Blood Deal von -Amber- (Even if saving you sends me to heaven) ================================================================================ Kapitel 50: Das 'Über-den-Tellerrand-Sehen' ------------------------------------------- Ragnar Ragnar verließ mit Gawain das Lady-Dream und verfrachtete ihn in den GMC Van, stieg dann selbst hinters Steuer und fuhr los. Sie sollten nicht zu viel Zeit verlieren. Cole würde ohnehin sicher wesentlich früher da sein, als sie selbst, aber wesentlich später sollten sie auch nicht kommen, wenn alles schnell über die Bühne gehen sollte. Mit halbem Ohr lauschte er den Gesprächen der anderen. Und so bekam er die Wut mit, die Gawain Antonin gegenüber indirekt äußerte. Er bezeichnete den Mann, der Cole beschützte als ‚unberechenbar‘, als ‚außer Kontrolle‘. Ragnar dachte über die Worte nach. War dem wirklich so? War Antonin vielleicht weniger ein Schutz für Cole, als vielmehr eine unberechenbare Gefahr? Ragnar erinnerte sich an die Professionalität, mit der Antonin an seinen Auftrag von ihm, Cole zu schützen, herangegangen war. Und angesichts dieser Geschichte würde er ihn als Profi, nicht als unberechenbaren Menschen ansehen. Er hatte nur die Hälfte von dem mitbekommen, was Antonin zu Gawain gesagt hatte, aber das ließ ihn vermuten, dass Antonin allen Grund gehabt hätte, wenn er Gawain umgebracht hätte, oder? Schwierig. Fakt war allerdings, dass Cole ihm vertraute. Und Cole war wohl der Mensch, der am besten einschätzen konnte, was Gefahr für ihn bedeutete, und was nicht. Auch wenn er risikofreudig war, so war er doch immer ausgestiegen, wenn etwas zu brenzlig wurde und hatte versucht eine andere Lösung zu finden. Und wenn er sich nun das Bild vor Augen rief, wie Antonin und Cole gerade im Lady-Dream gestanden hatten, wie Cole den Russen umarmt hielt, um ihn zu beruhigen, so musste er sich eingestehen, dass er so eine Szene noch nie gesehen hatte. Er hatte noch nie gesehen, dass Cole jemanden auf diese Art und Weise heruntergeholt hatte, noch nie jemanden auf diese Art und Weise besänftigt hatte. Meistens begegnete er Leute, die es übertrieben, mit Gewalt. Bei ihm selbst waren es eher kleine Gesten, die Cole ihm gewährte, und die ihn wieder runterbrachten. Und so gesehen, was Antonin wohl wirklich an eine Stelle in Coles Umfeld gerückt, von der er selbst früher geträumt hatte, die ihm aber immer verwehrt geblieben war. Eine Sache, die ihn mittlerweile freute, früher hätte er Antonin sicher dafür gehasst. Sie erreichten den Parkplatz pünktlich und die Übergabe erfolgte zügig und professionell. Bald war er und Gawain im ersten Truck schon unterwegs. Cole hatte ihm gesagt, er solle als erstes fahren und die direkteste Verbindung nehmen, damit er am Hafen noch das ein oder andere regeln könnte, falls es zu Problemen kommen sollte. Schließlich war Schiffsfracht immer ein kleines Risiko, weil Ankunfts- und Abfahrtszeiten nie wirklich abzuschätzen waren. Nach einer kurzen Weile des Schweigens, blickte Ragnar Gawain kurz an. „Alles in Ordnung bei dir?“, fragte er. „Ich hoffe, er hat dir nichts gebrochen…“ Gawain Gawain hatte sich inzwischen wieder gefangen, auch wenn seine Wange ein Pfund gutes Eis wirklich vertragen könnte. Aber etwas Gutes hatte das Ganze: Dieser Typ hatte nicht direkt sein Auge, sondern mehr sein Kinn getroffen. Damit konnte er immerhin erklären, warum er versuchte nicht über die blöden Witze zu lachen, denn das Gesicht so zu verziehen tat gerade höllisch weh. Zusätzlich war das Ganze natürlich furchtbar ärgerlich, denn seine Rolle war um einiges komplizierter geworden. Wo er in Atlanta ohne weiteres darauf hätte reagieren können - schließlich war er doch der Sohn vom Boss - hatte er hier keine Idee, wie er nun mit diesem Irren umgehen sollte. Besonders nicht, da dieser selbst keine schlechte Stellung hier zu haben schien. Grübelnd schloss er die Augen bis das Fahrzeug schließlich hielt und sie wieder aussteigen konnten. Er ließ einen kurzen aber aufmerksamen Blick über das Gelände schweifen, bevor er an diesem Antonin stoppte. Welcher auch nach kurzer Zeit zu ihm sah und sie sich eine Weile anstarrten, bevor Gawain den Kopf abwandte und sich lieber auf das Geschehen hier konzentrierte. Nur nichts provozieren… Soweit er das überblickte waren das keine unerheblichen Werte auf den LKWs, die da wohl wenn alles gut ginge irgendwohin weiterverkauft wurden. In diesem speziellen Fall bekam er nur immer Mitleid mit den einstigen Besitzern, da er sich ausmalte wie lange die jeweiligen Menschen vielleicht auf diese Autos gespart hatten. Aber es ließ sich wohl kaum so einfach ändern, weshalb er seine Einteilung auch gelassen hinnahm. Nach dem Zwischenfall war es wohl klar, dass er weiterhin überwacht werden würde und Ragnar war ihm wenigstens nicht gänzlich unsympathisch, sondern behandelte ihn die meiste Zeit wie einen ganz normalen Menschen. Oh die Dinge... die Dinge für die man in seinem Beruf dankbar sein musste. Grauenhaft. Warum er seinen Beruf dennoch so gerne ausübte und sich sogar für diese neue Einheit anwerben hatte lassen, war zum einen, dass er sich so ständig selbst beweisen konnte, dass man immer aufmerksam zu sein hatte, und zum anderen natürlich die Bezahlung. Wo sonst bekäme man einen schicken Gehaltsscheck auch ohne dass der Arbeitgeber Kontakt zu seinen Leuten hatte? Im Grunde könnte er sich auch an den Strand legen und behaupten es gäbe hier nicht viel zu sehen. Mehr oder weniger behände kletterte er auf den Beifahrersitz des Trucks und fragte sich, was genau denn jetzt eigentlich seine Aufgabe wäre. Polizisten zu erschießen wenn sie aufgehalten wurden? Nettes, beischmückendes Zierwerk? Oder doch mehr ein Bewacher für die Fracht vor anderen Organisationen? Aber im Grunde war es auch egal, denn er saß hier oder etwa nicht? Weshalb er die Straße, auf der sie fuhren, musterte und sich vorstellte, wie er selbst wohl versuchen würde, so eine Übergabe zu stoppen. Auf freier Laufbahn war etwas kompliziert, denn einen Truck bekam man kaum gestoppt, wenn der nicht stoppen wollte. Also doch am Übergabeort? Ein wenig sarkastisch verzog Gawain die Lippen und bereute es sofort wieder. Bald würde er selbst so eine Organisation leiten können, er sah es wirklich kommen. Nun, wenn sich doch irgendwann mal Anarchie auf den Straßen ausbreiten würde, wüsste er immerhin etwas mit sich anzufangen. Ein wenig aus den Gedanken gerissen sah er zu Ragnar und nickte dann ganz automatisch. Was sollte er schon sagen? 'Nein, mir geht‘s nicht gut. Lass mal bei der nächsten Raststätte halten. Ich muss mich übergeben.'? Nein, nicht wirklich. So winkte er einfach nur ab. "Ich denke nicht. Danke der Nachfrage." Auch etwas, das einige der anderen hier mit wirklich seltsamen Blicken quittiert hatten. Gawain Hunter war ein äußerst höflicher Mensch, der der seine Männlichkeit nicht ständig durch Kraftausdrücke und Unfreundlichkeit beweisen musste. Auch wenn er dadurch vielleicht noch nicht ganz ernst genommen wurde, so wusste er selbst doch recht genau, dass es einem im Kopf bleiben würde. Und das war auf der Straße mehr oder minder schon Kapital. Wenn man sich dann erst einmal bewiesen hatte, war der Rest nicht mehr schwierig. Oder es wäre nicht mehr schwierig, wenn er nicht ein Bulle wäre. "Zudem ich das im Grunde gewohnt bin, für meinen Vater angegangen zu werden. Nur habe ich hier in New York nicht unbedingt damit gerechnet." Ragnar Die Höflichkeit des anderen fiel ihm schon seit geraumer Weile auf. Eigentlich zeugte so etwas davon, dass man einem gewissen Bildungsstand angehörte, dass man eine Bildung genossen hatte, die über das gewöhnliche 'Ich breche die Schule ab und werde böse'-Kariere hinausging, die man in der Branche oft hat. Ob Gawain nicht diesen Weg gegangen war, obwohl sein Vater ihm sicher eine gewisse Zukunftsperspektive gab? Nun, das würde er gut nachvollziehen können. Er war auch keinen anderen Weg gegangen. Ragnar nickte auf die Worte des anderen hin und konzentrierte sich einen Moment, während er auf den Highway auffuhr. Wenn sie wieder näher an New York sein würden, würde der Berufsverkehr sich wieder gelegt haben, aber im Moment war recht viel Verkehr. Und diese vierspurigen Highways, auf denen jeder überholte wann und wo er wollte, mochte Ragnar nicht, und schon gar nicht mit einem Truck. Da lobte er sich Europa. Seine Zeit dort war, was das Autofahren betraf, die Zeit, in der er es genossen hatte. Er fuhr nicht schlecht, aber nicht gerne. Und in Europa ging es größtenteils zumindest gesitteter zu als hier. Allein die Regel, dass man nur links überholen darf, die es hier in Amerika ja nicht gab, war eine Regel, die er sofort durchsetzen würde, wenn er einmal in der Position sein sollte. Als er wieder die nötige Ruhe hatte, blickte er Gawain kurz an. "Cole hat recht wenn er sagt, dass die Vergangenheit einen immer wieder einholt. Und meistens ist das an Orten, wo man nicht damit rechnet. Demnach ist man auch nie darauf vorbereitet, was dir ja gar nicht gut gefällt, wie du mir gesagt hast." Er lächelte leicht. "Aber genug geklugschwatzt. Ich kann nachvollziehen, dass man Distanz von seiner Familie braucht, besonders wenn man gleich in eine Schublade gesteckt wird, in die man eigentlich nicht hinein möchte. Ich könnte mir vorstellen, dass das auch einer der Gründe ist, weshalb du hierhergekommen bist. Weil du dich selbst definieren möchtest, um nicht immer über deinen Vater definiert zu werden." Er blickte Gawain erneut kurz an, fingerte dann nach seinen Zigaretten und zündete sich eine an. "Magst du auch?", fragte er und hielt die Packung Gawain hin. "Am besten gehst du Antonin aus dem Weg. Ich glaube nicht, dass ihr euch annähern könnt, dafür ist die Geschichte zu groß, aber wenn es Streit in der Gruppe gibt, ist Cole nicht bereit, dich weiter zu beschäftigen. Er wird da nicht lange fackeln. Ihm ist die Harmonie in der Gruppe wichtig, denn nur so funktioniert das Geschäft. Nur, wenn alle an einem Strang ziehen, gibt es kein böses Erwachen." Gawain Gawain grinste kurz und bereute es schon wieder. "Ich habe gesagt ich springe nicht gern unvorbereitet in solche Situationen. Wenn sie einen von selbst anspringen, kann man gar nicht darauf vorbereitet sein." Was jedoch keinesfalls bedeutete, dass er sie deshalb mochte. Es war vielmehr mitunter der Grund, warum er sich so kühl und distanziert gab, da es viel weniger Angriffsfläche für solche Situationen gab. Wenn man nicht einschätzen konnte, ging man ganz automatisch nicht wegen jeder Kleinigkeit an. Und irgendwie war er das auch... kühl und distanziert. Gawain sah keinen Grund darin, mit seiner momentanen Arbeit Freundschaften zu schließen, und lebte vielmehr tatsächlich mehr die Arbeit als ein Leben. Wenn er das Gefühl hatte, dass alles zu viel wurde, ging er in die Kirche und versuchte die ganze Scheiße, die er so mitbekam, aus dem System zu reden. Natürlich nicht in der Beichte. Er traute niemandem soweit, um tatsächlich über seinen Status zu sprechen, aber es tat auch so gut - ganz für sich selbst - über diese Dinge zu sprechen. Ob etwas Übernatürliches dabei zuhörte oder nicht, war dabei hinfällig. Er glaubte nicht wirklich an einen Gott, aber er hoffte auf einen großen 'Masterplan' hinter allem. Er hoffte darauf, dass die Schicksale alle ihren Grund hatten. Die guten wie die schlechten. Er warf einen Blick hinüber zu Ragnar, der ihm gerade eine Zigarette anbot und nahm sich dankend eine aus der Schachtel. "Ja und nein", stimmte er schließlich nach einigem Überlegen zu. "Mein Vater ist ein sadistischer Diktator und das hat noch nie ganz zu meiner Einstellung gepasst. Auch wenn er auf seine eigene Art und Weise ein gerissenes Genie ist, so bin ich eben nicht er und momentan akzeptiert er das. Ich vermute es liegt daran, dass er ahnt, dass ich irgendwann zurück komme." Gawain zuckte mit den Schultern. "Wer weiß, ob er nicht sogar recht hat." Er zündete sich die Zigarette an und öffnete das Fenster einen Spalt breit. Auf engem Raum mit zwei Rauchern zu sitzen war nicht unbedingt das Highlight seines Tages, daher versuchte er es sich so angenehm wie möglich zu machen. Zudem er sowieso mehr ein Genussraucher war, als wirklich ein Kettenraucher. Diesmal warf er Ragnar einen Blick zwischen Irritation und Neugier schwankend zu. "Ich hatte nicht vor ihm so schnell wieder in die Faust zu laufen. Was ist seine Funktion hier eigentlich? Ich habe ihn nur am Auto lehnen und rauchen sehen." Noch etwas, das ihn ein wenig wurmte. Es hätte ihm durchaus gefallen, jenen jetzt durch irgendwelche Arbeit ins Schwitzen kommen zu sehen. Aber nein, anstatt die Ware zu prüfen oder selbst in einen der stickigen Fahrerkabinen zu steigen, war der Kerl einfach nur dagestanden und hatte zugesehen! Doch dann nickte er. "An mir soll‘s nicht liegen, mit der Harmonie. Ich bin kein Alleinunterhalter, aber ich bin auch kein Partysprenger." Sondern vielmehr jemand, der sich das ganze ansah und sich seinen Teil dachte. Vor allem wenn Alkohol floss kamen da manchmal wirklich seltsame Dinge zutage. Das hatte Gawain alles schon erlebt. Und er wusste, dass er sich solange er undercover war von Alkohol so weit als möglich fernhalten musste. Niemand, wirklich niemand hatte sich unter Alkoholeinfluss perfekt unter Kontrolle und das war dann viel zu riskant. Ragnar Ragnar dachte einen Moment über die Beschreibung Gawains von dessen Vater nach. Es war eine ungewohnte Art und Weise, wie er über ihn redete. So nüchtern, so von außen betrachtend. Eigentlich eine sehr reife Ansichtsweise, die wieder davon zeugte, dass Gawain intelligent genug war, differenziert über die Dinge in seinem Leben nachzudenken. Wieder ein Zeichen für die Gedanken, die er über seine Bildung hatte. Denn Ragnar kannte es nur zu gut: die Söhne der 'machthabenden' Väter, die wie um diese herumtigerten, immer abrufbereit, um den Namen der Familie hochzuhalten, um den Vater zu ehren und in der Öffentlichkeit seine Interessen zu vertreten. Erst vor kurzem hatte er mit 'Junior' zu tun gehabt, einem der Söhne eines anderen Clans, der seinen Vater vergötterte und bereit wäre, für diesen zu sterben. Ein aggressiver Brutalo, der einfach ein Hirn wie eine Erbse hatte und daher gar keine Möglichkeit besaß, sich selbst als jemand anderes zu sehen, als der Sohn seines alten Herren. Und seine Unzufriedenheit über die Situation packte er unterbewusst in seine Aggressivität, seine Brutalität. "Ich finde es gut, dass du versuchst du selbst zu sein, und nicht der Sohn deines Vaters", sagte er schließlich noch immer nachdenklich. "Ich kann die Typen nicht leiden, die ihren Vater vergöttern und nicht genug Hirn in der Birne haben, um zu differenzieren, was wirklich richtig und wichtig ist." Er lächelte matt. "Also selbst wenn du zurückkehrst, wirst du doch ein anderer sein, was sicher nicht ganz einfach ist, aber ein für meine Begriffe richtiger Weg." Die Frage nach Antonins Stellung in der Organisation ließ Ragnar erneut ein wenig nachdenken. Kurz blickte er Gawain an. Fragen nach den Funktionen einzelner Mitglieder waren eigentlich nicht gerne gesehen. Aber in dem Zusammenhang wohl verständlich. Er wusste, dass er nicht wirklich viele Informationen über die Zusammenhänge der Organisation herausrücken durfte, und er würde es auch nie tun. Daher war es generell besser, wenn niemand wusste, dass Antonin der Lieferant und Hersteller von Blue Wonder war. Alles, was damit zu tun hatte, ging nur ihn und Cole etwas an. "Antonin ist so etwas, wie der persönliche Bodyguard von Cole. Und er nimmt seinen Job sehr ernst", sagte er dann schließlich kurz und knapp und seine Stimme signalisierte, dass ein weiteres Nachfragen tabu wäre. "Ich denke es ist bei uns recht einfach, gut mit den anderen auszukommen. Und du musst weder Alleinunterhalter noch Partysprenger sein..." Er lachte leise bei dem Gedanken. "Du musst einfach nur deine Arbeit machen und ehrlich sein, wenn dir etwas nicht passt. Und ersteres tust du, wie du die Woche bewiesen hast." Und er würde beweisen müssen, ob er sein Vertrauen wirklich verdient hatte. Gawain "Kein Hirn in der Birne trifft es ganz gut", murmelte er und schüttelte den Kopf. "Ich weiß natürlich, dass ich auf meinen alten Herren zählen könnte, genauso wie andersherum, aber wenn ich mit meinen sechsundzwanzig Jahren immer noch nur Sohn wäre, hätte ich etwas falsch gemacht."Er lachte kurz ein wenig humorlos. Was er doch gleich wieder sein ließ und sich vorsichtig an das Kinn griff, um dann nur gottergeben zu seufzen. Das würde später noch ordentlich schmerzen. Tat es ja jetzt schon. "Naja, das ist eine Sache der Erziehung, nehme ich an. Diese Typen begegnen einem an jeder Ecke in der Szene. Sie hatten vermutlich nie die Möglichkeit über den Tellerrand zu blicken. Welche ich wiederum hatte und für mich genutzt habe." Soviel konnte er erzählen. Immerhin war es die Geschichte die in Atlanta kursierte. Die Kobra hatte seinen Sohn deshalb verheimlicht, weil er einen gebildeten Nachfolger hatte, der irgendwann nicht nur mit Drogen sondern auch mit größeren Dingen agieren könnte. Gawain war das gerade recht gekommen, denn Bildung ließ sich auf Dauer nicht verbergen und deshalb gab er sich auch gar keine Mühe dazu. Und er sprach ja nicht einmal so viel Unwahres. Die Kobra war ein gerissenes Arschloch, das mehr im Kopf hatte als die Leute um ihn herum. Was es dadurch natürlich leichter machte, sie unter Kontrolle zu behalten. Andererseits machte es das aber auch schwer, die wichtigen zu ersetzen. Blair Hunter war so ein Fall gewesen. Die Kobra hatte getobt. Er hob die Hand ein wenig abwehrend. "Ist in Ordnung, die Message ist angekommen." Da war sein Mund sowieso schneller als sein Hirn gewesen. Aber wer würde nicht gerne wissen, von wem oder was sein Gesicht eigentlich gerade so lädiert worden war? Vermutlich würde diese Frage nicht allzu viel neues Misstrauen aufwallen lassen. Hoffte er. Einen letzten Zug von seiner Zigarette nehmend schnippte er den Rest nach draußen und schwieg einen Moment. Es war, zumindest für ihn kein unangenehmes Schweigen, da er nicht davon ausging, dass Ragnar plötzlich die Hände vom Lenkrad nehmen und ihn erschießen würde. Dafür war der Wert auf dem Fahrzeug zu hoch und im Grunde gab es auch keinen Grund dafür. "Das ist doch genau das, was ich will", brummte er ein wenig verdrießlich. "Einfach mal in aller Ruhe arbeiten, ohne den ganzen unnötigen Stress außen rum. Als ob der normale Alltag nicht schon mit genügend Adrenalin versorgen würde..." Ragnar Ragnar verfiel ins Schweigen. Er hatte nicht das Gefühl, etwas anfügen zu müssen. Und nachfragen wollte er auch nicht weiter. Schließlich wollte er Gawain nicht glauben lassen, dass er ihn ausfragte. Und dieser hatte ihm ja indirekt bestätigt, dass er eben nicht einer von jenen Vater-Verherrlichern war, weil er 'über den Tellerrand‘ hatte blicken können. Also war wohl auch die Kobra einer derjenigen, die Wert darauf legten, dass seine Nachkommen zur Intelligenz erzogen wurden. Einer der wenigen... Und das war auch eines der Dinge, die er an Costello nicht mochte. Er hatte Cole davon abgehalten, seine Ausbildung zuende zu bringen, hatte ihm jegliche Möglichkeit, die vorhandene Intelligenz zu nutzen, und ihm stattdessen nur die Grausamkeit der Welt gezeigt. Costello war einer derer, die mit Angst und Gewalt sich Respekt verschafften. Ragnar hatte schon immer die Vermutung gehabt, dass er Cole zu einer Maschine erziehen wollte. Eine Maschine, die tötete, die dealte, die tat, was man von ihm verlangte. Dass Cole nicht zu einer solchen geworden ist, wunderte ihn bis heute. Es zeugte von dessen starken Willen, sich nicht unterbuttern zu lassen, obwohl er ahnte, was Costello in der Hand hatte, damit sich Cole nicht gegen ihn wandte. Und es wunderte ihn bis heute, worin Cole seinen Ausgleich schaffte. Sicher, zum einen durch seine Sucht nach Sex, die diesen auszeichnete. Ragnar hatte ihn hin und wieder in Clubs gesehen. Und das, was er gesehen hatte, hatte ihm gereicht, um zu wissen, was Cole brauchte. Aber er glaubte nicht, dass Sex das einzige war. Und deshalb vermutete er, dass Cole noch ein anderes Leben führte, nur ein bisschen, soviel er eben Zeit hatte. Und er gönnte ihm dieses Leben, auch wenn er es gerne einmal sehen würde. Und vielleicht würde Antonin Cole nun geben können, was er wirklich benötigte. Ragnar wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sah, dass er nun bald zum Hafen vom Highway runter musste. Sein Handy läutete und er ging ran. "Ragnar", meldete er sich und hörte kurz. "Wir sind vom Highway runter. Keine Vorkommnisse." Er kannte Coles Umgangston, wusste, dass er sich kurz fasste am Telefon. Und mittlerweile hielt er das genauso. Nur noch 15 Minuten und sie hätten es geschafft. "Halte die Augen offen, aber es sollte natürlich aussehen. Der Van wartet dort vorne. Dorthin gehen wir. Cole wir den Rest übernehmen. Wir fahren dann zum Club. Kannst du heute noch bis zum Schluss dableiben?" Ragnar öffnete die Tür des Trucks, und stieg aus. Der salzige Geruch des Meeres strömte auf ihn ein. Kurz streckte er sich, dann sperrte er den Truck ab und ging mit Gawain in Richtung Auto. So wie es aussah waren die anderen wie geplant noch nicht da, aber sie waren gerade bei Coles Auto angelangt, als sie den nächsten LKW hörten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)