Blood Deal von -Amber- (Even if saving you sends me to heaven) ================================================================================ Kapitel 60: I love you, Mum! ---------------------------- Cole Cole fuhr in dieser Nacht direkt nach Hause. Den Schlüssel würde er morgen bei Tayra vorbeibringen. Nicht mehr heute. Zu Hause ging er erst einmal lange duschen, bevor er sich ins Bett legte und die Müdigkeit über ihn hereinbrach. Er schlief traumlos. Dennoch wachte er des nachts hin und wieder auf in dem Glaube, dass etwas oder jemand ihn verfolgte, dass er etwas nicht sah, was so offensichtlich war. Und durch dieses Gefühl schien er unglaublich traurig werden zu müssen. Aber was immer auch der Auslöser dafür gewesen war, so war das nun vorbei. Er wachte von selbst recht früh auf und nahm sich ein wenig Zeit für sich und seine Katze, dann fuhr er bei Tayra und Nicholas vorbei und schmiss den Schlüssel in den Briefkasten, weil niemand die Tür öffnete, als er kam. Nun war das Kapitel abgeschlossen. Er hatte es endlich hinter sich gebracht. Nun würde er runterfahren, ein wenig entspannen. Cole rief Ragnar an, versprach spät abends noch einmal vorbei zu kommen. Und dann fuhr er zu seinem Lieblingsstrand. Er brauchte einen Nachmittag frei… Dringend. Antonin In jener Nacht saß Antonin noch sehr lange auf seiner Couch und starrte in der Dunkelheit des Zimmers an die Decke. Die Informationen, die er bekommen hatte in seinem Kopf jonglierend, in eine Reihenfolge bringend und sich immer mehr fragend, wie er in ein solches Leben hinein geraten war. Doch schließlich überkam ihn die Müdigkeit und er schlief an Ort und Stelle ein. Die nächsten Tage gestalteten sich einfach nur unstrukturiert und wirkten ziemlich willkürlich. Er nahm seine Medikamente, wie es auf dem beiliegenden Zettel beschrieben stand, durchwühlte seine Wohnung und zwang sich schließlich bei Tayra anzurufen. Er wollte nicht alleine einkaufen gehen. Zwar entschuldigte er sich nicht dafür, dass er Nicholas hatte abführen lassen, aber er zeigte ihr auf seine eigene Art und Weise, dass er dankbar für ihre Unterstützung war. Und sehr bald musste er feststellen, dass er wirklich sehr gut mit dieser Frau klarkam. Besonders nachdem er ihr von dem Abend mit Cole berichtet hatte und sie ihm danach ebenfalls deutlich offener auf seine Fragen antwortete. Nach wie vor fand er vieles davon einfach unglaubwürdig, aber als sie ihn zu seinem Konzern fuhr und nach einer kurzen Erklärung - und vielen, unglaublich vielen Besserungswünschen von ihm völlig fremden Menschen - in sein Labor nahm begann er wieder zu glauben. Was nicht weiter schwierig war, da ihm im gleichen Moment als er den Raum betrat ein paar Dinge wieder einfielen. Dinge, die er mit diesem Labor verband und die er erreichen wollte. Natürlich war ihm noch nicht ganz klar, warum er das alles wollte, aber offensichtlich schien er ein Ziel zu verfolgen und das recht erfolgreich. Aber es war nicht 'Blue Wonder' das ihm hier in den Sinn kam, sondern der Name CI-4. Und noch war er sehr über sich selbst verärgert, denn weder im Labor noch in seiner Wohnung hatte er auch nur den kleinsten Hinweis auf die Herstellung jener Droge erhalten. Nicht einmal den Ansatz einer Formel, die nicht zu normalen Forschungen zu gehören schienen. Wie sollte er hierbei weiter ansetzen? Doch von solchen Gedanken lenkte ihn Tayra schnell wieder ab und auch wenn sie aufpasste, ihn nicht zu überfordern, so schleppte sie ihn in den nächsten Tagen zu allerlei Orten, die ihm etwas sagen sollten. Das taten sie jedoch nur in den seltensten Fällen. Einzig der Schrottplatz schien eine magische Anziehungskraft auf ihn auszuüben und so saß er eines Nachts in einer Decke eingemummelt in einem uralten Cabrio und starrte hinauf in den Himmel, beobachtete die ganzen leuchtenden Sterne, die man hier sogar trotz des Stadtsmogs sah und fragte sich, ob er seinen festen Platz auch wieder finden würde. Und seltsamerweise war das er Augenblick, als ihm der Name Lady-Dream in den Sinn kam. Und im Gegensatz zu den vielen anderen Namen, die ähnlich seltsam in seinem Kopf aufpoppten, wollte jener nicht wieder verschwinden. Bis er schließlich die Schnauze voll hatte, ins Haus stapfte und die beiden am Tisch Sitzenden fast zu Tode erschreckte, indem er sie fast anschnauzte, was das für ein Laden sei, dabei immer mal wieder einen misstrauischen Blick auf Nicholas werfend. Jener durfte ihm immer noch nicht zu nahe kommen, aber er konnte seine Gegenwart inzwischen ganz gut dulden. Es war Freitagnacht als er, abermals zusammen mit Tayra vor dem Lady-Dream stand. Relativ gut gelaunt, da ihm sein Doktor heute gesagt hatte, dass er zwar die Medikamente noch nehmen müsste, aber die Schatten fast nicht mehr zu sehen wären. Sehr gut, sehr gut. Dann konnte die Suche ja in alter Frische weitergehen. Lächelnd legte er Tayra einen Arm um die Schultern und zog sie mit sich, auf das Gebäude zu, welches mit großer Leuchtreklame auf sich aufmerksam machte. "So Darling, noch irgendwelche Anmerkungen hierfür oder können wir uns jetzt ein wenig amüsieren und umsehen?", murmelte er an ihrem Ohr und für andere könnte es so aussehen als wären sie ein Liebespaar. Doch Antonin hatte sehr schnell herausgefunden, dass er Gefühle für die Frau aufbrachte, die aber sehr sehr weit weg von allem heterosexuellen waren. Abermals schien Cole nicht gelogen zu haben. Er fühlte sich Tayra auf einer ganz anderen Ebene nahe und damit sehr verbunden und sie gab ihm das alles und noch vielmehr zurück. Sie war ihm in den letzten Tagen der bitter benötigte Hafen gewesen, wenn er wieder von Selbstzweifeln geplagt wurde, wenn ihn die Angst überrollte oder wenn er dabei war abzustürzen. Zwar überkam ihn hin und wieder das Gefühl, dass er sich eine andere Person an ihrer Stelle wünschte, aber sowie er versuchte das Gefühl zu vertiefen und zu analysieren, war es auch schon wieder weg. "Ich weiß nur, dass du hier häufiger für deine Arbeit warst, Toni", antwortete Tayra ihm, während er gerade dabei war, seinen Geldbeutel hervor zu holen, um den Eintritt zu bezahlen. Wofür er nur etwas dümmlich angesehen und weitergewunken wurde. Hm.. Kopfschüttelnd steckte er sein Geld wieder weg und legte Tayra abermals seinen Arm um die Schultern. "Sieht so aus als hätte ich hier ein Dauerabo. Ob das auch für die Getränke gilt?", er grinste als sie sich von ihm löste und ihm einen Knuff in die Seite gab. "Du darfst keinen Alkohol trinken! Das hat der Doktor strengstens verboten." Antonin winkte gespielt gelangweilt ab und sah sich um. "Jaja, schon klar. Ist ja einiges los hier. Aber ich frage mich, was ich hier geschäftlich erledigt haben soll." Er hob die Augenbrauen als Tayra ihn musterte und sich ein Lachen verkniff. Kurz prüfend an sich herunter sehend. Was war denn jetzt kaputt? Die schwarze Hose und das weisse T-shirt mit den schwarzen Linien drauf waren doch vollkommen in Ordnung? "Was?" "Naja.. vielleicht hast du dich ja ... verkauft?", sie lachte lauthals los, als sich seine Augen erst erstaunt und dann empört weiteten. Spielerisch umgriff er ihren Nacken und schüttelte sie leicht. "Pass auf Lady, sonst verkaufe ich dich gleich." "Antonin?" Verwirrt drehten sich beide zu dem Neuankömmling herum und betrachteten ihn. Antonin runzelte die Stirn, erkannte Simon nicht. "Ja?", fragte er schließlich und zuckte mit den Schultern, als er Tayras fragenden Blick spürte. Woher sollte er denn jetzt bitteschön wissen wer das war? "Kennen wir uns?" Dass er Simon damit in eine tiefe Verwirrung stürzte, bemerkte er nicht wirklich. Und so waren sie alle drei erstmal eine Weile beschäftigt, sich gegenseitig irritiert anzustarren, bis Antonin sich innerlich einen Idioten schalt. Er hätte das ganze anders angehen sollen! So zauberte er - sich selbst nicht bewusst - sein übliches charmantes, etwas planloses Grinsen auf sein Gesicht und klopfte den Mann auf die Schulter. "Lass dich nicht verarschen! Alles klar hier?" Ein Schuss ins Blaue.. mal wieder. Langsam wurde das anstrengend. Ob er den Mann da besser kannte? Ragnar Ragnar drehte verwirrt den Kopf, als er den Namen 'Antonin' hörte und gleich darauf auch denjenigen fand, der den Namen ausgesprochen hatte: Simon. Und daneben stand Antonin mit einer hübschen Frau an seiner Seite. Ob das wohl jene Tayra war, über die Cole in den letzten Tagen hin und wieder gesprochen hatte, immer dann, wenn jener nicht weiter wusste und zu ihm kam. Ja, Cole kam zu ihm. Ragnar war überrascht gewesen, positiv überrascht. Cole schien es nicht wirklich gut zu gehen. Und offenbar hatte er das erste Mal in seinem Leben erkannt, dass er jemanden brauchte. Und Ragnar wehrte sich nicht dagegen. Im Gegenteil - Cole half er gerne. Und ein wenig genoss er es auch, dass sie sich wieder ein ganzes Stück näher kamen. Es tat gut. Sicher, er liebte Cole nicht mehr, aber dennoch war er ihm mehr als wichtig. Ragnar erhob sich, warf JJ einen Blick zu. "Sag Cole, dass Antonin da ist", forderte er diesen auf. Dann ging er zu Antonin und Tayra hinüber. "Schön, dass du wieder einmal hier vorbeischaust", sprach er Antonin an und lächelte. Er blickte Simon an. "Simon, kümmer dich mal um Zimmer 2. Ich glaube der 'Gast' übertreibt." Der angesprochene, dem er vorher ins Wort gefallen war, als er Antonin gerade sagen wollte, dass es alles wie immer war, nickte und verschwand. Ragnar drehte sich Antonin wieder zu. Dann drehte er sich zu Tayra. "Ich bin Ragnar", erklärte er. "Ein Mitarbeiter und Freund von Cole." Sie reichte erst ihr, dann Antonin die Hand. "Es ist wirklich eine angenehme Überraschung, euch hier zu sehen. Wollt ihr etwas trinken?" Seine Augen wanderten von Antonins Gesicht über seine Kleidung. Hm... Kein Wunder, dass er bei Cole landen konnte. Dass er es aber auch wesentlich weiter geschafft hatte, als nur bis in sein Bett war etwas, was Ragnar noch nicht ganz nachvollziehen konnte. Aber wenn man dergleichen Dinge begreifen konnte, würden sie sicher auch nicht spannend sein. Und letztlich war es allein Coles Sache. Er kannte Antonin zu wenig, als dass er sich darüber jemals ein Urteil bilden würde. Und vielleicht würde er es ja auch irgendwann wissen. Cole Müde wischte sich Cole über die Augen. Er lockerte die Krawatte etwas und strich sich die Haare aus dem Gesicht. Er war erst vor wenigen Minuten aus Chicago zurückgekehrt. Wieder hatte er dort zu tun gehabt. Wieder war er sehr früh geflogen und am gleichen Tag zurückgekehrt. Costello hatte ihn deshalb ziemlich angegangen, aber letztlich hatte er sich durchgesetzt. Er wollte hier sein. Wollte im Notfall hier sein. Nur welcher Notfall war das? Dass Antonin sich bei ihm melden würde? Es waren einige Tage vergangen, seit sie sich gesehen hatten. Und sie hatten sich wie 'flüchtige Bekannte' verabschiedet. Cole schüttelte den Kopf, um das zu verdrängen. Er hatte jetzt keine Zeit für dergleichen Dinge. Es erstaunte ihn, wie sehr sein Verstand ihm sagen konnte, dass es das Richtige gewesen ist, Antonin nichts von ihrem 'was auch immer' zu erzählen. Aber in ihm war etwas, das nicht zu überzeugen war. Zumindest machte Ragnar ihm Hoffnung. Hoffnung dahingehend, dass es einfach Zeit brauchte, zu vergessen. Und noch war es ja nicht entschieden, welche Zukunft Antonin sich aussuchen würde. Vielleicht würde er ja so weit 'gesund' werden, dass er seine Arbeit wieder aufnehmen konnte. Vielleicht würde er sich ja wieder an das erinnern, was seine Arbeit war. Aber wollte Cole das? Wollte er ihn wieder als sein Guard? Eigentlich nicht, wenn er ehrlich war. Er wollte ihn als Freund an seiner Seite. Welcher Art von Freund auch immer. Cole hatte schon einmal jemanden vermisst. Er hatte Ragnar einmal vermisst, als Freund und als Stütze, als jener in Europa unterwegs war. Aber es war eine andere Art des Vermissens gewesen, eine ganz andere Art. Und durch diese neue Erfahrung hatte Cole erkannt, dass er Ragnar seit er zurück war nie wieder so nahe bei sich gehabt hatte, wie vorher. Und das lag nicht an Ragnar, der ihn nahm wie er war, ihn immer so genommen hatte. Er selbst hatte sich nicht getraut, auf Ragnar zu zugehen. Und das hatte er nun geändert. Und es half. Ein Klopfen ließ ihn aufschrecken. "Hm…", knurrte er. Konnte man ihn nicht für 5 Minuten in Ruhe lassen? JJ trat ein und er hielt einen Blick, der diesen sich ducken ließ. "Ich soll von Ragnar ausrichten, dass Antonin da sei." Cole hob überrascht die Augenbrauen. "Danke", murmelte er perplex und blieb einen Moment sitzen, bevor er aufsprang und die Tür, die JJ schon geschlossen hatte aufriss, sie zusperrte und in den Großraum des Lady-Dream ging. Dort blickte er sich um, bevor er in den Raum trat. Er sah Antonin mit Tayra und Ragnar am Tresen stehen. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, ein trauriges Lächeln. Kurz atmete er durch, spürte seine Nervosität. Dann ging er durch den Raum, trat auf die beiden zu. "Tarya, Antonin", sagte er und lächelte. "Nett, dass ihr vorbeikommt." Seine Augen glitten zu Antonin. "Wie geht es dir?" Er beugte sich leicht vor. "Du siehst zumindest ziemlich gut aus. Und das liegt nicht nur an den Klamotten." Er distanzierte sich wieder von Antonin. Es fiel ihm erstaunlich leicht, gelassen zu wirken, obwohl alles in ihm danach schrie, vorsichtig zu sein. Doch sie waren doch gute Bekannte. Da konnte man doch ein Kompliment machen, oder? Tayra Freundlich lächelnd erwiderte Tayra den Händedruck. "Nett dich kennenzulernen. Ich bin Tayra", stellte sie sich vor und sah Antonin ähnlich reagieren. Aus den Augenwinkeln sah sie wieder das echtere Grinsen ihres Freundes auftreten und stieß ihm rein zur Erinnerung nochmal in die Seite. "Kein Alkohol!", zischte sie und sah wie er die Augen verdrehte, doch dann zustimmend nickte. "Natürlich keinen Alkohol. Was halten Madame nur von ihrem Begleiter?", neckte er und Tayra spürte, wie sich ihre Mundwinkel wieder nach oben zogen. "Du bist ein Spinner", murmelte sie während er ihr einen der wenigen Hocker zugestand und selbst stehen blieb. Auch dieser Ragnar schien lieber zu stehen und so konnten sie bald ihre Bestellung aufgeben. Wobei es bei einem Bier für sie und einem großen Wasser ohne Sprudel aber mit viel Eiswürfel für Antonin blieb. Sie beobachtete wie ihr Begleiter versuchte diesen Ragnar irgendwo einzuordnen und abermals schien er zu scheitern, denn kurz verschwand dessen Lächeln und machte Platz für das bereits sehr bekannte düstere Funkeln in den Augen. Weshalb sie sich auch an den anderen Mann wandte. "Dann hast du… pardon. Dann haben Sie also schon mit Antonin zusammengearbeitet? Und Sie wissen Bescheid, wenn ich Ihre Vorstellung richtig interpretiere?", fragte sie auf ihre unnachahmliche direkte Art und sah wie Antonin sich an seinem Wasser verschluckte und kräftig husten musste. Sofort schlich Sorge in ihren Blick. "Alles in Ordnung?" Doch der jüngere Mann winkte nur ab. "Du kannst nicht einfach rumrennen und Leute fragen, ob sie 'Bescheid' wissen", brummte er mit noch etwas krächzender Stimme, doch weder kamen sie, noch Ragnar zum Antworten, denn dann kam der Auftritt von Cole. Auftritt deshalb, weil wohl kaum etwas anderes in den letzten Tagen dieses Funkeln in Antonins Augen gezaubert hatte. Ihre Sensoren schlugen Alarm und verkündeten ihr, dass ihre erste, nur an sich selbst gestellte Frage, ob Antonin wohl ein Auge auf Cole geworfen hatte, gerade beantwortet wurde. Nun, es war unwahrscheinlich, dass Leute, die Toni nicht so gut kannten, den Unterschied wirklich bemerken würden, aber er sollte wirklich ein wenig besser aufpassen. Und vor allen Dingen... sie musterte Cole noch einmal aufmerksam, bevor sie sich wieder ihrem Bier und Ragnar zuwandte. Antonin war alt genug, aber wenn ihn hier irgendjemand verletzen würde, dann hätte er sich ihr gegenüber zu verantworten. Ihr bester Freund machte zurzeit wirklich genügend durch, auch wenn es gerade nicht so aussehen mochte. Eine Augenbraue hebend prostete sie Ragnar zu. "Da geht es dahin, mein Date." Antonin Antonin warf dem neu aufgetauchten Mann einen neugierigen Blick zu. Sah so aus, als wäre er hier wirklich häufiger gewesen. Ragnar, ein Freund von Cole und Mitarbeiter. Antonin ließ sich diese Worte durch den Kopf gehen, während er die Hand schüttelte und sich fragte, wie er sich wohl vorstellen würde. 'Antonin, Gedächtnisloser auf der Suche nach Vergangenheit.‘ Ja, so oder so ähnlich würde das wohl ablaufen, was ihn zum Grinsen brachte. Etwas, das Tayra gleich wieder in den falschen Hals zu bekommen schien und es an ihm war, das ganze wieder zu entschärfen. Ragnar nur einen kurzen Seitenblick zuwerfend, gab er also einen blöden Spruch von sich, der seine Freundin besänftigte, zog ihr an der Theke angekommen einen der Barhocker zurecht und bestellte sich nur ein Wasser. An welchem er sich auch gleich darauf furchtbar verschluckte, als er diese Direktheit hörte, mit der sie ihre Frage an den fremden Mann stellte. Nach Luft schnappend stellte er das Glas wieder ab und funkelte Tayra an. "Du kannst nicht einfach rumrennen und Laute fragen ob sie 'Bescheid' wissen", grummelte er und wollte eben noch weiter zu einer Triade ansetzen, als er Cole aus den Augenwinkeln bemerkte. Warum fiel ihm eigentlich nur immer an diesem Kerl auf, dass er anders gepolt zu sein schien? Lag es daran, dass der Mann vielleicht genau dem entsprach, was er als anziehend bezeichnen würde? Oder woran lag es? Doch im Grunde war das erstmal nebensächlich, schließlich war er nicht hier, um sich über seine Sexualität Gedanken zu machen, sondern um wieder eine Art Leben aufzubauen. Er lächelte den anderen Mann an und eine gute Portion Humor schlich sich in seine Augen. "Cole", erwiderte er die Begrüßung mit einem unterstreichenden Kopfnicken. "Ich hab mir den Eintritt gespart, dementsprechend geht es mir recht gut", wand er sich um eine 'korrekte' Antwort herum und kurz sah man seine Überraschung, bevor er sich wieder im Griff hatte. Diesmal war es eines seiner im Lady-Dream sehr selten gezeigten, ehrlichen Lächeln. "Die Firma dankt, kann ich nur zurückgeben", murmelte er und im gleichen Moment runzelte er die Stirn. Das kam ihm bekannt vor. Warum kam ihm das jetzt so furchtbar bekannt vor? Nein, tatsächlich fühlte es sich gerade so an, als hätte er innerhalb kürzester Zeit zweimal hintereinander dasselbe gesagt. Und das war ein sehr seltsames Gefühl. So war er auch dankbar als Tayra ihn mit ihren Worten wieder ablenkte. "Ich bin dein Date?", hinterfragte er. "Und hier stehe ich, im Glauben, dass du meine seelische Stütze sein wolltest. Hast du noch mehr solcher Kracher auf Lager oder soll ich Nicholas gleich anrufen und ihn darüber informieren, dass du die Scheidung möchtest, weil du etwas Besseres gefunden hast?" Er grinste breit und konnte nicht ahnen, dass ihn hier so wohl noch niemand erlebt hatte. Von Tayra einmal abgesehen und auch Cole könnte wohl mit dem Verhalten etwas anfangen, auch wenn er es davor nie in der Öffentlichkeit gezeigt hatte. Aber davon ahnte er nichts, als er sich auf eine kleine verbale Kabbelei einließ, bevor er die Hand ein wenig geschlagen hob. "Na schön, ich gebe auf", gab er bekannt und sah sich dann wieder um. "Ich arbeite hier?", fragte er niemanden speziellen, aber einer der beiden anderen Männer würde sich schon angesprochen fühlen. Doch dann wurde sein Blick wie magisch von einem Kerl angezogen und noch bevor man antworten konnte, schob er eine zweite Frage nach. "Wer ist der Kerl da drüben?", er runzelte die Stirn und schob die Hände in seine Hosentaschen, sich mit den Bewegungen des fremden Mannes mitdrehend, der offensichtlich irgendwas durch den Club trug. Er fühlte sich von einer Sekunde wie auf dem Sprung. Wie eine zusammengezogene Sprungfeder, die nur darauf wartete losgelassen zu werden. Aber warum? Der Kerl war nicht hässlich, aber das war es nicht. Er kannte ihn. Ja, Antonin war sicher, denjenigen zu kennen und im Grunde flatterten in seinem Magen gerade ähnliche Wallungen wie bei Nicholas. Nur dass es keine Angst war. Es war Zorn. Aber auf andere Art und Weise, wie er ihn in den letzten Tagen häufiger einmal verspürt hatte. Antonin sah ihm nach, bis er aus seinem Sichtfeld verschwunden war und wandte sich dann den anderen dreien wieder zu. "Ich brauche übrigens eine Probe", gab er zu verstehen und ließ seinen deutlich weniger humorvollen Blick zwischen Ragnar und Cole hin und her schwenken. Er hatte sich genau in dieser Sekunde hier entschieden, zu sehen was er fabriziert hatte. Zu sehen, warum ihn dieses Leben angezogen hatte. Und zu guter Letzt war er bereit, diese Brücke in Richtung Cole zu bauen. "Es gibt keine Formel", setzte er erklärend dran und griff wieder nach seinem Wasserglas. "Ich bin scheinbar eine sehr misstrauische Person", murmelte er bevor er einen Schluck nahm und Tayra, die ihn mit ihrem sorgenvollen Blick durchbohrte ein leichtes Lächeln schenkte. Eines von dem er wusste, dass sie es ihm nicht abnehmen würde. Danach wurde sein Blick ganz automatisch wieder von Coles Gestalt angezogen. Ja, dieser Ragnar war auf dessen eigene Art und Weise durchaus ein schöner Mann, aber Antonin hatte auf den Straßen in den letzten Tagen viele schöne Männer gesehen. Seinen tatsächlichen Blick auf sich zu ziehen, dazu schien nur der Mann mit der ein wenig außer Kontrolle geratenen Krawatte fähig zu sein. Und alleine schon deshalb, würde er dafür sorgen, dass er jenen häufiger treffen würde. Ragnar Ragnar musste lächeln, als er Tayras Zurechtweisung hinsichtlich des Alkohols vernahm. Diese Frau war offenbar recht energisch. Und diese Energie bekam er auch gleich nochmal zu Gesicht, als sie ihn so direkt fragte, welche Verbindung zwischen ihm und Antonin bestehe. "Ich...", holte er tief Luft, nicht genau wissend, was er wirklich antworten sollte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Antonin hier so schnell auftauchen würde. Zumindest war Cole, der alte Pessimist, davon ausgegangen. Und sie hatten sich nicht einmal darüber unterhalten, inwiefern sie Antonin von seiner früheren Tätigkeit erzählen wollten. Doch in dem Moment kam schon jener Mann, der das sicher besser wüsste und Ragnar konnte beobachten, welche kleine aber feine Veränderung Antonins Lächeln einnahm. Ob sich jener erinnerte? Daran erinnerte, was er mit Cole geteilt hatte. Gut, Ragnar wusste es selbst nur ungefähr. Cole ließ sich nicht darüber aus, was alles genau geschehen war. Tayras Bemerkung lenkte ihn ab und er lächelte sie an. "Nun, dann müssen wir uns wohl mit dem zweiten Rang begnügen...", grinste er leicht und verfolgte amüsiert das darauf folgende Geplänkel zwischen Antonin und seiner Begleiterin. Es war schon erstaunlich, wie anders Antonin auf ihn wirkte. Dieses offene Lächeln, dieser Humor. Anfangs hatte er Antonin für dümmlich und griesgrämig gehalten. Doch ihn so zu sehen... Ob das sein wahres Gesicht war? Ein losgelöstest Gesicht, ohne Sorgen und voll Zuversicht? Ein strahlendes Gesicht? Ein Seitenblick zu Cole verriet ihm zwei Dinge, dass dieses Gesicht tatsächlich das war, von dem jener sich möglicherweise hat einfangen lassen, zum zweiten, dass dieses ihn sowohl mit Freude, als auch mit Sorge zu erfüllen schien. Nun, wenn man Antonin so sah, war er wirklich ein unglaublich hübscher Mann, der nicht nur einen tollen Körper hatte. Doch die Stimmung trübte sich, als jener nach seinem 'Arbeitsplatz' fragte. Ragnar fing Coles Blick auf, doch noch bevor jener antworten konnte, hatte Antonin offenbar Gawain entdeckt. Und damit war klar, dass Antonin noch immer nicht nur ein Strahlemännchen war. Ragnar hob seine Augenbrauen und drehte sich zur Theke. Langsam wurde es spannend, es spitzte sich zu. Und dann kam auch noch dir Frage nach Blue Wonder, das er so teuer wie noch nie verkaufte, weil die wenigen Kapseln, die sie noch hatten, hart umkämpft waren. Als er merkte, dass Cole ein wenig hilflos der Fragen gegenüberstand, trat Ragnar wieder ins Blickfeld des Gastes. "Ich denke ihr solltet solche Dinge nicht hier besprechen", er sah erst Cole, dann Antonin durchdringend an. "Ich werde Tayra nur zu gerne Gesellschaft leisten und ihr könnt hinter gehen. Vielleicht erinnerst du dich dann auch an das ein oder andere..." Er lächelte. Kurz darauf blickte er den beiden seufzend hinterher. "Ihm scheint es soweit recht gut zu gehen. Und Cole hatte sich Vorwürfe gemacht, dass er sich von ihm so hatte in die Enge treiben lassen, dass er ihm die Wahrheit sagen musste." Cole Wow, dachte Cole bei sich. Antonin schien es besser zu gehen, als erwartet hatte. Er senkte dankend den Blick, als er das zurückgegebene Kompliment hörte und beobachtete ruhig die Szene zwischen Tayra und Antonin, die sich kappelten. Ja, Antonin schien es wirklich gut zu gehen. Sicher nur den Umständen entsprechend gut, aber die lockere Art, sein Humor, den er so mochte und der ihm auch diesmal wieder ein Lächeln auf die Lippen zauberte, waren wieder so unverfälscht, wie er es schon ein paar Mal hatte erleben dürfen. Er war so ausgelassen, ein richtiges Strahlemännchen. 'Sunnyboy', dachte Cole und in seine Augen schlich sich ein wenig Traurigkeit. Hoffentlich, und das wünschte sich Cole aus vollstem Herzen, würde Antonin nicht beschließen, wieder sein altes Leben aufzugreifen und damit weiter zu machen. Er wollte dieses Strahlen nicht mehr zerstört wissen. Und das bedeutete gleichermaßen, dass er sich auf nichts einlassen würde. Denn er konnte Antonin nur verletzen. Er würde ihn immer wieder verletzen, einfach weil er nicht wusste, wie er es richtig machen konnte. Und er war nun mal ein beziehungsunfähiges, wenig einfühlsames Arschloch, was er auch des Öfteren schon eindrucksvoll bewiesen hatte. Er schreckte aus den abgeschweiften Gedanken auf, als Antonin die Frage in den Raum stellte, ob hier seine Arbeit gewesen wäre. "Nicht direkt", erklärte Cole ausweichend und blickte Ragnar kurz an. Doch noch bevor er mehr sagen konnte hatte Antonin Gawain erblickt. Die Düsternis, die plötzlich im Vergleich zu vorher das Gesicht des anderen erfüllte, war genau das, was Cole vermeiden wollte. Er senkte den Blick und sah auf seine Hand, bevor er Antonin ansah und antwortete, dass es Gawain sei, ein Mitarbeiter. Würde Antonin mehr wissen wollen, sollte er fragen. Aber vielleicht war es gut, wenn er das nicht hier fragte. Genauso, wie sie nicht hier über die Produktion von Drogen sprechen sollten. Hilflos musste Cole mit anhören, wie Antonin da offensichtlich sich keiner Gefahr bewusst war. Dass es ziemlich übel enden könnte, wenn hier einer der sicher anwesenden Polizisten ein wenig mehr zusammenzählen könnte, schien Antonin nicht bewusst zu sein. Erleichtert nickte er Ragnar zu, der sie aus dieser Situation befreite. "Das ist keine schlechte Idee", stimmte er zu. "Komm mit..." Dann drehte sich Cole um, und lief zu seinem Büro, auf dem Weg das Jackett ausziehend, die Krawatte endlich lösend und die obersten beiden Knöpfe des Hemds öffnend. Er musste sich freier fühlen. Im Büro angekommen hängte er sein Jackett und die Krawatte über den Stuhl und drehte sich schließlich Antonin zu, der die Tür hinter sich geschlossen hatte. "Das ist mein Büro", erklärte er. "Und was deine Fragen betrifft. Du hast hier wenig gearbeitet. Eigentlich hast du vor allem im Labor gearbeitete und die Lieferungen mit Ragnar abgewickelt. Wenn es etwas zu besprechen gab, warst du hier." Er trat zu einem der vertäfelten Wandschränke und öffnete ihn. Mit einer geübten Bewegung öffnete er ein Geheimfach, aus dem er eine kleine Dose entnahm. "Du warst ein sehr misstrauischer Mensch, weil dich deine Vergangenheit dazu gemacht hat. Und du hattest einen Traum, an dem du fleißig gearbeitet hast, weshalb du nicht riskieren wolltest, dass jemand deine Erfindung klauen könnte. Deshalb, und das hast du mir selbst auch so erzählt, hast du niemandem etwas erzählt. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass du dennoch in einem Schließfach bei einer Bank oder etwas ähnlichem wichtige Dokumente verschlossen hältst. In die Richtung könntest du mal forschen." Er überreichte ihm die Dose. "Das sind ein paar Kapseln, die ich dir bereits zur Seite gestellt habe. Es sind die beiden verschiedenen Qualitätsstufen CI-2 und CI-4. Ich habe noch ein wenig mehr davon, falls du noch mehr brauchen solltest." Cole lehnte sich leicht an den Schreibtisch und beobachtete Antonin. "Wie geht es dir wirklich?", fragte er noch einmal nach, denn vorhin hatte er keine richtige Antwort erhalten. "Ich hoffe du kommst in deinem Labyrinth an Erinnerungen einigermaßen zurecht." Ruhig ruhte sein Blick auf dem schönen Mann vor ihm, sich immer wieder daran erinnernd, dass er ihm nicht zu nahe kommen sollte, da er sonst in Versuchung käme, erneut zu flirten. Doch damit musste jetzt Schluss sein. Tayra Ein wenig beunruhigt musste Tayra dabei zusehen, wie ein kleines Wechselspiel an Emotionen über Antonins Gesicht huschte und es war dann wohl an Ragnar, die ganze Situation wieder zu entspannen. Was jener auch mit wenigen Worten bewirkte und gleich darauf sah sie den beiden sich entfernenden Männern noch eine Weile nach, bevor sie sich wieder zu Ragnar herumwandte. "Jetzt hoffe ich nur, dass du auch gute Gesellschaft bist, junger Mann", amüsierte sie sich ein wenig, bevor sie einen weiteren Schluck von ihrem Bier nahm und den Mann dann ein wenig ruhiger musterte. "Er hat gute und schlechte Phasen", meinte sie dann ein wenig vorsichtig, bevor sie sich auf dem Hocker herumdrehte, so dass sie mit dem Rücken zur Theke saß, die Ellenbogen darauf abstützend konnte und ihre Beine überschlug. Einen langen Seitenblick auf Ragnar werfend seufzte sie nach einer kurzen Weile. "Was soll‘s, wirklich etwas kaputt machen kannst du eh nicht mit den Informationen", beschied sie ihm und fing an zu erzählen. "Ich weiß nicht wie Antonin es überhaupt fertig gebracht hat, denn obwohl ich Cole jetzt gerade erst zum zweiten Mal sehe, macht er mir nicht den Eindruck, dass man ihn zu etwas überreden könnte, das er nicht will. Aber egal wie es abgelaufen ist, danach begann Toni mit sich verhandeln zu lassen. Wir antworten jetzt so ehrlich als möglich auf seine Fragen, erzählen ihm sonst aber nichts. Damit scheint er den Großteil der Zeit ganz gut klar zu kommen." Und hier schlich sich ein bitteres Lächeln auf ihre Lippen. "Den Rest der Zeit hat er schlimmere Stimmungsschwankungen als eine Schwangere auf Speed. Im einen Moment lächelt er, während er im nächsten Moment auf nichts anderes als Streit aus ist. Hin und wieder beachtet er uns stundenlang nicht. Sitzt einfach da und starrt vor sich hin. Dazu kommt dann noch das ganze untypische Verhalten." Ein weiterer Schluck von dem herben, aber gut schmeckenden Bier wurde genommen und ein wenig ablenkt trommelte sie mit ihren Fingernägeln auf dem Glas herum. "Das ist im Grunde das Schlimmste", bekannte sie leise, kaum laut genug um die Musik zu übertönen. "Nicholas, mein Mann, und Antonin stehen sich eigentlich sehr nahe. Oder zumindest taten sie das seit einiger Zeit wieder. Seitdem Antonin wieder ein wenig auftaute und aus sich heraus kam. Doch egal ob verschlossen oder offen, es gab Charaktereigenschaften, die immer konstant waren." Sie nahm eine Hand vom Bier und zeigte bei jeder Aufzählung einen weiteren Finger. "Er ist gradlinig, zielstrebig, misstrauisch, treu und ein gnadenlos unsicherer Hitzkopf. Normalerweise hat er eine einzigartige Art für sich selbst gefunden andere Leute einzuschätzen, soviel wie möglich aus ihnen heraus zu kitzeln ohne auf sich selbst eingehen zu müssen." Sie lächelte Ragnar offen an. "Ich weiß natürlich nicht wie gut ihr beide euch kennt und irgendwie benutze ich dich wohl gerade als Mülleimer für meine Sorgen, aber damit musst du jetzt leben", beschied sie ihrem Gesprächspartner. "Genau wie ich damit leben muss, dass er Nicholas nicht näher als einen Meter an sich heranlässt, ohne defensiv oder aggressiv zu werden. Oder damit, dass er seine Art, die er normalerweise nur für seine allerengsten Freunde reserviert hat, nun so offen mit sich herumträgt. So wie ich zu guter Letzt auch damit leben muss, dass er sich von niemandem mehr etwas sagen lässt." Und diesmal verzog sie den Mund missbilligend. "Von niemanden außer Cole." Tayra schnaubte abfällig bevor ihr Gesichtsausdruck entschuldigend wurde. "Tut mir leid, ich vermute das Ganze ist auch für mich ein wenig viel. Ich wollte dich nicht zu Tode langweilen. Soviel zu der guten Gesellschaft." Antonin Antonin richtete seine Aufmerksamkeit von Cole auf Ragnar und nickte dann zustimmend. Erinnern, ja? "Das wäre schön", murmelte er, bereits am weggehen, Cole in dessen Büro folgend. Wo er sich erst einmal aufmerksam umsah. Aber so im ersten Moment kam ihm hier gar nichts bekannt vor. Weshalb er auch zuerst mal ein wenig wie bestellt und nicht abgeholt dastand und dem anderen dabei zusah wie er an einem der Wandschränke herum schraubte. "Das klingt logisch", nickte er. "Ich hatte seit gestern nur ständig den Namen von hier im Kopf und auf meine Fragen hin meinte Tayra nur, dass ich hier zum arbeiten gefahren wäre. Daher meine Frage", erklärte er und lauschte dann der ruhigen Erklärung von Cole bevor er die Dose entgegen nahm. Sich ein wenig überfordert mit seiner freien Hand durch die Haare fahrend schüttelte er den Kopf ganz leicht. Die Dose ein wenig skeptisch betrachtend. "Ich kann es einfach nicht nachvollziehen. Warum ausgerechnet Drogen? Warum diese seltsame Bezeichnung? Zuerst dachte ich an eine Abkürzung für eine Formel. Aber hast du eine Idee wie lange so eine Formel für eine hochwertige Droge ist?" Antonin erwartete keine Antwort und begann, die Dose noch nicht geöffnet habend vor Cole und dessen Schreibtisch auf und ab zu tigern. "Ich vermute ich hatte meine Gründe und ich weiß, dass es momentan vielleicht nicht so geschickt ist, dir zu erzählen, dass ich im Grunde nichts von Drogen halte. Gerade wo du und Ragnar ja offenbar meine Abnehmer ward. Seid. Wieder sein werdet", irritiert hielt er inne und öffnete die Dose jetzt doch. Eine Weile hineinsehend bevor er eine der Kapseln heraus nahm und sie gegen die nächstbeste Lichtquelle hielt. So gut das eben ging. "Blue Wonder, ja?", fragte er, plötzlich wieder amüsiert. "Was für ein dämlicher Name." Vorsichtig legte er die Kapsel wieder in die Dose und verschloss sie, bevor er sie kurz hochhob. "Danke dafür. Das sollte mir ein paar Ansatzpunkte liefern können." Er schwieg einen Moment als er die Frage nach seinem Befinden hörte, den Mann vor sich betrachtend. Es waren die Augen. Ja, die Augen, die ihn im Krankenhaus zurückschrecken lassen hatten, welche ihn jetzt anzogen wie eine Motte das Licht. Dazu die ganze Ausstrahlung, die durch den Anzug nur noch unterstrichen, mit dezenter Gewalt hervorgeholt und verstärkt wurde. Cole war ein eindrucksvoller Mann. Vermutlich grundsätzlich, aber Antonin begann diese Faszination langsam aber sicher zu hinterfragen. Er fragte sich, warum er dem Bedürfnis nachgegeben hatte, jenen zu umarmen, obwohl es ihm selbst nicht so gut ging. Trotzdem war es ihm in diesem Moment wichtiger gewesen, den anderen davon zu überzeugen dass … ja das was? Dass alles in Ordnung kommen würde? Dass er dessen Stärke nicht brauchte? Aber wenn es da ein 'mehr' gab, wie auch immer dieses 'mehr' aussehen sollte, müsste es dann nicht Hinweise geben? Deutlichere? Antonin fand sich selbst hin und her gerissen. Er konnte ja seine Vermutungen nicht einfach so aussprechen, oder doch? Und wenn er eine klare Verneinung bekam, was würde das dann bedeuten? Es war doch wirklich zum aus der Haut fahren! Schließlich bemerkte Antonin, dass er Cole viel zu lange schweigend gemustert hatte und räusperte sich ein wenig verlegen. Den Blick mühsam von dem Mann abwendend, an jenem vorbeisehend. "Das ist eine erstaunlich schwierig zu beantwortende Frage", gab er schließlich zu und wunderte sich darüber schon wieder. Denn er war dabei ehrlich zu antworten, das wusste er schon bevor er weitersprach. Warum? Warum zum Henker, fiel es ihm gar nicht, ein diesen Mann anzulügen? Aber hatte Cole ihm in seiner Wohnung nicht so etwas Ähnliches gesagt? War das ein Hinweis auf... irgendwas? Kurz huschte sein Blick wieder zu dem anderen, bevor er ihn ein wenig nervös wieder abwandte. "Es ist nicht so, dass ich wirklich nachts im Bett liege und mich frage, was mir alles fehlt. Es sind vielmehr die ganzen großen und kleineren Dinge die mich immer wieder zum stolpern bringen. Ich stehe vor meinem Schrank und frage mich, warum ich so einen seltsamen Geschmack entwickelt habe. Oder ich sehe jemanden und werde zornig, ohne überhaupt zu wissen warum." Er unterbrach sich und lächelte ein wenig melancholisch. "Es ist auch seltsam, Dinge zu können, die man eigentlich nie gelernt hat. Aber das ist nicht das Schlimmste. Damit komme ich schon klar, irgendwie", erklärte er und atmete dann tief durch. "Womit ich nur bedingt klarkomme, sind meine eigenen Gefühle. Es braucht manchmal nur minimale Auslöser, um mich an die Decke gehen zu lassen." Er brummte, zwischen Abfälligkeit und Amüsement schwankend. "Und jedes Mal wenn das passiert ist, habe ich danach das Gefühl, dass es nicht normal ist. Dass ich eigentlich ein ausgeglichener Mensch sein sollte, den man so schnell nicht aus der Reserve locken können sollte. Und das nimmt einen mit, Cole. Nach so vielen Situationen immer und immer wieder dieses eine Gefühl, das an einem nagt. Das mir sagt, dass ich wieder etwas 'falsch' gemacht habe. Dazu kommt noch, dass es zu den normalsten Zeitpunkten passiert. Vorher, als ich mit Tayra gescherzt habe. Im Moment als es passierte war alles bestens. Zwei Minuten später habe ich mich kurz gefragt, ob ich eigentlich verrückt bin." Er zuckte mit den Schultern und sah Cole wieder direkt an. Mit einer ungewöhnlichen Ruhe im Blick, aber auch ein wenig Resignation. "Wie soll ich also antworten, auf deine Frage? Hin und wieder geht es mir großartig. Manchmal habe ich unbegründete Angst. Dazu kommt noch das Gefühl, dass eigentlich etwas in meinem Leben sein sollte, auf das ich fest gebaut habe. Wenn ich mich also den ganzen Tag wirklich mit meinem Gefühlen und Erinnerungen beschäftigen müsste, würde ich Wahnsinnig werden." Ragnar "Ich werde mein bestes tun, um Ihren Erwartungen an eine gute Gesellschaft zu entsprechen, Madam." Ragnar lächelte der hübschen Frau neben sich zu. Er hörte ihr aufmerksam zu und nickte dann. "So ganz nachvollziehen, wie er das geschafft hat, weiß ich auch nicht. Aber offensichtlich hat Antonin etwas an sich, das Cole davon abhält in seiner ihm typischen Art und Weise alles an sich abperlen zu lassen und sich weder zu rechtfertigen, noch sich zu entschuldigen." Ragnar seufzte und schüttelte den Kopf. "Irgendwas besteht zwischen den beiden, aber ich befürchte, dass Cole das nicht mehr zulassen wird." Dann lauschte er den Ausführungen über Antonins verhalten. Dass jener unter Stimmungsschwankungen litt, das konnte er irgendwo nachvollziehen. "Nun, man darf nicht vergessen, dass er sich nur schemenhaft und bruchstückweise erinnert. So gerne ich am liebsten manches einfach komplett vergessen wollte, so holt es mich doch immer wieder ein. Und ähnlich wird es wohl mit den Lücken sein, die ihn immer wieder einholen. Und von daher ist es irgendwo normal, dass er so sprunghaft ist, was seine Gefühle angeht. Ich stelle es mir schrecklich vor, wenn ich nicht mehr wüsste, was meine Vergangenheit ist, sondern mich nur noch in kurzen Episoden erinnere. Und ich wüsste genau, welche Episoden ich nicht sehen wollen würde..." Er lächelte Tayra an, die ihm nun erzählte, wie sich Antonin Nicholas gegenüber verhielt. Als sie sich zu entschuldigen schien, weil sie sich bei ihm ihre Sorgen ablud, schüttelte er nur den Kopf und hob beschwichtigend die Hände. Dann lauschte er weiter. Schließlich blickte er nachdenklich auf die Tanzfläche. "Dass er seine offenherzige Art vor sich her trägt ist nur dann ein Problem, wenn er jemals wieder in dieses Geschäft einsteigen würde. Er ist noch nicht mit dem ganzen Scheiß belastet, der ihn sonst umgibt. Vielleicht ist es deshalb angenehmer für ihn, einfach locker zu sein, er selbst zu sein, das zu sein, was er sonst verstecken muss, damit er keine Kugel durch den Kopf bekommt..." Ragnar deutete dem Wirt, ihm ein Glas Whiskey zu bringen. Nun drehte er sich Tayra wieder zu, "Cole und Antonin scheinen mir Menschen zu sein, die völlig 'out of order' stehen... Ich werde aus ihnen noch weniger schlau, als anschneidend du. Ich befürchte uns bleibt nichts anderes übrig, als abzuwarten, was geschehen wird. " Er seufzte träge. "Wobei ich hoffe, dass Cole sich nicht wieder zurück in seinen Schildkrötenpanzer zieht und alles verbarrikadiert, was zumindest Antonin geschafft hatte, aufzubrechen." Cole "Ich kann dir nicht sagen, warum du dich für Drogen entschieden hast." Cole lächelte ein wenig, beobachtete Antonin, wie er 'Blue Wonder' ansah wie einen Fremdkörper. "Du hast auch niemals Drogen selber genommen, soweit ich weiß. Bis auf die Zigaretten und den Wodka, den du hin und wieder brauchtest, um Erinnerungen wegzuspülen, vielleicht. Besonders, wenn du Blut gesehen hast. Aber ich weiß, dass du mir einmal erzählt hast, dass du dir als Ziel gesetzt hast, die perfekte Doge zu fabrizieren. Eine ohne Fehler, die sich nicht nachweisen lässt, die einfach genial ist. Es schien so eine Art Berufsziel zu sein. Etwas, das dich fasziniert hat." Cole blickte nachdenkend, sich erinnernd. "Und um deine Unsicherheit zu klären, ob du wieder einmal Drogen für uns herstellen wirst: Nein." Sein Blick war mit einem Mal wieder sehr präsent. "Ragnar wird dir bald noch einmal Geld für deine letzte Lieferung geben - keine geringe Menge. Aber du wirst nicht mehr für uns herstellen. Nicht solange du nicht wieder vollständig hergestellt bist und auch dann nur, wenn du das wirklich noch möchtest. Und du siehst nicht danach aus." Er lächelte kurz und fing den Blick des anderen auf, der eine Weile schwieg, als müsste er noch einmal darüber nachdenken, woran er sich alles erinnern konnte, wenn er ihn ansah. Cole bebte innerlich, doch er hatte in den letzten Tagen genug Selbstbewusstsein zurückerlangt, dass er sich nichts davon anmerken ließ. Und das Strahlen, das er vorhin gesehen hatte, hatte ihn bestärkt, dass es das richtige war, Antonin nicht wieder in die Dunkelheit dieser Welt zu ziehen. Schließlich schien diesem aufzufallen, dass er ihn musterte, schien ihn verlegen zu machen. Und nun antwortete er endlich auf die Frage, die Cole mehr als alles andere interessierte. Er lauschte den Erklärungen, den Beschreibungen und nickte leicht. "Ich helfe dir, wobei ich kann, um dir deine vielen Fragen an dich selbst zu beantworten. Auch wenn ich nur wenig dir 100%ig beantworten kann." Seit Antonin ihn so angesehen hatte, bekam Cole kein Lächeln mehr hin. "Dein Kleidergeschmack ist sicher nichts, was ich dir beantworten kann. Ich weiß nur, dass du gerne lange Hemden trugst, damit man deine Narben nicht sieht, weil du nicht mit ihnen als Folge der Folter, der du ausgesetzte warst, umgehen konntest. Das, was du heute anhast, hättest du früher nie angehabt. Auch an dem Abend vor deinem Unfall hattest du dich das erste Mal wirklich getraut, etwas sehr 'figurbetontest' anzuziehen, bei dem man deine Narben sehen konnte, wenn man hinsah. Ich habe dir an diesem Abend dazu gratuliert, wie gut deine Therapie Fortschritte machte, denn es war dir kaum möglich lange Zeit deine Narben zu akzeptieren. Als ich dich einmal aus Versehen am Arm berührt hatte, hast du mir gedroht mich unter Folter umzubringen, wenn ich es noch einmal tun würde. Das hat sich massiv verbessert, nachdem du zu deinem Therapeuten gegangen bist. Gehst du jetzt auch wieder hin? Vielleicht kann er dir ein paar Dinge erzählen, die du ihm vorher erzählt hast." Er blickte Antonin fragend an. "Und dass du bei bestimmten Personen verschiedene Emotionen hast, kann ich mir auch vorstellen. Und das geht auch ganz gut mit deinen Beobachtungen einher, dass du das Gefühl hast, etwas falsch zu machen. Als ich dich kennengelernt habe, warst du ein Hitzkopf, der immer sagte, was er dachte, auch wenn es ihn Kopf und Kragen kosten könnte, aber mit einer Aura um dich herum, dass man dir lieber nicht zu nahe treten sollte, wenn man nicht gebissen werden wollte. Dein Blick konnte tödlich sein, wenn man deine Nerven überstrapazierte. Du warst geradlinig und letztlich ein sehr zuverlässiger Mensch. Du hattest großen Ehrgeiz und warst von dir überzeugt, und das spürte man auch in deiner Aura. Jeder wusste, dass man dich nicht triezen sollte, da man sonst den Abend unter Umständen nicht mehr erlebte - gut ich übertreibe jetzt, aber du hattest eine gewisse Aura um dich, die dir Respekt verschaffte. Man sah zwar häufig ein Lächeln auf deinen Lippen, aber es war ein Lächeln, das man aufsetzte, um seinen Gegner in Sicherheit zu wiegen, nicht um jemandem wirklich Freundlichkeit zu erweisen. Und das hing wohl mit all dem unverarbeiteten Müll zusammen, den du in deinem Leben erleben musstest. Ich glaube nach der Therapie habe ich dich das erste Mal so erlebt, wie ich dich heute erleben durfte. Als strahlenden Mann, der mit seinem Lächeln ansteckend ist, und ganz offensichtlich die Sonne mit sich herumträgt. Ich freu mich, dass du das sein kannst, auch wenn ich weiß, dass dem nicht immer so ist. Ich freue mich nur, dass du trotz allem ehrlich lächeln kannst. Du hattest es lange Zeit verlernt gehabt. Und daran solltest du dich festhalten, wenn du wieder schwankst. Das ist der richtige Weg." Er lächelte. "Und falsch machst du nichts. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dir jemand wirklich Vorwürfe deswegen machen würde. Nur sind momentan sicher einige ziemlich überrascht, dich so fröhlich und unbeschwert zu sehen, denn das werden viele nicht kennen. Die meisten kennen dich nur als jemanden, vor dem man Respekt haben sollte, weil es sonst gefährlich werden könnte." Er seufzte leicht und stieß sich vom Tisch ab, um zu seiner Minibar zu gehen und sich einen Schluck Whiskey einzuschenken, ein bisschen Wasser hinzugebend, wie es sich gehörte. "Und was deine Angst betrifft, glaube ich nicht, dass sie unbegründet ist. Soweit ich das beurteilen kann, hast du einiges erlebt, das jedem Angst machen würde. Dein Bewusstsein signalisiert dir diese Emotionen, die dein Unterbewusstsein eben nur langsam zurückgibt. Ich hoffe inständig für dich, dass du schnell wieder über alles Klarheit bekommst, ohne dass du dein Strahlen verlierst. Ich sagte dir ja, dass ich gezögert habe, dir alles zu erzählen, weil ich hoffte, dass du ein positiveres Leben führen kannst als vorher. Auch wenn ich mir kein Urteil darüber anmaßen sollte. Ich weiß ja nicht, ob dein bisheriges Leben dich glücklich gemacht hat." Er zuckte leicht mit den Schultern nahm einen Schluck Whiskey und griff dann zu der Schachtel Zigaretten und hielt sie Antonin hin. "Möchtest du? Rauchst du eigentlich wieder?" Zu jener Konstante, die Antonin zu vermissen schien, sagte er vorsichtshalber nichts. Er konnte und wollte keine Mutmaßungen treffen. Aber wenn er da in irgendeiner Weise mit drinnen hing, und das vermutete er stark aufgrund der Worte des anderen hinsichtlich seiner Aufgabe als sein Guard, dann empfand er es als sicherer, nicht darauf einzugehen. Tayra "Was heißt, dass er es nicht mehr zulassen wird?", hinterfragte Tayra sofort und in ihren Augen blitzte etwas unheilvoll auf. "Was immer es auch ist, Antonin wird sich erinnern und er wird super angepisst sein, wenn er herausfindet, dass es scheinbar nicht wichtig genug war um es mit 'diesem' Antonin fortzusetzen!", zischte sie und unterstrich das Ganze noch, indem sie mit dem Finger auf der Theke herumklopfte. "Es... wie sich das alleine schon anhört. Ich muss dir Recht geben, die beiden sind wirklich absolut 'out of order'. Und dabei habe ich mich so gefreut als Toni mir erzählt hat er wäre womöglich..", und hier unterbrach sie sich und sah sich ein wenig misstrauisch um. "Ich weiß nicht, wie viel ich hier sagen kann oder sollte. Nennen wir es einfach einmal anders. Also, ich war happy als er das erwähnte und ich rate dir jetzt besser nicht einer von diesen Andershassern zu sein. Nicht dass ich dir das unterstellen will, aber sicher ist sicher", nuschelte sie und winkte den Barkeeper heran, um sich einen Wodka zu bestellen. Doch dann wurde der Blick aus ihren dunklen Augen wärmer und sie lächelte Ragnar wieder herzlich an. "Haben wir solche Episoden nicht alle? Manche müssen nur mit mehr kämpfen als andere. Ich bin mir sicher im Grunde wäre es gar nicht gut, alles zu vergessen. Antonin ist das beste Beispiel. Was man nicht hat, will man und andersherum. Was immer du mit dir herumträgst, Ragnar, so denke ich doch, dass es dich mit ausmacht. Oder nicht?", sie dankte dem Barkeeper und nippte zuerst an ihrem Getränk bevor sie es in einem Zug kippte und das Gesicht danach verzog. "Ich mag Wodka nicht einmal, aber wenn man einen Russen vom Kaliber meines Mannes heiratet, ist das wie Muttermilch. Es wird automatisch mitgeliefert. Und ich dachte immer, das wären nur Gerüchte. So konnte ich mich täuschen." Diesmal war sie es, die den Blick von Ragnar abwandte und zu den ganzen Tanzenden blickte. Eigentlich hatte Toni ihr versprochen sich heute mit ihr zu amüsieren. Und jetzt saß sie hier und machte sich mit einem Fremden zusammen Gedanken über ihre beiden Freunde. Wobei das natürlich im Grunde genommen richtiger war, aber in den letzten Tagen hatte es Tayra auch ganz schön mitgenommen und etwas mehr Entspannung hätte ihr im Grunde nicht geschadet. "Wenn du meine Vermutung hören willst", reagierte sie auf Ragnars letzten Satz und sah ihn aus den Augenwinkeln an. "Dann haben sie gegenseitig so lange aufeinander eingehackt, bis es beim ersten angefangen hat Risse zu geben. Und wenn Cole auch nur ansatzweise den Sturkopf von Toni hat, dann hat sie das nicht dazu bewegt aufzuhören, sondern nur noch mehr angestachelt. Und dann ist das passiert. Wirklich, einen blöderen Zeitpunkt hätte sich selbst Antonin nicht aussuchen können." Sie wandte Ragnar den Kopf wieder mehr zu und lächelte ein wenig. "Aber wer weiß,,vielleicht müsste man ihnen nur wieder einen Hammer in die Hand drücken. Schaden könnte es definitiv nicht. Und wenn nötig schenke ich ihnen einen zu Weihnachten. Oder auch zwei", prophezeite sie und nickte sich selbst zustimmend zu. Antonin Antonin hatte von sich selbst nie gedacht, jemand mit selektivem Hörvermögen zu sein, doch im ersten Moment war alles was er sich aus den vielen Worten ziehen konnte ein übersetztes: "Du bist gefeuert. Du bist uns/mir zu anstrengend. Du wirst ausgezahlt und dann verpiss dich!" Und selbiges drehte sich in einer Endlosschleife bis es zu einem abrupten Stop kam. Oh ja, Antonin sah wie sich Coles Lippen bewegten und er hörte die Worte, die jener sprach. Vereinzelt kamen sie auch noch bei ihm an. Folter, Therapie, umbringen, Emotionen, Unfall, Hitzkopf, tödlicher Blick, Gegner, Vorwürfe, Respekt. Er sah wie Cole sich bewegte. Wie sich dessen Mund abermals bewegte. Wie jener ihm etwas mitteilte. Angst, Unterbewusstsein, Strahlen, Urteil... glücklich. Glücklich?! Antonin hörte wie jemand lachte und es jagte ihm einen Schauer über den Rücken, bis er bemerkte, dass er es selbst war. Er selbst gab diesen gequälten Laut von sich. Er zuckte vor der ausgestreckten Zigarettenschachtel zurück, als ob es eine Giftschlange wäre und taumelte rückwärts bis er die Türklinke im Rücken spürte und ab da gab es kein richtig oder falsch mehr. Da war nur noch Fluchtinstinkt. Etwas sagte ihm, dass er aus diesem Büro raus musste. Dass er dabei war zusammenzubrechen. Und es war dieser eine Moment, in dem er Cole einen letzten gequälten, unverfälschten Blick zuwarf, dass er erkannte, dass sein Leben gerade total den Bach runter ging. Nein, das da eigentlich gar nichts mehr war, das den Bach runter gehen konnte. Es lag doch bereits alles in Scherben. Er könnte sich selbst am Tag hunderte von Fragen stellen, aber es würden immer die Erzählungen von anderen bleiben. Aber den Schmerz, den Verlust den er gerade spürte rührte nicht nur daher. Antonin hatte ja keine Ahnung gehabt, wie schmerzhaft Gefühle sein konnten. Wie tief Emotionen gingen. Aber gerade bekam er eine Ahnung davon und konnte nicht einmal sagen, woher es kam. Er fühlte nur wie ihm etwas aus der Brust gerissen wurde. Etwas, auf das er nicht geglaubt hatte, verzichten zu können. All diese Gedanken stürmten innerhalb weniger Sekunden auf ihn ein und er bekam das Gefühl, als müsste ihm der Kopf gleich platzen. Und so tat er das einzige, das er tun konnte, nämlich flüchten. Was er auch tat und das in einer Geschwindigkeit, die er sich selbst nicht mehr zugetraut hätte. Die Tür war genauso schnell aufgerissen, wie hinter sich zugeworfen und durch den Gang bis in den Raum waren es nur wenige Meter. Die Musik drang nur dumpf an seine Ohren. Er hielt nicht inne, bahnte seinen Weg durch die Tanzenden hindurch, vorbei an Tayra und Ragnar, die er nicht einmal wahrnahm. Einfach nur raus… Einfach nur noch weit weg von diesem Scherbenhaufen. Und es gab nur einen Ort, nur einen einzigen Ort auf dieser Welt, der immer nur ihm gehören würde. Kaum draußen angekommen, griff er in seine Gesäßtasche und zog sein Handy hervor. Ohne eine Ahnung zu besitzen, woher er die Nummer wieder kannte, wählte er sie. Stolperte weiter, vorbei an den geparkten Autos und tippte die Nummern mit schnell gehendem Atem ein. Es war schwer, da er schon wieder zitterte. Warum zu Henker zitterte er ständig? Er hob das Handy zum Ohr, lauschte dem Klingeln und als endlich, als endlich jemand abhob bemerkte er dass ihm Tränen über das Gesicht liefen. "... Mum?", es war seltsam zur gleichen Zeit zu weinen und zu lächeln, aber die Stimme der einzigen Person auf dieser Welt, die ihn niemals enttäuschen würde, machte es möglich. "Habe ich dich geweckt?", es war kaum mehr als ein Flüstern und als er ihre aufgeregte Stimme vernahm, lehnte er sich an das nächste Auto und schloss die Augen. Alles andere ausblenden. Alles andere vergessend. Nur die wunderbare Stimme seiner über alles geliebten Mutter zählte jetzt. Jene eine Person, die ihn nie alleine im Krankenhaus lassen würde. Jene eine Person, die ihn niemals von sich schieben würde. "Nein... mir geht es gut." Er hielt inne und versuchte seine Stimme wieder unter Kontrolle zu bekommen. "Das war gelogen. Mir geht es beschissen. Ich… ich verliere die Kontrolle, Mum." Kraftlos sank er an dem Auto entlang runter zum Boden, lauschte der Stimme, die ihn bat, sich erst einmal zu beruhigen. Die selbst in ihrer Aufgeregtheit immer die beruhigenste Stimme sein würde, die er jemals gehört hatte. "Das ist es nicht. Ich hatte einen Unfall...", das letzte Wort sprach er abfällig und wischte sich unwirsch über die geschlossenen Augen. Wischte die salzigen Tränen beiseite. "Mir fehlt körperlich nichts. Nun, nichts dramatisches", er lachte freudlos. "Mir fehlen nur ein paar verschissene Jahre in meinem verschissenen Kopf und ich stehe vor einem furchtbaren Scherbenhaufen und weiß nicht, wo ich anfangen soll zu kehren. Ich habe es versucht, Mum. Ich habe es wirklich versucht! Ich wollte stark sein. Ich sagte mir, dass ich nicht die einzige Person bin, die einen Großteil ihres Gedächtnisses verloren hat. Das Leben geht weiter, oder? Aber das tut es nicht. Nicht für mich. Alles dreht sich so schnell und ich weiß nicht mehr weiter. Ich wusste bis vor ein paar Minuten nicht einmal mehr deine Telefonnummer... ich kann einfach nicht mehr." Er sprach schnell, verhaspelte sich häufig, aber die Frau am anderen Ende hörte zu. Sie hörte zu und erklärte ihm, dass sie Bescheid wüsste und dafür gebetet hätte, dass er sich melden würde. Dass er sich daran erinnern würde, wer er war, nämlich der beste Sohn, den sich eine Mutter wünschen konnte. Egal ob er sich selbst daran erinnern würde oder nicht. Antonin hinterfragte nicht, woher sie es wusste. Er hinterfragte auch nicht, warum sie nicht zu ihm gekommen war. Er musste das alles nicht tun, denn er wusste die Antwort bereits. Seine Mutter musste nicht zu ihm kommen, denn sie war immer bereit auf ihn zu warten. Die ganze Zeit. Egal wie schmerzhaft es auf beiden Seiten auch sein mochte, dieses Wissen würde ihm auch ein Unfall nicht nehmen können. "Ich liebe dich, Mum. I love you. I love you. Für Immer und für Ewig" Er wechselte von englisch zu deutsch bis hin zu russisch, in der Gewissheit, dass sie ihn verstehen würde. Schließlich hatte sie ihm alle Sprachen, die er konnte beigebracht. Schließlich würde sie ihn immer verstehen, wenn er ihr sagte, dass er sie liebte. Es dauerte geraume Weile, bis er sich wieder beruhigte, lauschte der Stimme seiner Mutter, die ihn bat nach Hause zu kommen. "Nach Hause? Ich habe keine Ahnung, ob ich noch ein Zuhause habe. Ich habe mich mein ganzes Leben nicht so einsam gefühlt. Ich erkenne mich selbst nicht mehr. Aus dem Spiegel sieht mir ein Gesicht entgegen, das meines sein könnte, aber ich erkenne mich nicht!" Inzwischen hatte er einen Schluckauf und bekam das Gefühl kaum noch Luft zu bekommen. Aber das war nichts Neues. Das Gefühl war ihm in den letzten Tagen wohlvertraut geworden. Nur dass er nicht zugelassen hatte, dass es zu ihm durchdrang. Aber da war jetzt nichts mehr, das diesen Zusammenbruch verhindern könnte. Nichts mehr, das ihn stützte. Er fiel und da war einfach nichts mehr da, um einen Fall zu bremsen. "Nein!", er fuhr auf, öffnete die Augen, sah jedoch vor lauter Tränen nichts. "Komm nicht her. Bitte, bitte komm nicht her. Du sollst mich so nicht sehen. Hör zu... ich melde mich wieder, ja? Ich... ich musste das einfach mal loswerden. Ich liebe dich." Und er legte auf. So schwer es ihm auch fiel, aber er legte auf und ließ das Handy aus seiner Hand rutschen, hörte, wie es auf dem Boden aufprallte. Ob er schon jemals so einen Zusammenbruch gehabt hatte? Wenn ja, war es vielleicht gar nicht so schlecht sich nicht zu erinnern, denn es tat weh. Es tat einfach nur weh. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)