Der Wächter des Drachen von Xanderle (Fortsetzung von "Drachenherz" und "Die Söhne des Drachen") ================================================================================ Kapitel 1: Der Eroberer ----------------------- Masaru. In der Sprache der Alten bedeutet es `Glanz´. Masaru Shouta, frischgebackener Herzog der südlichen Glutmarschen, war mit einer einzigen Absicht in den Palast gekommen. Zu erobern. Als Spross des hohen Hauses Yun sah er dies gewissermaßen als seine Pflicht an. Seine Familie hatte bedeutende Männer hervorgebracht. Richtige Draufgänger mit Mumm in den Knochen, die keinen Kampf scheuten. Echte Teufelskerle, denen die Welt und die Ladys zu Füßen lagen. Ein Shouta fragte nicht, er forderte! Sein Triumph stand eigentlich schon fest. So war es immer. Ziel von Masarus aktuellen Plänen war Aya Ria Tatzu. Die Prinzessin war eine überaus lohnenswerte Beute und zweifellos auch eine heikle, aber dieser Umstand bereitete ihm gewiss keine schlaflosen Nächte. Er würde kommen, gesehen werden und siegen. So war es immer. Frauen beteten ihn schlichtweg an. Und er würde auch diese soweit bringen. Vor einem halben Jahr, auf einem Fest der Senoris, hatte er sie zum ersten Mal gesehen. Ein anmutiges Neigen des Kopfes, ein kurzes Lächeln und ein flüchtiger Blick unter gesenkten Wimpern. Mehr hatte sie ihm nicht geschenkt. Aber Masaru hatte die schwelende Glut dieses Blicks selbstverständlich wahrgenommen. Auf die altbewährte „Rühr-mich-nicht-an-Taktik“ fiel er schon seit seinem Stimmbruch nicht mehr herein. All diese Gerüchte, sie wäre eher eine Eis- denn eine Feuerprinzessin? Purer Nonsens, von betörten, hilflos stammelnden Verehrern in die Welt gesetzt, die nicht genug Feuer hatten, die Maid aufzutauen. Das Mädchen war wählerisch. Na und? Als Tochter des Feuerlords verdiente sie schliesslich den Besten. Ja, er sah es quasi schon vor sich. Er und die Tochter Zukos II. Das schönste Paar der Feuernation. Das arme Ding konnte zwar nicht Feuerbändigen, doch sie besass andere Qualitäten, die diesen Mangel mehr als wett machten. Masaru Shouta würde diese angeblich uneinnehmbare Zitadelle im Sturm erobern. Ein Monat längstens und sie wäre sein. Wurde bereits erwähnt, dass dem immer so war? Momentan lief der überaus stattliche, junge Herzog im Vorraum der fürstlichen Gemächer auf und ab. Er hatte es für angebracht gehalten, zunächst Seine Lordschaft um eine Audienz zu bitten. Hätte er sein Revier erst abgesteckt, wäre der Rest reine Formsache. „Euer Gnaden?“ Masaru wandte sich um. „Ja?“ „Lord Zuko wird Euch nun empfangen.“ Ohne den Türsteher eines weiteren Blickes zu würdigen, schritt Masaru an dem Mann vorbei und betrat die Höhle des Drachen. Er wurde bereits erwartet. Der Gebieter der Flammen stand neben einem riesigen, überladenen Schreibtisch und blickte seinem Gast entgegen. „Hoheit!“ Masaru vollführte einen schwungvollen Kratzfuß. „Herzog von Yun. Was verschafft Uns die Ehre?“ „Nun, Sire, ich will gleich auf den Punkt kommen.“ Die Braue des Regenten begann sich langsam zu wölben, doch das war nichts, wovon Masaru sich abhalten ließ. Oder gar etwas, das er bemerkt hätte. „Mylord, Ihr seid bekannt als ein Mann offener Worte.“, fuhr der junge, forsche Würdenträger unbeirrt fort. „Meistens.“ „Nun, mein Anliegen ist eher privater Natur. Es betrifft Eure Tochter.“ „Ah!“ Zuko nickte. „Welche? Ich habe zwei, müsst Ihr wissen.“ „Prinzessin Aya, Hoheit.“ „Gut. Ich höre.“ „Ich denke, Ihr solltet wissen, dass ich gedenke, um sie zu werben.“ „So?“, murmelte Seine Lordschaft nachdenklich. „Na dann viel Glück, würde ich sagen.“ Masaru fand diese Bemerkung etwas unangemessen, enthielt sich jedoch eines Kommentars. „Nun ... danke, Durchlaucht. Und seid versichert, dass ich Eure Tochter mit dem größten Respekt behandeln werde.“ „Oh, das bin ich.“ „Dann werde ich mich nun verabschieden, Mylord.“ „Tut das. Wir sehen Euch bei Eurem Empfang heute Nachmittag. Leutnant Quan, begleite den Herzog bitte zu seinen Gemächern. Die zweiten im Ostflügel.“ „Viel GLÜCK?“, fragte Tian Fu entsetzt, nachdem sich die Tür wieder geschlossen hatte. „Bist Du ... äh, seid Ihr sicher?“ „Tian. Wie Du eben gehört hast, bin ich bekannt als ein Mann offener Worte. Meistens. Aber eben nicht immer.“ „Ja. Aber dieser ... Pfau?“ Der Konsul gestikulierte hilflos. „Wird sich die Zähne an unserem Flämmchen ausbeißen. Und das, mein Freund, bereitet mir ein unbändiges Vergnügen.“ „Aber war es wirklich nötig, ihm die Räume neben Ayas Gemächern zu geben?“ „Hab ich das? Wie unerwartet kooperativ von mir.“ „Man könnte wirklich meinen, dieser überhebliche Kerl fände Euren Beifall.“ „Hast Du etwa etwas gegen diesen hübschen Prachtburschen? Die Hofdamen werden Deine Meinung mit Sicherheit nicht teilen.“ „Prachtbursche? Umso schlimmer! Ein Furunkel an meinem Allerwertesten wäre mir lieber.“, maulte der Konsul, seines Zeichens Vater von drei Töchtern. Die Mädels waren im Großen und Ganzen zwar recht vernünftig, aber leider in einem Alter, indem die Gehirnströme meist von den hormonellen Strömen überlagert wurden. Dreieinhalb Stunden später Nach einem überaus angenehmen Intermezzo lag Jin im Bett und beobachtete interessiert die Wirkung ihrer vorwitzigen Fingerspitzen auf ihren Angetrauten. „Kobold ... Wir müssen gleich auf dieses Fest!“ „Tatsächlich?“ Sie näherte sich seinem Bauchnabel. „Ja, tatsächlich.“ „Aber ...“ „Erheb Dich, Weib!“ „Wenn´s sein muss.“, murrte sie, blieb aber liegen, um ihren Gatten genüsslich bei seiner Bett-Flucht zu beobachten. „Weisst Du,“ murmelte sie nachdenklich. „Vielleicht sind die Pflichten und Regeln unseres goldenen Käfigs am Ende sogar unsere Rettung.“ „Inwiefern?“, fragte Zuko, leider damit beschäftigt, sich die Taillenbänder seiner Hose um die Hüften zu schlingen. „Na ja ... andernfalls hätten wir in den vielen Jahren wohl eher selten das Schlafzimmer verlassen.“ „Ah, Du meinst DU hättest ein ernstzunehmendes Rückenleiden, und ich einen irreparablen Hüftschaden?“ „ZUKO!“ Sie schleuderte ein Kissen nach ihm. „Dass ausgerechnet ich so einen unanständigen Kerl abkriegen musste!“ Er lachte ihr nur frech ins Gesicht. „Unanständig? Also ICH bin fast fertig angekleidet.“ „Ja. Mein Pech!“ „Jin ...“ „Hm?“ „Es gibt wirklich Zeiten, zu denen ich mich beherrschen muss, Dich nicht mit Haut und Haaren zu verschlingen!“ „Na ... da wünsch ich doch guten Appetit!“ Sie kamen natürlich zu spät. Wieder einmal. So war der kleine Empfang für den frischgebackenen Herzog bereits in vollem, erfolgreichen Gange, als die Gastgeber es für angebracht hielten, die Veranstaltung mit ihrer Anwesenheit zu beehren. Demjenigen, der die beiden gut kannte, entging weder die leichte Röte auf Lady Jins Wangen, noch der selbstzufriedene Gesichtsausdruck Seiner Lordschaft. Prinzessin Aya, die pflichtschuldigst die Gastgeberrolle übernommen hatte, beendete gewandt ihr angeregtes Gespräch mit dem umschwärmten Ehrengast und näherte sich ihren Eltern. „Da seid ihr ja!“, lächelte sie. „Ja, Spatz. Entschuldige! Was täten wir nur ohne Dich!“, wisperte ihre Mutter hastig. Die Schmeichelei zeigte nicht die gewünschte Wirkung. „Ich hab keine Ahnung!“, spottete Aya nachsichtig. „Ihr solltet euch wirklich schämen ... so als Herrscherpaar.“ Zuko hatte den Anstand, sich spontan für die Leuchter an der Decke zu interessieren. Ganz so, als ginge in das alles überhaupt nichts an. Jin war wie immer weniger erhaben. „Mach ich.“, versprach sie. „Sobald ich das selige Lächeln los bin.“ „Mama!“ „Jin!“ „Ich erwarte ja auch nicht, dass Du das verstehst. Aber irgendwann verliebst du dich und dann ... sehen wir weiter.“ „Das wird nicht geschehen.“, sagte Aya leise. „Bitte?“ „Ich verliebe mich nicht.“ Die Prinzessin klang fast so, als meine sie, was sie sagte. „Aya ...“ „Irgendeiner in der Familie muss ja den Anstand wahren, oder etwa nicht?“ Jin sah das neckende Lächeln ihrer Tochter sehr wohl. Doch zuvor waren für einen winzigen Augenblick Traurigkeit und Schmerz in ihren Augen aufgeblitzt. „So, nun muss ich mich aber sputen!“, verkündete Aya, wieder vollkommen gelassen. „Meine Gum Jo-Stunde wartet!“ Nach einem Wangenkuss für beide Eltern, verliess sie den Raum. „Zuko!“, flüsterte Jin. „Hast Du das gesehen?“ Sein Kiefermuskel zuckte. „Ja“, sagte er betroffen. „Sie ist ... unglücklich?“ „Ja.“ „Unser Flämmchen?“ „Wir werden das ändern, mein Herz!“, versprach er, bevor er sich seinen Gästen widmen musste. Aya eilte die Gänge entlang und rang um Fassung. Wie hatte sie nur so etwas Dummes, Verräterisches sagen können? Ihre Verteidigung, für den Bruchteil einer Sekunde zu schwach für die liebevolle Aufmerksamkeit ihrer Eltern, liess sich nur mit Mühe wieder aufrichten. Sie blieb stehen. Mit ihr auch Seri, ihre Hofdame, und Hauptmann Nezu, Leibwächter und beständiger Schatten Prinzessin Ayas. „Seri?“ „Ja, Hoheit?“ „Übermittle Meister Leng bitte meine Entschuldigung, aber ich muss den Unterricht für heute leider absagen.“ „Absagen?“, fragte die junge Frau erstaunt. Jeder wusste, wie sehr Aya ihre Gum-Jo-Stunden liebte. „Ja. Ich habe ein wenig Kopfschmerzen.“ „Oh! Ich schicke sofort Dr. Yuri zu Euch!“ „Das wird nicht nötig sein. Ein bisschen Ruhe wird mir schon helfen.“ „Wie Ihr meint, Hoheit!“ Seri verbeugte sich und ging davon, um ihren Auftrag auszuführen. Hinter Aya runzelte der Hauptmann unmerklich die Stirn. Kopfschmerzen? Die Prinzessin litt so gut wie nie unter Kopfschmerzen. Jedenfalls gab sie es niemals zu. Er würde die Sache beobachten. Sollte sie morgen noch immer Symptome aufweisen, würde er entsprechende Schritte einleiten. Stumm geleitete er seinen Schützling zu dessen Gemächern. Dem täglichen Prozedere folgend wartete Aya in dem kleinen Vorzimmer, welches in ihre privaten Gemächer führte, bis ihr Kage diese inspiziert hatte. Wie erwartet war auch heute kein Eindringling in den Palast gelangt und der Offizier beendete seinen Rundgang. „Benötigt Ihr noch etwas, Prinzessin?“ „Nein, Hauptmann, Ihr seid für heute entlassen. Danke.“ Er verbeugte sich respektvoll. „Gute Nacht, Hoheit.“ „Gute Nacht.“ Wie immer zog sich der Leibwächter erst zurück, nachdem sich die Tür fest hinter Prinzessin Aya geschlossen hatte. In ihren Räumen war sie so sicher, wie nirgend sonst. Vor der großen Doppeltür standen Tag und Nacht zwei Wachposten und im Innenhof liefen die Palastwachen rund um die Uhr Patroullie. Aber Hauptmann Nezu war generell kein Mann, der sich in Sicherheit wiegen liess. Von nichts und niemandem! Seine Wachsamkeit und sein Instinkt für Gefahren waren legendär. Ebenso, wie seine abschreckende Wirkung auf potentielle Angreifer. Ein einziger Blick auf diesen grimmigen Recken genügte, um den Feind wissen zu lassen: jede Bewegung in Richtung der Prinzessin wäre die falsche und jede falsche unweigerlich die Letzte. Endlich allein in ihren Gemächern, ging Aya - früher als gewohnt - ihrer abendlichen Routine nach. Ihre Zofe huschte herein, half ihr beim Ablegen der prächtigen Roben, zog die verschiedenen Kämme und Klammern aus dem Haar und bürstete es aus. „Möchtet Ihr noch Tee, Hoheit?“ „Ginseng wäre nett. Danke, Lyra!“ Schnell wurde das Erwünschte gebracht. Dann zog Lyra sich zurück. Langsam, in bedächtigen Schlucken trank die Prinzessin ihren Tee und inhalierte sein beruhigendes Aroma. Sie versuchte sich darauf zu konzentrieren, wie der Dampf in anmutigen Bögen in die Luft stieg, versuchte in Gedanken alle wichtigen Termine für den nächsten Tag durchzugehen. Sie versuchte so ziemlich alles, um sich abzulenken. Vergebens. Schon nach kurzer Zeit wanderten ihre Augen zu einer Tür, die in die nördliche Wand ihres Schlafzimmer eingelassen war. Der Durchgang war klein und unauffällig. Das dunkle Mahagoni wies nur wenige Verzierungen auf. Aya hasste diese Tür! Und sie liebte sie. Trennte sie sie doch von dem, was sie auf dieser Welt am meisten begehrte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)