Die Geschichte des legendären Sullivan O'Neil von Izaya-kun (Das Tagebuch eines Gesuchten) ================================================================================ Prolog: Einleitung (v2) ----------------------- Einleitung Ich hatte ein langes Leben, wenngleich auch nicht immer ein Gutes. Lange habe ich überlegt, wo ich die hier nieder geschriebene Geschichte beginnen soll, mein Leben, mein Geständnis. Nun habe ich mich entschieden und beginne mit einem besonderen Ereignis, das ich sehr oft durchlebte, welches mich jedoch prägte bis zum letzten Tag. Wenn ich daran zurückdenke, spüre ich noch immer die Schmerzen in meinem Kreuz. Wie die Peitsche meine Haut zerschneidet, wie meine Arme vor Schmerz an den Eisenketten reißen, wie mein Kopf in den Nacken geworfen wird und wie mein Hirn aussetzt, als würde mich jeder weitere Hieb um den Verstand bringen. Als die Züchtigung für mein sündiges Verhalten beendet war, sackte ich zusammen wie ein totes Tier und spürte die kühlen Fliesen unter meiner Haut. Wie Balsam wirkte der kalte Boden auf mich und hätte ich Kraft gehabt, hätte ich mich auf den Rücken gedreht, um meine Wunden zu kühlen. Aber ich hatte keine Kraft. Also schloss ich die Augen, zitternd vor Schwäche und Schmerz und biss die Zähne zusammen, um nicht zu wimmern, während die zwei Mönche meine Ketten lösten und mich hinaus schliffen, leise Gebete für meine unreine Seele murmelnd. Was danach kam, war etwas, was ich besser kannte, als alles andere dieser Welt. Man schliff mich, schlaff wie ich nun war, in die untersten Gänge des Klosters, zu den Lagerräumen und Kellern. Dort zog man mir ein altes, recht kratziges Leinenhemd an, das die Mönche zuvor mit einer harten Bürste schrubbten, so dass die Fasern mir nun schmerzhaft in alle Poren stachen. Sie banden meine Hände auf den Rücken und ließen mich allein zurück. Und so lag ich da und lauschte. Die Tür wurde verschlossen, dann herrschte Dunkelheit. Leicht nahm ich den Geruch von Urin wahr und vom salzigen Boden, um Durst und Schmerzen zu steigern. Am liebsten hätte ich mich aufgerichtet, aber ich tat es nicht, sondern beruhigte meinen Puls. Die Schwärze um mich herum machte mich nervös. Es gab keinen Lichtpunkt und ein beengendes Gefühl machte sich in mir breit. Meine Augen hatten keinen Punkt, den sie fixieren konnten, egal wie oft ich blinzelte. Es würde noch dauern, bis sie sich an das tiefe Schwarz gewöhnten, letzten Endes kannte ich das Bußzimmer zur genüge. Man könnte fast behaupten, dass ich die Hälfte meiner Klosterschülerzeit hier verbracht hatte und das waren immerhin gut zwölf Jahre. Um mich vom starken Juckreiz abzulenken, abgesehen von den rauschenden Schmerzen die meinen Kopf einnahmen, überlegte ich, wie lange ich nun büßen musste. Dies war zum Großteil launenabhängig. Wenn der Abt schlechte Laune hatte, kam es manchmal vor, dass man eine Woche lang in solch einem Zimmer zubrachte, vielleicht auch zwei. Aber größtenteils hing es von der Art der Sündtat ab. Ich hatte nichts Schlimmes getan – positiv ausgedrückt – sondern lediglich geflucht. Nun gut, vielleicht ein oder zwei Mal geflucht... auf Gott und Teufel, milde ausgedrückt. Ich war wütend gewesen und mit Sicherheit glich es Ketzerei, aber noch nie zuvor hatte mich so der Zorn gepackt. Gewiss, wir alle sind Würmer Gottes und leben in Demut und Unterwürfigkeit. Mönchsregel des heiligen Benedikt zur Demut: Der Mönch erniedrigt sich und spricht mit dem Propheten: "Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, der Leute Spott, vom Volk verachtet." Das lehrte man mich bereits in jungen Jahren, aber dafür war ich einfach nicht geschaffen. Ich konnte nicht demütig leben und es widerstrebte mir, mich selbst Wurm zu nennen, weniger noch. Genauso widerstrebte es mir Bruder Markus, einer der wenigen Männer dieses Kloster mit Denkvermögen, der Ketzerei zu bezichtigen. Und das hatte man von mir verlangt. Bruder Markus war ein guter Mann gewesen. Er tat stets seine Arbeit, folgte gehorsam den Gebeten, sprach nur wenn gefragt – oder heimlich mit mir hinter der Kapelle. Bruder Markus und ich teilten die Faszination für die Kulturen anderer Länder, für ihre Religionen, für ihre Bräuche. Wir liebten es gemeinsam darüber zu sinnieren, was geschehen würde, wenn unsere, rein katholische Glaubensrichtung, mit jener der Napajer oder jener der Ächaten zusammentraf. Ich sprach unheimlich gern mit ihm, wenngleich er gut über dreißig Jahre älter war als ich – ich war derzeit etwa dreiundzwanzig, er weit über vierzig. Aber dann fand man bei ihm ein Buch über eine solche, heidnische Kultur. Bruder Pascal, ein widerlicher Mann, die Nase stets erhoben und ein Kriecher beim Abt, klagte ihn der Ketzerei an und man forderte von mir, es ihm gleich zu tun. Ich weigerte mich, fluchte, schrie, wütete und als man Bruder Markus dann letzten Endes abführte, um ihn in den Kerker zu bringen, sah ich rot und beschimpfte Pascal, den Verräter von einem Bruder, als alles, was mir spontan einfiel. Tja... Und dann landete ich hier. Ich beginne diese Geschichte genau an diesem Punkt, da ich der Meinung bin, dass dieses Ereignis mein restliches Leben grundlegend veränderte. Während ich da lag und langsam abdriftete in die zweite Welt aus Träumen und Fantasien, beschloss ich, dem allem ein Ende zu bereiten. Ich war im Waisenhaus groß geworden, ich hatte stets in Brutalität, Disziplin und Demütigungen gelebt, aber es reichte mir. Als ich ins Kloster geschickt wurde, um die Kasse des Heimes zu entlasten und stattdessen später als religiöser Mann dorthin zurückzukehren, um die Kinder mit Rohrstock und Gottes Wort auf den richtigen Weg zu führen, drehte sich mir innerlich der Magen um. Ich hatte mit den heiligen Worten nicht viel zu tun gehabt, nur ein Mal die Woche ein wenig, durch einen Mann, den wir alle Vater Antonius zu nennen hatten. Er unterrichtete uns in Gotteslehre und Christentum, aber all die lateinischen Zeilen die er uns vorlas und die keiner von uns Kindern verstand, ergaben keinen Sinn für mich und die Züchtigungen nahmen kein Ende. Ich beschloss, wenn ich das Heim verlasse, niemals wieder etwas mit dem Christentum zu tun zu haben. Stattdessen erzog man mich zum Mönch und ich stellte fest, auch jetzt wo ich Latein konnte, ergab alles noch genauso wenig Sinn, wie zuvor. Stattdessen wurde der Rohrstock durch einen Lederriemen ersetzt. Statt mich zu ermahnen, dass ich nicht frech sein sollte, verbot man mir das Reden nun ganz und gar. Statt mich anzuweisen, ich solle mir mein Essen selbst verdienen, wenn ich Hunger hätte, bestrafte man mich dafür und bezichtigte mich der Völlerei. Ich fühlte mich nicht wohl, weder die Zehn Jahre im Heim, noch die über zehn Jahre im Kloster. Ich fühlte mich nicht geliebt vom heiligen Vater, gehasst aber genauso wenig. Man könnte sagen, so viel wie der Herr in allem und jedem war, so wenig war er in mir. Während Sonntags die Messetexte gelesen wurden, überlegte ich häufig, ob Gott mich überhaupt je bemerkt hatte oder ob es mich für ihn überhaupt gab. Ob meine Erschaffung ein Versehen oder ob ich von irgendeinem anderen, geschaffenen Wesen unbemerkt abgefallen war. Vielleicht hatte Gott mich im Schlaf geschaffen und wusste gar nichts davon? Tatsächlich stellte sich heraus, dass ich eine Woche lang im Bußzimmer eingesperrt wurde. Am nächsten Tag kam ein Mönch, wies mich an mich trotz meiner Fesseln in einem Holzeimer zu erleichtern und ließ mich dann allein zurück. Bereits am ersten Tag fühlte ich mich dreckig und verspürte das Bedürfnis, mich zu waschen. Entnervt und wütend saß ich allein auf dem kalten Boden und lauschte dem Fiepen der Ratten. Am zweiten Tag verschlechterte sich meine Laune zunehmend, am dritten war sie nicht mehr zu halten. Aus Frust und Trotz heraus zischte ich alle Flüche und Ketzerswörter vor mich hin, die ich kannte, verfluchte jeden der Mönche, den Prior, den Abt, ja sogar den Papst, bis hin zu Gott persönlich. Ich forderte ihn heraus und verlangte, dass wenn er mich strafen wollte, er das doch tun solle. Ich nannte ihn einen Hurensohn und spuckte sogar demonstrierend auf den Boden. Am dritten Tag dann kam erneut ein Mönch und brachte mir dieses Mal endlich etwas Brot und Wasser. Ich lachte so stark, dass mir der Bauch schmerzte und man einen Arzt rief. Das war also Gottes Strafe? Er gab mir zu Essen? Und so hatte ich meine Entscheidung gefasst… Ich würde das Kloster verlassen. Endgültig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)