Vortex von Itachigirl (Strudel der Gefühle l [ItaxSaku]) ================================================================================ Kapitel 1: Der schmale Grat --------------------------- Ich wünschte mir so sehr, nicht zwischen Himmel und Hölle entscheiden zu müssen. Wie sehr ich mir wünschte, meine Seele zu retten... "Danke" Eine Ewigkeit hatte ich mich nach diesem einen Wort gesehnt. Darauf gewartet, die ganze Zeit lang gehofft, ich könnte es endlich hören. Dachte, es würde mir neue Kraft geben, neue Hoffnung, und mich ausfüllen. Aber da war nichts. In mir war lediglich die Leere, die meine Augen widerspiegelten, während die Tränen, die ich hatte aufhalten wollen, mein Gesicht herunter liefen. Ich wollte meine Augen zu kneifen, aber sie waren weit aufgerissen. Sie brannten wie Feuer. Der kalte Wind fegte an mir vorbei, hinterließ ein lautes Pfeifen und wirbelte Blätter auf, so wie dieses Wort mich aufwirbelte. Ich spürte, dass es ein Schlussstrich war. Konnte es fühlen, dass dies für ihn das Ende war. Doch das wollte ich nicht. Noch bevor ich allerdings das Wort ergreifen konnte, war er plötzlich vor meinen Augen verschwunden, als hätte der eisige Wind ihn mitgerissen. Dann bemerkte ich den Luftzug hinter mir und wusste, dass er es war. Umdrehen konnte ich mich nicht mehr. Ihn aufzuhalten gestattete er mir nicht mehr. Lediglich ein messerscharfer Schmerz legte mir einen schwarzen Schleier über die Augen, bevor ich wie eine Puppe zu Boden sank, deren Fäden man losgelassen hatte. _____________________________________ Unter mir spürte ich einen harten, staubigen Grund und ich musste nicht die Augen öffnen, um zu sehen, dass es der Boden Konohas war. Ich konnte den Wind hören, wie er sich wieder seinen Weg durch die Bäume über die Gräsern hinweg suchte. Einen Augenblick musste ich mich sammeln, um zu begreifen, was passiert war. Urplötzlich kehrte die Erinnerung an das Geschehene wieder zurück und ich schreckte den Atem anhaltend hoch. Ein schneidender Schmerz durchfuhr meinen Körper, als ich mir hektisch an den Hinterkopf fasste. Panisch blickte ich mich um. Es war immer noch Nacht und nicht Morgen. Vielleicht war es noch nicht zu spät, vielleicht konnte ich Sasuke einholen, mit ihm reden, damit er hier blieb. Er durfte nicht gehen und mich alleine lassen. Ich liebte ihn, das hatte ich ihm gesagt und trotzdem war er gegangen. Das durfte er nicht tun, das wollte ich nicht. Ich musste ihn finden. Den pochenden Schmerz ignorierend erhob ich mich ruckartig und lief aufgewühlt südwärts. Ich wusste, dass er nicht mehr hier im Dorf war, wusste ganz genau, wohin er wollte, schließlich hatte er es mir gesagt. Luft schnappend rannte ich an all den Häusern vorbei, in denen die Lichter bereits gelöscht waren. Nicht einmal die Straßen waren hell erleuchtet. Lediglich der Vollmond spendete sein silbernes Licht, welches mir den Weg wies. Ich lief immer weiter, immer schneller, bis ich das Dorf durch das große Tor verlassen hatte. Es zog an mir vorbei, aber ich machte noch nicht Halt; rannte noch ein Stück und wurde langsamer. Mein Körper wollte nicht mehr rennen, konnte nicht mehr die Meilen laufen, die meine Seele hatte zurücklegen wollen. Für die Liebe, eine aussichtslose Liebe. Warum hatte er das getan? Es passte nicht zu ihm, einfach so zu gehen. Alles zurückzulassen, für ein bisschen Macht. Aber wer wusste schon, was zu Sasuke passte? Wer kannte ihn denn schon... Wäre diese Sache im Todeswald nicht passiert, dann wäre Sasuke jetzt noch hier. Dieser Orochimaru sagte, er könnte ihn stärker machen, so viel mächtiger. Sasuke war darauf eingegangen... Warum er so viel stärker werden wollte, wusste ich nicht. Er sagte einmal, er müsste jemanden töten. Damals wusste ich nicht, ob es ernst gemeint war oder lediglich eine Provokation gegen Naruto. Aber Orochimaru war mir unheimlich. Seine Augen waren böse. Es machte mir Angst, dass Sasuke zu ihm wollte. Ich wollte nicht, dass Sasuke so wurde wie er, ein Monster mit eiskaltem Blick, das alle erschaudern ließ. Ich wollte ihn nicht an diesen Unmenschen verlieren, wusste nicht, was dieser mit ihm vorhatte. Wir hatten zusammen gegen ihn gekämpft, diese Prüfung überstanden, wie konnte er jetzt zu ihm gehen? Unentwegt war ich gelaufen, bis ich in die endlosen Weiten der Außenwelt blicken konnte. In die schwarze Nacht hinein, mit dem silbernen Mond, der wie ein König über allem thronte. Über dem Horizont, wo der Himmel die Erde küsste. Wieder hörte ich den Wind, der mir ins Gesicht peitschte, der das Gras und die Blätter der Bäume tanzen ließ. Er war kalt, so kalt wie Eis. Mir wurde schmerzlich bewusst, dass es zu spät war, dass er längst weg war, und der Schmerz überwältigte mich. Es tat so weh, zu wissen, dass ich nicht rechtzeitig gekommen war. So schrecklich schmerzte es, ihn verloren zu haben. Mein Körper konnte die Last dieses Schmerzes nicht länger tragen, ließ mich zittern und auf die Knie fallen. Es war, als hätte mir etwas den Boden unter den Füßen weggerissen, als würde ich nun in ein unendlich tiefes, dunkles Loch stürzen. Ein Loch aus Enttäuschung, aus einem Stück Selbsthass, das mich verschlang und mit jeder Sekunde größer zu werden schien. Ich fühlte, wie zerrissen mein Herz war, wie weh jeder neue Schlag tat, wie schmerzhaft jeder Augenblick ohne ihn war. Beinahe unerträglich war es für mich, wie mein Herz in meiner Brust hämmerte, so laut, dass ich es in meinem Kopf hören konnte; und es löste einen Strom von Tränen aus, die wie aus einem Damm aus mir heraus brachen. Schnappend rang ich nach Luft, aber da war plötzlich keine mehr. Zu sehr von Schmerz erfüllt war mein Körper. Schmerz, der mich zu zerreißen drohte, ganz besonders mein Herz. "Hasst du ihn?" Erschrocken fuhr ich zusammen, durch die Stimme, die plötzlich die zermürbende Stille durchschnitt, wie ein Skalpell. Vielmehr jedoch war es die Frage, die mir einen weiteren Stich versetzte. Mit leisen, leichten Schritten, fast unmöglich wahrzunehmen, näherte sich die Person, der die dunkle und ruhige Stimme gehörte. Sie wirkte weniger bedrohlich als mysteriös, aber dennoch jagte sie mir einen kalten Schauer über den Rücken. Ich blickte auf, starrte nicht mehr auf den Boden, sondern in die tiefste Dunkelheit und durch einen Tränenschleier hindurch. Die neue Situation lenkte mich vom Vergangenen ab, sodass es mir wieder möglich war, zu atmen. Ich nahm einen tiefen Atemzug durch den Mund. Der eingesaugte Sauerstoff wirkte wie ein Schnitt bis in meine Lunge; mein Körper war schwer, wie belastet. Jeder weitere Zug tat weh, aber die Tränen hörten auf zu fließen und ich konnte mich etwas auf die Stimme konzentrieren, auf die Person, die jetzt sehr nah war. Trotz des Vollmondes konnte ich nur die Umrisse der Person erkennen. Allem Anschein nach war die Person männlich, das verriet seine Stimmfarbe. Seine Silhouette offenbarte nicht seine Statur, denn er trug allem Anschein nach einen langen Mantel. Er war jedoch größer als ich, was allerdings nicht charakteristisch war. Fragend musterte ich die dunkle Gestalt. Was auch immer er von mir wollte, es ließ mich bereits innerlich erschaudern. Ich bekam eine Gänsehaut, schlang schützend meine Arme um mich, während ich immer noch auf dem Boden kniete, unfähig, mich zu bewegen. Die Fragen, die nacheinander in meinem Kopf auftauchten, konnte ich mir nicht beantworten. Wer war der Kerl? Was wollte er von mir? "Hasst du ihn?" Was hatte er damit gemeint? "Wer...?" Ich versuchte, eine Frage zu formulieren, aber meine Stimme brach durch den vergangenen Schock, auf den so schnell ein neuer gefolgt war. Er kam näher, das merkte ich, denn die Präsenz seines Chakras erdrückte mich und ich spürte, wie sich eine Last auf meinen Körper legte. Diese Kraft hielt er nicht zurück, verbarg sie nicht, sondern ließ ihr freien Lauf. Ein weiterer Faktor, der es mir nunmehr erschwerte, zu atmen. Ich schluckte, bemerkte den Kloß im Hals und den Reiz in meinem trockenen Rachen. "Das ist unwichtig." Seine knappe Antwort ließ mich zusammenzucken und ganz klein werden. Wie ein großer Schatten erhob er sich nun unmittelbar über mir, den Kopf jedoch nicht nach unten geneigt, sondern den Blick geradeaus gerichtet. Der bestimmende Ton in seiner Stimme gefiel mir nicht, aber er sagte diese Worte so gelassen, sodass er ihn überspielen konnte. Nicht seine Stimme machte mir Angst, es war mehr die gesamte Situation. Vielleicht war ich immer noch von dieser anderen Sache beeinflusst, das war ich sicherlich. Aber war ich wirklich zu zerrüttet, um nicht von einer Gefahr auszugehen? Er war ein Fremder, dieser Kerl, mit einem sehr bedrückenden Chakra, einem blutigen Chakra, das mich zum Frieren brachte. Also warum konnte ich nicht aufstehen, wegrennen und Hilfe holen? Warum fühlte sich mein Körper an, als wäre er aus Blei? "Was wollen Sie?" Ich dachte, meine Stimme würde ein zweites Mal brechen, aber die Neugierde war stärker als der Schmerz und ließ meine Stimme plötzlich ganz leicht werden, obgleich Angst in ihr mitschwang. Angst, vor seiner Antwort und vor dem, was er möglicherweise tun könnte. Die Situation war mir unheimlich, und das wurde sie mehr und mehr, denn er antwortete nicht; stand einfach nur da. Mir wurde bewusst, dass er immer noch auf eine Antwort wartete, eine Antwort, die ich ihm eigentlich nicht geben wollte. Aber ich fürchtete mich davor, sie ihm nicht zu geben. Das war keine Person, die man anschweigen konnte. Er gehörte nicht zu den Guten, das wurde mir jeden Augenblick ein bisschen mehr bewusst. Ich konnte es fühlen, mein Körper konnte es fühlen, denn er zitterte. Aber was meinte er mit dieser Frage? Etwa Sasuke? Wenn dem so war, dann hatte er alles mitbekommen. Dann hatte er gehört, was er zu mir gesagt hatte, hatte gesehen, wie er mich außer Gefecht gesetzt hatte und mich liegen gelassen. Er hatte Sasuke dann gehen sehen, gehen, nach Oto, zu Orochimaru... Aber warum diese Frage? Hasste ich ihn? Natürlich nicht. Ich liebte ihn, das hatte ich ihm gesagt... Trotzdem war er gegangen. Aber konnte Liebe von einem Moment auf den anderen zu Hass werden? Nein. "Nein, ich hasse ihn nicht..." Aber ich war enttäuscht von ihm, aufgewühlt, verletzt, verloren und fühlte mich von ihm allein gelassen. Das musste dieser Fremde nicht wissen, aber diese Gefühle brannten in mir wie ein Feuer. "Er hat dich verletzt." Damit hatte er so verdammt Recht und es tat furchtbar weh, aber gleichzeitig jagte mir sein Wissen einen Schauer über den Rücken. Woher konnte er ahnen, dass Sasuke mich damit so sehr verletzte? Sicherlich sah man es mir an, meine Reaktion ließ erahnen, wie es in mir aussah und was Sasuke mir bedeutete, und trotzdem wurde mir unbehaglicher. Wie kam er dazu, mit mir über diese Sache zu reden? Er konnte doch nicht nur deswegen hier sein, konnte doch nicht wissen, was heute passieren würde, das war nicht möglich... Ich hatte Angst, aber ich wollte nicht weglaufen. Konnte es auch nicht. Selbst wenn ich noch so sehr gewollt hätte, meine Beine hätten sich kein Stück bewegt, geschweige denn hätte ich aufstehen können. Er erschien mir auch nicht als die Person, die das geduldet hätte. Meine einzige Chance war es, mit ihm zu reden, all seine Fragen zu beantworten und keine Angst mehr zu haben. "Ich weiß..." Die Situation war grotesk, mit diesem Fremden über all das zu reden, über meine Gefühle für Sasuke. Aber welche Alternative blieb mir? Ich hätte laufen können, Hilfe holen oder nach Sasuke suchen; versuchen, ihn rechtzeitig zu finden. Es wäre eine Möglichkeit gewesen, aber mein Körper ließ weder das eine noch das andere zu. "Hasst du dich selbst?" Eine weitere Frage wie ein scharfes Messer, und es fühlte sich an, als würde es meinen Rücken durchbohren, mir meinen letzten Schutz, meinen Stolz, durchstechen. Ich schwieg. Ja, ich hasste mich. Abgrundtief sogar, für meine elende Schwäche. "Vielleicht hätte ich ihn aufhalten können, wenn ich stärker gewesen wäre..." Ja, vielleicht. Ich war nicht schnell genug, um zu bemerken, dass er hinter mir war. Nicht stark genug, ihn zu verfolgen und ihn aufzuhalten. Nicht stolz genug, um nicht über ihn zu reden. Ich musste nicht mit diesem Fremden darüber reden. Ich konnte wählen. Wählen, zwischen der Wahrheit und einer Reaktion, die ich nicht kannte und wahrscheinlich nicht kennen lernen wollte. Redete ich deshalb mit ihm? Oder tat ich es, weil es so befreiend wirkte? Es war, als würde die schwere Last mit jedem wahren Wort leichter werden, auch, wenn das jetzt nicht mehr viel ausmachte. "Komm mit mir." Augenblicklich zuckte mein Körper und die zuvor entwichene Last fiel wieder auf mich zurück, wie ein schwerer Stein, den man über mir fallen gelassen hatte. Wie eine Briefbombe, die über mir explodiert war. Wir Menschen können zwischen Himmel und Hölle entscheiden. Ich konnte das. Die Frage ist: Nehmen wir den einfachen Weg? Oder den Schweren? ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Dieses Kapitel nannte ich ursprünglich "Verkaufte Seelen". Ich habe es komplett erneuert, nur wenige, einzelne Stücke sind gleich geblieben. Die Fanfic heißt nun "Vortex". Kritik ist trotz der Verbesserung natürlich erwünscht ;) Kapitel 2: Ein Deal ist ein Deal -------------------------------- Ich weiß, es muss hart sein, in deinen Schuhen zu laufen. Aber es ist härter, meine Lasten zu tragen. Ich will nicht wie du sein, aber vielleicht ist es der einzige Weg, dich zu retten. Komm mit mir Seine Worte hallten in meinen umher wirbelnden Gedanken wieder, und ich fragte mich, ob ich ihn richtig verstanden hatte. Aber ich hatte keine Schwierigkeiten gehabt, ihn zu verstehen, ich hatte möglicherweise mehr Angst davor, dass er diese Worte wirklich ausgesprochen haben könnte. Ich schlang meine Arme eng um meinen Körper, obwohl es gerade windstill war. Warum war mir plötzlich so kalt? Ich wusste, er wartete auf eine Antwort, nur fragte ich mich, warum er das hier alles tat. So viele Fragen beschäftigten mich, als wären sie ein dichter Nebel, der um mich schwebte, und mir die Sicht auf Klarheit nahm. Warum war dieser Mann hier? Er konnte nicht wegen mir gekommen sein, er kannte mich nicht einmal. Wer würde denn schon wegen mir irgendwohin gehen? Ich war schwach, ich nutzte niemandem etwas. Warum wollte er, dass ich mit ihm kam? Welchen Nutzen hätte er denn davon, von einem schwachen Anhängsel verfolgt zu werden? Nicht einmal Sasuke, der nach Stärke strebte, brauchte mich. Wie könnte ein Mann wie er, der diese Stärke offensichtlich schon besaß, also von mir profitieren? Sollte er mich töten wollen, so hätte er das bereits getan. Er wirkte zumindest nicht wie einer der Menschen, die Mitleid mit einem weinenden Mädchen gehabt hätten. „Warum… warum sind Sie hier?“ Meine Stimme bebte noch immer, da ich Angst hatte vor dem, was er sagen würde. Ich wusste nicht, ob ich überhaupt eine Antwort erhalten würde. Im Nachhinein kam mir die Frage mehr als nur dumm vor, denn hatte dieser Mann einen auch nur halbwegs plausiblen Grund, so hätte er ihn mir sicher nicht genannt. Sein Chakra roch nach Blut. Ich hätte etwas tun sollen. Aber konnte ich etwas tun? Nein. Weil ich nicht einmal in der Lage gewesen war, Sasuke aufzuhalten. Nicht einmal das konnte ich. „Das muss dich nicht interessieren“, antwortete er mit seiner ruhigen, mysteriösen Stimme, die auf einer gewissen Ebene auch unheimlich wirkte. Diese tiefe Tonlage ließ mich frösteln, erzeugte eine Gänsehaut, von der ich hoffte, er würde sie in der Dunkelheit nicht sehen können. Aber dessen war ich mir nicht so sicher, weil ich glaubte, dieser Fremde bemerkte alles; als hätte er einen Blick für das Unsichtbare. Ich wollte ihm widersprechen, dass es mich sehr wohl interessierte, welche seine Beweggründe waren. Dass es mich brennend interessierte, warum er hier war, mich beobachtet hatte, und nun von mir verlangte, dass ich mit ihm kam. Welchen Anlass konnte ein Mann wie er schon dazu gehabt haben? Welcher Grund wäre es denn wert, ihn derart zu verbergen? Was versprach er sich davon? „Warum wollen Sie, dass ich mit Ihnen komme?“ Eigentlich erwartete ich keine Antwort, ich erhoffte sie mir. Der Wind pfiff nun wieder um meine Ohren und schrillte wie eine laute Trillerpfeife, die mich zusammenzucken ließ. Die erschaudernde Kälte hielt weiter an, so als brächte dieser Fremde sie mit sich. Als wäre sie sein ständiger Begleiter. Obwohl sein Chakra beängstigend wirkte, konnte ich nicht mit Sicherheit behaupten, was für eine Art Mensch er war. Lediglich, welcher Art er nicht war. „Ich mache dich stärker“, antwortete er mit seiner immerzu kalten Stimme, die seine ebenso kalte Präsenz unterstrich. Seine Worte hallten in meinen Ohren wie ein Echo. Stärke. Macht. War es nicht das, wofür Sasuke zu Orochimaru gehen wollte? War es nicht genau das, wofür ich Orochimaru hasste? Dass er Sasuke etwas geben konnte, das niemand von uns ihm zu schenken vermochte? Solche Menschen, die anderen derartige Kräfte versprachen, hatten immer etwas mit ihren Zielpersonen vor. Ich wusste nicht, was sich Orochimaru davon versprach, Sasuke stärker zu machen. Genauso wenig wusste ich, was dieser Mann sich davon erhoffte, mir Macht zu geben. Aber wollte ich das denn nicht? Ich war schon immer schwach gewesen, stand immer hinter meinen Teamkameraden zurück, weil ich nie gut genug war. Für niemanden. Ich war zu nichts zu gebrauchen gewesen, stets mussten andere mich verteidigen. Das wollte ich nicht mehr. Hier stand er also, dieser geheimnisvolle Fremde, und bot mir etwas an, das ich mir sehnsüchtig wünschte. Aber zu welchem Preis war das alles? „Gibt es… gibt es denn da keinen Haken?“ Natürlich gibt es den, belehrte mich meine innere Stimme. Er würde das nicht anbieten, nur um mir, einem fremden Mädchen, einen Gefallen zu tun, weil es ja so verzweifelt war. Das wäre schwachsinnig. „Du solltest meine Beweggründe nicht hinterfragen“, antwortete er schnippisch, doch seine Stimme war weiterhin ausgeglichen. Konnte ich wirklich auf ein Angebot wie dieses eingehen? Ich wusste, welche Risiken damit verbunden waren. Für Stärke musste man Opfer bringen, wie Sasuke es tat. Ich würde mit einer Person mitgehen, die ich weder kannte, noch einschätzen konnte. Einem Menschen, der möglicherweise tiefere Abgründe hatte als eine Schlucht, und der Dinge mit mir plante, die er im Dunkeln hielt. Außerdem würde ich Konoha verlassen müssen. Das Dorf, das seit dreizehn Jahren meine Heimat gewesen war, wo mein Herz hingehörte. Hier war meine Familie, hier waren meine Freunde und all die Menschen, die ich liebte, so wie sie mich liebten. In diesem Dorf arbeitete ich als Ninja, der geschworen hatte, seinem Dorf treu zu bleiben. Ich hatte eine Verpflichtung Konoha gegenüber. Das konnte ich nicht ignorieren. Wie konnte ich eine solche Entscheidung treffen? „Ich müsste Konoha verlassen… Ich würde mein Dorf verraten“, sagte ich zögernd, wobei ich beinahe kleinlaut wirkte. Ich konnte das nicht tun. Vor allem nicht wegen Naruto. Es war wichtig, dass ich ihm sagte, dass Sasuke gegangen war. Er würde es niemals verkraften können, dass wir beide weg waren. Das konnte ich ihm nicht antun. Ich war nicht wie Sasuke. „Ich bin nicht wie Sasuke“, sprach ich laut aus. „Vielleicht ist genau das ein Fehler.“ In der Dunkelheit konnte ich lediglich seine Umrisse ausmachen, aber es hatte sich etwas verändert, das konnte ich spüren. Sein Chakra hatte sich verändert. Es war jetzt nicht mehr nur erdrückend, es war, als schlug es mir in Form eines peitschenden Windes entgegen – mitten ins Gesicht. Er hatte sein Chakra also doch zurückgehalten. Dieser Umstand machte mich zunehmend nervös, jagte mir einen weiteren Schauer über den Rücken. Damals, im Todeswald, hatte mich Orochimarus Chakra paralysiert, so stark war es gewesen. Aber bei seinem war es anders. Es legte sich zwar wie eine Last über meinen Körper, doch es ließ mich nicht vollkommen gefrieren. Es konnte natürlich sein, dass er noch immer einen Teil zurückhielt, aber schon jetzt merkte ich, dass dieser Mann stärker als Orochimaru war. Das war sehr gut möglich. Doch all das brachte mich zu meinem inneren Konflikt zurück. Wenn ich mich weigerte, mit ihm zu gehen, dann wüsste ich nicht, was er tun würde. Ich traute ihm alles zu, und ich wusste, dass er zu vielen Dingen fähig sein konnte. Wenn ich mit ihm ging, dann wusste ich auch nicht, was er tun würde, da ich seine Gründe für dieses Angebot nicht kannte. Ich würde nicht wissen, wohin er mit mir gehen würde, und ich musste Konoha verlassen. Ich müsste alle hier enttäuschen. War es das also wirklich wert? War er das wert? Konnte ich das wirklich tun, das alles aufgeben, für einen Jungen, der mich wahrscheinlich nicht einmal liebte? Denn sonst wäre er hier geblieben, oder? Niemand würde das tun. Einen Weg ins Ungewisse einschlagen, alles hinter sich lassen, was einem lieb und teuer ist, für eine aussichtslose Liebe. Es war ein Risikoweg, das wusste ich. Vielleicht konnte ich auch Stärke erreichen, wenn ich hier in Konoha blieb. Mit Sensei Kakashi trainieren, mir Techniken beibringen lassen. Aber Kakashi hatte nicht ein solches Chakra. Sicher, er war mir sympathischer, aber möglicherweise war genau das der springende Punkt. War es nicht möglich, dass man bei Menschen wie diesem Fremden mehr Macht erlangen konnte, als bei den Leuten, die einem etwas bedeuteten? In Konoha würde ich mich nicht ausschließlich auf das Training konzentrieren, denn hier gab es noch so viele andere Dinge. Aber an einem Ort, der mir nichts bedeutete, mit einer Person, die mir nicht wichtig war, konnte ich da nicht viel mehr lernen? War es das, was Sasuke nach Oto gezogen hatte? Versuchte ich gerade wirklich, Sasukes Entscheidung zu verstehen? Ich war sogar dabei, dasselbe zu tun wie er. Normalerweise müsste ich ihn dafür hassen, aber das konnte ich nicht, weil ich ihn liebte. Nun suchte ich nach einem Weg, seine Entscheidung rückgängig zu machen. Aber dafür musste ich genau denselben, gefährlichen Weg gehen, den er eingeschlagen hatte. Es klang paradox, und das war es auch. Doch ich kam nur an Sasuke ran, wenn ich denselben Weg wählte. Nur so konnte ich ihn verstehen. Er hatte so oft gesagt, dass ich nicht so war wie er. Dass ich ihn nicht verstand. Die Antworten, die ich dafür brauchte, lagen vor mir. Ich fing an, zu verstehen. Wirklich zu verstehen. „Okay.“ Naruto würde mich dafür hassen. Vielleicht war das übertrieben, aber er würde es nicht verstehen, das wusste ich. Er würde nach mir suchen, und er würde nach Sasuke suchen. Weil er nicht so war wie Sasuke. Weil er die Dinge nicht akzeptieren wollte, wie sie waren. Aber das taten wir auch nicht. Doch es war ein Unterschied, Dinge nicht akzeptieren zu wollen, und Dinge wirklich und wahrhaftig nicht zu akzeptieren. Sie würden nach mir suchen. Nach uns suchen. Vielleicht würden sie sogar denken, dass wir gemeinsam das Dorf verlassen hatten, und auf eine Reise gegangen waren. Jedoch konnten sie nicht wissen, dass Sasuke mich niemals mitgenommen hätte. Weil sie genauso unwissend waren. Weil sie es niemals auch nur in Erwägung ziehen würden, das zu tun, was ich ihm Begriff war zu tun. Konoha verraten. Aber im Grunde verriet ich das Dorf doch nicht, oder? Ich meine, natürlich zeugte das nicht von Loyalität, aber ich würde schließlich keine Geheimnisse des Dorfes weitergeben. Schließlich kannte ich nicht einmal eines. Das bedeutete jedenfalls, dass mein Verlassen kein Risiko für Konoha sein würde. Sie müssten also nicht nach mir suchen – aber sie würden es tun. Weil jemand darum bitten würde. Denn ich war dennoch ein Teil des Dorfes, und hier waren Menschen, die mich hier behalten wollten. Allerdings war es nun immer noch Nacht und ich hatte das Überraschungsmoment auf meiner Seite. Wenn sie nach mir suchten, dann würde ich bereits weg sein. Wohin, das wusste ich nicht. Er fragte nicht etwa Dinge wie ‚Bist du dir sicher?’. Nein, er ging einfach und deutete mir mit einer flinken Handbewegung an, ihm zu folgen. Für ihn stand also fest: Was ich einmal ausgesprochen hatte, konnte ich nicht rückgängig machen. Meine Entscheidung war gefallen, und diesmal würde ich nicht zurückweichen, aufgeschreckt und verängstigt wie ein Häschen. Ich wollte nicht mehr schwach sein. Nie wieder. Mit leisen Schritten ging der Fremde in dem dunklen Mantel voran. Nicht ein einziges Mal drehte er sich um, so als wäre es ihm egal, ob ich hinter ihm war – oder eben nicht. Wahrscheinlich war er sich wohl ziemlich sicher, dass ich noch da war. Als wäre er sich sicher, dass ich mich nicht trauen würde, ihm nicht zu folgen. Der Mond leuchtete hell am Himmel, so wie ein König, der über sein Reich – die Erde – wachte. Es war eine wunderschöne, klare Nacht. Keine besonders gute Zeit, um sein Zuhause zu verlassen. Kein günstiger Zeitpunkt, um sein Herz zurückzulassen. Aber ich sagte kein Wort. Wie er brachte ich nicht einen Satz über die Lippen. Ich würde mich nicht über meine Situation beschweren, denn ich hatte es so gewollt. Ich würde nicht weinen, weil ich nicht schon wieder schwach sein wollte. Das hier war kein Abschied für immer, so viel stand für mich fest. Auch diese Entscheidung hatte ich heute für mich getroffen. Wir waren einige Zeit gegangen, ohne auch nur ein Wort zu sprechen. Dieser Mann schien kein sehr gesprächiger Typ zu sein, und ich wollte ihn nicht in seiner Ruhe stören. In Wirklichkeit hatte ich sogar Angst davor, ihn anzusprechen, Angst vor seiner Reaktion. Aber Angst war etwas Gutes – sie macht uns Menschen stärker. Ich würde daran wachsen. „Wohin gehen wir?“ Ich musste es schließlich fragen. Mein Aufbruch lag bereits längere Zeit zurück, und ich wusste nicht, wie lange wir unterwegs waren. Wir nahmen nur einen Weg, und der führte stets nach Norden, nur nach Norden. Der Mond war die ganze Zeit nicht von unserer Seite gewichen und auch das Wetter schlug nicht um. Ich hatte mich die ganze Zeit hinter ihm gehalten, denn ich wollte nicht neben ihn treten. Vielleicht wollte er nicht belästigt werden. Aber hätte er mich dann überhaupt mitgenommen? Den Grund dafür kannte ich noch immer nicht, und ich bezweifelte, dass er es mir sagen würde. Ich konnte mir noch immer nicht vorstellen, dass er lediglich nach Konoha gekommen war, um mich davon zu überzeugen, mit ihm zu kommen. Es konnte Zufall sein – das musste es aber nicht. Jedoch brachte es nichts, weitere Gedanken daran zu verschwenden. Wenn er wollte, dass ich seine Gründe kannte, würde er sie mir schon nennen. Wollte er nicht, dass ich etwas erfuhr, würde er weiter schweigen. „Das musst du jetzt nicht wissen“, antwortete er knapp. Ich lief nun doch mehr neben ihm als dahinter, denn ich wollte ihn ein wenig studieren, auch wenn ich glaubte, nicht aus diesem Mann schlau zu werden. Seine pechschwarzen Haare reflektierten den Glanz des silbernen Mondlichts, den ich auch in seinen rabenschwarzen Augen erkennen konnte. Sein Blick war starr nach vorne gerichtet, so als hätte er ein Ziel vor Augen, und war dennoch ziellos. So als nahm er etwas durch einen Schleier wahr, so als wollte er sich von mir abkapseln. Aber das machte keinen Sinn. „Warum wollten Sie, dass ich mit Ihnen komme? Was haben Sie davon?“ Ich erwartete, dass er mir keine Antwort gab. Dass er weiter schweigend neben mir herging, bis etwas Nennenswertes geschah. Vielleicht wartete er sogar auf solch eine Veränderung. Aber seine Reaktion war eine andere. „Du benutzt mich, ich benutze dich. Das ist ein Deal.“ Ich erstarrte innerlich, während ich versuchte, weiterzugehen und nicht stehen zu bleiben. Was meinte er nun damit? Ehrlich gesagt hatte ich nicht einmal mit einer Antwort gerechnet, doch diese hier brachte mich auch nicht weiter. Wir wussten beide, wofür ich ihn benutzte: Um Stärke zu erlangen. Aber wofür brauchte er mich? Ich entschied, dass es egal war, was es war, da er es mir nicht sagen würde. Er erschien mir unberechenbar, da ich ihn nicht kannte, aber so viel wusste ich bereits. Ich wusste, dass er nicht mit mir sprechen würde – nicht wirklich mit mir sprechen. Der Fußmarsch entwickelte sich langsam zu einer Tortur. Es kam mir fast so vor, als wären wir bereits die ganze Nacht unterwegs gewesen. Es mussten Stunden vergangen sein. Erschwerend kam hinzu, dass ich vom Tag nicht ausgeruht war, weil ich keinen Schlaf bekommen hatte. Ich war müde, und meine Augenlider wurden zunehmend schwerer und es fiel mir weder leicht, das Gleichgewicht zu behalten, noch in der vor mir liegenden Dunkelheit allzu viel zu erkennen. Das einzige, das mir den Weg wies, war sein ausgeprägtes Chakra, das ich mit Leichtigkeit spürte. Gefühlsmäßig war es wie eine Leuchtrakete, die er in die Luft geschossen hatte. „Ich kann nicht mehr“, sagte ich schließlich kleinlaut. Ich wollte nicht wehleidig sein, wirklich nicht. Aber es war doch sehr zweifelhaft, dass wir auf diesem Weg unser Ziel erreichten. Das brachte ihm nichts, und es war auch nicht hilfreich für mich. „Du hast vor, stärker zu werden.“ Es war keine Frage. „Ja“, murmelte ich mit einem fragenden Unterton in meiner trägen Stimme. „Dann ist das deine erste Prüfung. Ein starker Ninja kennt keine Müdigkeit – zumindest klagt er nicht darüber.“ Es war der vermutlich längste Satz, den ich von ihm gehört hatte, seit ich den Fremden getroffen hatte. Aber ich konnte nicht sagen, dass mich seine Worte besonders glücklich machten. Leider musste ich zugeben, dass er Recht hatte. Vom Jammern wurde ich nicht stärker. Nur wer über seine eigenen Grenzen hinweg schreitet, kann stärker werden. Sonst ist man nur so stark, wie man ohnehin schon gewesen ist. Also war das der erste Schritt, neue Grenzen zu erreichen. „Es wird schon hell“, bemerkte ich mit leiser Stimme, um so wenig Kraft wie möglich zu verbrauchen. Meine Augen brannten, und ich hatte nicht nur Mühe, sie offen zu halten, es war beinahe unmöglich. Meine Glieder schmerzten vom langen Gehen und ich hatte das Gefühl, dass ich mich nur noch nach vorne schleppte. Des Weiteren setzte bereits langsam die Dämmerung ein, und die Sonne machte sich bereit, sich über dem Horizont zu erheben. Alles wurde in ein gleißendes, orange-rotes Licht getaucht, und der Nebel, der sich in dem Tal befand, in dem wir uns fortbewegten, wurde nun deutlich sichtbar. Es war nun kühl, nicht mehr kalt. Doch die Kälte gehörte zu den Dingen, die mich wach hielten. Lange hielt ich das nicht mehr durch. „Hn.“ Es war seine einzige Reaktion, die mich unwillkürlich an Sasuke erinnerte. Der Gedanke an ihn schmerzte. Wie ging es ihm wohl jetzt? War er bereits in Oto angekommen? Was würde nun geschehen, mit ihm, mit mir, und noch viel wichtiger: Was geschah an diesem Morgen in Konoha? Sie würden in wenigen Stunden merken, dass ich nicht mehr da war – und dass Sasuke ebenfalls verschwunden war. Vielleicht hatte ich mehr, als nur ein paar Stündchen. Das kam ganz darauf an. Aber ich war weg, so viel stand fest. Nicht einmal ich selbst wusste, wo ich war. Also wie würden die Ninja aus Konoha es dann wissen? Es wunderte mich ohnehin, dass niemand uns gesehen hatte. Normalerweise waren um jede Uhrzeit Wachen rund um den Stadtausgang von Konoha postiert. Seltsam. Jemand hätte uns sehen müssen. Sie hätten jede Unregelmäßigkeit gemeldet, vor allem etwas wie das. War es vielleicht möglich, dass Sasuke sie außer Gefecht gesetzt hatte? Gut möglich. Aber irgendwie glaubte ich das nicht. Er hatte sich doch gerade erst von einem Angriff erholt. Ich wusste nicht, wie es passiert war, aber aus irgendeinem Grund war er ‚in einem Alptraum gefangen’ gewesen, wie Tsunade es ausgedrückt hatte. Tsunade war die neue Hokage von Konoha, die Naruto und Jiraya mitgebracht hatten, und die wie Letzterer eine der legendären Sannin war. Nun, und Orochimaru war auch einer von ihnen. Jedenfalls war es ganz gut, dass wir eine neue Hokage hatten. Sie kannte mich nicht wirklich, obwohl mir das wahrscheinlich kein Vorteil war. Trotzdem war die Geschichte mit den fehlenden Wachen seltsam. Sie hätten uns aufgehalten – oder schon viel eher jemanden geschickt. Verfolgt wurden wir jedenfalls nicht, das hätte mein Begleiter sicher gemerkt. In seiner Verfassung konnte Sasuke doch keine Wächter ausschalten. Das waren Jonin. So stark war Sasuke aber nicht. Also wie hatte er das gemacht? Vielleicht mit dem Sharingan? Unwahrscheinlich, da die Wächter ihn sofort erkannt hätten. Sie wären doch vorgewarnt gewesen. Oder nicht? Unterschätzte ich seinen Trumpf? Aber eigentlich war es unwichtig. Was zählte war, dass niemand uns aufgehalten hatte. Was zählte war, dass wir schon über alle Berge waren. Wir waren inzwischen über einen Bergpfad gewandert, und nun erstreckte sich im Licht der aufgehenden Sonne ein kleines Dorf im Tal zu unseren Füßen. Ein schmaler Weg führte herunter in einen Ort, an dem ich zuvor noch nie gewesen war. Zugegeben, allzu viel war ich im Feuerreich vorher noch nicht umher gekommen. Aber wer sagte mir, dass wir das Feuerreich nicht bereits verlassen hatten? Doch das konnte nicht sein. Das Feuerreich war riesig, und binnen einer Nacht Fußmarsch war es nicht möglich, es vollends zu durchqueren. Konoha war zwar recht zentral gelegen, aber wir waren nicht gelaufen – unser Tempo war völlig normal gewesen. Wir mussten uns demnach noch im Reich des Feuers befinden. Als ich das Dorf betrachtete, dachte ich sehnsüchtig an ein weiches Bett, in dem ich Schlaf und Erholung finden konnte, und in dem ich wieder Kraft schöpfen konnte, für die weitere Reise. Fraglich nur, ob wir uns das leisten konnten. Schließlich hatten wir nun einen Vorsprung gegenüber Konoha, doch sollten sie wirklich nach mir suchen, waren sie weiterhin in Schlagdistanz. Aber meine Müdigkeit konnte ich nicht mehr ignorieren. Früher oder später würde ich von selbst einschlafen – selbst beim Gehen. „Ich würde mich gerne hier ausruhen“, äußerste ich mich vorsichtig. Ich erwartete bereits eine schnelle, ablehnende Antwort. Zu meiner Überraschung schritt er voran auf dem Pfad, der ins Tal führte. Vielleicht war auch er müde, obwohl ich es nicht glaubte. Seine Grenzen schienen deutlich höher zu liegen. Das Dorf war klein und wirkte sehr ländlich. Ringsherum befanden sich viele Felder, was meine Vermutung, dass dieses ein landwirtschaftliches Dorf war, bestätigte. Manche der Häuser bestanden sogar zum Teil noch aus Holz, obwohl das auf die wenigsten zutraf. Der technische Fortschritt machte auch an einem Ort wie diesem nicht Halt. Während wir vor dem Dorf stoppten, konnte ich den schwarzhaarigen Mann erstmals richtig begutachten. Sein Mantel war lang und schwarz, und auf ihm befanden sich rote Wolken. Ich wusste nicht, ob es symbolisch für etwas stand oder nur eine einfache Modeerscheinung war, doch das war mir egal. Etwas anderes erregte sofort meine Aufmerksamkeit: Jetzt, wo ich ihn von der Seite und nicht mehr von hinten im vollen Licht sah, bemerkte ich, dass er ein Stirnband trug. Ein Ninjastirnband. Um eine bessere Sicht auf das Symbol darauf zu erhaschen, trat ich etwas mehr zur Seite, und erschrak augenblicklich, sodass ich beinahe laut aufgeschrieen hätte. Das Symbol, das sein Stirnband zierte, war ein Laubblatt. Ein durchkreuztes Laubblatt. Angst und Schock machte sich in mir breit, die Müdigkeit war wie verflogen, als hätte mich ein Blitz getroffen, und seine Energie auf mich übertragen. Das hatte ich in der Nacht nicht sehen können. Vielleicht wäre es mir aufgefallen, wenn ich mir die Mühe gemacht hätte, darauf zu achten. Aber das hatte ich nicht. Verdammt! Dieser Mann war ein ehemaliger Ninja aus Konoha. Noch schlimmer: Er war wahrscheinlich ein Verbrecher! Aber plötzlich machte es Klick bei mir. Hatte ich das nicht gewusst? Ich hatte geahnt, dass er keiner von den Guten war. Das war doch der Grund gewesen, warum ich überhaupt mit ihm gekommen war. Zwar nicht, weil er ein Verbrecher war, aber weil er mir nie etwas bedeuten würde, und das mir in meinem Streben in die Karten spielte. Machte es wirklich einen Unterschied, ob er aus Konoha kam? Nein. Er schien wohl bemerkt zu haben, dass mir sein Stirnband und die Bedeutung der Kerbe aufgefallen war, doch er wirkte nicht so, als kümmere es ihn sonderlich. „Hn.“ Mehr sagte er nicht dazu. Kurze Zeit später hatte ich mich wieder völlig gefangen, zumindest so, dass ich mir den Funken immer währende Furcht nicht anmerken ließ. Ihm schien es dennoch aufzufallen, auch wenn er mich nicht darauf ansprach. Es war ihm egal. Nun streckte er mir einige Geldscheine entgegen. „Du hast drei Stunden“, meinte er ruhig. Ich wusste sofort, was er mir sagen wollte. Erleichterung machte sich in mir breit. Ich durfte drei Stunden lang schlafen, und das sogar in einem gemachten Bett. Er sah nicht so aus, als würde er gerne einen überschwänglichen Dank hören wollen. Es waren zwar nur drei Stunden, doch ich wusste, mehr Zeit blieb mir nicht. Also sollte ich keine Minute verschwenden, denn ich war mehr als nur müde. Es war so viel auf einmal. „Danke“, sagte ich, während ich ihm zunickte. „Hn.“ Daran musste ich mich wohl gewöhnen. Nicht, dass ich das nicht längst schon getan hatte. „Nimm dein Stirnband ab“, befahl er mir schließlich. Er plante wirklich bis ins kleinste Detail. So würde niemand hinterfragen, woher ich kam und was ich hier machte. Ich konnte vorgeben zu sein, wer auch immer ich wollte. Ich löste mein Stirnband, das ich als Haarband benutzte, warf es jedoch nicht weg. Wenn ich nach Konoha zurückkehrte, würde ich es schließlich wieder brauchen. Ich würde kein anderes wollen. Also steckte ich es in meine kleine Tasche, die ich immer um die Hüfte gebunden bei mir trug. Er quittierte das, indem er eine Augenbraue hob, sagte aber nichts weiter. Er blieb vor dem Dorf stehend zurück. Möglicherweise tat er das, um nicht erkannt zu werden, da er ja ein Verbrecher aus dem Feuerreich war. Natürlich wollte er kein Risiko eingehen. Mit dieser Geste, mir Schlaf zu gewähren, wollte er sicherlich nicht nett sein. Ihm nutzte das wohlmöglich sogar mehr als mir. Müde war ich ein nur noch größerer Klotz am Bein. Seine Wege schienen mir unergründlich, und seine Absichten lagen für mich im Dunkeln. Aber ich wusste, dass er weder nett noch in irgendeinem Sinne großzügig war. Das hatte ich jedoch ahnen können, und damit musste ich mich nun abfinden, selbst wenn es schwer war. Alles war nicht mehr so leicht. Ich beeilte mich auf meinem Weg durch die Straßen, und fand schließlich ein Gebäude, das als ein Schlafplatz für Touristen gekennzeichnet war. Etwas zweifelhaft, dass hier allzu oft Reisende vorbeikamen. Aber wer weiß, ich konnte nicht einmal sagen, wo ich mich hier befand. Nicht einmal den Namen des Dorfes kannte ich. Nicht dass er eine Rolle gespielt hätte. Sofort betrat ich die Pension, und nahm eine Frau wahr, die an einem kleinen Holztisch saß. Sie war schon etwas älter, und lächelte mir freundlich entgegen. „Na junge Dame, was kann ich für dich tun?“ „Ich hätte gerne ein Zimmer für drei Stunden. Ich möchte mich ein wenig ausruhen“, antwortete ich. „So? Na was hast du denn die ganze Nacht gemacht? Du siehst wirklich müde aus. Bist du sicher, dass du nicht länger bleiben willst?“ Sie schien meine Verfassung bemerkt zu haben. Das war auch sicher nicht schwer. „Nein, für mehr reicht mein Geld nicht.“ Lüge. Ich hatte genug Geld bekommen. „Ach Schätzchen, ich bin sicher, wir können eine Ausnahme machen“, sagte sie schließlich großzügig. Das konnte ich jetzt gar nicht gebrauchen. „Nein, danke. Ich bin nur auf der Durchreise“, versuchte ich sie abzuwimmeln. „Ach, das ist doch Unsinn. Ich sehe doch, wie müde du bist. Wohin sollte jemand in deinem Alter reisen?“ Mir gingen langsam die Ideen aus. Doch plötzlich hatte ich einen Einfall. „Hören Sie, so viel Zeit habe ich nicht. Ich bin auf einer Geheimmission, mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Sie dürfen niemandem erzählen, dass ich je hier gewesen bin.“ Technisch gesehen war das nicht mal eine Lüge. Ich log nicht sehr gerne, weil ich ein wahrheitsliebender Mensch war. „In deinem Alter bekommst du Geheimmissionen? Du bist also eine Kunoichi?“ Sie klang überrascht, doch nicht völlig überzeugt. Doch sie war eine alte Dame. Es war zu schaffen, sie zu überlisten, und meine Idee war nicht schlecht. „Sie würden sich wundern, wie viele Kinder in meinem Alter bereits voll ausgebildete Ninja sind“, antwortete ich selbstsicher. „Also kann ich nun ein Zimmer haben?“ Sie schien überzeugt, warum auch immer. Ich hätte mir nicht geglaubt. Sie nannte mir den Preis, ich bezahlte und die Frau händigte mir den Schlüssel aus. „Das bleibt unter uns, okay? Gefährden Sie nicht meine Mission.“ „Sicher nicht, mein Kind. Du bist sehr mutig, das ist bewundernswert.“ Während ich mein Zimmer aufsuchte, dachte ich über ihre Worte nach. Das war zu komisch. Ich war nicht mutig, das Gegenteil war der Fall. Man konnte mich nicht bewundern, sondern nur bemitleiden. Als ich mein Zimmer gefunden hatte, trat ich ein und schloss die Tür. Sofort legte ich mich auf das Bett und musste mich nicht einmal zudecken, weil es Sommer war. Ich nahm mir vor, in drei Stunden wieder wach zu sein. Das funktionierte wirklich. Es war seltsam, aber wenn ich nur eine gewisse Zeit schlafen wollte, dann wachte ich zur rechten Zeit auch wieder auf, wenn ich das so wollte. Und während ich mir die Stundenzahl immer wieder vorsagte, wurde mir in diesem Moment einiges bewusst: Ich hatte Konoha verlassen. Verraten. Ich hatte meine Familie und meine Freunde enttäuscht. Ich war mit einem fremden Verbrecher mitgegangen, in der Hoffnung, stärker zu werden. Für jemanden, den ich liebte, der mich aber nicht liebte. Im Prinzip steckte ich bis zum Hals in der Scheiße. Mit diesem Wissen sank ich in den Schlaf, der für drei Stunden währen sollte… Für dich gehe ich Risiken ein, für dich lüge und betrüge ich. Wenn du doch nur dasselbe für mich tun würdest… Bist du das denn wirklich wert? Kannst du nicht kommen, und mir sagen, dass du es nicht bist? _________________________________________________________________ Es hat lange gedauert, aber das zweite Kapitel ist fertig! Und… es ist lang geworden! Ich hoffe, dass es euch gefallen hat. Wie immer sind Kritik & Kommentare erwünscht :-) Liebste Grüße, Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)