Wenn Schatten ins Licht treten von Nessi-chan ================================================================================ Kapitel 5: Die Erinnerungen eine Schwester ------------------------------------------ Haruhis Blick blieb an Fuyumi hängen. Das erklärte eigentlich, wieso Kyouya immer so kalt und abgeklärt war: Er kannte es nicht anders – nicht von seinem Vater, nicht von seinen Brüdern… „Was ist eigentlich mit Ihrer Mutter?“, fragte Haruhi, wurde sich dann aber der Unangebrachtheit dieser Frage bewusst. „Oh, verzeihen Sie, ich wollte nicht…“ „Ist schon gut.“ Fuyumi lächelte und setzte sich mit Haruhi auf eine Wartebank im Flur. „Warum fragst du?“ „Nun ja, bislang war hier immer nur von Ihrem Vater die Rede – und auch Kyouya hat noch nie von seiner Mutter gesprochen, also, ich meine, sie noch nicht mal erwähnt.“ „Das liegt wohl daran, dass er sich gar nicht an sie erinnern kann.“, seufzte Fuyumi. „Unsere Mutter starb durch einen Reitunfall auf einem Wohltätigkeitsturnier. Kyouya war damals noch nicht mal 2 Jahre alt. Im Gegensatz zu uns – ich meine, ich war damals 11, Yusuke 10 und Akito 8 – kennt Kyouya unsere Mutter nur von Fotos und privaten Aufnahmen. Dabei ist er ihr so ähnlich…“ „Wirklich?“ Wieder wollte Haruhi sich auf die Zunge beißen. Diese verdammte Neugier! „Oh ja!“ Fuyumis Lächeln wurde beinahe verklärt, als sie an die gute alte Zeit zurückdachte. „Er hat ihr Lächeln. Er tut es zwar nicht oft – vielfach setzt er es nur auf – aber es ist eindeutig Mutters Lächeln. Und seine Augen. Er hat dasselbe Funkeln in den Augen, das Mutter immer hatte und bei dem man nur dachte: ‚Oh weia, was hat sie jetzt schon wieder vor?‘ Und ich glaube auch, dass er viel von ihrem Wesen hat. Er ist zwar sehr kühl geworden, nicht zuletzt durch die harte Hand unseres Vaters, aber tief drinnen steckt, glaube ich, sehr viel von Mutters Erbe. Vielleicht ist das auch ein Grund…“ „Ein Grund für was?“, fragte Haruhi verwirrt. „Ein Grund, warum Vater will, dass er derartig kühl ist.“, erklärte Fuyumi geduldig. „Auch wenn er nicht den Eindruck macht: Unser Vater hat unsere Mutter abgöttisch geliebt. Er war zwar schon immer etwas strenger, aber vor Mutters Tod war er anders. Ich denke, dieser Verlust hat ihn so hart gemacht und ich könnte mir vorstellen, dass er Angst hat, durch Kyouyas wahres Wesen täglich an den schmerzhaften Verlust seiner geliebten Frau erinnert zu werden.“ Haruhi wurde nachdenklich. Auch ihr sagte ihr Vater oft, dass sie ihrer Mutter sehr ähnlich sei – aber ihn freute das. „Ein Teil von ihr wird so immer hier bleiben.“ sagte er oft, aber Haruhi wusste selbst, dass Menschen mit dem Tod einer geliebten Person verschieden umgingen. Ihr Vater hatte das Andenken an ihre Mutter immer bewahren und ehren wollen, Haruhi hatte in der ersten Zeit so wenig wie möglich daran denken wollen, um sich nicht diesem Schmerz aussetzen zu müssen. Vielleicht war Herr Ootori auch einfach nur tiefverletzt. Aber durfte er deshalb seinen Sohn – der der Mutter nun einmal unverschuldet ähnlich war – deshalb mit einer solchen Härte bestrafen? „Ganz in einer anderen Welt, wie?“ Haruhi schreckte auf und auch Fuyumi fuhr etwas zusammen, als sie beide Akito gewahr wurden, der anscheinend aus dem Nichts vor ihnen aufgetaucht war. „Wie bitte?“, fragte Haruhi nach und versuchte sich wieder zu sammeln. „Nun, ihr schient beide in einer ganz anderen Welt zu sein.“, erklärte Akito. „Ich habe Haruhi gerade von Mama erzählt.“, erklärte Fuyumi. „Und dass Kyouya ihr sehr ähnlich ist, wie ich meine.“ Akito nickte, doch sein Blick wurde wieder etwas finsterer. „Das ist er auch – und deshalb quält Vater ihn so.“ „Aber nicht mit Absicht.“, versuchte Fuyumi einzulenken. „Du bist eine hoffnungslose Optimistin, Schwesterherz.“, bemerkte Akito. „Deshalb sollten wir das Thema besser lassen.“ Fuyumi nickte akzeptierend. „Wo ist Yusuke?“, fragte sie stattdessen. „Und der Arzt. Ihr wolltet doch einen holen.“ „Ich habe Yusuke erklärt, wen ich dafür für am besten geeignet halte. Er versucht jetzt, die Person im Krankenhaus ausfindig zu machen.“ „Entschuldigen Sie,“ mischte sich nun Haruhi ein, „ich hätte da noch eine Frage: Sie waren doch noch mal bei Kyouya im Zimmer. Haben Sie da irgendwas gefunden, was das Ganze hier erklären könnte?“ „Nein.“ Akito schüttelte den Kopf. „Und das irritiert mich eigentlich. Es ist eher untypisch bei Suiziden oder Suizidversuchen, dass kein Abschieds- oder Erklärungsbrief hinterlassen wird. Ich habe zumindest keinen gefunden. Das einzige, was mir etwas komisch vorkam, war diese herausgerissene Seite aus einem Magazin und die entsprechende Internetseite, die auf seinem Laptop geöffnet war.“ Er gab Haruhi die herausgerissene Seite und Fuyumi den Ausdruck der Internetseite. Haruhi sah sich das Ganze skeptisch an: Es war eine Seite aus einem Magazin, das sich mit wichtigen politischen und gesellschaftlichen Ereignissen befasste. Auf der einen Seite war der Rest eines Artikels über die Ziele des neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, auf der anderen Seite die Ankündigung, dass ein japanischer Investor sich um eine Teilhaberschaft an der Ouran High School bemühte und sie möglicherweise auch mit einem ergänzenden Universitätscampus versehen wollte. Ein Seitenblick zu Fuyumi verriet, dass es offenbar wirklich dieses Thema war, um das es ging, denn diese hielt einen Ausdruck der offiziellen Homepage der Ouran High School in der Hand, auf der gemeldet war, dass die Leitung äußerst angetan wäre, wenn man sich zu einer Zusammenarbeit entschließen könnte. „So ganz schlau werde ich daraus auch nicht.“, unterstützte Akito Haruhis verwirrten Blick. „Aber bei Kyouyas Ordnungswahn halte ich das nicht für einen Zufall.“ „Eher unwahrscheinlich.“, murmelte auch Fuyumi. „Aber irgendwie kommt mir dieser Mann bekannt vor…“ Sie sah angestrengt auf das abgedruckte Foto dieses gewissen Daisuke Kodama, aber sie schien ihn nicht zuordnen zu können. „Irgend so ein Gefühl hatte ich auch,“ gestand Akito, „aber der Name sagt mir gar nichts und auch unser gesellschaftlich vollständig informierter Bruder konnte mit dem Namen ‚Kodama‘ nichts anfangen.“ „Vielleicht täusche ich mich auch.“, räumte Fuyumi ein, doch ihr angestrengter Blick auf das Bild verriet Haruhi, dass sie das eigentlich nicht glaubte. „Wie wird das denn jetzt genau ablaufen?“, wechselte Haruhi das Thema. Sie hatte zwar vorhin Fuyumi gegenüber ein Szenario gebildet, war sich aber doch nicht ganz sicher, inwiefern sich dieses mit der Realität decken würde. „Nun, die Kollegin wird gleich kommen, hoffe ich,“ erklärte Akito, „und wird sich dann mit Kyouya unterhalten. Ob irgendjemand von uns dabei anwesend sein darf oder nicht, liegt bei Kyouya – er kann darüber entscheiden, ob ihm das hilft oder ihn eher belastet. Je nachdem wie Kyouya gewillt ist, sich zu erklären, wird das Gespräch kürzer oder länger sein und danach wird dann eine Entscheidung getroffen.“ „Und wie könnte die ausfallen?“ „Naja, wenn er sich als völlig labil erweisen sollte und die Kollegin nicht ausschließen könnte, dass er jederzeit wieder versuchen könnte, sich das Leben zu nehmen, würde er hier behalten und unter Aufsicht gestellt werden. Das glaube ich allerdings weniger.“, fügte er sofort an, als er Fuyumis erschrockenen Blick sah. „Ich nehme an, das Gespräch wird im besten Falle dazu führen, dass wir eine Lösung auf die Frage ‚Warum?‘ bekommen und im anderen, nicht wesentlich schlechteren Fall wird die Kollegin eine Stabilisierung erreichen, die es uns erlaubt, Kyouya wieder nach Hause zu bringen, und eine Auflage erteilen, dass Kyouya an einer ambulanten Therapie teilnimmt. Da wird dann über längere Zeit daran gearbeitet, die Ursache des Problems zu finden und daran zu arbeiten.“ „Verstehe.“ Haruhi nickte. So in etwa hatte sie sich das vorgestellt. „Aber eines wäre vielleicht noch wichtig.“, ergänzte Akito. „Du sagtest vorhin, Kyouya sei zusammengebrochen, weil Tamaki sich entschuldigt habe. Was genau ist da passiert?“ „Nun,“ erklärte Haruhi, „Tamaki ging wohl davon aus, dass es die Verstärkung des Drucks durch die ganzen Verpflichtungen im Host Club war, der dazu führte, dass Kyouya dem nicht mehr standhalten konnte Er hat ja so ziemlich alles für uns gemacht: die Finanzen im Auge behalten, die Planungen umgesetzt, Tamakis zum Teil hirnrissige Ideen auf ein gesundes Maß reduziert – und das, ohne dass ihm je einer von uns Hilfe angeboten hätte, weil Kyouya offensichtlich alles im Griff hatte. Naja und dafür wollte Tamaki sich entschuldigen und dann hat Kyouya gesagt, es sei nicht seine Schuld – keiner von uns sei Schuld – und dann ist er weinend in Tamakis Armen zusammengesunken.“ „Dass das nicht der Grund ist, habe ich mir gedacht.“, kommentierte Akito nachdenklich. „Immer, wenn ich mit ihm telefoniert hatte in dem einen Jahr in Kenia, klang er nahezu euphorisch, wenn er vom Host Club gesprochen hat. Ich glaube, ihr habt ihm eher Kraft gegeben als geraubt.“ Haruhi lächelte etwas beschämt. Dass Kyouya in einer solchen Art und Weise über den Club sprach, konnte sie sich fast gar nicht vorstellen. „Da wären wir.“ Die plötzliche Stimme hinter Akito ließ die drei aufsehen und auch die vier anderen Host Club-Mitglieder gesellten sich nun wieder zu ihnen. Yusuke Ootori war wieder aufgetaucht und hatte eine junge Kollegin an seiner Seite. „Mein Bruder Akito ist Ihnen ja bereits bekannt.“, stellte er vor. „Dies hier ist unsere Schwester Fuyumi Shido.“ Er nickte in Fuyumis Richtung, die sich erhob und sich höflich verneigte, was die Ärztin auch lächelnd erwiderte. „Und das sind ein paar Mitschüler und Freunde meines Bruders.“. kommentierte Yusuke die Anwesenheit von Haruhi, Mori, Honey und den Zwillingen. „Sehr erfreut.“ Auch in diese Richtung verneigte sich die Ärztin leicht. „Ich bin Miyuki Sakurai vom psychologischen Dienst dieses Hospitals.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)