Severine von Only ================================================================================ Kapitel 1: Der Alptraum beginnt ------------------------------- Meine Mom meinte, es wäre eine gute Idee, zu meinem Vater nach Cleveland – Oklahoma – zu ziehen. Ich hingegen fand die Idee nicht sehr berauschend. Doch leider konnte ich sie nicht davon überzeugen, dass ich auch alleine zurecht kam. Ich wusste ja auch, dass es besser wäre, wenn ich bei ihm aufwuchs - da sie ja ständig unterwegs war - aber ich wollte nicht aus Wyoming – Michigan – wegziehen. Ich liebte es hier. Und in Cleveland kannte ich doch niemanden. Aber auch dagegen hatte meine Mom ein Argument >Du wirst schon neue Freunde finden.< Immer das gleiche. Und was wäre, wenn ich das gar nicht wollte? Keiner fragte mich nach meiner Meinung. Sie entschieden einfach über meinen Kopf hinweg. Die Taschen waren gepackt und das Ticktet gekauft. Es gab kein zurück mehr. Ich stand einfach nur da – in meiner blauen Lieblingshose und einem schwarzen T-Shirt mit Kapuze, das mir meine Mom vor 2 Jahren mal in einem Laden - in der Nähe von der Küste - gekauft hatte. »Zieh deine Jacke an.«, mahnte mich meine Mutter. »Du erkältest dich sonst.« Ich sah ihr an, dass sie ein wenig unruhig war. »Pass auf dich auf, hörst du?« »Es war deine Idee, schon vergessen?« Ich sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. »Aber es ist das Beste für dich.« Sie versuchte die Schuld von sich zu weisen, aber das ließ mich kalt. Ich war immer noch sauer, dass sie das über meinen Kopf hinweg entschieden hatte. Dann blinkte mein Flug auf. »Ich muss gehen.«, sagte ich bloß und ging ohne ein Wort des Abschieds. »Sophie...« Der Flug war langweilig. An Bord zeigten sie einen französischen Film der mich nicht wirklich interessierte. Also zog ich mein MP3 Player raus und hörte ein wenig Musik, um mich abzulenken. Ich musste eingeschlafen sein, da ich von einer Stewardess geweckt wurde, als der Landeanflug begann. Sie wollte, dass ich mich anschnalle. Gesagt – getan. Die Leute drängten sich an mir vorbei, sie schienen es alle eilig zu haben. Nur ich nicht. Ich hatte nicht sonderlich große Lust meinen Dad wiederzusehen. Nachdem er und Mom ihren eigenen Weg gegangen waren, hatte er sich irgendwie verändert. Auf eine Art und Weise die ich einfach nicht verstand. Plötzlich griff etwas nach mir und hielt mich an der Schulter fest. Der Schock war mir sichtlich ins Gesicht geschrieben. »Warte mal.«, sagte eine männliche Stimme hinter mir. »Du bist doch die Kleine von Ben?« Ich drehte mich um. Es war Adam, ein guter Freund von meinem Dad. Er hatte seine braune Wollmütze auf und einen Rollkragenpullover an. Das trug er eigentlich schon immer, zumindest seit ich ihn kannte. Mit seinen großen blauen Augen sah er mich an. Er schien darauf zu warten, dass ich irgendetwas sagte. »Wo ist Ben?«, fragte ich schließlich, um seinen Erwartungen gerecht zu werden. »Er hat mich gebeten dich abzuholen, da er noch einen wichtigen Termin hat.« Na toll, da komme ich den weiten Weg aus Wyoming geflogen und er hält es nicht mal für nötig mich abzuholen. Ich war stock-sauer, versuchte es mir aber nicht anmerken zu lassen. Adam begleitete mich aus dem Flughafen. »Hast du Hunger?«, fragte er mich, als wir an einem Imbiss vorbeigingen. »Nicht wirklich...« Nachdem wir dann den Rest des Weges zum Apartment geschwiegen hatten, sah Adam mich verwundert an. »Früher warst du irgendwie gesprächiger.«, bemerkte er beiläufig. Ich reagierte gar nicht erst darauf und schaute mir das Apartment an. Es sah noch genauso aus wie vor fünf Jahren – da war ich das letzte Mal hier. »Danke fürs Herbringen.« »Kein Problem. Dein Vater müsste auch bald kommen, er hat gesagt um neun ist er wieder zu Hause.« Adam winkte noch mal bevor er durch die Tür verschwand. Und dann war ich wieder allein. So wie immer, wenn ich in Cleveland war, irgendwie hatte ich hier nie Freunde gefunden. Und jetzt sollte es so einfach werden? Das konnte ich mir nicht vorstellen. Ich setzte mich auf das weiße Sofa das im Wohnzimmer stand. Bei näherer Betrachtung war eigentlich alles weiß in dem Zimmer – die Schränke, der Teppich, die Wände. Sogar der Fernseher war weiß. Ich hatte keine Ahnung woher mein Dad diesem Fetisch hatte. Lag es vielleicht daran, dass er Arzt war? Ich versuchte mich abzulenken. Da klingelte das Telefon. Eine Weile stand ich davor. Sollte ich einfach ran gehen? Zögernd hob ich den Hörer ab. »Ja?«, fragte ich leise. »Sophie! Wie ich sehe bist du gut in meinem Apartment angekommen. Wie war der Flug?« »Langweilig.« »Das ist aber schade. Ich muss dich leider noch ein bisschen länger vertrösten. Heute ist einer der Kollegen ausgefallen und ich muss für ihn einspringen. Im Tiefkühlschrank ist noch eine Pizza, mach sie dir warm, wenn du Hunger hast. Also wir sehen uns dann Morgen.« »Ja, bis später dann.«, erwiderte ich, dann legte er auf. Ich blieb noch eine Weile mit dem Hörer in der Hand stehen und überlegte, ob ich nun wütend sein sollte oder eher traurig. Da ich mich für keins von beiden entscheiden konnte, legte ich auf und setzte mich wieder auf das Sofa. »Und jetzt?« Ich schaute mich um. Was konnte ich hier schon großartig machen? Keine Spielkonsole, kein Videorekorder – geschweige denn Videos – nichts, es gab nichts womit ich mich auch nur ein paar Minuten hätte beschäftigen können. So entschloss ich mich Musik zu hören. »Severine?« Ich schreckte hoch. Draußen war es noch dunkel, also konnte ich nicht lange geschlafen haben. Ich schaute mich um, es war niemand da. »Severine...« Da war es wieder. Wo kam diese Stimme her? Und wer ist Severine? »Severiiiine...« Die Stimme kam immer näher. »Severine...« Langsam bekam ich angst. Panisch drehte ich mich hin und her. »Severine...bist du es nicht Leid, so alleine zu sein?« »Wer spricht da?« Plötzlich kam dunkler Nebel von allen Seiten auf mich zu und verschnürte mir die Atemwege. Mir wurde Schwarz vor Augen und ich fiel ohnmächtig zu Boden. »Sophie?! Oh mein Gott, was ist mit dir? Mach doch bitte die Augen auf.« Irgendwer redete mit mir und rüttelte kräftig an meinen Schultern, doch ich bekam meine Augen nicht auf. »Sophie, bitte sag doch was!« Diese Stimme kannte ich, sie klang so vertraut. Mein Dad! Mit viel Mühe und der Hilfe von meinem Dad gelang es mir, mich aufzurichten. Ich öffnete die Augen. »Ein Glück!« Er nahm mich in die Arme. »Was ist mit dir passiert?«, fragte er besorgt. »Ich, ich weiß es nicht...« Ich war immer noch etwas benommen. »Du hast mir einen riesigen Schreck eingejagt. Einfach so bewusstlos auf dem Boden zu liegen.« Jetzt machte er mir auch noch Vorwürfe, weil ich ohnmächtig geworden war. Typisch Dad. Er trug mich in das Zimmer, was er für mich vorbereitet hatte und legte mich ins Bett. »Schlaf dich erstmal richtig aus. Morgen wird ein anstrengender Tag.« Ich schaute auf die Uhr, die neben meinem Bett auf dem Nachttisch stand. Es war kurz vor Mitternacht. Hatte ich das alles nur geträumt? Aber diese Angst, sie fühlte sich so real an. Mein Dad küsste mich auf die Stirn. »Gute Nacht mein Schatz.« Dann machte er das Licht aus und ging aus dem Zimmer. Ich versuchte zu schlafen, aber die Angst, dass dieser Alptraum wiederkehren könnte, war zu groß. Nachdem ich mich Stunde um Stunde im Bett hin und her gedreht hatte, überkam mich schließlich doch die Müdigkeit und ich schlief ein. Am morgen wurde ich durch einen lauten Knall geweckt. Ich sprang aus dem Bett und rannte in die Wohnstube. »Was ist passiert?«, rief ich laut. »Oh, du bist schon wach?«, fragte mein Dad, als er sich gerade Frühstück machte. »Hast du den Knall eben nicht gehört?« Ich wedelte wie wild mit meinen Armen herum. »Ach das. Draußen ist eine Baustelle. Den Arbeitern ist anscheinend ein Stahlseil gerissen und einer der Stahlträger ist herunter gefallen. Das passiert hier öfter. Daran gewöhnt man sich mit der Zeit.« Er lächelte mich an und nahm einen kräftigen Schluck aus seiner Kaffeetasse. »So Schatz, ich muss jetzt los. Adam kommt dich um halb acht abholen.« Ich sah ihn verwundert an. »Er bringt dich zur Schule. Ich hatte dich dort zwar schon angemeldet, aber am besten ist, du meldest dich erstmal beim Direktor. Er wird dir dann deinen Stundenplan geben.« Er schaute auf die Uhr. »Mist, jetzt komm ich zu spät.« Und weg war er. Wieder stand ich mutterseelenallein in dem riesigen Apartment. Und jetzt? Immer die selbe Frage. Zum schlafen war ich zu aufgekratzt. Also entschloss ich mich erstmal duschen zu gehen. Es war herrlich wie das warme Wasser an meinem Körper herunterlief. Nach der Dusche machte ich mir erstmal Frühstück. Ich guckte in den Kühlschrank, doch er war - bis auf eine Flasche Milch - komplett leer. Also roch ich an der Milch um zu testen ob sie noch gut war. Ein Glück, man konnte sie noch trinken. Wenn er jetzt noch Cornflakes oder Müsli hätte, wäre ich überglücklich. Nachdem ich dann in allen Schränken gesucht hatte, fand ich schließlich welche über der Spüle. Kein sehr ausgefallenes Mahl. Aber fürs Frühstück reichte es. Nach dem Essen zog ich mir erstmal was an. Ich entschied mich nach langer Überlegung für mein rotes T-Shirt mit weißem Blumenaufdruck und einer gewöhnlichen Bluejeans. Danach föhnte ich mir noch schnell dir Haare und kämmte sie durch. Da klingelte es auch schon an der Tür. Ich schaute durch den Spion. Es war Adam. Pünktlich auf die Minute. Ich machte die Tür auf. »Morgen, bist du fertig?« »Ja, ich hole nur noch schnell meine Tasche, dann können wir los.« Ich rannte schnell in mein Zimmer, griff meine rote Umhängetasche und rannte anschließend wieder zur Tür. »Jetzt können wir.«, sagte ich etwas außer Atem. Der Weg zur High School war nicht weit. Aber ohne Adam hätte ich mich da nie hin gefunden. Ich war einfach unglaublich Orientierungslos. Ich verlief mich sogar mal in einem Kaufhaus in Michigan - echt peinlich. Als ich den Namen der Schule las, wurde mir übel. >Cleveland District State High School< Oh mein Gott. Wie kam mein Dad auf die Idee, mich hier anzumelden? Mit mulmigen Gefühl ging ich hinein. Adam brachte mich noch bis zum Direktor, der mich sogleich in seine Fittiche nahm. »Wir sehen uns nach der Schule.«, rief Adam als er Richtung Ausgang ging. »So Sie sind also Sophie Hale?«, fragte mich der Direktor. »Ja.«, antwortete ich. Er reichte mir einen Zettel, wo mein Stundenplan drauf stand. »Dann kommen Sie mal mit, ich bringe Sie zu Ihrer ersten Stunde.« Ich folgte dem Direktor unauffällig. Vor einem der Unzähligen Türen blieben wir stehen. Ich las auf dem Stundenplan nach, welches Fach ich als erstes hatte. Mathematik - nicht gerade eines meiner Lieblingsfächer. »Ich wünsche Ihnen viel Erfolg, an Ihrem ersten Schultag an der >Cleveland District State High School<.« Er drehte sich um und ging zurück zu seinem Büro. Vorsichtig klopfte ich an die Tür. »Herein.«, rief eine Stimme aus dem Raum. Ich trat ein. »Ah! Sie müssen Sophie Hale sein. Ich hab ja schon so viel von Ihnen gehört.« Der Lehrer griff nach meiner Hand und schüttelte sie kräftig. »Ich bin Mr Miller.«, stellte er sich vor. »Guten Tag.«, erwiderte ich. »Am besten ist, Sie stellen sich erstmal der Klasse vor.« Oh nein. Das war das Letzte was ich wollte. Ich hatte gehofft ich müsste so etwas nicht tun. Aber da ich es mir ja leider nicht aussuchen konnte, stellte ich mich vor die Klasse und begann mich vorzustellen. »Hallo, mein Name ist Sophie Hale, ich bin aus Wyoming hierher gezogen.« Eingige sahen richtig interessiert aus. Andere schrieben sich Zettelchen oder machten irgendetwas anderes. Als der Lehrer merkte, dass es unruhig wurde, signalisierte er mir, dass ich mich auf einen freien Platz setzen sollte. Ich schaute mich um. Da es nur einen freien Platz gab - der direkt am Fenster war - setzte ich mich dahin. Kaum war ich am Platz, sprach mich meine neue Banknachbarin sofort an. »Hi.«, flüsterte sie. »Ich bin Jennifer, aber du kannst mich ruhig Jenn nennen.« Ich schaute sie verwundert an. Damit hatte ich nicht gerechnet. »Ähm, hi.«, erwiderte ich bloß. Und da begann sie wie ein Wasserfall zu plappern. Sie erzählte mir, dass sie auch erst vor kurzem hierher gezogen war und noch nicht so viele Leute kannte. Als sie mir ihre Lebensgeschichte in jedem Detail erzählte, schaute ich sie mir genauer an. Sie war fast einen ganzen Kopf kleiner als ich und etwas kräftiger gebaut. Ihre roten Haare – sie waren gefärbt – hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Als sie merkte, dass ich sie mir genauer anschaute, hielt sie kurz inne. »Hab ich was im Gesicht?«, fragte sie verwirrt. »Nein, nein. Ich war nur so begeistert von deiner Geschichte, dass ich den Blick nicht von dir lassen konnte.«, log ich. Sie schien mir zu glauben. »Ach so, na dann.« Und weiter ging ihre Geschichte. Ich hörte ihr jetzt schon nicht mehr zu. Sie schien ja ganz nett zu sein. Aber sie redete mir eindeutig zu viel. Ich lachte kurz in mich hinein. Da ermahnte mich Mr Miller. »Wenn Sie das so lustig finden Miss Hale, dann können sie auch gerne nach vorne kommen und es den anderen erklären.« Alle starrten mich an und ich versank vor Scham fast unter den Tisch. Den Rest der Stunde hörte ich aufmerksam dem Lehrer zu. Ich verstand zwar kein Wort, aber wenigstens konnte er mich nicht wegen Störung des Unterrichts ermahnen. In der zweiten Stunde hatte ich Englisch. Endlich mal ein Fach in dem ich auch etwas verstand. Jetzt musste ich nur noch den Raum finden. »Was hast du in der nächsten Stunde?« Ich drehte mich um. Jenn stand hinter mir. Sie schien mir helfen zu wollen. »Englisch.«, sage ich schnell. »Das ist ja prima, ich hab jetzt auch Englisch.« Nach einem kurzen Stundenplanvergleich viel mir auf, dass wir genau den gleichen hatten. Ob ich das Gelaber von ihr den ganzen Tag ertragen würde? Sie griff nach meiner Hand und zog mich halb über den Flur. Sie ließ meine Hand erst los, als wir im Raum angekommen waren. Schnell setzte sie sich auf ihren Platz. Ein Glück. In Englisch saß schon jemand neben ihr. Ich schaute mich um, ob ich noch einen freien Platz ergattern konnte. Da erblickte ich einen in den hinteren Reihen - neben einem Mädchen. Sie hatte wie Jenn auch rote Haare, aber ihre waren kurz und sie hatte eine weiße Strähne, die an ihrem Scheitel entlang lief. Wir schienen gleich groß zu sein und sie war fast genauso gebaut wie ich. Langsam ging ich auf den freien Platz zu. »Ist hier noch frei?«, fragte ich vorsichtig. »Ja.«, erwiderte sie mit einem Lächeln. Sie nahm ihre Tasche von dem Stuhl und ich setzte mich hin. »Du bist neu hier oder?«, fragte sie neugierig. »Ja, gestern erst angekommen.«, erwiderte ich. »Ich bin Franzi.«, stellte sie sich vor. »Schön, deine Bekanntschaft zu machen.« »Sophie, sehr erfreut.«, sagte ich. Da kam Jenn auf mich zu. »Ah, du hast Franzi schon kennen gelernt.«, freute sie sich. »Ähm, ja.«, stotterte ich. Franzi und sie schienen sich zu kennen - was ja nicht ausblieb, wenn man auf die gleiche Schule ging. Der Lehrer klopfte laut mit einem Buch auf den Tisch. Die Schüler drehten sich um und rannten schnell auf ihre Plätze. Dann begann er zu sprechen. »Da wir heute einen neuen Schüler begrüßen dürfen, stelle ich mich erstmal vor. Ich bin Mr Papper. Ich unterrichte Englisch. Miss Hale, wären sie so nett, sich der Klasse vorzustellen?« Er winkte mich nach vorne. Ich stand langsam auf und zwängte mich durch die Tischreihen. Als ich fast vorne war, stolperte ich über eine der Taschen und fiel hin. Alle lachten. Es störte mich nicht weiter, da es mir an meiner alten Schule nicht anders erging. Ich klopfte mir den Dreck von der Hose, drehte mich um und sagte den gleichen Text, wie schon in der ersten Stunde. Dann ging ich wieder auf meinen Platz zurück. »Wenn mir das passiert wäre, wäre ich vor Scham gestorben.«, flüsterte mir Franzi zu. »Ich bins gewohnt.«, sagte ich trocken. Da heulte plötzlich eine Sirene auf. »Feueralarm!«, rief einer der Schüler. »Hast du ein Glück Sophie.«, lachte Franzi. »Gleich an deinem ersten Tag, kannst du früher nach Hause.« Ich musste auch lachen. Geschlossen gingen wir alle aus dem Gebäude, zu einem großen Parkplatz in der Nähe. Die Lehrer begannen durchzuzählen, damit sie sich sicher seien konnten, dass nicht noch irgendwer im Gebäude war. Da gesellte sich ein schwarz haariger Junge zu uns. Er war einen halben Kopf größer als ich, sehr dünn und trug seinen Rucksack lässig an einer Schulter. »Jake...«, zischte ihn Franzi an. »Was denn?«, fragte er unschuldig. Da kam auch schon Mr Papper. Er tippte uns auf die Schultern und sagte Nummern. Dem entnahm ich mal, dass er noch zählte. »Du weißt genau, dass das Ärger geben wird.«, mahnte Franzi. »Es hat mich doch keiner gesehen.«, erwiderte er beiläufig. Ich sah ihn immer noch an, dass schien er zu bemerken. »Wer ist das?«, fragte er neugierig. Franzi wollte gerade was sagen, da viel ihr Jenn ins Wort. »Das ist Sophie. Sie ist neu hier.« Jake musterte mich. Ich schaute ihm in die Augen. Sie waren grün – aber nicht so ein strahlendes Grün, eher ein blasses verwaschenes. Jetzt erwiderte er meinen Blick und sah auch mir in die Augen. Ich bekam herzrasen und schaute schnell weg. Ich merkte wie das Blut in meinen Kopf stieg und ich langsam rot wurde. Beruhige dich, sagte ich mir immer wieder und atmete langsam ein und aus. »Sie ist süß.«, sagte er und verschwand, ehe ich etwas darauf antworten konnte. »Wer war das?«, fragte ich so uninteressiert, wie es mir möglich war. Franzi sah mich an. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie mir abnahm, dass ich kein Interesse an ihm hatte. »Das ist Jacob...Jacob...«, sie überlegte kurz, dann sprach sie weiter. »Ähm...ich kenne seinen Nachnamen gar nicht.« Sie fing an zu lachen und steckte mich damit an. Jenn schüttelte nur den Kopf. Durch die Lautsprecher ertönte die Stimme des Direktor. Er sagte nur, dass aus Sicherheitsgründen, die Schule für heute erstmal geschlossen blieb. »Was machen wir jetzt?«, fragte Jenn. Franzi sah zu mir. »Was haltet ihr von einer Stadtführung? Du bist doch neu hier, oder? Also zeigen Jenn und ich dir die Stadt. Okay?« Wie konnte man bei so einem netten Angebot >nein< sagen? Da klingelte es in meiner Schultasche. Verwundert guckte ich hinein. Ein Handy? Wo kam das denn her? Ich konnte es mir schon denken. Dad hatte es mir sicher gestern Nacht in die Tasche gepackt. »Willst du nicht ran gehen?«, fragte mich Jenn verwirrt. »Oh.«, sagte ich bloß und ging ran. »Ja?«, fragte ich. »Ah Sophie! Schön, dass du das Handy gefunden hast.« Es war mein Dad. »Mich hat gerade die Schule angerufen.« Oh nein, dachte ich bloß und wollte am liebsten gleich auflegen. »Sie haben gesagt, dass für heute Schulschluss ist und da habe ich gleich mal Adam angerufen, damit er dich abholen kommt. Also mein Schatz, ich lieb dich. Bis heute Abend.« Bevor ich auch nur ein Wort sagen konnte, hatte er schon aufgelegt. »War das dein Dad?«, fragte Franzi ungläubig. »Ja.«, seufzte ich. »Adam holt mich gleich von der Schule ab.« »Wer ist Adam?«, fragten die beiden fast im Chor. »Ein guter Freund meines Vaters.« Wir gingen Richtung Ausgang. Adam wartete schon dort und kam ein paar Schritte auf mich zu. »Und? Wie war dein erster Schultag?«, fragte er mich. Ich wusste nicht recht, was ich sagen sollte, da ich ja nicht mal zwei Stunden hier war. Jenn und Franzi musterten Adam ganz genau. Dann nickten sie sich zu und flüsterten miteinander. Ich konnte leider nicht hören was sie sagten. »Ähm...«, begann ich schließlich. »Adam? Eigentlich wollte ich mit Franzi und Jenn mir die Stadt anschauen gehen. Wenn du nichts dagegen hast - versteht sich.« Die beiden hörten auf zu tuscheln und warteten mit mir auf die Reaktion von Adam. »Hmm...Ben meinte zwar, ich solle dich nach Hause bringen, aber ich denke mal, gegen einen kleinen Spaziergang hat er nichts einzuwenden.« »Danke!«, rief ich ihm zu. Ich war schon mal losgegangen, da ich wusste, dass Adam mir keine Bitte abschlagen würde. »Wir sehen uns!«, riefen wir alle drei im Chor. Adam stand da, wie bestellt und nicht abgeholt. Dann grinste er. »Aber erzähl es nicht deinem Dad! Okay?« Ich winkte ihm zustimmend zu. Der Stadtbummel war schön. Sie zeigten mir die ganze Stadt. Als ich dann auf die Uhr schaute wurde ich ganz blass. »Was hast du?«, fragte Jenn besorgt. »Ich muss sofort nach Hause! Mein Dad kommt gleich von der Arbeit.« Panisch sah ich mich nach einer Mitfahrgelegenheit um. Als neben mir ein schwarzes Motorrad anhielt. »Was macht ihr denn so spät noch hier?«, fragte eine vertraute Stimme. Es war Adam. »Adam! Ich hab die Zeit völlig vergessen. Und Dad kommt doch gleich nach Hause.« Ich wurde schon fast hysterisch. »Kein Problem.«, meinte er. »Ich nehme dich mit.« Er zwinkerte mir zu und gab mir einen Helm. Ich setzte ihn schnell auf und schwang mich hinter ihm auf sein Motorrad. »Wir sehen uns morgen in der Schule«, rief ich noch. Ich wusste nicht ob die beiden es noch gehört hatten, aber sie winkten mir noch zum Abschied zu. Adam fuhr sehr schnell. Wenn Dad das gesehen hätte, wäre er sicher an die Decke gegangen. Wie durch ein Wunder waren wir vor ihm zu Hause. Ich schloss schnell die Tür auf und bat Adam noch herein. Wir stellten den Fernseher an und setzten uns unschuldig auf das Sofa. Und da klapperte es auch schon an der Tür. »Hallo Dad.«, rief ich schnell. »Hallo Sophie.«, antwortete er. Als er ins Wohnzimmer kam, sah er Adam unschuldig neben mir sitzen. »Oh, du bist ja auch noch hier?« »Ja, Sophie war langweilig und hat mich gefragt, ob ich noch ein bisschen bleibe.«, log er. »Okay, aber es ist schon spät und Sophie muss morgen wieder zur Schule...« Adam viel ihm ins Wort. »Schon verstanden. Ich geh jetzt besser. Ich wünsche dir noch einen schönen Abend Sophie.« Er zwinkerte mir zu. Beim Herausgehen sagte er noch etwas zu Ben, dass ich nicht hören konnte. Es musste etwas erfreuliches sein, den mein Vater fing an zu grinsen. »Geht klar, wir sehen uns dann morgen.«, sagte Adam noch und verließ dann das Apartment. »So, ab mit dir ins Bett, es ist schon spät.« Ich stand auf und machte mich Bettfertig. Ich wüsste nur zu gern, was Adam zu meinem Dad gesagt hatte. Ben sagte mir noch gute Nacht und lies mich allein in meinem dunklen Zimmer zurück. Ich schloss die Augen und begann zu träumen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)