willst es ja nicht einsehen.“ „Ich? Ich bin vollkommen sachlich.“ „Ja, das bist Du immer. Außer es geht um Deine angeblich so skandalöse Kindheit. Wenn Du dieses Kind als Außenstehender betrachten könntest, würdest Du sehen, dass es nichts Schreckliches, oder Unverzeihliches getan hat. Es hat Überlebt. Mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen. Du nennst es Schande. Andere nennen es den Mut das zu tun, was getan werden muss. Und noch etwas, das Du wahrscheinlich nicht gerne hörst, aber diese Kind ist ein Teil von Dir. Das wird es immer bleiben. Und ich bin froh darüber! Und es ist mir egal, ob ich mit dieser Meinung allein dastehe. Nichts wird mich davon abhalten, Deine Frau zu werden. Nichts! Weder Kaori Ren, noch irgendwelches Getratsche, noch Deine Selbstzweifel.“ Sie trat dicht vor ihn und legte die Hand mit dieser für sie so typischen, zarten Geste an seine Wange, als sei er eine unschätzbare Kostbarkeit. „Ich liebe Dich, Takeru Nezu! Ich liebe, was Du warst, was Du bist und ich werde lieben, was Du sein wirst, wenn wir einmal alt und grau sein werden. Ich liebe Dich mehr, als Du selbst es jemals tun wirst. Also musst Du mir vertrauen, wenn ich Dir sage, dass dieser ganze Skandal im Sande verlaufen wird. Denn es gibt noch weit mehr Menschen, die sehen, wer und was Du bist. Können wir diese Diskussion jetzt beenden?“ „Ich... Ja“, raunte Hauptmann Nezu entwaffnet. Was hätte er auch groß erwidern sollen? Diese Frau reagierte eben nie so, wie sie sollte. Außer auf Küsse. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)