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Die Macht der Worte

von

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Übung 1

„Wie meinst du das, du kannst nicht mitkommen?“

„Es geht eben nicht.“

„Aber...“

„Kein aber. Es geht wirklich nicht. Punkt. Ich muss jetzt. Bye.“

 

Na toll, das fing ja schon wunderbar an. Grummelnd legte Clay das Handy zur Seite. Immer diese schnippischen Antworten, es war doch zum brechen. Gerade als sich Clay in ihrem Sitzsack zusammengerollt hatte und die Decke über sich ziehen wollte klingelte das Handy.

 

„Ja?“

„Moin. Na wie geht’s dir du Urlaubshäschen?“

„Was für’n Ding?“

„Urlaubshäschen.“

„Ajah~. Was gibt’s?“

„Wollte nur mal hören wie es dir so geht, hast du Zeit?“

„Bist du betrunken?“

„Wie kommst du auf so was?“

„Hörst dich so an.“

„Also bitte, ich bin habe einen Schnupfen...

„Oke~?“

„Du glaubst mir nicht...“

Einen kurzen Moment herrschte Stille in der Leitung. Man hörte nur den Atem auf beiden Seiten, dann:

„Manchmal bist du wirklich ein Monster.“

„Sagt der Richtige!“

„Hast du ma auf den Tacho geguckt? Es ist halb elf, warum sollte ich um die Uhrzeit betrunken sein?“

„Was weiß ich denn.“

„Aha, jetzt weiß ich. Du bist angepisst. Wer war es dieses Mal?“

„Vielleicht du?“

„Niemals. Wenn du gepennt hättest wärst du nicht ans Handy gegangen.“

„Idiot.“

„Ich liebe dich auch.“

 

Clay legte auf. Stöhnend ließ sie sich abermals auf ihren Sitzsack fallen. Was würde der Tag heute wohl noch bringen? Sie sah aus dem Fenster. Natürlich. Regen!

Ihr Handy klingelte.

 

„Was denn?“

„Meine Güte, was ist denn los mit dir?“

„Geh mir doch einfach nicht auf die Nerven.“

„Ich bin in zehn Minuten da.“

„Untersteh' dich!“

„Tut tut tut."

 

Na wunderbar, jetzt würde auch gleich noch diese Nervensäge auf der Matte stehen. Dafür hatte Clay jetzt wirklich gar nichts übrig. Mad war seit Jahren ihr bester Freund gewesen und es gab niemanden, mit dem sie ihre Zeit lieber verbrachte hatte. Aber seit sie ihn letzten Sommer vor dem Ertrinken gerettet hatte (er war sturzbetrunken am Strand und der festen Überzeugung gewesen, er könnte wie Jesus auf dem Wasser laufen und ins Meer gerannt), war er nicht mehr ihr bester Freund – er war ihr Verehrer.

Schon am nächsten Tag hatte er mit einem Strauß duftender Blumen vor ihr gestanden und ihr seine angeblich schon lange andauernden Gefühle gestanden. Das hatte die Freundschaft zerstört. Clay hatte sich bei Mad immer über diese schnulzigen Arschkriecher-Blümchenschenker-Gedichteschreiber-Liebesliedsänger-Typen aufgeregt und sie hatten sich beide dabei prächtig amüsiert. Dann mutierte er selbst zu einem dieser Gestalten und Clay hatte somit ihren besten Freund verloren. Seit über einem Jahr ging das nun schon so. Egal, welche fiese Abfuhr sich Clay auch ausdachte, er gab einfach nicht auf.

Heute würde sie ihn aber nicht ertragen müssen. So müde sie gerade noch auf dem Sitzsack fläzte, so fix war sie nun auf den Beinen, angezogen und durch die Hintertür in den Garten gehuscht. Sie hatte gerade die Türe rangezogen, als sie auch schon vorne die Schelle klingeln hörte. Leise tappte sie durch das – mittlerweile viel zu hohe – Gras, durch das Blumenbeet und ab durch die Hecke, bis sie auf der Hauptstraße stand.
 

Verwirrt und bereits völlig vom Regen durchnässt, blickte sie sich zunächst um, auf der Suche nach einem Ziel. Auf der anderen Straßenseite stand ein junger Mann lässig an das Haltestellenschild gelehnt und grinste sie an. „Na, hübsches Fräulein, wohin des Weges?“

„Bürschchen, geh zu Mami und iss deine Radieschen – ich hab jetzt echt keinen Bock auf so schleimige Ansagen!“

Verdattert schaute der Kerl zurück. Eigentlich sah er sehr gut aus. Er war es bestimmt nicht gewohnt solch eine Antwort zu bekommen. Wahrscheinlich schmachteten die Mädels sonst hinter ihm her. Clay jedoch drehte sich auf dem Absatz um und ging eilig die Straße entlang Richtung Innenstadt. „Es heißt Möhrchen!“, rief er ihr nach. „Ach halt die Klappe, Vollspaten!“, brüllte sie zurück.

Solche Aktionen lagen ihr normalerweise nicht und schon gar nicht wenn sie Urlaub hatte, aber irgendwann musste der Frust ja mal raus.

 

Wenig später saß sie in einem Shop der Coffee-Company und trank einen Barrista Spezial. Der Zucker- und Koffeinschock tat ihr ganz gut, vor allem auf den leeren Magen. Sie rührte gelangweilt in dem Becher herum und sah sich die Leute an, eines ihrer Hobbys. Leute beobachten, das liebte sie fast so sehr wie ihren Pc. Es wäre angenehm jetzt mit einem Freund hier zu sein, aber das Freund-Problem stand wahrscheinlich noch immer vor ihrer Wohnungstür. Hieß, sie konnte wohl erst mal noch ein wenig in der Stadt rumhängen, bevor sie nach Hause zurück konnte. „Alles nur wegen diesem liebestreuen Vollidioten.“, knurrte sie und ließ sich die Rechnung geben, bezahlte, kassierte ihre Stempel und winkte zum Abschied. Dann schlenderte sie durch die Stadt, auf direktem Kurs zu ihrem Lieblingsbuchladen. Wenn es daheim doof war und sie sonst nichts zu tun hatte, dann ging sie Bücher gucken. Sie konnte stundenlang vor den Regalen stehen, in Bücher rein lesen und meist kam sie aus dem Laden nicht ohne mindestens eine Tüte voller Bücher raus.

 

Auch heute erstand sie wieder einige gute Exemplare und warf beiläufig einen Blick nach draußen, der Regen hatte aufgehört und es war schon Nachmittag. Die Zeit verging wirklich rasend, mit einem guten Buch in der Hand. Auf ihrem Weg nach Hause holte sie sich schnell noch etwas Essbares von Burger King und KFC. Denn zum kochen hatte sie heute keinen Nerv mehr. Vorsichtig lugte sie durch die Hecke und schlich zur Tür, öffnete diese, spähte in den Hausflur. Sie wohnte ebenerdig, mit einem direkten Anschluss an den Hinterhof, der ihr eigentlich alleine gehörte. Denn das Haus war bis auf ein Paar in der Dachgeschosswohnung unbewohnt.

Aber für Gartenarbeit war sie nicht zu haben, zwar mähte sie den Rasen, aber nur wenn es sein musste und das Blumenbeet war auch schon lange nicht mehr genutzt worden. Höchstens mal für ihre Kräuter oder Gemüse, wenn sie daran dachte, welche auszusäen.

Nunja, jetzt stand sie mit dem Rücken an die Treppe gedrückt und spähte vorsichtig zwischen den Stangen des Geländers zur ihrer Wohnungstür. Keiner in Sicht, eilig huschte sie zur Tür, kramte den Schlüssel raus und schloss auf, verschwand ins Innere der Altbauwohnung und schloss die Tür mit einem Tritt hinter sich.

„Ah~!“, seufzte sie erleichtert, zog die Schuhe aus und ließ sie im Flur liegen, dann ging sie in die große Wohnküche und holte sich ein paar Teller für ihr Essen.
 

Gemütlich eingekuschelt in eine weiche Decke saß sie vor dem Fernseher und zog sich einen Actionfilm rein, nebenbei knabberte sie an ihren Hähnchenteilen und den Pommes. Gerade verfrachtete sie dazu eine Gabel voll Salat in ihren Mund als das Handy neben ihr erneut zu brummen begann.

Kauend nahm sie den Anruf entgegen.

„Ist das eine neue Art der Begrüßung?“

„...“

„Bitte schluck erst runter, bevor du mir antwortest, alles andere endet in Schwulitäten.“

Jetzt hätte Clay vor Lachen beinahe alles ausgespuckt, was sie gerade zu kauen versuchte.

„Fertig? Oder soll ich den Notarzt vorbei schicken?“

„Nein. Alles in Ordnung.“

„Gut. Hab von Mad gehört, du hast seine Aufmerksamkeit heute wieder abgelehnt?“

„Als ob ich das nicht jedes Mal tue.“

„Stimmt. Aber jetzt sitzt er gefrustet vor der Playstation und zoggt.“

„Nicht mein Problem, rufst du nur an um mir das zu sagen, Vince?“

„Nö, eigentlich wollte ich nur mal so höflich sein und fragen ob du morgen was vor hast.“

„Nein hab ich nicht,meine Pläne haben sich heute Vormittag in Luft aufgelöst.“

„Ah ich rieche aufgestauten Frust. Soll ich jetzt schon kommen und wir machen uns einen chilligen Abend?“

„Klar.“

„Ich lasse Mad dann mal hier.“

„Ja bitte, er ist eine elende Klette, der Affe.“

„Was? Kletteraffe?“

„Nein. Er ist eine K L E T T E, der A F F E!“, lachte Clay und legte dann auf.
 

Keine viertel Stunde später stand Mads Mitbewohner vor ihrer Haustür. Nachdem er seine Tasche mit seinen Sachen abgestellt hatte tapsten sie beide ins Wohnzimmer, hängten sich erneut vor die Flimmerkiste. Und Vince verspeiste im Eiltempo die Pommes und Hähnchenteile, die Clay ihm aufgehoben hatte.

„Und, was machen wir jetzt?“, fragte Clay und kuschelte sich in ihre Decke.

„Wie wäre es mit einem Horrorfilm?“

„Warum ahnte ich, dass du das vorschlägst, und lass mich raten, du hast zufällig ein neues Exemplar dabei.“

„Jubb, frisch aus Japan importiert, garantiert haarsträubend gruselig.“

„Eine Garantie gibt es nur dafür, dass ich dann die nächsten Nächte nicht schlafen kann.“

„Keine Sorge, heute bin ich ja da.“

„Hm.“

„Also?“

„Ja, gut, leg den Film schon ein, ich bring die Teller weg und hol was zu knabbern.“

„Und deinen Vorrat an Cola Cherry?“

„Ich weiß nicht ob ich so sozial bin um mit dir zu teilen.“
 

Letztlich hatte Clay doch die Cola auf den Tisch gestellt und saß jetzt, die Zipfel der Decke vor die Augen haltend auf ihrem Sofa und bibberte vor sich hin. Neben sich hörte sie ein lachen und fragte sich zum wiederholten Male, was es an einem solchen Gruselmist zu lachen gab. Japanische Horrorfilme hatten keine Komik, nicht einen Funken davon, da waren ihr die amerikanischen Versionen lieber, da gab es manchmal noch Slapstick zum Lachen.

„Kannst wieder hingucken.“

„Halt die Klappe, meine Ohren sagen mir, ich sollte genau jetzt nicht hinsehen.“

„Warum, man sieht ja nur die Form des Fluchs.“

„Genau das will ich nicht sehen!“

Dann hörte sie nichts mehr, spürte aber wie eine kalte Hand unter ihre Decke kroch. Mit einem Schrei sprang sie auf, verfing sich mit dem Fuß in der Decke und fiel. Es polterte und knallte und dann lag Clay auf dem Boden und Vince beugte sich über sie. „Alles klar?“, fragte er grinsend und fügte hinzu: „Hätte nicht gedacht, dass du soo feige bist.“

Offenbar fand Vince das sehr lustig, Clay jedoch nicht. „Du bist so ein Arsch. Mach das nie wieder...“, maulte sie und rieb sich den Hinterkopf. „Hast du dir wehgetan?“

Jetzt war er doch besorgt, kniete sich neben sie und legte ihr eine Hand auf den Kopf. „Ich glaube nicht...“

„Na dann, komm mal wieder her. Ich mach auch nichts mehr, versprochen.“

„Hm...“

Clay kroch wieder auf das Sofa und Vince ließ sich neben sie fallen, dann ließ er den Film weiterlaufen. Clay saß die meiste Zeit mit der Decke über den Augen, doch gegen Ende, half auch das nicht mehr, denn die Geräusche machten alles gleich noch viel schlimmer. Also lehnte sie sich gegen Vince’s Schulter, damit sie nichts sah und hielt sich die Ohren zu. Irgendwann spürte sie wie Vince ihr über den Kopf streichelte. Und darüber war sie dann irgendwann eingeschlafen.
 

„Hey, Clay, wach auf...“

Müde schlug sie die Augen auf, blinzelte sah in Vince Gesicht. Sie lag auf ihrem Sofa, das erkannte sie daran, dass sie das Flimmern des Fernsehers aus dem Augenwinkel sah. Das nächste was sie bemerkte, neben ihr lag Vince. Er hatte sich auf die Seite gedreht, seinen Kopf auf den Arm gestützt und sah sie an. „Was machst du da?“, fragte sie müde.

„Dich beim schlafen beobachten?“

„Okay. Wie spät?“

„Gleich zwei Uhr.“

„Warum weckst du mich dann?“

„Hier kannst du doch nicht schlafen.“

Müde schloss Clay ihre Augen wieder, zog ihre Decke zu Recht.

„Doch.“

„Nein, Clay. Geh ins Bett.“

„Nö.“

„Dann hast du selbst Schuld.“

„ Woran?“

„Daran...“

Sie spürte einen sanften Druck auf ihrem Mund, schlug die Augen auf und sah in die braunen Augen von Vince. Er löste sich von ihr, verharrte aber dicht über ihrem Gesicht. Clay war unfähig zu sprechen. In ihrem Inneren spielte alles verrückt, nie hätte sie auch nur im Traum daran gedacht, dass Vince sie irgendwann einmal küssen würde.

Fragend sah sie ihn an.

„Es nützt ja nichts, wenn ich mich weiter an den Marterpfahl stelle. Ich mag dich Clay.“
 

„Redest du jetzt nicht mehr mit mir, oder versuchst du mich wie Mad loszuwerden?“

„Nein... Ich, denke nicht...“, sagte Clay zögerlich und fragte sich welcher Teufel sie da gerade ritt.

„Solange du mir keine Blumen schenkst, Gedichte schreibst, oder Lieder singst...“

„Keine Sorge ich bin ja nicht der ‚Kletteraffe‘...“

„Ich weiß aber nicht ob ich dich auch so mag...“, gab Clay dann zu bedenken und sah Vince an. Er grinste nur und nickte.

„Wir haben alle Zeit der Welt um das herauszufinden.“

„Gut.“

„Willst du nicht doch ins Bett gehen?“

„Nein...“

„Na dann, schlaf gut.“

Sie nickte schläfrig, zog die Decke bis zum Kinn und schloss die Augen. Dann spürte sie wie sich ein Arm über ihren Bauch legte und schlief ein. Sie würden schon herausfinden ob sie miteinander auf diese Art auskommen würden.



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