Aufregungen im Fürstentum von -Suhani- (Wie Inu Yasha auch hätte verlaufen können) ================================================================================ Kapitel 01 ---------- Der Erbprinz des Westens, Sesshoumaru, hatte für einige Tage von seinem Vater die Verantwortung für das Schloss und die Ländereien übertragen bekommen. Der Inu no Taishou war mal wieder unterwegs und sein Sohn ahnte, wo er war: bei dieser menschlichen Prinzessin, dieser Izayoi, bei der er seit ein paar Monaten häufiger war… Der Prinz sah die Briefe durch. Heiratsangebote… die umliegenden Fürsten wollten ihre Töchter mit allen Mitteln verheiraten. War es denn so schrecklich eine Tochter im Schloss zu haben oder ging es den Kerlen nur um politischen Einfluss? Jedenfalls ließ Sesshoumaru die Briefe mit seinem Gift schmelzen. Er wollte nicht heiraten. Noch nicht. Hoffentlich würde sein Vater das auch weiterhin bedenken und beachten… Einige Tage später saß der Inu no Taishou in seinem Arbeitszimmer. Er sortierte die Briefe, die er erhalten hatte. Die Angebote von umliegenden Fürsten, die ihre Töchter loswerden wollten legte er weg. Schade eigentlich. Vielleicht würde eine nette Schwiegertochter im Haus seinen Sohn etwas sesshafter machen und er würde nicht ständig durch die Gegend spazieren und sich in ein Abenteuer nach dem anderen stürzen. Und es würde ihn von der Sache ablenken, die der Herr der Hunde ihm noch sagen musste… Die Tür ging auf, Sesshoumaru kam rein und verneigte sich leicht. „Ihr wolltet mich sehen, verehrter Vater?“, fragte er. „Ja… setz dich, mein Sohn.“ //Oh-oh, er hat so ein ernstes Gesicht…//, schoss seinem Sohn unwillkürlich durch den Kopf, als er sich niederließ. „Ist in den letzten Tagen etwas Wichtiges vorgefallen während ich weg war?“, fragte Inu Taishou. „Nein“, antwortete sein Erbe und musterte einen Stapel Briefe. Die angebotenen Töchter… War er eigentlich der einzige unverheiratete Sohn oder schickten die Väter der Mädchen die Angebote einfach an alle? „Ich nehme an, du hast die angebotenen Töchter vernichtet?“ Ein Nicken zur Antwort. „Sesshoumaru, ich denke du bist alt und klug genug, um dir denken zu können wo und bei wem ich war?“ Der Hundefürst griff unbewusst zu der Feder, die auf dem Tisch lag und drehte sie in seiner Hand. „Ja, ich kann es mir denken“, erwiderte Sesshoumaru. Was wollte sein Vater ihm mitteilen, dass er so unruhig war und mit einer Feder spielte? Dass diese menschliche Frau Izayoi ab jetzt im Schloss wohnen würde? Hoffentlich nahm er sie nicht offiziell zur Gefährtin, dann müsste der Erbprinz sie nämlich mit Respekt behandeln… einen Menschen! Sesshoumaru kannte Izayoi nicht, er hatte seinen Vater nur mit einem seiner Berater mal über sie reden hören, daher kannte er ihren Namen und ihren Stand. „Ich möchte, dass du Izayoi kennen lernst.“ Inu Taishou beobachtete das Gesicht seines Sohnes. Der schluckte nur. „Willst du nicht wissen wieso?“, fragte der Herrscher. Sesshoumaru war es egal wieso er ein niederes Menschenweib kennen lernen sollte. „Wieso“, sagte er dennoch. „In etwas weniger als sechs Monaten wirst du entweder eine kleine Schwester oder einen kleinen Bruder bekommen.“ Bitte nicht, war das Erste, was dem noch einzigen Prinzen dazu einfiel. Er schwieg. Was sollte er auch dazu sagen? Toll, Vater, du hast einen Bastard in die Welt gesetzt? Könnte er sagen, würde ihn allerdings das Erbe und den Kopf kosten. „Willst du dich nicht äußern oder fallen dir nur unpassende Kommentare ein?“, fragte Inu Taishou. „Wird das Kind sie nicht umbringen, noch bevor es auf der Welt ist?“ „Das ist Izayoi und mir durchaus bewusst, aber sie will dieses Kind unbedingt. Willst du heiraten?“ Verwirrt sah Sesshoumaru auf. „Heiraten?“, echote er unschicklich. „Ja, heiraten. Willst du eine Frau?“ „Nein, will ich nicht.“ Was sollte die Frage denn jetzt bewirken? Wollte sein Vater ihn ablenken? Ihn davon ablenken, dass bald ein Bastard im Schloss wohnen würde? „Schade… In einer Woche möchte ich, dass du mitkommst. Bis dahin kannst du von mir aus durch das Land ziehen oder sonst was machen. Tu mir nur einen Gefallen und stürz dich nicht in irgendwelche Kämpfe. Izayoi soll sich nicht aufregen und das würde sie, wenn du verletzt auftauchen würdest.“ Damit war das Gespräch beendet. Sesshoumaru erhob sich, verneigte sich leicht und ließ seinen Vater dann allein. Der überlegte schon, wie das Gespräch wohl verlaufen wäre, wenn er erst das Thema Heiraten angesprochen hätte und dann erst Izayois Schwangerschaft… Sesshoumaru hatte sich auf direktem Weg seine Rüstung und sein Schwert geholt und war aus dem Schloss gegangen. Er wollte seine Gedanken erst mal ordnen… Sein Vater bekam ein Kind mit einer Menschenfrau… Einen Bastard… Der Prinz hatte seinen Vater immer sehr geschätzt und verehrt, der Herrscher war in seinen Augen ein perfektes Vorbild: klug, mächtig, ein gerechter Mann. Und jetzt? Ein Hanyou im sonst so perfekten Familienstammbaum. Und noch ein anderer Gedanke kam dem Inu-Youkai auf: Wenn das Kind ein Junge war, würde sein Vater Sesshoumaru enterben? Der Weißhaarige schüttelte leicht den Kopf, um den Gedanken loszuwerden. Sein Vater war gerecht und klug: Sesshoumaru war der Ältere und als solcher der Erbe. Und, das war ein entscheidender Punkt, ein Hanyou würde nie im Leben von Youkai als Herrscher über sie akzeptiert werden. Izayoi war nervös. Sie sollte Sesshoumaru heute kennen lernen, den Sohn ihres Geliebten, den Bruder ihres Kindes… Bis jetzt hatte sie nur Gerüchte gehört, er sei ein grausamer Menschenhasser, aber das konnte sie sich nur schwer vorstellen, war Inu Taishou doch so ein gütiger Mann. Die Prinzessin hatte sich aus ihrem Schloss geschlichen. Noch hatte niemand mitbekommen, dass sie in anderen Umständen war, entehrt worden war und ein Kind in ihrem Leib trug, von einem Youkai. Aber bald würde sie das nicht mehr verbergen können… Die Schwarzhaarige war an der Lichtung angekommen, wo sie sich treffen wollten. Sie sah sich um, aber noch war niemand zu sehen. Sesshoumaru verspürte nicht die geringste Lust dieses Menschenweib kennen zu lernen, geschweige denn dass er ein Geschwisterkind wollte, was zur Hälfte ein Mensch war. Ein vollwertiger Youkai, in Ordnung, aber doch kein Hanyou! Dennoch folgte der Prinz seinem Vater. Beide waren unbewaffnet und trugen keine Rüstung. Der Hundeherr wollte Izayoi nicht beunruhigen oder aufregen. Des Babys wegen. „Liebster…“ Der Youkaiprinz wollte sich am liebsten umdrehen und gehen, riss sich aber zusammen, als diese Menschenfrau sich an den Hals seines Vaters warf. Inu Taishou drückte Izayoi kurz an sich, ehe er sich von ihr löste und einen Schritt zur Seite ging, so den Blick auf seinen Sohn vollständig freigab. „Izayoi, das ist mein Sohn Sesshoumaru. Sesshoumaru, das ist Izayoi“, stellte er vor. „Guten Tag“, grüßte die Schwarzhaarige. Sesshoumaru gab keinen Mucks von sich. „Ich denke, ihr solltet einen Spaziergang machen. Wir treffen uns dann später hier wieder.“ Und damit war der Inu no Taishou verschwunden. Die menschliche Prinzessin sah ihm kurz nach und blickte dann wieder zu dem zweiten Inu-Youkai. Der erwiderte den Blick kurz und ging dann an ihr vorbei. Izayoi sah ihm unsicher nach. „Worauf wartest du? Mein Herr und Vater wünscht, dass wir gemeinsam spazieren gehen“, sagte der Weißhaarige ohne sich umzudrehen. Sie folgte ihm. Als sie einige Zeit schweigend gegangen waren, beschloss Izayoi den Youkai neben sich ein bisschen auszufragen, denn dafür war dieser Spaziergang ja gedacht. „Und gibt es ein… Mädchen… was… du gern hast?“, fragte sie vorsichtig. „Nein.“ „Will dein Vater dich verheiraten?“ „So verlangt es die Tradition.“ „Und du hast nichts dagegen?“ „Wieso sollte ich?“ Die Prinzessin sah auf den Weg vor sich. „Wirst du mir auf jede Frage antworten?“, wollte sie wissen. „So wünscht mein Herr und Vater es“, antwortete Sesshoumaru. „Hast du schon mal getötet? Ich meine… Menschen?“ „Ja.“ „Grundlos?“ „Nein.“ „Was… was denkst du über mich und deinen Vater?“ „Nichts.“ „Aber… Gar nichts? Machst du dir keine Gedanken darüber, was nach der Geburt des Kindes passiert? Und auch jetzt, in den nächsten Wochen? Oder darüber, dass ein Hanyou bald zu deiner Familie gehört?“, fragte Izayoi verständnislos. „Es ist nicht mein Kind und somit nicht meine Aufgabe mir den Kopf darüber zu zerbrechen. Ein Hanyou hat eine ziemlich geringe Überlebenschance in dieser Welt. Er wird verachtet werden, darüber muss ich mir keine Gedanken machen“, erwiderte der Weißhaarige. „Freust du dich denn nicht ein bisschen auf das Kind? Du wirst großer Bruder, ein Vorbild.“ Die Menschenfrau sah wieder in das unbewegte Gesicht des jungen Dämons. „Halbbruder. Du bist nicht meine Mutter.“ Sesshoumaru betonte das Wort „meine“. Er wollte sie ja nicht direkt verletzen. Menschen liefen immer aus, wenn es ihnen emotional schlecht ging, besonders die Frauen. „Machst du dir darum keine Gedanken? Weil ich nicht deine Mutter bin?“ //Wärst du meine Mutter wäre ich mit meinen ersten Schritten getürmt//, dachte der Prinz. „Nein, daran liegt es nicht. Es geht mich nun mal nichts an was mein Herr und Vater wann, wo, wie und mit wem macht. Es ist ganz allein seine Angelegenheit, alles was dich und dieses Kind anbelangt hat mich nicht zu interessieren.“ So langsam aber sicher zerrte diese Fragerei an seiner Selbstbeherrschung. Das merkte auch Izayoi, aber noch war ihre Neugier nicht befriedigt. „Was ist mit deiner Mutter geschehen?“ „Sie ist ausgezogen, in ihr eigenes Schloss.“ Die beiden erreichten die Lichtung, von der sie losgegangen waren. Inu Taishou erwartete sie bereits. „Ah, da seid ihr ja wieder. Hattet ihr Spaß?“, fragte er. „Ich fand es toll“, erwiderte seine Geliebte, sein Sohn schwieg wieder. „Sesshoumaru, geh doch schon mal vor, ich hole dich gleich ein“, wandte der Taishou sich an den Erbprinzen. Der verneigte sich leicht und ging. Sobald er außer Seh- und Hörweite war, lief er los. Er wollte so schnell wie möglich wieder ins Schloss und ein Bad nehmen, um den Gestank von Izayois Parfüm, in dem sie wohl gebadet hatte, wieder loszuwerden. Währenddessen redete Izayoi auf seinen Vater ein. Sie verstand zwar, dass der Herr aller Hunde auf einen gewissen Respekt von seinem Sohn ihm gegenüber bestehen musste, aber Sesshoumaru… er schien keine eigenen Entscheidungen treffen zu dürfen… „Izayoi, ich bin der mächtigste Dämonenherrscher des Landes, wenn mein eigenes Kind mir keinen Respekt zollt, wie sollten es dann meine Untertanen? Jeder an meiner Stelle würde verlangen, dass Sesshoumaru „mein Herr und Vater“ sagt und keine vertrauliche Anreden benutz. Einige würden von ihm sogar die Anrede „Oyakata-sama“ fordern, andere einen Kniefall. Ich fordere Respekt, Höflichkeit und eine leichte, aber sichtliche Verbeugung, besonders im Beisein von anderen dämonischen Fürsten. Und so werde ich das auch mit unserem Kind handhaben.“ „Ja, das… kann ich nachvollziehen. Aber… wieso muss dieser Respekt denn auch hinter verschlossenen Türen sein oder vor mir? Dein Sohn wirkt wie eine Marionette und nicht wie ein selbstständig denkendes und empfindendes Wesen. Er ist doch dein Sohn, dein Fleisch und Blut“, warf Izayoi ein. Ihr Vater forderte ebenfalls Respekt, aber nicht so sehr. „Er ist in den ersten Jahren von seiner Mutter erzogen worden. Sie brachte ihm das alles bei. Und sie lehrte ihn auch, dass es eine Demütigung ist, wenn man den Herrn und Vater nicht siezen und mit Respekt behandeln muss, selbst hinter verschlossenen Türen, denn dann unterstellt der Vater einem unloyal und dumm zu sein. Ich habe ihm im Übrigen nie verboten eigene Entscheidungen zu treffen. Wenn er noch nicht dazu bereit ist zu heiraten oder noch nicht die Richtige gefunden hat, soll es mir gleich sein, mein Leben hängt nicht am seidenen Faden.“ „Trotzdem.“ Inu Taishou lächelte leicht. Sie war wie ein trotziges Bauernkind. „Er hat vor dir besonders betont, dass er loyal mir gegenüber ist, damit du es mir erzählst und ich ihn nicht enterbe, wenn unser Kind ein Junge werden sollte. Und die Idee, dass ich ihn herabstufen könnte stammt auch von seiner Mutter, bei der war er nämlich bis gestern. Ich muss gehen und du solltest auch besser zurück in dein Schloss, sonst suchen deine Leute dich noch.“ Er küsste sie zum Abschied, dann trennten sich ihre Wege. Sesshoumaru hatte es geschafft lange vor seinem Vater am Schloss zu sein und ein Bad für sich anheizen zu lassen. Gerade wollte er in sein eigenes Badezimmer gehen, als sein Vater auftauchte. „Du hast dich wirklich vorbildlich verhalten, mein Sohn. Hat deine Mutter dir eingeredet, dass ich dich enterben könnte, wenn das Kind ein zweiter Sohn wird?“ fragte der Herrscher. „Sie hat es gesagt“, erwiderte sein Sohn. „Ich hoffe du weißt, dass ich dich nie enterben würde, egal was du tust und egal mit wem ich noch einen Sohn bekomme.“ „Natürlich, verehrter Vater.“ „Gut. Wenn du dein Bad beendet hast, komme bitte in mein Arbeitszimmer, ich möchte etwas mit dir besprechen.“ „Wie Ihr wünscht, verehrter Vater.“ Sesshoumaru verneigte sich, sein Vater ging. Als der Erbprinz im heißen Wasser lag, hing er seinen Gedanken nach. Es stimmte, seine Mutter hatte ihn eindringlich davor gewarnt, dass er sich vorsehen musste, da sein Vater ihn womöglich enterben könnte, wenn der Hanyou ein Junge werden würde. Sein Vater kannte seine ehemalige Gefährtin gut genug, um zu wissen, dass sie so etwas sagen würde. Und Sesshoumaru kannte seinen Vater gut genug, um zu wissen, dass er nicht lügen würde, er würde seinen ältesten Sohn nicht enterben. Aber was war mit dieser Izayoi? Sie hatte sich viel zu sehr für den jungen Dämonenprinzen interessiert, seiner Meinung nach. Wenn dieser Bastard erst mal auf der Welt wäre, würde sie sicherlich mit dem Kind ins Schloss ziehen, da die Menschen sie verstoßen würden. Sesshoumaru hoffte inständig, dass diese Menschenfrau nicht versuchen würde seine Mutter zu spielen. Menschen verstanden ihre Rolle als Mutter immer noch anders als Youkai… _____________________________________________________________ Das war das erste Kapitel. Nach über einem Jahr Schreibpause... Na ja. Was lange währt wird hoffentlich gut. ^.~ Im nächsten Kapitel wird es dann ein bisschen spannend, on stellen werden wir das wohl im Laufe der nächsten Woche, spätestens am Wochenende. lg Jenny & Hani Kapitel 02 ---------- „Setz dich, Sesshoumaru“, sagte Inu Taishou. An seiner Stimme konnte sein Sohn wahrnehmen, dass er in Gedanken war. „Du weißt sicherlich, dass der Frieden zwischen unserem Westclan und dem Nordclan am seidenen Faden hängt“, begann der Herrscher. Sesshoumaru nickte nur. Das Reich des Nordens war nicht mal 2/3 so groß wie der Westen, aber dennoch verfügten sie über einige Waffen, die der Armee seines Vaters gefährlich werden könnte, des weiteren gab es verschiedene Bündnisse mit anderen Clans, auch vom Festland, über die nur wenige Informationen bekannt waren. Käme es zu einem Krieg zwischen Norden und Westen, würde der Inu no Taishou womöglich große Teile seines Reiches verlieren, vielleicht sogar entmachtet werden. „Du erinnerst dich doch an Hana, die einzige Prinzessin des Nordens?“, fragte Inu Taishou. „Ja.“ Sesshoumaru ahnte, was sein Vater ihm mitteilen wollte. „Keine Sorge, noch ist nichts entschieden. In drei Monaten ist die große Friedensverhandlung, bei der auch Hanas Vater anwesend sein wird. Wenn es zu keinem neuen Friedensvertrag kommt, werde ich darüber nachdenken dem Norden anzubieten, dass Hana deine Verlobte wird.“ Der Herrscher musterte seinen Sohn ganz genau, aber dessen Mimik verriet nichts darüber, was er gerade dachte. „Ich hoffe, du bist dir im Klaren darüber, was das für dich bedeutet: Du wirst Hana heiraten und sie wird deine Gefährtin bleiben, wenn du sie zur Konkubine herabstufst, hat der Norden das Recht den Krieg zu eröffnen, wenn du sie zurückweist ebenso.“ „Dessen bin ich mir bewusst“, erwiderte der Erbprinz. Er hoffte inbrünstig, dass ein neuer Friedensvertrag zustande kam. Nicht, weil er Hana nicht mochte, nein, soweit er es in Erinnerung hatte, war sie hübsch und hatte die Ausbildung eines Mannes erhalten, weil erst vor zwei Monaten überraschenderweise ein Erbe geboren wurde, aber trotzdem hatte sie auch die Regeln einer Prinzessin gelernt und lebte danach. Sesshoumaru wusste einfach, dass sein Vater ihn nicht mehr so häufig aus dem Schloss lassen würde, um Abenteuer zu erleben, weil er dann auch die Verantwortung für Frau und dann wahrscheinlich später auch noch Kind haben würde, da konnte er nicht einfach so durch die Gegend wandern und sich in einen Kampf nach dem anderen stürzen… „Sesshoumaru, wieso siezt du mich, wenn wir alleine sind und es keiner mitbekommen würde, wenn du „du“ zu mir sagst?“, riss Inu Taishou seinen Sohn aus dessen Gedanken. „Weil es sich nicht ziemt“, antwortete der Prinz mechanisch. „Die Erziehung deiner Mutter…“, sagte der Herrscher so leise, dass selbst sein Sohn es nicht verstehen konnte. „Verzeihung?“, fragte der daher. „Du kannst gehen“, erwiderte der Fürst und Sesshoumaru gehorchte. „Kadavergehorsam“, murmelte der Inu no Taishou resigniert, als er alleine war. Manchmal wünschte er sich einfach, dass er nicht der ranghöchste Inu-Youkai war, sondern ein gewöhnlicher, der eine vertraute Beziehung zu seinem Sohn hatte… ~~~Zeitsprung- 3 Monate später~~~ Das Treffen aller Clanoberhäupter fand dieses Mal im Schloss des Westens statt. Die Herrscher hatten wie immer ihren Erben oder ihre Tochter dabei, die sich während der Verhandlungen höflich hinter ihren Vätern hielten und schweigend zuhörten oder zumindest so taten. Rechts neben dem Inu no Taishou am Tisch saß sein Cousin, der Herrscher des Nordens, und dementsprechend saß rechts neben Sesshoumaru Hana, die von ihrem Vater mitgenommen worden war, um sie wie ein zum Verkauf stehendes Pferd für mögliche Käufer zur Schau zu stellen. Der Erbprinz des Westens musterte sie aus den Augenwinkeln. Ihre Haare waren hellblau, wie die ihres Vaters und auch ihre eisblauen Augen hatte sie von ihm geerbt. Sie hatte den Blick gesenkt, die Hände in ihrem Schoß übereinander gelegt. Plötzlich flog die Tür auf, ein Diener kam herein mit einem Brief in seiner Hand. „Verzeihung, Oyakata-sama, eine Frau gab mir diesen Brief, eine Menschenfrau, sie sagte, es sei wichtig.“ Der Störenfried hatte sich flach auf den Boden geworfen, hielt nur den Brief ein Stück hoch. Inu Taishou wandte leicht den Kopf. „Sesshoumaru, kümmere dich darum.“ Dieser neigte sich nach vorne. „Wie Ihr wünscht, verehrter Herr Vater“, sagte er und erhob sich. Der Diener kroch auf dem Boden nach draußen, schloss die Tür hinter dem Prinzen, ehe er ihm den Brief reichte. Sesshoumaru konnte ein Parfüm wahrnehmen. Izayois Parfüm. Hoffentlich war das kein schmachtender Liebesbrief… aber wieso hätte sie einen Brief schreiben sollen, wenn sie dann hier persönlich auftauchte? Der Erbprinz entfaltete den Zettel und las: Liebster, Da du mir erzähltest, dass heute in deinem Schloss eine wichtige Verhandlung stattfindet, habe ich, in der Annahme nicht zu dir gelassen zu werden, diesen Brief geschrieben. Wie du dir denken kannst, wird es immer schwerer für mich zu verstecken, dass ich ein Kind unter dem Herzen trage. Letzte Nacht habe ich ein Gespräch zwischen meinem Vater und einem seiner Berater belauschen können. Er sagte, dass er mich einsperren würde, wenn er herausfinden sollte, dass ich schwanger bin. Ich bitte dich: Hilf mir! Wenn mein Vater mich einsperrt, werde ich das Kind hier bekommen müssen. Mein Vater wird es töten lassen und mich an den Nächstbesten verkaufen! Bitte, hilf mir, ich habe große Angst. In Liebe, Izayoi Der Inu-Youkai konnte die Angst der Frau fast schon durch das Parfüm durch riechen. Er überlegte kurz. „Myouga, komm her, ich habe einen Auftrag für dich“, sagte er. Ein kleiner Flohgeist sprang auf seine Hand, die noch immer den Brief hielt. „Wo ist die Menschenfrau jetzt?“, wandte der Youkai sich an den am Boden liegenden Diener. „Die Wachen schickten sie weg, Sesshoumaru-sama“, erwiderte der. Zum Glück war er nur ein Mensch, sodass Sesshoumaru sich nur umdrehen, einige Schritte gehen und die Stimme senken musste, um nicht gehört zu werden. „Du gehst gleich da rein, zu meinem Herrn und Vater. Sorg dafür, dass dich niemand bemerkt und dich nur mein Herr und Vater hört. Sag ihm folgendes: Izayoi wird von ihrem Vater eingesperrt. Du wirst bei ihr bleiben, bis sich ihre Niederkunft ankündigt. Dann kommst du sofort zum Schloss und gibst Meldung darüber. Mein verehrter Vater wird Izayoi befreien müssen, ehe das Kind da ist, andernfalls wird es sterben und sie an Menschenhändler verkauft. Sie kann nicht hier im Schloss bleiben, da die Möglichkeit besteht, dass sie einem Giftanschlag zum Opfer fällt, das Dienstpersonal hat so was schon getuschelt. Sollte irgendwas Unvorhergesehenes geschehen, kommst du sofort zurück zum Schloss. Hast du verstanden?“ Der Flohgeist nickte. Durch nichts verriet er seine Verwunderung darüber, dass der Erbprinz sich so einen Plan zur Sicherung der Menschenprinzessin und ihrem ungeborenen Kind in so kurzer Zeit ausdachte, wo er dich eine Abneigung gegen Menschen hatte… Er musste seinen Vater wirklich sehr schätzen. Myouga sprang weg und quetschte sich unter der Tür durch in den Raum. Da links neben dem Inu no Taishou niemand saß, huschte der Floh zur linken Hand seines Herrn, die locker auf dem Tisch lag. Er war es gewohnt seinem Herrn in Sitzungen Nachrichten zu überbringen. Als Zeichen dafür, dass er was zu sagen hatte, stach er ihm in die Hand und Inu Taishou hob sie daraufhin so neben seinen Kopf, dass seine Finger knapp vor seinem Ohr eine senkrechte Linie bildeten. So konnte Myouga ihm bequem ins Ohr flüstern ohne gesehen zu werden und der Taishou sah weder gelangweilt aus, noch machte er sich verdächtig. Der Flohgeist erzählte, was der Erbprinz ihm aufgetragen hatte. Als er geendet hatte, bewegte der Herrscher seinen Daumen so, dass es wie ein Nicken aussah. Der Flohgeist sprang unbemerkt davon, quetschte sich wieder unter der Tür durch und hüpfte auf Sesshoumarus Schulter. „Euer Vater hat dem Plan zugestimmt“, sagte er. Der Prinz nickte knapp und verließ mit dem Berater seines Vaters das Schloss. Izayoi musste noch im Wald sein, vor allem, weil sie sicherlich auf eine Antwort wartete. Er fand ihren Geruch und musste ihm gar nicht lange folgen, bis er eine Lichtung erreichte, auf der Izayoi an einem Baum lehnte. Als sie den Sohn ihres Geliebten entdeckte erhob sie sich. Trotz der vielen Lagen Stoff, die sie trug, konnte Sesshoumaru sehen, dass ihr Unterleib geschwollen war. Nicht deutlich, wahrscheinlich konnte er es nur sehen, weil er wusste, dass sie schwanger war und dicker sein musste als bei ihrem letzten Treffen. „Sesshoumaru! Schickt dein Vater dich?“, fragte sie. „Ja. Du sollst wieder nach Hause in dein Schloss gehen, hier wäre es zu gefährlich für dich. Die Diener wollen dich umbringen. Myouga wird dich begleiten und bescheid geben, wenn etwas geschehen sollte. Mein Herr und Vater wird dann eingreifen.“ Der Flohgeist sprang zu der menschlichen Prinzessin. „Es freut mich Ihre Bekanntschaft zu machen, Izayoi-sama“, sagte er. „Ein Floh?“ Die Schwarzhaarige klang skeptisch. „Er ist ein enger Berater meines Herrn und Vater. Und der einzige, der bei dir bleiben kann ohne erwischt zu werden“, erklärte Sesshoumaru. „Und was geschieht nach der Geburt des Kindes?“ Sie legte ihre Hand auf ihren Bauch. „Mein Herr und Vater wird dich entweder in unser Schloss holen oder dich in ein anderes unserer Anwesen bringen“, erwiderte der Weißhaarige. „Werden die Diener nicht auch dann versuchen, mich umzubringen?“, fragte die menschliche Prinzessin. Am liebsten hätte ihr Gegenüber gesagt, dass sie sowieso bald sterben würde, sei es bei der Geburt, denn daran, dass das Blut eines so hochrangigen Dämons wie dem Inu no Taishou zu stark für einen menschlichen Körper war, bestand keinerlei Zweifel, oder in spätestens 50-60 Jahren, wenn sie an Altersschwäche sterben müsste. „Oyakata-sama wird sicherlich noch Vorkehrungen treffen, damit Ihr und das Kind in Sicherheit seid, Izayoi-sama“, quakte Myouga dazwischen. „Einverstanden, also dann, bis in drei Monaten, Sesshoumaru“, verabschiedete Izayoi sich und ging. Sesshoumaru drehte sich um und machte sich wieder auf den Weg ins Schloss. Wenn er Glück hatte, würde er die Verhandlungen zwischen seinem Vater und dessen Cousin noch mitbekommen… Der Diener schob schweigend und mit gesenktem Haupt die Tür für den Dämonenprinzen auf und hinter diesem wieder zu. Die Herrscher im Raum sahen auf und dann zum Inu no Taishou. Neugier ziemte sich nicht, aber der Grund, weshalb die wichtige Sitzung unterbrochen worden war, würde die meisten Herrscher schon interessieren… “Setz dich wieder, mein Sohn”, sagte Inu Taishou. Sesshoumaru verneigte sich leicht und ließ sich wieder neben Hana nieder. Die wandte ihrem entfernten Cousin leicht den Kopf zu… Er roch nach einem Frauenparfüm. Die Sonne war schon aus dem Zenit gewandert, als die Sitzung unterbrochen wurde. Die Herrscher würden die Zeit nutzen, um ihre Köpfe für die nächsten Verhandlungen wieder frei zu bekommen. Sie hatten es zwar nicht unbedingt nötig, aber wollten auch nicht darauf verzichten. Eine Stunde hatten sie Zeit. Die Fürsten hatten jeweils ein Zimmer zugeteilt bekommen, in das sie sich zurückziehen konnten. Der Inu no Taishou war selbstverständlich in seinem Arbeitszimmer. Die Erben waren in einem großen Saal, wo sie sich bei Bedarf unterhalten konnten und sonst auf Sitzkissen saßen oder durch den Raum gingen, um ihre Durchblutung zu fördern. Ein Diener kam herein und verneigte sich vor Sesshoumaru. “Sesshoumaru-sama, euer verehrter Herr und Vater wünscht euch zu sprechen”, sagte er. Der Inu-Youkai folgte der Anweisung und kniete keine zwei Minuten später vor seinem Vater nieder. “Wo ist der Brief von Izayoi?”, fragte der Herrscher. Sein Sohn reichte ihn ihm schweigend. Nachdem er zu Ende gelesen hatte, legte Inu Taishou das Schriftstück weg. “Ich bin stolz auf dich, du hast die einzig richtige Entscheidung getroffen”, lobte er. “Danke, verehrter Vater.” “Geh wieder zu den anderen.” Der Prinz verneigte sich und ließ seinen Vater allein. Als die Tür sich hinter Sesshoumaru schloss, rieb sein Vater sich über die Augen. Er wusste, dass sein Sohn wirklich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Er hätte mit dem Herzen gedacht und nicht mit seinem Kopf und Izayoi sofort ins Schloss geholt, obwohl auch er schon das Getuschel der Diener mitbekommen hatte. Sie hatten gesagt, dass sie Izayoi vergiften wollten, sollte die wirklich existieren und schwanger sein, denn daran hatten auch noch einige so ihre Zweifel gehabt. Bis heute. Ihr Auftauchen dürfte sich in Windeseile rum sprechen. Interessant, dass die menschlichen Diener sich nie so nah an die dämonischen trauten, nur wenn es was zu Tratschen gab… Sesshoumaru hatte sich in eine Ecke an der offenen Tür zum Garten zurückgezogen und sah auf das Gelände. Die anderen Erben oder Töchter hielten sich von ihm fern. Sie alle wussten, dass er seinem Namen alle Ehre machte und viele Diener im Schloss blaue Flecken hatten, weil sie an die Wand geworfen worden waren oder Ähnliches. Hana ließ sich davon allerdings eher weniger beeindrucken. Sie ließ sich ihm gegenüber nieder. Der Weißhaarige sah sie nur kurz an. Er zeigte seine Verwunderung in keiner Geste, keinem Gesichtszug. Sie wagte es ihm voll ins Gesicht zu sehen. “Du riechst nach Menschenparfüm”, sagte sie. Die anderen im Saal hörten sie nicht. Sesshoumaru sah sie an. “Was geht es dich an?”, fragte er. “Mein Vater nahm mich mit dem Auftrag hierher, für ihn zu spionieren. Ich soll in der Unterbrechung unbemerkt alle anderen hier aushorchen. Über die Waffen, Truppen, Schwächen der anderen Fürsten. Vorhin tauchte hier eine Menschenfrau auf und überbrachte einen Brief. Jetzt riechst du nach Parfüm. Entweder war der Brief einparfümiert oder du hast dich mit der Menschenfrau getroffen. Ich denke eher Ersteres. Der Brief war einparfümiert, was Menschenfrauen gerne bei Briefen an ihren Geliebten machen. Seit einige Zeit kursiert das Gerücht, dass dein Vater eine menschliche Geliebte hat und seit Neustem auch dass, dass sie schwanger sein soll. Das wird meinen Herrn und Vater sicherlich brennend interessieren”, antwortete die Prinzessin. “Ich könnte dich umbringen, mal sehen, was dein Vater dann noch von dir zu hören kriegt”, meinte Sesshoumaru kalt. “Du würdest ihm damit einen Gefallen tun, denn dann hätte er endlich einen Grund gegen den Westen in den Krieg zu ziehen.” “Du bist ein schlechter Spitzel. Anstatt Informationen von mir zu erfahren, gibst du mir welche.” Er klang nicht mehr ganz so kalt. Entweder war Hana sehr dumm oder aber sehr intelligent. “Ich spitzele nicht.” erklärte sie ruhig. “Du verrätst deinen Vater.” Sie weckte sein Interesse. “Mein Vater hat vor 200 Jahren meine Mutter getötet, weil sie ihm keinen Sohn geboren hatte, sondern nur eine Tochter. Er nahm sich eine neue Gefährtin und vor fünf Monaten bekam er einen Sohn. So wie ich den ehrenwerten Fürsten des Nordens kenne, wird er mich töten, sobald ich ihm nicht mehr nützlich erscheine. Und das ist spätestens dann der Fall, wenn mein Bruder dazu in der Lage ist zu spionieren und zu kämpfen. In etwa 20 Jahren wird er mich an einen Abhang locken, angeblich, weil er mir etwas wichtiges zeigen muss. Er wird sagen, dass ich mal den Abhang runter sehen soll und sobald ich mich vorbeuge, wird er mir einen Stoß verpassen. Der Sturz wird mich vielleicht nicht töten, aber ich werde das Bewusstsein verlieren. Wie mein Vater mich dann umbringt weiß ich nicht. Vielleicht Kopf ab, Schwert durch’s Herz, einfach so schwer verletzen, dass ich langsam verblute… Er ist da sehr kreativ”, meinte Hana zynisch. “Wieso erzählst du mir das? Hoffst du auf Hilfe?”, fragte ihr Gegenüber. “Nein, ich hab mich damit abgefunden. Ich will dich und deinen Vater warnen. Mein Vater weiß, dass dein Vater überlegt uns zu verloben, damit Frieden zwischen unseren Clans herrscht. Wenn mein Vater darauf eingeht, wird er mich mit dem Auftrag hierher schicken die menschliche Prinzessin und ihr Kind heimlich zu vergiften und euch zu bespitzeln”, erwiderte die Prinzessin. Sie log nicht, stellte Sesshoumaru fest. Es gab Youkai, auch Frauen, die es vermochten perfekt zu lügen, ohne sich verdächtig zu machen, ohne dabei enttarnt zu werden. Aber beherrschte sie diese Technik? “Du warnst uns, obwohl das bedeuten könnte, dass du von deinem Vater verstoßen oder getötet wirst.” “Ja.” “Wieso?” “Ich verachte meinen Vater. Er ist meiner Meinung nach kein guter Herrscher, geschweige denn ein guter Vater. Er wird mich töten, egal was ich tue. Du weißt genauso gut wie ich, dass 20 Jahre nichts bedeuten. Es ist also kein wirklicher Unterschied, ob ich noch 20 Jahre habe oder 20 Tage. Du solltest es deinem Vater erzählen, bevor die Verhandlungen weiter gehen.” Hana erhob sich und ging. Sesshoumaru sah noch einmal in den Schlossgarten, ehe er sich auf den Weg zum Arbeitszimmer seines Vaters machte. Der sah verwundert auf, als ein Diener eintrat und sagte, dass Sesshoumaru ihn sehen wollte. Aber er kannte seinen Sohn gut genug um zu wissen, dass es sich um etwas wichtiges handeln musste, wenn er eine solche Ruhephase störte. Der Erbprinz kniete wie gewohnt nieder. “Was gibt es so Wichtiges, Sesshoumaru?”, fragte Inu Taishou. Sesshoumaru berichtete von seinem Gespräch mit Hana. Als er geendet hatte, lehnte sein Vater sich zurück. “Ja, dass mein Cousin seine erste Gefährtin umgebracht hat, habe ich mir schon fast gedacht. Eine Fürstin geht normalerweise nicht alleine klettern. Und dass er so weit gehen würde seine Tochter umzubringen… kann ich mir auch vorstellen. Ich finde es bemerkenswert, dass Hana sich traut ihren Vater zu verraten. Sie muss ihn wirklich sehr hassen”, sagte er. Ein Diener trat ein. “Verzeiht, oyakata-sama, aber die anderen Fürsten begeben sich bereits wieder in den Sitzungssaal”, brachte er hervor. Vater und Sohn erhoben sich und verließen das Arbeitszimmer. Nach den Verhandlungen saß der Inu no Taishou in seinem Arbeitszimmer. Die anderen Herrscher und ihre Erben waren schon wieder gegangen, sein Sohn war mal wieder im Schlossgarten verschwunden und so hatte er Zeit seinen Gedanken nachzugehen. Mit seinem Cousin hatte er sich nicht einigen können. Jeder im Raum hatte die Feindseligkeit zwischen den beiden bemerkt. Darüber gewundert hatte sich keiner. Schon die Väter der beiden hatten sich nicht leiden können und diverse Male gegeneinander gekämpft, obwohl sie Brüder waren. Der Grund war, dass der Vater der beiden, der Großvater des Inu no Taishou, sein riesiges Reich unter seinen Söhnen, Zwillinge waren sie, aufgeteilt hatte. Allein das war schon ungewöhnlich, aber der damalige Herrscher teilte das Land nicht gerecht. Der Jüngere der Zwillinge erhielt den westlichen Teil, das größere Stück Land, weil er laut seinem Vater besser mit dem Volk umgehen könnte, während der Ältere das kleinere, dünn besiedelte Nordreich bekam. Nach dem, was Sesshoumaru von Hana wusste, würde eine Hochzeit der beiden die Fehde auch nicht beenden… Es sei denn, Hana irrte sich und ihr Vater würde sie nicht umbringen wollen, sobald ihr Bruder ausgebildet war. Wenn er die beiden also verheiraten würde, würde es entweder Frieden zwischen Norden und Westen geben, oder sie hätten zumindest Hanas Leben gerettet und Inu Taishou müsste sich wegen der Sache mit seinem Cousin was anderes ausdenken… Er seufzte unhörbar. Der Anführer in ihm sagte ihm, dass er alles versuchen musste, um den Frieden zu bewahren, auch wenn das gegen den Willen seines Sohnes geschah und der Vater in ihm wehrte sich dagegen seinen Sohn dazu zu zwingen jemanden zu heiraten, den er vielleicht gar nicht mochte und Sesshoumaru würde Hana auch nicht herabstufen können, denn dann hätte der Norden einen Grund für einen Krieg… Zum Glück musste er die Entscheidung nicht sofort treffen. Sein Cousin und er hatten für einen Monat Waffenstillstand geschlossen. Dann würden sie sich noch einmal zusammensetzen und reden… _____________________________________________________________________________ Danke an Hotepneith für den Hinweis auf den Grammatikfehler im letzten Kapitel. Der Dativ ist dem Genitiv sein Feind. Für solche Hinweise sind wir immer dankbar und korrigieren eventuelle Fehler, die uns beim Korrekturlesen durchgegangen sind, natürlich so schnell wie möglich. ^^ Nur so nebenbei bemerkt. Die politischen Entscheidungen wie die Teilung des Reichs oder die große Friedenskonferenz beruhen auf wahren Begebenheiten, überliefert durch Tagebücher und andere Aufzeichnungen meiner Vorfahren. Der Urgroßvater meines Opas hat sein Herrschaftsgebiet so ungerecht unter seinen Zwillingssöhnen geteilt. Mein Ur-uropa war der jüngere, der das größere Gebiet bekam. Nächste Woche geht's dann weiter. lg Hani (und Jenny, die gerade im Krankenhaus liegt) Kapitel 03 ---------- Die beiden Cousins hatten sich ins Arbeitszimmer des Fürsten des Nordens zurückgezogen. Sesshoumaru und Hana warteten im Vorraum. “Hat dein Vater dir etwas über seine Pläne erzählt?”, fragte der Weißhaarige. Sie schüttelte den Kopf. “Nein.” “Mein Vater will uns verheiraten.” Sie sah ihn an. “Auch wenn er sich sicher sein kann, dass mein Vater mich anstiften wird zu spionieren?” Er schwieg. Die Tür ging auf. “Kommt kurz rein”, sagte der Herr des Nordens. Die beiden betraten das Zimmer und knieten sich höflich nieder. “Ihr zwei seid verlobt. Hana, du wirst heute noch mit in den Westen ziehen.” Wäre die Prinzessin nicht gut erzogen worden, hätte sie ihren Vater wohl angestarrt. “Nächste Woche werden wir eure Verlobung offiziell bekannt geben. Danach solltet ihr schnell heiraten”, fuhr Inu Taishou fort. Sesshoumaru schluckte. Nicht, weil er Hana heiraten sollte, sondern weil er an der Stimme seines Vaters wahrnehmen konnte, dass dem die Entscheidung seinen Sohn ohne dessen Einverständnis zu verheiraten schwer gefallen war… “Akemi wird dich begleiten, Hana. Ich weiß, dass du sie sehr schätzt.” Die Prinzessin neigte sich leicht vor. Keine drei Stunden später war eine kleine Gruppe auf dem Weg zum Schloss des Westens. Der Inu no Taishou hatte einen Boten vorgeschickt, der ausrichten sollte, dass ein Gemach für Sesshoumarus Verlobte vorbereitet werden sollte. Hana ging schweigend neben Akemi her. Akemi war eine Kriegerin am Hof des Nordens und eine Vertraute der Prinzessin, man könnte auch Freundin sagen. Hanas Vater wusste das. Und er wusste auch, dass viele Gerüchte im Schloss sich darum drehten, dass Akemi den Fürsten nicht mochte… An der Spitze der Gruppe gingen Inu Taishou und Sesshoumaru. Auch die beiden redeten nicht. So ging die Reise schweigend weiter. Immer wieder sah die Prinzessin zu ihrer Truhe, die von zwei Dienern getragen wurde. Ein Erbstück ihrer Mutter. Sie hatte nicht alle ihre Kimonos mitgenommen. Nur die schönsten und wertvollsten. Akemi stieß ihre Freundin unbemerkt an und nickte dann leicht in Richtung Sesshoumaru, ehe sich ein leichtes Grinsen um ihre Lippen legte. Hana verdrehte leicht die Augen. Im Schloss des Westens angekommen wurde Hana in ihre Gemach gebracht und Akemi in die Unterkunft der Krieger. Sesshoumaru verzog sich in den riesigen Schlossgarten. Er verstand es wie kein zweiter dort unterzutauchen und selbst sein Vater brauchte einige Zeit um ihn ausfindig zu machen. Aber der hatte sich gerade in sein Arbeitszimmer verzogen und wollte niemanden sehen. ~Zeitsprung- 2 Monate später~ (Nur zur Erinnerung: 6 Monate sind in der Story rum.) Sesshoumaru war bei seinem Vater im Arbeitszimmer. Der schien ziemlich aufgebracht zu sein, er saß nicht mal. “Du übernimmst die Regentschaft, ich bin bald wieder da.” Und schon war der Herrscher verschwunden. Der Erbprinz sah ihm nach… Izayoi müsste doch bald dieses Balg werfen. War Inu Taishou deshalb so aufgebracht? Wie auch immer. Sesshoumarus Gedanken wanderten zu Hana. Er hatte sie mittlerweile geheiratet. Es war nicht so schlimm, wie er anfangs gedacht hatte. Sein Vater ließ ihn weiterhin aus dem Schloss. Und Hana trainierte in seiner Abwesenheit mit Akemi. Sein Blick wanderte über den Papierkram auf dem Schreibtisch. Die Hochzeit hatte noch einen Vorteil: Die anderen Fürsten schickten keine Werbung mehr für ihre Töchter… Sesshoumaru hob einen Zettel vom Schreibtisch hoch. Eine Nachricht. Ryukossei hat vor eine Armee aufzustellen, um Euch anzugreifen, wenn Ihr es nicht erwartet. Er wurde nicht weit entfernt von der Grenze in den Bergen gesehen, weil er alles ausspioniert, was mit Euch und Euren Angehörigen zu tun hat, auch das Menschenschloss. Der Weißhaarige überlegte kurz. Ryukossei war ein Drache mit einem hinterhältigen Charakter. Jetzt wusste Sesshoumaru auch, wieso sein Vater so überstürzt verschwunden war. Sein Blick glitt zur Wand, wo normalerweise die Schwerter der drei Welten hingen. Tenseiga war als einziges noch da, Sou’unga und Tessaiga hatte der Taishou mitgenommen. “Sesshoumaru-sama! Sesshoumaru-sama!” Angesprochener sah zum Schreibtisch, von wo die Stimme kam. “Myouga. Was ist passiert?” “Izayoi-sama liegt in den Wehen! Ihr Vater ist auf einer Reise, darum hat der Hauptmann die Verantwortung für das Schloss. Eine alte Dienerin sagte mir, dass er Izayoi-sama und das Kind umbringen will!” Der kleine Flohgeist sprach so schnell, dass sich seine Stimme fast überschlug. Sesshoumaru zögerte kurz, aber dann griff er nach Tenseiga und verließ mit Myouga auf der Schulter das Schloss. “Sesshoumaru-sama, was habt Ihr nun vor?” “Ich begehe Hochverrat.” Der treue Berater seines Vaters wäre ihm fast von der Schulter gefallen vor Schreck. Der Prinz ließ im Laufen sein Youki voll aufflammen und nahm seine Hundegestalt an. Der Inu no Taishou stand knurrend vor Ryukossei, Hund gegen Drache. Beide hatten Verletzungen davongetragen, Blut durchtränkte den Boden. Das violett-geschuppte Reptil fauchte und griff erneut an. Der wurmartige Körper umschloss den des Hundes und fixierte ihn so, dass der Fürst keine Chance hatte sich zu befreien. Ryukossei sah den Kampf als gewonnen an. Er lachte hämisch, als er den Kopf reckte, um das Genick seine Opfers mit mehr Kraft zertrümmern zu können. Gerade als der Drache zuschnappen wollte, wurde er selbst in den Nacken gebissen. Dadurch war er abgelenkt und konnte Inu Taishou nicht mehr fest umklammern, was dieser natürlich ausnutzte und sich befreite. Als er sah, wer ihm geholfen hatte, blieb dem Inu-Youkai fast das Herz stehen: Sesshoumaru hatte Ryukossei im Genick gepackt und hielt sich nun mit den Krallen fest. Seine Klauen kamen längst nicht durch die schuppige Haut des Drachens, aber dafür konnte er eine Wunden vergrößern. Ryukossei wollte sich das nicht gefallen lassen und schüttelte den Welpen seines eigentlichen Gegners mit aller Kraft ab. Als der zweite Hund am Boden lag, wollte der Drache ihm die ungeschützte Kehle durchbeißen. Aber Inu Taishou, gleichzeitig erleichtert und wütend darüber, dass sein Sohn ihm gefolgt war und in den Kampf eingegriffen hatte, warf sein ganzes Gewicht gegen den Feind, presste den violetten Körper gegen den Hang über Sesshoumaru und rammte seine Klaue durch das Herz Ryukosseis, ließ seine Magie aufleuchten und bannte den Feind dadurch. Die beiden Inu-Youkai nahmen ihre andere Gestalt an. “Was machst du hier?”, fragte Inu Taishou. Zum ersten Mal, seit Sesshoumaru denken konnte, waren in der Stimme seines Vaters all seine Gefühle zu erkennen. Zorn, Sorge, Erleichterung. “Er begeht Hochverrat”, quakte Myouga aufgeregt dazwischen. Der Inu no Taishou erstarrte unmerklich. Nur sein Sohn erkannte es. “Und was machst du hier? Wieso bist du nicht bei Izayoi?” “Izayoi-sama liegt in den Wehen, sie wird bald niederkommen. Ihr Vater ist auf einer Reise und der Hauptmann, der die Verantwortung hat, will sowohl sie, als auch das Kind töten”, erklärte der Flohgeist. Sesshoumarus Hand, die Tenseiga festhielt, zuckte unmerklich. “Du hast mir Tenseiga gebracht.” Die Verblüffung des Fürsten war nicht zu hören. Er nahm das Schwert von seinem Sohn entgegen. “Geh zurück ins Schloss. Wenn ich morgen nicht zurück bin, bist du höchstwahrscheinlich der neue Fürst.” Seinem Vater entging das unsichtbare Zusammenzucken Sesshoumarus nicht. Vielleicht hatten die beiden doch eine engere Bindung, als der Taishou immer dachte. “Such dir einen anderen Zeitpunkt, um gegen die Erziehung deiner Mutter zu rebellieren. Und jetzt geh zurück zum Schloss.” Die Wege der beiden trennten sich. Myouga saß bei seinem Herrn auf der Schulter. “Oyakata-sama, wollt Ihr Eure Wunden nicht erst versorgen lassen?”, fragte er. “Die Wunden sind nicht tief, sie werden schnell verheilen. Um Izayoi und das Kind zu retten, reicht meine Kraft allemal”, erwiderte Inu Taishou. Sein Youki flammte auf und er verwandelte sich, um schneller zu sein. Sesshoumaru ließ sich Zeit mit der Rückkehr. Als Ryukossei ihn abgeworfen hatte, hatte der Aufprall auf dem harten Felsboden dem Prinzen vier Rippen ganz gebrochen, rechts waren mindestens zwei angebrochen. Das Atmen schmerzte unglaublich, an Rennen war für Sesshoumaru nicht zu denken. Aber wirklich eilig hatte der Inu-Youkai es auch nicht. Sein Vater hatte angedeutet, dass er nicht zurückkehren würde. Sesshoumaru konnte sich vorstellen wieso: Der Hauptmann würde nicht einfach so zulassen, dass ein Youkai die Prinzessin und ihr gemeinsames Kind mitnahm, wenn er doch beide töten und die Ehre seines Herrn wiederherstellen wollte. Zwar konnte kein menschliches Heer, geschweige denn ein einzelner Soldat gegen seinen Vater und Tessaiga bestehen, aber Menschen ließen sich leicht dazu hinreißen, hinterhältige Fallen zu stellen. Als er gegen Sonnenuntergang ins Schloss kam, liefen dort aufgeregt die Diener durch die Gegend. Als sie den Prinzen sahen, ließen sich alle prompt zu Boden fallen. Sesshoumaru ging unbeirrt weiter und betrat das Schloss, wo er sich dann zu Amaru, dem Heiler des Schlosses begab. Amaru war schon Heiler im Schloss gewesen, als der Prinz noch ein Kind war. Sein schwarzes Haar wies an einigen Stellen helle Strähnen auf und seine grauen Augen wirkten müde. Es überraschte ihn nicht, dass Sesshoumaru mit einigen gebrochenen Rippen zu ihm kam. Der Jüngling brach sich häufiger mal ein paar Knochen. Die Heilung war weder besonders schmerzhaft noch sehr zeitaufwendig, sodass der Prinz schon kurze Zeit später in seinem Gemach war und sich etwas sauberes anzog. Seine Gedanken waren bei seinem Vater. Auch wenn Sesshoumaru es nie wirklich zugeben würde, er machte sich Sorgen um den Inu no Taishou und darüber, dass sein verehrter Vater sterben könnte… Im Menschenschloss lag Izayoi schwer atmend auf ihrem Lager. Eine alte Dienerin kniete neben ihr. “Izayoi-sama, Takemaru-sama hat bereits angekündigt Euch und das Kind zu töten. Niemand kann ihn davon abhalten!”, rief die Alte aus. “Myouga-jii hat versprochen… rechtzeitig mit meinem Liebsten… wieder da zu sein… Das Wichtigste ist… dass das Kind… überlebt…” Ein Schmerzensschrei der jungen Frau durchschnitt die Luft. “Izayoi-sama, wie konntet Ihr dieses Kind nur behalten? Der Heiler sagte doch, dass die Dämonenenergie eines so mächtigen Youkai viel zu stark für einen menschlichen Körper ist. Das Kind wird euch den Tod bringen!” Tränen rannen über das faltige Gesicht der Dienerin. “Ich bin ein Mensch… meine Lebensspanne ist nur ein Augenblick… im Leben eines Youkai…”, brachte Izayoi hervor. Setsuna no Takemaru, der Hauptmann der Armee, hatte seine Truppe im Innenhof Aufstellung beziehen lassen, die Bogenschützen waren bereit um mit Pfeilen anzugreifen. Er selbst hatte seinen Helm abgenommen, sich ihn unter den Arm geklemmt und ging jetzt mit gezogener Waffe durch das Schloss in Richtung Frauentrakt. Vor dem Zimmer, in dem die Prinzessin lag, hielt er kurz inne. Er hörte keine Schreie. Weder Schmerzensschreie von Izayoi, noch Babygeschrei. Hatte die Geburt beide getötet? Oder waren sie geflohen? Takemaru öffnete die Tür. Um Izayois Lager hing ein seidener Vorhang. Durch den konnte der Hauptmann nur Schemen erkennen, aber diese Schemen bewegten sich nicht, er war sich nicht mal sicher, ob Izayoi noch atmete. Er näherte sich langsam, mit schweren Schritten. Und jetzt hörte er sie atmen. Rasselnd und unregelmäßig. Sie war schwach, geschwächt von der Geburt. Der Hauptmann riss den Vorhang runter, raschelnd fiel der Stoff zu Boden. Die Prinzessin hatte nicht mal mehr die Kraft ihm das Gesicht zuzuwenden, und sie wollte dies auch gar nicht. Sie wollte nicht den Mann ansehen, der es ohne zu zögern wagte, ein neugeborenes Kind, ihr Kind, zu töten. Er war es nicht würdig von ihr angesehen zu werden. “Wo ist der Bastard?”, fragte Takemaru. “Ihr werdet ihn nicht finden. Bringt das Heer und Euch besser in Sicherheit, Setsuna no Takemaru. Oder ihr werdet alle sterben”, erwiderte Izayoi kalt. “Den Bastard werden wir finden. Er kann sich nicht verstecken. Ich hörte, dass Youkai einen Mischling ebenfalls verstoßen, weil er in ihren Augen schwach ist. Sagt, was Ihr wollt, Izayoi-hime-sama. Euer Liebster wird hier nicht auftauchen, um ein wertloses Stück Dreck wie dieses Balg zu retten. Und auch Ihr werdet sterben. Ein solch niederes Halbblut zu gebären, raubte Euch alle Kraft. Ich verehrte Euch, Izayoi-sama, wirklich sehr. Selbst nachdem Ihr Schande über dieses Schloss und Eure Familie brachtet, indem Ihr Euch von einem Ungeheuer verführen ließet. Aber das… ist jetzt vorbei. Lebt wohl.” Takemaru trieb seine Waffe in den Leib Izayois, bis er auf den Widerstand des Bodens traf. Sie schrie nicht, nur ein klägliches Wimmern entrann ihren Lippen, ihr Körper verkrampfte sich kurz, ehe alles Leben aus ihr entwich. Der Hauptmann hatte seine Ankündigung zur Hälfte erfüllt. Die Prinzessin war tot. Von draußen drang Lärm zu ihm durch. Er hörte Kampfschreie. Schnell setzte er sich seinen Helm auf, zog seine Waffe aus dem Leichnam und lief in den Innenhof. Dort stand Inu Taishou, hielt sich mit Tessaiga die menschlichen Krieger vom Hals. Als diese Takemaru sahen, wichen sie sofort zurück. Der goldene Blick des Hundefürsten heftete sich auf den eben Erschienenen Samurai. Oder besser: Auf dessen blutverschmierte Waffe. Das Blut war eindeutig das von Izayoi… “Du kommst zu spät, Ungeheuer…” Weiter kam Takemaru nicht, denn Inu Taishou sprang einfach über ihn hinweg und verschwand im Schloss. Der Hauptmann löste sich aus seiner Starre. “Wartet bis ihr meine Schritte nicht mehr hören könnt, dann brennt das Schloss nieder!”, rief er zu seinen Männern und lief ins Schloss. Der Inu-Youkai war inzwischen in dem Zimmer angelangt, in dem Izayoi lag. Er spürte das heilende Schwert Tenseiga, was sein Sohn ihm noch gebracht hatte, an seiner Seite pulsieren. Doch gerade, als er es einsetzen wollte, hörte er Takemaru hinter sich und drehte sich um, statt Tenseiga Tessaiga in der Hand. Der Mörder der Prinzessin griff an, der Fürst parierte Stahl auf Stahl. Er spannte all seine Sinne an. Zwar war Izayoi tot, doch vorher noch hatte sie das Kind zur Welt gebracht und das war nicht hier. Ein leises Geräusch ließ ihn aufhorchen, ohne den Gegner aus den Augen zu lassen oder den Druck gegen das gegnerische Schwert zu vermindern. Das Geräusch war leise und wurde von Windrauschen überschattet, aber dann wurde es klar: Es war Babygeschrei. Takemaru hörte es nicht, dafür war das Kind zu weit weg. Inu Taishou ging einige Schritte nach hinten, näher zur Tür zum Garten. Takemaru dachte natürlich, dass er den Youkai zurückdrängen würde. Der Weißhaarige schob mit einem Fuß die Tür auf. Jetzt konnte er die Babyschreie besser hören und der Wind trug auch Gerüche zu ihm herein… Allerdings keine guten. Es stank nach Rauch und der kam auch von der anderen Seite ins Schloss. Die Bogenschützen hatten die Spitzen ihrer Pfeile angezündet und so das Schloss in Brand gesetzt. Die ersten Flammen zerstörten die Türen zum Zimmer und fraßen sich langsam die Wände entlang. Schneller als selbst Inu Taishou reagieren konnte, fingen auch die Vorhänge, die um Izayois Lager auf dem Boden lagen und noch halb an der Decke hingen, in Flammen auf, kurz danach auch die Decken, auf denen die tote Prinzessin lag. Der Fürst schluckte unmerklich. Er konnte ihr nicht mehr helfen, das Pulsieren an seiner Seite hatte schon aufgehört. Das Feuer hatte fast die Tür hinter ihnen erreicht. Der Hundedämon wusste, dass er dem Kampf jetzt ein Ende bereiten musste, damit er noch aus dem Schloss springen konnte, aber Takemaru nicht mehr. Schneller als das menschliche Auge es sehen konnte, schlug er mit links zu, den Kopf des Hauptmannes als Ziel. Der Helm fiel klappernd zu Boden, im nächsten Moment warf Inu Taishou seinen Gegner in die Flammen und machte einen Satz nach hinten ins Freie. Die ersten Trümmern fielen. Setsuna no Takemaru schrie, als ein Balken auf ihn fiel. Der Fürst sah noch einige Minuten zu, ehe der beißende Gestank und die Hitze zu stark wurden. Er erinnerte sich daran, von wo er das Geschrei des Kindes gehört hatte, schob Tessaiga weg und lief los. Als er ein Stück von dem brennenden Schloss entfernt war, konnte er die Schreie wieder wahrnehmen. Er folgte ihnen durch den Wald, in dem er sich befand. Erstaunt erkannte er die Gegend. Aber dann besann er sich. Er hatte Izayoi oft genug hier getroffen. Wer immer das Kind gerettet hatte, sie musste der Person die Stelle, an der er das Kind vermutete, ganz genau beschrieben und erklärt haben, wo sie zu finden war, und zwar schon vor dieser Nacht. Keine fünf Minuten später erreichte er eine Lichtung, auf der einige Magnolienbäume standen. Vor einem lag ein kleines, strampelndes, schreiendes Bündel. In dem Baumstamm erschien wie aus dem Nichts ein knorriges Gesicht. Es wirkte unglaublich alt, die Hakennase ließ es noch länger wirken, als es sowieso schon war. “Euer Kind schreit ununterbrochen, seit die alte Dienerin es hier abgelegt hat”, sagte er. Der Fürst ließ sich auf die Knie nieder und hob das Bündel auf. Die kleine Gestalt öffnete die Augen. Goldene Iriden sahen in gleichfarbige, die kleinen, flauschigen, weißen Öhrchen auf dem Kopf des Neugeborenen zuckten hin und her. Mit dem Schreien hatte es aufgehört. “Die Dienerin sagte, der letzte Wunsch der Prinzessin sei gewesen, dass Euer Sohn den Namen Inu Yasha bekommt”, meinte der Baum. “Danke, Bokuseno. Ich werde dich bald wieder besuchen”, erwiderte der Inu-Youkai. “Richte deiner Schwiegertochter einen lieben Gruß von mir aus”, bat Bokuseno. Der Fürst zog eine Augenbraue hoch. Sein alter Freund hatte Hana kennen gelernt und es schien, als mochte er sie. Inu Taishou machte sich mit dem kleinen Bündel auf den Weg zum Schloss. Dort war Hana eigentlich gerade auf dem Weg zum Schlossgarten. Sesshoumaru hatte sie dorthin bestellt. Doch die Prinzessin blieb abrupt stehen, als sie ihren Schwiegervater witterte. Kurz zögerte sie, doch dann folgte sie dem Geruch. Inu Taishou war in einem ziemlich schlechten Zustand. Der Kampf gegen Ryukossei und die Rettung seines zweiten Kindes hatten ihre Spuren hinterlassen. “Hana… Das ist dein Schwager Inu Yasha. Lieben Gruß von Bokuseno. Wenn du Sesshoumaru siehst, sag ihm, dass ich wieder da bin und dass ich nicht gestört werden will.” Der Fürst gab das Kind an seine perplexe Schwiegertochter und verschwand dann. Hana sah ihm noch kurz nach, dann wandte sie sich dem kleinen Bündel zu. Inu Yasha sah sich neugierig um. Sesshoumaru sah auf, als er Hana hinter sich hörte. Er wollte schon verärgert fragen, wieso sie so lange gebraucht hatte, um zu ihm zu kommen, als er das kleine Bündel in ihren Armen entdeckte. “Dein Vater ist wieder da und will nicht gestört werden”, sagte sie ruhig. “Und das da?”, fragte der Weißhaarige entgegen allen höfischen Etiketten. Sie hätte fast die Augen verdreht. “Dein kleiner Bruder Inu Yasha.” Der Erbprinz sah schweigend auf das Baby hinab. Das erwidere den Blick und streckte dann seine kleine Hand nach seinem Bruder aus. Der blieb unbewegt. “Willst du ihn nicht mal auf den Arm nehmen?”, fragte Hana. “Nein, kein Bedarf. Bring ihn weg”, antwortete ihr Gefährte. “Das ist ein neugeborenes Kind, noch dazu ein Hanyou. Soll ich ihn etwa einem der Diener anvertrauen oder gar alleine lassen?”, fragte sie ruhig. “Kann Izayoi sich nicht um ihn kümmern? Ist doch schließlich ihr… Kind”, warf Sesshoumaru ein. “Dein Vater kam alleine.” Der Prinz ging wortlos an ihr vorbei ins Schloss. Sie sah ihm nach. Als er weg war, sah sie wieder zu ihrem Schwager in ihren Armen. “Dein Bruder wird sich schon an dich gewöhnen, Kleiner”, meinte sie und ging dann mit Inu Yasha wieder ins Schloss. Sie kam unbemerkt in ihr Gemach, kein Diener erfuhr von dem Kind, was für sie an ein Wunder grenzte, bei den vielen Dienern, die dort rum liefen. In ihrem Gemach legte sie das Bündel auf ihr Bett, ehe sie sich eine kleine Decke bringen ließ. In die Decke wickelte sie das kleine Kind ein, die andere Decke legte sie in eine Ecke. Blut klebte an ihr und an einigen Stellen war sie zerrissen. Hana beobachtete das kleine Wesen. Inu Yasha bewegte sich und versuchte nach den Seidentüchern zu greifen, die an der Zimmerdecke hingen und um das Bett fielen, wenn die Prinzessin sie aus der Halterung an der Wand löste. Es klopfte kurz, ehe die Tür sich öffnete. Inu Taishou betrat den Raum. Seine kleinen Verletzungen waren verheilt und auch seine Kleidung sah jetzt wieder wie die eines Fürsten aus. Nur seine Augen wirkten starr, unbewegt und, wie Hana fand, traurig. Kein Youkai, weder sie noch ihr Gefährte oder ihr Schwiegervater, würde je zugeben, so etwas wie Trauer zu empfinden, nicht mal vor den eigenen Eltern, Kindern, Gefährten. “Du hättest ihn umbringen können”, meinte er monoton. Sie schloss kurz die Augen. “Wieso sollte ich ein Kind töten? Weil es ein Hanyou ist?”, fragte sie. Er zog die Mundwinkel leicht nach oben und legte ihr eine Hand auf die Schulter. “Jetzt weiß ich, wieso Bokuseno dich auf Anhieb gern hatte. Du bist wirklich außergewöhnlich”, sagte er. Dann nahm er Inu Yasha hoch. “Wie hat Sesshoumaru reagiert?”, wollte er wissen. “Er… muss sich erst an den Kleinen gewöhnen”, erwiderte seine Schwiegertochter diplomatisch. Inu Taishou nickte. “Lass die Decke verbrennen”, bat er, ehe er ging. ______________________________________________________________________________ So wäre das Drama ausgegangen, wenn Jenny und ich die Stifte dafür geschwungen hätten. ^^ Freuen uns wie immer über Kritik, egal ob positiv oder negativ. lg Hani und Jenny Kapitel 04 ---------- Der Inu no Taishou stand am Fenster seines Privatgemachs, von wo er auf den Kampfplatz hinter dem Schloss sehen konnte. Dort unten trainierte sein älterer Sohn Sesshoumaru mit dem inzwischen 150-jährigen Inu Yasha. Nicht ganz freiwillig, sein Vater hatte es ihm sozusagen befohlen. Na ja, das sozusagen konnte man auch weglassen, er hatte es ihm befohlen. Der Jüngere hatte auf Anraten des Waffenschmiedes Totosai Tessaiga bekommen. Der Grund war einfach: Sesshoumaru hatte Recht mit seiner Vermutung, dass das starke Blut eines Youkai wie dem Inu no Taishou zu stark war für einen menschlichen Körper. Damit das Youkaiblut in dem Hanyou nicht die Kontrolle übernahm hatte er Tessaiga bekommen. Totosai hatte für den Fürsten und auch für seinen Erben neue Schwerter geschmiedet. Die beiden Söhne des Taishou sollten sich an ihre neuen Waffen gewöhnen. Langsam und selbst für Youkai unhörbar öffnete sich die Schiebetür. Der kleine Jäger schlich sich in den Raum und schloss die Tür ebenso leise wieder. Sein Opfer stand am Fenster und sah nach unten, tief in Gedanken versunken, nicht auf den Angriff vorbereitet. Der kleine Jäger beherrschte es wie kein zweiter sich an den Fürsten anzuschleichen. Das machte ihn zum perfekten Jäger. Der Taishou hatte keine Chance mehr zu entkommen. Schritt für Schritt näherte sich sein Untergang, ging in Sprungstellung und sprang dem Fürsten auf den Rücken, schlang die Arme um dessen Hals… Inu Taishou rührte sich nicht. “Hast du dich wenigstens ein bisschen erschreckt?”, fragte der kleine Jäger, ein Mädchen war es. Ihre silbrig-blauen Haaren fielen über die Schulter des Fürsten, als das Kind sich nach vorne beugte. Ein Mensch hätte sie vielleicht auf sieben Jahre geschätzt, aber sie war in Wirklichkeit viel älter. Sie war acht. Ihre Augen glänzten in einem blau-gold, was an einen See im Sommer erinnerte, auf ihren Wangen war jeweils ein pink-violetter Streifen gezeichnet. “Ich bin innerlich zusammengezuckt, damit du nicht wieder runter fällst”, sagte der Fürst tonlos. Das Kind gab ein grummelndes Geräusch von sich und stützte ihr Kinn auf die Schulter des Inu no Taishou, um besser nach unten sehen zu können, wo die Halbbrüder noch immer trainierten. “Wie kommt es eigentlich, dass Papa und Onkel so verschieden sind?”, fragte das kleine Mädchen. “Weiß dein Vater, dass du ‘Papa’ zu ihm sagst?”, fragte der Fürst zurück. “Nein”, erwiderte die Kleine. “Soll ich es ihm sagen, Sora-chan?” “Dann bist du aber nicht mehr mein lieber, netter Opa.” Das Mädchen drückte sich enger an ihn. Inu Taishou verzog leicht die Mundwinkel. “Bin ich eigentlich schwer?”, wollte Sora wissen. “Was denkst du denn von mir? Dass ich ein gebrechlicher, alter Mann bin, der nicht mal eine achtjährige tragen kann?” “Totosai-jijii sagt, dass ich zu schwer für ihn bin.” “Du benutzt ziemlich gerne unhöfliche Anreden, mein liebes Enkelkind. Von wem lernst du die? Von deinen Lehrern mit Sicherheit nicht und von deinem Vater erst recht nicht.” Der Taishou sah sie aus den Augenwinkeln an. “Onkel benutzt sie, wenn ihn außer mir keiner hört”, erklärte Sora und sah wieder nach unten, wo Sesshoumaru seinen Bruder gerade entwaffnete. “Und wieso sind die beiden jetzt so verschieden?”, hakte sie noch mal nach. Ihr Großvater seufzte kaum hörbar. “Ich habe den Fehler begangen deinen Vater die ersten Jahre von seiner Mutter erziehen zu lassen. Da hätte ich ihn auch genauso gut direkt zur Armee schicken können”, sagte er. “Weiß Papa, dass du seine Erziehung für einen Fehler hältst?”, fragte die Kleine unschuldig. “Nein.” “Und wenn ich es ihm erzähle?” “Dann bist du nicht mehr meine liebe, kleine Enkelin.” “Das reicht für heute, Inu Yasha”, beendete Sesshoumaru das Training. Beide schoben ihre Waffen weg. “Hast wohl Angst, dass ich dich vor den Augen unseres Vaters und deiner kleinen Tochter fertig mache”, feixte der Hanyou. Sein Bruder fixierte ihn. “Im Gegensatz zu Menschen und Hanyous kennen Youkai keine Angst”, sagte er kalt. “Da hat deine Tochter aber was anderes gesagt. Sie hat im Dunkeln panische Angst.” “Erstens ist sie ein Kind und zweitens halte dich von ihr fern, ich habe kein Interesse daran, dass sie sich ein genauso loses Mundwerk aneignet wie du.” Der Erbprinz verschwand. “Zu spät”, murmelte Inu Yasha und folgte dem Älteren. Dabei erinnerte er sich an die unzähligen Male, als er sich vor seiner Nichte nicht gerade wie ein Prinz benommen hatte, sondern eher wie ein Bauernjunge… Sie hatte sich besonders die unhöflichen Anreden angeeignet. Zum Glück hatte sie sich aber auch abgeguckt sie nicht vor ihrem Vater zu benutzen und auch nicht vor dem Inu no Taishou. Wobei… Letzteres konnte er nur hoffen. Der jüngere Prinz konnte ja nicht ahnen, dass sein Vater es äußerst amüsant fand zu sehen, dass seine Enkelin so ganz anders war als ihre Eltern, denn weder Sesshoumaru noch seine Gefährtin Hana benutzten vertrauliche Anreden wie Papa, Mama oder Opa, sie redete ihn mit Sesshoumaru-sama an, wenn sie in der Öffentlichkeit waren und wohl auch, wenn sie alleine waren. Wenn die beiden wüssten, dass Sora von den höfischen Etiketten so gar nichts hielt, würden sie wohl tot umfallen. “Weißt du, wo Mama ist?”, fragte Sora. Noch so eine Sache: Sie duzte ihren Großvater und auch ihren Vater. “Wahrscheinlich in ihrem Gemach”, erwiderte der Fürst. “Nein, da komme ich gerade her.” Sora sprang auf den Boden und kam neben ihren Großvater. “Hast du eigentlich keinen Unterricht?”, wollte der wissen. “Nein”, antwortete die Kleine. Inu Taishou strich ihr über die Haare und zog dabei ihren Kopf in den Nacken, sodass sie zu ihm aufsah. “Sora, wenn du weiterhin den Unterricht schwänzt, wird sogar dein Vater irgendwann die Geduld mit dir verlieren und dich jeden Tag zu den Stunden bringen, jemanden vor der Tür Wache stehen lassen, jemanden vor das Fenster stellen und den Lehrern sagen, dass sie ihm umgehend bescheid sagen sollen, wenn du dich mal wieder aus dem Staub machen solltest”, sagte er ernst. Es klopfte. Inu Yasha kam rein. Er sah von seinem Vater zu seiner Nichte, die noch immer den Kopf im Nacken halten musste. “Was gibt’s, Inu Yasha?”, fragte Inu Taishou flapsig. Der Hanyou deutete auf Sora. Der Fürst ließ seine Enkelin frei. Die war mit einem Satz bei ihrem Onkel auf der Schulter. “Na, hast du zugesehen?”, fragte er. “Ja.” “Beim nächsten Mal werde ich deinen Vater besiegen”, versprach Inu Yasha. “Niemals. Keiner ist stärker als Papa. Außer Opa vielleicht”, erwiderte seine Nichte und sprang wieder auf den Boden. “Vielen Dank für dein Vertrauen”, seufzte der Hanyou und zerzauste ihr die Haare. Man konnte sagen, dass sich im Fürstenhaus so einiges grundlegend verändert hatte. Jeder hatte sich verändert, sogar Sesshoumaru. Inu Yasha war in den ersten Jahren von seinem Vater erzogen worden und wenn der einmal keine Zeit hatte, war der Hanyou, als er noch ein Kind war, häufig bei Hana gewesen, was Sesshoumaru zuerst ein Dorn im Auge war. Er konnte sich nicht damit abfinden, dass jetzt auch ein Hanyou im Schloss wohnte und so viel Aufmerksamkeit bekam. Niemals hätte der stolze Inu-Youkai es zugegeben, aber er war leicht eifersüchtig. Inu Yasha merkte das durchaus und anfangs hat er noch versucht sich mit seinem Bruder anzufreunden, aber nach einigen Jahren hatte er das aufgegeben. Er hatte jedoch bemerkt, dass Sesshoumaru sich besonders zusammenreißen musste, wenn beide gleichzeitig bei ihrem Vater waren und der Hanyou den Fürsten duzte. Inu Taishou war das ebenfalls nicht entgangen und mehrmals hatte er seinem älteren Sohn gesagt, dass er auch auf das “Du” hinter verschlossenen Türen umsteigen durfte, ohne dass ihm Dummheit oder Unloyalität unterstellt wird. Der Erbprinz konnte sich damit zuerst nicht anfreunden, aber mittlerweile fing auch er an seinen Vater zu duzen, wenn sie alleine waren, oder wenn Hana oder Sora dabei waren. Nur wenn Inu Yasha dabei war, hielt Sesshoumaru sich strikt an das Protokoll seiner Mutter. Wenn der Inu no Taishou sich recht erinnerte, hatte sein ältester Sohn angefangen ihn zu duzen, als Sora zu sprechen begonnen hatte. Damals hatte sie das siezen natürlich noch nicht beherrscht und es fiel ihr ziemlich schwer ‘Vater’, ‘Mutter’ oder gar ‘Großvater’ zu sagen, daher hatte ihr irgendjemand - sein Name ist Inu Yasha - die Wörter ‘Mama’, ‘Papa’ und ‘Opa’ beigebracht, die sie zuerst auch noch vor ihren Eltern benutzen durfte. Aber als sie dann anfing den Unterschied zwischen ‘Du’ und ‘Sie’ zu begreifen und auch Vater und Mutter sagen konnte, hatte Hana ihr beigebracht diese Wörter auch zu benutzen. Wenn ihre Eltern aber einmal nicht da waren, ließ Sora die “Prinzessinnenmaske” gerne mal fallen, was sie auch von ihrem Onkel gelernt hatte, der sich sehr gerne um sie kümmerte. Weder Inu Yasha noch sein Vater störten sich daran, denn wenn es wichtig war, beherrschte die Kleine sich. Zum Beispiel als Hanas Vater mit seiner Gefährtin und seinem Sohn zu Besuch gekommen war. Sie hatte sich die ganze Zeit vorbildlich verhalten, sogar alle anderen gesiezt. Nur die Stiefmutter ihrer Mutter nicht. Hana hatte ihren Vater und ihren Halbbruder seit diesem Treffen nicht mehr gesehen und vorher hatte sie auch kein Interesse daran gehabt, das Schloss im Norden zu besuchen, obwohl sowohl ihr Gefährte, als auch ihr Schwiegervater es ihr mehrmals angeboten hatten. Sie bevorzugte es mit ihrer Freundin und Kriegerin Akemi zu trainieren. Das Schwert hatte sie bereits vor ihrer Hochzeit gehabt. Inu Taishou hatte ihr angeboten, Totosai damit zu beauftragen, ihr ein neues Schwert zu schmieden, aber sie hatte auch das dankend abgelehnt. Sie hatte nie gesagt, woher sie ihr Schwert hatte, aber es hatte auch nie einer danach gefragt. Sesshoumaru war eigentlich noch genau so wie vor 150 Jahren. Wenn man von seinem Verhältnis zu seinem Vater absah. Als Hana vor acht Jahren schwanger geworden war, hatte er sich einen Sohn gewünscht, denn momentan war es so, dass Inu Yasha Sesshoumarus Erbe war. Eine Sache, die dem Youkai gegen den Strich ging. Aber trotzdem liebte er Sora, auch wenn er es nicht zeigte und auch nicht zugab. Der Inu no Taishou handelte in den meisten Dingen anders, als ein anderer Youkai in seiner Position. Zum Beispiel gestattete er seinen beiden Söhnen das Schloss regelmäßig zu verlassen und in der Gegend umher zu wandern, was die beiden immer mit Vergnügen taten. So waren sie auch jetzt wieder seit zwei Wochen unterwegs. Sesshoumaru in Begleitung des Gnom Jaken, den er auf einer anderen seiner Reisen aufgegabelt hatte, sowie des zweiköpfigen Reitdrachen Ah-Uhn. Inu Yasha war alleine. Dass den beiden was passieren konnte, bezweifelten sowohl Inu Taishou, als auch Hana und Sora. Sora, weil sie als Kind ihren Vater für den größten und stärksten Youkai von allen hielt und ihren Onkel ebenfalls bewunderte, die andern beiden waren realistischer und wussten, dass die beiden Prinzen erfahrene Kämpfer waren und kein zivilisierter Youkai einen Angriff auf die Prinzen des Westens starten würde. So saß der Taishou in seinem Arbeitszimmer und widmete sich dem anfallenden Papierkram, während Sora im Unterricht saß und Hana mit Akemi auf dem Kampfplatz vor dem Schloss trainierte. Inu Yasha war währenddessen in der Nähe eines Menschendorfes. Eine Miko stand ihm gegenüber, neben ihr ein etwa achtjähriges Mädchen, was einen Eimer dabei hatte, indem eindeutig ein Kräutersud war. “Kaede-chan, geh doch schon mal vor”, sagte die Miko. Das Mädchen gehorchte und ging an dem Hanyou vorbei. Als sie außer Sichtweite war, überwand die schwarzhaarige Miko die letzten Meter, die sie und Inu Yasha trennten und schlang ihre Arme um seinen Hals. “Inu Yasha…”, hauchte sie und er erwiderte die Umarmung. “Kikyou.” Die Lippen der beiden trafen sich kurz. “Wer war das Mädchen?”, fragte der Hanyou. “Meine kleine Schwester, Kaede. Ich muss ihr das alles erst noch erklären, dann stell ich euch einander vor”, versprach die Miko Kikyou. Sesshoumaru blieb stehen, als er etwas hinter sich hörte. Er befand sich mit seinen Begleitern Jaken und Ah-Uhn in einem Wald. “Sesshoumaru-sama…”, hörte er eine Stimme hinter sich und drehte sich um. Ein Youkai kniete vor ihm. Er hatte nicht, wie Sesshoumaru, eine “menschenähnliche” Gestalt. Er sah aus wie ein großer Wolf, der auf zwei Beinen gehen konnte, sein Kopf passte proportional nicht zum Rest seines Körpers und seine Augen schienen fast aus dem Kopf zu fallen. Er trug eine Rüstung und ein Schwert. “Royakan…”, sagte Sesshoumaru gewohnt monoton. “Sesshoumaru-sama, ich bin erleichtert Euch zu sehen. Es wurden vermehrt Pantheryoukai im Reich des Westens gesehen. Sie haben niemanden angegriffen, sie scheinen aber die Lage hier auszuspionieren”, berichtete der Wolf. Der Inu-Youkai verengte die Augen leicht. “Panther…”, wiederholte er leise. “Ich sah es als meine Pflicht an, Euch darüber in Kenntnis zu setzen. Hätte ich Euch hier nicht zufällig getroffen, wäre ich in wenigen Tagen ins Schloss gekommen, um Euren verehrten Vater zu informieren”, meinte Royakan. “Du kannst gehen”, antwortete der Prinz. Der Wolf erhob sich, verneigte sich noch einmal und verschwand dann zwischen den Bäumen. “Was… was habt Ihr nun vor, Sesshoumaru-sama?”, fragte Jaken. Statt einer Antwort trat sein Herr auf ihn drauf und ging den Weg weiter entlang. Der Gnom sprang auf und folgte ihm so schnell seine kleinen Füße ihn tragen konnten. Hana drehte ihr Handgelenk ein wenig und Akemi verlor ihre Waffe. “Die Prinzessin besiegt die Kriegerin. Finde den Fehler”, meinte die Kriegerin und strich ihren braunen, langen Zopf glatt. Ihre grünen Augen blitzten, als sie ihr Schwert wieder zur Hand nahm. “Besser als wenn ich mich die ganze Zeit darauf verlassen muss, dass mein Gefährte, mein Schwiegervater oder mein Schwager auf mich aufpassen und mich vor Gefahren beschützt”, erwiderte Hana und zog ihr Haarband fest. Nur beim Training hatte sie ihre gewellten, hüftlangen Haare zu einem Zopf gebunden, sonst trug sie sie offen. “Wird Sora eigentlich auch kämpfen dürfen, oder bekommt sie nur die klassische Prinzessinnenausbildung?”, fragte Akemi. “Ich weiß nicht. Vielleicht. Vielleicht will Sesshoumaru das aber auch nicht, weil Sora sowieso schon viel zu überdreht ist für eine Prinzessin.” Die beiden kreuzten wieder die Klingen. “Du bist echt eine unglaubliche Prinzessin, Prinzessin. Nicht nur, dass du mit mir trainierst und mich dabei auch noch besiegst, du benimmst dich mir gegenüber viel eher wie eine gewöhnliche Kriegerin und nicht wie die Gefährtin des Erbprinzen des größten Reiches”, bemerkte die Kriegerin. “Das liegt an meinem Vater. Er hatte genaue Vorstellungen von meinem Verhalten und ich habe genau das Gegenteil getan”, erklärte Hana und drängte ihre Freundin nach hinten. “Dein Schwiegervater beobachtet uns von seinem Arbeitszimmer aus”, stellte Akemi fest. “Versuchst du mich abzulenken?”, fragte Hana lächelnd. “Nein, er schaut uns wirklich zu.” antwortete die Kriegerin. “Sesshoumaru und Inu Yasha sind nicht da, normalerweise findet um diese Zeit ihr alltäglicher Übungskampf statt, bei dem er immer zuschaut.” Die Prinzessin sprang ein Stück zurück, ehe sie einen neuen Angriff startete. Sie beging nicht den Fehler zu ihrem Schwiegervater aufzusehen, auch wenn das nur ein Übungskampf war. “Sora, hast du schon wieder den Unterricht geschwänzt?”, fragte Inu Taishou, als er eine Bewegung hinter sich wahrnahm. “Nein, der Lehrer hat ihn gerade beendet”, erwiderte seine Enkelin und kam neben ihn. Es war unhöflich zu dem Fürsten ins Arbeitszimmer zu kommen, ohne sich anzumelden, besonders weil der Taishou gesagt hatte, dass er nicht gestört werden wollte, aber das bewies nur mal wieder, dass die Regeln im Schloss sich im Bezug auf Familienangehörige gewaltig verändert hatten. Was Sesshoumaru allerdings nicht immer behagte. Die beiden beobachteten die Tricks der beiden Kämpferinnen. “Darf ich später eigentlich auch kämpfen lernen?”, fragte Sora plötzlich. Ihr Großvater sah zu ihr. “Das musst du deinen Vater fragen, ich kann das nicht entscheiden.” sagte er. Die kleine Prinzessin nickte. “Und wann kommt er wieder?” Der Taishou lächelte. “Ich weiß nicht.” “Das hier hat der Kerl in deinem Vorzimmer mir gegeben, es ist wohl gerade von einem Boten abgegeben worden.” Sora reichte Inu Taishou einen Umschlag. “Danke.” Verwundert stellte der Fürst fest, dass kein Absender auf dem Umschlag stand, in dem Wachssiegel befand sich kein Wappen. Er schnupperte vorsichtig, konnte aber kein Gift oder ähnliches wahrnehmen und so öffnete er den Umschlag und nahm den darin enthaltenen Brief heraus, entfaltete ihn. Während er las, verhärtete seine Miene sich. Ohne es zu merken ließ er sein Youki ansteigen. Sora zupfte an seinem Ärmel. “Was ist denn, Opa? Schlechte Nachrichten?”, fragte sie. Der Taishou sah zu ihr hinab und sie zuckte leicht zusammen, angesichts des harten Blickes, den sie sonst nur von ihrem Vater kannte, wenn der sich mal wieder mit Inu Yasha stritt. “Sora, bleib hier, ich bin gleich wieder da”, sagte Inu Taishou und verließ das Zimmer. Seine Enkelin zuckte kurz mit der Schulter und sah dann wieder zu ihrer Mutter und deren Freundin, die noch immer in ihren Kampf vertieft waren. Die kleine Prinzessin bewunderte ihre Mutter für ihre Eleganz und heimlich stellte sie sich vor, dass Hana einmal einen Übungskampf gegen Sesshoumaru bestritt. Vielleicht könnte sie ihn wenigstens ein Mal entwaffnen, etwas, was Inu Yasha noch nie gelungen war. Das Mädchen sah auf, als ihr Großvater den Kampfplatz erreichte. Akemi sprang zurück und ließ sich auf die Knie fallen, senkte das Haupt. “Oyakata-sama”, sagte sie, was Hana dazu bewog sich noch im Umdrehen zu verneigen. “Schon gut, erhebt euch. Hana, komm mit mir. Akemi, du kennst die Krieger und Boten besser als ich. Ich brauche zwei Männer, die schnell und gut im Kampf sind. Komme mit ihnen ohne Umwege in mein Arbeitszimmer”, befahl der Fürst und drehte sich um. Die beiden Freundinnen sahen sich verwundert an, ehe Hana ihrem Schwiegervater folgte. Im Gehen schob sie ihr Schwert weg und mit einem kleinen Sprung war sie rechts neben Inu Taishou, natürlich den höfischen Schritt zurück nicht vergessend. Akemi überlegte kurz und machte sich dann auf den Weg in die Unterbringung der Krieger und Boten. Sie wusste schon, wen sie auswählen würde. Takeru, einen sehr erfahrenen und guten Kämpfer, der sich fest vorgenommen hatte sein Leben wenn überhaupt nur für den Fürsten und seine Familie zu geben. Und Kouga, einen jungen Wolfsyoukai. Er war der Sohn eines Rudelführers und an den Hof geschickt worden, um dort zu arbeiten und zu lernen sein hitziges Gemüt in den Griff zu bekommen. War ihm bis jetzt noch nicht gelungen, aber was nicht ist, kann ja noch werden. “Sora, was machst du hier?”, fragte Hana, als sie mit ihrem Schwiegervater das Zimmer betrat. “Ojii-sama hat gesagt ich solle hier warten”, erwiderte das Mädchen. “Es geht um den Brief, den ich gerade bekommen habe.” Inu Taishou reichte seiner Schwiegertochter das Schriftstück und sie las es. Zu Soras Erstaunen verhärteten sich auch die Gesichtszüge ihrer Mutter. Ihre Neugier wuchs, aber zu fragen, was denn in dem Brief stand, traute sie sich nicht. “Ist das die Handschrift deines Vaters?”, fragte der Fürst. “Nein, sicher nicht. Aber es könnte durchaus die seiner Gefährtin oder seines Sohnes sein”, antwortete Hana und reichte ihm den Brief wieder zurück. In dem Moment erschienen Akemi, Takeru und Kouga in der noch offen stehenden Tür. Inu Taishou sah auf. “Folgendes: Ihr vier teilt euch in zwei Gruppen auf und sucht im ganzen Reich nach den beiden Printen, sagt ihnen, dass sie sofort zum Schloss zurückkehren sollen und dass das mein ausdrücklicher Befehl ist. Viel Erfolg”, sagte Inu Taishou. “Vier?”, wiederholte Kouga und biss sich im nächsten Moment auf die Zunge. Alle Blicke hefteten sich eiskalt auf ihn. “Verzeihung”, brachte er hervor. “Hana wird sich ebenfalls auf die Suche machen. Ich denke, es wird ihr leichter fallen Sesshoumaru ausfindig zu machen, als einem von euch”, erklärte der Taishou. Hana, Akemi, Takeru und Kouga verneigten sich und verließen dann das Zimmer. Sora wollte zu ihrer Mutter, um sich zu verabschieden, aber ihr Großvater hielt sie zurück. “Lenk deine Mutter jetzt nicht ab”, sagte er und strich ihr über den Kopf. Die Kleine sah auf. “Darf ich nicht auch suchen helfen? Ich finde Papa und Onkel bestimmt auch schneller als die anderen”, meinte sie. Der Taishou hob das Mädchen hoch. “Da draußen, das ist keine Welt für kleine Prinzessinnen. Du bist noch ein Kind und kannst dich nicht wehren. Ich mach mir doch auch schon genug Sorgen um deinen Vater, deinen Onkel und deine Mutter, wenn du jetzt auch noch gehen würdest, dann käme ich doch erst recht nicht mehr zur Ruhe. Und dein Vater würde mir den Hals umdrehen, wenn ich dich einfach draußen nach ihm suchen lassen würde”, sagte er. “Was stand denn in dem Brief?”, fragte Sora dann. “Nichts, was dich kümmern sollte. Willst du nicht spielen gehen?” Er ließ das Kind runter. “Spielst du mit mir? Onkel Inu Yasha hat mir ein Spiel beigebracht, aber das kann man nicht alleine spielen.” Der Taishou überlegte kurz. Ein wenig Ablenkung wäre bei der momentanen Situation vielleicht wirklich ganz gut. Außerdem waren Opas zum Spielen da. “Was für ein Spiel willst du denn spielen?”, fragte er. “Verstecken. Ich verstecke mich irgendwo und du wartest einige Zeit, ehe du anfängst mich zu suchen. Und wenn du mich gefunden hast, verstecke ich mich noch mal”, erklärte die kleine Prinzessin. Ihr Großvater nickte leicht und Sora verschwand. Der Fürst wartete einige Zeit und dann machte er sich an die Verfolgung. Zu seiner Verwunderung konnte er Soras Witterung nicht aufnehmen… Hoffentlich machte die keine Dummheiten und versuchte aus dem Schloss abzuhauen. Aber Sesshoumaru hatte die Wachen angewiesen Sora nicht aus dem Schloss zu lassen, wenn kein Mitglied der Fürstenfamilie bei ihr war und die trauten sich nicht den Befehl des Erbprinzen zu widersprechen, egal wie sehr die Prinzessin auch bettelte. Sora war sehr geschickt, was dieses Spiel anging. Sie hatte schnell gelernt, ihren Geruch teilweise zu unterdrücken, sodass keiner eine frische Spur von ihr vermutete, sondern nur alte. Sie hatte sich hinter einem Vorhang versteckt. Sie war klein und zierlich genug nicht hinter dem dicken Stoff aufzufallen und als ihr Großvater an ihr vorbeigegangen war und sie seine Schritte nicht mehr hören konnte, schlich sie sich wieder in sein Arbeitszimmer. Normalerweise widersetzte sie sich nicht, wenn ihre Familienangehörigen ihr was sagten, aber sie hatte das Gefühl, dass sie wissen müsse, wieso ihr Vater und ihr Onkel so schnell wie möglich wieder ins Schloss kommen sollten und der Fürst sogar seine Schwiegertochter losschickte, da sie ihren Gefährten wohl schneller finden würde. Der Kerl im Vorzimmer sah auf, als Sora an ihm vorbeiging. “Sagen Sie ojii-sama bitte nicht, dass ich hier bin. Ich werde von ihm persönlich darin ausgebildet meine Spur zu verwischen”, bat sie zuckersüß und verschwand im Arbeitszimmer. Dort kletterte sie auf den Stuhl hinter dem Schreibtisch und nahm den Brief zur Hand. Zum Glück hatte sie sich einprägen können, wo er lag. Sie begann zu lesen. Es ist ziemlich leichtsinnig deine beiden Söhne durch die Gegend laufen zu lassen. Sie machen sich zu leichten Zielobjekten. Es wäre ein leichtes sie aus dem Hinterhalt zu attackieren und umzubringen. Und was die Folge wäre, kannst du dir sicherlich denken: Du müsstest deine Schwiegertochter ehelichen, weil sie deinem Sohn bis jetzt nur eine Tochter geboren hat. Oder du schickst sie zurück in den Norden und nimmst dir eine andere Frau, aber das würde gegen den Friedensvertrag mit dem Norden verstoßen… Ruf deine Söhne besser zurück ins Schloss, sonst siehst du sie nicht mehr lebend wieder… ____________________________________________________________________________ Das ist Jennys Lieblingskapitel in der Story, meins haben wir noch nicht geschrieben. Die "Revolution" der höfischen Etikette beruht auch wieder auf meiner FAmiliengeschichte. Die hat allerdings irgendwann aufgehört, in der Öffentlichkeit werden höhere Familienmitglieder gesiezt. Kritik wie immer erwünscht. ^^ lg Hani und Jenny Kapitel 05 ---------- Inu Taishou hetzte durch das Schloss in Richtung Arbeitszimmer. Er hatte Sora nicht finden können und dann war ihm plötzlich ein Gedanke gekommen, den er nie zuvor auch nur in Betracht gezogen hätte: Konnte es sein, dass seine Enkelin sich das erste Mal einer Anweisung widersetzte und sich heimlich in sein Zimmer geschlichen hatte, um den Brief doch zu lesen? Hastig riss er die Tür auf, ignorierte seinen Sekretär und öffnete dann die Tür zu seinem Arbeitszimmer. Es war leer. Von Sora weit und breit keine Spur. Ein Blick auf den überfüllten Schreibtisch verriet dem Taishou aber noch etwas anderes: Sie musste hier gewesen sein und den Drohbrief gelesen haben, der lag nämlich auf dem Boden. Aber wo war die Kleine jetzt? Der Fürst versuchte sie zu wittern, aber die Spuren, die er fand, waren alle schwach, sie waren alt… Aber dann erinnerte Inu Taishou sich an etwas: Sesshoumaru schaffte es immer wieder sich so im Schlossgarten zu verstecken, dass es ne ziemlich lange Zeit dauerte, bis man ihn fand. Sollte Sora in so jungen Jahren diese Technik ebenfalls schon so gut beherrschen? Dann wäre es ein Ding der Unmöglichkeit sie zu finden, bei ihrem Vater wusste man wenigstens, dass er im Schlossgarten war, weil er sich dort am liebsten aufhielt, wieso auch immer. Aber Sora war sowohl gerne im Schloss als auch draußen. “Ist meine Enkelin hier vorbeigekommen? Wenn ja wann?”, fragte der Inu no Taishou seinen Sekretär. “Die Prinzessin bat mich Euch nichts zu sagen”, wagte der ältere Youkai zu sagen. “Wenn ich die Prinzessin nicht finde, wird ihr Vater dich töten”, antwortete der Taishou kalt. “Die… die Prinzessin ist kurz nachdem Ihr gegangen seid in Euer Arbeitszimmer gegangen, hat es aber recht schnell wieder verlassen. Wenn ich das anmerken darf: Sie sah ziemlich blass aus, ich wollte sie schon zu Amaru bringen, aber sie lief weg”, erzählte der Sekretär. Das bedeutete sie konnte überall sein. Inu Taishou überlegte. Als erstes musste er sichergehen, dass Sora noch im Schloss war. Also lief er zum Haupttor. Die Wachen dort verneigten sich. “Ist Prinzessin Sora hier vorbeigekommen und hat das Schloss verlassen?”, fragte Inu Taishou. “Ja, sie wollte raus und in den Wald gehen, weil sie dort angeblich mit Prinz Inu Yasha verabredet war. Aber wir haben sie nicht passieren lassen”, erwiderte einer der Wachmänner. “Habt ihr die Mauern die ganze Zeit im Blick gehabt?”, fragte der Fürst weiter. “Eure Enkelin hat einmal versucht über die Mauer zu fliehen, aber wir konnten sie vorher noch einfangen”, antwortete der zweite Wachmann. “Wie lange ist das ungefähr her?”, wollte der besorgte Herrscher wissen. “Schon einige Zeit”, war die knappe Antwort. Der Fürst nickte kurz und verschwand dann. Es gab noch ein zweites Tor, was ebenfalls bewacht war. Allerdings stand dort nur eine Wache… “Wo ist dein Kollege, der mit dir Wache halten soll?”, fragte Inu Taishou. Die Wache schluckte. “Der… ist momentan im Wald auf der Suche nach Prinzessin Sora. Die ist vor Kurzem pfeilschnell über die Mauer geklettert und weggelaufen. Ich habe einen Boten losgeschickt, der Euch finden und das Verschwinden der Prinzessin mitteilen sollte.” Der Fürst wäre am liebsten vor Wut im Dreieck gesprungen. Er war nicht auf die Wachen wütend, sondern auf sich selbst. Er hätte wissen müssen, dass Sora bemerken würde, dass etwas nicht stimmte und dass sie das mit dem Brief in Verbindung bringen würde. Er hätte auch wissen müssen, dass sie neugierig war und Neugier häufig den Gehorsamkeitssinn oder den Spieltrieb besiegen konnte. Schneller als je zuvor holte Inu Taishou sich sein Schwert und seine Rüstung, um sich dann ebenfalls auf die Suche nach seiner Enkelin zu machen. Er hoffte nur, dass sie keine Dummheiten anstellen würde und nicht in Gefahr geriet. Die kleine Prinzessin hatte es endlich geschafft. Sie konnte die Wache, die ihr gefolgt war, nicht mehr wittern und so konzentrierte sie sich darauf ihren Vater zu finden, oder zumindest ihre Mutter, damit sie mit der zusammen suchen konnte. Sie wusste, dass sie tierischen Ärger bekommen würde, wenn sie wieder im Schloss war, aber das bereitete ihr keine Sorgen. Dass in diesem Brief stand, dass jemand ihren Vater und ihren Onkel umbringen wollte, damit ihre Mutter entweder ihren Opa heiraten musste oder weggeschickt würde, dagegen schon. Sora witterte kurz. Sie konnte keine vertraute Spur aufnehmen, nicht mal diesen komischen, vorlauten Wolfsyoukai, dessen Geruch sie so eigenartig gefunden hatte oder Akemi. Auch von ihrer Mutter oder ihren anderen Verwandten fand sie keine Spur. Um sie herum war nur der Wald mit seinen Bewohnern zu wittern. Zum ersten Mal kamen der Inu-Youkai Zweifel auf: Wie sollte sie denn die Erwachsenen in diesem Wald finden? Die waren viel größer und schneller als sie und hatten dazu auch noch einen Vorsprung. Aber andererseits würden die beiden Suchtrupps auch nicht wissen, wo sie die beiden Prinzen suchen sollten. So lief die Achtjährige weiter. Akemi ging schweigend neben Kouga her. Der Wolfsyoukai schnaubte immer wieder leise. Die beiden waren in die Richtung gegangen, in der Inu Yasha Gerüchten zufolge gesehen wurde. Die Kriegerin verdrehte kurz die Augen. Dieser Jüngling nervte! Aber Takeru hatte sich so tief verneigt, dass Akemi schon befürchtete, dass er nicht mehr hochkam, und so förmlich und demütig gebeten die Prinzessin zu begleiten und zu beschützen, dass Hana ihm zugestimmt hatte. War wahrscheinlich auch besser so, denn Takeru hätte Kouga wohl schon gegen den nächsten Baum befördert und Hana hätte ihn im Fluss ertränkt. Wieder schnaubte der Schwarzhaarige. “Willst du mir irgendwas sagen?”, fragte Akemi genervt. “Wieso müssen wir denn den Hanyou suchen? Kann der nicht alleine nach Hause finden?”, moserte Kouga. Seine Begleiterin schloss kurz die Augen. “Wir sollen ihn suchen und ihm sagen, dass er zum Schloss kommen soll. Wie sollte er sonst davon erfahren? Außerdem würde ich an deiner Stelle vorsichtiger sein, was solche Äußerungen betrifft, ich glaube kaum, dass ein Mitglied der Fürstenfamilie es tatenlos billigen würde, wenn ein dahergelaufener Wolf solche Äußerungen von sich gibt”, meinte sie kalt. Kouga schwieg. Takeru hielt sich vornehm hinter der Prinzessin, die Hand locker auf dem Schwert, alle Sinne gespannt, falls jemand versuchen sollte einen Angriff zu starten. Hana war tief in ihren Gedanken versunken. War der Drohbrief wirklich von ihrem Vater? Zuzutrauen wäre es ihm. Sie wusste, dass ihr Vater dem Vertrag nur zugestimmt hatte unter der Bedingung, dass seine einzige Tochter sofort in den Westen zog, damit sie sofort anfing zu spionieren. Darum war auch Akemi mitgeschickt worden. Zwar auch, weil sie den Fürsten des Nordens hasste, aber sie war eben auch eine enge Freundin der Prinzessin. Und als Kriegerin würde sie natürlich in die Strategien im Kriegsfall, die Größe der Armee, die verfügbaren Waffen eingeweiht werden. würde. Hana hätte also nur noch Akemi ausfragen müssen und ihrem Vater diese Information zukommen lassen müssen. Diesen Plan hatte der Fürst des Nordens seiner Tochter in einem Brief mitgeteilt, den er in ihrer Schwertscheide deponiert hatte. Als Sesshoumarus Gefährtin ihn fand, hatte sie ihn ihrem Schwiegervater gegeben. Spioniert hatte sie nie für ihren Vater. Er hatte keinerlei Informationen von ihr erhalten. Hana konnte sich lebhaft vorstellen, dass er darüber nicht gerade erfreut war und dass er seitdem fieberhaft an einem Plan arbeitete, wie er dem Westen den Krieg erklären könnte, ohne selbst gegen den Friedensvertrag zu verstoßen, denn dann würden seine Bündnispartner ihn sicherlich nicht unterstützen… In dem Drohbrief war erwähnt worden, dass Inu Taishou entweder seine Schwiegertochter heiraten oder gegen den Friedensvertrag verstoßen und sie in den Norden zurückschicken müsste, sollten Sesshoumaru und Inu Yasha sterben. Das war ebenfalls ein Hinweis darauf, dass der Herrscher des Nordens dahinter steckte. Oder aber einer seiner Bündnispartner, die den Vertrag ebenfalls kannten. Kriege waren nichts ungewöhnliches in diesen Zeiten, aber trotzdem vermieden die meisten Herrscher sie, wo sie nur konnten. Besonders der Inu no Taishou war erpicht darauf, bei keinem der anderen Herrscher in Ungnade zu fallen, oder gar einen Kriegsgrund zu liefern. Er hatte das größte Reich mit der höchsten Bevölkerungsdichte. Die allermeisten der anderen Fürsten waren zufrieden mit ihren Ländereien, allerdings wären sie auch nicht abgeneigt, ein Stück der Ländereien des Inu no Taishou dazu zu bekommen. Würde also ein Krieg ausbrechen, der die Armee des Taishou erheblich schwächen würde, dann wären Fürsten, die den Inu-Youkai nicht besonders leiden konnten, sicherlich dazu bereit ihn anzugreifen, um ihn um einiges Stück Land zu erleichtern oder gar zu stürzen. Inu Taishou hatte eine schwache Spur seiner Enkelin gefunden. Sie verbarg ihren Geruch nicht vollständig, sodass es wie eine alte Witterung wirkte, aber da es nur eine einzige Spur der kleinen Prinzessin gab, die an der Schlossmauer einsetzte, brachte ihr der Trick auch nicht sehr viel. Ihr Großvater hatte sich an ihre Fersen geheftet und es war nur eine Frage der Zeit, bis er sie gefunden hätte… Er überlegte, ob er sein volles Youki aufflammen lassen sollte. Es würde bewirken, dass mögliche Feinde es bevorzugten das Weite zu suchen. Allerdings würde Sora es auch merken und vielleicht noch weiter weglaufen und ihre Spur ganz verwischen. Das wäre fatal, denn die Kleine hinterließ ihre Spur absichtlich nur stark vermindert, damit sie selbst wieder zurück fand. Denn im Gegensatz zu einem ausgewachsenen Youkai konnte sie sich noch leicht verlaufen, wenn sie sich nicht wirklich auskannte, das wusste der Taishou noch von seinem Erben… Und da sie Sesshoumarus Tochter war, war es ihr nur ziemlich selten erlaubt aus dem Schloss zu gehen und dann auch nie so weit weg, wie sie jetzt schon gelaufen sein musste. Sora hatte einen kleinen Fluss erreicht. Sie wusste, dass ihr Onkel es bevorzugte in der Nähe eines Flusses zu sein. Wieso wusste sie allerdings nicht. Vielleicht würde sie ja Inu Yasha finden, wenn sie dem Fluss folgte. Nur in welche Richtung? Gegen den Strom oder mit ihm? Die kleine Prinzessin überlegte. Einer ihrer Lehrer hatte ihr mal gesagt, dass alle Flüsse ins Meer mündeten. Das Meer roch laut dem Lehrer so stark nach Salz, dass man kaum etwas anderes wahrnehmen konnte. Von ihrem Vater wusste sie, dass Onkel Inu Yasha als Hanyou eine weitaus schwächere Nase hatte als sie oder ihre Eltern. Er würde also bestimmt nicht zum Meer gehen, wenn er dort leicht aus dem Hinterhalt angegriffen werden könnte. Sie watete langsam in den Fluss, tastete sich mit den Füßen voran, damit sie nicht in eventuelle kleine Abgründe im Wasser fiel und ertrank. Zwar konnte sie einigermaßen schwimmen, aber sicher war sicher. So ging sie einige Zeit gegen die Strömung. Hatte den Vorteil, dass ihre Spur komplett verwischt wurde, sie aber trotzdem noch nach Hause finden würde, wenn sie an der Stelle ins Wasser ging, an der sie gleich raus gehen würde und an der Stelle raus ging, an der sie gerade rein gewatet war. Ihr Vater wäre sicherlich stolz auf sie, dass sie mit ihren acht Jahren schon so klug war, aber er wäre sicherlich auch ziemlich wütend, dass sie sich aus dem Schloss geschlichen hatte. Na ja, geschlichen konnte man es nicht nennen. Sie war so schnell sie konnte über die Mauer geklettert und geflohen, die Wache war zuerst viel zu geschockt gewesen, um zu realisieren, was gerade passiert war. Dadurch hatte die kleine Prinzessin einen Vorsprung gewonnen. Sie würde tierischen Ärger bekommen, wenn ihr Vater sie als erstes entdecken würde… Sora war sich ziemlich sicher, dass er ihr mindestens eine Ohrfeige verpassen würde, die sie mindestens zu Boden fallen ließ, vielleicht auch noch schlimmer. Und sie würde das Schloss nie wieder verlassen dürfen, bis sie verheiratet werden würde und dann in ein ganz anderes Schloss ziehen müsste… Das waren ja tolle Aussichten… Aber daran wollte Sora jetzt keinen weiteren Gedanken verschwenden. Sie hatte eine Aufgabe. Wenn auch nicht offiziell… Inu Yasha löste sich von der Miko und kehrte ihr den Rücken. Er hatte ein Geräusch wahrgenommen. Der Wind wehte nur leicht und noch dazu in den Rücken des Hanyou, sodass der keine Witterung aufnehmen konnte. Seine Neugier und sein Beschützerinstinkt ließen ihn näher zu den Sträuchern am Flussufer gehen, um herauszufinden, was sich dort verkroch. “Was ist?”, fragte Kikyou unsicher und wich einige Schritte zurück, fasste nach ihrem im Gras liegenden Bogen. “Ich habe gerade etwas gehört, da ist etwas in der Nähe”, erwiderte Inu Yasha und legte die Hand an Tessaiga. Die schwarzhaarige Frau verdrehte leicht die Augen und entspannte sich wieder. “Das wird ein Hase oder ein Vogel gewesen sein. Wäre ein Youkai in der Nähe würde ich das wahrnehmen. Und du selbstverständlich auch”, meinte sie, aber der Weißhaarige hatte gar nicht zugehört. Er beugte sich über das Gestrüpp und teilte es vorsichtig mit der linken Hand, die rechte legte sich fester um Tessaigas Griff. Das nächste, was die Miko hinter ihm sah, war, dass etwas helles, unförmiges gegen seine Brust sprang und der Hanyou vor Schreck nach hintern stolperte du im Fluss landete. Keine drei Sekunen später kam er wieder aus dem Wasser, ein kleines Mädchen unter dem Arm, was ihm auf eine gewisse Weise ähnelte. Er schien sie zu kennen, denn er ließ sie einfach ins Gras fallen, hockte sich vor sie hin und sah sie streng an. “Was machst du hier?”, wollte Inu Yasha wissen und Kikyou fragte sich, ob er sie durch die Ankunft des Mädchens vergessen hatte. “Du sollst zurück zum Schloss.” “Und da schickt Vater dich? So senil ist er nicht, Sora!” “Hab ich gesagt, dass er weiß, dass ich unterwegs bin?”, fragte Sora trotzig. “Du bist aus dem Schloss abgehauen?! Um mich zu suchen? Dein Vater wird durchdrehen, dich prügeln und einsperren und mich wahrscheinlich gleich mit”, meinte ihr Onkel. Die kleine Prinzessin wurde blass. “Ach, Sora-chan, jetzt mach dir doch keine Gedanken, so schlimm wird es schon nicht werden. Sesshoumaru wird bestimmt viel zu erleichtert sein, dass er dich heil zurück hat. Und wenn nicht nehme ich die Schuld halt auf mich allein. Ich lass doch nicht zu, dass dir was passiert”, sagte Inu Yasha sanft, aber Sora sah ihn gar nicht an, schien ihn nicht mal gehört zu haben. Verwirrt sah der Hanyou in Richtung Kikyou. Sie hatte einen Pfeil an die Sehne gelegt und zielte auf den Wald hinter ihrem Liebsten. Der verstand jetzt auch wieso: eine Dämonenaura näherte sich. Und zwar eine äußerst gefährliche. Schützend stellte sich der Prinz vor seine kleine Nichte, aber dann drehte sich der Wind und trug ihm und Sora einen vertrauten Geruch zu, was die Achtjährige allerdings noch aufgeregter machte. “Lass den Pfeil sinken, das ist mein Vater”, wies Inu Yasha Kikyou an. Die gehorchte verwundert. Verwundert nicht deshalb, weil sie den Pfeil runter nehmen sollte, oder weil der Inu no Taishou im Anmarsch war, sondern weil sie nicht angewiesen worden war zu verschwinden, denn sie bezweifelte stark, dass ein Dämonenfürst so begeistert davon wäre, wenn er erfahren würde, dass sein Sohn mit einer Miko angebändelt hatte und das seit gut sechs Monaten verheimlichte. Inu Taishou trat auf die Lichtung. Sein Blick wanderte nur kurz zu Kikyou, blieb dann an seinem Sohn und seiner Enkelin hängen. Sora hatte Angst, das konnte er wittern und sehen. Sie klammerte sich an ihren Onkel, der ihr beruhigend über die Schultern strich. “Hallo, Vater. Was ist los? Sora sagte, ich soll zurück zum Schloss?”, fragte Inu Yasha, um die drückende Stimmung zu lockern. Sein Vater sah nämlich alles andere als erleichtert oder froh aus. Genau genommen konnte Inu Yasha die Stimmung des Fürsten nicht einschätzen. So hatte er ihn noch nie gesehen… “Ja, das hat Sora dir richtig ausgerichtet”, sagte der mit einem Tonfall, der zwischen Zorn und Erleichterung und Gleichgültigkeit wandelte. “Dann sollten wir uns auf den Weg machen”, meinte Inu Yasha möglichst locker und drückte gleichzeitig seine Nichte näher an sich. Wortlos verließ der Fürst die Lichtung. Sein Sohn sah noch kurz entschuldigend zu Kikyou, ehe er mit der kleinen Prinzessin folgte. Zur gleichen Zeit blieb Sesshoumaru stehen, als ihm zwei Gerüche in die Nase stiegen, den einen kannte er ziemlich genau, der andere kam ihm bekannt vor. Keine Minute später tauchten Hana und ein dämonischer Krieger vor ihm auf und verneigten sich leicht. Ohne sich seine Verwunderung anmerken zu lassen, sah der Erbprinz von einem zum anderen. “Was machst du hier?”, wandte er sich dann an seine Gefährtin. Er erkannte in dem Krieger den Hauptmann Takeru, was seine Verwunderung noch steigerte. Hana war manchmal außerhalb des Schlosses und trainierte dort mit ihrer Freundin Akemi, aber mit dem Hauptmann hatte sie so direkt noch nie zu tun gehabt… “Dein verehrter Vater hat einen Drohbrief erhalten, in dem jemand droht dich und deinen Bruder umzubringen, während ihr auf Reisen seid. Daher möchte er, dass ihr unverzüglich ins Schloss zurückkehrt”, sagte die Prinzessin. Sesshoumaru zog eine Augenbraue hoch. Drohungen gegen ihn und seinen Bruder waren eigentlich nichts Besonderes, jedenfalls nicht so besonders, dass der Inu no Taishou seine Schwiegertochter und den Hauptmann losschickte, um seine Söhne zu suchen und ins Schloss zurück zu bringen. Ein normaler Bote überbrachte normalerweise eine Abschrift des Drohbriefes und eine Notiz des Herrschers in der stand, dass die Prinzen sich vorsehen und möglichst bald ins Schloss zurückkehren sollen. “Was genau stand in dem Drohbrief?”, fragte der Prinz daher. “Dass es leichtsinnig ist, dich und Inu Yasha umher streifen zu lassen, weil man euch leicht aus dem Hinterhalt angreifen und umbringen kann. Solltet ihr zwei sterben müsste ich entweder euren Vater heiraten oder wieder in den Norden zurück. Letzteres würde einen Bruch des Friedensvertrags bedeuten und einen Krieg nach sich ziehen. Es ist möglich, dass mein Vater den Brief hat schreiben lassen”, erwiderte Hana bitter. “Gehen wir”, meinte ihr Gefährte nur und übernahm die Führung, die Prinzessin rechts neben ihm, Takeru dahinter, gefolgt von Jaken und Ah-Uhn. “Müssen wir Inu Yasha noch suchen?”, wollte Sesshoumaru plötzlich wissen. Für ihn war klar, dass er seine Gefährtin nicht länger als nötig alleine mit dem Hauptmann umherreisen lassen würde. Nicht weil er ihr misstraute, sondern weil er es durchaus in Betracht zog, dass jemand die Prinzessin und einen einzelnen Krieger als leichte Beute ansehen und angreifen würde. Er hatte seine Gefährtin ein paar Mal beim Training gesehen, einen Kampf auf Ausdauer würde sie sicherlich spielend für sich entscheiden, zumindest gegen die Krieger der fürstlichen Armee, wohl auch gegen seinen Halbbruder, aber die meisten Kämpfe wurden mit körperlicher Kraft ausgetragen und an der mangelte es Hana. Würde ihr etwas zustoßen, sie sogar sterben, könnte ihr Vater es so hindrehen, dass es ein arrangierter Mordanschlag war und einen Krieg eröffnen. Dass er das tun würde, daran zweifelte keiner, der ihn länger als zehn Minuten kannte. “Nein, dein Vater hat Akemi und einen Boten geschickt”, sagte Hana. “Wer weiß alles von dem Brief?”, fragte der Weißhaarige. “Dein verehrter Vater, du, ich und wenn sie zugehört haben auch Takeru und Jaken.” Die Letzteren zogen unwillkürlich den Kopf ein. Sie hatten zugehört, sich ihre Bestürzung aber freilich nicht anmerken lassen. Akemi hob den Kopf. “Diese Witterung… “, setzte Kouga an. “Was machen der Fürst und Prinzessin Sora hier?”, fragte seine Begleitung dazwischen. Der Wolfsyoukai zuckte nur mit den Schultern, aber interessieren tat es ihn schon. Vielleicht würden sie es gleich erfahren, denn der Fürst, die kleine Prinzessin und der jüngere der beiden Prinzen bewegten sich genau auf die beiden zu. “Hier riecht es nach Wolf”, bemerkte Inu Yasha überflüssigerweise. Sein Vater ignorierte es einfach, seine Nichte sah mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck zu ihm auf. Dann zog sie leicht an seinem Arm, sodass er ihren Blick auch bemerkte. Der Hanyou hob sie geschickt mit einem Arm hoch. “An deiner Stelle wäre ich jetzt vorsichtig.” “Ich wollte nur, dass du mich trägst, ich bin müde”, erwiderte Sora, schlang ihre Arme um den Hals ihres Onkels und ließ sich tragen. Nach kurzer Zeit kamen Akemi und Kouga in Sicht. Sie verneigten sich höflich. Der Dämonenfürst ging wortlos an ihnen vorbei, Inu Yasha blieb stehen. “Sora ist aus dem Schloss ausgebrochen”, sagte er leise. Akemi und Kouga sahen sich kurz an, dann folgten sie dem Hanyou, der sich wieder in Bewegung gesetzt hatte. Die Kriegerin hatte gewusst, dass Sora häufiger mal so gar nicht nach den Regeln ihrer Eltern lebte, aber dass die Kleine mal ausreißen würde, hätte sie nun doch nicht gedacht. Hanas Tochter wirkte doch immer so vernünftig… so vernünftig, dass man schnell vergessen konnte, dass sie noch ein Kind war, nach menschlichen Maßstäben und erst recht in den Augen der Dämonen. Wieso fiel es Erwachsenen nur immer so schwer sich in die kleine Welt eines Kindes rein zudenken, wenn doch alle Erwachsenen auch mal Kind gewesen waren? _____________________________________________________________________________ Sorry, dass es letzte Woche kein neues Kapitel gab, aber ich bin momentan etwas am Boden. Daher reagiere ich auch nicht auf Kritik oder ähnliches, da würde ich nur unfair reagieren und verletzend werden. Jenny wird sich damit aber im Laufe der Woche auseinander setzen und gegebenenfalls antworten. lg Hani & Jenny Kapitel 06 ---------- Inu Taishou ließ sich zurückfallen, bis er neben seinen Sohn kam. Er nahm ihm Sora ab. Die zuckte zusammen, als ihr Großvater sie zu sich hob. Normalerweise, wenn er sie hochhob, war er vorsichtig und trug auch keine Rüstung. Er tat ihr zwar nicht weh, aber dennoch merkte seine Enkelin deutlich, dass er wütend auf sie war und das kalte Metall seiner Rüstung war auch nicht gerade angenehm. Wenigstens trug er nicht die Metallplatten an den Armen mit den Abfangstacheln. Inu Yasha wäre der kleinen Prinzessin in dem Moment allerdings trotzdem viel lieber gewesen. Der verstand nicht so ganz, wieso sein Vater ihm Sora plötzlich abgenommen hatte. Sie war nicht so schwer, als dass es ihn ermüden würde sie die ganze Zeit durch die Gegend zu tragen. Akemi und Kouga hingegen verstanden sehr wohl, wieso Sora nicht mehr von ihrem Onkel getragen werden sollte. Sesshoumaru und Hana waren nicht mehr sehr weit entfernt. Für die beiden war es sicherlich schon ein ausreichender Schock ihre Tochter so weit weg vom Schloss anzutreffen, Sesshoumaru würde sicherlich einen totalen Ausraster bekommen, wenn dann auch noch sein Bruder sie trug und nicht sein Vater, der in seinen Augen mit Sicherheit ein besserer Schutz für seine kleine Tochter war. Verwundert blieb Sesshoumaru stehen, Hana ebenso. Beide sahen den Weg, den sie erreicht hatten, mit undeutbaren Mienen hinab. Takeru folgte dem Blick des Paares, als auch er den Geruch, oder besser: die Gerüche, erkannte, die der Wind ihm zutrug. “Wieso ist Sora so weit vom Schloss weg?”, fragte Sesshoumaru. Takeru, Akemi und Kouga fanden nichts ungewöhnliches an seinem Ton, Jaken ebenso wenig, aber seine Verwandten hörten deutlich, dass er ziemlich verärgert darüber war, dass seine kleine Tochter nicht im sicheren Schloss war, sondern mitten in der Wildnis. “Sie hat sich aus dem Schloss geschlichen und Inu Yasha noch vor Akemi und Kouga gefunden.” erwiderte Inu Taishou. Sora wurde merklich kleiner unter den Blicken ihrer Eltern. Ihre Mutter schien mehr verwundert darüber zu sein, dass sie es alleine geschafft hatte ihren Onkel schneller zu finden als eine ausgewachsene Youkai und ein halb erwachsener Wolf, während ihr Vater sauer darüber war, dass sie allein die Idee hatte abzuhauen und dann auch noch aus dem Schloss ausbrechen konnte. “Wie hat sie es geschafft aus dem Schloss zu kommen?” wollte Sesshoumaru wissen. “Sie ist über die Schlossmauer geklettert ehe eine der Wachen sie aufhalten konnte.” erklärte sein Vater ruhig. “Ist sie verletzt?”, fragte der Erbprinz weiter. “Nein, nur müde. Hinweg und Rückweg übersteigen ihre Kondition.” antwortete Inu Yasha an der Stelle seines Vaters und kassierte einige strenge Blicke. “Lasst uns ins Schloss zurück gehen. Bis dahin kannst du dir eine geeignete Strafe ausdenken.” Der Tonfall des Fürsten klang wie ein Vorschlag, aber alle Anwesenden wussten, dass es ein Befehl war. Sesshoumaru durfte seine Tochter nicht sofort bestrafen. Sora sah vorsichtig zu ihrem Vater auf. Als sie seinem goldenen Blick begegnete, gefror ihr fast das Blut in den Adern. Hätte ihr Großvater sie nicht auf dem Arm, hätte die kleine Prinzessin zur Begrüßung von ihrem Vater wohl eine saftige Ohrfeige bekommen. Hana nahm ihrem Schwiegervater Sora ab und ließ sich mit ihrem Schwager ein Stück nach hinten fallen, die Kleine zwischen sich haltend, sodass Sesshoumaru seinen gewohnten Platz rechts hinter seinem Vater einnehmen konnte. Takeru gesellte sich zu Akemi und Kouga, während Jaken mit Ah-Uhn hinterher trottete. Die Reise verlief schweigend. Sora fühlte sich sicherer bei ihrer Mutter als bei ihrem Großvater vorher. Das lag wahrscheinlich daran, dass Hana sie ihre Wut nicht spüren ließ. Inu Yasha sah immer wieder unauffällig zu seiner Nichte, als wollte er sicher gehen, dass sie noch da war und es ihr gut ging. Die Kleine war eingedöst. “Ich warte darauf, dass du gegen einen Baum läufst, weil du Sora ansiehst anstatt auf den Weg zu achten.” sagte Hana leise und unvermittelt und ihr Schwager verzog das Gesicht zu einer Fratze. Eine Gruppe von etwa 20 vermummten Kriegern streunte durch den Wald. Ihren Geruch hatten sie geschickt verborgen. Nicht wie Sesshoumaru und Sora durch den Einsatz von Youki, sondern durch einen Kräutersud, der den Geruch des Waldes imitierte und in den sie sich samt Kleidung gebadet hatten. Die Inu-Youkai und ihre Begleiter würden nicht mal merken, dass sie verfolgt wurden. Hinzu kam die Überzahl, 20 gegen sieben ausgebildete Kämpfer- darunter allerdings zwei Frauen-, ein Kind, einen Gnom und einen Drachen. Das sollte ein einfaches Spiel werden, schließlich waren die 20 eine Elite-Kampftruppe, bestehend aus den besten Kriegern ihres Volkes. Dagegen konnte selbst der Fürst nicht ankommen, geschweige denn seine beiden Welpen… Auf ein Zeichen ihres Anführers schwärmten alle wie vorher genau abgesprochen aus, umkreisten die fürstliche Reisegruppe so. Der noch recht junge Krieger, der den ersten Angriff ausführen sollte, zog als erstes sein Kurzschwert und band es mit einem Seil fest an seine Hand, um es im Kampf nicht verlieren zu können, die anderen folgten seinem Beispiel. Zugegeben eine nicht ganz faire Methode, eine Methode, die manchmal im Krieg benutzt wurde, wobei beide Parteien dabei die Möglichkeit hatten ihre Waffen an ihren Händen festzubinden. Allerdings wollte der Elite-Kampftrupp den Auftrag ihres Oberhauptes auf jeden Fall erfüllen und nur um sicher zu gehen, dass die Hunde auch wirklich alle starben, banden sie ihre Waffen halt an ihren Händen fest. Der Krieger, der den ersten Schlag ausführen sollte, war genau instruiert worden. Zwar war der Plan erst auf dem Weg entstanden, aber durch eine ausgefeilte Kommunikationstechnik, bestehend aus Handzeichen, Blicken und Bewegungen war alles klar. Der erste Angriff sollte die kleine Prinzessin oder ihre Mutter treffen. Es war allgemein bekannt, dass die Fürstenfamilie eine ungewöhnlich enge Bindung hatte. Entweder wären die übrig gebliebenen Hunde so geschockt, dass sie sich nicht wehren konnten oder sie wurden so wütend, dass sie blindlings angriffen und beides wäre ihr Untergang. Vielleicht würde auch der Elite-Trupp einige Krieger verlieren, aber von den Hunden würde keiner überleben… Sora hob leicht den Kopf, als sie merkte, dass ihre Mutter sie nicht mehr so fest hielt wie vorher und sie ein Stück nach unten gerutscht war, sodass sie nicht mehr auf der Taille ihrer Mutter hockte, sondern fast schon auf ihrem Knie. “Mutter?” fragte sie leise, als sie das angespannte Gesicht ihrer Mutter sah. Hana ließ ihre Tochter los und zog ihr Schwert, mehr aus Instinkt als aus wirklicher Wahrnehmung riss sie es hoch und hielt es über Brusthöhe vor sich, hielt so den vermummten Angreifer von sich und ihrer Tochter ab. Sofort rissen alle anderen ihre Schwerter aus den Scheiden und sahen sich angriffsbereit um. Hana warf ihren Angreifer mit Leichtigkeit zurück in den Wald, hörte wie er gegen jemanden stieß, womöglich ein Komplize… Die Gruppe stand in einem Kreis um Sora, die von Jaken auf Ah-Uhn gezogen worden war, damit ihr nichts geschah. Die erfahrenen Kämpfer hatten alle Sinne angespannt, lauschten auf verräterische Geräusche aus dem Wald, prüften die Luft sorgfältig auf fremde Gerüche, suchten den Wald um sich herum nach dem Feind ab. Eine Zeit lang geschah nichts. Waren die Angreifer geflohen? Oder wollten sie so lange warten, bis die Gruppe weiter ging und dann einen neuen Angriff starten? Solange der Taishou nichts sagte, nicht den Befehl zum Weitergehen gab, blieben alle in der Starre stehen. Der Fürst versuchte etwas wahrzunehmen, aber er fühlte nichts, keine dämonische Aura, kein Youki. War der Angreifer gerade etwa kein Youkai? War er ein verrückt gewordener Mensch? Inu Yasha wurde ungeduldig. Seit Minuten hatte sich niemand mehr gerührt, Sora wagte es kaum noch zu atmen und ihm selbst wurde langsam der Arm schwer. Er ließ sein Schwert sinken, wollte entnervt sagen, dass es wohl ein einzelner Wahnsinniger war, der Hana und Sora angegriffen hatte, der aus Angst dann aber doch das Weite gesucht hatte, aber noch während er das dachte, riss er sein Schwert wieder hoch. Wenn der Angreifer wirklich aus Angst geflohen wäre, hätte das Rascheln im Wald verursacht. Es war aber nichts zu hören gewesen. Im nächsten Moment prallte eine vermummte Gestalt gegen ihn. War es der gleiche, der Hana angegriffen hatte? Aber den hatte seine Schwägerin doch in den Wald auf der anderen Seite geworfen? Es musste ein anderer sein, den er gerade vor dem Schwert hatte. Inu Yasha wollte die anderen warnen, dass noch mehr da sein könnten, aber die waren bereits angegriffen worden und hielten ebenfalls jeweils eine vermummte Gestalt von sich weg, versucht sie wegzustoßen. Zurückdrängen ging nicht, denn wenn sich weitere Gestalten noch im Wald verbargen, könnten die die durch ein Zurückdrängen entstehende Lücke ausnutzen und die dadurch dann ungeschützte Sora angreifen. Na ja, so ganz ungeschützt war sie nicht, Jaken war mit dem Kopfstab bewaffnet hinter ihr und Ah-Uhns Köpfe würden Frontalangriffe wohl auch abwehren können, aber dennoch war es zu gefährlich. Der Waldweg war nicht sehr schmal, aber so ein Gruppenkampf war trotzdem fast unmöglich. Die Angreifer mussten das eingeplant haben. Die Fürstenfamilie konnte sich nicht frei bewegen. Sora sah zitternd von einem zum anderen. Überall bot sich ihr das gleiche Bild. Einer ihrer Verwandten oder die drei ausgesandten Krieger standen mit dem Rücken zu ihr und hielten eine vermummte Gestalt von sich weg. Von den Gestalten konnte man lediglich die Augen erkennen, der Rest war in dunkle Gewänder gehüllt. In den Augen schimmerte wilde Entschlossenheit, die Entschlossenheit zu töten. Sora konnte ihren Verwandten nicht in die Augen sehen, aber sie war sich ziemlich sicher, dieselbe Entschlossenheit auch in deren Augen lodern zu sehen. Kouga knirschte mit den Zähnen. Er war ungeübt im Schwertkampf, seine Stärke lag in seinen Beinen. Das Schwert hatte er nur herausgerissen, weil er gesehen hatte, dass die Gestalt, die Hana angegriffen hatte, ein Kurzschwert an ihrer Hand festgebunden hatte. Auch sein Angreifer hatte seine Waffe an seiner Hand festgebunden und hielt sie senkrecht vor sich, sodass der Wolfsyoukai keine Chance hatte zuzutreten, ohne sich selbst zu verletzen. Akemi merkte den Druck, die Kraft im Arm des anderen. Sicherlich ein erfahrener Kämpfer. Um seine Augen herum waren einige leichte Falten zu erkennen, war er ein Youkai, war er sicherlich älter als der Fürst, war er ein Mensch, war er so gut wie tot. Links von der Kriegerin stand Takeru, rechts von ihr Kouga. Würde sie neben Hana stehen, würde ihr das ganze sicherlich leichter fallen, weil die Anspannung der Prinzessin sie sicherlich weiter angetrieben hätte und ihr eine Idee gebracht hätte, wie man aus dieser misslichen Lage herauskommen konnte. Das war nicht logisch zu erklären, aber mit Hana an ihrer Seite konnte Akemi besser nachdenken, sich einfacher Strategien ausdenken. Das war schon immer so gewesen und würde wohl auch immer so sein. Takerus Gedanken kreisten nur um die kleine Prinzessin hinter ihm und dass er sie unter allen Umständen beschützen musste, egal wie und wenn es das Letzte wäre, was er in seinem Leben tat. Der Krieger vor ihm war erfahren, aber der Hauptmann konnte ihn keiner Rasse zuordnen, er konnte nicht mal erkennen, ob es ein Youkai oder ein Mensch war. Die Gewänder gaben nicht viel Preis, lediglich, dass es sich um Männer handeln musste, denn Frauen hatten nicht solche breiten Hände und Schultern. Weder bei Menschen noch bei Youkai. Stellte sich nur die Frage, was das alles zu bedeuten hatte und wer diese ganzen Gegner waren. Diese Frage stellte sich auch Sesshoumaru. Wer war so dämlich die Gefährtin und die Tochter des Erbprinzen des mächtigsten Youkai unter der Sonne anzugreifen, wenn die in Begleitung ihrer Familie waren? Das war doch wirklich hirnrissig! Es war doch klar, dass die Fürstenfamilie die stärksten Youkai waren. Der Erbprinz sollte sich beeilen seinen Gegner zu beseitigen und dann Sora aus dem Kampffeld zu bekommen. Dann könnten die anderen sich freier bewegen und diese verhüllten Gestalten einfacher aus dem Weg räumen. Sesshoumaru ließ sein Youki ein Stück weit aufflammen, lud seine Klinge damit auf und jagte es dann durch die Klinge des Gegners in diesen hinein. Der schwarz Gekleidete verdrehte die Augen vor Schmerz und entzog sich dem Hundeyoukai, verschwand im schützenden Wald. Der Weißhaarige setzte dazu an neben Sora zu springen, um sie wegzubringen, aber da hatte er schon den nächsten Feind am Schwert. War das die Technik? Wenn einer geschwächt war zog er sich in den Wald zurück, um dann von einem anderen ersetzt zu werden und sich erholen zu können, um später wieder eingreifen zu können? Sollten die Hunde müde gemacht werden? Ein Knurren entkam dem Prinzen. Er selbst und sein Vater würden wohl lange durchhalten, wenn es sein musste auch über einen Tag, Inu Yasha mit etwas Glück vielleicht auch, ebenso wie Hana, aber was war mit den anderen dreien? Sesshoumaru musste seine Tochter hier wegbringen. Kouga würde wahrscheinlich als erster fallen, er war unerfahren, jung und nicht trainiert im Schwertkampf, noch dazu ein Hitzkopf. Wenn er einknickte, würden ihre Angreifer sich Sora hinter dem Rücken ihres Vaters holen und sie töten… Hana merkte den Ellenbogen ihres Gefährten an ihrem Arm. Der erste Gegner, den sie so einfach in den Wald geworfen hatte, stand nicht wieder vor ihr. Der Kerl hier war älter und eindeutig kampferprobt, denn er wollte sein Schwert unter ihres bringen, um sie zu entwaffnen oder zurückzuwerfen. Der erste Angreifer hatte den Fehler begangen sie zu unterschätzen. Zwar hatte sie nur aus Instinkt abgewehrt, aber sie hatte abgewehrt und sich nicht, wie vom Jüngling erhofft, zu Boden ringen lassen. Stattdessen hatte sie nicht nur die Kraft aus ihren Armen genutzt ihn zurückzuwerfen, sondern auch noch Schwung aus ihren Beinen gezogen. Ihr Schwiegervater, der auf Sesshoumarus linker Seite stand, überlegte fieberhaft, wie man aus dieser Situation herauskommen könnte, ohne dass einer verletzt oder gar getötet wurde. Am einfachsten wäre es Sora in Sicherheit zu bringen, damit die anderen sich bewegen könnten, aber wie sollte man das anstellen? Wenn eine der vermummten Gestalten beseitigt wurde, war die nächste in Sekundenbruchteilen da… Wie um Himmels Willen sollten sie das denn schaffen? Hoffentlich hielten die anderen durch, bis er einen Plan entwickelt hatte. Und hoffentlich behielten Hana und Sesshoumaru einen kühlen Kopf und versuchten nicht wagemutig zu ihrer Tochter zu gelangen, um sie zu retten. Der Fürst hatte durchaus bemerkt, dass sein Ältester versucht hatte zu der Achtjährigen zu gelangen, aber sich zum Glück nicht umgedreht hatte… Inu Yasha knurrte unwillig. Das dauerte hier viel zu lange und war viel zu ruhig. Das war doch kein Kampf, sondern ein Krampf! Bei einem richtigen Kampf gab es Schlagaustausche, Distanzangriffe und Bewegung, aber kein aneinander kleben, wie hier. Das könnte so noch Stunden dauern, wenn nicht bald jemand Sora wegbrachte oder sie irgendwie anders schützte. Vielleicht mit einem Bannkreis oder sowas. Nur dafür müsste man erst mal zu dem Mädchen gelangen und das war momentan unmöglich… Es sah so aus, als könnten die Kämpfer nur abwarten, was geschah, ob die vermummten Gestalten mal von ihrem Plan abweichen würden… _______________________________________________________________________________ Ja, ein bisschen unfair erst solange gar kein Kapitel zu posten, dann nur ein etwas kürzeres und zusätzlich noch an dieser Stelle aufzuhören. Das nächste Kapitel postet Hani wieder selber, spätestens Mittwoch. Bis dahin freuen wir uns wie immer über Lob, Kritik und Anregungen. lg Jenny & Hani Kapitel 07 ---------- Noch immer hatte keiner der Fürstenfamilie oder ihrer Begleiter es geschafft von den vermummten Gestalten loszukommen. Und die hatten ihren Plan noch nicht geändert, hatten noch kein Wort gesagt. Sora war angespannt. Sie hatte große Angst vor diesen fremden Männern, Angst dass einem ihrer Verwandten was passieren könnte. Sie wusste, dass ihre Angehörigen nur im Kreis standen und sich nicht frei bewegten, um sie nicht zu gefährden. Jaken und Ah-Uhn könnten sie zwar kurzzeitig auch alleine schützen, aber eben nur kurzzeitig, die beiden waren schließlich keine ausgebildeten und mächtigen Krieger. Sesshoumaru war versucht zur Seite zu blicken, als er merkte, dass Hanas Youki anstieg. Was hatte sie vor? Verlor sie die Beherrschung? Nein, nicht Hana. Inu Yasha und Kouga vielleicht, aber nicht Hana… Die wurde jedoch unruhig. Wieder war es mehr Instinkt als wirkliche Wahrnehmung, aber etwas näherte sich und dieses Etwas war gefährlich… Plötzlich wurden alle, die Angreifer und die Verteidiger geblendet. Ein magischer Bannpfeil war den Weg entlang gerauscht, die heilige Kraft, die von ihm ausging war fast schon lähmend, aber niemand wurde getroffen. Als das Licht weg war, wurden alle sofort wieder daran erinnert, dass sie noch immer kämpften. Sesshoumaru warf einen flüchtigen Blick neben sich, als er nicht wie erwartet den Geruch seiner Gefährtin neben sich wahrnahm, sondern den von Kouga, der vorher neben Hana gestanden hatte. Der Wolfsyoukai kämpfte ohne Schwert… Auch Inu Yasha sah aus den Augenwinkeln, dass nicht mehr Takeru, sondern Hana neben ihm stand. Sie hatte ein Schwert in der Hand, aber das war nicht ihres… Die Prinzessin sprang ein Stück zurück und ließ sich auf den Rücken fallen. Als ihr Gegner sich auf sie stürzen wollte, ließ sie ihr Schwert los, sodass es dicht neben ihr lag, sie die Hände frei hatte und die Schultern des Angreifers packen konnte, ehe der es sich versah stieß sie ihm ihre Füße unter den Brustkorb und warf ihn so über ihren Gefährten hinweg gegen dessen Angreifer. Noch ehe die beiden vermummten Gestalten auf dem Boden aufkamen, stand Hana bereits wieder, das Schwert in der Hand. Überrascht sahen alle, Angreifer wie Verteidiger, in die Mitte des Kreises. Ah-Uhn und Jaken schwebten über den Köpfen der Kämpfenden, aber Sora war nirgends zu sehen, ihre Aura war nicht wahrzunehmen, ihr Geruch war weg, als hätte Regen ihn fortgespült. Beide Parteien waren überrascht, ja fast schon geschockt, bis auf Hana. Sie suchte den Blick ihres Gefährten, in der Hoffnung, er würde verstehen, dass er sich keine Sorgen um Sora machen musste. Der Erbprinz verstand das, aber das Wieso nicht. Trotzdem vertraute er ihr und verdrängte die Gedanken an seine Tochter, konzentrierte sich dafür auf den Gegner, der versuchte seinen Vater von hinten zu attackieren. Das bewog auch die anderen sich wieder auf den Kampf zu konzentrieren, anstatt sich Sorgen zu machen, was mit Sora passiert war. Jetzt wo diese nicht mehr mitten im Kampffeld war, war es auch möglich frei zu kämpfen, ohne darauf achten zu müssen, dass der Kreis geschlossen blieb, was Inu Yasha ein triumphierendes Geräusch entlockte. Die vermummten Gestalten merkten bald, dass sie in 1-gegen-1-Kämpfen hoffnungslos unterlegen waren. Seit der Wolfsyoukai nicht mehr mit einem Schwert herumfuchtelte wie ein Fünfjähriger, sondern sich mit Händen und Füßen zur Wehr setzte, war auch er ein durchaus ernst zu nehmender Gegner, seine Tritte waren gefährlich. Eigentlich hatte die Elite-Truppe vorgehabt fair zu bleiben, wenn man von den angebundenen Waffen einmal absah, aber sie sahen sich durch den plötzlichen Taktikwechsel ihrer Gegner dazu gezwungen zu zweit gegen einen zu gehen. Die fürstliche Familie und deren drei Begleiter merkten schnell, dass alle Kämpfer, egal ob alt oder jung, kämpferisches Talent hatten. Nachdem sie sich aufgewärmt hatten, fielen sie auch nicht mehr auf Finten herein, verperfektionierten ihre Verteidigung, sodass es für die Hunde beinahe unmöglich war die vermummten Gegner zu verletzen, sie kamen nicht an sie heran. Des Weiteren wussten sie nicht, wie viele weitere feindliche Kämpfer noch im Wald darauf warteten in das Geschehen einzugreifen. Das konnte ja noch was geben… Wenn ein Problem gelöst war, traten mehrere neue auf. Akemi warf ihre zwei Gegner zurück und sprang neben Hana, die ihre Gegner ebenfalls kurzzeitig abgewimmelt hatte, um kurz durchzuatmen. Die beiden Frauen standen nebeneinander, sahen aber in die jeweils entgegen gesetzte Richtung, um sich gegenseitig den Rücken zu freizuhalten. „He, Prinzessin, wo ist Sora?“, fragte die Kriegerin und wehrte einen ihrer beiden Widersacher ab. „In Sicherheit“, erwiderte die Prinzessin nur. Mehr würden die beiden nicht reden, sie wussten, dass sie sich auf den Kampf konzentrieren mussten und ihren Atem nicht unnötig verbrauchen sollten. Jeder Fehler, jede Schwäche könnte hier tödlich enden… Kouga sah es als seinen Vorteil, dass Hana ihm das Schwert abgenommen hatte. Er hatte die Hände frei und konnte so immer wieder einen der vermummten Krieger packen und als Schutzschild gegen den anderen benutzen. Er hatte schnell festgestellt, dass die Angreifer ihre Kameraden nicht gefährdeten, zumindest nicht absichtlich. Das musste man doch irgendwie ausnutzen können… Er war so in Gedanken versunken und darauf konzentriert, seine beiden Widersacher abzuwehren, dass er nicht merkte, dass sich noch einer von hinten näherte… Die Elite-Truppe hatte beschlossen, dass Kouga der Schwächste war und somit am leichtesten aus dem Weg zu räumen wäre. Also war einer auserkoren worden sich unbemerkt über das Kampffeld zu schleichen um den Wolf umzubringen. Wenn die schwächeren erst mal aus dem Weg geräumt wären, könnten sich mehr der Schwarzgekleideten auf den Fürsten, seinen Erben und den Hanyou konzentrieren, die alle als die Stärksten ansahen. Aber nicht nur die Elite-Truppe hatte Teamgeist. Gerade als die vermummte Gestalt sich von hinten auf Kouga werfen wollte, warf sich Hana mit aller Kraft gegen den Schwarzhaarigen und wehrte den unfairen Angriff ab, indem sie die Schwertspitze vor sich nach oben hielt. Der Angreifer befand sich schon im Sprung und konnte nicht mehr ausweichen. Die Klinge traf ihn unterhalb des Brustkorbs und bahnte sich todbringend durch den Körper, trat am Rücken wieder raus. Hana konnte das Gewicht des Angreifers nicht tragen, sie ging zu Boden, mit seinen letzten Atemzügen versuchte er die Hundeprinzessin zu töten, war aber schon zu geschwächt um einen tödlichen Punkt an ihr zu treffen. Eine Wunde an der linken Schulter konnte er ihr allerdings zufügen. Kouga rollte den Angreifer so schnell wie möglich von der Prinzessin runter, die schon im Aufstehen die Waffe aus dem Leichnam riss. Die vermummten Gestalten waren kurz geschockt vom Tod ihres Kameraden, ihres Anführers… Trotzdem würden sie nicht kopflos handeln. Aber dennoch sollten sie das hier so schnell wie möglich beenden und daher liefen alle aufs Kampffeld und stürzten sich ins Getümmel. Sesshoumaru sprang hoch in die Luft und landete gezielt einem der vermummten Kerle, der zusammen mit drei anderen Hana zurückdrängte, auf den Schultern und jagte sein Schwert in die Halsbeuge des Unbekannten, sprang dann neben seine Gefährtin. Die Wunde an ihrer Schulter war tief, jede Bewegung ihres linken Armes jagte einen brennend-stechenden Schmerz durch ihren Arm bis zu ihrem Hals, hinzu kam, dass sie Blut verlor. Der Erbprinz wusste, dass dieser Kampf so schnell wie möglich beendet werden musste, Hana würde durch den andauernden Blutverlust bald auch das Bewusstsein verlieren und so wie es aussah, war sie momentan die einzige, die wusste wo Sora war. Der Fürst hatte keinerlei Probleme die vermummten Gestalten von sich fern zu halten, sie waren vielleicht kampferfahren, aber an seine Macht und Erfahrung kamen sie dennoch nicht ran. Aufpassen musste Inu Taishou dennoch. Er ertappte sich immer wieder dabei, wie er viel zu sehr darauf achtete, wie seine Söhne und Hana sich schlugen oder ob er Sora irgendwo sehen konnte, als auf die Bewegungen der unzähligen Gegner. Sein jüngerer Sohn kam neben ihn, er wurde langsam ungeduldig und würde am liebsten eine Windnarbe losjagen, aber das war schlecht möglich. Die Gefahr, dass er dabei seinen Bruder, seine Schwägerin, Takeru oder Akemi traf, verletzte oder gar tötete, war einfach zu groß… Kouga nicht zu vergessen. Außerdem war Sora auch noch irgendwo in der Nähe und er wusste nicht, wie sie geschützt war und ob es nicht möglich wäre, dass auch sie von seiner Attacke verletzt werden könnte. Nicht auszudenken, wenn der Kleinen etwas geschehen würde. „Wenn das so weiter geht sind wir ja morgen noch beschäftigt“, schnaufte der Hanyou entnervt. „Wir sollten uns beeilen, Hana wird schwächer“, erwiderte sein Vater nur, nachdem er einen raschen Blick zu seiner Schwiegertochter geworfen hatte, deren Paraden deutlich langsamer und weniger kraftvoll kamen als noch vor ein paar Minuten. Aber auch wenn sie tief an der Schulter verletzt war, so sollte es ihr doch nicht so schnell so viel Kraft entziehen… Es war, als wäre da noch etwas anderes. Etwa eine zweite, schwere Wunde? Die Prinzessin stand vor einem Baum, gleich drei vermummte Gestalten vor sich. Sesshoumaru war abgedrängt worden und wurde nun in Bewegung gehalten, konnte seiner verwundeten Gefährtin nicht helfen. Die Schwarzgekleideten griffen alle drei auf einmal an, Hana rettete sich mit einem flinken Sprung in die Luft, wo Akemi sich ebenfalls hingerettet hatte, als sich vier Gegner auf sie stürzen wollten. „Irgendwer muss gefallen sein, sonst könnten sich nicht so viele auf uns stürzen, ohne einen anderen unbeschäftigt zu lassen“, keuchte die Kriegerin. „Ich sehe Takeru nirgendwo…“, erwiderte die Prinzessin matt. Ihre Freundin stockte. „Er liegt da bei Kouga…“, sagte sie. Die beiden Kämpfer rührten sich nicht mehr. Kouga lag am Waldrand, vor einem Baum und Takeru vor ihm, als hätte sich der Hauptmann todesmutig vor den Wolf geworfen. Es waren also gleich zwei gefallen… Das führte dazu, dass die verbliebenen sich mit mehr Gegnern gleichzeitig konfrontiert sahen. Noch immer waren erst zwei von den Schwarzgekleideten getötet worden, die anderen hatten wenn überhaupt, nur leichte Verletzungen. Inu Yasha und Inu Taishou, die nebeneinander standen, waren von acht Kämpfern umringt, Sesshoumaru hatte vier um sich herum und sechs sprangen gerade auf die in der Luft hängenden Kriegerinnen zu. Von allen Seiten. Die beiden konnten nicht alle auf einmal abwehren und so kam es, dass erst die Prinzessin einen Schlag abbekam, der sie abstürzen ließ und dann, durch den Sturz ihrer Freundin kurzzeitig abgelenkt, auch Akemi. Hana landete hart auf ihrer linken Seite, Schmerz lähmte ihren gesamten Körper. Eine Dunkelheit griff nach ihrem Bewusstsein. Die Youkai kämpfte dagegen an, sah hilflos nach oben und meinte zu sehen, wie ein Schwert aus dem Rücken ihrer langjährigen Freundin kam, ehe sie keine Kraft mehr hatte und eine schmerzlose aber kalte Dunkelheit sich ihrer bemächtigte und sie die Augen schloss. Akemi landete auf einem der Krieger, die Sesshoumaru eingekesselt hatten. Sie lebte noch und hatte das Handgelenk des Kriegers ergriffen, der ihr das Schwert in die Brust gejagt hatte, was bewirkte, dass die Klinge durch den Aufprall auch noch den Schwarzgekleideten durchbohrte, auf dem sie gelandet war. Die Kriegerin mobilisierte ihre letzten Kräfte, schlang ihre Beine um den Krieger über ihr, hob die Hand des unter ihr liegenden Kriegers, an die noch dessen Waffe gefesselt war und trieb diese Klinge durch ihren Gefangenen, der verzweifelt versuchte hochzukommen, es aber letztendlich nicht schaffte. Die zwei weiteren toten Schwarzgekleideten machten die Situation nur bedingt besser, denn dadurch, dass auch Hana und Akemi gefallen waren, hieß es nun 16 gegen drei. Sesshoumaru, der sonst so selbstbeherrscht war, lud seine Klinge erneut mit seiner Energie auf, jagte sie aber nicht in einer Attacke wie Inu Yasha los, sondern schickte nur blitzartige Schläge gezielt und nur auf seine Widersacher, die die Augen verdrehten und zu Boden fielen. Aber anstatt seinem Bruder und seinem Vater zu helfen, sprang Sesshoumaru neben seine Gefährtin, fasste an ihren Hals. Der Taishou und Inu Yasha sahen, wie Sesshoumaru sich vor einem Baum niederließ, dachten zuerst besorgt, dass Sesshoumaru verletzt worden war, erkannten dann aber, dass Hana am Boden lag und sich nicht mehr rührte, die Augen geschlossen, noch immer blutend. Alarmiert sprangen sie über ihre Gegner hinweg und trotz aller Bedenken jagte Inu Yasha eine Windnarbe auf sie, wenn auch eine recht schwache. Ihre zehn Angreifer konnten ausweichen, sahen aber dadurch erst, dass ihre zehn Kameraden gefallen waren und bevorzugten es die Flucht zu ergreifen. „Was ist mit Hana?“, rief Inu Yasha und kam dann erst neben seinen Bruder. „Sie lebt“, erwiderte der nur. Das „noch“ musste er nicht sagen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich nur schwach, ihr Atem war flach und noch immer quoll Blut aus ihrer Wunde an der Schulter. Sesshoumaru erhob sich und ging ein Stück in den Wald. In der Zeit riss sein Bruder einem der Schwarzgekleideten das lange und dicke Tuch vom Kopf und verband mit Hilfe seines Vaters notdürftig die tiefe Wunde, um zumindest die Blutung zu stoppen. Sesshoumaru war aus dem Blickfeld seines Vaters verschwunden, der ihn leicht verärgert zurückrufen wollte, als er etwas wahrnahm. Eine dämonische Magie, die ihm vertraut und gleichzeitig fremd war. Ein schwaches, grünes Schimmern kam aus der Richtung, in der Sesshoumaru verschwunden war. Inu Yasha wollte schon losspringen, aber sein Vater griff ihn am Arm, was dem Hanyou einen leisen Schmerzlaut entzog. „Was ist?“, fragte der Fürst besorgt. So feste hatte er doch auch nicht zugepackt?! „Einer der Bastarde hat mir vorhin den Arm gebrochen“, erklärte sein Sohn mit zusammengebissenen Zähnen. Dass sein Vater und sein Bruder bis auf einige Kratzer und zerborstenen Rüstungen unversehrt waren, war ihm schon aufgefallen und bereitete ihm Magenschmerzen. War er denn so viel Schwächer als die beiden? Sesshoumaru ließ sich neben einem auffällig dunklen Baum auf ein Knie sinken. Vor sich spürte er, wenn auch kaum wahrnehmbar, die Energie seiner Tochter. Zielsicher griff er ins scheinbar Leere, legte seine langen, schlanken Finger um den Griff von Hanas Schwert und zog es aus dem harten Erdboden. Der Bannkreis, der darum gelegen hatte, leuchtete kurz grün auf, ehe er erlosch. Der Erbprinz legte die Klinge auf den Boden, ohne hinzusehen. Seine goldenen Augen sahen in die, vor Angst geweiteten, gold-blauen seiner kleinen Tochter, die zitternd am Boden kauerte. Der Weißhaarige beugte sich ein Stück weiter runter zu ihr und zog das zitternde Bündel behutsam zu sich. Seine Rüstung und seine Abfangdornen waren, wie Inu Yasha schon bemerkt hatte, im Kampf zerbrochen, sodass er Sora an sich drücken konnte, ohne sie zu verletzen. Sie schmiegte sich eng an ihn, es war das erste Mal, seit sie denken konnte, dass er sie in die Arme nahm. Die Kleine roch an ihm, roch seinen üblichen Geruch, aber auch den Geruch des Blutes ihrer Mutter, was ihr fast die Luft zuschnürte. Sesshoumaru hielt seine kleine Tochter mit einem Arm fest, sie schlang ihre kleinen Arme um seinen Hals und vergrub ihr Gesicht in seinem weichen Fell. Mit der freien Hand hob er das am Boden liegende Schwert auf und ging dann wieder zurück zu den anderen. „Sora!“, rief Inu Yasha erleichtert aus. Er hatte mit dem Kopftuch eines anderen Feindes eine Schlinge für seinen gebrochenen Arm gemacht, während sein Vater Hana hochgehoben hatte. „Bist du verletzt?“, fragte der Fürst seine Enkelin. Die schüttelte leicht den Kopf und sah ängstlich zu ihrer Mutter. Sesshoumaru schob das Schwert in die Scheide an der Hüfte seiner Gefährtin. „Hana hat mit ihrem Schwert einen Bannkreis um Sora errichtet, darum hat sie auch mit Kougas Schwert weiter gekämpft“, sagte er nur. „Wir sollten schnell ins Schloss zurück kehren, Hana muss sofort zu Amaru“, meinte der Inu no Taishou. Sora fing wieder stärker an zu zittern. „Was ist mit den andern dreien?“, fragte Inu Yasha. „Akemi ist definitiv tot“, antwortete sein älterer Bruder und drückte Sora so an sich, dass er ihr ein Ohr zuhielt und sie in sein Fell gedrückt wurde, sodass sie nichts hörte. Der Hanyou sprang zu Takeru und Kouga. „He, Wolf, wach auf“, sagte er, nachdem er festgestellt hatte, dass Angesprochener im Gegensatz zu dem Hauptmann atmete und rüttelte leicht an der Schulter des Schwarzhaarigen. Der schüttelte kurz seinen Kopf und öffnete dann seine Augen, sah verwirrt in die goldenen Iriden des jüngeren Prinzen. „Komm, wir gehen zurück zum Schloss“, meinte der kühl und richtete sich wieder auf. Das Springen war nicht gut gewesen für seinen Arm… Der Wolfsyoukai erhob sich so schnell er konnte. Seine Beine waren taub, aber nicht gebrochen, im Gegensatz zu einigen seiner Rippen und seinem Handgelenk. Sein Kopf dröhnte und er hoffte, dass er jetzt keine Befehle bekommen würde, denn die würde er wahrscheinlich nicht hören können… Die dezimierte Gruppe war keine fünf Minuten unterwegs, als ihnen Jaken auf Ah-Uhn entgegenkam, gefolgt von zehn Kriegern der fürstlichen Armee. Hastig warfen sich alle bis auf den Reitdrachen in den Staub. „Vergebt mir, oyakata-sama, dass ich an Eurer Stärke gezweifelt habe“, brachte Jaken hervor. „Folgt dem Weg weiter und holt Takeru, Akemi, sowie ihre Waffen. Kehrt dann zum Schloss zurück“, erwiderte der Fürst. Hastig wichen seine Untergebenen aus, als die Gruppe sich wieder in Bewegung setzte. Sie mussten erst aus dem Wald raus, ehe sie ein Portal öffnen konnten. Besorgt sah Inu Taishou auf Hana hinab. Eigentlich würde Sesshoumaru Hana tragen, sie war seine Gefährtin, aber da Sora tief und fest eingeschlafen war und ihren Vater nicht losließ, Inu Yasha seinen linken Arm in einer Schlinge trug und Kouga Hana nicht mal ansehen sollte, trug der Fürst die Prinzessin. Als sie nach einer halben Ewigkeit auf eine Lichtung traten, ließ der Fürst sein Youki aufflammen und öffnete ein Portal, durch das die Gruppe direkt zum Schloss kam. Während Inu Taishou Hana zu Amaru brachte, setzten sich Inu Yasha und Kouga in ein Nebenzimmer des Heilerzimmers und warteten. Sesshoumaru brachte Sora in ihr Zimmer. Sie schlief noch immer. Ihr Vater versuchte erst sie von sich zu lösen, ohne sie zu wecken, aber sie ließ nicht los. „Sora, wach auf.“ Die Achtjährige regte sich und öffnete die Augen. „Du kannst in deinem Bett weiterschlafen. Wir unterhalten uns später“, meinte der Prinz und ließ seine Tochter runter. „Was ist mit Mutter?“, fragte Sora. „Sie ist gerade bei Amaru.“ „Muss sie sterben?“ Die Kleine sah ängstlich zu ihrem Vater auf. „Geh dich waschen, du siehst aus wie ein Bauernkind.“ Sesshoumaru drehte sich um und wollte gehen, aber seine Tochter ergriff seine Hand und hielt ihn fest. „Soll das ein „Ja“ sein?“ „Du solltest weniger Zeit mit deinem Onkel verbringen, er bringt dir die Verhaltensweisen von Straßenhunden bei.“ Der Weißhaarige wollte seine Hand befreien, aber die Kleine ließ nicht los. „Sora! Lass los!“ Sie zuckte nicht mal mit der Wimper. „Wird sie sterben?“, wiederholte sie ihre Frage. „Ich weiß es nicht“, erwiderte ihr Vater ehrlich, wenn auch deutlich gegen seinen Willen. „Ich will zu ihr!“ „Geh dich waschen, so dreckig verlässt du das Zimmer sowieso nicht.“ „Darf ich sie danach sehen?“ „Du verlässt ohne meine Erlaubnis deine Gemächer nicht, hast du verstanden?“, fragte Sesshoumaru. Sie nickte kurz und ließ ihren Vater los, der auch prompt das Zimmer verließ und in Richtung Heilerzimmer ging. Dort war Amaru gerade mit Hanas Wunde fertig, hatte sie verbunden und ihr einige Tränke eingeflößt, damit sie in Ruhe schlief und keine Schmerzen hatte. Der gealterte Dämon kam aus seinem Zimmer, um dem Taishou und Sesshoumaru, der inzwischen aufgetaucht war, Bericht zu erstatten. „Was ist mit meiner Schwiegertochter?“, wollte der Fürst wissen. „Wenn sie die Nacht übersteht, wird sie überleben. Sie hat durch die Wunde viel Blut verloren, ist zum Glück aber nicht vergiftet worden. Ihr Youki ist fast ganz aufgebraucht… Das einzige, was sie noch braucht ist viel Ruhe“, erwiderte Amaru. Sesshoumaru betrat das Heilerzimmer und sah auf Hana hinab. Ihr Gesicht war blasser als sonst. „Bring sie in ihre Gemächer. Amaru, kümmer du dich noch um Inu Yasha und den Wolfsyoukai, sie sind nebenan“, wies der Fürst seinen Sohn und den Heiler an. Beide verneigten sich leicht und gehorchten. „Sesshoumaru, bring Sora kurz zu ihrer Mutter, ich bin sicher, sie will sie sehen. Komm danach in mein Arbeitszimmer“, sagte Inu Taishou. Der Erbprinz neigte den Kopf, „Wie ihr wünscht“, und ging. Sora saß auf der Bettkante und sah auf das Gesicht ihrer Mutter. „Wann wird sie aufwachen?“, wollte sie wissen. „Amaru hat ihr Mohn gegeben, damit sie schläft“, erwiderte ihr Vater. Das Mädchen nickte abwesend. „Sie sieht aus wie tot.“ Der Weißhaarige schluckte. Sora weinte vor Angst. „Hör auf zu weinen, Sora. Du bist eine Prinzessin!“ Aber sie hörte nicht. Ihr Vater merkte plötzlich ein Ziehen in der Brust und wollte schon zu Amaru gehen, aber der Gedanke seine kleine Tochter, die vor Angst weinte und noch kleiner und schutzloser wirkte als sonst, allein zu lassen, verstärkte das Ziehen zu einem Schmerz. Nach kurzem Zögern legte er seine Hände auf Soras Schultern, zog sie dadurch zu sich. „Hör auf zu weinen. Deine Mutter ist stark genug, sie kann das schaffen.“ „Aber wird sie es auch?“, fragte die Prinzessin. „Komm, ich bring dich wieder in deine Gemächer.“ Sie sah aus ihren verweinten Augen zu ihm auf. „Kann ich nicht bei ihr bleiben? Bitte Papa?“, bat sie. Er strich ihr kurz über die Haare. „Du gehst bis auf Weiteres ohne meine Erlaubnis nirgendwo hin. Nicht in den Garten, nicht zu Inu Yasha, nicht zu Vater, nirgendwo hin, verstanden?“ Sie nickte. „Bleib hier, aber hör auf zu weinen.“ Sora umarmte ihn. Sesshoumaru dachte über die eben erlebte Szene nach. Er wusste selbst nicht, wieso er seiner Tochter dieses Benehmen durchgehen ließ. Vielleicht, weil diese Situation, in der keiner genau sagen konnte, ob Hana die Nacht überleben würde, alle belastete. Ja, das musste es sein… Sein Vater erwartete ihn bereits. „Setz dich, Sesshoumaru“, sagte er langsam. Sein Erbe gehorchte. „Du bist sauer, nicht wahr?“, fragte der Fürst. Er erwartete gar keine Antwort. „Geht es Sora soweit gut?“ „Sie ist bei ihrer Mutter.“ „Was macht dich so wütend? Dass Hana verletzt wurde, weil sie Kouga gerettet hat?“, wollte Inu Taishou wissen. Sesshoumaru schwieg. Ihn machte wütend, dass Hana überhaupt verletzt worden war. Es hatte einen Drohbrief gegeben, in dem direkt nur er und sein Halbbruder bedroht wurden, aber die Erwähnung des Friedensvertrags hatte auch Hana mit hinein gezogen. Es war also äußerst unklug gewesen, sie auch noch loszuschicken, wo doch klar war, dass auch sie von dem unbekannten Briefschreiber gefährdet war. Und wäre Hana im Schloss geblieben, wäre Sora auch garantiert nicht aus dem Schloss abgehauen. Man könnte auch sagen, dass Sesshoumaru sauer auf seinen Vater war, weil der Hana losgeschickt hatte und sie nur deshalb womöglich starb. Sein Vater musterte seine Mimik, seinen Blick, der auf einen Punkt im Leeren gerichtet war. „Gibst du mir gerade in Gedanken die Schuld an Hanas Verletzungen?“, wollte der Fürst fast schon verblüfft wissen. Schweigen. Die Wahrheit zu sagen wäre unhöflich und könnte ihn den Kopf kosten, eine Lüge würde sofort auffliegen, was ihm dann auch den Kopf kosten konnte. „Ich deute dein Schweigen als Zustimmung. Wieso ist deiner Meinung nach nicht der Wolf schuld? Wenn er den Angreifer selbst bemerkt hätte, hätte Hana ihn nicht retten müssen.“ „Wer hat Hana den Befehl gegeben mich zu suchen, nachdem sie durch den Drohbrief genauso gefährdet war wie Inu Yasha und ich? Wäre sie hier im Schloss geblieben, wäre auch Sora nicht fortgelaufen und hätte nicht durch einen äußerst starken Bannkreis geschützt werden müssen, der Hana die ganze Zeit Kraft gekostet haben muss, denn er war darauf ausgelegt für alles und jeden unsichtbar und undurchlässig zu sein, außer mir und ihr…“ „Was macht dich so sicher, dass sie hier geblieben wäre? Sie ist zu Inu Yasha gelaufen“, bemerkte der Fürst. Sein Sohn war sauer auf ihn, etwas, was noch nie vorgekommen war und dem Vater auch nicht gefiel. In einer Familie sollte kein Streit sein. „Sie hat ihn bestimmt nicht gesucht, er ist nur ihr Onkel. Und sie verbringt ihre Nachmittage mit ihrer Mutter im Garten, nachdem die ihren üblichen Übungskampf mit Akemi ausgetragen hat.“ „Bist du auf Inu Yasha jetzt auch noch sauer?“ „Wie er sich benimmt, ist nicht meine Angelegenheit, aber wenn meine Tochter sich nicht standesgemäß verhält und sich falsche Vorbilder sucht, schon.“ „Du suchst die Schuld für Soras „Fehlverhalten“ bei Inu Yasha, ihrem Onkel, aber nicht bei dir, ihrem Vater? Wenn du nur halb so viel Zeit mit ihr verbringen würdest wie dein Bruder, dann hätte sie sich wahrscheinlich an dir ein Beispiel genommen und würde sich so kaltschnäuzig benehmen wie du und deine Mutter.“ „Nach Eurer Argumentation wäre ich nicht so kaltschnäuzig wie meine Mutter, wenn ich nicht so viel Zeit mit ihr verbracht hätte. Aber welche andere Wahl hatte ich denn? Sora wird nicht gezwungen mit ihren Onkel Zeit zu verbringen, sie kann auch jederzeit zu Hana gehen.“ „Vielleicht braucht sie aber auch eine Vaterfigur?“ „Es gibt genug lebende Beweise, dass man auch ohne Vaterfigur auskommt, wenn man es muss.“ Sesshoumaru ging zu weit, das wusste er, das wusste sein Vater, aber er hatte Recht. Er hatte als Kind wenig von seinem Vater gesehen, war von seiner Mutter erzogen worden, sie war irgendwann ausgezogen, sodass Inu Taishou sich seines Sohnes angenommen hatte, aber da waren die Überzeugungen seiner Mutter schon fest verankert und nicht mehr zu ändern gewesen. „Wie willst du Sora für ihren Ausbruch bestrafen?“ Ein Themenwechsel, bevor die Situation eskalierte. „Sie geht nirgendwo mehr hin, ohne dass ich es ihr erlaube.“ erwiderte Sesshoumaru. „Das ist alles? So wie du sie heute Nachmittag angesehen hast, hab ich mit Prügel gerechnet.“ „Ich schlage keine kleinen, weinenden Mädchen, die Angst haben, dass ihre Mutter stirbt.“ „Du kannst gehen.“ Der Erbprinz verschwand schneller als gewohnt und ohne die höfische Verbeugung zum Abschied und wies auf dem Korridor einen Diener an, ein Bad für ihn bereiten zu lassen. Inu Yasha kam ihm entgegen. „Wie geht es Hana?“, fragte der Hanyou. „Veschwinde.“ „Und Sora?“, fuhr der Jüngere unbeirrt fort. „Verschwinde!“ Sesshoumaru wollte an ihm vorbei, aber der Rotgekleidete stellte sich ihm in den Weg. „Kann ich zu ihnen?“ „Nein.“ Inu Yasha griff den rechten Arm seines Bruders, um den am Weitergehen zu hindern. „Lass los, sonst breche ich dir deinen anderen Arm auch noch“, knurrte der Größere. „Kann ich bitte meine Nichte und meine Schwägerin sehen?“, fragte Inu Yasha. „Zu Hana kannst du von mir aus, aber Sora ist gerade bei ihr und von ihr wirst du dich in Zukunft fern halten. Sie hat sich schon genügend… Verhaltensweisen… von dir abgeschaut.“ _____________________________________________________________________________ Soa, nachdem ich mich gestern von der Party nach meiner Scheidung erholt habe, habe ich heute den ganzen Tag damit verbracht, die verschiedensten Kapitel zu überarbeiten, zuletzt das hier. Applaus bitte, so lange am Stück habe ich mich schon lange nicht mehr mit meinen Geschichten beschäftigt, ohne ein Kreativ-Hoch zu haben. ^^ Das mit den Waffen an der Hand festbinden haben wir zufällig im Film „Asoka“ gesehen und daraufhin in Geschichtsbüchern recherchiert. Ein Hoch auf Historienfilme, ein Funken geschichtlicher Realität steckt doch in ihnen. Kritik wie immer willkommen, diesmal reagieren wir auch etwas schneller. ^^ lg Hani & Jenny Kapitel 08 ---------- Hana wachte auf, als die Sonne am nächsten Tag im Zenit stand. Sora war zu der Zeit im Unterricht, aber Sesshoumaru saß in einem Schaukelstuhl neben ihrem Bett und starrte einen Punkt im Nirgendwo an. Als sie sich aufsetzte, sah er nur kurz zu ihr, wandte dafür noch nicht einmal den Kopf. „Wo ist Sora?“, fragte sie heiser. „Im Unterricht.“ Die Prinzessin fasste an ihre verletzte Schulter und verzog leicht das Gesicht. Ganz verheilt war die Wunde noch nicht. „Wie hast du es geschafft, einen so starken Bannkreis in so kurzer Zeit aufzubauen?“, wollte Sesshoumaru wissen. „Gar nicht.“ Jetzt sah er sie doch an. „Ich hab nur einen einfachen Bannkreis errichtet, um Sora erst mal außer Schusslinie zu bringen, danach habe ich den Schutzschild weiter gestärkt.“ Sie stand auf. „Amaru richtet gerade Akemi und Takeru her, heute bei Sonnenuntergang werden ihre Leichen aufgebahrt, morgen bei Sonnenaufgang sollen sie verbrannt werden.“ Der Kronprinz sah wieder auf den Punkt im Nichts. „Ist Kouga zu seiner Familie gebracht worden?“, fragte Hana. „Er war nur bewusstlos. Vater wünscht dich zu sehen, wenn du dich erholt genug fühlst.“ „Vater? Kein „mein“ davor? Kein „verehrter“ davor?“ Seine Gefährtin war zugegebenermaßen entsetzt. Aber Sesshoumaru schwieg. Sie verließ ihr Gemach kurz, um einem Diener zu sagen, dass er ihr ein Bad bereiten lassen sollte, dann setzte sie sich auf ihre Bettkante und sah den Weißhaarigen an. „Gibt es etwas, was ich erfahren sollte, bevor ich zu deinem verehrten Herrn und Vater gehe?“, fragte sie. Es war unhöflich, so etwas zu fragen, aber wie könnte er sie tadeln, wenn er selbst kurz zuvor nicht die angebrachte Anrede für seinen Vater benutzt hatte? „Nein.“ Ein Schatten vor der Tür verriet den beiden Youkai, dass der Diener sich dort hingekniet hatte, um auszurichten, dass das Bad für die Prinzessin bereit war. „Geh“, sagte Sesshoumaru, ohne aufzusehen. Hana neigte leicht den Kopf und verließ ihr Gemach, folgte dem Diener zum Bad. Ihr Gefährte blieb unbewegt im Schaukelstuhl sitzen, starrte immer noch den Punkt vor sich im Nirgendwo an, als würde er dort die Antwort auf eine komplizierte Frage erhoffen. Was im gewissen Maße auch stimmte. Seit er sich so ungebührlich seinem Vater gegenüber verhalten hatte, dachte er darüber nach, wieso er das getan hatte und – und das beschäftigte ihn eigentlich noch mehr – wieso er das nicht bereute und sich sicher war, dieses Gespräch jederzeit wieder auf die gleiche Weise zu führen. Der Fürst ging nachdenklich durch die Eingangshalle, als er Hana hinter sich wahrnahm. Etwas verwundert sah er sie an. „Du bist noch zäher, als ich gedacht habe“, meinte er. Sie verneigte sich etwas. „Fühlst du dich erholt genug für einen kleinen Spaziergang im Schlossgarten?“, fragte er. „Natürlich, verehrter Schwiegervater.“ Die beiden gingen in den sonnigen Schlossgarten. Hana hielt sich höflich hinter dem Familienoberhaupt. Er fasste sie schweigend am Arm und zog sie direkt neben sich. „Wenn du hinter mir gehst, hat es den Anschein, als würde ich Selbstgespräche führen“, sagte er. Sie nickte nur. „Wie hast du es geschafft, einen so mächtigen Bannkreis aufzubauen, ohne dass es jemand bemerkt hat? Normalerweise bemerkt man doch, wenn in der Nähe ein Bannkreis errichtet wird“, meinte der Fürst. Hana senkte den Kopf etwas, als würde sie sich ihre Worte sorgsam zurechtlegen. „Das ist schwer zu erklären…“, sagte sie langsam. Ihr Schwiegervater warf ihr nur einen kurzen Seitenblick zu, dachte dann noch mal an die gesamte Situation, in der sie den Bannkreis errichtet hatte, an das Erlöschen des Bannkreises, nachdem eine fremde Magie aufgeflammt war. „Der Bannkreis hatte sich um dein Schwert herum errichtet, wenn ich mich recht erinnere?“ Er wartete ihr Nicken gar nicht ab, sondern fuhr fort: „Das Schwert… es ist älter als du, nehme ich an… und ich nehme nicht an, dass dein Vater dir eine so mächtige Klinge gegeben hat.“ Hana nickte leicht. „Wer hat dir dieses Schwert gegeben?“, wollte Inu Taishou wissen. „Meine Mutter“, erwiderte die Prinzessin. Sie sah zu Boden. Ihr Schwiegervater merkte, dass sie mit sich haderte, ob sie darüber sprechen wollte. „Ich wusste gar nicht, dass deine Mutter kämpfen konnte.“ Sie lächelte leicht. „Mein Vater auch nicht“, gab sie zu. Der Fürst sah sie an. „Sesshoumaru ist seit gestern nicht mehr aufzufinden“, sagte er unvermittelt. Sie sah auf. „Er war gerade noch in meinem Zimmer.“ „Ging es ihm gut?“, fragte der Weißhaarige. Seine Schwiegertochter schüttelte unmerklich den Kopf. „Er war… noch schweigsamer als sonst… als wäre er… als würde ihn etwas… beschäftigen…“ „Er hat dir dann wohl nichts von unserem Gespräch gestern erzählt.“ „Nein, er hat mir nichts gesagt.“ „Er gibt mir die Schuld daran, dass du verletzt wurdest.“ Hana riss unmerklich die Augen auf. „Aber… darf ich fragen wieso?“, wollte sie wissen. „Dadurch, dass in dem Drohbrief auf den Friedensvertrag gezielt wurde, sind nicht nur er und Inu Yasha bedroht worden, sondern auch du. Ich hätte dich dementsprechend nicht aus dem Schloss lassen dürfen. Und wenn du im Schloss gewesen wärst, wäre Sora auch nicht weggelaufen.“ Die Prinzessin schwieg. Da war schon was dran, aber wie hätte der Fürst ahnen sollen, dass der Drohbriefschreiber direkt eine 20-köpfige Truppe losschickte, die mit unfairen Mitteln kämpfte, anstatt einen fairen Kampf zu suchen? Der Taishou musterte sie. „Du stimmst ihm zu“, stellte er fest. „Es steht mir nicht zu, Schulzuweisungen zu machen“, erwiderte sie diplomatisch. „Tu einfach so, als wäre ich nicht dein Schwiegervater, sondern Akemi.“ Sie zuckte bei dem Namen innerlich zusammen. „Wieso sollte ich Akemi so etwas erzählen?“, fragte sie. „Ich weiß, dass du dich Akemi gegenüber weniger wie eine Prinzessin, sondern eher wie eine reine Kriegerin benimmst. Du hast ihr alles erzählt, was dir gerade auf dem Herzen lag, und wenn sie nicht gestorben wäre, würdest du mit ihr auch über den Überfall reden und wenn du mir die Schuld dafür gibst, würdest du das auch ihr erzählen“, erklärte der Fürst. Hana atmete tief durch. „Ich würde nicht sagen, dass Ihr die Schuld daran tragt, dass ich verletzt wurde und dass Sora aus dem Schloss weggelaufen ist. Es ist auch nicht sicher, dass Sora im Schloss geblieben wäre, wenn ich nicht unterwegs gewesen wäre“, sagte sie nachdenklich. „Sesshoumaru wird dir wohl nichts weiter von dem Gespräch erzählen. Er ist ziemlich… unhöflich geworden“, meinte Inu Taishou und richtete seinen Blick in die Ferne. Hana unterdrückte alle ihr durch den Kopf schießenden Reaktionen wie entsetztes Aufschreien, mit der flachen Hand vor die Stirn schlagen, die Kinnlade runter fallen lassen oder einfach umfallen. Sesshoumaru sollte unhöflich gewesen sein? Das konnte sie sich nun wirklich nicht vorstellen… Ihr Schwiegervater erzählte ihr kurz von dem Gespräch. Die Prinzessin konnte es wirklich nicht glauben, dass ihr Gefährte sich so benommen haben sollte, sie konnte sich das nicht erklären. Inu Taishou hingegen schon. Ein bitteres Lächeln umspielte seine Lippen. „Eigentlich solltest du dich freuen, dass er sich so benommen hat“, meinte er und sah die Dämonin an. Die starrte kurz entgegen aller Etikette in sein Gesicht, ehe sie den Blick hastig abwandte. „Darf ich fragen, wieso mich das freuen sollte?“, fragte sie mit belegter Stimme. „Wenn Sesshoumaru sich normalerweise mit mir unterhält ist er der gut erzogene Erbprinz, der perfekt selbstbeherrschte Sohn, aber gestern saß er nicht als Sohn seinem Vater gegenüber, sondern als Ehemann und Vater gegenüber demjenigen, der seiner Meinung nach seine Familie gefährdet hat. Verstehst du, was ich meine?“ Hana nickte langsam. „Richte ihm aus, dass ich ihn nicht tadeln werde für sein Verhalten, dass er keine Konsequenzen befürchten muss. Wenn du möchtest, darfst du ihm auch von dem Gespräch erzählen. Ruh dich noch etwas aus, deine Wunde ist sicherlich noch nicht ganz verheilt.“ Das war eine Verabschiedung. Die Prinzessin verneigte sich leicht. „Danke“, sagte sie und ging. Der Taishou sah gedankenverloren in die Ferne. Das Gespräch mit Hana über das Verhalten von Sesshoumaru hatte ihm etwas klar gemacht. Sesshoumaru war nicht mehr nur sein Sohn. Er hatte seine Gefährtin und seine kleine Tochter und er fühlte sich eindeutig für die beiden verantwortlich. Etwas, was ihn erwachsener machte, als seinem Vater lieb war. Der Fürst hatte das Gefühl, dass ihm die Zeit quasi durch die Finger glitt. Sein ältester Sohn hatte seine eigene kleine Familie, für die er sorgen wollte, der Jüngere würde sich daran wohl auch bald ein Beispiel nehmen wollen, denn Inu Yasha wäre sicherlich ein guter Vater… Mal wieder fiel dem Inu no Taishou auf, dass er sehr gerne ein einfacher Mann wäre, der mehr Zeit für seine Familie hatte. Denn auch wenn das Fürstentum des Westens als sehr familiär galt, so war die Zeit, die sie miteinander wirklich als Familie verbrachten, doch sehr rar. Immer wieder kam etwas dazwischen. Drohbriefe, wichtige Audienzen, Soras Unterricht, die Reisen der beiden Prinzen, die Übungskämpfe von Sesshoumaru, Inu Yasha und Hana… Um Hana musste der Fürst sich auch noch mal Gedanken machen. Wenn die Verletzung an ihrer Schulter ausgeheilt war, würde sie sicherlich bald ihr Training wieder aufnehmen wollen, aber Akemi war tot… Ein neuer Trainingspartner musste her… „Hana!“ Die Prinzessin seufzte leicht, als Inu Yasha aufgebracht vor ihr stehen blieb. „Sag deinem Gefährten, dass er mir nicht den Umgang mit meiner Nichte verbieten kann!“, forderte der Hanyou. Müde sah seine Schwägerin ihn an. „Damit er nicht nur dich von Sora fernhält, sondern auch mich? Inu Yasha, gedulde dich einfach ein paar Tage, bis der gestrige Tag nicht mehr ganz so aktuell ist und irgendwas anderes ihn beschäftigt, als sein Ungehorsam, dann wird es ihm bald wieder egal sein, wie lange Sora sich mit dir beschäftigt und wo ihr zwei überall hingeht.“ Sie biss sich auf die Zunge. So viel hätte sie gar nicht sagen dürfen. „Was für ein Ungehorsam?“ Inu Yasha klang neugierig. „Frag deinen Vater.“ Hana schob die Tür zu ihrem Gemach auf und verschwand darin, ehe der Rotgekleidete noch etwas sagen konnte. Sesshoumaru saß noch immer unverändert in dem Schaukelstuhl, sah nur kurz auf, als Hana rein kam. „Dein verehrter Vater lässt dir ausrichten, dass du weder Tadel noch Konsequenzen fürchten musst“, sagte sie und ließ sich auf ihrer Bettkante nieder. „Er hat dir von dem… Gespräch… erzählt.“ „Ja, kurz. Dein Bruder lässt fragen, wieso er Sora nicht sehen darf“, fuhr seine Gefährtin fort und zog ihre Beine auf ihr Bett, winkelte sie neben sich an. „Damit sie sich nicht weiter wie ein Straßenkind benimmt, sondern lernt zu gehorchen und nicht aus dem Schloss wegzulaufen.“ Ein Klopfen unterbrach die beiden. Sora. Als sie ihre Mutter sah, weiteten sich ihre Augen freudig und sie war versucht sich in die Arme ihrer Mutter zu werfen, aber ihr Vater war anwesend und der wollte ihr noch immer beibringen sich wie eine Prinzessin zu benehmen. So verneigte die Kleine sich höflich gegen ihren Eltern. „Es geht Euch besser, verehrte Mutter“, sagte sie. „Ja“, erwiderte Hana langsam. „Sora, geh doch in dein Zimmer und ruh dich ein wenig aus, der Unterricht war sicher ein wenig ermüdend“, meinte sie dann. Die kleine Prinzessin verneigte sich leicht, da sie sich jedoch bewusst war, wie der Wortlaut ihrer Strafe war, blickte sie zu ihrem Vater. „Geh“, kam es von dem. Sora verneigte sich noch einmal gegen ihre Eltern und verließ dann das Zimmer ihrer Mutter. Diese sah zu Sesshoumaru, der leicht vor und zurück schaukelte. „Möchtest du den Grund dafür wissen, dass dein verehrter Vater dich weder tadelt noch straft?“, fragte sie höflich. Er konnte nicht wissen, dass der Herrscher einen Grund für eine seiner Entscheidungen angab, dazu war er schließlich nicht verpflichtet. Der goldene Blick traf ihren eisblauen. Sie nahm es als die Zustimmung, als die es gemeint war. „Er hat in dir gestern nicht einen Sohn seinem Vater gegenüber gesehen, sondern einen Vater gegenüber demjenigen, der sein Kind gefährdet hat und ein Gefährte gegenüber demjenigen, der seine Gefährtin gefährdet hat.“ Hana hatte Sora und sich bewusst getrennt genannt, um eine mögliche Reaktion in Sesshoumarus Mimik richtig zuordnen zu können. Aber er regte sich nicht, schien tief in Gedanken zu sein. Seine Frau kannte ihn nicht viel anders. Sie war es gewohnt, nicht viel mit ihm zu sprechen, dennoch war sie überrascht, dass er so beharrlich schwieg, nichts dazu sagte, nicht nachfragte wie sein Vater auf sie gewirkt hatte oder so etwas in der Art. Es schien, als hegte er noch immer einen Groll gegen seinen Vater, vielleicht war das auch der Grund, weshalb er sich nicht gezeigt hatte und der Herrscher nicht gewusst hatte, wo er war. „Darf ich fragen, wieso du deinem verehrten Vater nicht gesagt hast, wo du bist? Er schien erleichtert zu sein, als ich ihm gesagt habe, dass du nicht spurlos verschwunden bist.“ Dass er noch immer in dem Schaukelstuhl saß, konnte in Hanas Augen nur zwei Gründe haben: Entweder wollte er sich eigentlich doch mit ihr unterhalten oder zumindest hören, was sie von dem Gespräch mit seinem Vater noch zu berichten hatte, oder aber er wollte immer noch nicht von seinem Vater entdeckt werden und hatte nicht bedacht, dass sie sagen könnte, wo er sich versteckt hielt. Würde er sich nur versteckt halten wollen, würde er das Zimmer nach dieser Frage wohl verlassen, aber da er sitzen blieb und sogar leicht nickte, schloss sie, dass er doch etwas mehr von dem Gespräch erfahren wollte. „Hätte er gewusst, wo ich bin, hätte er mich wieder zu sich befehlen können.“ Und er wäre vielleicht noch unhöflicher geworden und hätte dann doch eine Strafe oder Tadel bekommen. Der Fürst saß nachdenklich in seinem Arbeitszimmer. Er überlegte noch immer, mit wem Hana trainieren könnte. In seiner Armee waren insgesamt drei Frauen gewesen, durch Akemis Tod nur noch zwei. Die beiden waren keine schlechten Kämpferinnen, aber sie kamen nicht an Hana heran, die Prinzessin würde sich sehr schnell langweilen. Aber ob Sesshoumaru zulassen würde, dass Hana mit einem der männlichen Soldaten übte? Und wenn ja, mit wem? Wer war dazu fähig mit Hana zu üben, ohne sie zu langweilen oder ihr dabei auf unangebrachte Art und Weise näher zu kommen? Sein Sekretär lenkte Inu Taishou ab. Er verneigte sich tief und reichte seinem Herrn einen Brief. „Verzeiht Herr, dieser Brief ist gerade von einem Raben durch das Fenster gebracht worden, es steht kein Absender darauf.“ Der Sekretär verneigte sich erneut und verließ dann das Arbeitszimmer des Fürsten. Der sah auf den Brief hinab. Kein Absender, kein Wappen im Wachssiegel. Das erinnerte ihn an den Drohbrief von vor ein paar Tagen… Inu Taishou roch kurz an dem Kuvert, dann öffnete er es. Inu Yasha machte sich nicht die Mühe zu Klopfen und riss die Tür zum Zimmer seiner Schwägerin einfach auf. Hana und Sesshoumaru sahen beide auf, beide setzten dazu an, ihn zurechtzuweisen, aber der Hanyou unterbrach sie. „Vater will uns drei sehen, es ist wohl wieder ein Drohbrief eingetroffen!“, rief er aufgeregt. Die anderen beiden warfen sich nur einen kurzen Blick zu, dann erhoben sie sich und Hana folgte ihrem Mann und ihrem Schwager zum Arbeitszimmer ihres Schwiegervaters. Der hatte den Brief vor sich auf dem Tisch liegen, sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und sah kurz auf, als seine beiden Söhne und seine Schwiegertochter das Zimmer betraten und sich leicht verneigten. „Setzt euch“, sagte der Fürst langsam und wartete, bis die drei der Aufforderung nachgekommen waren. Dann reichte er Sesshoumaru als erstes den Brief. Der Kronprinz hielt ihn so, dass seine Gefährtin sich nur leicht vorlehnen musste, damit sie lesen konnte, Inu Yasha verrenkte sich den Hals ein bisschen mehr. Die Familie des Westens ist ziemlich dumm, ihre Prinzessinnen sind nicht mal im Schloss sicher. Die kleine Sora könnte man leicht ermorden, wenn sie von ihrem Unterricht zu ihrer Mutter geht. Und der werte Herr Kronprinz kann auch nicht die ganze Zeit bei seiner armen Gefährtin sitzen und sie bewachen. Wenn die drei Herren Interesse daran haben, zu lernen, wie sie die beiden Prinzessinnen besser beschützen können, sollten sie sich am Tag vor Vollmond an der Klippe die im Westen am weitesten über das Meer ragt einfinden. Ansonsten erfolgt ein Angriff, der demonstrieren soll, wie schwach der Westen ihre Frauen beschützt. ________________________________________________________________________________ Tadaa, das neue Kapitel. Unsere Beta-Leserin fand das eine sehr fiese Stelle aufzuhören, weil sich so viele Fragen stellen. Woher weiß der Briefschreiber das alles? Wer ist er? Was hat er vor? Handelt es sich um einen Hinterhalt? Werden die Hunde der Aufforderung nachkommen? Wenn nichts dazwischen kommt, werden einige Fragen nächste Woche beantwortet, die restlichen erst in den letzten Kapiteln. Welche Fragen wann beantwortet werden, sagen wir natürlich noch nicht. ^^ lg Jenny & Hani Kapitel 09 ---------- Seit einigen Minuten hatte niemand mehr im Arbeitszimmer gesprochen. Alle Blicke waren auf den Tisch geheftet, auf dem der Drohbrief lag. Es war nicht die Handschrift von Hanas Vater, aber das war noch kein Hinweis darauf, dass er nicht dahinter steckte. Er hätte den Brief auch einfach von seinem Sohn, seiner Gefährtin oder einem Diener schreiben lassen können. „Wer immer diesen Drohbrief geschrieben hat, steckt bestimmt auch hinter dem ersten…“, meinte Inu Taishou langsam. Einerseits hoffte er es, andererseits auch nicht. Ein Drohbriefschreiber war schon mehr als genug, da brauchte er nicht noch einen zweiten, aber wenn eine Person, oder eine Gruppe existierte, die so viel über die Friedensverträge und die Abläufe im Schloss bescheid wusste, ja sogar gewusst hat, dass Sesshoumaru seit dem Vortag an der Seite seiner Gefährtin gewesen war, konnte das durchaus gefährlich werden. Und – und das war für den Fürsten viel entscheidender – es deutete darauf hin, dass sich jemand in seinen Haushalt eingeschlichen hatte und nun die erlangten Informationen entweder selbst verwendete oder an Dritte weitergab. „Wer wusste, dass du bei Hana warst?“, fragte Inu Taishou seinen älteren Sohn. „Sora. Niemand sonst konnte wissen, dass ich das Zimmer nicht mehr verlassen habe, wenn er nicht die ganze Zeit vor der Tür gesessen hat“, erwiderte der Erbprinz prompt. „Hana, hast du dich in letzter Zeit beobachtet gefühlt oder hat Sora so etwas gesagt?“, wandte das Familienoberhaupt sich an die Prinzessin. „Nein, mir ist nichts und niemand aufgefallen“, antwortete sie. „Denkt einer von euch dreien, dass es hier im Schloss für Sora gefährlich wäre?“ Der Fürst wusste, dass keiner der drei es aussprechen würde, selbst wenn dem so wäre, aber er würde es trotzdem bemerken, da war er sich sicher. Sesshoumaru dachte über die Frage nach. Nein, er hatte bis jetzt nie die Befürchtung gehabt, dass seiner Frau oder seiner Tochter im Schloss etwas passieren könnte. Die Eingänge waren bewacht, die Soldaten waren regelmäßig auf den Kampfplätzen vor und hinter dem Schloss, in der Eingangshalle standen ebenfalls welche. Es gab aus der Sicht des Kronprinzen keine Möglichkeit unbemerkt ins Schloss einzudringen, geschweige denn in den Privattrakt der Fürstenfamilie zu kommen. Vorher würde man entdeckt und ausgeschaltet werden. Hana und Inu Yasha dachten dasselbe. Von außen gab es keine Möglichkeit an Sora heranzukommen, nicht nur die Eingangshalle und die Eingänge waren überwacht, sondern auch der Schlossgarten. An den Fenstern in der ersten Etage standen, nur zu erkennen, wenn man wusste, wo sie waren, Bogenschützen, die den Schlossgarten zwar überblicken, aber nicht abhören konnten. Es sei denn man schrie. „Hält es einer von euch dreien für angebracht, der Drohung zu folgen und in drei Tagen zu dieser Klippe zu gehen?“, fragte Inu no Taishou. Kurzes Schweigen, dann Kopfschütteln. Nein. Es gab keine Möglichkeit ins Schloss zu kommen, geschweige denn Hana oder Sora anzugreifen. „Ihr könnt gehen“, verabschiedete der Fürst seine Söhne und seine Schwiegertochter. Die drei verneigten sich kurz, erhoben sich dann und gingen. Der Fürst schloss die Augen und dachte nach. Er war ebenfalls der Ansicht, dass seine Enkelin in Sicherheit war. Seine Schwiegertochter ebenfalls. Und wenn Sesshoumaru anderer Meinung wäre, hätte er das deutlich gemacht, Inu Yasha ebenso. Auch Hana hätte nicht geschwiegen, wenn sie sich bedroht fühlen würde. Trotzdem hatte der Taishou ein sehr ungutes Gefühl bei der Sache. Wenn seine Vermutung stimmte und jemand in seinem Schloss ein Spitzel, ein Verräter war, dann war es auch möglich an seine kleine Enkelin zu kommen. Hana konnte sich wenigstens verteidigen, auch ohne Schwert, Sora hingegen war nur ein Kind… Was das Treffen an der Klippe anbelangte… es war offensichtlich, dass das eine Falle war. Fragte sich nur wo. Der Drohbriefschreiber war nicht zu unterschätzen. Vielleicht erwartete er, dass die drei Herren des Hauses sich an diesem Ort einfanden, allerdings das Heer mitnahmen, um selbst einem hinterhältigen Angriff zu entgehen, dadurch aber das Schloss weitgehend unbewacht zu lassen. Oder aber der Herrscher und die beiden Prinzen kamen zu der Klippe, ließen das Schloss bewacht, würden vielleicht überrascht werden und von der Klippe stürzen. Aber war es wirklich besser, wenn niemand das Schloss verließ? Wer wusste denn schon, was dieser Drohbriefschreiber als nächstes vorhatte und plante? Die Kampftruppe, die einen hinterhältigen Angriff gestartet hatte, war dem Fürsten noch sehr präsent. Der Angreifer war nicht zu unterschätzen… Inu Yasha spazierte ein bisschen durch den Schlossgarten. Er langweilte sich. Sein Bruder wollte nicht trainieren, er war wieder bei Hana, vielleicht arbeiteten die beiden an einem Sohn oder so, zu Sora durfte er nicht und das Schloss verlassen wollte er nicht. Zwar hätte der Hanyou sich auch über Sesshoumarus Verbot hinwegsetzen können und seine kleine Nichte einfach besuchen können, aber er kannte den Kronprinzen und hatte die Befürchtung, dass der Sora dafür strafen würde. Die war gerade in ihrem Zimmer und arbeitete an einem Aufsatz. Ihr Lehrer hatte ihr gesagt, dass sie zusammenfassen sollte, was sie an diesem Tag gelernt hatte. Eine Aufgabe, die ihre Handschrift verbessern und ihr Erinnerungsvermögen steigern sollte. Sesshoumaru und Hana waren in ihrem Gemach. Diesmal saß sie in dem Schaukelstuhl und wippte leicht vor und zurück, während er mit dem Rücken zu ihr stand und aus dem Fenster auf den Wald blickte. Unmerklich trat der Prinz von einem Fuß auf den anderen. „Ist alles in Ordnung?“, fragte Hana. Sein goldener Blick streifte sie nur kurz, dann wanderte er wieder über die Baumkronen am Horizont. Nein, es war nicht alles in Ordnung, aber darüber wollte er im Moment nicht reden. Er wusste selbst nicht so genau, was ihn so aufregte, wie sollte sie es dann verstehen? Er musste sich ablenken, vielleicht würde er sich dann beruhigen oder darauf kommen, was ihn beschäftigte. „Wie konntest du gestern so schnell auf den ersten Angreifer reagieren?“, fragte er und wandte sich halb zu ihr um. „Irgendwas hat mir gesagt, dass Sora in Gefahr ist und ich sie beschützen muss“, erwiderte Hana. „Du meinst, jemand ist in deine Gedanken eingedrungen und hat dich gewarnt?“ Sie sah ihn an und schüttelte leicht den Kopf. „Nein, das nicht. Es war mehr… eine innere Stimme… nein, eigentlich auch nicht… nur ein… Gefühl. Ich war mir auf einmal sicher, dass etwas mein Kind bedrohte und ich sofort ziehen musste, um Sora zu beschützen“, erklärte sie ruhig. Sesshoumaru wandte ihr den Rücken zu und starrte in die Richtung in der Soras Zimmer lag. Sie war dort, das wusste er. Sie war dort in Sicherheit, niemand könnte ihr etwas anhaben. Trotzdem wurde die Unruhe ihres Vaters schlimmer. Ihn ließ das Gefühl, dass irgendwas nicht in Ordnung war, einfach nicht los. Er wollte das Kind in seiner Nähe haben… Hana wollte etwas sagen, als er plötzlich das Zimmer verließ, schloss den Mund aber wieder. Stattdessen folgte sie dem Prinzen, wenn auch deutlich langsamer. Sesshoumaru öffnete die Tür zum Zimmer seiner Tochter. Sie drehte sich zu ihm um und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber der Erbprinz war im Bruchteil einer Sekunde bei ihr, zog sie unsanft von ihrem Stuhl und wich mit ihr an die Wand. Sora wimmerte, als ein stechender Schmerz durch ihren Arm schoss und sie versuchte instinktiv sich aus dem Griff zu befreien. Dabei fiel ihr Blick auf ihre Mutter, die an der Tür stand und ziemlich geschockt aussah. Aber nicht, weil Sesshoumaru Sora so fest hielt; sie starrte auf den Stuhl, auf dem die Kleine kurz vorher noch gesessen hatte. Sora folgte dem Blick ihrer Mutter und verstand, wieso ihr Vater sie noch immer fest hielt. Am Rand der Rückenlehne steckte ein silbern glänzendes Messer. Hätte sie auf dem Stuhl gesessen, wäre das Messer wohl knapp rechts an ihr vorbei geflogen, hätte sie sich auch nur ein Stück bewegt, hätte die Klinge sie getroffen. Darum stand Sesshoumaru jetzt an der Wand neben dem Fenster mit ihr und sah hinaus, ohne selbst gesehen werden zu können. Aber er konnte nichts ausmachen. Weder den Werfer des Messers, noch eine Bewegung der Äste, die verrieten, dass jemand über die Bäume aus dem Garten geflohen war. Wahrscheinlich war der Attentäter direkt nach seinem Wurf verschwunden oder er war noch in seinem Versteck. Hana rutschte an der Wand entlang, bis sie neben Sesshoumaru war, der Sora zu ihr schob. Die Kleine rieb sich den schmerzenden Arm, sah dann in das sorgenvolle Gesicht ihrer Mutter, die sich hingehockt hatte. Sesshoumaru ging schnell zu dem Stuhl und zog das Messer heraus, dann wich er wieder zurück an die Wand. „Raus hier, aber bleibt an der Wand“, wies er Hana und Sora an. Die beiden gehorchten und huschten aus dem Zimmer. Der Weißhaarige sah noch einmal kurz aus dem Fenster, dann folgte er den beiden. „Kommt“, sagte er zu ihnen. Der Fürst wollte schon Luft holen, um denjenigen, der ungefragt in sein Arbeitszimmer geplatzt war, zurechtzuweisen, als Sesshoumaru ihm das Messer auf den Schreibtisch warf. „Was ist passiert?“, fragte Inu Taishou, als er Hanas und Soras Gesichter sah; der Mimik seines Sohnes war nämlich nichts zu entnehmen. „Das ist gerade durch das Fenster auf Sora geworfen worden. Auf der anderen Seite der Klinge steht etwas.“ Sesshoumarus Stimme bebte etwas vor Wut. Sein Vater nahm das Messer und drehte es herum, las was in die Klinge geritzt war. Die Tür flog ein weiteres Mal auf und Inu Yasha kam rein. „Oh, ihr seid schon hier“, sagte er atemlos. „Was ist bei dir passiert?“, fragte der Taishou. „Ich war im Schlossgarten und hab zufällig gesehen, wie etwas durch das Fenster ins Soras Zimmer geflogen ist, da es so komisch geglänzt hat, schätze ich, es war eine Waffe“, erwiderte der Hanyou. „Das Messer hier. Hast du sonst noch was gesehen?“, wollte der Fürst wissen. „Nein, nichts. Ich habe weder gehört, wie jemand geflohen ist, noch habe ich jemanden gewittert oder gesehen“, antwortete der jüngere Prinz. „Hana, bring Sora in meine Gemächer und bleib bei ihr, sollte irgendwas sein, kommt wieder her“, ordnete Inu Taishou an. Seine Schwiegertochter nickte nur knapp und verließ mit ihrer Tochter das Arbeitszimmer. Inu Yasha nahm das Messer von seinem Vater entgegen und las die Nachricht auf der Klinge. Und das war nur der Anfang. „Wer immer uns schaden will, schreckt vor nichts zurück…“, meinte der Hanyou langsam. „Vielleicht sollten wir doch zu diesem… Treffen… gehen. Möglicherweise erfahren wir zumindest, wer dahinter steckt.“ Sein Bruder nickte nur leicht. „Dann macht euch bereit zum Aufbruch. Wir treffen uns vor dem Westtor. Sesshoumaru, geh schon mal in dein Zimmer, ich möchte etwas mit Hana und Sora besprechen, dann schick ich die beiden zu dir“, ordnete der Fürst an. Seine Söhne verneigten sich leicht und verließen das Zimmer. Hana und Sora sahen auf, als die Tür aufgeschoben wurde, Hana schob sich automatisch schützend vor ihre Tochter. Sie entspannte sich, als sie den Taishou erkannte und verneigte sich leicht. Sora ahmte die Bewegung ihrer Mutter nach. „Sesshoumaru, Inu Yasha und ich werden gleich aufbrechen, wir gehen zu dem… Treffpunkt. Hana, ich möchte, dass du während unserer Abwesenheit meine Aufgaben übernimmst, so weit du kannst. Sora, du gehst weiterhin zum Unterricht und lernst. Ihr könnt euch jetzt von Sesshoumaru verabschieden, er ist in seinen Gemächern“, sagte der Fürst. Hana und Sora verneigten sich erneut leicht und verließen dann den Raum. Im Vorbeigehen bekam die Schwiegertochter des Hauses vom Fürsten einen zusammengefalteten Zettel in die Hand geschoben. Sie beging nicht den Fehler sich noch einmal umzudrehen oder stehen zu bleiben und so Soras Aufmerksamkeit zu erregen. Was immer es mit diesem Stück Papier auf sich hatte, Sora sollte es offensichtlich nicht erfahren, vielleicht weil es sie beunruhigen und dazu bringen konnte, ein zweites Mal fortzulaufen. Sesshoumaru war bereits reisefertig, als seine Gefährtin und seine Tochter zu ihm kamen. Der Abschied war kurz und wortkarg. Das einzige, was der Kronprinz sagte, war an seine Tochter gerichtet: „Hör auf deine Mutter.“ Als Sesshoumaru an der Tür war, konnte Sora sich nicht mehr zurückhalten. „Komm heil nach Hause, Vater.“ Er wandte den Kopf nur kurz, ließ seine kleine Familie dann zurück. Hana hätte Sora gerne tröstend eine Hand auf die Schulter gelegt, allerdings hätte die Kleine dann wohl einen der inzwischen zwei Zettel bemerkt. „Sie sind bald wieder da“, sagte sie stattdessen. Die Achtjährige, die den höflichen Schritt hinter ihrer Mutter stand, atmete selbst für Menschenohren deutlich hörbar aus, ließ die Schultern hängen und ging auf den Balkon ihres Vaters. Hana schob die Papierstücke in ihre Kleidung, sodass Sora sie nicht finden konnte, ehe sie die Kleine vom Balkon wieder ins Zimmer zog. „Auf dich ist heute schon einmal ein Messer geworfen worden, und ein zweites Mal hast du vielleicht nicht so viel Glück wie gerade“, meinte die Kronprinzessin. Sora sah zu ihrer Mutter auf. „Das war kein Glück“, sagte sie leise. „Genau wie gestern, als Ihr den Attentäter abgewehrt habt. Das war auch kein Glück. Ihr und mein verehrter Vater habt gewusst, dass Gefahr droht und was Ihr zu tun habt, um sie abzuwenden.“ Hana schob die Balkontür zu. „Was redest du denn da?“, fragte sie fahrig und überlegte, ob ihre Tochter gelauscht haben könnte, als Sesshoumaru sich mit seiner Gefährtin darüber unterhalten hatte… Aber das war unmöglich. Wie hätte die Kleine dann so schnell in ihr Zimmer gelangen können, ohne von ihrem Vater gesehen zu werden? „Es ist doch so gewesen, nicht wahr, verehrte Mutter?“, fragte Sora zurück. Ihre Mutter sah sie kurz an. Dann nickte sie leicht. „Woher weißt du das?“, wollte sie dann wissen. „Ich weiß nicht. Vorhin in Ojii-samas Gemächern, da wusste ich es auf einmal.“ Das Kind starrte die Balkontür an, als könnte sie hindurchschauen. Hana nahm die Hand ihrer Tochter, verließ mit ihr das Zimmer des Kronprinzen und ging in Richtung von dessen Arbeitszimmer. Zwar hätten sie auch in das Arbeitszimmer des Fürsten gehen können, allerdings war Sesshoumarus weniger leicht von außen zu erreichen, da es, im Gegensatz zu dem seines Vaters, dem Schlossinnenhof zugewandt war. Hanas Entscheidung hatte noch einen Grund. Ein Vorzimmer stand nur dem Fürsten zu. Jaken arbeitete an einem auf seine Größe angepassten Tisch in Sesshoumarus Arbeitszimmer. Sora konnte sich an diesen kleinen Tisch setzen und ihren Aufsatz schreiben. Auf dem Weg befahl Hana einem Diener ihr die für den Fürsten eintreffende Post ins Arbeitszimmer des Erbprinzen zu bringen. „Schreib deinen Aufsatz zu Ende“, sagte die Prinzessin zu ihrer Tochter. „Ja, verehrte Mutter“, erwiderte diese und setzte sich auf Jakens Platz, während sich ihre Mutter an den großen Tisch setzte und die beiden Zettel herausnahm. Als erstes nahm sie den Zettel ihres Schwiegervaters. Ihr fiel auf, dass sie seine Handschrift nicht kannte. Sie hatte noch nie ein Schreiben von ihm gelesen. Ich habe die Vermutung, dass sich ein Verräter im Schloss befindet. Pass auf euch auf und vertraue niemandem. Hana schluckte leicht. Ein Verräter im Schloss? Das konnte doch nicht sein! Sie nahm sich die Nachricht ihres Gefährten und hoffte, dass er nicht noch eine Hiobsbotschaft beinhaltete. Seine Handschrift erkannte sie. Halte dein Schwert immer in deiner Nähe. Die Prinzessin stutzte. Ihre Waffe in ihrer Nähe halten? Es war nicht üblich seine Waffe im Schloss zu tragen. Daher hingen die Schwerter der Hausherren auch an den Wänden ihrer Arbeitszimmer und ihres war in einer Truhe in ihren Gemächern. Hana sah zu ihrer Tochter, die in ihren Aufsatz vertieft war. Die Kleine hatte noch einmal neu angefangen. Viel hatte sie in ihrem Zimmer noch nicht geschafft und als ihr Vater sie vom Stuhl gezogen hatte, war ihre Schreibfeder auf das Blatt gefallen und hatte Tintenkleckse hinterlassen. „Bleib hier im Zimmer, ich bin schnell wieder zurück“, sagte Hana und verließ das Zimmer. Schneller, als es sich im Schloss normalerweise ziemte, lief Hana zu ihrem Gemach und holte ihre Klinge aus der Truhe. Sie zog das blanke Metall ein Stück aus der Scheide und betrachtete die kleine Gravierung direkt unter dem Heft. Es war ein Zeichen, was ihre Mutter erfunden hatte, um ihr zu sagen, dass sie sie immer beschützen würde. Es war auf die Klinge graviert, damit Hana sich daran erinnerte, dass ihre Mutter im Kampf immer an der Seite ihrer Tochter war. Genau wie Hana immer bei ihrer Tochter sein wollte. Sie schob das Schwert zurück in die hölzerne Scheide und ging wieder zu Sora. Diese sah nur kurz auf, als ihre Mutter wieder ins Zimmer kam und sich an den Tisch setzte. Hana nahm Papier und Feder zur Hand und begann, etwas zu schreiben. So verging einige Zeit, in der keine der beiden etwas sagte. Dann jedoch ertönten von draußen schwere Schritte, die sich von beiden Seiten des Flures näherten. Hana nahm ihre Waffe zur Hand, ließ die Scheide neben dem Schreibtisch liegen. „Geh in die Ecke und kauere dich hin“, befahl sie ihrer Tochter und näherte sich der Tür. Myouga, der Flohgeist, quetschte sich in dem Moment unter der Tür durch und sprang Hana auf die Schulter. „Hana-hime, die Soldaten, die sich nähern, sind nicht aus dem Schloss. Jemand hat sie reingelassen, sie haben die Wachen überwältigt und sind offensichtlich auf der Suche nach Euch. Es sind zu viele, Ihr müsst fliehen!“, rief er aufgeregt. Die Schritte kamen immer noch näher… Inu Taishou, Sesshoumaru und Inu Yasha hatten die Klippe erreicht. Rings herum gab es keinen Wald, unter ihnen brachen sich die Wellen an den schroffen Felsen. Wachsam sahen sich die drei um. Die Sonne ging gerade auf und ließ den Himmel blutrot leuchten. An dem den Klippen abgewandten Horizont tauchte eine dunkle Gestalt auf. Der Wind wehte vom Meer her und so konnten die drei Herren nichts wahrnehmen. Die Gestalt kam näher. Man konnte weder ihre Statur noch ihr Gesicht durch die weiten, schwarzen Gewänder erkennen. „Ah… die Herren haben sich also dazu entschieden, meiner Einladung zu einer kleinen Lehrstunde zu folgen… Nun, ich habe meine Pläne geändert. Ich werde euch nichts beibringen. Ihr werdet nur… eine kleine… Aufgabe von mir erfüllen“, sprach die Gestalt mit dunkler Stimme. „Wieso sollten wir das tun?“, fragte Inu Yasha gereizt. Die Gestalt lachte leise. „Weil die kleine Sora sicherlich enttäuscht wäre, würde sie erfahren, dass sie sterben musste, weil ihre Papa, ihr Opa und ihr Onkel zu feige waren. Und Hana… nun, sie würde sicherlich nicht sofort sterben und bekäme genügend Gründe anzufangen ihren Gefährten zu hassen…“ Sesshoumarus Augen weiteten sich kaum merklich und er hatte Mühe sein Youki nicht explodieren zu lassen. „Du hast keine Chance an Hana und Sora ranzukommen“, meinte der Fürst. „Ich habe die beiden schon längst“, antwortete die fremde Gestalt. „Oyakata-sama!“ Das war Myouga, der seinem Herrn auf die Schulter sprang. „Oyakata-sama, etwas Schreckliches ist passiert! Eine fremde Armee ist ins Schloss eingedrungen. Sie waren in einer so mächtigen Überzahl, dass Hana-hime keine Chance hatte. Sie und Sora-hime wurden entführt!“ _______________________________________________ Sorry, dass es so lange gedauert hat. Jennys Router war schrott und ich bin momentan bei ihr. Wann das nächste Kappi kommt, können wir noch nicht sagen, denn das hier ist das letzte, was wir auf Vorrat hatten, das 10. is zwar schon angefangen, aber na ja... Genug gequatscht, wir gehen uns mal an die Arbeit machen. lg Kim & Jenny Kapitel 10 ---------- Inu Yasha fiel die Kinnlade runter, während sein Vater und sein Bruder sich besser im Griff hatten und lediglich die Unterkiefer anspannten. Wie hatte das passieren können? Wie hatte jemand die Prinzessinnen entführen können? Das war doch unmöglich! Das Schloss war gesichert! Und wo war die schlosseigene Armee gewesen? Die Soldaten hätten doch eigentlich mitkriegen müssen, dass eine fremde Armee ins Schloss eingedrungen war! Die Dienerschaft wird auch nicht einfach schweigend zugesehen haben und alle Diener hätten die fremden Soldaten unmöglich umbringen oder zumindest bewusstlos schlagen können, ohne dass wenigstens einer von denen angefangen hätte zu schreien. “Was bezweckst du mit der Entführung der Prinzessinnen?”, fragte der Fürst eisig. “Das sagte ich bereits: Ich möchte, dass ihr drei eine mehr oder weniger kleine Aufgabe meiner Wenigkeit bewältigt. Wenn ihr das schafft, werdet ihr eure Prinzessinnen zurück bekommen. Wenn nicht, wird die gesamte Fürstenfamilie ausgelöscht”, erwiderte die fremde, dunkle Gestalt. “Wer bist du?”, wollte Inu Yasha wissen. Ein eisiges Lachen war die Antwort. “Das werde ich euch sagen, wenn ihr die Aufgabe bewältigt habt. Falls ihr das überhaupt schaffen solltet, was ich arg bezweifle. Aber keine Sorge, die Prinzessinnen werden ihr Ende erst finden, wenn ihr tot seid. Oder es keine Rettung mehr für euch gibt. Das muss ich mir noch überlegen…” Wie auf ein Stichwort knackten der Inu no Taishou und seine Söhne mit den Fingern. “Ich lasse mich von euren Drohungen nicht beeindrucken, meine Herren. Ich habe euch in der Hand, ich bin der einzige, der weiß, wo die kleine Sora und die hübsche Hana sind. Wenn ihr mich umbringt, werden die beiden früher oder später auch sterben. Springt von der Klippe”, befahl die fremde Gestalt. Inu Yasha war der einzige, der einen flüchtigen Blick hinter sich warf. Er erkannte eine tiefe Klippe, unten brachen sich die Wellen nicht nur an dem Abhang, sondern auch an den spitz aus dem Wasser ragenden Felsen. Würden sie darunter springen und auch nur ein bisschen falsch aufkommen, würden sie sich mindestens schwere Verletzungen zuziehen, wenn sie nicht sogar sterben würden, weil sie ertranken oder sich das Genick brachen. War das etwa schon die ganze Aufgabe? Da runter springen und mit ein bisschen Glück und viel Geschick anschließend in einem Stück wieder hochkommen? Das wäre zu einfach, oder? Aber der Hanyou wusste nicht, wen oder was er vor sich hatte. Es wäre ja theoretisch möglich, dass dieser Verrückte gar nicht wusste, was die Fürstenfamilie so alles konnte. Oder es war noch eine Falle eingebaut. “Keine Sorge, ich werde euch nicht auf den Felsen sterben lassen. Ein bisschen Unterhaltung für mich muss doch auch dabei sein. Da unten befindet sich, wahrscheinlich unsichtbar für eure Augen, ein Portal. Springt hindurch und findet den Weg zurück. Das ist alles. Das müssten der ehrenwerte Fürst, sein übermächtiger Erbe und der Hanyou doch mit Leichtigkeit schaffen, oder nicht?” Der Spott in der vor Kälte verzerrten Stimme war nicht mal für menschliche Ohren zu überhören. Keiner der drei Erpressten konnte eine Lüge wahrnehmen, es musste also wirklich ein Portal geben. Könnten die drei durch die Augen ihres Gegners sehen, würden sie die Umgebung in ganz anderen Farben wahrnehmen. Orange bis rot, wo es warm war, grün bis blau, wo Kälte war. Und knapp über der blaugrünen Meeresoberfläche und den blauen Felsen schwebte ein schwarzer Wirbel, ein Wirbel ohne erkennbare Herkunft. Nicht mal der Fürst und der Erbprinz konnten die Magie des Wirbels wahrnehmen. Was würde sie erwarten, wenn sie durch dieses Portal springen würden? Wer versicherte ihnen überhaupt, dass da wirklich ein magischer Durchgang war und sie nicht einfach auf den Felsen aufschlagen würden? Dass sie zu dritt den ominösen Entführer locker besiegen könnten, war klar, aber es war nicht gesagt, dass er vorher noch verraten würde, wo Sora und Hana waren. Und bis die drei Herren sie gefunden hätten, konnten die Komplizen der vermummten Gestalt sie schon längst getötet haben. Denn dass der Gegner vor ihnen nicht als einziger an dieser Geschichte beteiligt war, war denkbar klar. Einer alleine konnte niemals so genau über die Vorgänge im Schloss bescheid wissen, die Drohbriefe schreiben, Sora angreifen und einfach verschwinden, eine Kampftruppe auf die Familie ansetzen, eine Armee ins Schloss eindringen und die Prinzessinnen entführen lassen und sie irgendwo versteckt halten. Es musste mindestens einen Verbündeten geben, der im Schloss lebte und gewusst hat, dass Sesshoumaru nach der Rückkehr ins Schloss nicht von Hanas Seite gewichen war und dass Sora in ihrem Zimmer eine Aufgabe ihres Lehrers erledigt hatte und diese Informationen nach außen dringen lassen konnte. Wie hatte das nur geschehen können? Ob es im Schloss noch Hinweise gab? Auf den Entführer, den Aufenthaltsort der Prinzessinnen, den Verräter oder auf sonst irgend etwas? Sie müssten diese Gestalt vor ihnen irgendwie überwältigen, aber nicht töten, um ihn dann ins Schloss zu bringen, für eventuelle Nachfragen. Aber wie sollten sie ihn ins Schloss bringen? Sie hatten keine Seile dabei, womit sie ihn hätten fesseln können. “Wieso willst du unbedingt, dass wir sterben? Willst du selbst die Herrschaft?”, fragte der Fürst. “Wie gesagt, das werdet ihr erst erfahren, wenn ihr meine Aufgabe bewältigt habt. Falls ihr das überleben solltet”, war die eisige Antwort. “Und wenn wir das überleben, wie wirst du dann versuchen, uns umzubringen?”, wollte Inu Yasha wissen. “Auch das erfahrt ihr, wenn ihr überleben solltet. Ich bin nicht so dumm, euch das jetzt schon zu verraten, auch wenn ich mir ziemlich sicher bin, dass ihr das nicht überleben werdet.” “Was sollte uns dazu bringen, dir zu glauben, dass wir Hana und Sora wohlbehalten zurückbekommen werden, wenn wir deine… Aufgabe gelöst haben?” “Ihr werdet euch wohl oder übel darauf einlassen müssen. Denn wenn nicht, werdet ihr die Prinzessinnen gar nicht mehr zurück bekommen. Und das verstößt gegen den Vertrag, der damals mit dem Fürst des Nordens geschlossen wurde, nicht wahr? Wenn Hana etwas zustoßen sollte, bevor sie einen Erben geboren hat, wird der Vertrag ungültig werden und der Norden den Krieg eröffnen, den der Westen zweifellos verlieren wird”, sagte die dunkle Gestalt. Hatte Hanas Vater etwas damit zu tun? Wollte er etwa mit allen Mitteln einen Kriegsgrund finden, um den Westen zu erobern und dabei nicht alleine dastehen zu müssen? Der Norden hatte viele Bündnisse mit anderen Gebieten, ebenso wie der Westen. Einige von diesen Bündnissen überschnitten sich. Wollte der Cousin des Taishou also einen Krieg anfangen und alle seine Bündnispartner auf seiner Seite haben, musste er einen Grund liefern, der die Partner dazu bewog, sich gegen den Westen zu stellen. Was wäre ein besserer Grund, als ein gebrochener Vertrag? Außerdem war bekannt, dass das westliche Fürstenhaus eine ungewöhnlich enge Familienbindung hatte. Der Fürst des Nordens war immer noch ein entfernter Verwandter, niemand würde so schnell Verdacht schöpfen, würde er behaupten, dass auch er sehr viel Wert auf die Familie legte, es nur nicht so zur Schau stellte wie sein Cousin und dass ihn der Tod seiner Tochter und seiner Enkelin sehr mitgenommen hatte, zumal er nie die Möglichkeit bekommen hatte, seine Enkeltochter kennen zu lernen. Aber wie war er an die Informationen aus dem Schloss gelangt? Hatte Hana ihm doch gehorcht und heimlich Informationen nach außen geschleust? Aber sie war bewusstlos, als sie von dem Überfall zurückgekehrt waren, sie hätte niemandem sagen können, dass ihr Gefährte die ganze Zeit an ihrer Seite gewesen war. Akemi war auch auszuschließen, sie war tot. Die Gedanken des Fürsten rasten. Was sollte er nun tun? Mit seinen Söhnen ins Ungewisse springen und vielleicht sterben? Oder aber versuchen diesen Verrückten gefangen zu nehmen und ins Schloss zu bringen, um da nach weiteren Hinweisen zu suchen und riskieren, dass seine Schwiegertochter und seine Enkelin starben? Er würde es sich nie verzeihen, wenn seinem aufgeweckten Enkelkind etwas zustieß, weil er sich nicht richtig entschieden hatte. Und seine Söhne… nun, Inu Yasha wäre zutiefst erschüttert, aber vielleicht objektiv genug, dass er es seinem Vater irgendwann verzeihen könnte, aber Sesshoumaru… er hat bereits nach dem Überfall, bei dem Hana glücklicherweise zur verletzt wurde, unter Beweis gestellt, dass er seinem Vater für solche Fehler die Schuld gab und das auch deutlich machte. Was also tun? Den Gegner vor ihnen in die Hand spielen und auf gut Glück von der Klippe springen, in der Hoffnung, dass wirklich ein Portal dort war, was sie zu einer Aufgabe bringen würde, oder aber die vermummte Gestalt überrumpeln, hoffen, dass im Schloss noch irgendwelche Hinweise waren und dass der oder die Komplizen Hana und Sora nichts antaten? “Wer sind deine Komplizen?”, fragte der Inu no Taishou. “Schon wieder eine Frage, die ich nicht jetzt beantworten werde”, kam es als Antwort. “Bist du wirklich der einzige, der weiß, wo die Prinzessinnen sind?”, wollte der Fürst als nächstes wissen. “Das sagte ich doch: Ja. Wenn die Herren mich also töten, werden die Schwiegertochter und die Enkelin der Hauses früher oder später ebenfalls sterben.” Gut, das war gut. Das war ein Pro-Punkt dafür, diese Gestalt ins Schloss zu verschleppen. Eine Lüge konnte der Taishou nicht ausmachen, das deutete darauf hin, dass der vermummte Mann vor ihnen wirklich als einziger wusste, wo Hana und Sora sich befanden und sein Komplize, beziehungsweise seine Komplizen die beiden nicht umbringen konnten. “Töten werden wir dich nicht”, sagte der Fürst so leise, dass sein Gegenüber ihn nicht hören konnten, seine Söhne aber schon. Er hoffte, dass die beiden verstehen würden, was ihr Vater ihnen sagen wollte. Sesshoumaru warf einen raschen Blick zu seinem Bruder, dessen Hand sich Millimeter für Millimeter Tessaigas Schwertgriff näherte. Es wäre dumm, mit Tessaiga anzugreifen. Der Gegner könnte zerfetzt werden und keine Antwort mehr abliefern. Vielleicht hatte Inu Yasha aber auch nur ein Ablenkungsmanöver geplant… Schade, dass man nicht auf Kommando die Gedanken des anderen hören konnte, das wäre in solchen Situationen wirklich hilfreich. “Mach dich bereit zu sterben”, knurrte der Hanyou und riss Tessaiga aus der Scheide. Als die schwarze Gestalt die breite Klinge sah, schluckte sie und überlegte, was sie tun sollte. Der Fürst und der Kronprinz bewegten sich keinen Millimeter, ihre goldenen Blicke waren eiskalt auf ihn gerichtet. Was sollte er nur tun? Sein Verstand sagte ihm, dass er dableiben müsste, dass er nicht getötet werden würde, weil Hana wichtig für den Frieden zwischen dem Westen und dem Norden war. Aber jede Faser seines Körpers wollte fliehen, sich umdrehen und einfach verschwinden. Der Körper siegte. Die schwarze Gestalt drehte sich um und lief, so schnell sie konnte. Im nächsten Moment wurde sie zu Boden geworfen, die Arme wurden ihr auf den Rücken gerissen. Kaum hatte der Feind sich umgedreht, hatte Inu Yasha sein Schwert fallen gelassen und war im selben Moment wie sein Bruder losgesprungen und nur einen Sekundenbruchteil nach diesem im Kreuz des Unbekannten gelandet. Die Prinzen zogen ihm die Arme nach hinten und machten sich das lange Gewand zunutze, indem sie die Ärmel zusammenknoteten und den Gefangenen dann nach oben rissen. “So, Freundchen, und jetzt sagst du uns, wo Sora und Hana sind, sonst ziehen wir hier ganz andere Seiten auf”, knurrte Inu Yasha. “Gar nichts werde ich sagen. Ihr werdet mich nicht töten, weil ihr die Prinzessinnen sonst nie wieder zurück bekommen werdet. Und es wäre doch schade um das gute Blut aus dem Norden, nicht wahr? Wer könnte dem Westen einen stärkeren Erben gebären, als Hana aus dem Norden?” Inu Yasha überließ die Gestalt seinem Bruder und sprang zu seinem Schwert, schob es in die Scheide an seiner Hüfte. Der Fürst hatte sich inzwischen genähert. Und zog der Gestalt die Kapuze vom Kopf. Weder er noch der Kronprinz ließen sich den leichten Schock anmerken. Ein solches Wesen hatten sie noch nie gesehen. Die Gestalt hatte keine Haare, die Haut war schwarz und sah aus wie bei einer Brandleiche, roch aber nicht danach. Die Augen glühten rot, ohne eine Pupille zu haben, ohne von weiß umrandet zu sein. Die Nase bestand lediglich aus zwei Löchern, die wegen der ungewöhnlichen Haut kaum zu erkennen waren. Ohren waren keine zu erkennen und als das Wesen spöttisch grinste, kamen zwei Reihen weiße, kleine Zähne zum Vorschein, die wie zurechtgefeilt aussahen. “Wir gehen zurück zum Schloss”, befahl der Fürst. Inu Yasha griff den Arm des Gefangenen, den sein Bruder nicht festhielt und so führten sie die Gestalt weg. Der Hanyou war versucht, ihm die Kapuze wieder über zu ziehen, dieses Gesicht sah wirklich Ekelerregend aus. Im Schloss angekommen brachten die Prinzen den Gefangenen umgehend in ein fensterloses Verlies. “Bleib hier und bewache ihn, nicht das er uns entwischt”, befahl der Kronprinz. Sein Bruder sah sich verwundert um. Erst jetzt fiel ihm auf, dass kein einziger Samurai in der Nähe war und er nickte etwas. Der Fürst hatte inzwischen festgestellt, dass sämtliche Wachen und Diener im Schloss bewusstlos dalagen, einige bluteten, andere nicht. Tot waren sie nicht, das würde er riechen. Vor der Treppe zum Privattrakt der Fürstenfamilie lagen vier Diener mit Kopfwunden. Sie mussten auf der Treppe niedergeschlagen und dann runter gestoßen worden sein, denn die deutlichsten Blutspuren waren auf der Treppe verteilt. Unzählige Füße hatten das Blut weit verteilt. So viele Füße, dass kein einzelner Fußabdruck mehr erkannt werden konnte. Der Taishou wandte sich nicht um, als er seinen Erben hinter sich hörte und dieser sagte nichts, sah sich einfach nur um. Wer war zu so etwas fähig? In der Luft lag ein Geruch von Schweiß, offensichtlich von den fremden Soldaten. Man konnte ihnen aber keine Rasse zuordnen. Wie war das möglich? Für gewöhnlich überdeckte Schweiß nicht den Eigengeruch. Der Prinz folgte seinem Vater nach oben. Die Spuren, die die Soldaten hinterlassen hatten, führten direkt in Sesshoumarus Arbeitszimmer und auch von der anderen Seite liefen solche Spuren auf das Zimmer zu. Hatten die fremden Soldaten gewusst, wo sie nach den Prinzessinnen suchen mussten? Woher? Oder hatten sie das Schloss doch abgesucht und es sah nur so aus, als wären sie direkt ins Arbeitszimmer gegangen? Als Vater und Sohn das Zimmer betraten, in dem Sora und Hana gewesen waren, hätten sie fast schlucken müssen. Es war deutlich, dass Hana sich und ihre Tochter verteidigt hatte. Ihr Schwert lag am Boden, die Klinge war blutverschmiert. Mit Hanas eigenem Blut. Papiere lagen überall am Boden, ein Tintenfass war an die Wand geworfen worden, der Schreibtisch war zerschlagen, das Fenster ebenfalls. “Myouga, was weißt du von dem Überfall?”, fragte der Inu no Taishou. Der kleine Flohgeist kroch aus dem Schulterfell seines Herrn. “Nicht allzu viel, oyakata-sama. Ich war auf dem Weg in Sesshoumaru-samas Arbeitszimmer, um Hana-hime eventuell zu helfen, als ich in der Eingangshalle etwas hörte. Eine Armee war in das Schloss eingedrungen. Ich sah nur, dass einige Diener auf der Treppe lagen und bluteten und bin dann so schnell ich konnte zu Hana-hime gelaufen, um sie zu warnen. Sie hat sich tapfer gewehrt, aber es waren einfach zu viele Soldaten. Als sie überwältigt wurde, bin ich sofort losgeeilt, um Euch davon zu berichten.” “Konntest du den Eindringlingen eine Rasse zuordnen?”, wollte der Fürst wissen. “Nein, oyakata-sama, vergebt mir.” Sesshoumaru ging zu einer Ecke herüber. Ein Papier erregte seine Aufmerksamkeit. Das war Soras Handschrift über einer beschrifteten Zeichnung, die sie wohl angefertigt hatte. Die Zeichnung zeigte wohl einen Soldaten. Aber einen solchen hatte der Kronprinz noch nie gesehen. Die Zeichnung und die Notizen am Rand verrieten, dass die Eindringlinge Rüstungen getragen hatten, die wie Fischschuppen aufgebaut waren. Aus Leder. Das Gesicht des gezeichneten Soldaten war schwarz, nur zwei Löcher hatte die Farbe, an der Stelle, wo wohl die Augen waren. Am Rand stand als Notiz “rote Augen”. “Schatten.” Der Fürst wandte sich von dem kaputten Fenster seinem Sohn zu. “Was meinst du?”, fragte er. Statt einer Erklärung reichte der Erbprinz seinem Vater. “Schatten… Du hast ein sehr kluges Kind, mein Sohn. Nicht jede achtjährige hätte in einer solchen Situation noch eine Zeichnung von einem der Feinde angefertigt. Noch dazu eine so genaue. Myouga, sahen so die Soldaten aus, die hier eingedrungen sind?”, fragte der Taishou. “Ja, oyakata-sama”, erwiderte der Floh. “Wie viele waren es?”, wollte Sesshoumaru wissen. “Ich kann es nicht genau sagen, Sesshoumaru-sama, vergebt mir. Es waren bestimmt mehr als 15, aber hier im Zimmer waren nur fünf. Hana-hime hat versucht, sie zu töten, aber sie hat es nicht geschafft, sie konnte sie nur von sich und Sora-hime fernhalten”, antwortete Myouga. Der Kronprinz bückte sich und hob das Schwert seiner Gefährtin auf und sah sich um. “Die Schwertscheide fehlt”, bemerkte er. Sein Vater sah sich kurz in dem Durcheinander um. Sein Sohn hatte recht. Die Schwertscheide war nirgends zu finden. “Sieh dich im Schloss um, ob du irgendwelche Spuren finden kannst oder irgendjemanden, den die Soldaten nicht außer Gefecht setzen konnten”, befahl der Herrscher. Sesshoumaru verneigte sich etwas, lehnte Hanas Schwert an die Wand neben der Tür und verließ das Zimmer. “Myouga, ist Hana schwer verletzt worden?”, fragte der Fürst, als die Tür hinter seinem Sohn zugefallen war. “Das kann ich nicht beurteilen, oyakata-sama. Einer der Soldaten hat sein Schwert fallen lassen und Hana-himes Hand so verdreht, dass ihr eigenes Schwert durch ihre Schulter getrieben wurde, vermutlich hat er ihr dabei auch das Handgelenk gebrochen. Und plötzlich ist sie in Ohnmacht gefallen”, berichtete Myouga. “Was ist mit Sora passiert? Wo ist die Schwertscheide?” “Sora-hime ist sofort zu ihrer Mutter gelaufen, sie hat geschrien, ist aber nicht verletzt worden. Ein Soldat hat sie gepackt und mitgenommen und ein anderer hat Hana-hime mitgenommen. Was mit der Schwertscheide geschehen ist, kann ich leider nicht sagen, oyakata-sama.” Sesshoumaru sah sich im Privattrakt um. Außerhalb des Ganges, in dem sein Arbeitszimmer lag, gab es keine Spuren der Soldaten, nur ein paar Diener lagen am Boden, bewusstlos, aber unverletzt. Sie waren wohl mitten bei der Arbeit umgefallen. Aber wie? Gift? Magie? Wenn es Magie war, war es keine, die Sesshoumaru kannte oder auch nur wahrnehmen konnte. Ein Gift konnte er nicht riechen. Der Prinz sah sich weiter um. Die Soldaten müssen entweder gewusst haben, wo sie die Prinzessinnen sich aufgehalten haben oder auf gut Glück gesucht haben. Dass sie es gewittert haben, war auszuschließen, denn dann wären sie zuerst in den Bereich der Gemächer eingedrungen, wo der Geruch am stärksten war, aber dann könnte der Erbe des Westens wittern, dass Hunde- oder Wolfsdämonen - oder eine andere Dämonenrasse mit gutem Riechvermögen - in das Schloss eingedrungen waren. Der Kronprinz stieß einen der Diener mit dem Fuß an, vielleicht würde der ja aufwachen. Nein, keine Chance, der war weggetreten. Also ging die Suche weiter. Vielleicht war ja doch jemand nicht bewusstlos und konnte sagen, was mit den Dienern und Samurai seines Vaters geschehen war, dass sie nicht mitbekommen haben und verhindern konnten, dass eine fremde Armee ins Schloss eingedrungen war und die Prinzessinnen entführt hatte. Inu Yasha war zu dem Gefangenen in die Zelle gegangen, die lediglich von drei Fackeln erhellt wurde. Die Gestalt war angekettet worden, sodass sie sich kaum bewegen, geschweige denn einen Fluchtversuch starten konnte. “Willst du mir immer noch nicht sagen, wo Hana und Sora sind?”, fragte der Hanyou. “Wenn ihr die Information habt, werdet ihr mich töten. Ich hänge aber an meinem Leben”, erwiderte der Unbekannte. Der jüngeren Prinzen entging das leichte Zittern in der Stimme des anderen nicht. Das war gut, er bekam Angst. Wenn Inu Yasha ihm genug Angst einjagen würde, würde er ausplaudern, wer hinter dieser ganzen Geschichte steckte und wo Hana und Sora waren. “Also gut, was ich dir jetzt sage, kann dir vielleicht dein Leben retten: Wenn du sagst, wer dich beauftragt hat, wer dir geholfen hat, wie du an die ganzen Informationen gelangt bist, lässt mein Vater dich vielleicht am Leben. Wenn Sesshoumaru den Ort findet, wo Hana und Sora überfallen wurden und dort auch nur ein einziger Spritzer Blut von den beiden ist, wird er dich besonders intensiv befragen. Und mit besonders intensiv meine ich besonders schmerzhaft für dich. Er schätzt es nämlich nicht besonders, wenn man ihm sein Eigentum wegnimmt. Ich frage dich jetzt ein letztes Mal: Wo sind die beiden? Und wer steckt hinter dieser Sache?” Aber der Gefangene schwieg beharrlich. Inu Yasha schüttelte leicht resigniert den Kopf. Sein Gegenüber hatte Angst, auch wenn er es geschickt verbergen konnte, aber trotzdem verriet er nicht, wer oder was er war, wo die Prinzessinnen waren und wieso er das Ganze getan hatte und immer noch tat. Hoffentlich würde Sesshoumaru mit seinen ganz eigenen Befragungsmethoden mehr erreichen. Der Jüngere wusste, dass er selbst zu wenig Erfahrung in Befragungen hatte, um zu wissen, wie man einen Gegner zum reden brachte. Vielleicht sollte er einfach mal seinem Bruder häufiger bei so etwas zusehen und lernen. Konnte ja nicht schaden. Aber eine Frage beschäftigte ihn momentan mehr als sein mangelnder Erfolg bei der Befragung: Wem war diese fremde Gestalt treu ergeben? So treu ergeben, dass der Unbekannte eher sterben würde, als seinen Herrn zu verraten? ________________________________________________________________ So, das war's auch schon wieder. Kommis wie immer gerne gesehen, Kritik und Lob gleichermaßen. Hoffentlich ist das mit den Leerzeilen in diesem Kapitel besser ist als vorher, sich keine grammatikalischen Fehler eingeschlichen haben und die Rechtschreibung auch in Ordnung ist. Jenny arbeitet schon am 11. Kappi, das wird also nicht wieder so lange brauchen, wie dieses hier. ^^ lg Hani & Jenny Kapitel 11 ---------- Sesshoumaru öffnete die Tür zum Zimmer des Heilers. Auch der lag bewusstlos auf dem Boden, mit dem Gesicht nach unten, sein Haar war am Hinterkopf blutverklebt. Der Erbprinz wollte den Heiler wie den Diener zuvor unsanft mit dem Fuß anstoßen, besann sich dann aber darauf, wie lange Amaru dem Fürstenhaus schon diente und stieß ihn etwas sanfter an. Der alte Dämon rührte sich tatsächlich. Seine Augenlider flatterten und öffneten sich schließlich. Wankend richtete er sich auf seine Knie auf und griff nach der Wunde an seinem Kopf. Dann entdeckte er die Schuhe desjenigen, der ihn geweckt hatte und neigte sich wieder tiefer. „Sesshoumaru-sama“, sagte er. „Was ist hier passiert?“, fragte der Kronprinz. „Ich... ich kann es Euch nicht genau sagen, Sesshoumaru-sama... Ich... habe etwas hinter mir gehört, aber noch bevor ich mich umdrehen konnte, wurde ich niedergeschlagen“, antwortete Amaru. Sesshoumaru sah sich in dem Raum um. Es war nichts durchwühlt worden. Wer immer den Heiler niedergeschlagen hatte, war nur deshalb in den Raum gekommen. „Schau dir die Diener an und versuche, sie zu wecken“, ordnete er an. Amaru neigte sich noch etwas tiefer. „Wie Ihr wünscht, Sesshoumaru-sama.“ Der Kronprinz verließ das Zimmer und der alte Dämon atmete etwas auf. Auch wenn er den Erben schon seit dessen Kindheit kannte und ein recht enger Vertrauter des Taishou war, fühlte er sich in der Gegenwart des jungen, kühlen Daiyoukai doch immer etwas unwohl. Dieser machte sich auf den Weg in die Privatgemächer der Familie. Vielleicht fand er dort Hinweise. Nachdem sie einige Zeit lang nichts mehr gehört hatte außer den unregelmäßigen und rasselnden Atemzügen ihrer Mutter, traute Sora sich, sich aufzusetzen. Die achtjährige sah sich um. Sie befand sich in einem Verlies, es stank nach Dreck und Verwesung und durch das kleine, vergitterte Fenster an der Decke fiel nur wenig Licht. Das Mädchen sah sich genauer um und entdeckte ihre Mutter am anderen Ende des Raums. Sie rührte sich nicht, nur ihr Brustkorb hob und senkte sich etwas. Sora stand auf und ging vorsichtig hinüber, achtsam, wo sie hintrat. Nicht, dass sie noch eine Falle auslöste oder so etwas. „Verehrte Mutter?“, fragte sie und war überrascht, wie kratzig ihre Stimme klang. Vorsichtig berührte die Kleine ihre Mutter, aber die regte sich immer noch nicht. Sora rüttelte sie etwas heftiger. „Wach doch auf! Bitte! Mama!“, sagte sie, aber Hana reagierte nicht. Ihre Tochter atmete heftiger. Was sollte sie denn nur tun? Ihr Vater, ihr Großvater und ihr Onkel waren sicherlich schon unterwegs, um sie zu suchen, aber was sollte sie bis dahin machen? Das Mädchen zog die Knie an, schlang ihre Arme darum und lehnte ihre Stirn gegen ihre Knie. Sie hatte keine Ahnung, wie schwer ihre Mutter verletzt war, sie hatte nur gesehen, dass dieser fremde Soldat, dieser Schatten, das Schwert durch die gleiche Stelle getrieben hatte, an der Hana erst einen Tag zuvor verletzt worden war und hatte auch gehört, dass etwas geknackt hatte. Die kleine Prinzessin merkte, dass sich ein Kloß in ihrem Hals bildete und ihre Augen anfingen zu brennen. Nein, sie durfte jetzt nicht weinen. Was, wenn ihr verehrter Vater sie so sehen würde? Er hätte sowieso lieber einen Sohn gehabt und schätzte es überhaupt nicht, dass seine Tochter so viel Zeit mit Inu Yasha verbrachte und sich einige Verhaltensweisen von ihm abgeschaut hatte, wenn er jetzt sehen würde, dass sie schon wieder weinte, würde sie ihn ganz verlieren. Sie musste sich überlegen, was sie jetzt tun musste. Als erstes sollte sie irgendwie ihrer Mutter helfen. Aber wie? Sie hatte doch keine Ahnung davon! Hana atmete noch, wenn auch schwach und unregelmäßig, die Wunde blutete nicht mehr, aber auf ihrer Stirn war kalter Schweiß. Sora sah sich um. Die Schwertscheide lag in der Ecke, die von ihr momentan am weitesten entfernt war. Ihre Mutter hatte ihr mal gesagt, dass Schwertscheiden von dämonischen Schwertern meistens auch sehr mächtig waren, weil die Klingen keine gewöhnlichen waren und darum gut bewacht werden mussten. Sie hatte auch gesagt, dass sie das Schwert von ihrer Mutter bekommen hatte und dass das hübsche, verschnörkelte Zeichen auf der Klinge ein Zeichen war, das Schutz versprach. Sesshoumarus Tochter stand auf und ging durch den Kellerraum, hob die Scheide auf und konzentrierte sich. In dieser Scheide ruhte Magie, soweit sie das beurteilen konnte. Zwar war sie nicht darauf geschult, Magie zu spüren und zu beurteilen, aber trotzdem merkte sie, dass diese Scheide nicht aus einfachem Holz bestand. „Bitte, pass auf meine Mama auf“, flüsterte das Kind und ging wieder zu ihrer Mutter, legte ihr die Scheide auf die Brust, kniete sich dann neben sie und betrachtete das blasse Gesicht. 'Bitte, wach auf', flehte sie innerlich. Sora wandte ihren Blick nach oben zu dem kleinen Fenster. Die Sonne hatte den Zenit bereits verlassen. Es kam dem kleinen Mädchen so vor, als wäre sie bereits seit einem Jahr in diesem Loch, dabei war es nicht mal ein Tag. Sie hatte sich immer unangreifbar gefühlt, als könnte ihr nichts etwas anhaben und als ob sie es mit allem aufnehmen könnte. Aber die letzten beiden Tage hatten ihr bewiesen, dass sie doch nur ein Kind war und dass sie nicht alles alleine schaffen konnte. Sie saß mit ihrer bewusstlosen Mutter in einem Kellerverlies, hatte keine Ahnung wer sie hier hingebracht hatte und warum und vor allem wusste sie nicht, wann, ob und wie sie hier raus kommen würde. Das Mädchen betrachtete die Wände, suchte nach einer Möglichkeit, nach oben zu klettern. Wenn sie an das Fenster kommen konnte, könnte sie vielleicht auch hinausklettern und Hilfe holen. Aber sie wollte auch ihre Mutter nicht alleine lassen. Sollte sie aufwachen und wäre ganz alleine, würde Hana bestimmt Angst bekommen... Nein, selbst wenn Sora hier raus kommen könnte, wollte sie lieber bei ihrer Mutter bleiben. Ihre Eltern hatten ihr am Vortag drei Mal das Leben gerettet. Hana bei dem Überfall und Sesshoumaru bei dem Attentat auf sie im Schloss. Jetzt würde die Prinzessin auf ihre Mutter aufpassen. Falls dieser Schatten zurückkommen sollte, würde Sora ihn unter allen Umständen von ihrer Mutter fernhalten. Der Taishou suchte das Schlossgelände nach irgendwelchen Spuren ab, Schleifspuren, Fußspuren, irgendwas. Dabei überlegte er fieberhaft, wer hinter der ganzen Sache stecken konnte. Wer hasste ihn so sehr, dass er seine Schwiegertochter und seine Enkeltochter entführte und wer weiß was mit ihnen anstellte und seine Söhne bedrohte? Hanas Vater? Der Fürst des Nordens war bösartig. Er hatte seine Tochter dazu anstiften wollen, für ihn zu spionieren. Steckte er jetzt auch hinter diesen hinterhältigen Anschlägen? Ging er soweit, seine eigene Tochter angreifen und verletzen zu lassen? Aber wie war er an die ganzen Informationen aus dem Schloss gekommen? Spielte Hana doch ein falsches Spiel und hatte doch mehr Kontakt zu ihrem Vater als sie zugab? Immerhin hatte sie gewusst, dass Sesshoumaru die ganze Zeit in ihrem Gemach gewesen war. Und sie war die erste gewesen, die diese Elite-Kampftruppe bemerkt und einen Angreifer abgewehrt hatte. Nein, Hana würde er das nicht zutrauen. Niemals. Sie würde nicht ihr eigenes Kind gefährden. Und sich das Handgelenk brechen und die kaum verheilte Wunde wieder aufreißen zu lassen, anstatt sich einfach bewusstlos schlagen zu lassen, war dumm und dumm waren weder Hana noch ihr Vater. Aber wer dann? Hatte der werte Cousin des Taishou es geschafft, einen Diener in das Schloss des Westens einzuschleusen? „Bokuseno“, sagte der Herr der Hunde. In dem Baum neben ihm erschien das Gesicht eines alten Mannes. „Oyakata-sama“, sagte der alte Baumgeist. „Was kann ich für Euch tun?“ Ja, was wollte der Fürst hier überhaupt? Er hatte gar nicht bemerkt, dass er eine so weite Gegend um sein Schloss schon abgesucht hatte... „Kanntest du Hanas Mutter?“, fragte er dann plötzlich. „Hanas Mutter? Ja, sie war mir bekannt“, erwiderte Bokuseno. „Ist die Schwertscheide von Hanas Schwert aus deinem Holz gefertigt?“ „Ja. Darf ich fragen, warum Ihr das fragt?“ „Das erkläre ich dir ein andermal. Was für Fähigkeiten hat diese Schwertscheide?“ „Hanas Mutter hatte das Schwert vor langer Zeit schmieden lassen, schon bevor sie den Fürst des Nordens geehelicht hat. Dieses Schwert hat schützende Fähigkeiten, ähnlich wie die Zwillingsklingen. Ich weiß nicht, wie Hana mit diesem Schwert umgeht, aber ihre Mutter konnte damit effektive Bannkreise erschaffen und auch sonst ist die Klinge mit Magie angefüllt. Die Schwertscheide muss diese Magie zurückhalten können, ist daher ebenfalls magisch“, erklärte der Baumgeist. Der Stolz darüber, dass die Schwertscheiden, die aus seinem Holz geschnitzt waren, so besonders waren, konnte er nicht aus seiner Stimme verbannen. „Kann die Schwertscheide Bannkreise beschwören und denjenigen beschützen, der sie bei sich hat?“, fragte der Taishou. „Die Schwertscheide kann genau wie die Schwertscheiden von Tessaiga und Tenseiga ihren Träger beschützen. Dieser Schutz ist zugegebenermaßen nicht so mächtig wie der des Schwertes selbst, aber doch recht beachtlich.“ „Gut. Ich werde dich in ein paar Tagen wieder mal besuchen.“ „Oyakata-sama, darf ich Euch etwas sagen?“, fragte der alte Baumgeist. Der Fürst wusste, dass jetzt ein Hinweis erfolgen würde und es war unhöflich, seinen Herrn auf etwas hinzuweisen. „Sprich.“ „Die Armee, die Euer Schloss überfallen und Eure Schwiegertochter und Eure Enkeltochter entführt hat, ist in nördlicher Richtung unterwegs.“ Die Augen des Taishou weiteten sich unmerklich. „Woher weißt du das?“ „Diese Soldaten können ihre Spuren vielleicht vor exzellenten Nasen verbergen, aber sie können nicht verhindern, dass die Bäume sie sehen“, erklärte Bokuseno. „Danke.“ Damit war der Fürst verschwunden. Inu Yasha sah auf, als sein Bruder das Verlies betrat. Die schwarze Gestalt straffte sich unmerklich, als sie den Kronprinzen entdeckte. Sie hatte dem Hanyou nichts darüber gesagt, warum er gegen das Westreich intrigiert hatte und dabei würde es auch bleiben. Sollte Sesshoumaru doch mit ihm machen was er wollte. „Er hat nicht geredet“, sagte Inu Yasha. „Noch nicht“, erwiderte sein Halbbruder und schlug zu. Die Gestalt keuchte unwillkürlich auf, als die Faust sich in seine Magengrube bohrte. „Wo sind sie?“, knurrte Sesshoumaru. „Ich... werde nichts sagen!“ Der nächste Schlag traf den Brustkorb und mindestens zwei Rippen gaben nach. „Ihr werdet mich nicht töten. Sonst seht ihr die Prinzessinnen nie wieder!“, zischte die Gestalt. „Da wäre ich mir nicht so sicher.“ Die nächsten Rippen knackten, als die Faust des Erbprinzen sie traf. Inu Yasha beobachtete seinen Bruder. Das Gesicht wurde verschont. Würde Sesshoumaru der Gestalt den Kiefer brechen, würde das Sprechen schwer fallen. Als der Taishou kurze Zeit später das Verlies betrat, war sein Erbe dazu übergegangen, den Gefangenen mit seinem Gift zu malträtieren, nachdem er ihm schon mit seiner Energiepeitsche zugesetzt hatte. Die Gestalt gab noch immer Wiederworte und weigerte sich, etwas zu verraten. Sesshoumaru drehte sich um und verneigte sich etwas, als er seinen Vater bemerkte, auch Inu Yasha neigte sich vor. „Töte ihn“, sagte der Fürst. „Das könnt... ihr nicht! Dann erfahrt ihr nie... was mit den beiden Prinzessinnen... geschehen ist und verurteilt... sie damit auch... zum Tod!“, keuchte die schwarze Gestalt. „Falsch, wir wissen auch so, wo sie sind“, war die kalte Antwort. Sesshoumaru und Inu Yasha wagten es nicht, zu ihrem Vater aufzusehen. Besonders vor Feinden – und seien sie auch ihre Gefangenen und dem Tod recht nahe – musste die höfische Etikette gewahrt werden. Sonst könnte sich noch herumsprechen, dass der Westen in Ausnahmesituationen ihre Erziehung vergaß. Trotzdem hätten beide Prinzen nur zu gerne erfahren, was ihr Vater meinte. Hatte er wirklich herausgefunden, wo Hana und Sora waren? Oder war das eine Finte, um den Gefangenen zum Reden zu bringen? „Niemals! Das ist eine Lüge! Ihr könnt sie nicht gefunden haben, sie sind viel zu gut versteckt!“, schrie die schwarze Gestalt und sackte in sich zusammen, so weit die Fesseln das zuließen. „Ich pflege stets die Wahrheit zu sagen. Wir wissen, wo die beiden sind, wir haben also keinen Grund mehr, dich am Leben zu lassen“, erwiderte der Fürst ruhig. „Ach nein?“ Das klang nicht so selbstsicher, wie es sollte. „Sesshoumaru, töte ihn.“ Der Erbprinz neigte sich etwas tiefer und wandte sich dann der Gestalt zu. Die zuckte zurück, als er die Finger knacken hörte. „Nein, wartet, ich erzähle alles!“, brachte sie heraus. „Was willst du uns erzählen? Was wir schon wissen?“, fragte der Fürst. „Nein! Nein, ich werde alles sagen, was Ihr von mir hören wollt!“ „Fein. Sesshoumaru, du kommst mit mir. Inu Yasha, du hörst dir an, was er zu sagen hat. Und wenn es nichts wichtiges ist, bring ihn um“, ordnete der Taishou an. Seine Söhne verneigten sich kurz und das Familienoberhaupt verließ das Gefängnis, gefolgt von seinem Erben. Inu Yasha wandte sich dann dem Gefangenen zu, der tief durchatmete. „Ich hoffe wirklich, dass du mir etwas Interessantes zu sagen hast. Auch wenn ich dir zu gerne den Hals umdrehen will“, meinte der Hanyou. „Ich... ich werde sagen, wer mich beauftragt hat und was er vorhat“, beteuerte die Gestalt eilig. „Dann leg los und red nicht so lange drum herum!“ „Bokuseno hat erzählt, dass Hana und Sora in Richtung Norden verschleppt wurden“, sagte der Fürst. Richtung Norden? Zum Reich von Hanas Vater? Steckte er wirklich dahinter? Der Erbprinz spannte seine Hand etwas an. Sollte sein Schwiegervater wirklich so weit gegangen sein, seine eigene Tochter und seine Enkeltochter in Lebensgefahr zu bringen? Warum? Damit der Vertrag gebrochen wurde und er einen Grund hatte, einen Krieg zu eröffnen? War er wirklich so wild hinter den westlichen Ländereien her? Der Fürst blieb stehen und ließ sein Youki aufflammen, sein Sohn tat es ihm unverzüglich gleich. In ihrer wahren Gestalt waren sie schneller, auch wenn sie aufpassen mussten, weil sie Hinweise so leichter übersehen konnten. Durch die Schwertscheide waren Hana und Sora zwar etwas geschützt, aber auch nur, wenn sie sie bei sich hatten. Aber wieso hätten die Soldaten die Schwertscheide mitnehmen sollen? Im Arbeitszimmer war sie nicht und Hana hatte wohl kaum nur das Schwert bei sich gehabt. Die beiden riesigen Hunde sprangen über die Baumkronen und flogen über den Wald. Wenn die Prinzessinnen irgendwo im Wald gefangen gehalten werden würden, hätte Bokuseno das gewusst und es dem Fürsten auch mitgeteilt. Also war anzunehmen, dass die Soldaten sie aus dem Wald raus gebracht hatten. Sora wanderte durch die kleine Gefängniszelle und sah sich genau um. Vielleicht fand sie ja einen Weg, wie man hier raus kommen konnte. Wenn ihre Mutter aufwachen würde, könnte die Kleine dann mit ihr zusammen fliehen. Wie waren sie hier überhaupt reingekommen? Sora wusste es nicht. Sie hatte ihre Augen die ganze Zeit zugekniffen und keinen Ton von sich gegeben. Wer wusste denn schon, was diese Soldaten sonst mit ihr gemacht hätten? Sie hatte nur gemerkt, dass sie auf einmal abgesetzt worden war. Dann war eine Tür zugefallen und es war totenstill geworden, wenn man von dem Atmen ihrer Mutter absah. Aber das Mädchen konnte keine Tür finden. Sie strich mit der Hand über die Wand, da das Licht schon weniger wurde. Nichts. Da war nur die glatte, steinerne Wand. Wo war die Tür nur hin? Oder hatte das Kind sich das doch nur eingebildet? War sie etwa bewusstlos geworden und hatte geträumt, dass sie eine Tür zugeschlagen gehört hat? Waren sie und ihre Mutter in Wirklichkeit durch das Fenster in der Decke einfach runter geworfen worden? Nein, dann müsste Sora Schmerzen haben. Die Decke war recht hoch und der Boden hart, aber ihr ging es soweit ganz gut. Es war kalt und feucht um sie herum, doch Schrammen oder Knochenbrüche hatte sie nicht. Was jedoch mit ihrer Mutter war, konnte sie nicht sagen. Sie atmete noch immer rasselnd und unregelmäßig, war noch immer bewusstlos und schweißnass. Die Achtjährige seufzte leise und setzte sich wieder neben Hana, rieb sich etwas die Arme. Sie wurde müde und fing auch noch an zu frieren. Das kleine Mädchen rollte sich an der Seite ihrer Mutter zusammen und legte ihren Kopf auf deren Schulter. Natürlich auf die unverletzte Schulter. Hana war warm. Sie war zu warm. Bekam sie etwa Fieber? Sora schmiegte sich enger an sie. „Bitte, wach wieder auf, Mama“, flüsterte sie und schloss selbst die Augen. Sie war auf einmal so müde! „Na los, fang an zu erzählen!“, forderte Inu Yasha zum wiederholten Mal. „Bitte, erst die Fesseln lösen!“, erwiderte die Gestalt. „Du bist nicht in der Lage, Forderungen zu stellen. Ich bin aber in der Lage, dich zu töten. Und auch wenn ich darin nicht so viel Einfallsreichtum wie mein Bruder oder mein verehrter Vater habe, kann ich dich doch ganz schön quälen“, knurrte der Hanyou. „Du wolltest doch deinen Hals retten, indem du uns Informationen gibst. Los, fang an, sonst dreh ich dir den Hals um.“ „Gut. Aber danach... könntet Ihr doch meine Fesseln lösen, oder?“ „Das kommt drauf an, ob du dann überhaupt noch Körperteile hast, an die man Fesseln anlegen kann!“ „Schon gut, Verzeihung. Ich werde euch alles sagen, was Ihr wissen wollt.“ „Wer hat dich beauftragt?“ „Mein Herr, der Häuptling unseres Stammes“, erwiderte die Gestalt. „Und warum?“ „Das hat mein Herr mir nicht genau gesagt. Er sagte nur, es ginge um die Zukunft unseres Stammes und dass uns jemand Besserung versprochen hätte.“ „Wer?“ „Es... es tut mir leid, Inu Yasha-sama, aber das weiß ich wirklich nicht, es wurde mir nicht gesagt. Ich habe doch nur die Befehle meines Herrn ausgeführt.“ „Woher hattet ihr die ganzen Informationen aus unserem Schloss? Wer hat sie euch gegeben?“ „Das... das weiß ich nicht... Ich... mir wurde nur gesagt, was ich in die Drohbriefe schreiben sollte. Ich... ich denke, dass jemand... aus dem Schloss... es war, der meinem Volk Besserung versprochen hat... wir... wir haben doch kaum etwas, wie hätte unser Häuptling da ablehnen können?“ Die Gestalt verspannte sich und stöhnte gleich darauf vor Schmerzen auf. War eine seiner Rippen überhaupt noch nicht gebrochen? „Von was für einem Volk reden wir hier überhaupt? Was bist du?“, fragte Inu Yasha. „Ich bin die rechte Hand meines Herrn, meines Häuptlings. Ich... ich bin ein Schattendämon.“ „Schattendämon?“ „Es verwundert mich nicht, dass Ihr noch nichts von uns gehört habt. Es gibt nur noch unseren Stamm und der ist sehr klein.“ „Das rechtfertigt noch lange nicht, dass ihr uns angreift, dass ihr meine Schwägerin und vor allem meine Nichte entführt! Sie ist noch ein Kind! Egal wie schlecht es euch auch gehen mag, es gibt euch noch lange nicht das Recht, euch an Kindern zu vergreifen!“ Die dunkle Gestalt schwieg. „Wenn ihr Sora oder Hana auch nur ein Haar gekrümmt habt, wird es euch bald gar nicht mehr geben!“ Der Gefangene schluckte. „Wir haben den beiden nichts getan, wir haben sie nur entführt und versteckt. Es geht ihnen ganz sicher gut, wenn ihr sie findet.“ „Wieso seid ihr eigentlich auf den hirnrissigen Vorschlag eingegangen, uns zu erpressen, zu bedrohen und anzugreifen? Ihr hättet auch einfach zu meinem Vater kommen und ihn um Hilfe bitten können! Aber das könnt ihr jetzt wohl vergessen. Ihr werdet mindestens Hana verletzt haben, um sie und Sora aus dem Schloss zu bekommen!“ Der Schattendämon schwieg kurz und sah zu Boden. „Ich führe nur Befehle aus, ich hinterfrage sie nicht.“ Inu Yasha schnaubte. Hoffentlich fanden sein Vater und sein Bruder die beiden Prinzessinnen schnell. „Wenn du Glück hast, wird mein Vater befehlen, dich schnell zu töten. Wenn du Pech hast, ist er sehr schlecht gelaunt und überlässt es Sesshoumaru, wie du sterben wirst.“ „Aber... ich habe doch alles gesagt!“ „Na und? Du hast bei der Entführung geholfen, du hast die Drohbriefe geschrieben, unser Hauptmann und eine unserer besten Kriegerinnen sind deswegen gestorben. Meinst du, dass das alles vergeben und vergessen ist, weil du dazu gestanden hast?“ Der Gefangene sackte in sich zusammen. „Aber... bitte, verschont mein Volk!“ Der Hanyou wandte sich ab und verließ die Gefängniszelle. Er sollte mal Myouga suchen und ihn fragen, was er über die Schattendämonen wusste. Wo ihr Gebiet lag, wie viele sie waren, alles. Vielleicht fand man auch so heraus, wer diesen Stamm angestiftet hatte. Dann bliebe nur noch die Frage, wer aus dem Schloss Informationen nach außen sickern ließ... _____________________________________________________________________________ Wenn wir jetzt versprechen, dass das nächste Kapitel schneller kommt, glaubt ihr uns sowieso nicht mehr. Daher versprechen wir nur, dass wir die Story niemals ganz abbrechen, sondern immer weiter machen. ^^ lg Jenny & Hani Kapitel 12 ---------- Myouga sprang aufgeregt vor dem jüngeren Prinzen her in das Zimmer, in dem die Lehrer die Materialien für den Unterricht aufbewahrten. Der Lehrer für Rassenkunde hätte ihnen sicherlich sagen können, wo er die Informationen zu den Kagé-Youkai, den Schattendämonen, gelagert hatte oder ihnen sogar selbst die Antworten geben können, die sie brauchten, aber die Lehrer waren wie alle Dämonen und Menschen im Schloss noch immer bewusstlos. Inu Yasha würde zwar interessieren, was so viele Diener und Soldaten auf einen Schlag außer Gefecht setzen konnte, aber diese Frage musste erst einmal warten, bis jemand wach wurde und wusste, was passiert war. Der kleine Flohdämon sprang in ein Regal auf eine Schriftrolle und bemühte sich, sie herauszuschieben. Der Halbdämon half nach und nahm das gerollte Papier. „Meinst du, da steht was brauchbares drin oder möchtest du noch ein paar weitere Schriftrollen mitnehmen?“, fragte er. „Nehmt diese drei Rollen auch noch mit, Inu Yasha-sama, ich kann leider nicht mit Sicherheit sagen, in welcher Rolle etwas Brauchbares über die Kagé-Youkai steht und ob überhaupt etwas darin steht, was nützlich sein könnte“, erwiderte der Berater des Taishou und sprang auf die Schulter des Prinzen. „Du hast auch noch nie etwas über die Schattendämonen gehört, oder Onkelchen?“ „Doch, bestimmt, aber wenn es stimmt, was Euer Gefangener sagte, und es nur noch diesen einen, kleinen Stamm gibt, dann werden diese Dämonen einfach in Vergessenheit geraten sein...“ „Und wenn es doch noch mehr von ihnen gibt?“ Inu Yasha ging mit den Pergamentrollen zu einem großen Tisch, an den die Lehrer sich setzten, um ihren Unterricht zu planen. „Dann leben sie entweder sehr versteckt oder nicht in den westlichen Ländereien, sodass sie nicht in den Zuständigkeitsbereich des verehrten Inu no Taishou fallen.“ Myouga lief über die erste Schriftrolle, die der Prinz auf dem Tisch ausgerollt hatte und las. Kagé-Youkai entstanden ursprünglich aus den Schatten, die Dämonenkriege auf die Seelen der Menschen warfen. Zu kriegerischen, dunklen Zeiten blüht ihre Rasse auf, aber in friedlicheren Zeiten ist ihre Sterberate hoch. Heute leben sie in einem kleinen Gebiet im Reich des Westens an der Grenze zum Reich des Nordens und zum Reich des Ostens, ihre Zahl liegt bei etwa 600. Sie kämpfen mit ihrer Fähigkeit das Negative im Geist zu stärken und die Aufmerksamkeit und Entschlossenheit des Gegners zu schwächen. In der Regel leben sie für sich und erregen kaum Aufmerksamkeit und provozieren auch keine Kriege. Vermutlich vor Allem, weil sie gegen kaum einen Clan bestehen könnten und ausgelöscht werden würden. „Wie alt ist dieses Dokument?“, fragte Inu Yasha. „Soweit ich weiß hat der Lehrer für Rassenkunde die Daten aktualisiert, als der Herr ihn an den Hof befohlen hat, um Sora-hime zu unterrichten, also vor etwa drei Jahren“, antwortete Myouga. Im Rest des Dokumentes stand etwas über die politische Ordnung der Kagé-Youkai; dass sie in Stämmen lebten, die von Häuptlingen geführt wurden und dass die Häuptlinge nicht durch das Geburtsrecht an die Macht kamen, sondern sich in Duellen maßen und der Stärkste dann für den Rest seines Lebens Häuptling war. Jeder Häuptling wurde von einem Rat beraten, der aus sechs Männern bestand, die der Stamm wählte. Dieser Rat wählte einen Vorsitzenden, der die rechte Hand des Häuptlings wurde. Und eine solche rechte Hand befand sich nun in der Gefangenschaft des Westens, weil der Häuptling dumm genug war, auf die Versprechen eines noch unbekannten Spinners reinzufallen. Inu Yasha überflog auch die anderen Schriftrollen, in denen aber nur etwas über Sitten, Bräuche und Regeln der Schattendämonen stand, was momentan zweitrangig war. Aber die Schriftstücke ließ er vorsichtshalber auf dem Tisch liegen, das mit den nützlichen Informationen nahm er mit, um sie auf den Schreibtisch seines Vaters zu legen. Wenn dieser und Sesshoumaru zurückkehren würden und für Hana und Sora gesorgt war, würde es schließlich eine Krisensitzung geben, so wie er seinen Vater kannte. Der jüngere Prinz würde ganz gerne wissen, woher der Fürst auf einmal wusste, wo Hana und Sora versteckt gehalten wurden, konnte aber nur hoffen, dass er es erfahren würde und musste bis dahin mit Spekulationen leben. Hatte der Herr der Hunde vielleicht Hinweise im Wald oder im Schloss gefunden oder gar einen der fremden Soldaten? „Was... Darf ich fragen, was Ihr jetzt tun wollt, Inu Yasha-sama?“, fragte der kleine Floh. „Du hättest auch einfach fragen können, ob es für dich einen Grund gibt, zu verschwinden.“ Myouga schnappte nach Luft und stammelte ein paar unverständliche Worte. Inu Yasha hob die Hand. „Schon gut. Mittlerweile kenne ich dich ja, Onkelchen. Ich habe zwar eine ziemliche Lust, diese Kagé-Youkai zu suchen und den Häuptling zu verprügeln, bis er mir sagt, wer ihn angestiftet hat und wer ihm die ganzen Informationen zugespielt hat, aber ich werde gehorsam auf Befehle warten. Kein Grund also, das Weite zu suchen.“ Der Prinz ging in das Arbeitszimmer des Taishou und legte die Schriftrolle auf den Schreibtisch. Er sah aus dem Fenster. Die Sonne ging unter. Seine Gedanken wanderten zu seiner Nichte und seiner Schwägerin. Hoffentlich ging es den beiden gut. Besonders Sora. Der Halbdämon hatte erst am Vortag festgestellt, dass sein Bruder wirklich... gereizt... reagierte, wenn seine Tochter nur in Gefahr geriet, nicht auszudenken, in was für einer Stimmung er wäre, wenn Sora verletzt wäre. Inu Yasha verließ das Zimmer und lief durch das Schloss. Irgendwie musste er sich ja ablenken und beschäftigen, um nicht verrückt zu werden, warum also nicht nachsehen, ob er jemanden finden konnte, der wach war und ihm sagen konnte, was genau passiert war und wie eine gesamte Schlossbelegschaft außer Gefecht gesetzt werden konnte? Der Fürst und sein älterer Sohn entdeckten das kleine, vergitterte Loch im Boden gleichzeitig und verwandelten sich zurück noch bevor sie den Boden berührten. Schon aus der Ferne erkannten sie, dass sie das Gefängnis von zumindest einer der Prinzessinnen erreicht hatten, der Geruch von Hanas Blut lag in der Luft. Als sie durch das Gitter sahen, waren sie im Stillen dankbar, dass der Vollmond schien. Youkai hatten ausgezeichnete Augen, aber selbst sie brauchten ein kleines bisschen Licht, um etwas erkennen zu können. Sie sahen Hana am Boden des Kellerlochs, links neben ihr war ein kleines Bündel. War das Sora? War sie verletzt? Vater und Sohn sahen sich um und prüften die Luft, lauschten auf ihre Instinkte. In der Nähe nahmen sie Magie wahr, aber sonst nichts, abgesehen von den Gerüchen, die aus diesem Loch drangen. „Hana? Sora?“, rief der Fürst. Das Bündel neben Hana rührte sich etwas, das Kind hob schwach den Kopf. Als sie ihren Großvater und ihren Vater erkannte, war sie schlagartig hellwach und sprang auf. „Vater! Großvater!“, rief sie erleichtert. „Ihr müsst Mama helfen! Sie wacht nicht auf, ihre Wunde an der Schulter, ihre Hand, sie hat Fieber und atmet kaum noch!“ „Sora-chan, ganz ruhig, wir sind ja jetzt da. Wie seid ihr da rein gekommen?“, fragte der Taishou. „Ich... ich weiß es nicht. Wir sind aber nicht hier rein geworfen worden“, erwiderte seine Enkelin panisch. „Sora, du musst jetzt genau nachdenken, an was du dich erinnern kannst und uns alles sagen, damit wir euch da raus holen können.“ Der Fürst sprach ruhig, auch wenn er am liebsten einfach das Gitter rausgerissen und das Fenster vergrößert hätte, was aber zu gefährlich war. Hana und Sora könnten von den fallenden Trümmern getroffen werden. „Wir... wir wurden den ganzen Weg über getragen, aber ich hatte die Augen zugekniffen... Dann war da auf einmal dieser Gestank von diesem Raum und wir wurden abgesetzt. Ich hab eine Tür zufallen gehört, aber als ich vorhin nachgesehen habe, war keine da, hier ist keine Tür“, sagte das Mädchen und wischte sich über die Augen, in denen sich Tränen sammelten. „Ganz ruhig, meine Kleine, wir holen euch da so schnell wie möglich raus“, antwortete ihr Großvater und zog sich etwas von dem Loch zurück. „Ich suche nach dem Eingang, du bleibst hier. Sprich mit ihr, um sie zu beruhigen.“ Sein Sohn neigte etwas den Kopf und wandte sich wieder dem Gefängnis zu, während der Taishou aufstand und die Quelle der Magie suchte. „Nicht weggehen!“, rief Sora. „Nein, ich bleib hier“, versprach ihr Vater. Was sollte er nur mit einer verängstigten Achtjährigen reden? „Es tut mir leid, dass ich in letzter Zeit so ungehorsam war und mich falsch verhalten habe“, sagte seine Tochter. „Ist schon gut, Sora.“ „Ich will doch nur, dass Ihr stolz auf mich seid, chichi-ue.“ Die Kleine wischte sich wieder über ihr Gesicht. „Sora-chan, ich bin stolz auf dich. Als deine Mutter gekämpft hat, warst du so klug, diese Soldaten zu zeichnen, um uns zu helfen, euch zu finden“, sagte Sesshoumaru. Seine Augen verengten sich etwas, als er das Gesicht seiner Tochter genauer betrachtete. Sie hatte Blut an den Wangen. „Bist du verletzt?“ „Nein, mir geht es gut. Aber haha-ue... sie... ich...“ „Schon gut, wir holen euch gleich da raus. Es wird alles wieder in Ordnung kommen.“ Der Erbprinz warf einen Blick zu seinem Vater, der ein ganzes Stück weit weg war. Zu weit, als dass er genau erkennen könnte, was das Familienoberhaupt da tat. „Ich hab Angst“, sagte Sora. „Ich weiß. Ganz ruhig, wir holen euch gleich da raus und bringen euch nach Hause. Amaru kümmert sich dann um deine Mutter und du kannst dich aufwärmen und ausruhen“, erwiderte Sesshoumaru. Seine Tochter nickte tapfer und sah mit großen, wässrigen Augen zu ihm auf. „Sora, ist die Schwertscheide deiner Mutter bei euch?“ „Ja... Ich habe sie auf haha-ue gelegt, damit sie auf sie aufpasst.“ „Wie bist du auf die Idee gekommen?“ „Haha-ue sagte mir mal, dass die Schwertscheide auch magisch ist. Ich dachte, dass es vielleicht hilft.“ Hat deine Mutter dir auch gesagt, dass du die Schwertscheide mitnehmen sollst?“, fragte der Erbprinz weiter. „Nein, als mich dieser Mann gepackt hat, wollte ich mich irgendwo festhalten und hab dabei die Schwertscheide zu fassen bekommen“, erklärte Sora. „Sesshoumaru!“, rief da der Fürst und winkte seinen Sohn zu sich. „Nicht weggehen!“, bat die eingesperrte Prinzessin. „Sora-chan, ich bin gleich bei dir, ich lass dich nicht alleine hier, versprochen“, sagte ihr Vater. Das Mädchen nickte etwas. Sesshoumaru stand auf und lief zu seinem Vater. Der hatte einen Bannkreis im Boden gefunden, der einen Weg nach unten verbarg und ihn gelöst. Die beiden Herren liefen den Weg nach unten entlang und folgten dem Gang, bis sie zu einer Sackgasse kamen. Ein weiterer Bannkreis, den der Taishou mit seinem einfachen, dämonischen Schwert lösen konnte. Eine Tür kam zum Vorschein. „Sora, weg von der Tür!“, rief der Fürst und gab seinem Sohn einen Wink, dass er die Tür eintreten sollte. Sein Erbe schätzte die Tür kurz ab. Er wollte sie nur aufbekommen, nicht durch den Kellerraum befördern und seine Tochter oder seine Frau womöglich verletzen. Der Tritt war präzise und die schwere Holztür gab nach. Vater und Sohn liefen sofort in das Verlies und ließen sich neben Hana nieder, hinter der Sora sich in Deckung gebracht hatte. Die Kleine sprang ihrem Vater in die Arme und der passte auf, dass sie sich nicht verletzte, während sein Vater an Hanas Hals fasste. Ihr Herz schlug noch, aber schwach. „Sie ist vergiftet worden“, sagte der Fürst. Seine Enkelin klammerte sich fester an ihren Vater und sah ängstlich zu ihrer Mutter. „Muss sie...?“ „Wir bringen sie nach Hause“, erwiderte Sesshoumaru und wie am Vortag hob der Taishou seine Schwiegertochter hoch, während das jüngste Familienmitglied, sich so fest an den Erbprinzen krallte, dass ihre noch kindlichen Krallen sich in seine Schultern bohrten. „Amaru-san, du bist ja wach“, meinte Inu Yasha überrascht, als er das Heilerzimmer betrat. Er hatte sich vorgenommen, den Heiler mit allen Mitteln zu wecken, damit er sich sofort um Sora und Hana kümmern konnte. „Ja, Inu Yasha-sama, Sesshoumaru-sama weckte mich vor geraumer Zeit“, sagte Amaru mit einer leichten Verneigung. „Er... Niemand sonst im Schloss hat sich wecken lassen. Weißt du, was hier vorgeht?“ „Ich... ich kann es mir mittlerweile denken, Inu Yasha-sama. Ein äußerst mächtiger Schockzauber muss hier gewirkt haben. Ich wurde allerdings durch einen Schlag auf den Kopf außer Gefecht gesetzt, warum auch immer. Daher habe ich euch auf den Weckversuch von Sesshoumaru-sama reagiert, im Gegensatz zu den anderen Dienern des Schlosses“, berichtete der Dämon. „Kannst du die anderen aufwecken?“, fragte der jüngere Prinz. „Ich bin dabei, einen Trank zuzubereiten“, erwiderte Amaru. „Gut“, sagte Inu Yasha nur und verließ das Zimmer. Er musste noch einmal ins Verlies zu diesem Schattendämon und seine Befragung ein Stück weit fortsetzen. Ihm waren doch glatt einige wichtige Fragen entfallen. Das wäre ja peinlich geworden... Der Schattendämon zuckte etwas zusammen, als die Tür zu seinem Gefängnis sich öffnete und der jüngere Prinz erneut eintrat. „Mir sind noch ein paar Sachen eingefallen“, sagte der Weißhaarige. „Wieso sollte ich noch antworten? Ich werde doch so oder so sterben.“ „Ich sagte doch bereits: Je mehr du uns jetzt unterstützt, desto besser für dich. Oder wäre es dir lieber, wenn wir nachher zu deinem Stamm gehen und einen nach dem anderen so befragen wie dich?“ „Aber... Außer mir weiß doch niemand etwas!“ „Wie konntet ihr die gesamte Schlossbelegschaft meines verehrten Herrn und Vater außer Gefecht setzen?“, wollte der Halbdämon wissen. „Ein... ein Schockzauber. Er hat alle im Schloss außer Gefecht gesetzt, die keine Daiyoukai sind.“ „Warum keine Daiyoukai?“ „Der... oder diejenige, die den Zauber angewendet hat, ist wohl nicht mächtig genug, um die ganze Schlossbelegschaft und die Prinzessinnen außer Gefecht zu setzen“, antwortete der Gefangene. „Wer hat diesen Zauber angewendet? Einer von euch?“ „N... nein... Eine solche Magie beherrschen wir nicht. Ich... ich weiß nicht, wer es war. Er oder sie gehörte wohl zu demjenigen, der uns Hilfe zugesagt hat.“ „Der Informant aus unserem Schloss?“, hakte Inu Yasha nach. „Ich... ich weiß es wirklich nicht, Inu Yasha-sama. Ich kenne doch weder unseren Wohltäter, noch den Informanten aus dem Schloss“, beteuerte die rechte Hand des Häuptlings. „Wer hat das Messer auf meine Nichte geworfen und wie konnte er unentdeckt bleiben?“ Der Gefangene schluckte deutlich und sackte noch weiter in sich zusammen, nur die Handfesseln hielten ihn noch halbwegs aufrecht. Entweder hatte er allen Mut verloren oder er wollte sich reumütig verneigen. „I... ich warf das Messer. Eine unserer Fähigkeiten ist es, Schatten zu werden, sodass wir nicht entdeckt werden und unbemerkt verschwinden können“, gab er leise zu. Inu Yasha schwieg kurz. Das war nicht gut für diesen Dämon. Der Prinz musste sich schon zusammenreißen, um nicht seine Klauen in der Brust der schwarzen Gestalt zu versenken und das Herz herauszureißen. Sora hätte bei diesem Angriff verletzt oder gar getötet werden können! Wenn der Taishou und Sesshoumaru davon erfuhren, konnte der Attentäter froh sein, wenn die Wut kurzzeitig die Kontrolle über die beiden übernahm. „Wieso war unser Heiler nicht von dem Zauber außer Gefecht gesetzt und wurde niedergeschlagen?“, fragte der Hanyou mit zusammengebissenen Zähnen. „Ich... ich weiß es nicht, bei dem Überfall auf das Schloss war ich nicht dabei und ich verstehe doch nichts von dieser Magie. Ist Euer Heiler vielleicht auch ein Daiyoukai?“ „Dann wäre er wohl kaum unser Heiler, oder?“ Der Prinz ballte die Hände so fest zu Fäusten, dass seine Klauen sich in sein Fleisch bohrten und Blut auf den Boden tropfte. „Vielleicht befand er sich in einem Teil des Schlosses, der von dem Zauber nicht erfasst wurde.“ „Deine „vielleichts“ können dir den Hals erst recht nicht mehr retten“, knurrte Inu Yasha. „Bitte, verzeiht mir“, brachte der Kagé-Youkai hervor. „Ich bin nur der Onkel des Mädchens, das du fast getötet hast. Dir zu verzeihen obliegt ihrem Vater. Du hast ihn schon kennen gelernt. Er ist derjenige, der dir die Rippen gebrochen und dich auch sonst nicht gerade verhätschelt hat.“ Der Weißhaarige atmete tief durch, um sich zu beruhigen. „Woher hattet ihr diese Kampftruppe, die uns im Wald überfallen hat?“ Er erinnerte sich, dass sie vom Geruch her keiner Rasse zugeordnet werden konnte, weil sie nach Wald roch. Waren das auch Kagé-Youkai gewesen? Als Inu Yasha Zweien von ihnen die Maskierung abgenommen hatte, um Verbandsmaterial für sich und Hana zu haben, hatte er zwar nicht auf das Aussehen der Kämpfer geachtet, aber dieses... ungewöhnliche Aussehen der Schattendämonen wäre ihm aufgefallen. „Nein, diese Kämpfer stammen nicht von uns. Derjenige, der mit unserem Häuptling Kontakt aufgenommen hat, hat sie uns geschickt, sie haben ihr Lager in der Nähe unserer Höhlen aufgeschlagen, einer von ihnen ist meistens bei unserem Herrn gewesen und war immer über den aktuellen Stand informiert. Seit gestern ist er jedoch verschwunden.“ „Er wurde dann wohl mit neun seiner Kameraden von uns getötet.“ Der Kagé-Youkai atmete etwas auf. „Du mochtest ihn nicht?“ „Er war keiner von uns, lebte aber unter uns. Das war kaum einem im Stamm geheuer, aber dem Häuptling wird nicht widersprochen“, erklärte der Gefangene. „Auch der Rat hat nichts dagegen tun können“, fragte Inu Yasha. „Nein, Inu Yasha-sama.“ Die Überraschung darüber, dass der Halbdämon über das politische System seines Volkes Bescheid wusste, war deutlich zu hören. „Der Rat berät nur, er bestimmt nicht. Das letzte Wort hat immer der Häuptling.“ Dieser Häuptling würde wohl auch noch Besuch bekommen. Und dieser Besuch würde bestimmt keinen Wein als Gastgeschenk mitbringen. „Wie viele aus dem Stamm wissen über den Plan eures Häuptlings Bescheid?“, fragte der jüngere Prinz. „Ich... ich weiß es nicht genau. Alle werden ahnen, dass etwas vor sich geht, aber die wenigsten werden etwas Konkretes wissen.“ „Wer. Genau.“ Der Kagé-Youkai schluckte. Der halbdämonische Prinz konnte genauso furchteinflößend sein wie sein älterer Bruder. „Neben dem Häuptling bin ich derjenige, der am meisten weiß, auch die übrigen Ratsmitglieder werden wissen, dass wir etwas gegen den Westen unternommen haben und unsere besten Soldaten, die bei dem Überfall auf das Schloss beteiligt waren. Vielleicht wissen auch noch einige andere etwas.“ „Genieße die Zeit, in der du alleine bist“, meinte Inu Yasha und verließ die Gefängniszelle wieder, ging mit schnellen Schritten in den Schlossgarten und schlug mit aller Kraft gegen den nächsten Baum, der bedrohlich knackte und dann umfiel. Der Prinz schüttelte seine Hand aus und atmete tief durch. Das hatte gut getan. Und brachte ihm weitaus weniger Probleme ein, als wenn er seinem Vater und seinem Bruder vorgegriffen und diesen Bastard in tausend Stücke gerissen hätte. Der Befehl war gewesen, ihn zu töten, wenn er nichts Wichtiges zu sagen gehabt hätte. Und die erhaltenen Informationen waren wichtig. Inu Yasha wandte sich um und lief auf den Schlosshof, als er die dämonische Energie seines Vaters und seines Bruders spürte. Die beiden gingen gerade auf das Schloss zu, ohne auf Inu Yasha zu achten, der sich ihnen anschloss. Amaru sah auf, als alle drei Herren in sein Zimmer kamen und stellte unverzüglich seine Tränke weg, als der Fürst die Erbprinzessin auf das Behandlungsbett legte. „Sie ist wohl vergiftet worden. Sobald du etwas über ihren genauen Zustand weißt, komme in mein Arbeitszimmer“, sagte der Taishou und verließ mit seinen Söhnen das Zimmer. _________________________________________________________________________________ Ein Kapitel haben wir noch auf Vorrat, das danach ist schon fast ferig und das danach hat schon einen Anfang. Es wird also regelmäßiger weiter gehen als bisher. ^^ Lob und Kritik natürlich willkommen. lg Hani und Jenny Kapitel 13 ---------- Als die Sonne schon langsam aufging saßen der Taishou und seine Söhne ohne Rüstungen in seinem Arbeitszimmer, Sesshoumaru hatte Sora in sein Zimmer gebracht, wo die Kleine sofort eingeschlafen war. „Inu Yasha, was hat unser Gefangener dir gesagt?“, fragte der Fürst. „Es ist ein Kagé-Youkai. Sein Häuptling hat ihn beauftragt, die Drohbriefe zu schreiben und ihm genau gesagt, was darin stehen soll. Der letzte Stamm der Schattendämonen ist von jemandem dazu angestiftet worden, der ihnen versprochen hat, dass sich ihre Situation verbessern würde. Die Informationen hat der Häuptling wohl von jemandem aus dem Schloss, den unser Gefangener aber nicht kennt. Er weiß nur so viel, dass er die Aufträge ausführen kann, ohne den Spion oder den Auftraggeber zu entlarven, verehrter Vater“, berichtete Inu Yasha. „Kagé... Schatten... Das stand doch auf Soras Zeichnung. Sesshoumaru, geh die Zeichnung holen“, sagte das Familienoberhaupt. Sein ältester Sohn verneigte sich kurz und ging dann in sein eigenes Arbeitszimmer, um die Zeichnung zu holen, die seine Tochter angefertigt hatte. Inu Yasha sah etwas fragend zu seinem Vater. Was denn für eine Zeichnung? „Inu Yasha, du warst bei dem Gefangenen, als wir in Sesshoumarus Arbeitszimmer waren. Sora hat einen der Angreifer gezeichnet und „Schatten“ darüber geschrieben“, erklärte der Taishou. „Gezeichnet?“, wiederholte der Halbdämon verblüfft und starrte seinen Vater an. Der zog eine Augenbraue hoch und er senkte rasch den Kopf. „Verzeihung.“ Sesshoumaru kam zurück und reichte seinem Vater die Zeichnung. „Konnte Sora die Angreifer als Schattendämonen erkennen?“, fragte der Fürst. „Im Unterricht hat sie noch nichts über sie gelernt“, erwiderte der Erbprinz. „Hatten wir das im Unterricht?“, wollte Inu Yasha wissen und biss sich gleich darauf auf die Zunge. Das war nicht klug. „Ja, hattet ihr beide, weil der letzte Stamm der Kagé-Youkai in meinem Revier lebt“, sagte sein Vater mit einem tadelnden Unterton in der Stimme. Er sollte mal mit den Lehrern reden, die auch schon Inu Yasha und Sesshoumaru unterrichtet hatten. Wenn sein Jüngster mehrere solche Lücken hatte, würde er auch noch mal den Unterricht besuchen müssen, anstatt in der Weltgeschichte herumzurennen und sich in Abenteuer zu stürzen. „Was hat der Gefangene noch berichtet?“, fuhr der Fürst fort und betrachtete nachdenklich die Schrift seiner Enkelin. „Er ist die rechte Hand des Häuptlings, was wohl der Grund ist, dass er die Aufträge ausgeführt hat. Die Elitetruppe, die uns vorgestern im Wald angegriffen hat, ist von dem Anstifter geschickt worden, sie lagert außerhalb der Siedlung der Schattendämonen und ihr Anführer war immer in der Nähe des Häuptlings. Die Soldaten, die hier eingedrungen sind, waren Kagé-Youkai. Die beherrschen aber nicht die Art Magie, die benutzt wurde, um Eure Schlossbelegschaft außer Gefecht zu setzen, verehrter Vater“, antwortete Inu Yasha. „Konnte er wenigstens erklären, warum Amaru-san der einzige war, der von Hand niedergestreckt wurde und nicht wie die anderen von der Magie?“, fragte Sesshoumaru. Auch nicht gerade höflich, einfach Fragen zu stellen, aber angesichts der angespannten Situation konnte der Inu no Taishou darüber hinwegsehen. „Nein. Er vermutete, dass Amaru ein Daiyoukai ist oder dass er in einem Teil des Schlosses war, der nicht von dem Zauber erfasst wurde“, erwiderte sein Bruder. „Also hat dieser Zauber nicht auf Daiyoukai gewirkt und nicht auf den Heiler. Sesshoumaru, lagen vor dem Zimmer des Heilers Diener?“ Der Fürst hatte nicht darauf geachtet, als er seine Schwiegertochter zu Amaru gebracht hatte. „Nein, verehrter Vater, aber auf der Treppe, die eine Etage höher führt, lag ein Diener.“ Sein Diener Jaken, um genau zu sein. „Ein Daiyoukai ist Amaru auch nicht... aber er kann auch nicht der Urheber des Zaubers sein, seine magischen Fähigkeiten sind auf Verteidigung ausgerichtet, nicht auf Angriff, er wäre nicht dazu in der Lage, die gesamte Belegschaft außer Gefecht zu setzen... Wir befragen ihn später. Myouga, trag alle Informationen über Wesen zusammen, die zu solcher Magie fähig sind“, sagte der Taishou. „Natürlich, oyakata-sama“, antwortete der Floh und sprang davon. Ohne einen Helfer würde es schwer werden, die entsprechenden Schriftrollen aus den Regalen zu holen, aber es war ja niemand wach. „Hast du gefragt, wer aus dem Stamm von den Bedrohungen, der Entführung und dem Attentat auf Sora wusste und wer für das Messer verantwortlich war?“, fragte der Fürst. „Er sagte, der Häuptling wisse am meisten und hätte ihm vieles davon erzählt, die Soldaten wissen von der Entführung und dem Überfall auf das Schloss, die meisten im Stamm ahnen, dass etwas vor sich geht, wissen aber nichts Genaues. Und unser Gefangener war es, der das Messer in Soras Zimmer geworfen hat“, berichtete der Hanyou. Sesshoumaru ballte eine Hand zur Faust und sein ganzer Körper spannte sich an. „Einen Moment noch, Sesshoumaru“, sagte sein Vater. „Wieso konnten wir ihn nicht finden?“ „Er sagte, Kagé-Youkai könnten zu Schatten werden, sodass sie unentdeckt verschwinden können“, sagte Inu Yasha. „Sesshoumaru, sieh dir die Handschriften auf dieser Zeichnung an. Sie sind unterschiedlich. Die Randnotizen sind anders geschrieben als das Wort „Schatten“.“ Der Fürst reichte seinem Erben die Zeichnung. Der musterte die Handschriften nur kurz. „Das sind beides Soras Handschriften. Die Beschriftungen hat sie schnell geschrieben, wie eine Mitschrift. Den Titel ruhig, wie einen Aufsatz“, sagte er. Sein Bruder sah ihn kurz an, aber dann fiel ihm ein, dass Sesshoumaru überwachte, wie seine Tochter sich im Unterricht machte und sich ihre Mitschriften und Aufsätze zeigen ließ. Daher kannte er ihre Handschriften wohl so gut. Der Taishou nickte kurz und nahm die Zeichnung zurück. „Sobald Sora aufwacht, müssen wir sie fragen, wieso sie „Schatten“ geschrieben hat. Sesshoumaru, mach mit dem Gefangenen, was dir beliebt, du hast freie Hand.“ Sein Sohn verneigte sich kurz. „Danke, verehrter Vater“, sagte er und verließ das Zimmer. „Ob der noch dazu kommen wird, zu schreien? So wütend, wie Sesshoumaru jetzt gerade war“, meinte Inu Yasha. „Dein Bruder wird den Gefangenen schreien lassen. Hast du einen Baum im Garten umgehauen?“ Der jüngere Prinz war verblüfft. „Ja, aber woher...“ „Als wir angekommen sind, haben wir einen Baum fallen gehört, aber da du aus Richtung Garten kamst und wir Hana so schnell wie möglich zu Amaru-san bringen wollten, haben wir uns nicht weiter darum gekümmert. Hat der Baum deine Sicht behindert oder warum hast du ihn gefällt?“ „N... nein, ich habe nur einfach angenommen, dass Sesshoumaru sich um den Gefangenen kümmern soll und hab mich an dem Baum abreagiert. Darf ich etwas fragen?“ „Frag.“ „Woher wusstet Ihr, wo Sora und Hana gefangen gehalten werden?“ „Von Bokuseno. Die Kagé-Youkai können vielleicht nicht von unseren Nasen wahrgenommen werden, aber sie haben sich nicht unsichtbar gemacht. Als sie durch den Wald gegangen sind, haben die Bäume sie... beobachtet. Bokuseno hat mir dann mitteilen können, dass die Truppe in Richtung Norden gegangen ist. So mussten wir nur nach Norden gehen“, antwortete der Fürst und sah wieder nachdenklich zu der Zeichnung seiner Enkelin. Etwas war an dem ganzen Überfall noch merkwürdig, er wusste nur nicht was... Inu Yasha reckte ein wenig den Hals und betrachtete die Zeichnung ebenfalls. „Wieso hat Sora sich für das Wort „Schatten“ Zeit genommen, um es ordentlich zu schreiben, ist dann aber bei der Zeichnung so hektisch geworden? Andersrum hätte es mehr Sinn ergeben.“ „Warum?“ „Es ist doch sinnvoller, wenn wir wissen, wie die Angreifer aussehen, als so ein ominöser Hinweis. Sie weiß doch nichts über die Schattendämonen“, meinte der Halbdämon. „Sesshoumaru hat nur gesagt, dass sie im Unterricht noch nichts über sie gelernt hat“, korrigierte sein Vater. Die Prinzessin hätte aber durchaus schon etwas über die Kagé-Youkai wissen. Er hatte sie schon das eine oder andere Mal in dem Raum entdeckt, in dem die Schriftrollen, die unter anderem für den Unterricht verwendet wurden, gelagert waren. Wer wusste schon, was sie da so alles gelesen hatte. „Bitte, Sesshoumaru-sama, ich... es tut mir leid!“, schrie der Kagé-Youkai. Sesshoumaru hatte seine Fesseln von der Wand gelöst – oder vielmehr aus der Wand gerissen – und den Gefangenen zu Boden geworfen. Mit einem kräftigen Tritt hatte er ihm dann die Wirbelsäule im Hüftbereich gebrochen, sodass sein Opfer nicht mehr fliehen konnte. Das hätte er zwar auch geschafft, indem er der dunklen Gestalt die Beine gebrochen hätte, aber Wirbelsäulen verheilten nicht so schnell wie Beine und es blieb meistens ein Folgeschaden zurück. „Das hättest du dir vorher überlegen sollen!“, knurrte der Inu-Youkai und trat dem am Boden liegenden in die Seite. Das polyphone Knacken der gerade verheilten Rippen, die brachen und das schmerzvolle Aufstöhnen befriedigte ihn. „Bitte... Gnade!“, flehte der Hilflose. „Du erwartest ernsthaft Gnade von mir? Von mir?“ Ein weiterer Tritt traf, weitere Knochen knackten. Der Schattendämon würgte und spie einen Schwall schwarzes Blut aus. „Hast du noch was zu sagen? Wenn es wichtig ist, könnte ich Gnade haben und dich schneller töten.“ „Herr... Ich habe nur meine Befehle ausgeführt... Wenn der ehrenwerte Inu no Taishou euch einen solchen Befehl gegeben hätte... Ihr hättet nicht gezögert“, brachte der Gefangene hervor. „Falsch, mein verehrter Herr und Vater ist bei Sinnen und niemand der bei Sinnen ist, vergreift sich an Welpen oder befiehlt jemandem, es zu tun! Sora hatte mit der ganzen Sache nichts zu tun, aber du hast sie da mit hineingezogen.“ Wieder trat Sesshoumaru zu. „Wie konnten deine Soldaten so genau wissen, wo die beiden sind?“ „Ich... verstehe nicht?“ „Die Fußspuren führen direkt in mein Arbeitszimmer, in dem Hana und Sora waren. Wie konntet ihr das wissen?“ „Ich... weiß es nicht. Ich war bei dem Überfall nicht dabei“, würgte der Schattendämon hervor und spuckte erneut Blut. „Falsche Antwort.“ Der Hundeprinz ging um die Gestalt herum und trat auf die andere Seite ein. Der am Boden liegende Dämon stöhnte erneut und versuchte, sich zusammenzurollen, was aber dank seiner gebrochenen Wirbelsäule nicht klappte. „A... also gut...“, brachte er nur hervor. „Ich sage es...“ „Inu Yasha, sieh dir die Spuren des Überfalls im Schloss an und bilde dir eine Meinung dazu. Komm dann hierhin zurück und teile sie mir mit“, sagte der Fürst. Sein jüngerer Sohn neigte den Kopf vor. „Wie Ihr wünscht, verehrter Vater“, sagte er und verließ das Zimmer seines Vaters. Wollte der testen, wie genau er beobachtete? Wenn der Taishou alleine sein wollte, um seine Gedanken zu ordnen, hätte er das einfach nur befehlen müssen... Als der Herr der Hunde alleine war, legte er die Zeichnung auf seinen Schreibtisch und fuhr sich einmal mit beiden Händen durchs Gesicht. Was übersah er nur? Welches Detail war in seinem Unterbewusstsein gefangen und wollte da raus? Wie war das... Es war ein Drohbrief angekommen, in dem stand, dass die Frauen des Westens schlecht beschützt wurden und dass die Herren des Hauses sich an der Klippe einfinden sollten, um zu lernen, wie man es besser machen konnte. Da niemand angenommen hatte, dass Hana und Sora ernsthaft in Gefahr wären, solange sie sich auf dem Schlossgelände aufhielten, wollten sie die Drohung ignorieren. Dann jedoch war ein Messer auf Sora geworfen worden. Seine Enkeltochter hatte nur dadurch vor einer Verletzung bewahrt werden können, dass ihr Vater sie vom Stuhl gezogen hatte. Niemand war gesehen worden, wie er vom Tatort floh. Nach diesem Vorfall war der Fürst mit seinen Söhnen doch zu diesem Treffpunkt gegangen, wo die schwarze Gestalt, der Kagé-Youkai, sie aufgefordert hatte, die Klippe runter in ein Portal zu springen. Myouga war aufgetaucht und hatte berichtet, dass das Schloss überfallen worden war und Hana und Sora entführt worden waren. Die beiden Prinzen hatten den Schattendämon überwältigt und sie hatten ihn mit zum Schloss genommen, wo sie ihn direkt in ein Verlies gesteckt hatten, aber er hatte sich geweigert etwas zu sagen, weil er angeblich der einzige war, der wusste, wo die Prinzessinnen gefangen gehalten wurden. Inu Yasha war bei ihm geblieben, um vielleicht doch noch etwas aus ihm herauszubekommen, Sesshoumaru und der Fürst hatten das Schloss unter die Lupe genommen. Sie hatten alle Diener und Wachen bewusstlos vorgefunden, sie waren scheinbar mitten bei der Arbeit umgefallen. Die fremden Soldaten hatten Fußspuren hinterlassen, die zu Sesshoumarus Arbeitszimmer geführt hatten. Dort hatten Hana und Sora sich aufgehalten, als die Soldaten in das Schloss eingedrungen waren. Es war deutlich zu sehen gewesen, dass Hana gekämpft hatte, ihr Schwert hatte blutverschmiert auf dem Boden gelegen. Von der Schwertscheide war nirgendwo eine Spur zu sehen gewesen, dafür aber hatte Sesshoumaru eine Zeichnung gefunden, die Sora von den Angreifern angefertigt hatte. Was nur übersah der Fürst? Hatte er unbewusst einen Hinweis entdeckt und ihn bis jetzt nicht erkannt? Was war so merkwürdig an dem ganzen Überfall? Natürlich... woher hatten die Soldaten gewusst, dass Hana und Sora in Sesshoumarus Arbeitszimmer waren? Die Spuren führten von beiden Seiten direkt auf dieses Zimmer zu, ohne abzubiegen, ohne dass andere Türen aufgestoßen worden waren. Wie hatten sie das wissen können? Inu Yasha sah sich aufmerksam um. Auf dem Boden waren Fußspuren, die den Gang entlang führten, auf Sesshoumarus Arbeitszimmer zu. Er folgte den Spuren und betrat das Zimmer zögerlich. Er durfte es eigentlich nicht ohne Genehmigung betreten, aber sein Vater hatte ja gesagt, er solle sich die Spuren ansehen. „Wow, was für ein Chaos...“, murmelte er, als er das Zimmer betrachtete. An der Wand klebten die Reste eines Tintenfasses, darunter lehnte Hanas blutverschmiertes Schwert. Ihr Blut fand sich auch auf dem Boden und auf einigen verstreuten Papieren. Sesshoumarus Schreibtisch war zerschlagen. Hana hatte sich wirklich mit Händen und Füßen gewehrt. Der Halbdämon stellte sich unwillkürlich vor, wie das Ganze ausgegangen wäre, wenn seine Schwägerin nicht mit einem Schwert umgehen könnte. Sie wäre wohl nicht verletzt worden, Sora hätte dann aber auch nicht die Zeit gehabt, diese Zeichnung anzufertigen. Es störte ihn immer noch, dass seine Nichte „Schatten“ so ordentlich geschrieben und den Rest dann mehr oder weniger geschmiert hatte. Hatte ihre Mutter ihr vielleicht gesagt, dass sie „Schatten“ schreiben sollte? Hatte Hana die Angreifer als Schattendämonen erkannt? Vater hatte doch gesagt, dass die Prinzessinnen nach Norden verschleppt worden waren. Steckte Hanas Vater dahinter? Das wäre doch gut möglich. Wenn der Fürst des Nordens von den Kagé-Youkai wusste, obwohl in seinem Revier keine lebten, wäre es denkbar, dass er an ihnen Gefallen gefunden und eine Möglichkeit erkannt hatte, sich das Reich seines Cousins unter den Nagel zu reißen. Vielleicht hatte er ja von Anfang an geplant, Hana für seinen Plan zu benutzen und ihr darum recht viel von den Schattendämonen erzählt. Inu Yasha glaubte nicht, dass seine Schwägerin bei dem Plan ihres Vaters mitmachte, aber vielleicht hatte sie ja davon gewusst und ihr Vater hatte aufgetragen, sie umzubringen, weil sie sich seinem Gehorsam verweigerte und weil ihr Tod eine Verletzung des Friedensvertrags bedeuten würde. Der Halbdämon sah sich weiter im Schloss um. Vielleicht fand er ja noch irgendwelche Hinweise. Er folgte den Spuren von Sesshoumarus Arbeitszimmer weg, stieg über einige bewusstlose Diener und ging in die Eingangshalle. Merkwürdig. Auf seinem Weg war keine einzige Tür aufgetreten oder so. Hatten die Soldaten die Türen etwa leise geöffnet, nachgesehen, ob jemand drin war und sie dann wieder leise geschlossen? Das leise Öffnen war noch verständlich. Wenn der Raum leer war, sollte durch das geräuschvolle Öffnen der Türen kein Krach gemacht werden, um jemanden aufzuscheuchen. Um Hana aufzuscheuchen. Aber warum sollte man sie wieder schließen? Inu Yasha ging wieder nach oben und folgte den Spuren in die andere Richtung. Das selbe Bild. Die Türen waren geschlossen und die Spuren führten auch genau auf Sesshoumarus Arbeitszimmer zu. Sehr merkwürdig. Als hätten die Eindringlinge gewusst, dass die beiden Prinzessinnen, die sie entführen sollten, in genau diesem Zimmer waren... Aber wie hätten sie das wissen können? Die Schlossdienerschaft war doch ausgeschaltet gewesen, alle miteinander. Der Hanyou kam an dem Raum vorbei, in dem er mit Myouga nach Informationen über die Kagé-Youkai gesucht hatte. Die Tür stand auf und so konnte Inu Yasha sehen, wie sich eine Schriftrolle aus einem Regal schob und zu Boden fiel, wo schon einige andere Rollen lagen. „He, Myouga-jii, du warst doch im Schloss, als diese fremden Soldaten hier eingedrungen und Hana und Sora entführt haben, oder?“, fragte der Weißhaarige. Der Flohgeist keuchte etwas und wischte sich den Schweiß von der Stirn, ehe er antwortete: „Ja, Inu Yasha-sama, in der Tat. Ich habe noch versucht, Hana-hime zu warnen, aber ich war einfach nicht schnell genug. Kaum hatte ich die Warnung ausgesprochen, wurde auch schon die Tür aufgestoßen.“ „Sind die Soldaten geschlichen?“, wollte Inu Yasha wissen. „Äh... nein, Inu Yasha-sama, ich denke nicht. Als ich in Sesshoumaru-samas Arbeitszimmer kam, hatte Hana-hime bereits gezogen und Sora-hime kauerte in einer Ecke. Und die Soldaten sind im Laufschritt gegangen, sie waren deutlich zu hören, sogar für meine alten Ohren“, erwiderte der Flohdämon. „Also haben sie gewusst, wo Hana und Sora sind... Aber woher nur? Myouga, könntest du sie geführt haben?“ „Nein, Inu Yasha-sama, ich denke nicht. Wenn überhaupt habe ich nur eine Hälfte der Truppe geführt, aber sie kamen von beiden Seiten auf das Arbeitszimmer von Sesshoumaru-sama zu“, sagte der alte Berater des Taishou. Im Kopf des Prinzen arbeitete es. Die fremden Soldaten hatten gewusst, wo sie nach ihren Opfern suchen mussten und da sie von beiden Seiten gekommen waren, hatten sie auch verhindert, dass Hana durch die Flure fliehen konnte und sind daher schneller gelaufen, damit sie nicht durch das Fenster abhaute. So ein Sprung war schließlich für eine Youkai kein Problem, auch nicht mit einem Kind auf dem Arm und Hana hätte dann einen Vorsprung oder den Platz gehabt, ihren Gegnern ihre Energie um die Ohren zu hauen. Im Arbeitszimmer war sie allerdings eingeschränkt gewesen, hatte nicht frei kämpfen können. Die Frage war nur, woher hatten sie gewusst, wo Hana war? Hatte es ihnen jemand gesagt? Wer? „Myouga, wieso bist du eigentlich nicht bewusstlos geworden?“, fragte Inu Yasha. „Ich... ich weiß es nicht, Inu Yasha-sama. Vielleicht liegt es an meinem Alter.“ „Du meinst, dass der Zauber nicht nur auf gewöhnliche Youkai ausgerichtet war und Daiyoukai nichts anhaben konnte, sondern dass er sich auch auf ein bestimmtes Alter begrenzt hat?“ „Inu Yasha-sama, ich verstehe nichts von Magie, ich weiß nichts darüber, wie man einen solchen Zauber konstruiert. Aber wenn der Zauber nicht auf Daiyoukai wirkt, hat es entweder etwas mit meinem Alter zu tun oder mit dem Blut von oyakata-sama, das er mir gestern Morgen gütigerweise gab“, erwiderte der Floh. „Also entweder verschonte dieser Fluch Daiyoukai und Youkai eines bestimmten Alter oder nur Daiyoukai und du warst durch das Blut meines Vaters geschützt...“, murmelte der halbdämonische Prinz mehr zu sich selbst als zu dem Floh. „Wenn es stimmt und jemand Informationen aus dem Schloss nach außen dringen lässt, ist es durchaus möglich, dass dieser Jemand auch weitergegeben hat, dass nur zwei Diener im Schloss ein gewisses Alter erreicht haben, Inu Yasha-sama.“ Und da fiel es dem Hanyou wie Schuppen von den Augen. Er wusste, wer der Verräter war und er würde ihn jetzt eigenhändig so verprügeln, dass sein Bruder und sein Vater stolz auf ihn sein würden... Auch dem Taishou wurde gerade klar, welches Detail ihm zu schaffen gemacht hatte und er sprang auf. Wenn er den in die Finger bekam, konnte der sich aber warum einpacken... Sesshoumaru hatte noch nie eine Hinrichtung unterbrochen, aber was der Kagé-Youkai ihm noch erzählen konnte, hatte diesem fremden Bastard ein paar Stunden geschenkt, in denen seine Rippen wohl wieder heilen würden. Ja, die Knochen des Attentäters würden wohl wieder zusammenwachsen und ein drittes Mal die Bekanntschaft mit Sesshoumaru machen, aber die Knochen des Verräters würden bald nur noch Staub sein... _____________________________________________________________________________ Eigentlich sollte jetzt klar sein, wer jetzt alle drei Herren gegen sich hat. Wenn nicht, die Auflösung kommt im nächsten Kapitel. ^^ Bis denne Jenny und Hani Kapitel 14 ---------- „Sofort weg von ihr!“, knurrte Sesshoumaru. Sein offenes Youki und das rote Leuchten seiner Augen verrieten seine Wut. Amaru, der noch die Schale festhielt, mit der er Hana einen Trank eingeflößt hatte, wich von der Prinzessin zurück. „Ses... Sesshoumaru-sama, ich verstehe nicht...“ „Lüg nicht! Du bist derjenige, der den Schattendämonen Informationen aus dem Schloss gegeben hat. Du warst auch derjenige, der der fremden Armee gesagt hat, wo Hana und Sora sich aufhalten!“ Der Taishou und Inu Yasha erreichten den Raum, dieselbe Wut im Gesicht wie der Erbprinz. „Ein Detail, das mich gestört hat, war, dass du bewusstlos geschlagen wurdest. Das hat keinen Sinn gemacht, deine Räume sind recht weit weg von Sesshoumarus Arbeitszimmer und vor deinem Raum befinden sich auch keine Fußspuren, also sind die Soldaten hier nicht vorbeigekommen. Nur einer war bei dir. Der, dem du verraten hast, dass Hana und Sora im Arbeitszimmer meines Sohnes sind und der dich dann bewusstlos geschlagen hat, um dich unschuldig erscheinen zu lassen“, sagte der Fürst. „Der Schockzauber, der die Schlossbelegschaft außer Gefecht gesetzt hat, hat nur dich und Myouga verschont. Du hast rausposaunt, dass nur zwei Diener im Schloss ein bestimmtes Alter erreicht haben. So konntest du deinen Verrat fortsetzen und es war sichergestellt, dass mein verehrter Vater, mein Bruder und ich erfahren, dass Hana und Sora entführt wurden, damit wir erpressbar werden.“ Inu Yasha zitterte etwas, so aufgebracht war er. Der Heiler stellte die Schale weg und wich weiter zurück. Gleich beide Prinzen und den Fürsten so wütend vor sich zu haben, war schon angsteinflößend. „Warum hast du das getan, Amaru? Warum?“, verlangte der Fürst zu wissen. „Warum ist das von Belang?“, fragte der Heiler zurück. „Es ist noch nicht zu spät für dich, um einen schnellen Tod zu sterben. Wenn du uns sagst, warum, seit wann und wem du Informationen aus dem Schloss verrätst, lasse ich vielleicht Gnade vor Recht ergehen und töte dich schnell und fast schmerzlos“, antwortete der Taishou. Er würde auf keinen Fall Gnade vor Recht ergehen lassen, aber er wollte die Informationen so schnell wie möglich zusammensammeln. „Dafür ist es vielleicht noch nicht zu spät... Aber um das Kind zu retten, ist es zu spät. Definitiv“, sagte Amaru und sah Sesshoumaru mit einem kalten Funkeln in den Augen an. Kind? Hatte der Mistkerl etwa Sora etwas angetan? Das Familienoberhaupt und Inu Yasha drehten sich um und liefen schneller los, als sie nachdenken konnten. Sesshoumaru blieb im Heilerzimmer. Sora schreckte aus dem Schlaf hoch, als die Tür aufgerissen wurde und vermutete sofort einen erneuten Angriff. Doch es waren nur ihr Großvater und ihr Onkel, die sie besorgt ansahen. „Sora, ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte Inu Yasha. „J... ja, Onkel. Was sollte denn... ist etwas mit Mutter? Ich will zu ihr!“ Die kleine Prinzessin sprang auf und wollte das Zimmer verlassen, aber ihr Großvater griff sie und hob sie hoch. „Bleib hier, meine Kleine. War Amaru bei dir und hat dir eine Medizin gegeben? Oder hast du einen komischen Geschmack im Mund?“, fragte er. „Amaru-san? Nein, ich glaube, der war nicht hier. Aber ich hab auch geschlafen. Einen komischen Geschmack im Mund hab ich auch nicht. Was hat das alles zu bedeuten?“, wollte Sora wissen. Sie war so angespannt wie nie zuvor. „Es ist... alles in Ordnung, Sora-chan.“ Ihr Großvater strich ihr durch die Haare. War das nur ein Ablenkungsmanöver von Amaru gewesen, in der Hoffnung, dass beide Prinzen mit dem Fürsten zu Sora laufen und ihn alleine lassen würden? „Und Vater?“ „Der... ist bei deiner Mutter“, antwortete Inu Yasha und malte sich schon aus, dass er ziemlichen Stress mit Sesshoumaru bekommen würde, weil er einfach zu Sora gelaufen war und der Ältere dadurch im Heilerzimmer bleiben musste, anstatt nach seiner Tochter zu sehen. Denn den verräterischen Heiler mit Hana alleine zu lassen wäre selten dämlich. „Inu Yasha, geh zurück zu Amarus Zimmer. Sora und ich machen einen kurzen Ausflug, wir sind aber bald wieder zurück“, sagte der Taishou. Sein Sohn neigte nur kurz den Kopf und verschwand dann. „Wo gehen wir denn hin?“, fragte Sora jetzt wieder neugierig. Wenn ihr Onkel, ihr Vater und der Heiler bei ihrer Mutter waren, konnte ihr ja nichts passieren. Nahm das ahnungslose Kind jedenfalls an. „Wir gehen deine Oma besuchen.“ „Du meintest nicht Sora“, stellte Sesshoumaru nüchtern fest. Er hatte den raschen Blick des Heilers zu der Schale bemerkt. „Das habt Ihr gut erkannt, Sesshoumaru-sama. Ich meinte nicht das Kind, das Ihr schon vor acht Jahren bekommen habt. Ich meinte das, mit dem Hana-hime schwanger war.“ Die Stimme des Heilers war bösartig. Die Augen des Erbprinzen verengten sich etwas. „Du hast mein ungeborenes Kind getötet?“ Amaru schwieg, grinste nur zur Antwort. Inu Yasha, der die letzten Worte seines Bruders gehört hatte, starrte den Heiler fassungslos an. Der Dämon war doch schon immer im Schloss des Westens gewesen. Vater hatte mal gesagt, dass Amaru sich sogar schon um ihn gekümmert hatte, als er noch der Erbprinz gewesen war. Wie konnte er jetzt die Familie des Westens verraten und sogar das ungeborene Kind von Sesshoumaru und Hana töten? Dafür würde er lange leiden, ehe er endlich sterben dürfte, egal wie bereitwillig er alles gestand und seine Hintermänner verriet. „Aber... ich darf doch ohne die Erlaubnis von chichi-ue nirgendwo hingehen!", warf Sora ein. „Keine Sorge, dein Vater wird dich nicht dafür strafen, dass ich dich mitnehme. Außerdem ist es besser,wenn jemand bei dir ist und auf dich aufpasst, als wenn du alleine in einem Zimmer wärst", antwortete ihr Großvater und verließ mit seiner Enkelin auf dem Arm das Schloss, um ein Portal öffnen zu können. „Warum gehen wir eigentlich zu obaa-sama, ojii-sama?", wollte die Achtjährige wissen. „Dein Vater kann uns nicht hören, du musst nicht "ojii-sama" und "obaa-sama" sagen", sagte der Taishou und ging mit der kleinen Prinzessin durch das Portal, welches die beiden vor den Wald brachte, der das Schloss von Sesshoumarus Mutter umgab. „Gut. Warum gehen wir eigentlich zu Oma, Opa?", stellte Sora ihre Frage neu. „Sie würde dich bestimmt gerne mal wieder sehen, schließlich bist du auch ihr einziges Enkelkind, meine Kleine." „Und der wahre Grund?" Der Fürst sah in das unschuldige Gesicht von Sesshoumarus Tochter und seufzte lautlos. Er wollte seiner Enkelin nur ungern sagen, dass der Heiler, der seit unzähligen Jahrhunderten der westlichen Fürstenfamilie diente und das volle Vertrauen des Herrschers und seiner Lieben genossen hatte, abtrünnig geworden und dafür verantwortlich war, dass Sora zum zweiten Mal in so kurzer Zeit Angst um das Leben ihrer Mutter haben musste. "Amaru ist... kein guter Heiler mehr", erklärte der Fürst daher nur. „Weil er schon so alt ist? Er ist älter als du, oder?", fragte die Kleine. „Ja, ist er. Er diente meinem Vater schon, als ich noch gar nicht auf der Welt war." „Wird er dann jetzt in den... wie heißt das noch? Ruhestand? Gehen?" „Ja, wird er." „Dann musst du ihn aber auch angemessen entlohnen und dich auch weiterhin um ihn kümmern. Immerhin hat er unserer Familie sehr, sehr lange gedient." Sora legte ihren Kopf auf die Schulter ihres Großvaters. Der verengte die Augen etwas. „Glaub mir, ich werde ihn angemessen entlohnen und mich um ihn kümmern." „Sind wir jetzt hier, weil wir Oma bitten wollen, uns einen Heiler zu leihen, bis wir wieder einen eigenen haben?" „Ja, meine Kleine." „Wird Mama wieder gesund?" „Ganz bestimmt, Kleines." „Wie konntet Ihr wissen, dass ich Eurer Tochter nichts getan habe?", fragte Amaru. „Hältst du mich für dumm? Meine Gefährtin und meine Tochter sind schon einmal im Schloss überfallen worden, das lasse ich bestimmt kein zweites Mal zu. Die Tür zu dem Zimmer, in dem sie geschlafen hat, war durch einen Bannkreis gesichert, ich hätte bemerkt, wenn jemand den Raum betreten hätte", erwiderte Sesshoumaru. Er und sein Bruder standen mittlerweile zwischen dem Heiler und Hana, in den Augen der Brüder loderte die gleiche Mordlust, auch wenn den Anwesenden klar war, dass Inu Yasha seinem Bruder den Vortritt lassen würde. Amarus Blick glitt kurz durch den Raum auf der Suche nach einem Fluchtweg. „Du kommst hier nicht mehr als freier Mann raus, Amaru, gibt dir keine Mühe", knurrte Inu Yasha. Die Prinzen griffen gleichzeitig nach dem alten Youkai und drehten ihm die Arme auf den Rücken. „Inu Yasha, bring ihn in den Kerker und sperre ihn gut ein. Und lass ihn vorher sehen, was ich mit dem Kagé-Youkai gemacht habe, der ihn verraten hat. Amaru, du bist nach wie vor ein Heiler, du weißt, wie lange ich nicht mehr mit dem Gefangenen beschäftigt bin. Du kannst dir an seinem aktuellen Zustand sicherlich ausmalen, was ich alles getan habe und das wird auch auf dich zukommen. Mindestens. Inu Yasha, durchsuche ihn gründlich, er soll keine Möglichkeit haben, sich durch einen schnellen Selbstmord seiner Strafe zu entziehen." Das war die längste Rede, die Inu Yasha je von seinem Bruder gehört hatte. Der Halbdämon fasste beide Arme des Gefangenen und sah noch einmal zu seinem Bruder. „Er wird seiner Strafe nicht entgehen können, dafür sorge ich schon", versprach er und verließ dann das Zimmer mit dem Heiler, der keine Anstalten machte, sich zu wehren. Als Sesshoumaru alleine war, nahm er die Schale mit dem Trank zur Hand, den Amaru Hana eingeflößt hatte, als er zur Rede gestellt worden war. Hatte der Heiler es wirklich geschafft, sein ungeborenes Kind mit dieser Flüssigkeit zu töten? Viel schien nicht aus der Schale zu fehlen, aber das musste nichts heißen. Die Kräuter, die der Prinz erkennen konnte, waren hochgiftig für Youkai, die nicht über eigenes Gift verfügten. Vielleicht hatte Amaru aber auch nur bewirken wollen, dass Sesshoumaru mit seinem Vater und seinem Bruder das Zimmer verlässt, um nach Sora zu sehen und hatte deshalb nur behauptet, er hätte einem Kind etwas angetan. Und da der Erbprinz das Zimmer nicht verlassen hatte, hatte der Heiler die Geschichte von dem ungeborenen Kind erfunden, um ihn so abzulenken oder loszuwerden. Hana hatte auch nichts davon gesagt, dass sie ein Kind erwartete... Inu Yasha zerrte Amaru mit sich in den Kerker und dort in die erste Zelle, in der die rechte Hand des Häuptlings der Kagé-Youkai noch immer auf dem Boden lag, noch immer atmete, auch wenn er dem Tod eigentlich schon näher war als dem Leben. „Sesshoumaru war nicht zimperlich. Schau dir das gut an, das ist der Kerl, der die Drohbriefe geschrieben und ein Messer auf Sora geworfen hat. Du hast unser Vertrauen missbraucht und dafür gesorgt, dass der da die Briefe schreiben und das Messer werfen konnte. Außerdem bist du dafür verantwortlich, dass Hana in den letzten drei Tagen zwei Mal fast gestorben ist und zusammen mit Sora entführt wurde. Du wirst länger leiden als er. Viel länger. Komm.“ Inu Yasha zog den Heiler wieder aus der Zelle und verschloss die Tür wieder sorgfältig. Das Gefängnis nebenan war noch leer, also zerrte der Halbdämon den Verräter hinein und fesselte ihn so an die Wand, dass er die Arme ausstrecken und die Beine spreizen musste. Der Heiler ließ alles ruhig über sich ergehen, sagte auch bei der wirklich gründlichen Durchsuchung nichts. Als Inu Yasha alles doppelt und dreifach überprüft hatte, um sicherzugehen, dass Amaru wirklich nicht fliehen konnte, betrachtete er den alten Dämon nachdenklich. „Wieso wehrst du dich nicht oder versuchst zu fliehen?“, fragte er. „Was würde es bringen? Ich bin alt, ich wäre schnell wieder eingefangen“, erwiderte Amaru. „Gut. Aber warum hast du meine Familie so schändlich verraten? Du warst so lange unser Heiler, einer der engsten Vertrauten meines verehrten Vaters. Wieso hast du dich dazu entschieden, einem Feind zu helfen? Und wem hast du geholfen?“, wollte Inu Yasha wissen. „Ich bin meinem Fürsten treu ergeben. Mehr sage ich nicht dazu.“ Seinem Fürsten treu ergeben? Was sollte das bedeuten? Sah der Heiler den Inu no Taishou etwa nicht als seinen Fürsten an? „Wer ist dein Fürst?“, fragte der jüngere Prinz. „Ich sagte doch, dass ich nichts mehr sagen werde. Und glaubt mir, Inu Yasha-sama, Ihr, Euer Bruder und Euer Vater könnt mich foltern, so lange Ihr wollt, ich werde meinen Fürsten nicht verraten.“ Inu Yasha biss leicht die Zähne zusammen. Der einzige Fürst, der etwas gegen den Westen hatte und ihm spontan einfiel, war der des Nordens. „Warum gefährdest und tötest du dann die Tochter, die Enkelin und den ungeborenen Enkel deines Fürsten?“ Vielleicht konnte er ja auf diese Weise die... Treue des Heilers brechen. Aber der schwieg beharrlich, sah den Halbdämon einfach nur ruhig an. Er verriet weder, ob Hanas Vater wirklich sein Fürst war noch irgendwas anderes. „Du wirst dich noch meinem verehrten Vater gegenüber sehen. Er hasst nichts mehr als Verrat und Vertrauensmissbrauch. Viel Spaß“, meinte der Weißhaarige und ging. Als er wieder zu seinem Bruder in das Heilerzimmer kam, betrachtete der die Unterlagen, die auf Amarus Tisch lagen. Rezepte für heilende Tränke und Kräutermischungen sowie Informationen über Hanas bisherige Besuche bei dem Heiler und die Medizin, die er ihr gegeben hatte. Inu Yasha sah zu seiner Schwägerin. Sie schien friedlich zu schlafen, ihr Atem ging zwar noch immer flach und rasselnd, aber etwas gleichmäßiger als vorher. „Vater hat mit Sora das Schloss verlassen, er meinte aber, sie seien schnell wieder zurück“, sagte er. Sesshoumaru nickte nur. Er hatte das Rezept gefunden, mit dem Amaru den Trank zubereitet hatte, den er Hana hatte einflößen wollen. Alles hochgiftige Kräuter. Nur eine Zutat war nicht giftig, sondern schützend. Die sollte wohl bewirken, dass der Mutter nichts geschah, wenn ihr Kind starb. „Das Rezept... was bewirkt es?“, fragte Inu Yasha plötzlich. „Was meinst du?“, fragte sein Halbbruder. „Bevor ihr mit Hana und Sora zurückgekehrt seid, war ich bei Amaru. Ich wollte ihn wecken, damit er sich sofort um die beiden kümmern kann, wenn ihr sie zurückbringt. Du hattest ihn aber schon geweckt und er war mit etwas beschäftigt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dieses Rezept auf dem Tisch lag, auch wenn ich es nicht gelesen und mir daher nichts weiter dabei gedacht habe.“ „Dann hat er sich wohl schon vorgenommen, Hana mit diesem Trank zu vergiften, als wir sie von dem Überfall im Wald hierher gebracht haben“, schloss Sesshoumaru und legte das Rezept wieder weg. „Sora, wie bist du darauf gekommen, über deine Zeichnung „Schatten“ zu schreiben?“, fragte der Fürst. „Ich hab gehört, dass Mama „Schatten“ gesagt hat, als sie die Soldaten gesehen hat und dachte, dass es euch helfen würde. Und dann hab ich noch einen der Soldaten gezeichnet und beschriftet, wie mir der Lehrer schon einige Male gezeigt hat“, antwortete seine Enkelin. „Du bist ein wahnsinnig kluges Kind, Kleines. Ich bin sehr stolz auf dich“, sagte der Taishou. Sora war zufrieden. Ihr Vater hatte ihr gesagt, dass er stolz auf sie war und jetzt noch ihr Großvater. Der setzte das Mädchen ab, als das Schloss vor ihnen lag. Sesshoumarus Mutter legte viel Wert auf Etikette, seine Enkelin zu tragen gehörte sicherlich nicht dazu, wenn die laufen konnte und bevor seine Gefährtin noch auf die Idee kam, sich in die Erziehung ihrer Enkelin einzumischen, musste sie die wohlerzogene Prinzessin geben. Sesshoumarus Tochter wusste das. Sie hatte ihre Großmutter zwar noch nicht sehr oft gesehen, weil die eher selten zu Besuch kam und Sesshoumaru seine Tochter nicht mitnahm, wenn er seine Mutter besuchte, aber Sora wusste, dass sie sich ihrer Oma gegenüber genauso benehmen musste wie gegenüber ihrem zweiten Großvater. Als die beiden auf das Schlosstor zukamen, wurde es unverzüglich geöffnet. Sora sah sich aufmerksam um. Das Schloss war nicht so groß wie das des Taishou, es gab nur einen kleinen Kampfplatz und einen Garten neben und hinter dem Schloss. „Komm, Sora“, sagte der Fürst. „Ja, ojii-sama“, erwiderte die Achtjährige und schloss sich ihrem Großvater an, blieb einen Schritt rechts hinter ihm und reckte ihren Kopf ein wenig. In der Eingangshalle erwartete Sesshoumarus Mutter die beiden bereits. Sie neigte höflich den Kopf vor ihrem Gefährten. „Welch eine unerwartete Überraschung, oyakata-sama. Was verschafft mir die Ehre Eures Besuchs und dem unserer Enkeltochter?“, fragte sie. „Es ist nur ein kurzer Besuch. Wir brauchen einen Heiler“, antwortete der Taishou. „Einen Heiler?“, hakte die Fürstin überrascht nach. „Ja. Amaru hat in letzter Zeit einige Fehler begangen, daher möchte ich nicht, dass er sich weiter um unsere Schwiegertochter kümmert“, erklärte der Fürst nur. „Ihr habt Glück, oyakata-sama, die Ausbildung meiner Heilerschülerin ist seit ein paar Wochen beendet, so muss keiner von uns einen neuen Heiler suchen, mir genügt eine Heilerin.“ Die Entscheidung, ob das Familienoberhaupt die ältere Heilerin oder ihre gerade erst fertig ausgebildete Schülerin mitnahm, lag natürlich bei ihm. „Dann lass der jungen Heilerin ausrichten, dass sie jetzt in meinem Schloss als Heilerin arbeiten wird.“ Sesshoumarus Mutter sah zu dem Diener, der in ihrer Nähe hockte. „Du hast es gehört. Richte Ayaka aus, dass sie umgehend in das Schloss des Taishou gehen wird.“ Der Diener verneigte sich und huschte davon. „Darf ich fragen, was vorgefallen ist?“, fragte die Fürstin. Ihr Gefährte warf einen flüchtigen Blick auf Sora, die den Kopf höflich gesenkt hielt und ganz still stand. „Unser Sohn wird dich besuchen und dir erklären, was vorgefallen ist“, sagte er. „Und darf ich wenigstens erfahren, weshalb Ihr Sora mitgebracht habt?“ „Ich dachte, du würdest unsere Enkeltochter gerne mal wieder sehen wollen.“ Der Taishou bemerkte das Zucken ihrer Mundwinkel. „Ich hoffe, sie weiß inzwischen, wie man sich anständig benimmt“, meinte die Großmutter und musterte das Mädchen von oben bis unten. „Was meinst du? Sie benimmt sich vorbildlich“, erwiderte das Familienoberhaupt. „Da sagt die Schwiegermutter unseres Sohnes aber etwas anderes. Sie sagte, unser Enkelkind wisse nicht, wie man sich Ranghöheren gegenüber benimmt.“ „Du pflegst den Kontakt zu Hanas Stiefmutter?“ „Nicht mehr als gelegentliche Briefe, hin und wieder besucht sie mich.“ „Weißt du, inwieweit sie über die Pläne ihres Gefährten informiert ist?“ „Etwa so gut wie ich über Eure“, sagte die Fürstin. Sie ließ sich nicht anmerken, dass das Verhalten ihres Gefährten sie verwirrte. Sie sah zu der Tür, durch die der Diener verschwunden war und jetzt mit der frischgebackenen Heilerin eintrat. Der Fürst musterte die junge Dämonin. Sie dürfte etwas jünger als Hana sein, wenn er bedachte, wie lange dämonische Heiler ihre Schüler ausbildeten und in welchem Alter Youkai eine solche Ausbildung begannen. Ayaka hatte schwarzes Haar und dunkle Augen. Sie war zierlich und klein. Und sie musterte Sora heimlich, mit unverhohlenem Interesse. Ein Grund, weshalb der Taishou lieber die jüngere Heilerin wollte, war dass er von ihrer Ausbilderin wusste, dass sie nicht mit Kindern umgehen konnte. Vielleicht würde Ayaka mit Sora besser zurecht kommen. Und der andere war, dass Hana vielleicht eine neue Freundin in der Heilerin finden würde. „Gut. Verzeih mir, aber wir sollten so schnell wie möglich wieder zurück in mein Schloss. Sesshoumaru wird dich in nächster Zeit dann besuchen.“ Dann konnte der sich der Kritik am Verhalten seiner Mutter aussetzen... „Vielleicht bringt er auch unsere Schwiegertochter mit.“ Sora biss sich etwas auf die Zunge. Nicht, dass aus Versehen etwas wie „Mama kann Oma doch nicht ausstehen“ oder so von ihr zu hören war. „Ich freue mich schon.“ Das klang nicht überzeugend. Sesshoumarus Mutter und Sesshoumarus Gefährtin konnten sich gegenseitig nicht leiden. Ayaka verneigte sich noch einmal gegen ihre nun ehemalige Herrin, ehe sie sich dem Fürsten anschloss. Die Fürstin war insgeheim froh, dieses junge Ding loszuwerden. Ayaka war zwar fähig, obwohl sie noch so jung war, aber auch manchmal etwas vorlaut. „Wie... wie geht es dir eigentlich?“, fragte Inu Yasha vorsichtig. Sein Bruder sah ihn an. „Wieso fragst du das?“ „Na ja, ich meine... Amaru hat... er hat...“ Der Halbdämon konnte und wollte es nicht aussprechen. „Er hat etwas behauptet. Hana hat mir nichts davon gesagt, dass sie ein Kind erwartet. Es ist also gut möglich, dass er gelogen hat.“ „Eine Lüge hätten wir doch festgestellt.“ „Inu Yasha, es gibt durchaus Youkai, die es vermögen zu lügen, ohne dass man es bemerken kann. Es ist gut möglich, dass Amaru eine ähnliche Technik beherrscht wie meine Tochter und ich und nicht mal wir es bemerken, wenn er lügt.“ Sesshoumaru betrachtete Hanas Gesicht. Sie schwitzte nicht mehr. „Wie... welche Technik meinst du?“, wollte der Jüngere wissen. „Ich kann meinen Geruch mit Hilfe meines Youki verstecken.“ War dem das etwa noch nie aufgefallen? „Merkt man dann nicht, dass du Youki einsetzt?“ „So viel Energie braucht man nicht.“ „Und Sora kann das auch?“ Inu Yasha klang ungläubig. „Schön, dass ich meine Tochter doch besser kenne als du. Sie kann das auch.“ „Obwohl sie so jung ist?“ Sesshoumaru zog nur eine Augenbraue hoch. Nicht mal Sora stellte ihren Lehrern oder sonst wem so viele Fragen und ließ sich dann auch noch alles doppelt und dreifach erklären. Die Brüder sahen auf, als die Tür sich öffnete und neigten die Köpfe, als ihr Vater eintrat. „Das ist Ayaka, sie wird Amaru als Heilerin ersetzen. Sesshoumaru, Inu Yasha, ihr kommt mit mir. Ayaka, kümmere dich um meine Schwiegertochter und Sora... bleib hier, aber störe die Heilerin nicht“, sagte der Fürst. Alle vier verneigten sich und befolgten ihre Befehle. Sora setzte sich auf den Stuhl in der Ecke des Zimmers und beobachtete, wie die neue Heilerin zu ihrer Mutter trat und sich die Wunde an der Schulter ansah. „Sesshoumaru, möchtest du lieber hier im Schloss bleiben oder zu den Schattendämonen gehen und mindestens den Häuptling hierher bringen?“, fragte der Taishou noch auf dem Weg in sein Arbeitszimmer. „Ich würde gerne den Kagé-Youkai einen Besuch abstatten, verehrter Vater“, erwiderte sein Erbe. „Gut, dann mach dich reisefertig und breche auf. Inu Yasha, du begleitest deinen Bruder“, sagte das Familienoberhaupt. „Ja, verehrter Vater“, erwiderten die Prinzen mit einer Verneigung und auf einen Wink ihres Vaters gingen sie los, um ihre Waffen und Rüstung zu holen. Die Schattendämonen sollten sich schon mal darauf gefasst machen, aufgemischt zu werden... Der großgewachsene Kagé-Youkai mit dem dezenten, goldenen Stirnreif eines Häuptlings schritt schneller als gewohnt durch das Dorf auf seinem täglichen Rundgang. Sein Plan funktionierte nicht, wie er es geplant hatte. Vielmehr war es der Plan des gnädigen Herrn, der ihm und seinen Schützlingen versprochen hatte, dafür zu sorgen, dass es ihnen bald besser gehen würde, wenn sie ihm dabei halfen, den Westen anzugreifen und zu schwächen oder gar zu entmachten. Die rechte Hand des Häuptlings hätte eigentlich schon längst zurück sein müssen. Die Soldaten waren schon vor Stunden zurückgekehrt und hatten berichtet, dass sie die beiden Hundemädchen, Mutter und Tochter, wie befohlen in das Gefängnis gebracht hatten. Zwei der Soldaten hatten sich einige Knochenbrüche und Prellungen zugezogen, aber sie hatten niemanden verloren. Bis auf den Vorsitzenden des Rates. Was hatte der nur angestellt? Er hatte doch lediglich ein Portal in die Schattenwelt erschaffen und den Fürsten und die Prinzen dazu bringen sollen, da durch zu springen. Der Häuptling betrat die Höhle des Schamanen, wo die beiden verletzten Soldaten auf Strohmatten lagen. „Ihr dürft die Schweigestunden brechen. Erzählt mir genau, wie der Überfall abgelaufen ist und wie ihr die Gäste in ihr Zimmer gebracht habt“, forderte der Häuptling. Jeden Tag gab es einige Stunden, in denen kein Stammesmitglied ohne Erlaubnis des Häuptlings sprechen durfte. Die Zeit diente der Meditation und rituellen Reinigung. „Herr, wie befohlen hielten wir uns im Wald auf und warteten. Als die Hexe den Zauber gesprochen hatte, ging sie ins Schloss und kam mit der Information zurück, wo die Prinzessinnen sich aufhielten. Sie erklärte uns die beiden Wege zum Arbeitszimmer des Erbprinzen und wir teilten uns auf, um ihre Fluchtwege zu blockieren“, begann der erste. „Als wir in das Arbeitszimmer eindrangen, hatte die Prinzessin bereits gezogen. Wir haben sie überwältigt und zusammen mit ihrer Göre in das Kellerloch gesperrt“, fuhr der zweite fort. „Wie wurdet ihr verletzt?“, wollte ihr Herr wissen. „Herr, dieses Weibsstück hatte ihr Schwert gezogen. Bei einigen Paraden haben wir uns Kratzer zugezogen. Und mir hat das Biest tatsächlich ein Tintenfass entgegengeworfen. Ich konnte gerade noch ausweichen, aber dann hat sie mich getreten und mich dazu benutzt, den Schreibtisch zu zerhauen“, antwortete der Erste. „Und mich hat dieses verfluchte Miststück durch das Fenster geworfen, nachdem ich ihr das Handgelenk gebrochen und ihr ihr Schwert durch die Schulter gejagt habe. Wenigstens konnte ich ihre Klinge noch vergiften, ehe ich sie damit verletzt habe. Verdammtes Drecksstück! Ich hoffe, sie verreckt in diesem Loch!“, fluchte der Zweite, ehe eine grünlich leuchtende Schnur ihn zerteilte und sein Blut durch die Höhle spritzte. Der Häuptling fuhr herum und wollte schon angreifen, als er erkannte, wer da vor ihm stand. „Se... Sess...“ Die Prinzen musterten ihn kalt. „Wir haben ein paar Fragen an dich“, sagte Sesshoumaru grollend. „Bitte, lasst uns in meine Höhle gehen“, bat der Häuptling. „Nein.“ Es war immer so lästig, wenn die Gefangenen versuchten zu fliehen. „Wer hat dich angestiftet und wer aus diesem Stamm ist noch involviert?“ „Ich... bin kein Verräter und außer meiner rechten Hand Takoya ist niemand involviert.“ „Takoya heißt er also. Er hat hinterher gesungen wie ein Vogel, als mein Bruder ihn befragt hat“, meinte Inu Yasha. Der Häuptling schluckte nur. „Entweder du verrätst uns jetzt alles, oder wir gehen durch die Höhlen und töten einen nach dem anderen“, sagte Sesshoumaru. „Euer Vater würde Euch nicht erlauben Unschuldige zu töten“, erwiderte sein Gegenüber. Wieder erschien die leuchtende Schnur an den Fingern des Erben und tötete auch den zweiten Soldaten in der Höhle. „Ich kann das den ganzen Tag, bis dein ganzer Stamm und damit deine ganze Rasse ausgelöscht ist.“ „Ich... ich kenne den genauen Auftraggeber nicht“, gestand der Häuptling. Die Prinzen kamen näher. „Euer Heiler hat uns die Informationen aus dem Schloss zugespielt!“, rief der Schattendämon und wich zurück. Sein Schamane hatte sich in die hinterste Ecke der Höhle verkrochen. „Hat er dir auch den Auftrag gegeben, uns anzugreifen?“, fragte er Erbprinz. „N... nein!“ Die schwarze Gestalt war an der Wand angelangt. „Wer war es?“ Der Inu-Youkai kam näher und seine Finger umgab ein grünes Leuchten. „I... ich bin kein Verräter!“, keuchte der Häuptling. Ein unheilvolles Knurren grollte in der Kehle des weißhaarigen Dämons und seine giftigen Klauen schlossen sich um den Hals des an der Wand Stehenden. „Wer?“ „Takumi-sama, sagt es ihm!“, rief der Schamane erschrocken. Der Häuptling rang nach Luft. „E... es war... Sesshoumaru-sama, es war Eure Gefährtin, Hana-hime!“ ________________________________________________________________________________ Da seid ihr platt, was? Hani war nicht mit allem einverstanden, was in diesem Kapitel passiert ist. Wer sie kennt, kann sich denken, weswegen es fast Ohrfeigen gehagelt hätte. ^^ Kommis wie immer gerne gesehen, Lob und Kritik. (Wir wollen ein Lob dafür, dass das Kapitel über 4300 Wörter hat. ;D) Jenny & Hani Kapitel 15 ---------- Amaru sah nur kurz auf, als der Taishou seine Gefängniszelle betrat. Er blieb unverändert ruhig, auch wenn seine Arme langsam anfingen zu schmerzen. „Warum?“ Der alte Dämon hätte fast die Augen verdreht. Wie oft wollten die Hunde ihm diese Frage denn noch stellen? „Ich habe meinem Fürsten Treue geschworen und nur seine Befehle ausgeführt. Mehr werde ich auch Euch nicht sagen, oyakata-sama.“ „Wer ist dein Fürst, wenn ich es nicht bin?“, wollte der Daiyoukai wissen. „Ich werde nichts mehr sagen“, antwortete Amaru. „Ihr könnt mich meinetwegen zu Tode foltern, ich werde meinen Herrn trotzdem nicht verraten.“ „Ich frage mich wirklich, wie ich mich so in dir täuschen konnte. Mein verehrter Vater hat dir vertraut, er hat sein Leben in deine Hände gelegt. Hast du ihn mit Absicht sterben lassen? Hast du ihn sogar umgebracht?“ Der Heiler sah abschätzend in die kalten, goldenen Augen. „Euer Vater wäre nie wieder ganz gesund geworden“, sagte er. „Also hast du ihn sterben lassen? Du hast meinen Vater getötet... Was noch? Hast du meiner Mutter auch ganz bewusst zu viele Beruhigungskräuter gegeben und sie wollte sich gar nicht das Leben nehmen? Wen hast du noch auf dem Gewissen? Hatte ich früher vielleicht noch Geschwister? Hast du einem meiner Söhne mal etwas angetan oder es versucht? Oder meiner Schwiegertochter? Meiner Enkelin?“, fragte der Fürst. „Eure Mutter erwartete ein Kind, als sie starb. Und sie sammelte die Kräuter nicht, bis sie genug für einen Selbstmord hatte. Sie verstand nichts von Kräutern. Ich hatte leider noch nicht die Gelegenheit dazu, Euren Nachkommen etwas anzutun. Abgesehen von Eurem ungeborenen Enkel, den ich getötet habe, als Ihr erkannt habt, dass meine Treue nicht Euch gilt.“ Der Schlag, den der Taishou dem Heiler daraufhin verpasste, raubte dem älteren Dämon augenblicklich das Bewusstsein. Er atmete noch, hing aber leblos in den Fesseln. Der Daiyoukai atmete ein paar Mal tief durch und verließ dann die Zelle. Im Vorbeigehen warf er einen Blick in das Gefängnis des Schattendämons. Er atmete noch, sah aber ansonsten recht tot aus. Sesshoumaru arbeitete sorgfältig. Der Heiler würde vielleicht eine Premiere erleben und der Erste sein, der von Vater und Sohn gemeinsam hingerichtet wurde... Ayaka hatte die Wunde der Erbprinzessin sorgfältig gereinigt und frisch verbunden. Der Heiler, der die Prinzessin vorher behandelt hatte, hatte Fehler gemacht. So, wie die Wunde versorgt worden war, hätte sie nicht sauber abheilen und eine dauerhafte Schädigung des Armes zurücklassen können. Die Heilerin warf einen Blick zu Sora, die ganz still auf ihrem Stuhl saß und ihre Mutter betrachtete. Das Kind sah wirklich müde aus. Irgendwas musste in diesem Schloss vorgefallen sein, dass der Fürst seine Enkelin hier im Zimmer bleiben ließ, anstatt sie zu Bett zu schicken. „Eure Mutter wird wieder gesund werden, Sora-hime“, sagte Ayaka. „Du musst mich nicht mit dem höflichen Plural ansprechen, ich bin erst acht Jahre alt“, erwiderte Sora. Die junge Dämonin verneigte sich leicht und machte sich dann daran, sich mit den Unterlagen des vorherigen Heilers vertraut zu machen. Als erstes fiel ihr Blick auf den Trank, der noch auf dem Tisch stand und auf das daneben liegende Rezept. Das war doch... Das konnte doch nicht wahr sein! Sie ging ruhig zum Behandlungslager, um Sora nicht in Aufregung zu versetzen, und tastete Hanas Unterleib ab, warf dann noch einen Blick auf die Schale. „Weißt du, ob deine Mutter etwas aus dieser Schale getrunken hat? Von diesem Trank?“, fragte sie die kleine Prinzessin. „Tut mir leid, das weiß ich nicht“, antwortete Sora. „Das macht nichts... Bist du giftig?“ Das Mädchen legte den Kopf leicht schief. „Was meinst du, Ayaka-san?“ „Kannst du Gift einsetzen? Oder einer deiner Eltern?“ „Ich bin erst acht, ob ich Gift einsetzen kann, weiß noch keiner. Aber ein Angriff meines verehrten Vaters ist das Dokkasou, die Giftblumenklaue. Warum fragst du das?“ „Damit ich weiß, welche Kräutermischungen ich deiner Mutter geben kann oder dir später, falls dir mal was passieren sollte.“ Ayaka legte das Rezept zur Seite und sah sich die Unterlagen über Hana an. „Wie alt war der Heiler, der deine Mutter vor mir behandelt hat?“, fragte sie. „Ich weiß es nicht genau. Aber er hat sich wohl schon um ojii-sama gekümmert, als der noch ein Kind war. Darum ist er mittlerweile wohl zu alt und macht Fehler. Schau dir noch das rechte Handgelenk meiner verehrten Mutter an. Das hat ganz komisch geknackt und war dann ganz komisch verdreht“, sagte Sora. Ayaka sah sich das Handgelenk von Hana an. Gebrochen war es nicht mehr, aber dadurch, dass es verdreht gewesen, wie Sora sagte, und nicht gerichtet worden war, war der Bruch falsch verheilt. Die Heilerin würde es noch mal brechen müssen... Aber besser nicht, so lange das Mädchen noch hier war. „Warst du schon mal bei dem Heiler und hast etwas von ihm bekommen? Ein Trank oder eine Salbe oder so was?“, fragte die schwarzhaarige Dämonin. „Ein paar Mal, wenn ich hingefallen bin und ein paar Kratzer hatte, dann hat er mir eine Salbe drauf gemacht“, berichtete die kleine Prinzessin. „Hast du Narben von diesen Kratzern?“ „Natürlich nicht.“ Sora klang pikiert. Sie war immerhin Sesshoumarus Tochter, da hinterließen doch kleine Kratzer bei ihr keine Narben! „Wenn man eine falsche Salbe benutzt, können sogar kleine Kratzer Narben hinterlassen“, erklärte Ayaka. Die Achtjährige zuckte nur mit den Schultern. Dann hatte Amaru bei ihr entweder keinen Fehler gemacht oder das Blut ihrer Eltern war zu stark, um mit einer falschen Salbe Narben zu verursachen. Ayaka und Sora zuckten leicht zusammen, als die Tür aufgeschoben wurde und der Taishou eintrat, sichtlich aufgebracht. „Was hat Amaru mit meiner Schwiegertochter gemacht?“, fragte er. „Er... hat einige Fehler bei der Behandlung gemacht. Ich habe sie beheben können, nur... jemand muss das Handgelenk der Prinzessin erneut brechen, es ist falsch verheilt, weil es nicht gerichtet wurde“, antwortete Ayaka und neigte sich etwas tiefer. „Sora, geh in meine Gemächer und leg ich dich schlafen, ich bin gleich bei dir“, sagte der Fürst. Seine Enkelin verneigte sich etwas. „Ja, ojii-sama.“ Als die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte und sie außer Hörweite war, trat der Daiyoukai neben Hana. „Warum ist sie noch immer bewusstlos?“, wollte er wissen, als er ihre rechte Hand nahm. Um die Knochen von Daiyoukai zu brechen, brauchte es einige Kraft, die der jungen, einfachen Heilerin sicherlich fehlte. „Sie... ist vergiftet worden. Ihr Körper hält sie in einem heilenden Schlaf, um sich erholen zu können“, erklärte die Dämonin. Ihr neuer Herr fand die falsch zusammen gewachsene Stelle recht schnell und mit einer schnellen Bewegung brach er sie wieder. Ayaka fand zwei Holzstücke, die verwendet wurden, um gebrochene Gliedmaße in der richtigen Position zu halten und zu verhindern, dass sie verdreht verheilten. Sie drehte das Handgelenk der Prinzessin, bis es wieder sauber stand, dann legte sie die Holzstücke an und fixierte sie mit einem Streifen Mull. „Ist Hana schwanger?“, fragte der Taishou. „Ja, ist sie.“ „Und es geht beiden gut?“ „Ja. Oyakata-sama, Euer vorheriger Heiler... er...“ Sie wusste nicht, wie sie es ausdrücken sollte. „Er ist ein Verräter. Er hat die Fehler mit Absicht gemacht. Er hat wohl auch versucht, das ungeborene Kind zu töten.“ Der Daiyoukai biss die Zähne zusammen. „Ja, das hat er. Mit einem Trank, der seit Jahrhunderten nicht mehr benutzt wird, weil er auch immer die Mutter gefährdet. Wusste Euer Heiler, dass Sesshoumaru-sama mit Gift kämpfen kann?“, fragte Ayaka. „Ich denke schon. Einige Diener werden diverse Male mit Verätzungen bei ihm gewesen sein. Warum fragst du das?“ „Weil diese Tatsache sowohl das ungeborene Kind als auch Hana-hime gerettet hat. Mit gewöhnlichen Giften kann diesem Kind nichts angetan werden, weder während es im Mutterleib ist, noch danach. Und ungeborene Welpen sind egoistisch. Dieser Welpe hat nicht zugelassen, dass seine Mutter von dem Gift getötet wird, weil es sein eigenes Ende bedeutet hätte.“ „Amaru hat genau Buch darüber geführt, wen er wie behandelt hat. Schau dir diese Aufzeichnungen genau an und vermerke, wo es Fehler gibt“, ordnete der Fürst an und verließ das Zimmer. Auf dem Flur fand er seine Enkeltochter, die auf der Treppe stand. Sie betrachtete den Diener ihres Vaters, Jaken. „Sora? Hatte ich dir nicht gesagt, dass du in meine Gemächer gehen sollst?“, fragte der Großvater streng. Die kleine Prinzessin wandte sich um. „Verzeihung, ojii-sama, aber Jaken... er bewegt sich“, sagte sie. Der Daiyoukai trat näher. Tatsächlich, der kleine Dämon bewegte sich, als würde er jeden Moment aufwachen. Sora stieß den Grünling vorsichtig an und er schlug verwirrt die großen, gelben Augen auf. Als er erkannte, wer vor ihm stand, war er in einem Sekundenbruchteil auf den Knien, die Stirn gegen die Treppe gedrückt. „Oyakata-sama, Sora-hime“, brachte er hervor. „Jaken, geh durch das Schloss und sieh nach, ob du noch jemanden wecken kannst. Sag allen, dass sie nicht zum Heiler gehen können. Die, die Verletzungen haben, sollen in ihre Kammern gehen und sich dort ausruhen, alle anderen sollen sich an ihre Arbeit machen“, befahl der großgewachsene Dämon. „Wie Ihr wünscht, oyakata-sama“, erwiderte Jaken und rutschte auf den Knien die Treppe runter, ehe er verschwand. „Eins muss man deinem Vater lassen: Er weiß, wie man seine Diener gefügig macht... Komm, Sora, du solltest noch ein wenig schlafen“, meinte der Fürst. „Ja, ojii-sama“, erwiderte die Achtjährige und folgte ihrem Großvater. In seinen Gemächern durfte sich Sora an den Taishou kuscheln und schlief so schnell ein. Der Daiyoukai nutzte diese ruhige Phase um etwas zu tun, was er schon seit Jahrhunderten nicht mehr getan hatte. Er erinnerte sich an die Vergangenheit, an seine Vergangenheit... Der Erbprinz des Westens hatte von seinem Vater für einige Tage die Verantwortung für das Schloss übertragen bekommen. Der Fürst war mit der Hälfte seiner Armee losgezogen, um dem Norden die Grenzen noch einmal deutlich zu machen. Etwas, was nicht gerade selten vorkam. Der Fürst des Nordens versuchte immer noch sich das Reich seines Bruders anzueignen, weil er seiner Meinung nach ungerecht behandelt worden war. Sein Vater hatte nämlich das Nord- und das Westreich regiert und es unter seinen Söhnen aufgeteilt. Der Ältere der Zwillinge war jetzt der Fürst des kleinen, dünn besiedelten Nordreichs, weil sein Vater der Meinung war, dass er sich nicht dazu eignete, ein großes Gebiet mit vielen Einwohnern zu beherrschen. Der Jüngere hatte das Westreich bekommen, was größer war und mehr Einwohner hatte, weil er genau den Vorstellungen seines Vaters entsprach. Der Prinz des Westens versuchte sich daran zu erinnern, ob sein Vater und sein Onkel jemals aufeinander getroffen waren, ohne sich gegenseitig wenigstens zu beleidigen. Seit einigen Tagen war der Fürst des Westens jetzt schon weg, was für seinen Sohn aber kein Grund zur Sorge war. Wenn sein Vater zurückkehrte, könnte er vielleicht sogar schon seinen ersten Enkel kennen lernen. Allzu lange würde es bis zur Geburt nicht mehr dauern. Der Erbprinz würde es nie zugeben, aber aufgeregt war er schon. Er war gerade auf dem Weg, nach seiner Gefährtin zu sehen, ob er noch etwas für sie tun könnte, als ein Bote sich keuchend vor ihm auf den Boden warf und einen Brief hochhielt. Der Diener war so außer Atem, dass er nicht ein einziges Wort herausbrachte, was den Prinzen vor ihm dazu bewog anzunehmen, dass die Nachricht von seinem Vater kam. Er öffnete den Brief und las die Worte, die sein Vater ihm geschrieben hatte. „Geh sofort los und ruf die restlichen Soldaten zusammen, sie sollen sich bereit machen, loszuziehen, ich werde sie anführen“, ordnete der Prinz an und war verschwunden, ehe der erschöpfte Bote noch etwas sagen konnte. Die Fürstin, die gemeinsam mit ihrer Schwiegertochter in ihrem Gemach saß, sah überrascht auf, als ihr Sohn die Tür aufriss und sich nur leicht verneigte. „Mein Sohn...?“, fragte sie. „Verzeiht die Störung, haha-ue, aber ich erhielt soeben eine Nachricht von chichi-ue. Er hat mich sofort mit dem restlichen Heer zu sich befohlen“, erwiderte der Prinz. „Pass bitte gut auf dich auf, mein Sohn. Denk auch an deinen ungeborenen Sohn“, sagte die Fürstin. „Natürlich haha-ue“, antwortete ihr Sohn. „Geh jetzt, lass deinen verehrten Vater nicht zu lange warten.“ Er verneigte sich noch einmal, warf einen kurzen Blick zu seiner Gefährtin und ließ die beiden dann alleine. Als die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, sah die Prinzessin zu ihrer Schwiegermutter. „Verzeiht, verehrte Schwiegermutter, aber wie könnt Ihr wissen, dass das Kind ein Sohn wird? Es könnte doch auch ein Mädchen werden“, meinte sie. „Glaub mir, meine Tochter, das Kind wird ein Junge. Ein starker Erbe“, sagte die Fürstin. Der Prinz ließ sich derweil in seine Rüstung helfen und sein Schwert reichen und ging dann in den Schlosshof, wo sich die Soldaten schon versammelt hatten und nur darauf warteten, dass ihr junger Herr ihnen den Befehl zum Aufbruch gab. An der Grenze zum Nordreich war derweil die Schlacht in vollem Gange. Der Fürst des Nordens hatte seine ganze Armee anrücken lassen und auch seinen Sohn mitgebracht, sodass sie in der Überzahl waren. Nicht viel, aber es war immer ein Nachteil, in der Unterzahl zu sein. Die beiden Fürsten hatten die Klingen gekreuzt und versuchten den anderen zu überwältigen. „Wo ist denn dein Sohn, werter Bruder? Hatte der keine Lust? Oder kümmert er sich aufopferungsvoll um seine schwangere Gefährtin?“, fragte der Fürst des Nordens. „Was? Neidisch, weil dein Sohn es noch nicht geschafft hat, ein Kind in die Welt zu setzen, obwohl er schon länger verheiratet ist als mein Sohn?“, fragte sein Bruder zurück. „Ich wünsche dir unzählige Enkeltöchter!“ „Ich wünsche dir den Tod!“ Keiner der Fürsten sah auf, als die Kampfgeräusche um sie herum sich veränderten. Der Erbprinz des Westens war zusammen mit dem Rest des Heeres eingetroffen und hatte sich sofort auf die feindlichen Soldaten gestürzt, bis er seinen Cousin entdeckt hatte und den in die Mangel nehmen konnte. Hätten in dieser Gegend Menschen gelebt, hätten sie ihr Zuhause wohl nicht wiedererkannt. Der Boden war getränkt vom Blut der beiden Armeen, es lagen Leichen herum. Der Erbe des Nordens war einige Male wagemutig genug, seine eigenen Männer zu gefährden und seinen Cousin mit einer Energieattacke anzugreifen, was zwar ins Leere lief, aber auch tiefe Furchen im Boden hinterließ. Für Dämonen wirkte diese Schlacht noch vergleichsweise harmlos. Sie könnte noch viel mehr Opfer fordern. Der Fürst des Westens stemmte sich mit aller Kraft gegen seinen Zwillingsbruder und stieß ihn von sich, setzte ihm sofort nach und schlug zu. Der Ältere konnte gerade noch sein Schwert zur Verteidigung hochreißen und seinen Bruder abwehren. Beide atmeten schwer und hatten diverse Verletzungen davontragen müssen, waren aber dennoch nicht bereit, aufzugeben. Wie könnten sie auch? Schließlich ging es um ihre Ehre, um ihr Leben, um ihr Reich. „Weißt du eigentlich, was mich am meisten an dir ankotzt, Bruder?“, fragte der Fürst des Nordens. „Dass du als der Jüngere den Titel geerbt hast! Inu no Taishou! Er hat dich damit noch weiter über mich gestellt!“ „Weil ich einfach besser geeignet bin dafür!“ Der Taishou trat nach seinem Bruder und der wich aus. „Du hast dich einfach nur bei unserem Vater eingeschmeichelt, während ich daran gearbeitet habe, stärker zu werden, um dieses Schwert beherrschen zu können! Kannst du das? Lässt du dich nicht von Sou'unga beherrschen?“ „Natürlich nicht!“ Wieder klirrten die Klingen und Funken sprühten, als die dämonischen Energien der Schwerter sich trafen. Nicht weit entfernt waren die beiden Erbprinzen damit beschäftigt, sich wie ihre Väter zu bekämpfen und versuchten sich ebenso durch Worte aus der Fassung zu bringen, um einen Vorteil zu erlangen. „Dein Titel würde eigentlich mir zustehen!“, knurrte der Nordprinz. „Dann hättest du dir deinen Vater besser aussuchen müssen!“, giftete sein Cousin zurück und wich der linken Faust aus, die sein Gesicht hatte treffen sollen. „Du wirst dich gleich noch zu deiner Mami wünschen, wenn ich mit dir fertig bin!“ „Meine ist wenigstens nicht von meinem Vater ermordet worden!“ Der Westprinz schlug mit den Klauen zu und traf seinen Cousin im Gesicht, hinterließ einen tiefen Kratzer. „Bist du dir eigentlich sicher, dass deine Gefährtin von dir schwanger ist? Könnte es nicht auch ein Diener gewesen sein, der es besser drauf hat, als du?“ „Nein, mein Kind stammt nicht von einem Diener. Aber du solltest mal darüber nachdenken, einen zu bitten, für dich einzuspringen. Deine Gefährtin ist ja immer noch nicht schwanger. Wie lange seid ihr jetzt verheiratet?“ Das plötzliche Aufflammen von Youki ließ sie auseinander springen. Die beiden Fürsten hatten ihre Energie losgelassen und damit die Schlacht unterbrochen. Weitere Befehle waren nicht nötig, damit die Heere sich trennten und sich weit hinter ihren Fürsten sammelten. Jeder verstand, was es bedeutete, wenn die Energien so aufflammten: Statt einer Schlacht Armee gegen Armee kämpften die Fürsten miteinander, in ihrer wahren Gestalt. Höchstens einer würde lebend aus diesem Kampf herauskommen, wenn beide starben, müssten die Erben entscheiden, ob sie entweder den Kampf ihrer Väter fortsetzen, einen Waffenstillstand schließen oder die Schlacht weiterführen wollten. Alle Zuschauer kniffen unwillkürlich etwas die Augen zusammen, als die Gestalten der Fürsten aufleuchteten und sich veränderten. Schließlich standen zwei riesige, weiße Hunde sich gegenüber. Tiefes Grollen kam aus ihren Kehlen, sie umkreisten sich abschätzend. Schon oft hatten die Brüder sich bis aufs Blut bekämpft, hatten sich gegenseitig mehrfach fast getötet. Das hier würde jetzt der letzte Kampf sein, einer von beiden würde sterben. Der Fürst des Nordens war der erste, der lossprang. Sein Bruder wich aus und versetzte ihm einen kräftigen Schlag mit der Pranke, riss das Fell an der Flanke auf, was er gleich darauf heimgezahlt bekam, als der Ältere den Kopf herumriss und sich in der Brust des Jüngeren verbiss. Für menschliche Augen war schon nach kurzer Zeit nicht mehr nachvollziehbar, welcher Hund der Fürst des Westens und welcher sein älterer Bruder war, aber die Dämonen, die den Kampf angespannt beobachteten, konnten noch mit Leichtigkeit den Überblick behalten. Der Taishou war der Hund, der gerade seinen Bruder auf dem Boden festhielt und ihm mit den Hinterpfoten den Bauch aufriss, in der Hoffnung so an die Kehle des Unterlegenen zu kommen. Doch der Ältere schaffte es, sich freizukämpfen und seinem Zwilling ein großes Büschel Fell auszureißen. Der Erbprinz des Westens spannte unwillkürlich seine Hand an. Die Hunde rollten über den Boden, bissen und kratzten sich gegenseitig und bis jetzt war niemand dem anderen überlegen. Das einzige, was zu diesem Zeitpunkt abzusehen war, war dass der Kampf nicht mehr allzu lange gehen würde. Beide Kontrahenten verloren viel Blut und wurden langsamer, Fell lag überall verteilt und schwamm teilweise in den Blutpfützen. Dann endlich schaffte es einer der Hunde, seinen Bruder abzuwerfen und sich gleich darauf auf ihn zu stürzen und seine Zähne in seiner Kehle zu versenken. Der am Boden liegende rang nach Atem, doch der Überlegene biss fester zu, bis keine Gegenwehr mehr kam. Die Umstehenden hielten unwillkürlich die Luft an, als der Gewinner von seinem Zwilling zurücktrat und sich verwandelte. Der Taishou wankte etwas, aber er stand. Sein Sohn sprang neben ihn und verneigte sich etwas. „Lass uns gehen, um den Norden kümmern wir uns später“, sagte der Fürst. „Wir Ihr wünscht, chichi-ue“, erwiderte der Prinz. Er erkannte, dass sein Vater so schnell wie möglich zum Heiler gebracht werden sollte. „Keine Sorge, mein Sohn, ich werde nicht sterben, bevor ich nicht einen starken Enkelsohn habe“, versprach der Taishou, der die Sorge im Gesicht seines einzigen Kindes erkannte. Die beiden waren schon vor dem Heer am Schloss, da sie im Gegensatz zu den einfachen Soldaten dazu in der Lage waren, ein Dimensionsportal zu öffnen. Na ja, der Prinz war dazu in der Lage und nahm seinen Vater mit. Als sie das Schloss betraten, gerieten alle Diener sofort in helle Aufregung. Der Fürst war mittlerweile so geschwächt, dass sein Sohn ihn stützen musste. So war es auch nicht weiter verwunderlich, dass der Heiler Amaru schon darauf vorbereitet war, sich um seinen Herrn zu kümmern. Der Erbe half seinem Vater auf das Behandlungslager und wurde dann von Amaru aus dem Zimmer geschickt. Seine Verletzungen konnten warten. Seine Gefährtin und die Fürstin kamen den Flur entlang. „Du liebe Güte, was ist denn passiert?“, fragte Letztere. „Chichi-ue hat es geschafft, seinen Bruder in einem direkten Kampf zu bezwingen. Aber der Kampf war hart“, erwiderte ihr Sohn. „Geht es dir denn gut?“ „Ja, haha-ue, ich bin nicht schwer verletzt worden.“ Der Prinz sah zu seiner Gefährtin die noch blasser wirkte als sonst. „Ist mit dir alles in Ordnung?“ „Ja“, brachte sie hervor, aber ihr Gesicht sagte etwas anderes. „Die Wehen haben eingesetzt“, stellte ihre Schwiegermutter fest. „Was? Jetzt?“, fragte der werdende Vater. „Soll sie dem Welpen sagen, dass es jetzt ungünstig ist und er es morgen noch einmal versuchen soll?“ Die Fürstin legte einen Arm um ihre Schwiegertochter. „Ich bringe sie in ihr Zimmer und du holst die Heilerin aus dem Kräutergarten.“ Ihr Sohn nickte nur kurz und machte sich auf den Weg. Er war recht froh, dass seine Gefährtin darauf bestanden hatte, eine Heilerin zu haben, um ihr bei der Schwangerschaft und der Geburt beizustehen. Nachdem sowohl sein Vater als auch seine Gefährtin von jeweils einem Heiler betreut wurden, gab es für den Prinzen nichts anderes zu tun, als darauf zu warten, dass einer der beiden Heiler ihm etwas sagte. ________________________________________________________________________________ Es ist jetzt kein allzu großes Rätsel, wie der Rückblick ausgeht, aber das Ende kommt trotzdem erst im nächsten Kapitel. ^^ Lob, Kritik oder was auch immer dürft/ sollt ihr in Kommentaren hinterlassen. Bis denne Jenny & Hani Kapitel 16 ---------- Sesshoumaru und sein Bruder zogen den Häuptling der Kagé-Youkai aus der Höhle und auf den offenen Platz in der Mitte des... Dorfes. Aus den umliegenden Höhlen kamen einige andere Schattendämonen, um nachzusehen, was die Schreie von vor ein paar Augenblicken zu bedeuten hatten. Als sie sahen, dass ihr Häuptling gefangen worden war, wurden sie unruhig, die kampferprobten unter ihnen sahen kurz zu ihren Waffen, die an dem Eingang ihrer jeweiligen Höhle lehnten. Lediglich die Tatsache, dass sogar ihr Dorf wusste, dass weiße Haare und goldene Augen auf die Fürstenfamilie des Westens hinwiesen und dass Sesshoumarus Youki bedrohlich angestiegen war, hielt sie davon ab, ihre Waffen zu nehmen und anzugreifen. „Wer von euch weiß, was euer Stamm in letzter Zeit so getrieben hat? Außenpolitisch?“, fragte Inu Yasha. Die Schattendämonen sahen sich verwirrt an. „Sag ihnen, dass die Schweigestunden jetzt beendet sind“, sagte Sesshoumaru zu dem Häuptling. „Die Schweigestunden sind beendet!“, rief der auch sofort. „Muss ich meine Frage noch einmal wiederholen?“, wollte der jüngere Prinz wissen. „Ver... verzeiht, Herr, aber... was genau meint ihr? Was wird unserem Stamm vorgeworfen?“, fragte einer der Schattendämonen. „Hochverrat.“ Ein erschrecktes Aufkeuchen und aufgeregtes Geflüster ging durch die Kagé-Youkai. „Wo sind die Ratsmitglieder?“, verlangte der Erbprinz zu wissen. Fünf der Gestalten kamen etwas näher, blieben aber dennoch auf Sicherheitsabstand. „Alle anderen können sich verziehen!“, rief Inu Yasha. Die Schattendämonen sahen sich unsicher um und sahen fragend zu ihrem Häuptling, der nur ein Nicken zustande brachte. „Was wisst ihr über die Machenschaften eures Häuptlings der letzten Zeit?“, fragte der Halbdämon. Eines der Ratsmitglieder verneigte sich etwas. „Wir... wir wissen kaum etwas, Herr“, sagte er. „Wir haben nicht gefragt, wie viel ihr wisst, sondern was ihr wisst“, knurrte Sesshoumaru. „Herr, wir... wir wissen nur, dass Takumi-sama von jemandem versprochen bekommen hat, dass es unserem Stamm bald besser gehen wird, wenn wir seine Pläne unterstützen“, brachte ein anderer Schattendämon hervor. „Wir... wir wissen nur, dass unsere Soldaten die... die Prinzessinnen entführen sollten und dass Takoya-san Drohbriefe geschrieben hat. Takumi-sama war derjenige, der den Kontakt zu... zu dem Auftraggeber gehalten hat, kein anderer weiß, wie derjenige aussieht oder wie er heißt. Und... etwas genaueres über den Krieger, der Takumi-sama in letzter Zeit immer begleitet hat, wissen wir auch nicht“, ließ der dritte vernehmen. „Gut. Ihr könnt euch einen neuen Häuptling suchen und auch einen neuen Ratsvorsitzenden, eure jetzigen werdet ihr nicht mehr wiedersehen“, sagte Inu Yasha, ehe er und sein Bruder gingen, Takumi zwischen sich. Wieder im Schloss wurde der Schattendämon sofort ins Verlies gebracht und in eine Zelle gesperrt, wie schon seine Rechte Hand und der Heiler des Taishou zuvor. „Wer hat dich angestiftet?“, fragte Inu Yasha. „Das... das sagte ich doch! Es war Hana-hime!“, erwiderte Takumi. „Wie hat sie ausgesehen?“ „Na... wie ihr Vater, der Fürst des Nordens! Die gleiche Haarfarbe, die gleichen Augen... wie Eis! Und natürlich die Streifen auf den Wangen... Sie sagte auch ihren Namen! Ich schwöre bei meinem Stamm, dass es Hana-hime war!“ „Wir beschäftigen uns später mit ihm“, sagte Sesshoumaru und verließ mit seinem Bruder das Gefängnis. „Dann können wir ja auch Hana herbringen und sehen, ob er sie dann immer noch beschuldigt“, schlug der Jüngere vor. „Das würde nichts aussagen.“ Wenn Hana wirklich dahinter steckte, hätte sie dem Schattendämon gesagt, dass er ihren Namen da raus halten soll, was er nicht getan hatte, weil er Angst um sein Leben haben musste. Wenn sie vor ihm stünde und er sagen würde, dass sie es doch nicht war oder dass sich jemand für sie ausgegeben haben muss, könnte das gelogen sein, weil er sich durch ihre bloße Anwesenheit bedroht fühlen könnte. Man müsste herausbekommen, wann genau der Häuptling Hana gesehen haben wollte und dann Hana fragen, wo sie zu diesem Zeitpunkt war und das auch überprüfen. Der Erbprinz des Westens und seine Mutter warteten schon seit einiger Zeit auf eine Nachricht von einem der Heiler. Doch weder Amaru berichtete etwas über den Zustand des Fürsten noch meldete die Heilerin etwas über die Geburt. Keine Nachricht war eben doch nicht immer eine gute Nachricht. Schließlich kam die Heilerin zu dem Fürstensohn und der Fürstin und verneigte sich. „Meinen Glückwunsch, junger Herr, Eure Gefährtin hat soeben einen gesunden Jungen auf die Welt gebracht“, sagte sie. Der Daiyoukai atmete etwas durch und machte sich dann auf den Weg zu seiner Gefährtin und seinem Sohn, gefolgt von seiner Mutter. Die Erbprinzessin lag geschwächt auf ihrem Lager, ein kleines Bündel in den Armen, was sie fast schon liebevoll betrachtete. Als ihr Gefährte eintrat, sah sie ihn an und als er ihr den kleinen Welpen aus dem Arm nahm, lächelte sie. Er betrachtete seinen Sohn voller Stolz. „Habt Ihr Euch schon einen Namen überlegt?“, fragte die frischgebackene Mutter. „Ja, er soll...“ Der Prinz wurde von einem zögerlichen Klopfen unterbrochen. Amaru? Die Fürstin nahm ihrem Sohn ihren Enkel ab und er verließ das Zimmer. Der Heiler verneigte sich tief. „Was ist mit meinem Vater?“ „Er... ich... ich konnte nichts mehr tun. Es... tut mir...“ „Er ist tot? Willst du mir gerade sagen, dass mein Vater gestorben ist?“, fragte der Prinz. Amaru nickte etwas und schluckte hörbar. „Bereite einen Beruhigungstrank für meine Mutter zu, sie wird ihn brauchen.“ Er wusste, dass seine Mutter seinem Vater sehr nah stand, sein Tod würde sie sicherlich sehr erschüttern. „Er sieht genauso aus wie sein Großvater. Die beiden werden sicherlich große Freude aneinander haben“, meinte die Fürstin gerade zu ihrer Schwiegertochter. Die nahm ihren Sohn wieder zurück und wandte den Kopf zur Tür, als sie ihren Gefährten bemerkte. „Ist... etwas nicht in Ordnung?“, fragte sie, als sie sein Gesicht sah. „Chichi-ue... er... Amaru konnte ihm nicht mehr helfen“, erwiderte der Daiyoukai. „Was... was soll das heißen?“, wollte seine Mutter tonlos wissen. „Er... ist tot.“ „N... nein... das kann nicht... das ist nicht wahr... sag, dass das nicht wahr ist...“ Die Fürstin atmete heftig und verschluckte sich immer wieder. Ihr Sohn legte vorsichtig einen Arm um sie. „Komm, haha-ue, du solltest dich ausruhen“, sagte er sachte und brachte sie in ihr Zimmer. Amaru, der gerade mit dem Trank auf dem Weg zum Zimmer der Erbprinzessin war, sah die beiden und folgte ihnen in das Gemach der Fürstin, nun, jetzt war sie wohl eher die Fürstenmutter. Nachdem die Mutter des jungen Herrn eingeschlafen war, sah dieser zu dem Heiler. „Wie lange wird sie schlafen?“ „Ein paar Stunden, Herr. Dann werde ich nach ihr sehen und ihr noch einmal einen Trank zur Beruhigung geben, wenn sie ihn nötig haben sollte“, antwortete Amaru mit einer Verneigung. Der Daiyoukai vor ihm nickte nur knapp. „Gut.“ Dann verließ er das Zimmer seiner Mutter. Eigentlich hatte er sich schon vor längerer Zeit überlegt, wie sein Sohn heißen sollte, doch angesichts der neuesten Ereignisse hatte er diesen Plan geändert. Seine Gefährtin wagte es nicht, etwas zu sagen. Was sollte man auch schon zu jemandem sagen, der in einem Moment seinen lang ersehnten Erben bekommen und im nächsten seinen über alles verehrten Vater verloren hatte? Der neue Fürst ließ sich neben seiner Frau nieder und zog seinen kleinen Sohn zu sich. „Er soll Sesshoumaru heißen.“ „Nach Eurem ver... ehrten Vater?“ „Ja... Ich bin mir ziemlich sicher, dass er ein würdiger Nachfolger wird.“ Seine Gefährtin nickte etwas. „Das wird er bestimmt.“ Einige Tage später saß der neue Taishou in dem Arbeitszimmer, was nun seines war und bearbeitete einige Anträge, die nun an ihn adressiert waren. Sobald er damit durch war, würde er seinen Erben holen und ihn zu zu seiner Großmutter bringen. Sie bekam noch immer Beruhigungskräuter, wenn auch nicht mehr ganz so starke wie am Anfang. Sie schlief dadurch nicht mehr, sondern lag nur apathisch in ihrem Bett. Nur wenn sie ihren Enkel sah, kam wieder etwas Leben in die Dämonin. Der Fürst wurde von einem aufgeregten Klopfen unterbrochen. Sein Sekretär trat ein und warf sich zu Boden. „Was ist passiert?“, fragte der Daiyoukai. „Eu... Eure verehrte Mutter... Amaru sagte, dass...“ Der Herrscher stand sofort auf und verließ das Arbeitszimmer, noch bevor der Diener zu Ende sprechen konnte und lief zum Zimmer seiner Mutter. Der Heiler kniete neben der Fürstenmutter und sah zu Boden. „Was ist mit ihr?“ „Oyakata-sama, ich... ich habe ihr die Kräuter jeden Tag gegeben und sie konnte sie nehmen, wann sie es für nötig hielt... Sie... hat sie wohl gesammelt und... eine größere Menge genommen... Es tut mir aufrichtig leid“, sagte der Heiler und neigte sich vor. „Sie... hat... sie ist tot?“, fragte der Fürst nach. „Es tut mir aufrichtig leid“, wiederholte Amaru. Der Fürst nickte nur kurz und verließ dann das Zimmer. Innerhalb weniger Tage hatte sich sein ganzes Leben verändert und er fragte sich, ob er damit zurecht kommen würde... Der Taishou wurde aus seinen Gedanken gerissen, als bemerkte, dass seine Söhne den Flur entlang gingen. Er schob seine Enkelin vorsichtig von sich und verließ sein Zimmer. Sofort drehten die beiden Prinzen sich zu ihrem Vater um und verneigten sich. „Ihr habt den Häuptling eingesperrt. Habt ihr sonst noch einen Schattendämon mitgebracht?“, wollte der Fürst wissen. „Nein, chichi-ue. Die Aussagen der Ratsmitglieder deckten sich mit der ihres Vorsitzenden. Sie wissen kaum etwas, schon gar nichts Genaues“, erwiderte Sesshoumaru. „Gut. Wir gehen in Inu Yashas Arbeitszimmer“, ordnete das Familienoberhaupt an. Die Arbeitsräume der Prinzen lagen im Gegensatz zu seinem in Hörweite der Privaträume. Wenn Sora schreien sollte, würden ihre Verwandten sie hören und könnten sofort zu ihr kommen. Und da Sesshoumarus Arbeitszimmer noch aussah wie das Schlachtfeld, das es war, blieb noch Inu Yashas. „Habt ihr schon etwas aus dem Häuptling rausbekommen?“, fragte der Fürst, kaum dass die drei sich ihrer Rangfolge entsprechend niedergelassen hatten. „Er behauptet, dass Hana diejenige war, die ihm das Angebot gemacht hat, die Situation des Stammes zu verbessern, wenn der ihr hilft und dass sie auch die Anweisungen gegeben hat“, antwortete Sesshoumaru. „Hana? Hat er das näher erklärt?“ „Er konnte sie beschreiben und hat sie mit ihrem Vater verglichen“, erwiderte Inu Yasha. Der Fürst lehnte sich etwas zurück. Seine Schwiegertochter sollte hinter dieser ganzen Intrige stecken? Womöglich zusammen mit ihrem Vater? Er würde ihr das nicht zutrauen, aber Amaru hatte ihn über 3000 Jahre lang getäuscht, was sprach dann dagegen, dass Hana seit 150 Jahren nur vorgab, ihren Vater zu hassen und ihm den Rücken gekehrt zu haben? „Ayaka hat festgestellt, dass Amaru einen Fehler gemacht hat“, sagte der Taishou langsam. „Er hat nicht bedacht, dass du über ein eigenes Gift verfügst, Sesshoumaru.“ Seine Söhne sahen ihn leicht verwundert an. Was sollte das denn bedeuten? „Der Trank, den Amaru benutzen wollte, um dein ungeborenes Kind zu töten, hat seine Aufgabe nicht erfüllen können, weil das Kind dadurch geschützt ist, dass du giftig bist. Hana ist immer noch schwanger.“ Inu Yasha atmete etwas auf und meinte, kurz so etwas wie Erleichterung über das Gesicht seines Bruders huschen zu sehen, aber das war sicher ein Irrtum. „Amaru schweigt beharrlich. Er hat nicht verraten, wer sein Fürst ist und warum er so lange vorgetäuscht hat, uns treu zu sein. Folter wird bei ihm nichts bringen, das war nicht gelogen. Er wird die schlimmsten Schmerzen aushalten, ohne ein Wort zu sagen.“ So gut kannte der Fürst den alten Dämon dann doch noch. „Hat die Heilerin gesagt, wann Hana wieder aufwachen wird, damit wir sie befragen können?“, fragte Sesshoumaru. „Sie befindet sich in einem Heilschlaf. Je nachdem wie schwer die Vergiftung ist und wie stark sie sich dagegen wehren kann, wird sie früher oder später aufwachen. Bis dahin müssen wir überlegen, wie wir weiter vorgehen werden. Sesshoumaru, Sora ist in meinem Gemach und schläft. Kümmere dich um sie. Inu Yasha, du rufst die gesamte Schlossbelegschaft im Schlosshof zusammen, auch die, die verletzt sind und in ihren Kammern sind. Solltet ihr in den nächsten Tagen irgendjemanden bei Amaru an oder in der Zelle erwischen, fragt ihn, was er dort zu suchen hat. Wenn derjenige nur neugierig war, sperrt ihn zur Strafe ein und bestraft ihn wie bei mittelschwerem Ungehorsam üblich. Wenn derjenige die Antwort verweigert, wird er eingesperrt und peinlich befragt, bis er redet. Wenn derjenige Amaru unterstützen oder helfen will, tötet ihn sofort. Ich werde Ayaka sagen, dass sie in den zweiten Behandlungsraum gehen und alle von Hana fernhalten soll, ehe ich der Belegschaft verbieten werde, in das Verlies oder gar zu Amaru zu gehen.“ Damit war das Gespräch beendet. Die beiden Prinzen verneigten sich und verließen Inu Yashas Arbeitszimmer, ihr Vater folgte ihnen. Inu Yasha machte sich an die Aufgabe, die sein Vater ihm gestellt hatte und sagte jedem Diener, den er traf, dass sie sofort in den Schlosshof gehen und jedem anderen, dem sie begegneten, auch Bescheid geben sollten, während sein Vater auf direktem Weg in das erste, komplett ausgestattete Heilerzimmer ging, das neben dem zweiten, kleineren lag. Sesshoumaru holte sich unterdessen seine schlafende Tochter aus dem Zimmer seines Vaters und nahm sie mit in sein Gemach. Sora wurde nicht ganz wach, als ihr Vater sie hochhob. „Du bist wieder da“, murmelte sie schläfrig und legte ihren Kopf auf seine Schulter. Der Erbprinz setzte sich wie schon sein Vater auf sein Lager, Sora an seiner Seite. Das Mädchen war immer noch so müde. Wenn sie bei Sonnenaufgang nicht ausgeschlafen war, sollte die neue Heilerin sich das Kind mal ansehen, nicht, dass Sora auch vergiftet oder anders verletzt worden war. Als Inu Yasha alle Diener und Samurai in den Schlosshof beordert hatte, stellte er sich höflich hinter seinen Vater, der über die verwirrte Menge blickte. „Halte die Augen geöffnet, mein Sohn und achte darauf, ob sich jemand verdächtig verhält“, befahl der Fürst leise. „Natürlich, verehrter Vater.“ Vielleicht hatte Amaru ja noch weitere Verbündete oder sein Fürst hatte nicht nur den Heiler ins Schloss geschleust. „Wie ihr bereits von Jaken oder voneinander erfahren habt, habe ich verboten, dass jemand zum Heiler geht. Der Grund ist folgender: Amaru ist ein Verräter.“ Der Fürst wartete kurz das erschreckte Geflüster ab. „Er hat jemandem Informationen aus dem Schloss zukommen lassen, die gegen mich und meine Söhne verwendet wurden. Ich habe bereits eine neue Heilerin gefunden, die die Verletzten ab sofort betreuen kann. Sie ist im zweiten Heilerzimmer. Amaru befindet sich im Verlies. Außer meinen Söhnen und mir hat niemand Zutritt. Der Eingang soll immer von mindestens vier Samurai bewacht werden, die mit ihrem Leben dafür einstehen, dass weder jemand unbefugt eintreten, noch einer der Gefangenen entkommen kann.Wenn jemand Informationen über Amarus Pläne oder Verbündete hat, soll er umgehend zu mir oder einem meiner Söhne kommen und Bericht erstatten. Macht euch wieder an die Arbeit.“ Die Diener verneigten sich synchron und stoben dann auseinander. „Hast du jemanden bemerkt, der sich auffällig benommen hat?“, wollte der Fürst wissen. „Nein, verehrter Vater. Die Diener und Samurai haben alle höflich zu Boden geblickt, nachdem sich der Aufruhr gelegt hat“, erwiderte Inu Yasha. Das bedeutete, dass Amarus Verbündete entweder gute Schauspieler oder nicht vorhanden waren. „Bist du sicher, dass jeder Diener und jeder Samurai im Schlosshof war?“ „Ja, verehrter Vater. Ich habe in jeder Kammer nachgesehen und allen gesagt, dass sie ihren Kollegen ausrichten sollen, dass sich alle hier versammeln sollen.“ „Gut. Wenn jemandem auffallen sollte, dass jemand aus ihrer Umgebung doch nicht beim Appell war, wird er es hoffentlich berichten“, meinte der Fürst. Dann sah er zu seinem jüngeren Sohn. „Komm, ich will sehen, welche Fortschritte im Schwertkampf du gemacht hast.“ ________________________________________________________________________________ Ja, zugegeben, das Kapitel ist recht kurz. Aber falls das ein Trost ist: Hani und ich haben festgestellt, dass wir die Handlung ohne eine kleine … Wendung nicht zu einem logischen Ende bringen können. Bis jetzt haben wir bis Kapitel 24 geplant und sind noch nicht fertig. Es werden demnach mindestens 26 Kapitel werden, vielleicht sogar ein paar mehr. ^^ Kommis wie immer gern gesehen / erwünscht. Bis denne Jenny & Hani Kapitel 17 ---------- Der Fürst sah wie üblich von seinem Gemach aus auf den Kampfplatz vor dem Schloss, auf dem seine Söhne ihren üblichen Übungskampf austrugen. Sora saß im Unterricht und lernte die Familiengeschichte. Der einzige Unterricht, den sie immer gern besuchte und in dem sie immer aufmerksam war. Inu Yasha war langsamer als sonst. Der Übungskampf gegen seinen Vater vor ein paar Tagen steckte ihm wohl noch in den Knochen. Der Taishou war nicht gerade zimperlich gewesen und hatte alles von seinem Jüngsten gefordert. „Was gibt es, Myouga?“ Der Flohdämon sprang auf die Schulter seines Herrn. „Oyakata-sama, die Heilerin schickt mich mit einer wichtigen Nachricht. Hana-hime ist aufgewacht.“ „Wie geht es ihr?“, wollte der Fürst wissen. „Ayaka-san sagte, dass es ihr soweit gut geht, dass sie sich nur einige Tage noch ausruhen soll. Hana-hime kann aber wohl Besuch empfangen“, erwiderte Myouga. Sein Herr nickte etwas und verließ sein Gemach, um seinen Söhnen die Nachricht mitzuteilen. Jemand sollte auch mit Hana über die Vorwürfe des Schattendämons sprechen. Vielleicht brachte das ja ein wenig Licht ins Dunkle. Sesshoumaru und Inu Yasha verneigten sich sofort, als sie ihren Vater bemerkten. Wenn er einen Übungskampf unterbrach, gab es etwas Wichtiges. Kam jetzt etwa die nächste Katastrophe? „Hana ist aufgewacht“, sagte der Fürst. Das war doch zur Abwechslung mal eine gute Nachricht. „Ich werde mit ihr reden. Sesshoumaru, du fragst den Häuptling, woher er Hana und ihren Vater kennt und wie der Kontakt zu ihm aufgenommen wurde und wie genau das alles abgelaufen ist. Inu Yasha, du... kannst mit einem Samurai weiterüben, wenn du magst oder deinem Bruder bei der Befragung zusehen. Kommt danach beide in mein Arbeitszimmer“, sagte der Taishou. Seine Söhne neigten sich kurz tiefer und machten sich dann beide auf den Weg in das Verlies. Inu Yasha wollte von seinem Bruder etwas über Befragungen lernen, damit er sich auch mal in solchen Dingen nützlich machen könnte. Das Familienoberhaupt hatte noch eine Kleinigkeit zu erledigen, bevor er seine Schwiegertochter befragen würde. Er hatte beschlossen, das selbst zu tun, weil er am objektivsten war. Inu Yasha hatte früher viel Zeit mit Hana verbracht und hatte sie sehr gern und auch wenn Sesshoumaru es sich oder gar anderen nie eingestehen würde, war er von der Tatsache beeinflusst, dass sie die Mutter seiner Kinder war. Ayaka kam aus dem Heilerzimmer, als sie den Fürsten hörte und verneigte sich tief. „Wie geht es Hana?“, fragte der Daiyoukai. „Es geht ihr soweit gut, sie braucht noch ein paar Tage Ruhe, aber keine Tränke oder andere Medizin“, antwortete die junge Dämonin. „Kann ich zu ihr oder ist das nicht ruhig genug?“ „Ihr könnt zu ihr, allerdings bitte ich Euch, sie nicht allzu sehr aufzuregen.“ Der Fürst nickte kurz und betrat das größere Heilerzimmer, in dem Hana auf dem Lager saß und den Kopf neigte, als ihr Schwiegervater eintrat. „Schön, euch wohlauf zu sehen, Hana.“ Die Prinzessin neigte den Kopf etwas tiefer. „Danke, verehrter Schwiegervater.“ „Verstehst du, warum ich „euch“ sagte und nicht „dich“?“ „Ihr meintet mich und Euren ungeborenen Enkel, nehme ich an.“ Auch wenn er den Welpen natürlich nicht sehen konnte. „Seit wann weißt du, dass du schwanger bist?“, wollte der Taishou wissen. „Seit ich aufgewacht bin. Die Heilerin sagte es mir“, antwortete Hana. „Hana, wir haben den Häuptling der Kagé-Youkai gefangen und den Drohbriefschreiber. Deren Aussagen und auch einige andere Dinge, die in letzter Zeit vorgefallen sind, haben einige Fragen aufgeworfen, die du und teilweise nur du beantworten kannst. Fühlst du dich erholt genug, um mir zu antworten?“ Die junge Daiyoukai nickte etwas. „Natürlich.“ „Der Häuptling der Kagé-Youkai und auch seine rechte Hand, der Drohbriefschreiber, sagen aus, dass jemand Kontakt zu ihrem Stamm aufgenommen und ihm einen Handel vorgeschlagen hat. Wenn die Schattendämonen dieser Person helfen, uns zu schwächen oder gar zu töten, würde diese Person die Situation des Stammes verbessern. Darum gab es diesen Überfall im Wald auf uns“, sagte der Fürst. „Verzeiht, aber die Krieger im Wald waren keine Schattendämonen“, war seine Schwiegertochter verwundert ein. „Das wirft gleich zwei Fragen auf: Woher weißt du das und wie konntest du den ersten Angreifer abwehren? Kein anderer aus der Gruppe, ich eingeschlossen, hat bemerkt, dass sich die Krieger genähert haben.“ „Die Angreifer hatten ihre Augenpartie nicht verhüllt. Sie hatten weder die roten Augen noch die schwarze Haut der Schattendämonen. Ich habe die Angreifer auch nicht bemerkt. Ich wusste nur, dass mein Kind in Gefahr war.“ „Woher weißt du, wie Schattendämonen aussehen? Du konntest auch die Soldaten, die dich und Sora entführt haben, als „Schatten“ identifizieren, was Sora dazu bewogen hat, eine beschriftete Zeichnung von den Angreifern anzufertigen“, fuhr das Familienoberhaupt fort. „Früher gab es im Reich meines Vaters einen Stamm der Schattendämonen. Vor etwa 250 Jahren sind die Letzten vertrieben worden. Ein paar Wochen vorher war der Häuptling des Stammes bei meinem Vater, um Hilfe zu erbitten, weil es dem Stamm so schlecht ging. Vater aber schickte ihn fort und sagte, dass die Schattendämonen sonst immer auf ihre Eigen- und Selbstständigkeit bestehen und sich demnach auch in dieser Situation um sich selbst kümmern sollten. Bei diesem Besuch sah ich den Schattendämon und mir ist dabei auch aufgefallen, dass er nach... nichts gerochen hat“, erklärte die Prinzessin. „Warst du bei diesem Treffen dabei?“ „Nicht im selben Zimmer, nein. Ich wartete im Vorraum darauf, dass mein Vater mich empfängt, er hatte mich zu sich bestellt. Das Gespräch war so laut, dass man im Vorraum jedes einzelne Wort verstehen konnte. Als der Häuptling aus dem Arbeitszimmer meines Vaters kam, habe ich ihn gesehen.“ „Erinnerst du dich noch an den Namen dieses Häuptlings?“, fragte der Fürst. „Er hieß Takumi, verehrter Schwiegervater.“ Takumi? So hieß doch auch der Häuptling, der jetzt im Kerker saß. „Weswegen hatte dein Vater dich zu sich bestellt? Hatte Takumi seinen Besuch angekündigt?“ „Mein Vater hatte Akemi und mich losgeschickt, um einen Aufstand an der Grenze niederzuschlagen. Er wollte mir mitteilen, dass meine verehrte Mutter während meiner Abwesenheit zu Tode gekommen war. Takumi hatte seinen Besuch nicht angekündigt. Vater hat ihm zum „Abschied“ gesagt, dass er nicht noch einmal unangemeldet bei ihm auftauchen soll, weil er sich sonst mehr Sorgen um sich selbst als um seinen Stamm machen muss.“ „Also ist ausgeschlossen, dass dein Vater wollte, dass du Takumi siehst und er hat dich ihm auch nicht vorgestellt?“ „Ja, ich denke, das ist auszuschließen. Nein, er hat mich nicht vorgestellt.“ „Hast du Takumi nur dieses eine Mal gesehen?“, wollte ihr Schwiegervater wissen. „Ja. Darf ich fragen, warum Ihr mich das alles fragt?“ „Einen Moment noch. Kennst du einen Takoya?“ Hana überlegte kurz. „Nein, der Name sagt mir nichts.“ „Dir wird von den Schattendämonen vorgeworfen, Kontakt zu ihnen aufgenommen und sie angestiftet zu haben, gegen uns zu intrigieren“, erklärte der Fürst. „Das habe ich nicht getan“, erwiderte sie ruhig. „Kannst du dir einen plausiblen Grund vorstellen, weshalb die Schattendämonen dich belasten, wenn du es nicht warst?“ „Hat Takumi etwas mit den Vorwürfen zu tun? Oder Takoya?“ „Ja.“ „Dann fallen mir drei Erklärungen ein.“ „Welche?“ „Rache, Verwechslung und Doppelgänger.“ „Erkläre das genauer.“ „Rache dafür, dass mein Vater den Stamm von Takumi in einer Notlage sich selbst überlassen hat, diese... Kontaktperson ist mit mir verwechselt worden oder hat sich sogar für mich ausgegeben“, erläuterte Hana. Ihr Schwiegervater betrachtete sie und dachte darüber nach, ob es stimmen konnte, was seine Schwiegertochter aussagte. Hatte sie wirklich nichts mit dieser Intrige zu tun? „Hana, ich kann nicht sagen, ob es wahr ist, was du sagst oder ob die Schattendämonen dich zurecht beschuldigen. Darum hast du bis auf Weiteres Zimmerarrest. Vor der Tür stehen bereits zwei Samurai, die Anweisung haben, außer meinen Söhnen, mir und der Heilerin niemanden zu dir und dich nicht heraus zu lassen. Wenn Ayaka es nicht mehr für nötig hält, dass du dich hier unter ihrer Aufsicht aufhältst, soll sie dich in deine Gemächer lassen und darf den Samurai sagen, dass das von mir gestattet ist. Keine Kampfübungen, keine Ausflüge, kein Besuch“, sagte der Taishou. Die Erbprinzessin nickte etwas. „Was ist mit Sora?“ „Auch sie wird dich nicht besuchen.“ „Was werdet Ihr meiner Tochter sagen, wenn sie nach dem Grund fragt?“ „Dass du absolute Ruhe brauchst. Ich hoffe wirklich, dass die ganze Intrige sich zu deinen Gunsten bald aufklärt. Um der Welpen Willen“, erwiderte der Daiyoukai und wandte sich zum Gehen. „Shuto-ue?“ Er drehte sich noch einmal zu ihr um. „Traut Ihr mir wirklich zu, dass ich einen Stamm Kagé-Youkai dazu anstifte, gegen Euch vorzugehen und dabei Euer Leben, das meines Gefährten, meines Schwagers, meiner Tochter und mein eigenes aufs Spiel setze? Aus welchem Grund sollte ich das tun?“ „Vielleicht handelst du im Auftrag deines Vaters, vielleicht aus eigenem Antrieb. Hätte mich jemand vor einigen Wochen gefragt, ob ich dir eine solche Tat zutrauen würde, hätte ich sofort aus voller Überzeugung „Natürlich nicht“ gesagt. Aber mittlerweile... Dein Großvater tötete deine Großmutter, als die Ausbildung deines Vaters zum Erben angefangen hat. Dein Vater tötete deine Mutter, weil sie ihm keinen Erben geboren hat. Er war auch bereit, dich zu töten, sobald du ihm in seinen Augen nicht mehr genutzt hättest. Was gibt mir die Sicherheit, dass du Sesshoumaru nicht umbringen willst? Oder Inu Yasha? Oder mich?“ „Ich würde so etwas nie tun. Ich töte nur, wenn ich den Befehl von Euch oder Sesshoumaru-sama bekomme oder wenn es um das Leben meiner Tochter geht.“ „Das wünsche ich mir. Erhol dich gut.“ Der Fürst verließ das Zimmer und Hana atmete tief durch. Er machte sich auf den Weg in sein Arbeitszimmer. Vielleicht konnten seine Söhne ihm ja schon Bericht erstatten. Sesshoumaru und Inu Yasha waren direkt ins Verlies gegangen. Der Jüngere hatte im Vorbeigehen einen kurzen Blick in das Gefängnis von Takoya geworfen. „Der... lebt der etwa noch?“, fragte er überrascht. „Sein Herz schlägt und er atmet noch. Mehr nicht. Wenn du das leben nennst“, erwiderte Sesshoumaru und warf seinerseits einen kurzen Blick in Amarus Zelle. Auch der Heiler lebte noch, im Gegensatz zu Takoya hatte er bis auf ein paar Finger auch noch alle Gliedmaße. Er hing kopfüber an der Decke. Vater war wirklich sadistisch, wenn es um Verrat ging. Bei Takumi war in den letzten Tagen niemand gewesen. Er sollte schon dadurch gequält werden, die Hinrichtungen der anderen beiden Gefangenen mit anhören zu müssen. Als die beiden Prinzen zu dem ehemaligen Häuptling in das Gefängnis traten, verrieten das erschreckte Zusammenzucken und der panische Blick der schwarzen Gestalt, dass die zugegebenermaßen perfide Methode wirkte. „Keine Sorge, wenn du auf alle Fragen antwortest, bleibt es fürs Erste dabei, dass du nur zuhören musst“, sagte Sesshoumaru mit einem dezent spöttischen Unterton. „I... ich sage Euch doch alles! Ich beantworte jede Frage!“, erwiderte Takumi. „Das ist löblich. Woher weißt du, wie Hanas Vater aussiehst und wo hast du Hana das erste Mal gesehen, dass du die beiden miteinander vergleichen kannst?“ „Herr, ich... ich wurde nicht in meinem jetzigen Stamm geboren, sondern in einem anderen. In dem letzten Stamm in dem Revier des Nordfürsten. Ich bin auch dort schon der Häuptling geworden. Meinem damaligen Stamm ging es noch schlechter als meinem jetzigen. Also musste ich etwas tun. Ich ging zu dem Fürsten des Nordens, um ihn um Hilfe zu bitten. Aber er hat mich eiskalt abgewiesen. Als ich hinausging wartete im Vorraum eine junge Frau, die dem Fürsten ähnelte. Vor der Tür zum Vorzimmer fragte ich den Wache stehenden Samurai, ob es sich bei der Frau um eine Verwandte des Fürsten handelte und er sagte mir, dass das Hana-hime, die Tochter des Fürsten sei“, berichtete Takumi schnell. „Wann bist du das erste Mal kontaktiert worden und wie genau?“, fragte Sesshoumaru weiter. „Vor etwa drei Monaten kam eine Botin zu uns. Sie fragte nach mir und überreichte mir einen Brief, in dem stand, dass der Nordfürst daran schuld sei, dass mein ehemaliger Stamm sich meinem jetzigen anschließen musste, um nicht auszusterben und dass ich mich auf dem hohen Hügel in der Nähe unserer Siedlung einfinden sollte, wenn ich für meinen neuen Stamm Besserung wünsche. Auf dem Hügel traf ich dann Hana-hime und die Botin. Sie sagte, dass ich nur das tun müsste, was sie sagt und dass sie dann dafür sorgen würde, dass es meinem Stamm bald besser geht.“ „Wann war sie danach bei dir und wie hat sie dann immer Kontakt zu dir aufgenommen?“ „Drei Wochen später, dann etwa vier Wochen später und dann vor etwa neun Tagen. Sie hat einen Boten geschickt, der zu mir gekommen ist und mir gesagt hat, dass ich wieder zu dem Hügel kommen sollte“, antwortete der Gefangene. Inu Yasha überlegte kurz. Zu diesen Zeitpunkten war er selbst meistens unterwegs gewesen und ob Hana in der Zeit im Schloss war oder nicht, konnte er nicht mit Sicherheit sagen. Ob sein Bruder es genauer wusste? „War... Hana immer alleine?“, wollte Sesshoumaru wissen. „Nein, Herr. Es war immer eine Dämonin bei ihr, die Botin von dem ersten Treffen“, sagte Takumi. „Wie hieß diese Botin?“ „Ver... verzeiht, Sesshoumaru-sama, aber... ich kann es nicht genau sagen. Ich erinnere... mich nicht genau... Ayumi vielleicht?“ Dem Kagé-Youkai brach der kalte Angstschweiß aus und er schluckte hart. „Wären auch Ayaka, Akemi oder Amaya denkbar?“ „Akemi! Hana-hime nannte sie Akemi, ich bin mir sicher, ich erinnere mich wieder!“, erwiderte Takumi erleichtert. „Wie hat sie ausgesehen?“, fragte der Erbprinz unbeeindruckt. „Sie... trug die Kleidung einer Kriegerin, wie auch die Prinzessin. Sie hatte braune Haare und... grüne Augen.“ Diese Beschreibung passte auf die tote Kriegerin und ohne Akemi hatte Hana das Schloss noch nie verlassen... Das sprach weiter gegen die Erbprinzessin. „Wann hat sie dir was aufgetragen?“ „Bei dem zweiten Treffen hatte sie den Anführer der Elite-Kampftruppe bei sich und sagte mir, dass diese Krieger eine Hilfe sein sollen, weil wir so ungern kämpfen. Er war die meiste Zeit in meiner Nähe und sagte mir auch, wenn Hana-hime mich zu sehen wünscht. Bei dem dritten Treffen sagte sie, dass sie mir über die Elite-Kampftruppe regelmäßig Informationen aus dem Schloss zukommen lassen würde und dass ich diese Informationen genau studieren sollte. Und vor ein paar Tagen sagte sie mir, dass ich Euch und Inu Yasha-sama von der Elite-Truppe überfallen lassen sollte, nachdem ich das in einem Brief angekündigt hätte. Weiter hat sie gesagt, dass ich Euch, Euren verehrten Vater und Inu Yasha-sama unter allen Umständen zu den Klippen locken und in die Schattenwelt bringen sollte. Währenddessen sollten meine Soldaten Hana-hime und Sora-hime – sofern Letztere dem Plan noch nicht zum Opfer gefallen wäre – entführen und in unser altes Gefängnis sperren, damit der Verdacht nicht auf sie fällt. Sie sagte, sollte es zu der Entführung kommen, würde sie sich wehren, damit alles realistisch aussieht und weitere Informationen würde ein Elitekrieger mir mitteilen“, berichtete der Häuptling. „Was geschehen ist?“, fragte Sesshoumaru nach. „Ja. Ich habe diesen Krieger nie zuvor gesehen. Er richtete mir von Hana-hime aus, dass wir den Entführungsplan durchziehen sollen, dass eine Zauberin oder Hexe die Schlossbelegschaft außer Gefecht setzen wird und dass uns ein Angestellter des Schlosses verraten würde, wo die Prinzessinnen genau sind und dass dieser Angestellte auch außer Gefecht gesetzt werden müsse, um nicht in Verdacht zu geraten“, sagte Takumi. „Hast du Takoya ausdrücklich gesagt, dass er das Messer mit der dritten Drohung auf meine achtjährige Tochter werfen soll, auch oder gerade weil er sie damit hätte umbringen können?“ „Ich... ich... Sesshoumaru-sama... ich...“ Der Daiyoukai knackte bedrohlich mit den Fingern. „Ja! Ich sagte ihm, dass er das Messer auf das Mädchen werfen soll! Er... er wollte gar nicht, aber ich hab ihn genötigt. Hana-hime sagte, dass es egal sei, ob das Kind verletzt oder gar getötet wird, weil sie Euch etwas bedeuten würde und Hana-hime aber nicht mal mit Sicherheit sagen könne, ob Sora-hime überhaupt Eure Tochter ist.“ Das Talent, Gefangene mit einem Schlag trotz großer Wut nur bewusstlos zu schlagen und nicht zu töten, hatte der Taishou zumindest an seinen älteren Sohn vererbt. Inu Yasha wich unwillkürlich vor seinem Bruder zurück. Dessen Youki war aufgeflammt und seine Augen leuchteten rot. Der Erbprinz ging an seinem Bruder vorbei in die Zelle des ersten Gefangenen, dessen atmenden Reste noch auf dem Boden lagen. Die Gliedmaße hatte Sesshoumaru nicht gerade sauber entfernt, aber die offenen Wunden sofort mit einer heißen Metallplatte, die an einem Holzstab befestigt war, verödet. Der Bastard sollte ja nicht sofort verbluten und wegsterben, sondern langsam verrecken. Der jüngere Prinz wartete vor dem Verlies auf seinen Bruder. Er hatte nur lernen wollen, wie man Gefangene verhört, bei dem Niedermetzeln eines Wehrlosen wollte er allerdings nicht zusehen. Die Schreie verstarben erstaunlich schnell und Sesshoumaru kam aus dem Verlies. Seine Augen waren wieder normal und auch sein Youki hatte er wieder unter Kontrolle. „Geht... es dir jetzt... besser?“, fragte Inu Yasha. „Wenn er sich gewehrt hätte, wäre es wirksamer gewesen“, knurrte sein Bruder und ging an dem Halbdämon vorbei. Dieser folgte sofort. „Ohne Arme und Beine ging das wohl nicht“, sagte er. „Sesshoumaru, ich bin mir ganz sicher, dass Hana nicht dahinter steckt und dass Sora deine Tochter ist.“ Keine Antwort. Sein Bruder war auch nicht der Typ für Gespräche über seine Gefühle. Die beiden Prinzen gingen in das Vorzimmer ihres Vaters. Sie mussten nicht lange warten, bis ihr Vater das Vorzimmer betrat und seinen Söhnen bedeutete, ins Arbeitszimmer zu gehen. „Was hat der Häuptling erzählt?“, fragte der Fürst. Sesshoumaru berichtete ausführlich, was der Schattendämon ihm erzählt hatte. Nachdem er geendet hatte, lehnte sein Vater sich zurück und atmete etwas durch. „Die Zeiträume, die Takumi genannt hat, sind die Zeiträume, in denen Hana mit Akemi das Schloss verlassen hat, um ihm Wald zu üben“, sagte er. „Entweder steckt Amaru dahinter und hat mit den Informationen über unseren Alltag auch die über Hanas Ausflüge nach außen gegeben oder Hana steckt dahinter und ist ihrem Vater ähnlicher, als wir dachten“, antwortete Sesshoumaru langsam. „Sora ist deine Tochter. Hana hätte sich nie von einem anderen Mann berühren lassen und sie würde niemals eine solche Intrige spinnen! Sie liebt Sora über alles! Chichi-ue, wie sehr hat sie sich über die Vorwürfe aufgeregt? Sie war bestimmt verzweifelt, erschüttert, wütend oder irgendwas?!“, sagte Inu Yasha und sah von einem zum anderen. „Über das Treffen im Schloss ihres Vaters hat sie das Gleiche gesagt, wie Takumi. Alles andere hat sie abgestritten. Aber... sie war die Ruhe selbst. Sie hat sich nicht aufgeregt, über gar nichts. Und sie war weder ruhiggestellt noch wirkte sie verwirrt oder benommen. Hana hat genau wie Amaru reagiert, sich nicht aufgeregt und war wie bei einem normalen Gespräch“, erwiderte der Fürst. Der jüngere Prinz öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder. „Hana steht unter Zimmerarrest. Außer uns dreien darf niemand zu ihr, auch Sora nicht. Wir sagen ihr, dass ihre Mutter absolute Ruhe braucht“, fuhr sein Vater fort. Die Prinzen neigten etwas den Kopf. „Darf ich mich entfernen, chichi-ue?“, fragte Inu Yasha. „Geh, aber verlass das Schlossgelände nicht.“ Der Halbdämon verneigte sich etwas und verließ das Zimmer. Er ging auf direktem Weg ins Heilerzimmer zu seiner Schwägerin, um ihr zu sagen, dass zumindest er ihr glaubte. Den leicht missbilligenden Blick seines älteren Bruders bemerkte er nicht. Es war unhöflich, darum zu bitten, gehen zu dürfen. Man hatte immer darauf zu warten, dass der Ranghöchste das Gespräch beendete. „Ich hätte Inu Yasha jetzt sowieso rausgeschickt. Ich möchte das folgende erst mit dir alleine besprechen“, sagte der Fürst. Sein Ältester neigte etwas den Kopf. „Amaru hat mir vor ein paar Tagen noch einige weitere seiner Taten gestanden. Er...“ Ein Klopfen unterbrach das Familienoberhaupt. „Was ist?“ Sein Sekretär trat vorsichtig ein. „Verzeiht, oyakata-sama, aber ein Bote aus dem Norden gab soeben diesen Brief für Euch ab, mit der Bemerkung, dass es eine wichtige Nachricht seines Fürsten sei“, sagte er. Sesshoumaru nahm den Brief entgegen und reichte ihn seinem Vater. Der hätte fast geseufzt, zog aber das Papier wortlos aus dem Umschlag und las den glücklicherweise recht kurzen Brief. „Sesshoumaru, was habe ich dir über Freunde und Feinde beigebracht?“, fragte der Taishou. „Dass man seine Freunde nah aber seine Feinde noch näher halten sollte“, antwortete sein Sohn. Die Lektion seiner Mutter zu dem Thema war „Lass keinen so nah an dich heran , dass er dir gefährlich werden könnte und wenn er dir gefährlich werden könnte, bring ihn um.“ „In einigen Tagen werden wir einen Feind ganz nah haben. Dein Schwiegervater und sein Sohn wollen uns einen Besuch abstatten, um die Einhaltung des Friedensvertrages zu kontrollieren. Wir werden das Gespräch nach dem... Familienbesuch fortsetzen“, meinte der Ältere. Sein Ältester hätte fast gestöhnt. Sein Schwiegervater und sein Schwager? Hatte die Fürstenfamilie des Westens nicht schon genug Probleme? _________________________________________________________________________________ Perfektes Timing, oder? Ihr dürft den Nordfürsten und seinen Sohn kennen lernen. ^^ Das nächste Kapitel komm frühestens Samstag in einer Woche. Ich bin in Rom und Hani hat keinen Internetzugang. Lob / Kritik, immer her damit. ^^ Bis denne Jenny & Hani Kapitel 18 ---------- Inu Yasha saß wie so oft in den letzten Tagen bei seiner Schwägerin im Zimmer. Er und Ayaka waren die Einzigen, die sie besuchten, der Taishou und Sesshoumaru ließen sich nicht blicken, offiziell waren sie mit den Vorbereitungen für den Besuch des Nordfürsten beschäftigt. „Hana, warum regst du dich überhaupt nicht über diese Vorwürfe auf? Da gibt sich jemand für dich aus und versucht, unsere ganze Familie zu zerstören! Wie kannst du nur so ruhig bleiben?“, fragte der Halbdämon mal wieder. „Inu Yasha, was würde es bringen, wenn ich mich aufrege? Ich würde erst recht verdächtig erscheinen und womöglich dem Welpen schaden. Das ist es nicht wert“, erwiderte Hana. „Nee-san, dieser Takumi behauptet, dass du gesagt hättest, dass du nicht mal sagen könntest, ob Sora wirklich Sesshoumarus Tochter ist! Das ist so absurd, aber es kann trotzdem schlimme Folgen haben!“ „Je absurder die Aussagen werden, desto eher werden Widersprüche auftauchen. Auch wenn es eine Zeit lang dauern wird, es wird rauskommen, wer wirklich dahinter steckt.“ „Wie kannst du dir da so sicher sein? Was, wenn dein Vater diesen Besuch heute nur dazu benutzen will, dich weiter zu belasten?“, wollte der Jüngere wissen. „Mein Vater hat irgendetwas mit der ganzen Sache zu tun, da bin ich mir sicher, seit klar ist, dass die Kagé-Youkai in der Intrige stecken und dass Takumi gesagt wurde, dass mein Erzeuger schuld an der Flucht seines alten Stammes ist. Von diesem Treffen von vor 250 Jahren wissen nur die Leute, die im Vorzimmer waren und das waren nur der Sekretär, ein Besucher aus dem Dorf in der Nähe und ich. Er sucht nach einem Grund für einen Krieg, bei dem er alle Bündnispartner auf seiner Seite hat und der Westen alleine ist. Darum kommt er jetzt zu Besuch.“ Seine Schwägerin setzte sich etwas aufrechter hin. „Und trotzdem bleibst du so ruhig.“ „Ich habe Vertrauen.“ „Obwohl sie an dir zweifeln und sogar deine Tochter von dir fernhalten? Die arme Kleine macht sich große Sorgen.“ Hana hätte fast die Augen verdreht. „Wie oft denn noch? Zweifel sind normal, dein verehrter Vater und Sesshoumaru-sama müssen beide Seiten prüfen. In solchen Situationen darf Sympathie nicht zählen, sondern nur Tatsachen. Und dass ich Sora nicht sehen darf ist eine Maßnahme zu ihrem Schutz. Wenn ich zur Verräterin verurteilt werde, kann die Aussage, dass Sora sich schon bei dem bloßen Verdacht gegen mich gewandt hat, ihr das Leben retten. Du kennst die Gesetze“, erklärte die Daiyoukai. „Trotzdem!“, murrte Inu Yasha. „Du regst dich immer noch so darüber auf, obwohl ich die ganze Sache schon mehrere Male erklärt habe? Inu Yasha, du solltest deiner Familie mehr vertrauen. Ich werde nicht verurteilt werden. Wer immer da hinter steckt, wird auffliegen“, meinte Hana. Ihr Schwager brummte nur. Er fand es ungerecht, dass an seiner Schwägerin gezweifelt wurde. Sie hatte sich nie etwas zu schulden kommen lassen. Wobei... Amaru auch nicht... Er war auch immer der nette Heiler gewesen... Trotzdem! Der Halbdämon kannte seine Schwägerin so gut! Sie war wie eine Schwester für ihn. Nie würde sie die Familie verraten und nie würde sie ihre Tochter in Gefahr bringen. Hana und Inu Yasha sahen auf, als Sesshoumaru eintrat. „Was machst du denn schon wieder hier?“, fragte der Erbprinz seinen Bruder. „Hana beistehen! Ich glaube ihr nämlich, dass sie nicht hinter diesem Mist steckt!“, erwiderte der Jüngere. „Hana, während dein Vater zu Besuch ist, ist dein Zimmerarrest aufgehoben. Du darfst trotzdem weder mit ihm noch mit Sora allein sein“, wandte Sesshoumaru sich an seine Gefährtin. „Natürlich, Sesshoumaru-sama“, sagte sie und neigte etwas den Kopf. Ihrem Schwager warf sie einen Blick zu, der sagte: „Sei still!“ Es hätte nur Ärger gegeben, wenn er seine Meinung wieder vertreten hätte. „Kommt mit nach unten, der... Besuch kommt bald“, meinte Sesshoumaru und verließ das Zimmer. Inu Yasha und Hana folgten ihm in den Schlosshof, wo schon der Taishou und Sora warteten. Als die Kleine ihre Mutter sah, lief sie auf sie zu und umarmte sie. „Mama! Ich hab mir solche Sorgen gemacht!“ Die Erbprinzessin legte ihre Arme um das Kind. „Schon gut, Sora, es geht mir gut.“ Dann schob sie das Mädchen von sich und nahm ihren Platz hinter ihrem Gefährten ein. Ihre Tochter verzog kurz das Gesicht. Sie hätte gerne noch ein bisschen Zeit mit ihrer Mutter alleine verbracht, aber der Besuch ihres zweiten Großvaters und ihres zweiten Onkels ging momentan vor. Nur wenige Augenblicke später wurde das Tor geöffnet und der Fürst des Nordens und sein Erbprinz schritten über den Schlosshof auf die Westfamilie zu. „Ah, mein lieber Cousin und seine ganze Familie. Wie schön, euch alle wohlauf wiederzusehen. Es gehen ja wilde Gerüchte um. Ich hoffe, du verstehst, dass ich mich da persönlich davon überzeugen möchte, dass es meiner Tochter hier gut geht und ihr euch anständig um sie kümmert“, sagte der Fürst des Nordens. Sora verzog das Gesicht. Wie falsch und geheuchelt das klang! Sesshoumaru hätte am liebsten gesagt: „Da steht sie, sie atmet, verschwinde wieder!“, aber wie ihm beigebracht worden war, neigte er nur etwas den Kopf. Gerade so viel, dass er nicht unhöflich war. „Du solltest nicht allzu viel auf Gerüchte geben, mein Lieber“, meinte der Taishou und bedeutete seinen ungeliebten Gästen, ihm ins Schloss zu folgen. Wie bei privaten Besuchen üblich, gingen die Familien nicht in das Arbeitszimmer des Hausherren, sondern in den Raum, der bei Menschen Bankettsaal hieß. Die Youkai hatten keinen Namen dafür, dafür wurde er zu selten benutzt, private Besuche waren eher selten. In diesem Raum waren feine Sitzkissen in einem Kreis ausgelegt, sodass Sora zwischen ihren Onkeln saß und am liebsten geflohen wäre. Sie verstand sowieso nicht, warum sie überhaupt dabei sein musste. „Also, mein werter Cousin, was gibt es für Gerüchte, die dich daran zweifeln ließen, dass wir uns gut um deine Tochter kümmern, wie es der Friedensvertrag verlangt?“, fragte der Taishou. „Nun, man munkelt, dass Hana in letzter Zeit zwei Mal in Lebensgefahr geriet, weil sie nicht gut genug beschützt wurde“, erwiderte sein Cousin. „Hana, beantworte du doch die Frage“, meinte der Westfürst. Seine Schwiegertochter neigte sich etwas vor. Das war ein Vertrauensbeweis. „Wer immer dieses Gerücht verbreitet, ist falsch informiert, Vater. Mir ist nichts geschehen, weil ich nicht ausreichend beschützt wurde“, sagte sie. Mir ist viel eher etwas geschehen, weil du mit allen Mitteln einen Krieg provozieren willst!, setzte sie in Gedanken hinzu. Dass der Nordfürst von den Vorfällen der letzten Tage wusste, bedeutete, dass er entweder Kontakt zu dem Intriganten hatte oder selbst der Intrigant war. „Du wirkst nicht, als würde es dir gut gehen, mein Kind“, sagte er mit einem besorgten Unterton. „Seid beruhigt, es geht mir gut.“ Sie hatte alle Mühe, höflich zu klingen und nicht zu zischen. „Gut. Was hältst du davon, wenn unsere Erben einen Übungskampf gegeneinander austragen, lieber Cousin?“, wandte ihr Vater sich an den weißhaarigen Daiyoukai. „Warum eigentlich nicht.“ Vielleicht war Hanas Halbbruder im Kampf genauso geschwätzig wie sein Vater und verriet noch ein paar weitere Einzelheiten darüber, was der Fürst des Nordens wusste. Und Sora saß nicht mehr so nah bei ihrem zweiten Onkel. Es war nicht unüblich, die eigene Nichte zu ehelichen und wer wusste schon, ob der halbwüchsige Prinz nicht wirklich auf Brautschau war. Auf dem Kampfplatz zogen die beiden Prinzen der Tradition entsprechend ihre Oberteile aus und ließen sich die Übungskatanas reichen. Hana nahm Sesshoumarus Haori entgegen und blieb neben ihrem Schwiegervater stehen, während Inu Yasha und Sora dezent ein wenig auf Abstand gingen. Die Erbprinzen umkreisten sich abschätzend und tauschten einige Schläge aus, um die Kraft des anderen abzuschätzen und eine Lücke in der Deckung zu finden. „Wie ist es eigentlich, einen Bastard in der Familie zu haben?“, fragte Sesshoumarus Schwager, als die beiden Klingen gegeneinander gedrückt wurden. „Es ist erträglich, schließlich ist er erst zum zweiten Mal zu Besuch“, erwiderte der Westprinz und warf den Jüngeren zu Boden. Der rappelte sich wieder auf und fasste sein Schwert fester. „Gib es einfach zu, Sesshoumaru, es gibt für dich nichts Schlimmeres als diesen Bruder. Oder doch: nur eine Tochter zu haben. Es scheint, als wäre es erblich, dass die Fragen nur Töchter bekommen.“ „Ach? Stammt deine Mutter nicht auch aus dieser Familie, Ichiromaru?“, fragte Sesshoumaru. „Mein verehrter Vater ist einfach zu stark, um nur Töchter zu bekommen“, knurrte sein Schwager und drückte seine Klinge gegen die des Älteren. „Oder du bist eigentlich ein Mädchen.“ „Ich kann dir gerne das Gegenteil beweisen!“, zischte Ichiromaru und landete erneut auf dem Boden. Er sprang gleich wieder auf und gegen seinen Schwager, versuchte ihm das Schwert aus der Hand zu schlagen oder irgendwie an seiner Deckung vorbei zu kommen. „Danke, ich verzichte.“ Sesshoumaru fand eine Lücke in der Deckung und versetzte dem Jüngeren einen Tritt, der diesen einige Meter über den Boden rutschen ließ. „Hat es einen besonderen Grund, dass deine Gefährtin heute nicht mitgekommen ist?“, fragte der Taishou derweil mit einem leicht scheinheiligen Unterton. „Warum fragst du?“, wollte sein Cousin möglichst beiläufig wissen. „Auch über deinen Hof kursieren Gerüchte, Akumaru.“ „Meine Gefährtin hatte einen bedauerlichen Unfall und ist daher nicht in der Lage, eine Reise anzutreten, Taishou.“ Hana schnaubte leise und holte schon Luft, um etwas zu sagen, aber ihr Schwiegervater berührte kurz ihren Arm, damit sie still war. Ihr Bruder, der sich gerade mal wieder von Boden aufrappeln musste, bemerkte diese kurze Berührung und sah erneut eine Möglichkeit, den Älteren mit Worten anzugreifen. „Bist du eigentlich sicher, dass Sora deine Tochter und nicht deine Schwester ist?“, fragte er giftig und streckte seinem Schwager seine Klinge entgegen, um ihn auf Distanz zu halten und sich eine neue Angriffstechnik zu überlegen. „Du solltest weniger reden“, riet Sesshoumaru, schlug mit seiner Klinge in Schafthöhe auf das Schwert des anderen, drückte das gegnerische Katana so nach unten. Dann zog der Ältere seine Klinge an der des Anderen entlang, bis es im Sand steckte, ehe er Ichiromaru mit einem Schlag gegen den Kiefer zum unzähligsten Mal zu Boden schickte. „Spricht da etwa die Angst oder die Gewissheit aus dir, dass deine Gefährtin genauso gut deine Stiefmutter sein könnte? Es wäre nicht das erste Mal, dass in deiner Familie der Vater dem Sohn die Frau streitig macht, nicht wahr?“ Der Nordyoukai sprang wieder gegen seinen Schwager, brachte diesmal sein Schwert ganz bewusst unter das des anderen und drehte sein Handgelenk, um den anderen zu entwaffnen. Er hatte nicht bedacht, dass Sesshoumaru seinerseits seine Hand gedreht hatte und der Jüngere nicht die Kraft aufbringen konnte, den Griff von vier Fingern zu lösen. „Du bist ein blutiger Anfänger, Ichiromaru“, knurrte der Westprinz und brachte seine Klinge nun nach unten, drehte sein Handgelenk etwas und setzte seine Kraft gegen das Daumengelenk des anderen. Ichiromarus Klinge landete vor den Füßen seines Vaters und der junge Inu-Youkai im Dreck. „Weißt du, wir sind eine Familie. Und in Familien hilft man sich gegenseitig. Wie wäre es, wenn ich dir ein paar Sachen über den Schwertkampf beibringen würde?“, fragte Sesshoumaru. Da die beiden sich momentan recht nah bei den Zuschauern befanden, konnte auch Inu Yasha hören, was sein Bruder sagte und hätte fast gelacht. „Ich hätte ja fast schon Mitleid mit ihm, wenn er nicht genauso selbstgefällig grinsen würde wie sein Vater“, flüsterte er Sora, die er mittlerweile auf dem Arm hatte, zu. Sie nickte etwas und beobachtete ihren Vater vorfreudig. So wie sie ihn kannte, würde er jetzt ihren zweiten Onkel über den Kampfplatz jagen und ihm zeigen, wie man richtig mit einem Schwert umging. Die beiden Fürsten beobachteten den Kampf mit unterschiedlichen Gemütszuständen. Der Taishou war zufrieden, dass sein Sohn sich nicht reizen ließ und immer nur so viel Energie aufwendete, wie wirklich nötig war, um seinen Schwager loszuwerden. Wobei er von Sesshoumaru nichts anderes erwartet hatte. Der Fürst des Nordens hingegen war erzürnt, dass sein Sohn sich so vorführen ließ. Dass Sesshoumaru Ichiromaru so sehr überlegen war, hätte er nicht gedacht, schließlich ließ er seinen Sohn den ganzen Tag mit den Soldaten seiner Armee üben. Der Erbprinz des Westens ließ seinen Schwager wirklich wie einen blutigen Anfänger aussehen. Er ließ nicht von ihm ab und der Jüngere kam mit den Paraden kaum noch hinterher. Der Überlegene warf ihn auf den Boden und beobachtete spöttisch, wie der Andere sich etwas mühsam aufrichtete. „Hast du schon genug, Ichiromaru?“, fragte er. „Niemals!“, knurrte der Angesprochene und fasste sein Schwert wieder fester. Er atmete tief durch und sprang auf den Älteren zu, zielte auf die rechte Schulter. Sesshoumaru hob sein Katana etwas, um den Schlag abzuwehren, bemerkte dann aber das leichte Zucken der Augen seines Gegners und hob sein Schwert vor seine linke Schulter, kurz bevor Ichiromarus Klinge sie treffen konnte. Der Jüngere hatte sein Handgelenk in einem Sekundenbruchteil gedreht und auf die linke Schulter seines Übungspartner gewechselt. Eine Taktik, die normalerweise recht effektiv war. Sesshoumaru warf den Nordprinzen von sich. „Wenn du nicht mehr Taktiken beherrschst, wirst du nicht alt werden“, stellte er nüchtern fest. Ichiromaru biss die Zähne zusammen Wieso war sein Schwager ihm nur so überlegen? Er übte doch den ganzen Tag, auch gegen mehrere Krieger gleichzeitig und war immer überlegen! Warum war der Ältere dann dazu in der Lage, ihn wie einen unerfahrenen Welpen aussehen zu lassen? Verbissen sprang er erneut auf Sesshoumaru zu und schlug von oben auf ihn ein. Sesshoumaru wehrte Hanas jüngeren Bruder mit der Daumenseite – der stumpfen Seite – seines Katanas ab und drehte sein Handgelenk langsam. Sein Gegner versuchte krampfhaft dagegen zu halten, setzte sogar seine zweite Hand ein, aber der Westyoukai brachte sein Schwert über das des Jüngeren und näher an dessen Hals. Schlussendlich lag die Schneide von Sesshoumarus Katana nur wenige Zentimeter von Ichiromarus Hals entfernt und der Jüngere presste seine Klinge dagegen, um nicht enthauptet zu werden. „Ich habe gewonnen“, sagte der Westprinz mit einem leicht triumphierenden Unterton. „Niemals!“, presste sein Pendant aus dem Norden zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Wir können das jetzt sofort beenden oder ich führe dich noch ein wenig vor“, erwiderte Sesshoumaru und erhöhte den Druck auf die gegnerische Klinge. Der Jüngere konnte dem Druck nicht standhalten und musste einige Schritte gehen, um nicht im wahrsten Sinne des Wortes den Kopf zu verlieren. „Du kommst dir wohl ganz toll vor, was? Du kannst dir wahrscheinlich nur so beweisen, dass du doch ein ganzer Mann bist, oder?“, zischte Ichiromaru. Der Ältere hätte fast die Augen verdreht. Langsam wurde das Gerede des Schwächeren wirklich langweilig. „Du verschwendest nur deinen Atem, Kleiner“, sagte er. „Ach ja? Wenigstens lasse ich mich nicht von meinem Vater und meiner Gefährtin an der Nase herumführen! Aber es hat in deiner Familie ja schon Tradition, dass den Söhnen die Väter die Bräute streitig machen, nicht wahr? Hat dein Urgroßvater nicht auch die Verlobte deines Großvaters zur Frau genommen? Wer weiß, wie dein Großvater und dein Vater das gehandhabt haben und ob die Verwandtschaftsgrade wirklich so sind, wie es offiziell heißt“, giftete der Nordprinz. „Wir haben denselben Urgroßvater. Überdies hat dein Großvater die Tradition eingeführt, die eigene Gefährtin umzubringen. Wie geht es denn deiner Mutter?“, fragte Sesshoumaru und ließ seinen Schwager noch ein wenig weiter über den Kampfplatz gehen. „Wir lassen uns wenigstens nicht von den Frauen beherrschen. Wie war das noch mit deinem Vater und dieser Menschenfrau? Oder hast du einfach mal den Spieß umgedreht und die Finger an die Frau deines Vaters gelegt? Hast du vielleicht schon einen Sohn?“, fragte Ichiromaru und versuchte verzweifelt und vergeblich das gegnerische Katana von sich wegzudrücken. „Du solltest lieber den Schwertkampf üben und keine großen Reden schwingen“, meinte der Westprinz, nahm sein Katana vom Hals des Jüngeren und schlug ihm im gleichen Moment mit links gegen den Kopf. Der jüngere Prinz stürzte, verlor sein Schwert und rutschte über den Sandplatz vor die Füße seines Vaters, wo er benommen liegen blieb und schließlich das Bewusstsein verlor. Sesshoumaru kam langsam über den Kampfplatz zu den anderen. Ein Diener nahm ihm das Katana ab und Hana reichte ihm seinen Haori. „Es gilt als sehr unhöflich, einen Gast bewusstlos zu schlagen“; meinte der Nordfürst kühl. „Ich habe genauso viel Kraft gegen Ichiromaru eingesetzt wie normalerweise gegen Inu Yasha. Ich kann ja nicht ahnen, dass Euer Sohn weniger einstecken kann, als mein jüngerer Halbbruder“, erwiderte sein Schwiegersohn in demselben Tonfall. Noch dazu redete Ichiromaru zu viel, aber leider nichts Interessantes, was man gegen ihn oder seinen Vater verwenden konnte, aber das musste Sesshoumaru nicht laut aussprechen. Akumaru biss die Zähne zusammen und bedachte den älteren Sohn seines Cousins mit einem eiskalten Blick, den der ungerührt erwiderte. „Ich werde unserer Heilerin sagen, dass sie sich Ichiromaru einmal ansehen soll. Nicht, dass er doch schwerer verletzt ist, als wir annehmen“, sagte der Taishou. Sein Versuch, das Schmunzeln aus seiner Stimme zu verbannen, scheiterte ein wenig. Sein Cousin knurrte leise. „Lass nur, es geht ihm gut“, meinte er und wandte sich ab. Auf seinen Sohn würden doppelt und dreifach so viele Übungsstunden zukommen und vielleicht würde ihm der Fürst selbst ein paar Stunden geben. Der Norden sollte sich nicht noch einmal so von dem Westen vorführen und bloßstellen lassen. „Ich hätte jetzt Lust auf einen Spaziergang mit meiner Tochter und meiner Enkelin, wenn nichts dagegen spricht“, sagte Akumaru. „Natürlich nicht. Der Schlossgarten dürfte deinen Ansprüchen genügen“, erwiderte der Westfürst. „Gut. Lass Ichiromaru einfach da liegen, er wird schon aufwachen.“ Der Nordfürst ging in Richtung Schlossgarten und auf einen Wink des Taishou folgten Hana und Sora ihm. Und als die drei nicht mehr zu sehen waren, bedeutete der Hausherr seinem Ältesten, ebenfalls in den Schlossgarten zu gehen und sich dort versteckt zu halten. Sesshoumaru verneigte sich etwas, verbarg seine Präsenz und nahm einen anderen Weg in den Schlossgarten, um nicht gesehen zu werden. „Es ist unheimlich“, meinte Inu Yasha leise. „Es ist nützlich“, erwiderte sein Vater und sah zu dem Erbprinzen des Nordens, der noch immer am Boden lag. „Wenn er nicht das selbstgefällige Grinsen und die unbegründet arrogante Art seines Vaters geerbt hätte, könnte er einem fast leid tun.“ „Es gibt eine Sache, die ich nicht ganz verstehe, chichi-ue. Warum fordert Akumaru dich nicht einfach zu einem Duell heraus? Dann wäre die Sache ein für alle Mal aus der Welt“, sagte der jüngere Prinz. „Dafür gibt es zwei Gründe. Der erste ist, dass es damit wohl nicht aus der Welt wäre. Unsere Väter haben das schon versucht und haben... beide ihr Leben verloren. Akumaru hängt aber an seinem Leben. Der zweite Grund ist, dass mein werter Cousin ein Feigling ist, der weiß, dass er mir nicht das Wasser reichen kann und dass er nicht den Hauch einer Chance gegen das Höllenschwert hätte. Wie gesagt, er hängt an seinem Leben. Darum greift er auf schmutzige, kleine Intrigen zurück“, erklärte der Taishou. Inu Yasha nickte etwas. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es etwas gab, vor dem sein Vater Angst hätte, aber dass Akumaru Angst vor seinem Vater und dessen Schwert hatte, konnte er sich durchaus vorstellen. Lebhaft vorstellen. Sesshoumaru hatte auf der Schlossmauer Position bezogen, verdeckt von den Bäumen, und beobachtete seinen Schwiegervater, seine Gefährtin und seine Tochter. Der Nordfürst blieb stehen und wandte sich zu seiner Tochter und seiner Enkelin um. Beide sahen ihn nicht an, Sora hielt sich weiter hinter ihrer Mutter, als die Etikette es verlangte. „Wir sind unter uns, meine Töchter. Bedrückt euch nicht doch etwas? Wenn ihr euch zu schlecht beschützt oder zu schlecht behandelt fühlt, dann habt ihr jetzt die Gelegenheit, mir das direkt zu sagen“, meinte Akumaru. „Keine Sorge, Vater, es geht uns hier bestens“, erwiderte Hana. „Wie siehst du das, meine kleine Enkeltochter? Bist du auch der Meinung, dass hier gut auf dich aufgepasst wird? Und dass dein Vater sich gut um dich kümmert? Schenkt er dir genug Aufmerksamkeit? Du kannst mir die Wahrheit sagen, ich möchte nur, dass es meinen Angehörigen gut geht“, wandte der Fürst sich an das Mädchen. Die kleine Prinzessin schwieg einige Momente und ihre Eltern spannten sich beide unwillkürlich etwas an. Was würde sie sagen? Was würde ihr zweiter Großvater daraufhin tun? „Es geht mir hier sehr gut, ojii-sama. Mein verehrter Vater kümmert sich ausgezeichnet um mich und schenkt mir sehr viel Aufmerksamkeit. Ich könnte in keiner besseren Familie leben, danke für Eure Sorge“, meinte Sora und verneigte sich etwas. „Gut, meine Kleine. Hana, bist du dir wirklich ganz sicher, dass du hier in Sicherheit bist? Ich würde es ungern hören, dass jemand dich zerfleischen konnte, weil dein Gefährte, dein Schwiegervater und dein... Schwager“, er spuckte das letzte Wort aus, als wäre es Gift, „nicht anständig auf dich aufgepasst haben. Du bist in den letzten Tagen zwei Mal in Lebensgefahr geraten. Möchtest du riskieren, dass das ein drittes Mal passiert? Dass deinem ungeborenen Kind etwas geschieht?“, fragte Akumaru eindringlich. Hanas Hand zuckte unwillkürlich zu ihrem Unterleib. Sora sah ihre Mutter verwirrt an. „Oh, weiß deine kleine Tochter etwa noch gar nichts davon? Du hast es mir also vor deinem Kind mitgeteilt? Ich fühle mich geehrt“, meinte ihr Vater. Die Erbprinzessin wollte etwas erwidern, aber er hob die Hand. „Ich hoffe, du wirst weiterhin daran denken, dass deine Treue mir gilt“, sagte der Nordfürst und ging an seiner Tochter und seiner Enkelin vorbei zurück zum Kampfplatz. Vielleicht war sein Sohn mittlerweile aufgewacht. Hana starrte ihm einige Momente sprachlos hinterher und wollte dann etwas zu Sora sagen, aber Sesshoumaru unterbrach sie. „Kommt, Ichiromaru wird mittlerweile aufgewacht sein.“ Seine Stimme war kühl und monoton wie immer. Seine Gefährtin und seine Tochter neigten etwas den Kopf und folgten ihm dann. Der Westprinz hatte recht, Ichiromaru war mittlerweile aufgewacht, hatte sich von einem Diener seinen Haori reichen lassen und tauschte giftige Blicke mit Inu Yasha, wenn der Taishou mal nicht auf die beiden achtete. Oder wenn die beiden dachten, dass der Fürst nicht auf sie achtete. Als der Nordfürst zu ihnen kam, verneigte sein Sohn sich sehr tief und Inu Yasha könnte schwören, dass die Wirbelsäule des nur unwesentlich Älteren dabei knackte. „Hast du noch ein weiteres Anliegen, mein lieber Cousin?“, fragte der Westfürst freundlich. „Nein, werter Freund. Ich denke, dass wir diesen Besuch beenden können“, erwiderte sein Cousin mit derselben gespielten Freundlichkeit. Falls er überrascht darüber war, dass Sesshoumaru gemeinsam mit Hana und Sora aus dem Schlossgarten kam, so verbarg er es geschickt. „Nun gut. Wir werden uns spätestens bei der nächsten Versammlung der Fürsten sehen. Ich und mein Sohn werden euch jetzt nicht weiter zur Last fallen“, sagte Akumaru. „Ihr fallt uns doch nicht zur Last, lieber Cousin“, antwortete der Taishou. Die beiden nervten, aber eine Last würden sie bei längerem Aufenthalt nur für die Diener werden. „Das ist nett von dir. Hana, sollte dir irgendetwas merkwürdig vorkommen oder solltest du dich falsch behandelt fühlen, zögere nicht, mir davon zu berichten, mein Kind. Das selbe gilt natürlich auch für dich, meine Enkeltochter“; wandte der unbeliebte Fürst sich an die beiden Prinzessinnen. „Das wird nicht nötig sein, Vater“, presste Hana möglichst höflich hervor. Sora verneigte sich nur etwas. „Wie du meinst. Aber vergiss unser Gespräch im Schlossgarten nicht.“ Nachdem der Nordfürst und sein Sohn sich verabschiedet hatten, schickte Sesshoumaru die Prinzessinnen in ihre Zimmer und stellte beide unter Zimmerarrest. Als sie weg waren, fragte der Taishou: „Was hat Akumaru zu den beiden gesagt?“ „Er fragte sie, ob sie sich hier sicher und gut behandelt fühlten und ob sie ihm nicht etwas sagen wollten. Sie haben beide gesagt, dass es ihnen hier gut geht. Akumaru hat vor Sora über Hanas Schwangerschaft gesprochen und dass er das von Hana weiß. Er sagte auch, dass sie daran denken soll, dass ihre Treue immer ihm gelten muss“, erwiderte Sesshoumaru. Sein Vater nickte etwas, sein Bruder biss die Zähne zusammen. „Entweder wollte mein lieber Cousin sie mit Absicht in Schwierigkeiten bringen und hat darauf gebaut, dass Sora Fragen stellt oder er wusste, dass du zuhört. Oder aber Hana steckt wirklich in der Sache mit drin und ihr Vater hat weder gewusst, dass du zuhörst, noch dass Sora nichts weiß. Wir wissen auf jeden Fall, dass Akumaru etwas mit der Intrige zu tun hat. Was genau wissen wir nicht und bis jetzt können wir ihm nichts nachweisen“, meinte der Fürst. „Hana hat nichts mit der Sache zu tun! Niemals! Warum sollte sie zu dem Mann halten, der ihre Mutter getötet hat? Und warum sollte sie euch verraten? Sie hat hier doch ein sehr gutes Leben, darf sogar weiterhin dem Schwertkampf nachgehen. Und Sesshoumaru, ihr habt bald zwei gemeinsame Kinder. Das bedeutet ihr doch mit Sicherheit eine Menge!“, warf Inu Yasha ein. „Vermenschliche sie nicht“, entgegnete Sesshoumaru. Der Taishou nickte nur etwas. Er mochte es nicht, wenn sein Ältester mit diesem leise abfälligen Unterton über Menschen und ihre Eigenschaften sprach, aber sein Jüngster schrieb Hana gerade wirklich Gefühlsregungen und Gedankengänge zu, die normalerweise nur Menschen pflegten. Für Youkai, besonders für Daiyoukai, zählte oftmals die Treue dem Vater gegenüber mehr als alles andere, mehr als das eigene Leben. „Chichi-ue, ich... es...“, setzte Ichiromaru an, als er mit seinem Vater in dessen Arbeitszimmer saß. Akumaru hob die Hand. „Ruhe, ich will deine Ausflüchte nicht hören. Du hast dich von Sesshoumaru bloßstellen lassen.“ Der Nordfürst lehnte sich etwas zurück. „Wenigstens hast du nichts Falsches ausgeplaudert. Du bist schlimmer als jedes Waschweib.“ Ichiromaru zog den Kopf ein. Sein Vater hatte ihm immer gesagt, dass man seinen Gegner im Kampf durch Worte aus der Fassung bringen konnte und die schmutzigsten Details ausgraben und Salz in offene Wunden streuen musste, aber der Prinz hatte es offenbar übertrieben. „Wenigstens auf zwei Dinge kann ich mich immer verlassen. Weißt du wenigstens, was ich damit meine?“, fragte der Hausherr und bedachte seinen Erben mit einem abschätzigen Blick. „Dass Eure Pläne immer so verlaufen, wie Ihr das wollt und dass Hana Euch weiterhin die Treue hält?“, fragte dieser. „Richtig. Du solltest dir wirklich ein Beispiel an deiner Schwester nehmen. Sie denkt mit und ist klug und gehorcht mir aufs Wort. Sie nimmt wahre Strapazen auf sich, um mir zu dienen. Anders als du. Deine Übungsstunden werden verdoppelt und die Anzahl deiner Übungspartner auch. Du wirst dich nicht noch einmal so von Sesshoumaru vorführen lassen und mich so bloßstellen. Wenn Hana doch nur ein Junge geworden wäre...“, seufzte Akumaru. „Dann hättet Ihr jetzt gar keinen Spion mehr im Schloss des Westens“, murmelte Ichiromaru fast lautlos. Doch leider nicht zu lautlos, denn sein Vater verpasste ihm eine Ohrfeige, die ihn an die Wand fliegen ließ. „Geh mir aus den Augen und übe mit dem Hauptmann und den zehn besten meiner Kämpfer bis die Sonne den Zenit wieder verlassen hat!“, befahl der Nordfürst kalt. Sein Erbe verneigte sich mühsam und verließ das Zimmer. Die Sonne setzte gerade dazu an, unterzugehen. Das würde anstrengend werden, selbst wenn er nicht noch etwas erschöpft von dem Kampf gegen Sesshoumaru gewesen wäre. Aber Vaters Befehl widersetzte man sich nicht, egal, was es für einen selbst bedeutete. _________________________________________________________________________________ Ursprünglich war dieses Kapitel kürzer und als Prolog für die Fortsetzung geplant, aber es passte jetzt so gut. Für die Kampfszene habe ich mir Hilfe bei meinem besten Freund geholt, der seit zwei Jahren Schwertkampf übt. Der letzte Trick, der Ichiromaru den Kopf hätte kosten können, kann übrigens ganz leicht ins Auge gehen. Im wahrsten Sinne des Wortes, also bitte nicht nachmachen, wenn ihr nicht ins Krankenhaus wollt. Lob und Kritik wie immer willkommen. Lg Jenny & Hani Kapitel 19 ---------- Sesshoumaru verneigte sich tief vor seinem Vater und dieser bedeutete ihm, Platz zu nehmen. „Erinnerst du dich noch, worüber ich mit dir reden wollte, als uns die Ankündigung des Besuchs deines Schwiegervaters unterbrochen hat?“ erkundigte der Fürst sich. Er distanzierte sich absichtlich von dem Fürst des Nordens, der ja auch sein Cousin und nicht nur Sesshoumarus Schwiegervater war. Der Prinz nickte etwas. „Amaru hat Euch noch weitere seiner Taten gestanden“, sagte er. Sein Vater lehnte sich etwas zurück. „Diese Taten liegen etwas weiter in der Vergangenheit … Etwa zu dem Zeitraum deiner Geburt …“, begann er langsam. Der jüngere Daiyoukai hob etwas den Kopf, ohne freilich ganz aufzublicken. „Hab ich dir jemals von diesen Tagen erzählt? Oder einer deiner Lehrer?“ „Ich weiß, dass ojii-sama und obaa-sama zu der Zeit gestorben sind.“ Seine Großeltern, die er nie kennen gelernt hatte. „Kennst du auch die genaue Geschichte?“ „Ojii-sama erlag seinen Verletzungen, die er im Kampf gegen seinen Zwillingsbruder, Hanas Großvater, davongetragen hat und obaa-sama hat zu viele Beruhigungskräuter eingenommen und ist dadurch gestorben“, antwortete Sesshoumaru. Was sollten diese Fragen? Hatte Amaru etwa … ? „Mein verehrter Vater hätte diese Verletzungen überlebt. Sie waren schwerwiegend und er wäre nie wieder ganz gesund geworden, aber er hätte überleben können, wenn Amaru ihn nicht umgebracht hätte. Und meine verehrte Mutter wollte sich nicht selbst das Leben nehmen. Sie war tief erschüttert und in tiefer Trauer, aber sie wollte sich nicht selbst das Leben nehmen. Das war auch Amaru.“ Der Erbprinz schluckte etwas und grub seine Krallen in den Stoff seines Hakamas. „Mein Vater starb am Tag deiner Geburt, noch bevor ich dir einen Namen geben konnte … Eigentlich hatte ich vorgehabt, dich Ichiromaru zu nennen, aber ich hab mich dann umentschieden und dir den Namen meines verehrten Vaters gegeben“, fuhr der Taishou fort. Sesshoumaru wusste, dass es eigentlich angebracht wäre, etwas dazu zu sagen, aber er brachte kein Wort heraus. Diesen Teil der Familiengeschichte hatte er noch nicht gekannt und er wusste nicht, wie er auf diese Offenheit seines Vaters reagieren sollte. Doch der erwartete gar keine Reaktion, schien seinen ältesten Sohn sogar schon fast vergessen zu haben. „Amaru kann diese Intrige nicht alleine gesponnen haben. Der Schattendämon hat gesagt, dass er immer zwei Frauen getroffen hat, die ihm neue Anweisungen gegeben haben und die Beschreibungen und die Zeiträume passen zu Hana und Akemi … Wenn die beiden nicht dahinter stecken, dann zwei Dämoninnen, die ihnen ähnlich sehen … oder welche, die ihr Aussehen verändern können. Mindestens diese beiden stecken mit Amaru unter einer Decke … Vielleicht auch noch eine dritte Person, diejenige, die die Dienerschaft außer Gefecht gesetzt hat …“, erzählte der Fürst. „Dann wird Myougas Suche nach magisch begabten Wesen vielleicht weiterhelfen“, erwiderte Sesshoumaru. Sein Vater nickte etwas. „Geh nachsehen, wie weit er mit dieser Liste ist und hilf ihm, wenn er noch nicht fertig sein sollte.“ Der Jüngere verneigte sich etwas und verließ das Arbeitszimmer seines Vaters. Er fand Myouga in dem Raum, in dem die Lehrer ihren Unterricht vorbereiteten und alle nötigen Schriftrollen aufbewahrt wurden. Der kleine Flohgeist war gerade dabei, einige Rollen vorsichtig durch den Raum zu einem Regal zu transportieren, als er den Erbprinzen entdeckte. Hastig verneigte er sich so gut es mit dem dicken Papier auf den Armen ging. „Sesshoumaru-sama …“ „Mein verehrter Vater lässt fragen, ob du mit der Auflistung der magisch begabten Wesen bereits fertig bist“, sagte der Daiyoukai. „Äh … ja, die Liste habe ich fertiggestellt. Ich wollte nur die Schriftrollen wieder einsortieren und sie dann zu oyakata-sama bringen.“ Myouga hätte fast erschreckt aufgeschrien, als ihm die Schriftrollen abgenommen wurden, konnte sich aber gerade noch beherrschen und sich stattdessen wirklich ordnungsgemäß verneigen, während Sesshoumaru die Rollen wieder in die Regale schob. „Die Liste?“ Der Berater des Taishou sprang schnell auf den von Papieren übersäten Tisch. „Hier ist sie, Sesshoumaru-sama.“ Der Weißhaarige nahm das Schriftstück, ohne einen genauen Blick auf die Namen und Rassen zu werfen und wandte sich dann wieder ab. „Komm“, sagte er nur, ehe er den Raum verließ. Myouga sprang wieder auf den Boden und folgte ihm dann eilig. Derweil streifte Inu Yasha ziellos durch den Schlossgarten. Viel lieber wäre er durch die Wälder außerhalb des Schlosses gewandert, aber angesichts der momentanen Situation kam das nicht infrage, zumal er vermutlich ein leichtes Ziel wäre, so gedankenverloren wie er gerade war. Der jüngere Prinz konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Hana in diese Intrige verwickelt war. Er kannte sie sein ganzes Leben lang, sie hatte sich oft um ihn gekümmert und er war immer davon überzeugt gewesen, dass sie ihn wirklich mochte und das nicht nur vorgegeben hatte, weil er ihr Schwager war und ihr Schwiegervater sie dazu aufgefordert hatte. Er war sich dessen auch immer noch sicher und konnte und wollte nicht daran zweifeln, konnte und wollte nicht glauben, dass sie eine durchtriebene Verräterin war. Und doch sprach im Moment alles gegen Hana, wirklich alles. Der Schattendämon hatte seine Befehle von einer Frau erhalten, die sich als Hana ausgab und deren Beschreibung auch noch tatsächlich auf die Prinzessin passte. Erschwerend kam auch noch die ominöse Begleiterin hinzu, die Akemi gewesen sein könnte. Zu den Zeitpunkten, an denen der Schattendämon sich mit den Dämoninnen getroffen hatte, waren Hana und Akemi vermutlich auch nicht im Schloss gewesen. Und jetzt ritt ihr Vater sie auch noch tiefer hinein, indem er sie an ihre Loyalität ihm gegenüber erinnerte und von ihrer Schwangerschaft wusste, angeblich von ihr. Nur, woher wusste Akumaru sonst davon? Hatte er es ihr irgendwie angemerkt oder hatte er einen Spion im Schloss, der davon erfahren und es ihm berichtet hatte? Oder gab es noch eine andere Erklärung? Hana konnte es ihm nicht mitgeteilt haben, als sie davon erfahren hatte, dass sie ein Kind erwartete, hatte sie bereits unter Zimmerarrest gestanden, somit war es ihr nicht möglich gewesen, einen Boten zu senden oder sonst wie eine Nachricht in den Norden zu schicken. Das Ganze war doch einfach nur zum Haareraufen! Sesshoumaru verneigte sich kurz, als er in das Arbeitszimmer des Fürsten zurückkehrte, ehe er ihm die Auflistung reichte und wieder Platz nahm. „Hast du sie bereits durchgesehen?“ fragte der Taishou, obwohl er die Antwort kannte. „Nein, verehrter Vater“, antwortete sein Ältester. Er hatte seinem Vater nicht vorgegriffen. Der Herr der Hunde nickte langsam und nachdem er zu Ende gelesen hatte, reichte er seinem Sohn die Liste. Myouga saß derweil sehr unruhig vor den beiden Herren und schien an seinen Fingernägeln zu kauen. Der Erbprinz verstand einige Augenblicke später, warum der Flohgeist so nervös schien. Neben den Kitsune, von denen bekannt war, dass sie Illusionsmagie beherrschten, waren auch noch die Berghexen aufgelistet und unter anderem auch noch Inu-Youkai, wobei eine Familie besonders hervorgehoben war: die von Hanas Mutter. Sesshoumaru reichte seinem Vater die Liste zurück. „Myouga, hast du auch rausgefunden, welche Magie genau die einzelnen Rassen und Familien beherrschen?“ wandte sich dieser an seinen Berater. Dem brach augenblicklich der kalte Schweiß aus. „Äh … ja, oyakata-sama. Die Kitsune beherrschen Illusionsmagie, sie versuchen ihre Gegner lange genug abzulenken, um entkommen zu können. Sie sind nicht gerade für ihren Mut und ihre Kampflust bekannt, eher dafür, dass sie …“ „Myouga!“ „Verzeiht, oyakata-sama. Die Berghexen beherrschen verschiedene Magie. Sie verwenden Kräutertränke, um die Seelen von Menschen an eine neue Hülle, meistens aus Ton, zu binden, können aber auch Pulver herstellen, die Angreifer blenden, lähmen oder ihnen das Bewusstsein oder sogar das Gedächtnis rauben.“ „Berghexen brauchen also immer Hilfsmittel wie Tränke oder Pulver, um ihre Magie auszuführen. Ist es denkbar, dass eine Hexe mit einem solchen Pulver die gesamte Schlossbelegschaft außer Gefecht setzen kann?“ „Denkbar schon, wenn sie einen Wind heraufbeschwört, der es in den Gängen verteilt, aber dann hättet Ihr den Geruch der Kräuter wahrgenommen, als Ihr zurückgekehrt seid und es hätten sich sicherlich auch noch Spuren davon auf den Teppichen oder der Kleidung der Belegschaft gefunden. Zumal es doch auch hieß, dass die Dienerschaft durch einen Schockzauber außer Gefecht gesetzt wurde, nicht durch einen Naturzauber wie dem einer Berghexe.“ „Sesshoumaru?“ Der Erbprinz hob etwas den Kopf. „Es ist möglich, dass den Kagé-Youkai das nur erzählt wurde, um die Spuren weiter zu verwischen, daher ist es auch möglich, dass es kein Schockzauber war.“ „Myouga, fahre fort“, sagte der Fürst langsam. Er wollte eigentlich nicht hören, dass Hana theoretisch dazu in der Lage wäre, seine Angestellten außer Gefecht zu setzen. „Wie ihr selbstverständlich wisst, oyakata-sama, Sesshoumaru-sama, beherrschen auch Inu-Youkai eine Art der Magie und wenn sie ihre Fähigkeiten gezielt ausbauen, könnten sie in der Lage sein, solche Zauber zu bewirken, wie der, der Eure Schlossbelegschaft handlungsunfähig gemacht hat. Eine Familie ist besonders bekannt dafür, sich mit der Magie zu beschäftigen und … das ist die von Hana-himes Mutter.“ Der Flohgeist schluckte unbehaglich und betete, dass die Herren ihn nicht für diese Information verantwortlich machten, obwohl er wusste, dass das unsinnig war. „Noch mehr?“ fragte der Fürst nur. „Ähm … es ist nicht genau bekannt, welches Familienmitglied sich auf welches Gebiet der Magie spezialisiert hat, aber es heißt, dass … Hana-himes Großvater äußerst fähig auf dem Gebiet der Angriffsmagie ist und das auch an seine Kinder weitergegeben hat.“ Was bedeutete, dass durchaus die Möglichkeit bestand, dass auch Hana dazu in der Lage war, Angriffszauber anzuwenden, wie die, die die Diener außer Gefecht gesetzt hatte. „Sesshoumaru, was weißt du über Hanas magische Fertigkeiten?“ wandte der Herrscher sich an seinen Erben. „Nicht viel“, gab dieser zu. „Nur dass sie sich mit Magie beschäftigt hat und dazu in der Lage ist, in kurzer Zeit recht starke Bannkreise zu errichten.“ Der Vater nickte etwas und wollte gerade etwas sagen, als ein Diener nach einem Klopfen hereinkam und sich hastig zu Boden warf. „Verzeiht die Störung, oyakata-sama, Sesshoumaru-sama“, sagte er unterwürfig. „Was gibt es denn?“ fragte der Taishou. Kündigte ein weiteres ungeliebtes Familienmitglied seinen Besuch an? „Der Kräuterkundelehrer von Sora-hime lässt höflichst fragen, ob er eine Exkursion unternehmen dürfte, selbstverständlich mit Begleitschutz.“ Der Fürst sah zu seinem Sohn. „Deine Entscheidung.“ „Ich gestatte die Exkursion nur unter meiner Aufsicht“, sagte Sesshoumaru. Er wusste, dass sein Vater viel davon hielt, wenn Sora vor Ort lernte und erinnerte sich nur zu gut daran, dass er selbst und auch sein Bruder regelmäßig das Schloss mit den Lehrern verlassen hatten, um nicht nur theoretisch das Land zu kennen, allerdings erschien es ihm momentan nicht sicher genug, seine Tochter nur mit einem Lehrer und ein paar einfachen Kriegern aus dem Schloss zu lassen. „Wäre es für dich auch akzeptabel, wenn Inu Yasha die Aufsicht hat? Ich würde dich bitten, Hana zu unseren neuen Erkenntnissen zu befragen und mir dann Bericht zu erstatten. Ansonsten muss der Ausflug verschoben werden.“ Der Erbprinz überlegte kurz, wissend, dass sein verehrter Vater ihm wirklich die Wahl ließ. „Inu Yasha soll die Aufsicht führen und noch mindestens einen Krieger mitnehmen.“ Wer konnte schon sagen, wann die kleine Prinzessin sonst zu ihrer Exkursion konnte? Und Inu Yasha würde sie sicherlich auch nicht aus den Augen lassen, dass musste er ihm zugute halten. „Gut. Richte Inu Yasha aus, dass er sich einen Krieger suchen und dann die Aufsicht über die Exkursion meiner Enkeltochter führen soll“, ordnete der Herr der Hunde an. Der Diener verneigte sich noch einmal und verließ dann das Zimmer. „Sesshoumaru, gehe zu Hana und frage sie nach ihren magischen Fähigkeiten und ob es jemanden in der Familie ihrer Mutter gibt, der mit in diese Verschwörung verwickelt sein könnte. Erstatte danach Bericht. Myouga, du versuchst eine Liste aller Dämoninnen zusammenzustellen, die Hana ähneln und sich vor Ahnungslosen für sie ausgeben könnten. Und nach Dämonen, die ihr Äußeres verändern, eine andere Gestalt annehmen können. Ihr dürft gehen.“ Die beiden Angesprochenen verneigten sich schnell und keinen Augenblick später war Myouga schon verschwunden. „Sesshoumaru“, hielt der Fürst seinen Ältesten noch einmal auf, als dieser schon an der Tür war. „Ich vertraue auf deine Rationalität.“ Sesshoumaru neigte höflich den Kopf. „Natürlich, verehrter Herr und Vater.“ Inu Yasha schreckte kaum merklich auf, als der Diener ihn im Schlossgarten aufsuchte und sich mit einem schnellen „Inu Yasha-sama“ auf die Knie sinken ließ. „Was ist denn?“ wollte der jüngere Prinz etwas verwundert wissen. Es kam nicht ganz so häufig vor, dass ein Diener mit einer Nachricht zu ihm geschickt wurde und bei der momentanen Lage … na ja. „Oyakata-sama schickt mich. Ihr sollt euch einen der Krieger nehmen und dann die Aufsicht über die Exkursion von Sora-hime und ihrem Kräuterkundelehrer führen.“ „Jetzt sofort?“ „Äh … ja, Inu Yasha-sama, ich denke schon.“ „Gut. Du kannst gehen.“ Der Diener entfernte sich und der Halbdämon machte sich auf den Weg ins Quartier der Krieger, um sich einen der Samurai zu holen. Die Krieger verneigten sich hastig, als der Prinz eintrat, obwohl es einem großen Teil schwer fiel, einem Hanyou solchen Respekt entgegen zu bringen. Inu Yasha ließ seinen Blick über die Männer gleiten und wandte sich schließlich an den Nachfolger des getöteten Hauptmannes Takeru, dessen Name ihm gerade nicht einfiel. „Ich brauche einen deiner fähigsten Krieger, der Sora-hime bei einer Kräuterkundeexkursion beschützt.“ Er war kein Narr, er wusste, dass er einen besseren Krieger bekam, wenn er ihn zu Soras Schutz orderte und nicht zu seiner Unterstützung und dass dieser Krieger dann auch um einiges aufmerksamer sein würde, aus Angst, von Sesshoumaru bestraft zu werden. „Natürlich, Inu Yasha-sama“, erwiderte der neue Hauptmann und sah sich kurz unter seinen Männern um. „Teki, du wirst Inu Yasha-sama begleiten und die Prinzessin mit deinem Leben beschützen.“ Der angesprochene Samurai verneigte sich noch ein Stück tiefer. „Natürlich, Yujin-san.“ Der Halbdämon musterte den Krieger kurz von oben bis unten. Er hatte dunkelbraunes Haar und soweit er erkennen konnte auch dunkle Augen, war recht groß und muskulös und hatte ein breites Kreuz. Das könnte den einen oder anderen möglichen Angreifer schon mal abschrecken, auch wenn der Körperbau recht wenig über die Kampffähigkeit aussagte. „Gut. Gehen wir“, meinte der Weißhaarige daher nur und verließ die Quartiere wieder, um sich auf die Suche nach dem Kräuterkundelehrer zu machen und sich mit diesem dann bei seinem Vater abzumelden. Der Fürst stand an dem Fenster seines Arbeitszimmers und starrte nachdenklich hinaus. Er konnte und wollte sich einfach nicht vorstellen, dass Hana eine Verräterin war, obwohl so viel dafür sprach. Außerdem konnte er sich nicht vorstellen, dass sie sich selbst und ihre Tochter in Lebensgefahr bringen würde und er wollte sich nicht vorstellen, dass er selbst eine Verräterin ins Schloss und an die Seite seines Sohnes geholt hatte. Wenn sich jedoch herausstellen sollte, dass die Familie ihrer Mutter darin verwickelt war und womöglich gemeinsame Sache mit ihrem Vater machte, sähe es sehr schlecht aus. Er schob die düsteren Gedanken beiseite, als es an der Tür klopfte und wandte sich um. Inu Yasha trat gefolgt von Sora und dem Kräuterkundelehrer ein und verneigte sich kurz. „Wann werdet ihr wieder zurück sein?“ wollte der Taishou wissen. „Noch vor Sonnenuntergang. Die Exkursion soll zu der alten, kleinen Schlucht gehen, der etwa zwei Stunden von hier entfernt liegt. Dort gibt es ein hohes Pflanzenvorkommen“, antwortete sein Jüngster. „Der Krieger?“ „Teki erwartet uns beim Haupttor, er musste noch seine Montur holen.“ „Gut. Geht jetzt.“ Die drei verneigten sich noch einmal höflich und verließen dann das Arbeitszimmer, sodass der Herr der westlichen Länder sich wieder der Aussicht und seinen Gedanken widmen konnte. Sora war zugegeben recht aufgeregt, weil sie aus dem Schloss raus und ein ihr unbekanntes Gebiet erforschen durfte, da störte es sie auch nicht weiter, dass sie dabei lernen und bereits gesammeltes Wissen anwenden sollte. Doch trotz ihrer Aufregung war sie auch etwas beunruhigt. Normalerweise wurde ein solcher Ausflug nicht von einem Familienmitglied und einem Samurai begleitet. Und ein Blick in das Gesicht ihres Onkels verriet ihr, dass er angespannt und mehr als wachsam war. Auch ihr Großvater war ziemlich merkwürdig gewesen, als sie eben bei ihm waren, um sich abzumelden. Die kleine Prinzessin wurmte es ein wenig, dass sie außen vor gelassen wurde. Sie hatte natürlich mitbekommen, dass jemand ihre Familie und auch sie bedrohte und in Gefahr brachte, aber sie bekam keine weiteren Informationen dazu und erfuhr nicht mal, warum sie ihre Mutter nicht mehr sehen durfte. Lautlos seufzte sie und ließ die Schultern sinken. Ihr Blick glitt wieder zu Inu Yasha. Wenn ihr blöder Kräuterkundelehrer und der noch blödere Samurai nicht dabei wären, hätte sie ihn jetzt gefragt, was überhaupt los war und sie hätte nicht eher locker gelassen, bis er ihr endlich die ganze Wahrheit gesagt hätte. Der Bruder ihres Vaters schien zu bemerken, dass sie ihn beobachtete, denn er erwiderte ihren Blick. Einige Momente lang sahen die beiden sich stumm in die Augen, versuchten den Blick des anderen zu deuten. Sora war diejenige, die zuerst wegsah und so den Blickkontakt abbrach. Sie konnte nicht genau sagen was, aber etwas, dass sie in den goldgelben Augen ihres Onkels gesehen hatte, gab ihr die Gewissheit, dass er ihr nichts über die Geschehnisse erzählen würde, selbst wenn sie alleine wären. Inu Yasha wandte seinen Blick wieder auf seine Umgebung und lauschte auf die Geräusche um ihn herum. Nein, er würde Sora nichts darüber erzählen, dass der Heiler, dem sie so sehr vertraut hatte, deswegen nicht mehr im Schloss war, weil er versucht hatte, ihre Mutter und ihr ungeborenes Geschwisterkind umzubringen und offenbar von Anfang an einem anderen Fürsten als ihrem Großvater gedient hatte und Teil einer großen und offensichtlich sehr gefährlichen Verschwörung gegen die Fürstenfamilie des Westens war und ihre Mutter unter dem Verdacht stand, ebenfalls in der Sache mit drin zu stecken. So etwas erzählte man keinem achtjährigen Mädchen. Die kleine Schlucht, zu der der Ausflug führen sollte, lag in einem kleinen Wald auf einer Lichtung. Vor mehreren hundert Jahren war der Boden hier einfach abgesackt und hatte so ein klaffendes Loch hinterlassen. „Ihr wartet hier. Ich sichere das Gebiet ab“, wies Inu Yasha die anderen drei an und ließ sie am Rand der Lichtung zurück, ging einmal um die gesamte Schlucht herum, lauschte, schnüffelte. Aus den Augenwinkeln sah er, dass auch Teki um sich blickte, ob ihnen auch niemand gefolgt war. Der Halbdämon ging näher an den Rand der Schlucht und sah hinab. Dort ging es sicher gute drei, vielleicht auch vier Meter runter. Der Boden des Abgrundes war von Felsen und Erde bedeckt, die mit hinunter gerissen worden waren, als der Boden abgesackt war. Inu Yasha erinnerte sich nicht mehr genau daran, ob man nie rausgefunden hatte, warum diese Schlucht entstanden war, ob man sich schlichtweg nicht dafür interessiert hatte oder ob er einfach vergessen hatte, was der Grund gewesen war. Er winkte den anderen dreien, dass sie kommen konnten. „Sora-hime, ich gebe Euch etwa eine Stunde, in der Ihr die Lichtung und die Schlucht erkunden dürft und dann werde ich Euch verschiedene Kräuter und Pflanzen zeigen, zu denen Ihr mir dann alles berichtet, was Ihr wisst“, sagte der Lehrer zu der kleinen Prinzessin. Diese nickte artig. „Ja, Shoku-san.“ Dann lief sie los. „Aber geh nicht zu nah an den Rand!“ warnte ihr Onkel sie. „Nein, ich pass auf“, versprach sie. „Gut, sonst ende ich noch so wie Amaru und die Schattendämonen im Kerker und werde von deinem Vater in meine Einzelteile zerlegt“, murmelte er und sah zu dem Lehrer, der zu ihm kam und höflich den Kopf neigte. „Ich werde einige Kräuter und Pflanzen in der Umgebung suchen gehen, wenn Ihr gestattet, Inu Yasha-sama.“ „Ja, natürlich. Aber bleib in Hörweite.“ Lehrer waren zwar gewöhnlich nicht sonderlich gut im Kampf ausgebildet, aber Shoku war noch recht jung und sich vor Sora werfen konnte und würde er auch tun. „Gewiss, Inu Yasha-sama.“ Der Halbdämon sah sich nach Teki um, der den Rand der Lichtung abging und sich wachsam umsah, aber Sora nie länger als einige Augenblicke aus den Augen ließ. Sehr gut. Sesshoumarus Tochter ging den Rand der Schlucht entlang und sah hinab, blieb zwischendurch stehen und hob die Nase in den Wind oder betrachtete einige Pflanzen genauer. Inu Yasha schloss zu dem Krieger auf, der sich rasch etwas verneigte. „Ich möchte, dass du den Wald um die Lichtung herum inspizierst. Kein allzu großer Umkreis. Ich will nur wissen, wer oder was sich hier in letzter Zeit aufgehalten hat“, befahl er leise. Teki nickte etwas. „Natürlich, Inu Yasha-sama“, sagte er und verschwand zwischen den Bäumen, wo kurz zuvor auch der Kräuterkundelehrer verschwunden war. Der jüngere Prinz ging zu seiner Nichte, die sich langsam näher an den Abgrund tastete, um besser hinunter sehen zu können. „He! Pass bloß auf“, warnte er sie und blieb ein Stück entfernt stehen. „Mach langsam vier große Schritte rückwärts.“ Sie verdrehte etwas die Augen und gehorchte. „So ist es brav. Und näher gehst du auch nicht an den Abgrund ran. Ich hab keine Lust, deinen Eltern hinterher erklären zu müssen, warum du da runtergefallen bist, während ich daneben stand.“ „Chichi-ue hätte mich näher ran gelassen“, erwiderte sie schmollend. „Erstens bezweifle ich das und zweitens ist er gerade nicht hier, also hör auf zu schmollen …“ Inu Yasha hob den Kopf und sah sich alarmiert um, auch Sora wurde schlagartig mucksmäuschenstill. Aus dem Wald, wo Shoku sich ungefähr aufhielt, war ein erschrockener Ausruf zu hören gewesen, gefolgt von einem dumpfen Aufprall und Blätterrascheln. Im nächsten Moment war vom anderen Ende der Lichtung etwas zu hören, jemand kam aus dem Wald. Noch während er herumfuhr, zog der Halbdämon Tessaiga und schob Sora ein Stück hinter sich, atmete aber erleichtert auf, als er Teki sah, der ebenfalls gezogen hatte und langsam näher kam. „Pass auf Sora auf, ich sehe nach Shoku“, sagte der Höherrangige und ging in die Richtung, aus der er die Geräusche vernommen hatte. Noch ehe er ganz zwischen den Bäumen verschwunden war, konnte er Blut riechen und beschleunigte seine Schritte, bis er einen kleinen, kaum erkennbaren Pfad erreichte, auf dem der Lehrer lag und aus einer ziemlich großen Platzwunde am Kopf blutete. Doch noch ehe Inu Yasha sich über den Bewusstlosen beugen konnte, hörte er einen gellenden Schrei, der nach nur zwei Augenblicken abrupt wieder verstummte. Das war Sora! „Mist!“ fluchte der jüngere Prinz und raste so schnell er konnte wieder zurück auf die Lichtung, wo er geschockt stehen blieb. Von seiner Nichte fehlte jede Spur, genau wie von Teki. Er wollte gerade zum Rand der Schlucht sputen, um nachzusehen, ob die beiden abgestürzt waren, als ein brennender Schmerz in seinem Hinterkopf explodierte und ihm augenblicklich das Bewusstsein raubte … ______________________________________________________________________________ Auszug aus dem Gespräch der Autorinnen zur Auflösung der letzten Szene: Hani: Wir müssen die irgendwie wieder in Aufregung kriegen. Sonst macht der Titel keinen Sinn. Jenny: Wir entführen Sora, das bringt immer Aufregung. Hani: Haben wir schon gemacht, ist langweilig. Jenny: Gut, dann bringen wir sie um. Das ist die ultimative Aufregung und bringt uns ein paar rasende Hauptcharaktere. Kapitel 20 ---------- Hana holte schon Luft, um denjenigen, der ungefragt in ihre Privatgemächer eintrat, zurechtzuweisen, überlegte es sich aber anders und verneigte sich, als sie sah, dass es ihr Gefährte war. Durch nichts ließ sie sich ihre Überraschung anmerken. Was für Fragen oder neue Anschuldigungen wohl nun wieder aufgetaucht waren? „Myouga hat einige Nachforschungen betrieben, welche Wesen oder Youkai magisch begabt und dazu in der Lage sind, die gesamte Schlossbelegschaft meines verehrten Herrn und Vaters außer Gefecht zu setzen“, sagte er und beobachtete sie wachsam. „Die Familie deiner Mutter gilt als besonders interessiert und begabt unter den Inu-Youkai.“ Sie senkte den Kopf kaum merklich tiefer, ahnend, was man aus diesen Informationen schlussfolgern konnte. „Zu welcher Art Magie war deine Mutter fähig?“ „Hauptsächlich zu Verteidigungsmagie, aber auch leichte Angriffszauber beherrschte sie, Sesshoumaru-sama“, antwortete die Prinzessin. „Was genau?“ „Sie konnte Bannkreise errichten, um sich, um andere und um fest stehende Objekte wie Felsen, Gebäude oder in den Boden gerammte Schwerter. Zudem war sie dazu in der Lage, Angreifer und Feinde für eine kurze Zeit zu lähmen.“ „Wie sieht es mit Schockzaubern aus?“ „Die beherrschte sie nicht, das sind starke Angriffszauber.“ „Hat sie ihre Fertigkeiten an dich weiter gegeben?“ fragte der Erbprinz weiter. „Ja, Sesshoumaru-sama.“ „Du beherrschst also ebenfalls Angriffsmagie?“ „Einfache, Sesshoumaru-sama“, sagte sie ruhig. „Keinen Schockzauber.“ „Wärst du dazu in der Lage, die ganze Dienerschaft des Schlosses außer Gefecht zu setzen?“ „Nein, das übersteigt meine Fähigkeiten. Ich könnte nicht mal die ganze Schlossbelegschaft auf einen Schlag lähmen.“ Der Erbprinz betrachtete sie einige Momente schweigend. Log sie ihn gerade an? War sie eigentlich doch dazu in der Lage, viele Youkai und Menschen gleichzeitig bewusstlos werden zu lassen? Ein Lähmungszauber war jedenfalls nicht die Ursache gewesen, dann wären die Diener noch bei Bewusstsein gewesen. „Können deine magischen Fähigkeiten durch etwas verstärkt werden?“ „Ja, durch große Wut oder die magischen Fähigkeiten eines Familienmitgliedes meiner Mutter in meiner Nähe.“ „Wenn also deine Tante in deiner Nähe wäre, könntet ihr eure Fähigkeiten miteinander verbinden.“ „Ja, Sesshoumaru-sama.“ „Wäre ein Familienmitglied deiner Mutter dazu in der Lage, die Schlossbelegschaft außer Gefecht zu setzen?“ „Das … kann ich nicht mit Sicherheit sagen, Sesshoumaru-sama. Ich weiß nur, dass mein verehrter Onkel sich mit Angriffsmagie befasst hat.“ Der Bruder ihrer Mutter, das aktuelle Familienoberhaupt. „Was ist mit deiner Stiefmutter?“ fuhr Sesshoumaru fort. „Ihr Schwerpunkt lag ebenfalls auf der Verteidigung.“ „Er lag?“ „Es kann durchaus sein, dass sie mittlerweile auch Angriffszauber besser beherrscht. Wenn sie sich damit beschäftigt hat.“ „Also ist es möglich, dass sie diejenige war … Hätte jemand aus ihrer Familie einen Grund uns anzugreifen?“ „Das weiß ich nicht, Sesshoumaru-sama.“ Mit dieser Familie hatte sie kaum Kontakt, eigentlich gar keinen. Er zog unmerklich die Augenbrauen zusammen. „Kannst du lügen?“ „Ich habe es lange nicht mehr getan, aber ich habe es gelernt.“ „Von deinem Vater?“ „Ja, Sesshoumaru-sama.“ „Ich weiß nicht, ob ich dir glauben kann“, sagte er nüchtern. „Ich kann nicht sagen, ob du mit der ganzen Verschwörung wirklich nichts zu tun hast und dein Vater oder sonst wer dich nur mit reinziehen will und dich fälschlicherweise belastet oder ob du uns die ganze Zeit belogen hast und eigentlich für deinen Vater arbeitest und uns verrätst.“ Hana nickte nur etwas. Sie hatte zugegeben, dass sie wusste, wie man unentdeckt lügt, natürlich konnte er ihr nicht glauben. „Aber sollte sich herausstellen, dass du in dieser ganzen Sache mit drin steckst, kann mich kein Friedensvertrag davon abhalten, dich eigenhändig umzubringen. Das einzige, was dir dein derzeitiger Status dann noch nützt, ist dass ich dich schnell töten werde.“ Die Prinzessin neigte sich etwas tiefer. „Natürlich, Sesshoumaru-sama.“ Er stellte fest, dass so etwas wie Furcht in ihrer Stimme mitschwang. Hatte sie Angst davor, enttarnt zu werden? Oder davor, unschuldig verurteilt zu werden? „Wann hat die Heilerin zuletzt nach … dir gesehen?“ „Vor ein paar Tagen.“ „Ich werde sie zu dir schicken.“ „Danke, Sesshoumaru-sama.“ Er nickte nur knapp und verließ das Zimmer, während sie sich auf den Schaukelstuhl am Fenster sinken ließ und einmal tief durchatmete. Wenn nicht bald etwas geschah, würde sie noch als Verräterin umgebracht werden. Der Taishou bedeutete seinem Ältesten sich zu setzen, als dieser einige Zeit später in sein Arbeitszimmer kam. „Was hat Hana dir zu den neuen Informationen sagen können?“ „Nicht allzu viel“, antwortete Sesshoumaru. „Erzähle.“ „Sie beherrscht einige Verteidigungszauber, aber ihre Fertigkeiten in Angriffsmagie sind ihrer Aussage nach gering. So gering, dass sie die ganze Belegschaft nicht mal auf einen Schlag lähmen könnte, geschweige denn ganz außer Gefecht setzen. Über die Familie ihrer Mutter weiß sie auch nicht viel, nur dass ihr Onkel sich mit Angriffsmagie befasst hat.“ „Was ist mit ihrer Stiefmutter?“ „Hana kann nicht sagen, ob ihre Stiefmutter sich mittlerweile auch mit Angriffsmagie befasst hat, kennt sie aber nur mit Defensivzaubern.“ „Weiß sie etwas über Motive, die die Familie haben könnte?“ Abgesehen davon, dass sie mit Akumarus Gefährtin verwandt waren. „Nein, chichi-ue.“ „Soweit wir wissen, hat sie auch so gut wie gar keinen Kontakt zu diesen Leuten. Hat sie sonst noch etwas berichtet?“ wollte der Taishou wissen. „Dass ihr Vater sie gelehrt hat zu lügen.“ „Das habe ich befürchtet … Sie sagt, dass sie nichts genaues weiß, gibt aber gleichzeitig zu, dass sie lügen kann, ohne dass wir es bemerken. Glaubst du ihr, dass sie nichts mit der Verschwörung zu tun hat?“ „Ich weiß nicht, ob ich ihr glauben kann, chichi-ue“, gab Sesshoumaru zu. „Verständlich, mein Sohn.“ Sein Vater sah nachdenklich zum Fenster. Die Sonne würde bald untergehen. „Hast du eine Idee, wie wir Licht ins Dunkel bringen könnten?“ Der Erbprinz lehnte sich etwas zurück. „Man könnte versuchen …“ In dem Moment wurde die Tür aufgerissen und Vater und Sohn sahen auf. Inu Yasha war hereingeplatzt, seine Kleidung dreckig, sein Haar stellenweise blutverkrustet und seine Hände und sein Gesicht zerschrammt. Der Taishou und Sesshoumaru sprangen alarmiert auf. „Was ist passiert?“ Der Halbdämon wusste nicht genau, wie er es sagen sollte und sah einen Moment hilflos von einem zum anderen. „Sora ist weg“, sagte er schließlich. „Wie weg?“ wollte sein Vater wissen. „Wir … wir waren an der alten Schlucht, der Lehrer wollte einige Pflanzen im Wald suchen, dann waren da plötzlich diese Geräusche … ich bin nachsehen gegangen, Shuko war bewusstlos und hat geblutet und dann … hab ich Sora schreien gehört. Ich bin sofort zurückgelaufen, aber … sie war weg. Und dann bin ich von hinten niedergeschlagen worden.“ „Und dann?“ „Als ich wieder zu mir kam, hab ich alles abgesucht, aber da war nirgendwo eine Spur von ihr. Nur …“ Inu Yasha sah kurz zu seinem Bruder. „Nur was?“ „Sie muss in die Schlucht gefallen sein. Dort war Blut.“ „Soll das ein Scherz sein?“ fragte Sesshoumaru wütend. „Was ist mit dem Samurai, den du mitgenommen hast?“ kam es von dem Fürsten. „Der … ist … nun ja … auch weg.“ „Also hat er entweder die Flucht ergriffen oder die Verfolgung aufgenommen oder er steckt mit drin … Wir gehen sie suchen, macht euch fertig“, beschloss das Familienoberhaupt. Seine Söhne gehorchten augenblicklich und nur wenige Augenblicke später waren alle drei Herren auf dem Weg zu der kleinen Schlucht, wo Sora verschwunden war. Derweil verneigte sich Ichiromaru höflich vor seinem Vater, der ihm ungeduldig, aber alles andere als genervt bedeutete, sich zu setzen. Den Erbprinzen überkam ein ungutes Gefühl. Immer wenn Akumaru so fröhlich und ungeduldig war, war normalerweise ein Plan von ihm aufgegangen Und seine Pläne waren meistens … ungut für andere. Ob das mit dem Tumult zusammenhing, den der Prinz vorhin auf den Gängen mitbekommen hatte? Es hatte ihn nicht weiter gekümmert, da er noch mit Studien beschäftigt gewesen war, daher … er würde es ja gleich erfahren. „Mein Sohn, hast du mitbekommen, was vorhin vorgefallen ist?“ fragte der Fürst gut gelaunt. „Vergebt mir, verehrter Vater, ich war von meinen Studien eingenommen und habe mich daher nicht weiter darum gekümmert“, antwortete sein Sohn mit einer weiteren Verneigung. „Schon gut, nicht weiter schlimm, ich werde dir sagen, was passiert ist.“ Akumaru richtete sich etwas auf. „Eben ist einer meiner Spitzel aus dem Westen ins Schloss zurückgekehrt und er hatte ein Geschenk dabei.“ Ichiromaru zog verwundert die Augenbrauen zusammen und versuchte sich daran zu erinnern, wie viele Spitzel eigentlich im Fürstenhaus des Westens arbeiteten, abgesehen von dem Heiler Amaru, der mittlerweile wohl tot sein dürfte, und seiner älteren Schwester Hana, die wohl die wichtigste Spionin war. „Überlegst du, was für ein Geschenk mich in so eine gute Laune versetzen könnte?“ „Nein, welchen Spitzel ihr meint.“ Im nächsten Moment biss er sich selbst fest auf die Zunge und zog reflexartig den Kopf ein. Normalerweise würde er für so eine ungehörige Antwort mindestens an der Wand landen, wenn nicht sogar schlimmeres. Aber sein Vater gab nur einen kurzen, missbilligenden Laut von sich, ehe er mit unverändert guter Laune fortfuhr: „Der Samurai Hanzai, den ich meinem Cousin in die Armee schleusen konnte.“ „Aha.“ Der halbwüchsige Youkai erinnerte sich daran, dass Hanzai im Schloss des Nordens ausgebildet worden war und der Fürst ihn dann in den Westen geschickt hatte, wo er sich als Einzelgänger vom Festland ausgegeben hatte und als Krieger angeheuert worden war. Die Armee des Westens hat damals wohl recht schnell neue Männer gebraucht, warum auch immer. Nur, welches Geschenk konnte er mitgebracht haben? Doch nicht etwa das sagenumwobene Höllenschwert? Das wäre ja … „Aber jetzt denkst du über das Geschenk nach. Guter Junge. Was glaubst du, was Hanzai mir mitgebracht hat?“ „Ähm … etwa das … Höllen … schwert?“ Akumaru verzog die Mundwinkel zu einem bizarren Grinsen. „Nein, mein Sohn. Aber es könnte eine ebenso wirksame Waffe gegen den Westen sein … Es ist deine Nichte Sora.“ „Was?!“ „Das ist grandios, nicht wahr? Na ja, es war leichtsinnig und gefährlich und ich musste ihn dafür und dafür, dass er Sora recht schwer verletzt hat, natürlich umbringen, aber er hat mir trotzdem einen sehr großen Dienst erwiesen.“ Der Erbprinz schluckte etwas. „Sie ist verletzt?“ „Ja. Hanzai ist mit zu einem Unterrichtsausflug genommen worden, der zu einer Schlucht ging. Der Lehrer wollte einige Kräuter sammeln und verschwand im Wald, den Hanzai dann auskundschaften sollte. Er hat die Gelegenheit genutzt und hat den Lehrer außer Gefecht gesetzt. Dieser törichte Bastard von meinem werten Vetter war dann so naiv, selbst nach dem Lehrer sehen zu wollen und die kleine Sora von Hanzai bewachen zu lassen. Er hat sie die Schlucht hinunter geschubst, den Hanyou außer Gefecht gesetzt und hat die Kleine dann so schnell wie möglich hergebracht. Sie ist sofort zum Heiler gebracht worden, er sagte, ihre Verletzungen seien schwer, aber sie wird wieder gesund. Dann ist sie die perfekte Waffe gegen den Westen.“ „Verzeiht, wie darf ich das verstehen, chichi-ue?“ „Na wie schon? Ich halte sie versteckt, werfe dem Westen vor, Schuld an ihrem Tod zu sein und eröffne dann den Krieg mit den Bündnispartnern auf meiner Seite. Der Westen wird untergehen und ich regiere endlich das Land, das schon meinem verehrten Herrn und Vater rechtmäßig zugestanden hätte.“ Ichiromaru schluckte erneut. „Und was geschieht dann mit Sora?“ Sein Vater zuckte nur die Schulter. „Ich brauche sie nur so lange lebend, bis der Westen gefallen ist, um einen Plan B zu haben, was danach wird, muss ich dann sehen. Vielleicht verkaufe ich sie, vielleicht gebe ich sie jemandem zur Frau. Es ist gleich, wenn sie nicht mehr von Bedeutung ist.“ „Ich habe dazu eine, nein, zwei Fragen.“ „Stell sie nur, mein Junge. Du musst noch viel lernen und von wem könntest du das besser als von mir?“ „Die erste Frage lautet, was passiert, wenn Sora entkommt oder das Getratsche im Schloss einem anderen Fürsten zu Ohren kommt? Dann könnte Euer grandioser Plan ins Wanken geraten oder sogar zusammenbrechen.“ „Sie wird nicht entkommen. Ich werde sie gut bewachen lassen. Und der Dienerschaft einprägen, dass auf solchen Tratsch die Todesstrafe steht. Die zweite Frage?“ „Weiß Hana davon?“ Akumaru wandte etwas den Kopf. „Wovon soll sie wissen?“ „Davon, dass ihre Tochter schwer verletzt hier ist und als Grund genommen werden soll, einen Krieg zu eröffnen, nach dem aus dem Kind eine Sklavin werden könnte. Weiß sie das?“ „Wie ich bereits sagte, war Hanzakis Tat heute spontan. Sie wird also noch nicht wissen, dass Sora hier ist.“ „Ist sie tatsächlich dazu bereit, ihr eigenes Kind zu opfern, um Euch zu dienen, verehrter Vater?“ Bevor der Fürst antworten konnte, klopfte es an der Tür. „Was ist denn?“ Der Heiler des Nordens trat ein und verneigte sich tief. „Verzeiht die Störung, Akumaru-sama.“ Dieser hob etwas die Hand. „Schon gut. Gibt es etwas neues von Sora?“ „Ja, Akumaru-sama. Die Prinzessin ist aufgewacht, aber … es scheint, als habe sie all ihre Erinnerungen verloren. Sie weiß nicht, wer sie ist und wo sie herkommt.“ „Wird das wieder weggehen? Wird sie sich wieder erinnern können?“ „Verzeiht, Herr, aber das kann ich nicht sagen. Von so etwas habe ich bislang nur gehört. Es besteht die Möglichkeit, dass sie sich wieder erinnert, wenn sie sich erholt hat und etwas vertrautes sieht oder riecht, wie etwa ihre Eltern. Allerdings kann es auch gut sein, dass sie sich nie wieder erinnert und alles neu lernen muss.“ „Gut. Du kannst gehen. Sorge dafür, dass es meiner Enkeltochter an nichts fehlt, sie hat schon genug durchgemacht.“ Der Heiler verneigte sich erneut und ließ seine Herren allein. „Siehst du, mein Sohn, das Schicksal steht auf meiner Seite. Dass Sora keine Erinnerungen mehr hat, ermöglicht es mir sogar, meinen grandiosen Plan noch zu verbessern“, meinte der Cousin des Taishou sehr zufrieden. „Verzeiht – aber, wie das?“ fragte sein Sohn. „Es macht den Kriegsgrund noch triftiger. Und wir können offen zugeben, dass wir sie hier bei uns haben.“ „Aber das wird Euren Cousin und seine Söhne doch direkt hier hin bringen.“ „Du verstehst nicht – wir werden Gerüchte säen, die die anderen Fürsten auf unsere Seite ziehen werden. Sie werden sich einige Zeit lassen, um sich zu beraten und sich dann erst an den Westen wenden. In dieser Zeit wird Sora hier bleiben und umsorgt werden, wie es einer armen, kleinen Prinzessin zusteht. Je länger das Kind verschwunden ist, desto mehr wird der Westen geschwächt werden, diese Narren. Mein Cousin war schon immer sehr auf seine Familie bedacht. Und wenn sein verehrtes Enkeltöchterchen verschwunden ist und es keine Spur außer Blut von ihr gibt, wird ihm das sehr zu schaffen machen. Und auch der Hanyou wird leiden. Seine menschliche Seite wird dafür sorgen, dass er Schuldgefühle hat, wie jämmerlich. Der Einzige, vor dem ich mich dann noch in Acht nehmen muss, ist Sesshoumaru. Eins muss ich meinem Cousin ja lassen, sein Erbe ist gut geraten. Er wird sich nur dafür interessieren, was aus seiner Tochter wurde, weil es für ihn verständlicherweise eine Schmach ist, auf diese Frage keine Antwort zu haben.“ „Welche Gerüchte sollen wir säen, chichi-ue?“ Das leise Lachen seines Vaters jagte ihm eiskalte Schauder über den Rücken. Das konnte nur etwas ganz und gar böses bedeuten … Die Sonne stand bereits fast im Zenit, als der Taishou mit seinen Söhnen zum Schloss zurückkehrte. Sie hatten an der Schlucht zwar eine Blutspur von Sora finden können, die darauf hindeutete, dass sie weggetragen worden war, allerdings hatte diese Spur sie lediglich aus dem Wald herausgeführt und dann abrupt geendet. Der Entführer war durch ein Portal entkommen, also musste er zu den mächtigeren Youkai gehören, vielleicht sogar zu den Daiyoukai. Nur wer war er? „Ruht euch eine Weile aus. Oder versucht es zumindest. Dann werden wir unser weiteres Vorgehen planen. Ich werde Hana darüber informieren, was passiert ist“, meinte der Fürst. Seine Söhne nickten nur und so ließ er sie auf dem Schlosshof zurück. Er war sich ziemlich sicher, dass Hana die Nachricht, dass ihre Tochter verschwunden war und man nur ihr Blut in der Schlucht und im Wald gefunden hatte, sehr mitnehmen würde und dass Sesshoumaru selbst zu getroffen war, um sie beruhigen zu können, während Inu Yasha sich vermutlich erst mal von ihr fernhalten sollte, da ihre Qual seine Schuldgefühle nur verstärken würde, was negative Konsequenzen für die Suche haben könnte. Zwar war diese Situation auch für den Taishou nicht gerade einfach, aber schließlich war er das Familienoberhaupt und trug die Verantwortung. „Hoffentlich regt Hana sich nicht zu sehr auf … Vielleicht sollten wir ihr nichts sagen“, meinte Inu Yasha derweil zu seinem Bruder. „Sie ist die Mutter, sie muss es erfahren. Vielleicht weiß sie sogar etwas darüber“, erwiderte dieser nur. „Wir kriegen Sora schon zurück. Wir werden sie finden, ganz bestimmt. Und wer immer sie hat, der wird sich melden und Forderungen stellen, dann finden wir ihn und zerlegen ihn in seine Einzelteile. Wir werden sie zurückbekommen.“ Sesshoumaru warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „Wenn du nicht so dumm gewesen wärst, sie mit einem einfachen Krieger allein zu lassen, um nach dem Lehrer zu sehen, dann wäre sie gar nicht erst verletzt und entführt worden!“ grollte er. „Weißt du, wie es ihr geht? Weißt du, was derjenige, der sie hat, mit ihr anstellt? Ob sie überhaupt noch … Ich schwöre dir, dafür wirst du bezahlen!“ Der Jüngere hob unwillkürlich die Hände und wich einen Schritt zurück. „Sesshoumaru, beruhige dich! Ich bin sicher, dass es ihr den Umständen entsprechend gut geht, man wird sie als Druckmittel einsetzen wollen, um etwas von uns zu erpressen.“ „Nein, nicht von uns. Von Vater und mir. Du bist nur ihr Onkel, noch dazu ein Bastard, der nicht richtig auf ein Kind aufpassen kann!“ „Wie hätte ich wissen können, dass sie bei Teki nicht sicher ist? Ich war doch nur kurz im Wald, nicht weit …“ Der harte Faustschlag des Älteren, der in seine Magengrube ging, ließ ihn aufkeuchen und nach Luft schnappen, der nächste warf ihn zu Boden. Der Halbdämon schaffte es gerade noch, Tessaiga samt Scheide schützend vor sich zu halten, ehe Sesshoumaru ihn mit seinem Schwert zerhacken konnte. Er merkte, dass sein Bruder mit aller Kraft, die er noch aufbringen konnte, kämpfte. Das hier war keine einfache Rauferei oder ein Übungskampf. In den Augen des Erbprinzen loderte blanke Mordlust. Jetzt ging es für den Jüngeren wirklich um Leben und Tod … ___________________________________________________________________________________________________________ Wir wollten Sora wirklich erst sterben lassen, aber die Kurze hat dann beschlossen, dass man mit einer Entführung doch mehr Aufregung entstehen lassen kann als mit einem toten Kind. Zumindest in der Story. Im nächsten Kapitel gibt es dann Hanas Reaktion. Und eventuell enthüllen wir auch schon die Gerüchte, die der Fürst des Nordens säen wird, aber das steht noch nicht ganz fest. ^^ Bis nächste Woche. Hani & Jenny Kapitel 21 ---------- Die Erbprinzessin des Westens zeigte durch nichts ihre Überraschung, als ihr Schwiegervater in Begleitung der Heilerin Ayaka ihre Gemächer betrat und verneigte sich höflich. „Hana … Du solltest dich setzen“, meinte der Fürst und ließ sich ebenfalls nieder. Angesprochene hätte fast verwundert aufgesehen, nahm sich aber zusammen und gehorchte nur. Ihr Blick ging zu Ayaka, die still neben der Tür kniete und auf den Boden starrte. Die Youkai, die Hana als recht fröhlich kennengelernt hatte, wirkte bedrückt, obwohl sie sich alle Mühe gab, es zu verbergen. Was war hier nur los? Warum suchte der Taishou seine Schwiegertochter in Begleitung der Heilerin auf? Er musterte die Prinzessin aufmerksam. Nach seiner Rechnung war sie seit etwa vier Wochen schwanger, vielleicht fünf. Länger konnte es kaum sein, sie hätte etwas bemerkt und es Sesshoumaru mitgeteilt. Oder? Er fragte sich unwillkürlich, ob man bereits erahnen könnte, dass sie guter Hoffnung war, wenn sie einen schlichteren Kimono tragen würde. Die Schwangerschaft einer Dämonin konnte man kaum mit der einer Menschenfrau vergleichen. Sie wurde langsam unruhig unter dem goldenen Blick. Irgendetwas konnte hier ganz und gar nicht stimmen. Mit einem solch intensiven Blick war sie zuletzt von ihrem Vater gemustert worden, als der ihr mitteilen wollte, dass ihre Mutter tödlich „verunglückt“ war. „Hana, gestern … hat Shuto, der Kräuterkundelehrer, um die Erlaubnis gebeten, mit Sora einen Lehrausflug unternehmen zu dürfen. Sesshoumaru gestattete dies, jedoch unter der Bedingung, dass er mitkommt“, begann das Familienoberhaupt. Die Dämonin vor ihm zog etwas die Augenbrauen zusammen. Gestern war Sesshoumaru doch bei ihr gewesen. War er danach zu dem Ausflug gegangen? Warum sagte er ihr das? „Da er dich befragen sollte, schlug ich vor, dass Inu Yasha die Aufsicht führt und Sesshoumaru stimmte zu. Inu Yasha und der Krieger Teki begleiteten Shuto und Sora zu einer Schlucht, an der es eine recht große Pflanzenvielfalt gibt. Dabei … kam es zu einem Zwischenfall, der … zu einem großen Unglück führte.“ Er pausierte kurz, um sich neu zu ordnen, um sie nicht zu sehr zu erschrecken, obwohl es vermutlich gleich sein dürfte, wie er es ihr sagte. „Verzeiht, verehrter Schwiegervater, aber was wollt Ihr mir mitteilen?“ fragte Hana leicht beunruhigt. „Ist Sora etwas passiert? Geht es ihr gut?“ „Das … Der Kräuterkundelehrer ist angegriffen worden. Inu Yasha ging nachsehen und in der Zeit … Wir müssen davon ausgehen, dass Sora in die Schlucht gestürzt ist und dabei verletzt wurde. Inu Yasha fand ihr Blut.“ Die Erbprinzessin wagte es, etwas aufzublicken. „Wo ist sie?“ „Wir wissen es nicht.“ „Wie bitte?“ „Inu Yasha wurde niedergeschlagen. Als er aufwachte, war von Sora weit und breit keine Spur zu finden, abgesehen von ihrem Blut in der Schlucht.“ „Sie ist weg?!“ „Ja. Wir haben die ganze Nacht den Wald und die Umgebung abgesucht, aber … wir haben nichts gefunden. Außerhalb des Waldes verliert sich ihre Spur endgültig.“ „Wie konnte das passieren?“ verlangte Hana zu wissen. Sie hatte Mühe, nicht aufzuspringen und zu schreien. „Shuto wurde im Wald angegriffen. Inu Yasha ging nachsehen und in der Zeit muss … es passiert sein.“ „Er hat sie allein gelassen?!“ Jetzt konnte sie sich doch nicht mehr zurückhalten, sprang auf und für einen Moment flammte sogar ihr Youki auf. Der Fürst erhob sich ebenfalls. „Er hat den Krieger, der sie begleitete, gebeten aufzupassen.“ „Ein ihm bekannter Krieger? Oder war das einfach irgendeiner aus Eurer Truppe?“ „Inu Yasha vertraute bei der Auswahl Hauptmann Yujin.“ „Oh, toll. Und was hat ihm gesagt, dass er dem neuen Hauptmann und dessen ausgewählten Krieger vertrauen kann? Immerhin hat es auch ein Heiler geschafft, sich in Euren Haushalt einzuschleichen!“ „Verzeiht, Hana-hime, aber Ihr solltet Euch nicht so sehr aufregen – denkt an Euer ungeborenes Kind“, warf die Heilerin ein und senkte den Kopf noch ein Stück tiefer. „Wie soll ich mich beruhigen, wenn meine Tochter verschwunden und verletzt ist?“ gab die Prinzessin zurück, atmete aber einige Male tief durch. Ihr Schwiegervater beobachtete sie aufmerksam. „Woher weißt du, dass Amaru ein Verräter war? Weder meine Söhne noch ich haben es dir gesagt und sonst wird keiner davon gewusst haben.“ Zudem würde das misstrauische Dienstpersonal nicht vor der Prinzessin tuscheln oder es gar wagen, sie auf den Verdacht anzusprechen. „Ihr habt es Ayaka erzählt und als ich sie gefragt habe, warum Amaru mich nicht behandelt, hat sie es mir gesagt“, antwortete sie. Er wandte sich zu der Heilerin um, die sich in dem Moment nichts sehnlicher wünschte, als ein Erdloch, das sich unter ihr auftat und sie verschluckte. „Ist das wahr, Ayaka?“ „J... ja, oyakata-sama. Verzeiht, ich wusste nicht, dass Hana-hime es nicht erfahren sollte.“ Der Taishou entspannte sich etwas. „Schon gut, darum ging es gar nicht.“ „Stimmt, es geht darum, dass mein Kind in eine Schlucht gestürzt ist, sich verletzt hat, jetzt spurlos verschwunden ist und keiner eine Ahnung hat, was ihr passiert ist und wer sie hat!“ brauste Hana erneut auf. „Wo ist der Samurai jetzt?“ „Er … ist auch weg. Wir wissen nicht, ob er etwas mit Soras Verschwinden zu tun oder die Verfolgung aufgenommen hat oder ob er geflohen ist.“ „Wenn ich raten müsste, würde ich vermuten, dass er Sora in die Schlucht gestoßen und sie dann verschleppt hat.“ „Prinzessin, Ihr solltet Euch wirklich …“ „Halt den Mund!“ fuhr die Daiyoukai Ayaka an, die sich vorsichtshalber flach auf den Boden drückte. Eigentlich hatte sie die Prinzessin als ruhig und freundlich kennengelernt und diesen Eindruck auch durch die anderen Diener bestätigt bekommen, aber momentan war sie das genaue Gegenteil. „Hana, Ayaka hat recht. Beruhige dich und ruh dich etwas aus. Wir werden alles tun, um Sora zu finden und zurückzuholen, sie wird bald wieder da sein“, versprach der Fürst, darum bemüht, die aufgebrachte Mutter zu beruhigen. „Ich will mich aber weder beruhigen noch ausruhen! Ich will …“ Hana stöhnte unwillkürlich auf vor Schmerz und presste eine Hand auf ihren Unterleib. „Ganz ruhig, Hana. Komm, leg dich hin“, sagte das Familienoberhaupt und fasste sie sachte am Ellenbogen, um sie zu ihrem Lager zu führen, während die junge Heilerin eilig in ihren Kimono griff und ein Fläschchen mit einem Trank heraus holte, das sie Hana reichte. „Es tut mir wirklich leid, ich kann mir sehr gut vorstellen, wie es dir gerade geht, aber du musst jetzt unbedingt an dich und euren ungeborenen Welpen denken und die Suche mir und meinen Söhnen überlassen. Du weißt, dass wir sie genauso zurück wollen wie du. Also bleib hier. Wenn du dich weiterhin so aufregst, werde ich dich von Ayaka ruhigstellen lassen müssen.“ „Schön, ich werde ruhig bleiben“, erwiderte die Prinzessin matt. „Aber sollte der Fall eintreten, dass meine Tochter noch immer nicht zurück ist, wenn ich mir um das Leben meines zweiten Kindes nicht mehr solche Sorgen machen muss, hält mich nichts mehr hier. Dann werde ich mich nicht eher beruhigen, bis Sora wieder sicher bei mir ist.“ „Natürlich. Dein Zimmerarrest ist vorerst aufgehoben, aber … du bleibst auf dem Schlossgelände. Und … halte dich bitte von Inu Yasha fern.“ „Ich werde nicht das Leben eines meiner Kinder für das des anderen riskieren, verehrter Schwiegervater. Und wenn ich mich nicht irre, ist Sesshoumaru gerade dabei, seinen kleinen Bruder zu zerreißen“, antwortete Hana und trank den Inhalt des Fläschchens. Ihr Schwiegervater zog etwas die Augenbrauen zusammen. Jetzt konnte auch er die Energie seines Erben fühlen. Aber der würde doch nicht wirklich … „Sobald wir etwas erfahren, werden wir es dir mitteilen“, sagte er knapp und ließ sie mit der Heilerin allein. Diese wartete einige Momente, bis sie sicher war, dass ihr Herr außer Hörweite war, ehe sie sich etwas aufrichtete. „Es wundert mich, dass er nach Eurem Ausbruch den Zimmerarrest aufgehoben hat, anstatt Euch zu tadeln, Hana-hime.“ Oder sie sogar zu bestrafen, aber schließlich war die Erbprinzessin ja schwanger. „Mein verehrter Schwiegervater ist sehr familienbezogen. Seine Familie ist ihm wichtiger als so ziemlich alles andere. Zudem ist er mitfühlend und kann sich wirklich vorstellen, wie es mir geht und ist darum nachsichtig“, erklärte diese und reichte der Jüngeren die leere Flasche. „Er ist anders als seine Frau Gemahlin.“ Diese hätte auch keine Nachsicht gegenüber Sesshoumaru gezeigt, hätte er sich nach dem Angriff der Elitetruppe ihr gegenüber so ungebührlich verhalten wie gegenüber seinem Vater. „Die verehrte Fürstin hätte Euch in der Luft zerrissen. Und zwar nicht sprichwörtlich.“ „Glücklicherweise ist sie nicht hier. Sonst wäre ich wohl schon als Verräterin hingerichtet worden.“ Ihre Schwiegermutter war in ihren Augen eher ein Schwiegermonster. „Vermutlich. Aber Ihr scheint den Fürsten nun davon überzeugt zu haben, keine Verräterin zu sein“, meinte Ayaka. Hana nickte etwas. „Hoffentlich. Ich wäre doch eine Närrin, wenn ich den Westen zugunsten meines Vaters verraten würde. Nirgendwo sonst wäre mir ein so angenehmes und recht freies Leben möglich gewesen.“ Die Heilerin nickte nur etwas. Sie war bei ihrer Ankunft im Westen recht nervös gewesen, schließlich war sie noch nicht lange eine vollständig ausgebildete Heilerin und hatte sich dann direkt um die Erbprinzessin kümmern müssen, die voraussichtlich die nächste Fürstin werden würde und womöglich bereits mit dem übernächsten Fürsten schwanger war, aber diese hatte sie schnell beruhigt und ihr geholfen, sich einzuleben. Die gemeinsame Meinung über die Gefährtin des Fürsten hatte die beiden Frauen einander näher gebracht und bereits zu etwas wie Freundinnen gemacht. Ayaka hatte daher schnell erkannt, dass die Regeln in ihrer neuen Heimat teilweise anders waren als bei ihrer alten Herrin und dass Hana bisher wirklich viele Freiheiten für eine Prinzessin gehabt hatte. Als der Taishou auf den Schlosshof trat, bot sich ihm ein ungeheures Bild. Sesshoumaru versuchte mit aller Gewalt durch die Verteidigung seines Bruders zu kommen und ihn mit dem Schwert zu zerhacken, Inu Yasha ließ sich über den gesamten Platz jagen und parierte die Schläge nur, ohne selbst anzugreifen und am Eingang der Kriegerquartiere standen einige Samurai, die durch das offene Youki des Erbprinzen alarmiert und angelockt worden waren und die Szenerie mit einer Mischung aus Neugier, Unglauben und so etwas wie Entsetzen beobachteten. Als sie jedoch bemerkten, dass ihr Herr zu ihnen sah und ihnen mit einem Wink zu verstehen gab, sich zu entfernen, gehorchten sie eilig und zogen sich zurück, hofften allerdings insgeheim, den Grund für den Streit ihrer jungen Herren noch durch den Schlosstratsch zu erfahren. Diese bemerkten nicht, dass ihr Vater dazugekommen war und waren daher beide gleichermaßen überrascht, als das rechte Handgelenk des Erbprinzen umfasst wurde, während er gleichzeitig im Nacken gepackt und unnachgiebig in die Knie gezwungen wurde. Inu Yasha wich schnaufend einige Schritte zurück und schob Tessaiga weg, ehe er sich höflich verneigte. „Loslassen“, befahl der Fürst frostig und Sesshoumaru ließ sein Schwert los, wenn auch widerwillig. „Sofort in mein Arbeitszimmer. Beide.“ Als die beiden Prinzen wenig später vor ihm hockten und zu Boden sahen, musterte ihr Vater sie eingehend, ob sie irgendwelche Verletzungen hatten und als er feststellte, dass sein Jüngster nur ein paar Kratzer abbekommen hatte und der Ältere gänzlich unverletzt war, sagte er wütend: „Habt ihr beide eigentlich nichts besseres zu tun, als euch gegenseitig die Köpfe einzuschlagen?“ Die Brüder schwiegen. „Sesshoumaru, warum hast du deinen Bruder angegriffen?“ Angesprochener sah auf. „Weil es seine Schuld ist, dass Sora weg ist. Wenn er auf sie aufgepasst hätte, wie er es sollte, wäre meine Tochter nicht schon wieder entführt worden“, grollte er. Inu Yasha hob den Kopf und holte schon Luft, um etwas dazu zu sagen, aber der Fürst hob energisch die Hand. „Du hast recht. Wenn er den Samurai geschickt hätte, um nach dem Kräuterkundelehrer zu sehen, wäre Sora vermutlich nichts passiert. Und wenn ich nicht vorgeschlagen hätte, dass er die Aufsicht über den Lehrausflug führen soll, wäre sie auch noch wohlbehalten im Schloss und würde darauf warten, dass du Zeit hast, um sie zu begleiten. Aber diese Schuldzuweisungen bringen sie uns auch nicht zurück.“ Sesshoumaru senkte den Kopf wieder. Sein verehrter Vater hatte natürlich recht, aber … ja, aber. Aber er fühlte sich nicht so … nutzlos, wenn er denjenigen, der schuld am Verschwinden seines Kindes war, durch die Gegend prügelte. „Hana hat es ziemlich aufgeregt zu erfahren, dass Sora verschwunden ist. Keine Sorge, es geht ihr gut. Ayaka kümmert sich um sie und sorgt dafür, dass sie sich nicht zu sehr aufregt“, fuhr der Fürst fort, ohne seinen Blick von seinem Erben abzuwenden, der sich noch weiter anspannte. „Sie sagte, dass sich selbst auf die Suche machen wird, wenn Sora bis zur Geburt des Kindes nicht wieder da ist. Sie riskiert das Leben eines ihrer Kinder nicht für das ihres anderen.“ Der jüngere Prinz setzte erneut an, etwas dazu zu sagen, aber wieder hielt ein Handzeichen seines Vaters ihn davon ab. „Sie hat nichts mit der Verschwörung gegen uns zu tun, davon bin ich überzeugt. Es gibt noch keine eindeutigen Beweise dafür, aber wenn sie damit etwas zu tun hätte, hätte sie sich nicht so aufgeregt und hätte nicht die Beherrschung über sich verloren. Darum habe ich den Zimmerarrest vorerst aufgehoben. Deshalb und weil ich denke, dass sie sich einfacher beruhigen kann, wenn es ihr erlaubt ist, sich wieder freier zu bewegen. Die Heilerin wird sie beobachten. Ich habe bereits klar gemacht, dass wir Hana zur Not ruhigstellen werden, um das ungeborene Kind nicht zu gefährden.“ Der Fürst lehnte sich etwas zurück. „Ich werde Myouga anweisen, mir alle Unterlagen über die Samurai zu bringen. Vielleicht ergibt sich daraus eine Spur oder zumindest ein Hinweis, auf welcher Seite Teki steht. Bis auf einen Teil soll die gesamte Armee ausrücken, um alles abzusuchen, jeden Winkel des Reiches. Außerdem werde ich Boten zu den anderen Fürsten schicken und sie um Unterstützung bitten und darum, dass wir auch in ihren Revieren suchen dürfen. Wenn ihr euch erholt genug fühlt, dürft ihr euch auch wieder auf die Suche machen. Vorausgesetzt eure Hitzköpfe sind auch wieder abgekühlt. Morgen werde ich die Krieger ausschicken, mit der Anweisung, drei Tage später wieder zurückzukehren, wenn sie keinen Hinweis finden. Also seid spätestens wieder dann wieder hier, damit wir weitersehen können. Ihr dürft gehen.“ Inu Yasha und Sesshoumaru verneigten sich kurz und verließen dann das Zimmer. Auf dem Flur wollte der Halbdämon noch etwas zu seinem Bruder sagen, aber dieser rauschte mit zusammengepressten Kiefern davon und so beschloss er, sich lieber unverzüglich wieder auf die Suche nach seiner Nichte zu machen. Hana hatte einige Mühe, sich ordentlich hinzuknien, als ihr Gefährte eintrat. Das Mittel, das Ayaka ihr zur Beruhigung gegeben hatte, machte sie ein wenig benommen. „Mein verehrter Vater teilte mir mit, dass du planst selbst nach unserer Tochter zu suchen, sollte sie bis zur Geburt unseres zweiten Kindes nicht zurück sein“, sagte er kühl. Sie neigte sich etwas tiefer. „Ja, Sesshoumaru-sama.“ „Sollte es tatsächlich passieren, dass Sora bis dahin noch verschwunden ist, wirst du dich nur auf die Suche machen dürfen, wenn deine Unschuld zweifelsfrei bewiesen ist und ein Familienmitglied im Schloss bleibt, um den Welpen zu beschützen.“ „Natürlich, Sesshoumaru-sama“, antwortete sie. „Mein verehrter Vater ist davon überzeugt, dass du nichts mit der Verschwörung und dem Verschwinden unserer Tochter zu tun hast, obwohl es noch keinen Beweis für deine Unschuld gibt und nicht mal klar ist, ob Soras Entführung mit den Vorfällen der letzten Wochen zusammenhängt. Ich zweifle nicht an seinem Urteil und an seinem Entschluss, den Zimmerarrest aufzuheben, aber sollten dennoch endgültige Beweise für deine Schuld auftauchen … nun, du hast sicherlich nicht vergessen, was ich dir dazu gesagt habe.“ „Nein, natürlich nicht, Sesshoumaru-sama.“ „Gut. Pass … auf dich auf“, sagte der Erbprinz nur und ging. Hana sah ihm leicht verwundert nach. War das tatsächlich eine Gefühlsregung gewesen, die nichts mit Wut zu tun hatte? Sie lehnte sich wieder zurück, sodass sie bequem saß, schloss die Augen und konzentrierte sich auf ihr ungeborenes Kind, stellte sich vor, wie es wohl aussehen mochte, ob es ein zweites Mädchen oder doch ein Sohn war und wie die Familie im Endeffekt darauf reagieren würde. Das war beruhigend für sie. Eine Weile später wurde sie jedoch aus ihren Gedanken gerissen, als ihr Schwiegervater zu ihr kam. Wie sollte sie sich denn ausruhen und entspannen, wenn sie ständig dabei unterbrochen wurde? Ohne ihren aufkeimenden Unmut zu zeigen wollte sie sich aufraffen, aber der Fürst hob etwas die Hand. „Lass nur. Ich bleibe auch nicht lange“, sagte er. „Ich werde die Unterlagen über die Samurai durchsehen, um festzustellen, ob es bei irgendjemandem … Unstimmigkeiten gibt, dann werde ich sie losschicken, um alles abzusuchen. Ich habe auch Boten zu den anderen Fürsten geschickt, um sie um Unterstützung zu bitten.“ Die Prinzessin neigte nur etwas den Kopf. Es wurde wirklich alles getan, um Sora zu finden. „Hat Sora dir jemals davon erzählt, dass es einen Ort gibt, an dem sie sich besonders wohl fühlt, der ihr gefällt oder den sie schon immer besuchen wollte? Außerhalb des Schlosses, natürlich“, fuhr er fort. „Sie fühlt sich in Wäldern wohl, weil sie dort nicht … auf dem Präsentierteller sitzt und die vielen Geräusche und Gerüche sie faszinieren, sie ist sehr neugierig. Sie wollte deswegen auch schon immer ans Meer, weil sie wissen will, ob der Geruch des Salzwassers wirklich alles andere überdeckt. Außerdem mag sie Flüsse.“ Das Familienoberhaupt nickte leicht. „Das Meer …“, murmelte er gedankenverloren. „Darf ich fragen, warum Ihr das wissen wollt, verehrter Schwiegervater?“ „Natürlich. Wenn Sora eine Kopfverletzung hat, könnte sie verwirrt sein und durch die Gegend wandern. Vielleicht begibt sie sich dann an einen dieser Orte, weil sie nicht nach Hause findet.“ „Ihr bezweifelt also, dass sie entführt wurde?“ „Ich halte es für zu früh, um eine Möglichkeit auszuschließen. Wir wissen nicht, was genau passiert ist. Vielleicht wurde sie entführt, vielleicht auch nicht. Vielleicht konnte sie auch entkommen.“ Hana neigte erneut den Kopf. „Verzeiht, verehrter Schwiegervater, aber ich bezweifle, dass Sora in dem Fall allein etwas erkunden würde. Sie würde versuchen, jemanden oder etwas zu finden, den oder das sie kennt, wie etwa ihren Vater oder auch ihren Onkel, wobei sie sich an Flüssen orientieren würde, um vielleicht sogar nach Hause zu finden.“ „Gewiss. Ich möchte trotzdem alle Möglichkeiten überprüfen, bevor ich sie ausschließe.“ „Natürlich.“ Umso besser. „Gut. Ruh dich noch ein wenig aus. Wenn du etwas benötigen solltest, zögere nicht zu fragen.“ „Danke, verehrter Schwiegervater.“ Er nickte nur knapp und ließ sie wieder alleine. Sie atmete hörbar auf und lehnte sich wieder zurück. Hoffentlich würden die ganzen Bemühungen nicht ergebnislos bleiben. Der Taishou kehrte unterdessen in sein Arbeitszimmer zurück, wo Myouga bereits die Unterlagen über die Krieger auf den Schreibtisch gehievt hatte. „Oyakata-sama, ich habe mir erlaubt, die Unterlagen über den Krieger Teki nach oben zu legen“, sagte der kleine Flohgeist. Was dort stand, dürfte seinen Herrn brennend interessieren. „Danke, Myouga. Sei so gut und finde für mich heraus, wie Amaru zu uns an den Hof gekommen ist“, antwortete dieser, setzte sich und nahm die Papiere zur Hand. Direkt die ersten Sätze deuteten darauf hin, dass sein schlimmster Verdacht in Bezug auf den Krieger Teki stimmte. Teki war einer der wenigen clanlosen Inu-Youkai gewesen. Beim Kräutersammeln im Wald hatte Amaru ihn schwer verletzt gefunden und ihn ins Schloss bringen lassen, um sich um ihn zu kümmern. Der Samurai war nach seiner Genesung geblieben. Der Fürst erinnerte sich auch wieder daran. Als der alte Heiler ihm über den Verletzten Bericht erstattet hatte, hatte er erwähnt, dass Teki sich sehr für das Leben in einem Clan interessierte und seines einsamen Lebens überdrüssig geworden war. Der Herr des Westens hatte daraufhin beschlossen, dem Samurai anzubieten, sich dem Westclan anzuschließen, wenn er dazu bereit wäre, sich für den Rest seines Lebens zu verpflichten, der Fürstenfamilie bedingungslos zu dienen. Aber es war auch möglich, dass Teki von jemandem dazu angestiftet worden war, sich im Westen einzuschleichen und die ganze Zeit heimlich einem anderen Fürsten gedient hatte, möglicherweise dem gleichen wie Amaru. Der Fürst musste unbedingt sichergehen, dass Amaru keinen weiteren Krieger eingeschleust hatte und herausfinden, wer näher mit Teki bekannt, befreundet war. Außerdem musste er dann auch noch herausfinden, ob es beim übrigen Dienstpersonal ähnliche Fälle gab … Das wirklich jede Menge Arbeit. Vielleicht sollte er etwas davon delegieren. Nur auf wen, wenn Sesshoumaru nicht da war? Myouga? Doch ihm kam da eine andere, bessere Idee … ______________________________________________________________________________________________________ Alle, die glauben, dass Hana sich zu schnell beruhigt hat, waren noch nie schwanger. ;) Im nächsten Kapitel schauen wir dann mal, was der werte Fürst des Nordens als nächstes macht. Vergesst nicht, an der Umfrage teilzunehmen. ^^ lg Hani & Kupferschweif Kapitel 22 ---------- Als die Kammerdienerin der Erbprinzessin ihrer Herrin mitteilte, dass der Fürst sie zu sehen wünschte, bemerkte sie nicht, dass diese fast entnervt die Augen verdreht und geseufzt hätte. Aber Hana fing langsam an sich darum zu sorgen, dass das Dienstpersonal noch anfangen könnte zu tuscheln, wenn er sie weiterhin so oft besuchte oder sie zu sich rief. Doch das würde der Herrscher schon zu unterbinden wissen und so kniete sie wenig später in seinem Arbeitszimmer. Sie war auch zugegebenermaßen interessiert, was er jetzt schon wieder von ihr wollte. Dass es bereits einen Hinweis auf den Verbleib ihrer Tochter gab, wagte sie nicht mal zu hoffen. „Ich hoffe, ich habe dich nicht bei irgendetwas gestört“, meinte er. „Nein, verehrter Schwiegervater.“ „Gut. Ich habe eine Bitte an dich. Schau dir die Unterlagen über das Dienstpersonal an und überprüfe sie auf Merkwürdigkeiten.“ „Verzeiht, was für Merkwürdigkeiten meint Ihr genau?“ „Ob sie auffällig oft bei Amaru waren, öfter als gewöhnlich um Urlaub bitten oder durch die Empfehlung eines anderen, besonders Amaru, eingestellt wurden. Solche Dinge, die man als Herr gewöhnlich kaum beachtet, weil ein Diener ist wie der andere, wenn man von den persönlichsten einmal absieht. Myouga erledigt gerade eine Aufgabe für mich, danach werde ich ihn mit den Unterlagen zu dir schicken, er wird dir auch helfen.“ Helfen oder überwachen? Aber Hana verneigte sich etwas. „Danke, verehrter Schwiegervater.“ „Gut. Du darfst gehen.“ Sie verneigte sich erneut und verließ dann den Raum. Dieser Befehl hatte sie wirklich überrascht und verwundert und sie wusste nicht recht, was sie davon halten sollte. Hatte der Fürst ihr diese Aufgabe übertragen, damit sie beschäftigt war? Oder sollte das ein Vertrauensbeweis sein? Beides? Egal. Sie war für die Ablenkung dankbar. Derweil sah der Fürst zu dem kleinen Flohgeist, der zu ihm kam und sich rasch verneigte. „Was hast du rausgefunden, Myouga?“ „Bedauerlicherweise nichts besonders aufschlussreiches, oyakata-sama. Amaru stammte aus einer recht guten Familie, die im südlicheren Teil Eures Reviers lebte und dort seit vielen Generationen ein Geschäft betrieb. Er war der einzige Sohn und sollte eines Tages den Familienbetrieb übernehmen, aber dann wurde die Familie bei einem Überfall aus dem Süden getötet, nur der damals noch recht junge Amaru überlebte. Er konnte und wollte das Familiengeschäft nicht neu aufbauen und so bot Euer verehrter Großvater ihm dann an, bei seinem Heiler am Hof zu lernen. Einige Jahre nachdem Amaru seine Ausbildung beendet hatte, wurde das Reich geteilt. Der alte Heiler ging mit in den Norden, während Amaru hier blieb“, berichtete Myouga. „Du hast dich geirrt, Myouga. Das war sogar ziemlich aufschlussreich. Amaru hat sein ganzes Leben in diesem Revier unter der Herrschaft meiner Familie gelebt und ist bei der Teilung des Reiches hier geblieben. War das seine eigene Entscheidung oder hat er den Befehl dazu bekommen? Die Vermutung liegt nah, dass er es ungerecht fand, dass mein Onkel den Norden bekam und dich den Westen oder gar das ganze Reich. Es wäre also denkbar, dass er sich an den Fürst des Nordens wandte und ihm seinen Dienst zusicherte. Also ist es sehr wahrscheinlich, dass der Fürst, dem er eigentlich diente, mein werter Cousin war. Wenn die Familie seit Generationen hier ihren Handel betrieb, wird sie kaum heimlich einem anderen Fürsten gedient haben, sie hätten für andere keinen Nutzen.“ „Gilt das denn als Beweis, den man gegen Euren Cousin verwenden kann?“ „Das hängt von den Bündnispartnern ab. Wenn ich einen Krieg gegen den Norden eröffne und um ihre Unterstützung bitte, werden sie entscheiden müssen, ob das ein Beweis oder nur ein Hinweis ist. Ich fürchte, sie werden es dann ablehnen, mich zu unterstützen. Aber wenigstens werden sie es dann wohl genauso ablehnen, dem Norden zu helfen. Dann kommt es darauf an, wessen Armee größer ist und wer zuerst nachgibt oder untergeht.“ „Verzeiht, oyakata-sama, aber Ihr habt doch immer noch das Höllenschwert. Das würde die Schlacht doch schnell beenden, schließlich kann man sich kaum Fürst nennen, wenn es keine Leute mehr gibt, über die man herrschen kann. Euer Cousin wird das doch kaum riskieren.“ Ein bitteres Lächeln umspielte die Lippen des Herrschers. „Da bin ich mir nicht so sicher, Myouga. Er hat kein Gewissen. Und er verfügt über ein ansehnliches Heer und so ziemlich jeder Youkai in seinem Reich hat eine Grundausbildung erhalten. Wenn es zum Krieg kommt, sehen wir uns mit einem sehr großen Teil der Bevölkerung des Nordens konfrontiert. Sou'unga würde vor Freude singen, dürfte es all diese Kämpfer und anschließend auch noch Akumaru töten, aber ich würde ungern mit so viel Blut füttern. Das war auch der Grund, warum mein verehrter Vater damals einen direkten Kampf mit seinem Bruder in ihrer wahren Gestalt angestrebt und die Schlacht damit beendet hat.“ „Natürlich, oyakata-sama, verzeiht, ich vergaß.“ Sein Herr hob etwas die Hand. „Lass bitte die Unterlagen über das Dienstpersonal zu Hana bringen. Ich habe sie bereits darüber informiert, dass sie nach Auffälligkeiten suchen soll und ich möchte, dass du ihr dabei ein wenig hilfst und ihr auch über die Schulter schaust.“ „Ich soll sie überwachen, oyakata-sama?“ „Nicht direkt. Aber vier Augen sehen einfach mehr als zwei und außerdem nehme ich an, dass du dich mit den Dienern besser auskennst als sie. Hana ist nun mal eine Prinzessin, für sie gab es bis jetzt keinen Grund, sich damit zu beschäftigen, wie das Personal normalerweise ausgewählt wird, wie oft es Urlaub nimmt, den Heiler aufsucht und so was alles.“ „Natürlich, oyakata-sama, wie Ihr wünscht.“ „Das war dann soweit alles, du darfst gehen“, beendete der Fürst das Gespräch und sein Berater machte sich nach einer tiefen Verneigung auf den Weg. Der Herrscher selbst wollte jetzt mit dem neuen Hauptmann Yujin, dessen Lebenslauf er genau wie die der restlichen Krieger die ganze Nacht hindurch studiert hatte, halten und neben einer relativ kleinen Schlosswache nur die Samurai zurückhalten, die als bedrohlich angesehen werden konnten und mussten, während alle anderen ausziehen und nach seiner Enkeltochter suchen sollten. Unterdessen herrschte im Schloss des Nordens kurz vor der Ankunft des angekündigten Besuchs noch Aufregung unter dem Dienstpersonal. Der Herr wollte, dass alles perfekt war und er war nicht gerade bekannt dafür, Fehler zu verzeihen. Dieser ging, gefolgt von seinem Sohn, durch die Gänge, um noch einmal alles zu kontrollieren und dann den Besuch auf dem Schlosshof in Empfang zu nehmen. Ichiromaru hatte von seinem Vater deutlich eingeprägt bekommen, wie er sich zu verhalten und was er zu sagen hatte, damit auch ja nichts schief ging, denn von diesem Treffen hing der weitere Verlauf des Plans ab. Wenn es verlief, wie der Herr des Nordens es sich wünschte, würde der Westen ziemliche Probleme bekommen, ging etwas daneben, könnte der Norden in ein schlechtes Licht gerückt werden. So stand er kurze Zeit später deutlich angespannt hinter seinem Vater auf dem Schlosshof und wartete auf den Besucher. „Eine sehr wichtige Lektion, mein Sohn: Der Empfang eines Besuchs ist mit das Wichtigste, wenn man jemanden auf seine Seite ziehen und für seine Zwecke einspannen will, weil man hier schon die ersten Steine für das folgende Gespräch legt“, meinte der Fürst. „Danke für die lehrreiche Lektion, chichi-ue, ich werde sie nie vergessen“, antwortete sein Erbe und verneigte sich, was mit einem fast schon wohlwollenden Blick zur Kenntnis genommen wurde. Dann sahen beide zum Schlosstor, das aufgeschoben wurde und den Blick auf den Ankömmling freigab. Ein relativ kleiner Mann mit dunklem Haar und silbrig glänzenden Augen, dessen Gesichtszeichnungen und Kleidung davon zeugten, dass er ein hochrangiger und mächtiger Daiyoukai war, ein Fürst. Mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht und ausgebreiteten Armen kam er auf den Nordfürsten zu, der ihm ebenfalls lächelnd entgegen ging. Die beiden Männer umfassten den rechten Unterarm des jeweils anderen; der alte Gruß unter großen Kriegern. „Sentaku-san, es mir und meiner Familie eine große Freude und Ehre, Euch bei uns begrüßen zu dürfen“, sagte der Gastgeber. „Ich danke Euch, Akumaru-san, ich freue mich, Euch einmal wiederzusehen“, erwiderte der Andere und sah zu Ichiromaru, der sich höflich verneigte. „Ich muss sagen, Euer Erbe hat sich wirklich großartig entwickelt, Ihr seid sicherlich stolz auf ihn.“ „Danke, Sentaku-san, er ist wirklich ein vorbildlicher Sohn und Erbe.“ „Oh, darf ich fragen, wie das Befinden Eurer werten Gemahlin ist? Ich hörte von ihrem bedauerlichen Unfall.“ Außerdem war sie weit und breit nirgendwo zu sehen, was ihm ein wenig merkwürdig und ja, unhöflich vorkam. Akumaru verzog die Mundwinkel und zog eine Fratze, die wie eine Mischung aus Leid und Wut aussah. „Ja, dieser Unfall … Lasst uns doch reingehen und uns setzen, dann lässt es sich bequemer reden.“ „Gerne, gerne. Es gibt sicherlich viel zu reden, mein Lieber.“ „Gewiss.“ Der Nordfürst bedeutete seinem Gast mit einem höflichen Wink, ihn ins Schloss zu begleiten, während sein Sohn ihm stumm wie ein Diener folgte. Als alle im Empfangszimmer saßen, blickte Sentaku fast schon auffordernd zu seinem Gastgeber. „Also, Akumaru-san, was gibt es neues im Norden?“ Der Nordfürst schien seufzen zu wollen und sich nur mit Mühe davon abhalten zu können. „Wisst Ihr, es war recht aufregend in letzter Zeit. Ihr habt ja schon von dem bedauerlichen Unfall meiner Gefährtin gehört.“ „Das stimmt. Ich hoffe doch sehr, dass die Gute wohlauf ist.“ „Ja, sie wurde glücklicherweise nicht allzu schwer verletzt und hat sich schnell wieder erholt.“ „Darf ich fragen, was genau passiert ist?“ Die Gerüchte hatten sich lediglich darauf beschränkt, dass die Fürstin einen Unfall hatte, der genauso gut künstlich herbeigeführt geworden sein könnte, aber das verschwieg er wohlweislich. „Nun, meine Gefährtin verspürte wohl den Drang, die Ländereien einmal selbst zu erkunden und so war sie unterwegs, auch in den bergigen Regionen. Dort war sie unvorsichtig und trat auf unsicheren, felsigen Boden, der dann wegsackte und sie mit in die Tiefe riss. Wenn unser Sohn sich nicht auf die Suche gemacht hätte, weil er sich um sie sorgte, wer weiß, was ihr dann … verzeiht, aber daran möchte ich nicht mal denken.“ Der Gast sah zu dem jungen Inu-Youkai, der hinter seinem Vater kniete und den Kopf höflich gesenkt hielt. „Du sorgtest dich also um deine Mutter? Bestand dazu denn ein Grund?“ „Es war weniger die Sorge um ihr leibliches Wohlergehen, als um ihren Ruf, Sentaku-sama“, erwiderte der Prinz. „Meine verehrte Mutter bevorzugte es, ohne Geleitschutz und Diener zu reisen.“ „Oh.“ Man konnte es dem dunkelhaarigen Fürsten beinahe ansehen, wie es in seinem Kopf arbeitete. „War da nicht mal eine ähnliche Geschichte mit Eurer ersten Gefährtin, der Mutter Eurer reizenden Tochter? Die ging nicht so glimpflich aus, wenn ich mich recht erinnere.“ Akumaru senkte etwas den Kopf. „In der Tat. Meine erste Frau verstarb ebenfalls bei einem Ausflug in die bergigen Gebiete, den sie ohne Begleitung unternommen hatte. Tja, es scheint in der Familie zu liegen, dass all ihre Frauen zu Abenteuern neigen.“ „Ich erinnere mich, Ihr heiratetet dann die jüngere Schwester …“ Sentaku lehnte sich etwas zurück. „Und wo wir schon bei Eurer Tochter sind: Mich erreichte kurz vor meinem Aufbruch eine beunruhigende Nachricht aus dem Westen. Ihr habt es gewiss auch schon erfahren?“ Der Fürst des Nordens sah den anderen mit gewisser Überraschung an. „Ich war zugegeben den ganzen Morgen beschäftigt. Ichiromaru, du hast dich in der Zeit um das Amtliche gekümmert, kam eine Nachricht aus dem Westen?“ „Nein, chichi-ue“, erwiderte sein Erbe mit dem gleichen Maß an Überraschung. „Darüber hätte ich Euch selbstverständlich informiert, schließlich …“ Er unterbrach sich selbst und neigte sich etwas tiefer, fühlte aber den neugierigen Blick des Gastes auf sich. „Dann wird der Bote sicherlich bald eintreffen“, meinte Akumaru mit einem strengen Seitenblick auf seinen Sohn. „Was hatte mein geschätzter Cousin Euch denn mitzuteilen?“ „Ich bin mir nicht sicher, ob ich es Euch sagen sollte, schließlich gehört Ihr zu der Familie, da wäre es angebrachter, wenn Euch der Westen selbst informieren würde“, antwortete der andere Fürst. „Hat es etwa etwas mit meiner Enkeltochter zu tun? Mit Sora?“ „Ja, tatsächlich. Dann habt Ihr doch schon davon gehört?“ „Nun, ich kann mir vorstellen, welche Nachricht Euch erreichte, aber bitte, erzählt doch.“ „Natürlich … Der Taishou, Euer geschätzter Cousin, schickte einen Boten zu mir, mit der Bitte um die Erlaubnis, auf meinem Land nach seiner und Eurer Enkeltochter suchen zu dürfen. Sie scheint bei einem Lehrausflug verschwunden zu sein und der Westen geht davon aus, dass sie verletzt ist. Noch wissen sie aber nicht, ob das Mädchen verwirrt durch die Gegend wandert oder ob sie tatsächlich entführt wurde. Die Familie scheint ja in heller Aufregung zu sein.“ Der Gastgeber schnaubte wütend. „Oh, dieser verdammte … Verzeiht, Sentaku-san, das war selbstverständlich nicht gegen Euch gerichtet, es ist nur …“ Er atmete tief durch, um sich zu beruhigen. „Sora ist hier in diesem Schloss.“ „Oh? Wie kommt das?“ wollte der Dunkelhaarige wissen. „Nun, mein Sohn und ich besuchten den Westen vor ein paar Tagen, um einmal zu sehen, wie es Hana geht. Ich höre ja nicht viel von ihr, außer dass sie in letzter Zeit zwei Mal in Lebensgefahr geschwebt hat. Bei diesem Besuch fiel uns jedoch auf, dass Sora … nun, dass sie nicht wie ein normales achtjähriges Mädchen benimmt. Sie wirkte viel zu zurückhaltend, ja, fast schon ängstlich, wenn ihr Vater, ihr anderer Großvater und ihr anderer Onkel in ihrer Nähe waren, oder auch Hana, aber bei ihr nicht ganz so sehr … Jedenfalls erzählte sie mir von dem Lehrausflug zu der kleinen Schlucht, die ihr Kräuterkundelehrer geplant hatte. Mein Sohn hielt es für eine gute Idee, wenn wir einmal überprüfen würden, ob die Kleine wirklich gut behandelt wird. Er scheint doch sehr sensibel zu sein, was Familienmitglieder angeht.“ „Wollt Ihr damit sagen, dass der Westen die kleine Prinzessin nicht gut behandelt?“ „Ja, sie tun sogar das genaue Gegenteil. Als mein Sohn das Mädchen fand, war sie schwer verletzt. Ihr anderer Onkel, der Halbdämon, war wohl erbost darüber, dass er das Kind beaufsichtigen sollte und hat das an ihr ausgelassen. Dabei ist sie in eine Schlucht gestürzt. Sie hat Glück, dass sie noch lebt. Wer weiß, was passiert wäre, wenn Ichiromaru den Hanyou nicht überwältigt und die Kleine sofort in unser Schloss gebracht hätte“, sagte der Nordfürst mit einem leidenden Unterton. Sein Gegenüber sah zu dem jungen Prinz. „Du hast dem Mädchen vermutlich das Leben gerettet.“ Ichiromaru neigte etwas den Kopf. „Ich tat, was ich für meine Pflicht als Onkel hielt und half meiner verletzten Nichte“, meinte er. Sentaku nickte nur leicht und sah wieder zu Akumaru. „Wie geht es denn dem armen Kind?“ „Von den körperlichen Verletzungen hat sich sich schon wieder fast vollständig erholt, sie ist zäh. Aber seelisch … Sie ist noch ziemlich verstört und unsicher, was auch der Grund ist, weshalb meine Gemahlin jetzt nicht hier ist. Sie kümmert sich um meine Enkeltochter“, erwiderte dieser. „Natürlich, sicher. Das arme Mädchen braucht jetzt sicher viel Zuneigung und Aufmerksamkeit von vertrauten Familienmitgliedern, die ihr nichts tun.“ Der Cousin des Taishou seufzte tief. „Das ist ja ein weiteres Problem. Sora hat ihre Erinnerungen verloren. Sie weiß nicht, wer wir sind, wer sie ist, was mit ihr passiert ist und was ihr im Westen widerfahren ist.“ „So etwas ist möglich?“ fragte sein Gegenüber überrascht. „Ja, scheinbar. Unser Heiler hatte bislang auch nur davon gehört und das auch lediglich im Bezug auf Menschen. Er sagte, dass der Gedächtnisverlust entweder durch die Kopfverletzung, die sie sich bei dem Sturz zugezogen hat, ausgelöst wurde oder aber eine Reaktion auf ein erlittenes Trauma ist. Meine kleine Enkelin ist noch ein Kind, gerade einmal acht Jahre alt und damit noch längst nicht so unempfindlich wie ein heranwachsender geschweige denn ein erwachsener Youkai.“ „Gibt es denn die Hoffnung, dass sie sich bald wieder erinnert?“ „Das kann keiner sagen. Wenn der Gedächtnisverlust durch die Verletzung kommt, kann es gut sein, dass sie sich nie wieder erinnert. Ist es dagegen seelisch bedingt, können verschiedene Einflüsse wie vertraute Gerüchte oder Gesichter Erinnerungen wachrufen, aber bedauerlicherweise ist das bis jetzt noch nicht geschehen.“ „Wenn ich mich recht entsinne, hattet Ihr auch nicht gerade engen Kontakt zu dem Westclan, nicht wahr?“ Der Erbprinz ballte die Hände zu Fäusten und biss sich auf die Lippen, bis er Blut schmeckte, was dem Gast nicht entging. „Ichiromaru, reiß dich zusammen“, sagte sein Vater mit einem nur leicht tadelnden Unterton. „Verzeiht ihm, Sentaku-san, aber ihn belastet das alles sehr. Er hat seine Schwester immer sehr verehrt, obwohl er sie kaum persönlich kennenlernen durfte und der Gedanke, dass sie entweder an dem Leid des Kindes, ihres Kindes, eine Mitschuld trägt, sei es durch ihr Schweigen oder gar eigenes Handeln belastet ihn genauso sehr wie der Gedanke, dass sie ebenfalls ein Opfer des Westens sein könnte, mich natürlich ebenso, schließlich gab ich Sesshoumaru meine liebe Tochter zur Frau, um den Frieden mit dem Westen zu wahren. Hätte ich das doch nur nicht …“ Er unterbrach sich und hob entschuldigend eine Hand. „Verzeiht, ich wollte nicht so aufgebracht werden.“ „Nicht doch, werter Freund, das kann ich wirklich nachempfinden. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich mich in einer solchen Situation reagieren würde.“ Sentaku lehnte sich etwas vor. „Ich will es kaum glauben, was Ihr mir eben berichtet habt. Wo der Fürst des Westens, Euer Cousin, doch immer den Eindruck machte, dass seine Familie ihm wichtiger ist als so vieles andere …“ „Das habe ich auch immer angenommen, was auch ein Grund dafür war, dass ich meine Tochter ohne größere Bedenken dorthin geschickt habe. Ich nahm an, dass sie dort gut aufgehoben wäre und gut behandelt würde. Ich habe mir auch die ganze Zeit den Kopf darüber zerbrochen, wie man das erklären kann, aber … mir fiel nur eine Erklärung für diesen … Irrtum ein: Der Westen hatte noch nie eine Tochter. Seit Generationen gab es in unserer Familie nur Söhne. Der Westen scheint sich demnach nur um seine männlichen Nachkommen zu kümmern.“ Sentaku nickte etwas. „Ja, scheint so … Tja, zu unseren Fähigkeiten zählt bedauerlicherweise nihct das Gedankenlesen. Ich hoffe wirklich sehr, dass es Eurer Enkelin bald besser geht.“ „Danke, Sentaku-san. Aber genug von unseren familiären Angelegenheiten. Was gibt es neues im Süden.“ Nachdem auch Sentaku von den vergleichsweise langweiligen Geschehnissen in seinem Reich berichtet hatte und der Besuch sich dem Ende zuneigte, gingen Akumaru und Ichiromaru selbstverständlich mit ihm auf den Schlosshof, um ihn formvollendet zu verabschieden. „Eine Sache möchte ich Euch noch sagen, werter Freund, bevor ich mich auf die Heimreise machen werde“, sagte der dunkelhaarige Daiyoukai. „Wenn Ihr gegen den Westen in den Krieg ziehen wollt, kann ich das durchaus verstehen, schließlich habt Ihr allen Grund dazu, allerdings kann ich Euch zum jetzigen Zeitpunkt meine volle Unterstützung noch nicht zusichern. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich meinem Heer befehlen sollte, sich in etwas einzumischen, das einige gewiss als Familienstreit bezeichnen würden.“ Der Nordfürst nickte etwas. „Natürlich, lieber Freund. Ich wüsste auch nicht sofort, ob ich Euch unterstützen würde, wenn Ihr in einer solchen Situation wärt. Ich weiß selbst noch nicht einmal, was ich jetzt tun werde. Aber ich möchte Euch noch um zwei Dinge bitten.“ „Sicher, Akumaru-san.“ „Zum Einen habe ich Euch das alles im Vertrauen unter guten Freunden erzählt und hoffe, dass Ihr mit den Informationen nicht hausieren geht.“ „Natürlich nicht, das verspreche ich Euch.“ „Und zum Anderen möchte ich Euch darum bitten, über die Sache nachzudenken und Euch zu entscheiden, ob Ihr mich im Kriegsfall unterstützen würdet oder nicht.“ „Auch das verspreche ich Euch. Allerdings werde ich Euch meine Entscheidung nicht mitteilen, bevor es zum Ernstfall kommt. Versteht mich nicht falsch, aber ich möchte nicht riskieren, Euch bei Eurer Entscheidung zu beeinflussen. So schwer das auch sein mag, diese Entscheidung müsst Ihr ganz alleine treffen.“ „Das ist mir nur zu bewusst, Sentaku-san. Darum begrüße ich Euren Entschluss sehr.“ Der Fürst des Südens legte den Kopf leicht schief. „Dürfte ich Euch darum bitten mir eine Nachricht zu schicken, wenn sich etwas an dem Zustand der kleinen Prinzessin etwas geändert hat oder Ihr weitere Informationen diesbezüglich erhalten habt?“ „Das werde ich sehr gerne tun, mein Freund.“ „Ich danke Euch dafür und selbstverständlich auch für Eure Gastfreundschaft, Akumaru-san.“ „Es war mir eine Ehre und eine Freude, Euch hier begrüßen zu dürfen, Sentaku-san“, erwiderte der Fürst des Nordens freundlich und reichte dem Anderen die Hand zum Abschied. „Ich wünsche Euch eine angenehme Heimreise.“ „Danke, werter Freund“, antwortete der Dunkelhaarige und sah etwas zur Seite. „Komm.“ Erst jetzt bemerkten Vater und Sohn leicht überrascht den Diener, der hinter Sentaku kniete und sich nun eilig erhob. Natürlich zeigte keiner der beiden, dass es ihnen bislang gar nicht aufgefallen war, dass ihr Gast in Begleitung aufgetaucht war, schließlich war das auch nicht weiter ungewöhnlich. Als der Gast verschwunden war und das Schlosstor sich wieder schloss, sah Akumaru zu seinem Sohn. „Ich bin wirklich stolz darauf, dass mein Plan so perfekt funktioniert hat. Du hast deinen Teil bis ins kleinste Detail perfekt ausgeführt, sehr gut. Nicht mehr lange und der Westen fällt. Dann gehört das Land endlich dem rechtmäßigen Herrscher. Mir!“ Ichiromaru verneigte sich etwas tiefer. „Vergebt meinen mangelnden Verstand, chichi-ue, aber was genau wolltet Ihr damit erreichen, dass Ihr dem Fürsten des Südens eine so detailreiche Geschichte erzählt habt?“ Sein Vater lächelte etwas. „Sentaku ist ein kluger Mann, ein guter Heerführer und Fürst, aber er hat einen Fehler: Er ist geschwätziger als jedes Waschweib. Er tratscht für sein Leben gern über alles und jeden. Und was wir ihm heute aufgetischt haben, wird er haarklein den anderen Fürsten erzählen, die daraufhin alle miteinander darüber diskutieren werden, wie sie sich jetzt verhalten sollen, auf wessen Seite sie stehen oder ob sie sich ganz raushalten wollen. Das erspart es mir, selbst die Nachricht zu verbreiten und damit den Eindruck zu erwecken, ein Hetzer gegen den Westen und nur am Krieg interessiert zu sein.“ Obwohl er natürlich genau das war, aber das dürfte sogar sein Sohn mitbekommen haben. „Das Schicksal scheint auf Eurer Seite zu stehen, chichi-ue, schließlich spielte es Euch mit Zufällen die richtigen Karten zu.“ „Ich glaube nicht an das Schicksal, mein Sohn. Ich glaube an Macht, Intelligenz und Taktik. Und natürlich an mich selbst. Mehr benötige ich nicht, um mein Ziel zu erreichen.“ __________________________________________________________________________________________________ Tja, ob der Fürst des Nordens sein Ziel erreichen wird, bleibt noch fraglich. :) Die Umfrage endet übrigens in zwei Wochen, kurz bevor wir das neue Kapitel on stellen. Da ich die Ergebnisse sehen kann, kann ich sagen, dass es momentan noch keine eindeutige Entscheidung ist. ^^ Bis nächste Woche dann Hani (& Kupferschweif, die nach Paris durchgebrannt ist -.-) Kapitel 23 ---------- Müde und mit hängenden Schultern ging Inu Yasha durch den Wald, der das Schloss in einem recht großen Umkreis umgab. Er hatte noch immer keine Spur von seiner Nichte gefunden, weder im Reich seines Vaters, noch in den benachbarten, die er und sein älterer Bruder ebenfalls absuchen durften. Es gab keine Gerüchte, kein Getuschel, das darüber hinaus ging, dass die Tochter des Erbprinzen des Westens verschwunden war. Es war, als wäre Sora einfach in einem Erdloch verschwunden, das sich dann geschlossen hatte. Mit jedem Schritt, den der Halbdämon auf das Schloss seines Vaters, sein Zuhause, zumachte, wurden ihm die Beine schwerer und schwerer. Dort warteten sie wohl alle. Sein Vater, der in den letzten Wochen sichtlich gealtert war und erschöpft wirkte. Sein Bruder, der verschlossener war als je zuvor und wohl von seiner Wut zerfressen wurde. Seine Schwägerin, die die meiste Zeit still in ihrem Zimmer saß und starr aus dem Fenster blickte. Das gesamte Dienstpersonal, das die bedrückte Stimmung der Fürstenfamilie angenommen zu haben schien. Und natürlich die Gefährtin seines Vaters, die derzeit zu Besuch war, angeblich um sich um die Familie zu kümmern. In Wirklichkeit wollte sie sichergehen, dass ihr Sohn einen Sohn bekam und ging Hana auf die Nerven, während sie Inu Yasha deutlich spüren ließ, dass er in ihrer Achtung noch weiter gesunken war, weil er schuld daran war, dass Sora entführt wurde und darum alle so niedergeschlagen waren. Natürlich tat sie nichts, wofür sie hätte getadelt oder bestraft werden können. Er freute sich schon darauf, wenn sie wieder abreisen würde. Als er das Schloss schemenhaft zwischen den Bäumen erkennen konnte, blieb er stehen und seufzte. Ihm war jegliche Lust, dorthin zurückzukehren, vergangen. Was sollte es auch bringen? Es würde wie die letzten Male ablaufen. Vater würde einen Bericht von ihm wünschen und wenn er ihm sagen würde, dass es immer noch keine Spur gab, würde der Fürst wieder älter wirken, erschöpfter. Sesshoumaru würde sich nichts anmerken lassen, aber er würde seine Wut hinterher wieder irgendwie abreagieren. Im Zweifelsfall an einer Schlosswand, die dadurch einstürzen würde, dass ein Diener oder ein Samurai darin gelandet war. Und Hanas Blick würde wieder ein Stück leerer werden. Das war alles nichts, was er unbedingt erleben wollte. Eher im Gegenteil. Der junge Prinz seufzte erneut und setzte sich wieder in Bewegung. Er würde es nicht besser machen, wenn er jetzt auch noch spurlos verschwand. Zumindest für seinen Vater würde er es damit nicht besser machen. Sesshoumaru war gerade dabei, mit dem neuen Hauptmann Yujin den Schwertkampf zu üben, als er seinen Halbbruder bemerkte. Er stieß den Krieger hart von sich und sah zu Inu Yasha, der den Blick erwiderte und den Kopf schüttelte, ehe er das Schloss betrat. Aus dem Augenwinkel bekam der Halbdämon noch mit, dass sein älterer Bruder Yujin, der sich gerade wieder aufgerappelt hatte, so hart angriff, dass dieser gegen die Schlossmauer flog, zu Boden sackte und benommen liegen blieb. Er hatte zugegeben mit schlimmerem gerechnet, aber dann hätte der Erbprinz sich wohl dem Fürsten gegenüber rechtfertigen müssen. Dieser war in seinem Arbeitszimmer und starrte gedankenverloren auf die Post des Tages, die er noch nicht angerührt hatte. Die anderen Fürsten hatten geschrieben, es war kein Brief dabei, der keinen Absender hatte oder sonst wie auffällig wäre. Als sein Sekretär den jüngeren Prinzen meldete, gab er mit einem Wink zu verstehen, dass sein Sohn reinkommen sollte. Inu Yasha verneigte sich höflich, ehe er Platz nahm. „Hattest du Erfolg?“ fragte der Taishou mit gewisser Hoffnung. „Nein, verehrter Vater, leider nicht.“ „Wo warst du?“ „Ich bin an der Grenze zum Norden entlang gewandert und dann in den Osten, wo ich die dichten Wälder abgesucht und mit einigen Wanderern gesprochen habe. Es gab keine Hinweise oder Gerüchte“, antwortete der Hanyou. Sein Vater nickte nur etwas. „Sonst noch etwas?“ „Nicht zu meiner Reise.“ „Nun?“ „Wie geht es Hana?“ „Es kann nicht mehr lange dauern. Und dann wird es für sie wohl kein Halten mehr geben.“ „Mmh.“ Der Jüngere kannte seine Schwägerin gut genug um zu wissen, dass sie wirklich aus dem Schloss ausbrechen und nur mit Sora wieder zurückkehren würde. „Du darfst gehen“, sagte der Taishou und Inu Yasha verließ das Zimmer nach einer weiteren Verneigung. Sein Vater rieb sich mit beiden Händen das Gesicht und schüttelte etwas den Kopf, als wollte er seine Gedanken ordnen. Diese Aussichtslosigkeit und Hoffnungslosigkeit machte ihm und seinem gesamten Haushalt schwer zu schaffen. Inu Yasha war zurzeit zudem der einzige, der momentan noch suchen konnte. Sesshoumaru blieb im Schloss, da die Geburt kurz bevor stand und der Herrscher konnte und wollte sein Schloss nicht ohne einen Regenten zurücklassen, wofür sein Erbe momentan allerdings wohl ungeeignet wäre. Das Heer hatte auch schon das gesamte Reich abgesucht, wurde von den anderen Fürsten allerdings nicht auf ihrem Gebiet geduldet. Verständlicherweise. Aber wenn nicht bald etwas geschah, sei es ein Hinweis auf den Verbleib der kleinen Prinzessin oder ein Erpresserbrief oder etwas in der Art, würde das Erbprinzenpaar wohl das ganze Land in Schutt und Asche legen, bis sie ihre Tochter zurück hätten. Der Herrscher war mittlerweile sogar so weit, dass er auch mehr oder weniger zufrieden damit wäre, zu erfahren, dass Sora tot war, damit sie wenigstens Gewissheit darüber hätten, auch wenn er sich das natürlich bei Weitem nicht wünschte. „Hallo, Hana“, sagte Inu Yasha, als er seine Schwägerin im Schlossgarten fand. Sie saß wie erstarrt auf der Bank, die Hände um ihren runden Bauch gelegt, den Blick vor sich gerichtet. Sie sah weder auf, noch gab sie sonst wie zu erkennen, dass sie ihn bemerkt hatte. Er erinnerte sich daran, dass sie um diese Tageszeit oft im Garten anzutreffen war, schon als er noch ein Kind gewesen war. Damals hatte er sich immer vor die Bank auf den Boden gesetzt, den Kopf gegen ihr Knie gelehnt und hatte ihr von seinem Tag erzählt. Sie hatte ihm immer geduldig zugehört, ihn getröstet, wenn ihn etwas bedrückt hatte und ihn gelobt und sich mit ihm gefreut, wenn etwas tolles passiert war. Unwillkürlich wünschte er sich, er könnte wieder ein Kind sein. Damals war die Welt noch in Ordnung gewesen. „Dich zu fragen, wie es dir geht, wäre wohl überflüssig, oder?“ fragte er und ließ sich vor der Bank ins Gras plumpsen. Hana antwortete nicht. Diese Frage war in der Tat überflüssig. Eine Weile saß der Jüngere still neben ihr, dann seufzte er und lehnte sich zurück. „Ich hoffe, deine verehrte Schwiegermutter treibt dich nicht allzu sehr in den Wahnsinn.“ „Inu Yasha, weswegen bist du hier?“ fragte sie und er erschrak fast beim Klang ihrer Stimme. Sie klang so fremd … „Ich … wollte nur mal nach dir sehen“, erwiderte er. „Warum?“ „Weil … na ja, du bist doch meine Schwägerin, da sollte es mich doch ein bisschen interessieren, wie es dir geht.“ Die Erbprinzessin wandte ihm ihren Blick zu. „Inu Yasha, du hast einen Fehler begangen und das hat deinen Bruder und mich die Tochter gekostet. Du wirst dir denken können, wie es mir geht, also versuch nicht, deine Schuldgefühle zu lindern oder was auch immer du hier versuchst.“ Der Halbdämon zuckte zusammen und ließ sich nach vorne sinken, sodass sein silbriges Haar sein Gesicht verdeckte. „Es tut mir so unendlich leid, Hana, wirklich“, sagte er leise. Sie reagierte nicht, wandte nur den Blick wieder ab. Er atmete tief durch, dann raffte er sich auf, sodass er neben ihr kniete und drückte seine Stirn gegen ihr Knie. „Ich verspreche dir, dass ich nicht eher aufgeben werde, bevor Sora wieder gesund und munter zuhase und alles wieder wie früher ist, nee-san. Ich verspreche es dir.“ „Viel Glück, Inu Yasha.“ Er richtete sich wieder auf und machte sich dann wieder auf die verzweifelte Suche. Er meinte, was er gesagt hatte. Er würde nicht aufgeben, bis er einen Hinweis hatte und dann würde er auch nur zurückkommen, wenn er Hilfe dabei brauchen sollte, die kleine Prinzessin zu befreien. Seine Schwägerin sah ihm einige Zeit nachdenklich hinterher. Sie wusste, dass er eine Mitschuld an der Entführung ihrer Tochter trug, dass ihn das fertig machte und dass es ihm vermutlich besser gehen würde, wenn er wusste, dass sie und Sesshoumaru ihm verziehen, aber das konnten sie nicht. Nicht solange sie nicht wussten, was mit ihrer Tochter passiert war und vielleicht nicht einmal dann. Die Prinzessin verzog etwas das Gesicht, als ein Tritt ihres ungeborenen Kindes hart auf ihre Rippe traf und sie das Gefühl hatte, ihre Knochen würden gleich nachgeben. Egal, ob der Welpe ein Junge oder ein Mädchen war, er würde bestimmt einmal ein guter Kämpfer werden. Inu Yasha hatte sich auf den Weg in Richtung Süden gemacht. Der Fürst dort war bekannt dafür, sich reger am Geschwätz in seinem Schloss und dessen Umgebung zu beteiligen, als es vielleicht angemessen wäre und sich sein Interesse an diesem Gewäsch sich durchaus nicht nur auf sein eigenes Reich beschränkte. Sich an sein Umfeld oder ihn selbst zu wenden, könnte also vielleicht etwas neues ergeben. Außerdem konnte er so noch einen kurzen Abstecher machen und jemanden besuchen, den er viel zu sehr vernachlässigt hatte und der bestimmt einen guten Rat für ihn hätte. Schon kurz nachdem er die offenen Wiesen verlassen hatte und in einen Wald gegangen war, hinter dem aufsteigender Rauch zeigte, dass dort ein Menschendorf lag, kitzelte ein vertrauter Geruch seine Nase; der Geruch, nach dem er sich gesehnt hatte. „Inu Yasha“, sagte eine ruhige Frauenstimme mit einer Spur Verwunderung. Er wandte sich zu ihr um und ging schnell auf sie zu, schloss sie fest in seine Arme. „Kikyou …“ Sie erwiderte die Umarmung kurz, ehe sie sich von ihm löste und ihm in die Augen sah. „Was ist passiert? Warum warst du so lange nicht mehr hier?“ „Es tut mir leid, dass wir uns so lange nicht mehr sehen konnten, Kikyou, aber … Es ist ziemlich viel passiert in letzter Zeit und … momentan geht einfach so ziemlich alles schief, was nur schiefgehen kann.“ „Willst du mir mehr darüber erzählen? Vielleicht kann ich dir ja helfen?“ Der Halbdämon atmete innerlich auf. Genau darauf hatte er gehofft. „Ich kann leider nicht annähernd so lange bleiben, wie ich gerne wollte“, meinte er bedauernd und sammelte sich kurz. „Vor ein paar Wochen hat jemand meine Nichte entführt, als sie auf einem Lehrausflug war. Seitdem suchen wir alles ab, aber wir finden keine Spur und es gibt auch keinen Hinweis darauf, wo sie sein könnte und was mit ihr passiert ist. Der Entführer hat sich auch noch nicht gemeldet und ich weiß einfach nicht mehr weiter. In nächster Zeit wird meine Schwägerin auch noch ein Kind bekommen und dann … Ich denke, dann werden sie und mein Bruder die Suchen intensivieren und dabei … keine Rücksicht auf Verluste nehmen, verstehst du? Ich muss Sora einfach finden“, sprudelte es aus ihm heraus und er sah die Miko vor sich hilflos an. Sie zog etwas die Augenbrauen zusammen. „Aber … deine Nichte zu entführen und sich dann nicht zu melden, macht doch gar keinen Sinn, oder?“ fragte sie vorsichtig. Er seufzte etwas. „Ich weiß es nicht. Einerseits wäre sie natürlich ein sehr gutes Druckmittel und wir haben auch erwartet, dass sich jemand meldet und Forderungen stellt, aber … mittlerweile glaube ich, dass es entweder darum geht, uns mürbe zu machen und zu schwächen und dann anzugreifen oder … dass es dem Entführer darum geht … Sora zu … haben.“ Der bloße Gedanke daran ließ ihn sich schütteln und löste eine schmerzhafte Übelkeit in ihm aus. „Mmh. Gibt es denn jemanden, dem du zutrauen würdest, ein kleines Mädchen zu entführen, um euch in einem schwachen Moment zu erwischen und anzugreifen?“ wollte Kikyou wissen. Sie kannte sich mit den Feinden der dämonischen Herrschaften des Westens nicht besonders gut aus, schon gar nicht, wenn es sich dabei um die anderen Dämonenfürsten handelte. „Der Fürst des Nordens vielleicht, aber … es müsste doch mittlerweile irgendwelche Gerüchte geben, oder nicht? Ich meine, wenn sie dort im Schloss wäre, würde auch die Schlossbelegschaft darüber tuscheln und dann … müsste dieses Getuschel auch die umliegenden Dörfer erreichen.“ „Vielleicht nicht. Stell dir vor, ihr hättet das Kind eines anderen Fürsten entführt. Jetzt schau nicht so, du sollst es dir doch nur vorstellen. Würdet ihr dann nicht dafür sorgen, dass das Schlosspersonal nicht tratscht oder nicht tratschen kann? Egal wie?“ Der Hanyou nickte langsam. „Du hast recht … Dann müssen wir zu den anderen Fürsten gehen und dort direkt Nachforschungen anstellen … Danke, ich glaube, du hast mir wirklich sehr weitergeholfen.“ „Es freut mich, wenn ich dir helfen konnte. Geh jetzt ruhig. Ich seh dich, dass du sofort anfangen willst und ich habe sowieso noch etwas zu tun.“ Sie sah kurz zu dem Wassereimer und dem Korb mit Heilkräutern, die sie in der Nähe abgestellt hatte. „Wenn die ganze Sache vorüber ist, kommst du aber wieder zu mir und erzählst mir dann ganz genau, was passiert ist.“ „Danke, Kikyou“, erwiderte er erleichtert, beugte sich kurz zu ihr herab, küsste sie und wandte sich dann ab. „Ich hoffe, dass es jetzt bald ein Ende hat und ich dir alles erzählen kann“, rief er ihr über die Schulter zu, ehe er zwischen den Bäumen verschwand. Der junge Prinz hatte jetzt einen neuen, konkreten Plan. Erst wollte er sich im Süden umhören, ob es dort Gerüchte gab und mal sehen, ob er vielleicht sogar den Fürsten sprechen konnte und wenn das nichts neues ergab, wollte er ins Schloss seines Vaters zurückkehren und diesem vorschlagen, einmal die anderen Fürsten zu besuchen und sich unauffällig in deren Schloss umzuhören, angefangen bei Akumaru. Er hoffte jedoch, dass ihm bereits der Besuch im Süden weiterhelfen würde, auch wenn er nicht glaubte, dass Sentaku etwas mit Soras Verschwinden zu tun hatte. Sein verehrter Vater schätzte den Fürsten des Südens, weil dieser recht friedliebend und nicht bekannt dafür war, dass er den Drang verspürte, sein Revier zu vergrößern. Aber vielleicht wusste die Klatschbase wenigstens etwas darüber, was so im Norden ablief, was er dann seinem Vater berichten konnte, damit dieser einen konkreteren Anhaltspunkt hätte als die bloße Hoffnung, dort etwas finden zu können. Hana war gerade auf dem Weg in ihre Gemächer, wandte sich aber um und neigte höflich den Kopf, als sie jemanden hinter sich bemerkte. „Verehrte Schwiegermutter.“ Die Fürstin musterte die Prinzessin kurz. „Du solltest dich mehr ausruhen, meine Liebe und dich nicht im geringsten anstrengen. Ein starker Erbe braucht seine Zeit.“ Fast hätte die junge Daiyoukai die Augen verdreht. War ihr Kind ein Braten, der seine Zeit über dem Feuer benötigte? „Natürlich, verehrte Schwiegermutter. Danke für Eure Fürsorge“, sagte sie stattdessen wohlerzogen. „Hast du die Früchte gegessen, die ich dir habe bringen lassen?“ „Ja, verehrte Schwiegermutter.“ Sie hatte genau genommen von jeder Frucht einmal abgebissen und dann alle unauffällig wegbringen lassen. Um das Geschlecht des Kindes durch Früchte zu beeinflussen war es sowieso schon zu spät und wenn Hana sich den ganzen Tag übergeben müsste, wäre das sicherlich auch nicht gerade gesund. Weder für das Kind noch für sie selbst. „Gut. Dann leg dich noch etwas hin und ich werde veranlassen, dass dir die Heilerin noch einen Kräutertee bringt, damit du auch ganz sicher bei Kräften bleibst.“ Die Erbprinzessin wollte etwas erwidern, aber in dem Moment war ein Knacken zu hören, sie zuckte etwas zusammen und zog fast schon scharf die Luft ein. „Was ist mit dir?“ fragte ihre Schwiegermutter verwundert. „Ich denke, jeder weitere Versuch sicherzustellen, dass das Kind ein Junge wird, wäre überflüssig, verehrte Schwiegermutter.“ „So? Und warum?“ Die Fürstin klang leicht missbilligend. Was erlaubte dieses junge Ding sich nur? „Vor etwa einer Stunde haben die Wehen eingesetzt und … Euer Enkel hat mir soeben eine Rippe gebrochen.“ Sesshoumarus Mutter hätte fast erfreut in die Hände geklatscht. „Dann wird es ganz bestimmt ein sehr starker Junge. Komm, komm, komm, ich bringe dich jetzt in deine Gemächer und dann werde ich nach der Heilerin schicken. Und natürlich nach dem Fürsten und Sesshoumaru.“ Hana unterdrückte ein Aufstöhnen. Wieso konnte das Schloss nicht in dem Moment überfallen und ihre verehrte Schwiegermutter mit einem Knüppel niedergeschlagen werden? Inu Yasha war derweil in einem Dorf in der Nähe des Schlosses des Südens. Er dachte schon, er hätte Glück, denn dort waren gerade Händler aus dem ganzen Land, um ihre Waren an den Mann oder die Frau zu bringen. Gewöhnlich die beste Gelegenheit, um den neuesten Klatsch und Tratsch aus dem ganzen Land zu erfahren. Und auch aus dem Schloss, denn die Diener, die dort angestellt waren und gerade frei hatten, würden ebenfalls hier sein. Doch der junge Prinz fiel natürlich auf, von einigen wurde er wohl auch erkannt, denn wenn seine Ohren ihn nicht täuschten, wurde hinter seinem Rücken über ihn geflüstert. Verdammt, so würde er nicht wirklich etwas erfahren. Wer tratschte denn schon vor den Ohren eines Prinzen aus einem anderen Reich? Nur Idioten … Suchend sah er sich um, vielleicht gab es ja doch den einen oder anderen, der ihn nicht erkannte und das Getuschel noch nicht mitbekommen hatte, sodass er bereitwillig alles erzählen würde. An einem Stand ziemlich am Ende des Marktes standen einige Frauen und Männer zusammen, offensichtlich waren auch Dämonen unter ihnen. Wie war das noch gleich? Die dämonischen und menschlichen Diener hielten sich nur solange voneinander fern, wie es nichts interessantes zu reden gab. Blieb nur noch zu hoffen, dass sie ihm gegenüber auch so redselig waren. Er ging gerade möglichst unauffällig herüber und wollte anfangen zu lauschen, als sich jemand vor ihm auf die Knie sinken ließ. Ein junger, schlanker Dämon, der Kleidung nach zu urteilen ein Bote. Was kam denn jetzt? „Verzeiht die Störung, Inu Yasha-sama, aber Sentaku-sama hat erfahren, dass Ihr hier seid und möchte Euch auf sein Schloss einladen“, sagte der Youkai. „So?“ Inu Yasha zog die Augenbrauen hoch. „Jetzt sofort?“ „Wenn es Euch nichts ausmacht, Inu Yasha-sama.“ „Gut. Ich komme.“ Das konnte ihm auch nur recht sein. Den Fürsten könnte er direkt fragen, ob er etwas über Soras Verbleib wusste, ohne sich dabei verdächtig zu machen. Vielleicht wurde er ja auch genau deshalb gerufen? Weil der Fürst etwas erfahren hatte? Nur kurze Zeit später saß der mittlerweile etwas aufgeregte Halbdämon dem Dämonenfürsten gegenüber. Das war das erste Mal, dass er alleine bei einem anderen Fürsten war. Hoffentlich würde er nicht irgendeine Regel vergessen und seinen Vater so blamieren oder Sentaku verärgern. „Es freut mich, dich zu sehen, Inu Yasha“, sagte der Daiyoukai und irgendetwas an seinem Tonfall ließ den Jüngeren misstrauisch werden. „Ich danke Euch, dass Ihr mich zu Euch eingeladen habt, Sentaku-sama und dass Ihr uns erlaubt, auf Eurem Gebiet nach meiner Nichte zu suchen“, sagte er aber höflich und neigte den Kopf etwas tiefer. „Ich habe zufällig mitbekommen, dass sich zwei Diener, die vom Markt zurückkamen, sich darüber unterhielten, dass sie dich gesehen haben und ich nahm an, dass du dich sowieso auf dem Weg hierher befunden hast.“ „Das stimmt, Sentaku-sama.“ Nie mehr sagen, als gefragt wurde. „Gehe ich dann recht in der Annahme, dass dein verehrter Vater dich zu mir schickte, um auf meinen Brief zu antworten, den ich ihm gestern schicken ließ?“ „Nein, Sentaku-sama, verzeiht, aber ich bin aus eigenem Antrieb hier, auf der Suche nach Sora. Über einen Brief von Euch weiß ich nichts.“ Der dunkelhaarige Fürst lehnte sich etwas zurück und betrachtete den jungen Prinzen vor sich. „Dann solltest du nach Hause gehen. In dem Brief steht alles, was ich dem Westen zu diesem Zeitpunkt mitzuteilen habe. Richte deinem Bruder und deiner Schwägerin meinen Glückwunsch zu ihrem zweiten Kind aus.“ Inu Yasha biss sich ein wenig auf die Zunge und statt weiter nachzufragen, verneigte er sich ein wenig. „Danke, Sentaku-sama, das werde ich tun.“ Nach diesem recht kurzen und verwirrenden Besuch bei dem benachbarten Fürst machte Inu Yasha sich eilig auf den Weg zurück in das Schloss seines Vaters. Was hatte Sentaku in den Brief geschrieben, was er ihm jetzt nicht ins Gesicht sagen wollte? Und wieso hatte ihn dessen Tonfall so misstrauisch gemacht? Er kannte den anderen Fürsten nicht besonders gut, aber er konnte sich noch daran erinnern, dass Sentaku immer so etwas wie ein Lächeln in der Stimme gehabt hatte und das war verschwunden gewesen. Ein ganz beklemmendes Gefühl nahm von dem Halbdämon Besitz und kaum dass er in angemessener Entfernung zum Schloss war, fing er an zu rennen, was seine Beine hergaben. Es war aber auch zu blöd, dass er weder dazu in der Lage war, ein Portal zu öffnen noch in einer Energieform zu reisen, so würde es noch eine ganze Weile dauern, bis er wieder im Schloss war. Außerdem würde er sich dann auch noch ausruhen müssen, was möglicherweise seinen Vater dazu bringen könnte, ihn im Schloss zu behalten, anstatt Sora zu retten. Blöder Mist! ________________________________________________________________________________ Nächste Woche erfahrt ihr dann das Geschlecht des Babys (beide Versionen sind fertig). Es ist übrigens bei Menschen nicht möglich, dass ein ungeborenes Kind seiner Mutter mit einem Tritt eine Rippe bricht, auch wenn es sich schon so anfühlen kann. Aber er kann ihr auf die Blase treten, sodass sie sich in die Hose macht (nein, keine Eigenerfahrung von Suhani ^^). Und wenn ein Vampirkind seiner Mutter das Rückgrat brechen kann, kann ein Dämonenkind seiner eine Rippe platt machen. :3 Bis denne Kupfer & Hani Kapitel 24 ---------- Als Inu Yasha auf den Schlosshof kam, hielt er kurz verwundert inne. Irgendetwas war anders, die Diener schienen irgendwie … glücklich? Welchen Grund hätten sie, glücklich zu sein? Egal. Er musste schleunigst zu seinem Vater und ihn nach dem Brief von Sentaku fragen, also macht er sich eilig auf den Weg zum Arbeitszimmer des Fürsten. Auf dem Gang davor traf er auf Jaken, den Diener seines Bruders, der breit grinste und fröhlich summte. Was war denn jetzt mit dem los? „Hey, Jaken“, hielt der Prinz den Krötendämon auf. „Oh … Inu Yasha-sama! Verzeiht, ich habe Euch gar nicht bemerkt“, sagte dieser erschrocken und warf sich eilig auf die Knie, drückte die Stirn gegen den Boden. „Ja, ja, ja, schon gut. Sag mir lieber, warum hier alle so fröhlich sind. Ist Sora etwa wieder da?“ „Ähm … nein, Inu Yasha-sama. Aber während Eurer Abwesenheit hat Hana-hime Eurem verehrten Bruder Sesshoumaru-sama einen gesunden Sohn geschenkt.“ „Das Kind ist schon da? Und es ist ein Junge … Wo sind sie jetzt?“ „Sesshoumaru-sama ist bei Hana-hime und dem kleinen Prinzen in ihren Gemächern, Inu Yasha-sama“, erwiderte Jaken mit gewisser Verwunderung. Das war doch logisch, oder? „Weißt du zufällig, ob mein verehrter Vater in seinem Arbeitszimmer ist?“ „Äh … zuletzt habe ich gehört, er sei im Schlossgarten, Inu Yasha-sama. Zusammen mit der ehrenwerten Fürstin.“ „Danke.“ Inu Yasha drehte sich auf dem Absatz um und lief wieder nach draußen, in den Schlossgarten. Dort fand er fast sofort den Geruch seines Vaters und dessen Gefährtin und ging in angemessener Geschwindigkeit auf die beiden zu, die sich ihm zuwandten, als sie ihn bemerkten. „Inu Yasha. Ich hätte dich nicht so früh zurückerwartet“, sagte der Fürst. Sein Sohn verneigte sich höflich gegen beide. „Ja, verehrter Vater. Ich kam zurück, weil ich vermute, dass es neue Hinweise auf Soras Verbleib gibt“, erklärte er möglichst gefasst. Eigentlich hätte er das viel lieber schnell erzählt und wäre dann zu seinem Bruder und seiner Schwägerin gelaufen, um sich seinen Neffen anzusehen, aber da Sesshoumarus Mutter da war, hätte das nur Ärger gegeben. „Was hast du herausgefunden?“ „Im Süden empfing mich Sentaku-sama und fragte, ob ich auf den Brief antworten wollte, den er Euch geschickt hat, chichi-ue. Als ich dies verneinte, meinte er, dass in dem Brief alles steht, was er Euch zum jetzigen Zeitpunkt mitzuteilen habe.“ „Den Brief … habe ich noch gar nicht gelesen“, gab der Taishou zu. „Ihr könnt gehen.“ Er wartete die höfliche Verneigung seiner Gefährtin und seines Sohnes gar nicht ab, sondern ging auf direktem Weg in sein Arbeitszimmer, wo sich seine Post stapelte. Die Fürstin sah zu Inu Yasha, der sich nicht bewegte und höflich zu Boden sah. „Hast du schon gehört, dass dein Bruder endlich einen Sohn bekommen hat?“ Er nickte etwas. „Ja, verehrte Fürstin.“ Ihm war nur zu bewusst, dass sie damit eigentlich fragen wollte, ob er schon gehört hatte, dass er aus der Erbfolge für den Fürstentitel quasi rausgeflogen war. Sie straffte sich etwas und schien noch etwas sagen zu wollen, überlegte es sich aber anders und verließ den Schlossgarten. Der Halbdämon atmete erleichtert auf. In ihrer Gegenwart fühlte er sich wie ein Kaninchen, das jeden Moment von einem Fuchs angefallen wurde. Jetzt konnte er endlich nachsehen, ob er zu seiner Schwägerin gelassen wurde, um sie und seinen Neffen zu besuchen. Unterdessen sah sein Vater die Briefe durch, die jetzt schon seit einigen Tagen darauf warteten gelesen zu werden. Jeder seiner Bündnispartner hatte ihm geschrieben, was ihm jetzt doch wie ein merkwürdiger Zufall vorkam. In den letzten Wochen hatte er von keinem etwas gehört, nicht mal eine Reaktion auf die Mitteilung, dass die Erbprinzessin des Westens ein weiteres Kind erwartete und jetzt schrieben sie alle auf einmal? Der Brief von Sentaku reizte ihn zugegeben am meisten, nicht nur wegen Inu Yashas Vermutung. Der Umschlag war recht dick, der Fürst des Südens hatte mehr geschrieben als die anderen. Es war nichts ungewöhnliches, dass er seinen Drang sich über alles mögliche mitzuteilen auch schriftlich auslebte, was bedeutete, wenn er wirklich Informationen hatte, waren die detailliert. „Oh, Inu Yasha-sama. Ihr seid zurück“, sagte Ayaka, die gerade aus dem Privattrakt der Frauen kam. „Ja. Wie geht es Hana und dem Welpen?“ fragte der jüngere Prinz. „Sie sind beide wohlauf. Möchtet Ihr, dass ich Sesshoumaru-sama frage, ob Ihr zu ihnen dürft?“ bot die junge Heilerin an. „Das wäre nett, danke.“ Sie verneigte sich etwas und verschwand wieder in dem Zimmer der Prinzessin. Der Halbdämon musste gar nicht lange warten, bis sie wieder zurückkam und sich höflich verneigte. „Sesshoumaru-sama sagte, dass Ihr kurz hinein dürft, aber nicht zu lange.“ „Danke, Ayaka“, erwiderte er und ging an ihr vorbei. Sesshoumaru saß nachlässig im Schaukelstuhl am Fenster und betrachtete seinen Sohn, der in Hanas Armen lag und sich nicht entscheiden konnte, ob er lieber seine Mutter oder seinen Vater ansehen sollte. Die Prinzessin sah nur kurz zu ihrem Schwager, als der reinkam und wandte sich dann wieder ihrem Welpen zu. Inu Yasha fühlte sich etwas unbehaglich, als wäre er ein Eindringling. „Ähm … Glückwunsch zu eurem Sohn“, sagte er zögerlich. „Danke“, erwiderte sein Bruder nur. „Sentaku lässt euch ebenfalls seine Glückwünsche ausrichten.“ Der Ältere nickte knapp. „Hat er sich also doch mal dazu durchgerungen, sich zu äußern.“ „Ich war bei ihm. Er sagte etwas von einem Brief, in dem alles steht, was er uns momentan mitzuteilen hat und schickte mich dann mit der Bitte weg, euch seine Glückwünsche auszurichten.“ Jetzt sahen die frischgebackenen Eltern ihn doch an. „Was?“ „Vater ist in seinem Arbeitszimmer und liest den Brief wohl gerade. Ich weiß nicht genau, was drin steht, aber ich denke, es geht um Sora.“ Sesshoumaru erhob sich und verließ das Zimmer ohne ein weiteres Wort. Der Hanyou traute sich jetzt etwas näher an Hana heran. „Wie heißt er überhaupt?“ Sie betrachtete das Baby und zog etwas die Augenbrauen zusammen. „Er hat noch keinen Namen.“ „Wie bitte?“ „Dein Bruder hatte sich noch keinen überlegt und jetzt starrt er ihn die ganze Zeit an und hofft, dass ihm dabei ein passender Name einfällt, wie bei Sora.“ „Bei Sora hat er spontan entschieden?“ „Sie hat ihn mit ihren himmelblauen Augen angesehen und er hat sie Sora genannt.“ Ein Schatten huschte über das Gesicht der Prinzessin. „Hana, ich kann dir nichts versprechen, aber ich glaube, dass Sentaku wirklich etwas darüber weiß, was mit Sora passiert ist. Ich hab gesagt, dass ich nichts von seinem Brief weiß und deshalb nicht darauf antworten will, sondern nach Sora suche. Er hat gesagt, dass in dem Brief alles steht, was er uns zu sagen hat“, versuchte er sie zu beruhigen. Sie nickte nur leicht. „Wie geht es dir eigentlich? So eine Geburt ist doch sicherlich anstrengend.“ „Es geht mir gut. So lange hat die Geburt nicht gedauert und meine Rippe ist auch schon wieder verheilt.“ „Deine Rippe?“ „Er hat sie mir gebrochen.“ „Er wird bestimmt einmal ein starker Kämpfer“, meinte Inu Yasha und betrachtete seinen kleinen Neffen, der den Blick aus goldenen Augen erwiderte. „Das meinte seine Großmutter auch. Erst, als ich ihr sagte, dass er mir die Rippe gebrochen hat und dann noch mal, als die Geburt so schnell ging“, sagte Hana. „Hat das wirklich etwas damit zu tun oder hast du dich einfach nur extrem angestrengt, damit es schneller geht?“ Er wusste nicht besonders viel über Geburten, aber er wusste, dass es dabei durchaus auf die Stärke der Mutter ankam. Ein Baby brachte sich schließlich nicht selbst auf die Welt. „Ich wollte, dass sie endlich die Klappe hält.“ Der Jüngere grinste kurz, wurde dann aber wieder ernst. „Ich verstehe gar nicht, warum sie dich fast so wenig mag wie mich. Immerhin bist du eine Daiyoukai aus gutem Hause.“ „Ich weiß es auch nicht genau, aber … als du noch klein warst, etwa vier Jahre alt, da war sie einmal zu Besuch. Bis dahin hatte ich keine Probleme mit ihr. Sie wollte sich wohl mit mir unterhalten und ist deshalb in den Schlossgarten gekommen, wo ich mit dir war. Du bist einem Schmetterling oder einem Vogel nachgejagt und ich war so auf dich fixiert, dass ich nur bemerkt habe, dass sich ein anderer Daiyoukai nähert, der weder dein Vater noch dein Bruder war und ich … hab mich vor dich gestellt. Nicht gerade angriffsbereit, aber angespannt. Es hat sie verständlicherweise gekränkt und … ich denke, sie hätte sich eine Schwiegertochter gewünscht, die so ist wie sie und auch ihre Weltansicht teilt, um sie an ihre Enkel weiterzugeben. Ich genüge ihren Ansprüchen einfach nicht und darum versucht sie bei ihren so seltenen Besuchen, erzieherisch auf mich einzuwirken.“ „Manchmal frage ich mich, ob …“ Hana und Inu Yasha zuckten erschreckt zusammen, als sie plötzlich das offene Youki des Fürsten und Sesshoumaru fühlten; das Baby begann zu weinen. „Ich hoffe, das bedeutet, dass Sentaku etwas brauchbares geschrieben hat. Ich geh mal nachfragen“, meinte der Jüngere angespannt und verließ das Zimmer, während seine Schwägerin versuchte, das schreiende Kind wieder zu beruhigen. Als er in das Arbeitszimmer seines Vaters kam, hatten sein Bruder und der Taishou ihr Youki wieder unter Kontrolle. Sie standen beide und wirkten ziemlich aufgebracht, während sie die Briefe der anderen Fürsten überflogen. „Du kommst gerade richtig. Bist du erholt genug, um mit uns in den Norden zu gehen und Sora abzuholen?“ fragte das Familienoberhaupt. „Natürlich. Sofort?“ wollte sein Jüngster wissen. „Ja. Sag Yujin, dass die Krieger sich zum Aufbruch bereit machen und auf weitere Befehle warten sollen. Wir treffen uns am Haupttor.“ Der Halbdämon nickte kurz und machte sich dann auf den Weg zu den Kriegern. Hana ging fast schon unruhig in ihrem Zimmer auf und ab, ihren kleinen Sohn in den Armen. „Hana, könntest du dich hinsetzen?“ fragte ihre Schwiegermutter, die neben der Tür stand. „Dann fängt er aber wieder an zu schreien“, erwiderte die Prinzessin ruhig, ohne den Blick von ihrem Baby zu nehmen, das sich aufmerksam im Raum umsah. Die Fürstin wollte noch etwas sagen, aber in dem Moment wurde die Tür geöffnet und der Fürst und sein Erbe kamen in Rüstung und bewaffnet herein. Beide Frauen verneigten sich höflich, wodurch der neugeborene Prinz wieder anfing zu weinen und sich auch durch das gleichmäßige Wiegen seiner Mutter nicht wieder beruhigen ließ. „Wir wissen, wo Sora ist und werden sie jetzt holen“, sagte der Taishou und sah zu seiner Gefährtin. „Du trägst in der Zeit die Verantwortung. Es wird hoffentlich nicht lange dauern. Sesshoumaru.“ Sein Ältester sah nur kurz zu ihm, blickte dann aber wieder unverwandt seinen eigenen Sohn an. „Er soll Yoshihiro heißen“, meinte er, ehe er mit seinem Vater davonging. „Ein großartiger Name“, bemerkte die Großmutter, als die Tür wieder geschlossen war und sah fast schon sanft zu ihrem Enkel, der mittlerweile aufgehört hatte zu weinen und stumm die Tür anstarrte. Die Erbprinzessin drückte den Kleinen ein wenig fester an sich und nickte nur etwas. Ihr Sohn hatte endlich einen Namen und sie würde endlich ihre Tochter zurückbekommen, wusste schon, dass diese noch lebte. Warum nur hatte sie dann ein übles Gefühl in der Magengegend? Es gab doch nichts und niemanden, der es gleichzeitig mit ihrem Schwiegervater und ihrem Gefährten aufnehmen konnte, zumal Ersterer das Höllenschwert auf dem Rücken gehabt hatte, als er ging. Sie würde ihre Tochter zurückbekommen, das stand für sie fest. Aber das Gefühl ließ sie einfach nicht los … „Jetzt mach nicht so ein Gesicht, das ziemt sich nicht“, riss ihre Schwiegermutter sie aus ihren Gedanken. „Außerdem ist es unangebracht. Mein Sohn hat Yoshihiro anerkannt, es besteht für dich also die Möglichkeit, die übernächste Fürstinmutter zu werden, eine große Ehre also für dich. Außerdem werden unser verehrter Fürst und seine Söhne auch noch Sora zurückholen. Wenn sie geschickt verheiratet wird, bedeutet das ebenfalls Ehre.“ Hana presste ihre Kiefer aufeinander. „Mir geht es nicht darum, Sora ehrenvoll verheiraten zu können. Ich will mein Kind zurück. Mir geht es auch nicht darum, irgendwann Fürstinmutter zu werden, ob Ihr es glaubt oder nicht, verehrte Schwiegermutter. Fürstinmutter zu sein bedeutet im Allgemeinen schließlich auch, Witwe zu sein. Einen solchen Rang anzustreben bedeutet also auch den Tod meines Schwiegervaters und meines Gefährten mindestens in Kauf zu nehmen, wie Ihr natürlich wisst“, sagte sie mit aller Freundlichkeit, die sie spielen konnte. „Natürlich. Du solltest dich ausruhen, damit du schnell wieder zu Kräften kommst. Als du das letzte Mal mit deinem Kind alleine im Schloss warst, wurde es überfallen und du konntest problemlos überwältigt werden.“ „Was wohl weder daran lag, dass ich nicht ausgeruht war noch aus einem anderen Grund meine Schuld war.“ „Na, das ist noch nicht zweifelsfrei geklärt worden, meine Liebe. Ruh dich aus.“ Die Fürstin verschwand. Ihre Schwiegertochter hätte ihr liebend gerne etwas nachgeworfen, aber da sie momentan nur Yoshihiro in den Armen hatte, unterdrückte sie diesen Drang und setzte sich stattdessen in den Schaukelstuhl. Im Schloss des Nordens war es währenddessen so ruhig wie üblich. Die Diener gingen ihrer Arbeit nach, die Krieger, die gerade nicht übten waren in ihren Quartieren und die Fürstenfamilie war ebenfalls beschäftigt. Die Fürstin kümmerte sich um die kleine Prinzessin, die sich mittlerweile halbwegs gut in ihrem neuen Zuhause eingelebt hatte, während der Prinz einige Meditationsübungen im Garten machte und der Fürst sich mit der anfallenden Post befasste. Akumaru war ebenfalls von den anderen Fürsten angeschrieben worden und es ging ebenfalls um Sora. Der Sekretär in seinem Vorzimmer verneigte sich eilig, als er die Tür öffnete. „Schicke jemanden in den Schlossgarten und lasse meinem Sohn ausrichten, dass ich ihn zu sehen wünsche, sobald er seine Übungen beendet hat.“ „Natürlich, Akumaru-sama“, erwiderte der Youkai und neigte sich noch weiter vor. Als sein Herr die Tür wieder schloss, erhob er sich und trat auf den Gang, wo er gar nicht lange suchen musste, bis er einem einfachen Diener die Aufgabe zuteilen und sich wieder an seinen Arbeitsplatz begeben konnte. Ichiromaru grummelte leise, als er den Diener bemerkte, der sich rasch näherte und einige Schritte entfernt zu Boden warf, die Stirn ins Gras drückte. „Hast du einen Befehl von meinem verehrten Vater?“ „Ja, Ichiromaru-sama.“ „Und wie lautet der?“ „Akumaru-sama wünscht Euch zu sprechen, sobald Ihr Eure Übungen beendet habt, Ichiromaru-sama.“ „Du kannst gehen.“ Der Erbe des Nordens seufzte lautlos. Jetzt hatte er sowieso nicht mehr die nötige Konzentration, um zu meditieren, also könnte er auch genauso gut direkt zu seinem Vater gehen, was dieser eh bevorzugen würde. So verneigte er sich nur wenige Momente später vor seinem Erzeuger, ehe er sich auf seinem Platz niederließ und geduldig darauf wartete, dass der Fürst sagen würde, was er von ihm wollte. „Die nächste Phase unseres Plans hat angefangen, mein Sohn. Weißt du, was das bedeutet?“ fragte Akumaru. „Dass die anderen Fürsten sich entschieden haben, ob sie im Falle eines Krieges für oder gegen Euch sind und Euch darüber in Kenntnis gesetzt haben, dass sie sich entschieden haben.“ „Genau das. Alle Bündnispartner haben von Sentaku erfahren, dass Sora hier ist und was wir ihm sonst noch erzählt haben und jetzt haben sie sich auch entschieden, was sie tun wollen, wenn es zum Krieg kommt und auf wessen Seite sie stehen wollen, wenn wir … andere Maßnahmen ergreifen wollen.“ „Verzeiht, chichi-ue, aber werden die anderen Fürsten sich dann nicht auch an den Westen wenden?“ „Natürlich werden sie das. Beunruhigt dich das etwa?“ „Nun, um ehrlich zu sein, ja. Der Westen wird sich bestimmt nicht der Kindes- und Frauenmisshandlung bezichtigen lassen, ohne darauf zu reagieren. Sie werden den anderen Fürsten mitteilen, dass sie Sora immer gut behandelt haben.“ „Natürlich werden sie das, Ichiromaru.“ Leiser Tadel schwang in der Stimme seines Vaters mit. „Das will ich ja. Mein werter Cousin und seine Sippschaft sind allesamt recht impulsiv. Und die Anschuldigungen gegen sie wiegen zu schwer, als dass sie sich nur schriftlich dazu äußern können. Wenn sie so aufgebracht vor den anderen Fürsten erscheinen, während wir die Ruhe selbst sind, machen sie sich verdächtig. Selbst du schaffst es, dir nicht anmerken zu lassen, wenn du die Wahrheit verbiegst.“ „Natürlich, chichi-ue, schließlich hatte ich Euch als Lehrer“, antwortete der Prinz mechanisch. „Aber …“ Er brach ab. „Was „aber“?“ „Was ist mit meiner verehrten Schwester? Die anderen Fürsten könnten annehmen, dass sie an der Misshandlung beteiligt war. Wollt Ihr sie wirklich so in Ungnade fallen und vielleicht sogar einen ehrlosen Tod sterben lassen, nachdem sie Euch all die Jahre so treu gedient und sich selbst geopfert hat?“ „Natürlich werden wir versuchen, sie aus der Sache rauszuholen und sie ebenfalls als ein Opfer darzustellen. Aber wenn das nicht funktionieren sollte - schließlich können wir auch nicht zu sehr darauf beharren, ohne selbst verdächtig zu erscheinen - dann bin ich mir sicher, dass sie das in Kauf nehmen wird. Sie weiß, dass unser Anliegen wichtiger ist als ein Einzelschicksal wie ihres.“ Der Jüngere schluckte hart. „Und was ist, wenn der Westen nicht zuerst zu den anderen Fürsten geht, um die Vorwürfe aus der Welt zu schaffen, sondern direkt hierher kommt, um sich Sora zurückzuholen?“ „Du vergisst, dass sie nicht durch den Bannkreis kommen, der mein Schloss schützt. Sie werden dazu gezwungen sein, sich an die anderen Fürsten zu wenden, wenn sie das Mädchen zurück wollen.“ „Und wenn sie Hana schicken?“ „Sagen wir, dass sie ihre Möglichkeit erkannt hat und geflohen ist. Dann wird ihre Opferrolle perfekt sein. Sie kann unsere Geschichte bestätigen und aussagen, dass der Westen nicht gerade freundlich mit seinen Frauen umgeht. Ihr werden die anderen Fürsten glauben. Mein Plan ist also auf alle Eventualitäten vorbereitet, wie du siehst, mein Sohn.“ Ichiromaru schluckte erneut und sah zu Boden. „Was ist dir jetzt wieder aufgefallen?“ „Könnte es passieren, dass Hana die Seiten wechselt, weil sie es uns nicht verzeihen kann, dass wir ihre Tochter so lange von ihr ferngehalten haben, obwohl sie schwer verletzt war? Und … ihr zweites Kind … was wird aus dem? Wie könnte es ihre Entscheidung beeinflussen? Und ihre Glaubwürdigkeit?“ „Hana ist meine Tochter, durch und durch. Sie wird verstehen, dass wir uns nicht bei ihr melden konnten. Schließlich musste sie ihre Rolle vor dem Westen weiterhin perfekt spielen können. Und sie wird verstehen, dass wir weder geplant haben, Sora zu entführen, noch dass sie so schwer verletzt wird. Hanzai hat eigenmächtig gehandelt, wofür er bereits bestraft wurde. Ihr zweites Kind wird ihre Entscheidung auch nicht beeinflussen. Wenn der Westen fällt, hat sie es wieder, das weiß sie. Wenn sie vor der Geburt zu uns kommen würde, wäre das natürlich ideal, aber auch wenn sie ihr Neugeborenes zurücklassen muss, wird sie nicht unglaubwürdig. Sie kann sagen, dass der Westen zumindest so viel Anstand besitzt, dass er keine Babys angreift. Wenn es ein Junge wird, kann sie sagen, dass ihm sowieso keine Gefahr durch die eigene Familie droht.“ Der junge Daiyoukai neigte den Kopf etwas tiefer. „Natürlich, verehrter Vater. Verzeiht, dass ich Eure Genialität nicht auf Anhieb erkannt habe.“ Akumaru betrachtete seinen Sohn wohlwollend aus den Augenwinkeln. „Schon gut. Zum Einen sollst du ja lernen, an alle Möglichkeiten zu denken und zum Anderen kannst du nichts dafür, dass du hin und wieder stupide Fragen stellen musst, um Perfektion zu erkennen. Du bist jung und auch der Sohn deiner Mutter.“ Der Prinz biss die Zähne fest zusammen, sagte aber nichts weiter dazu. Was hätte er auch schon sagen können, ohne den Kopf zu verlieren? Sein Vater machte bei Bestrafungen keinen Unterschied zwischen Diener und Familienmitglied, aber welcher Fürst tat das schon, wenn er nicht riskieren wollte, vor den anderen Fürsten sein Gesicht zu verlieren? _________________________________________________________________________________ Im nächsten Kapitel gibt es dann mal wieder ein bisschen Ärger. ^^ Bis dahin Hani & Kupfer Kapitel 25 ---------- Inu Yasha biss fest die Zähne zusammen, während er krampfhaft versuchte, mit seinem Vater und seinem Bruder mitzuhalten, die durch den Wald an der Grenze zum Norden jagten. Vor ihrem Schloss hatten die beiden Daiyoukai zwar Portale geöffnet, um in den Norden zu kommen, aber rausgekommen waren sie vor der Grenze. Im Norden war es fremden Dämonen offensichtlich nicht möglich, solche Magie anzuwenden, wie auch immer der Fürst das geschafft hatte, denn dazu war sehr starke Magie erforderlich. Aus Rücksicht auf den Halbdämon liefen der Fürst und der Erbprinz des Westens schon langsamer als sie es gekonnt hätten, aber in dem Jüngsten schrien trotzdem alle Muskeln nach einer Pause. Doch das war natürlich nicht möglich. Also klammerte er sich an die Vorstellung, Akumaru und Ichiromaru das selbstgefällige Grinsen aus dem Gesicht zu prügeln, um durchzuhalten. Was fiel denen denn ein, Sora zu entführen und dann zu behaupten, dass sie von ihrer Familie misshandelt würde? Wie krank musste man denn sein, um sich etwas so abscheuliches auszudenken? Allein der Gedanke, dass der Taishou, Sesshoumaru oder er selbst Sora verprügeln könnten, ließ ihn sauer aufstoßen. Wer schlug denn bitte wehrlose Kinder? Ob der Fürst des Nordens so drauf war? Schlug er seine eigenen Kinder? Und wann waren sie endlich aus diesem verfluchten Wald raus? Inu Yasha musste immer mehr aufpassen, nicht zu stolpern. Der Erbe des Nordens ließ sich von einem Diener das Übungskatana abnehmen und seinen Haori reichen und verneigte sich dann gegen seine Mutter, die sich langsam näherte. „Das war wohl eine ruhigere Übungseinheit, mein Sohn“, meinte sie mit einem sanften Blick. „Chichi-ue meinte, dass ich meine Technik zu sehr außer Acht gelassen habe und daher diese Einheiten angeordnet, haha-ue“, erwiderte Ichiromaru. „Natürlich. Ich bin sicher, dass er weiß, was am besten für dich ist. Gehen wir ein Stück?“ Er verneigte sich erneut und ging mit der Fürstin in den Schlossgarten. „Habt Ihr Sora allein gelassen?“ fragte er dort. „Nein. Sie schläft gerade ein wenig und die Kinderfrau passt dabei auf sie auf, falls sie aufwachen sollte.“ „Wie geht es meiner Nichte?“ Seine Mutter schwieg einige Momente, schien sich ihre Antwort überlegen zu müssen. „Besser. Sie beherrscht noch die höfische Etikette und kann auch lesen und schreiben, dieser Teil ihres Gedächtnisses scheint nicht beeinträchtigt zu sein, sodass sie es nicht neu lernen muss. Das hilft ihr dabei, sich hier einzuleben und zurechtzufinden. Aber dass sie nichts über ihre Vergangenheit weiß, belastet sie. Auch wenn sie sich darüber bewusst ist, dass es vermutlich besser für sie ist, wenn sie sich nicht erinnert. Es ist einfach schrecklich, was der Westen dieser kleinen Kinderseele angetan hat. Was haben sie nur mit der armen Hana gemacht, dass sie das zugelassen hat? Wenn meine verehrte Schwester das wüsste …“ Sie unterbrach sich und seufzte lautlos. „Verzeih meinen Ausbruch, mein Sohn, so etwas sollte und darf nicht passieren.“ „Natürlich, verehrte Mutter“, sagte Ichiromaru und atmete etwas durch. „Ich bin mir sicher, dass Hana ebenfalls ein Opfer des Westens ist. Sesshoumaru kann sehr … herrisch sein“, sprach er seinen auswendig gelernten Text und hoffte, dass seine Mutter ihn nicht zu genau beobachtete. Es fiel ihm unheimlich schwer ausgerechnet die Person zu belügen, die ihn wochenlang unter ihrem Herzen getragen und ihn unter großen Anstrengungen auf die Welt gebracht hatte. Sein Vater dürfte das allerdings nie erfahren, er würde sowohl ihn als auch seine Mutter hart dafür bestrafen. Vielleicht zu hart … „Ichiromaru, hörst du mir zu?“ riss die Fürstin ihn aus seinen Gedanken und er schreckte etwas auf. „Was ist denn los mit dir? So gedankenverloren bist du doch sonst nicht.“ „Verzeiht, verehrte Mutter. Das ist eine sehr verwirrende Situation für mich“, erwiderte er. „Natürlich. Ich sagte gerade, dass ich keinen Zweifel daran habe, dass Hana niemals freiwillig zugelassen hätte, dass ihrem Kind wehgetan wird. Meine verehrte Schwester lebt in ihr weiter, die beiden haben das gleiche Herz, den gleichen Charakter. Sie ist ihrer Mutter so ähnlich, dass ich aus tiefster Seele bedauere, so wenig Kontakt zu ihr zu haben und sie so selten zu sehen. Sonst hätte ich sicherlich erkannt, dass etwas nicht stimmt.“ „Macht Euch keine Vorwürfe, haha-ue. Keiner von uns hätte das erwartet“, sagte der Prinz sofort. Sie wollte noch etwas sagen, aber stattdessen fuhren beide herum und verneigten sich tief. Akumaru näherte sich. „Fumiko, gestattest du, dass ich mir unseren Sohn für eine Weile ausleihe?“ fragte er. „Natürlich, Akumaru-sama“, sagte sie. Ichiromaru verneigte sich schnell gegen seine Mutter, ehe er seinem Vater in dessen Arbeitszimmer folgte, wo er sich gewohnt höflich niederließ. „Der Hauptmann berichtete mir, dass deine Technik sich merklich verbessert hat, seit er angefangen hat mit dir intensiver daran zu arbeiten. Deinen ehemaligen Schwertkampflehrer habe ich übrigens zu uns eingeladen. Er soll und erklären, warum er versäumt hat darauf zu achten, dass du die Techniken perfekt beherrschst“, sagte der Fürst. Sein Sohn verneigte sich etwas. „Außerdem hat vor nicht langer Zeit jemand versucht, ein Portal so nah wie möglich an unserem Schloss zu öffnen. Es war recht ermüdend, den Bann dagegen aufrecht zu erhalten, daher nehme ich an, dass es mein Cousin und sein Sohn waren. Sie versuchen, zu uns zu gelangen, um sich Sora zu holen. Wenn sie feststellen, dass sie das nicht können, was wird dann geschehen?“ „Dann werden sie erkennen, dass sie auf die Hilfe und Unterstützung der anderen Fürsten angewiesen sind und zuerst zu diesen gehen müssen, was sie noch aufgebrachter werden lassen wird und ihre Glaubwürdigkeit noch weiter untergräbt.“ „Richtig. Und das ist natürlich perfekt für meinen Plan.“ Komisch, dachte Ichiromaru zynisch, wenn alles glatt läuft, ist es sein Plan und wenn etwas gefährdet scheint, hänge ich auf einmal mit drin. Aber was sollte es? So war sein Vater nun mal und er musste damit leben. „Wir haben also noch ein paar Tage Zeit, bis es wirklich ernst wird. Ich möchte, dass du bis dahin so viel wie möglich trainierst, sowohl deine Technik als auch deine Kraft, Ausdauer und Schnelligkeit.“ „Natürlich, verehrter Vater.“ „Du darfst gehen.“ Der Prinz erhob sich, verneigte sich gegen seinen Vater und verließ dann den Raum, um noch einmal zu seiner Mutter zu gehen. Diese wartete noch im Schlossgarten auf ihn, den Blick starr in den Himmel gerichtet. Sie sah nicht zu ihrem Sohn, als dieser sich höflich verneigte, sagte nur: „Ich glaube, Sora hat ihren Namen ihren hübschen Augen zu verdanken.“ Verwundert sah Ichiromaru etwas auf. „Glaubt Ihr?“ „Ja. Im Sonnenlicht sehen ihre Augen aus wie ein Bergsee im Sommer, aber in geschlossenen Räumen ohne direktes Licht sehen sie aus wie der Himmel.“ „Verzeiht, aber darf ich fragen, warum Ihr Euch darüber Gedanken macht?“ Fumiko lächelte ein wenig. „Die Augen sind der Spiegel der Seele, heißt es. Soras Augen sind rein, kein Schatten trübt sie, sie ist unschuldig wie ein kleines Mädchen es sein sollte.“ „Sie weiß und kennt nichts und niemanden, das oder der ihrer Seele Schaden zufügen könnte, verehrte Mutter.“ „Daran liegt es nicht, mein Sohn … Vergiss es einfach, das sind nur die Gedanken einer närrischen Frau“, winkte sie ab. „Ihr seid keine närrische Frau.“ „Ich werde mal nachsehen, ob Sora bereits wieder aufgewacht ist“, meinte die Fürstin nur und verließ den Garten. Ihr Sohn sah ihr einige Momente nachdenklich hinterher. Ahnte sie etwa was? Kam sie dahinter, dass Sora nie auch nur ein Haar von ihren Verwandten gekrümmt worden war? Wenn ja, würde sie den Plan unterstützen? Oder würde sie versuchen, das ganze Vorhaben zum Scheitern zu bringen? Wie? Würde sie den anderen Fürsten mitteilen, dass die ganze Geschichte gelogen war? Würde sie Sora in den Westen bringen? Oder würde sie dem Plan zustimmen und ebenfalls vorgeben, dass Sora misshandelt wurde? Aber noch ein anderer Gedanke kam dem jungen Daiyoukai: Wenn seine Mutter sich gegen seinen Vater stellen und versuchen würde, ihn aufzuhalten, würde er sie – wenn auch heimlich – unterstützen und ihr helfen oder würde er sie an seinen Vater verraten und damit in den sicheren Tod schicken? Er musste zugeben, dass er es nicht mit Sicherheit sagen konnte. An seinen Vater band ihn seine Erziehung, seine Furcht vor dem Zorn des Fürsten und sein Wunsch, ihn ebenso stolz zu machen wie seine ältere Halbschwester, aber an seine Mutter band ihn wahre Zuneigung. Was wog nur schwerer? Als die Herrin des Nordens in das Zimmer der kleinen Prinzessin kam, war diese gerade aufgewacht und saß auf ihrem Lager, während die Kinderfrau damit beschäftigt war, frische Kleidung für sie zusammenzusuchen. Beide neigten höflich den Kopf. „Hast du gut geschlafen, Sora-chan?“ fragte Fumiko. „Ja, obaa-sama“, antwortete das Mädchen zurückhaltend. Ihre Stiefgroßmutter zog etwas die Augen zusammen. „Lass uns allein“, wies sie die Kinderfrau an, die sofort gehorchte und nach einer raschen Verneigung verschwand. Die Daiyoukai setzte sich neben das Kind und betrachtete es eingehend. „Was hast du auf dem Herzen, meine Kleine?“ Sora atmete tief durch und starrte auf ihre Hände in ihrem Schoß. „Ich glaube, ich habe von meinen Eltern geträumt“, gestand sie und ihr Gesicht wurde kummervoll. „So? Fängst du etwa an dich zu erinnern oder kommen diese Träume aus deinem Wunsch, sie zu kennen?“ „Ich … ich weiß es nicht, aber … es war kein schöner Traum.“ „Möchtest du mir davon erzählen? Du weißt, du kannst mir alles sagen.“ „Es … es war für mich nicht klar zu erkennen, aber da war dieser … weißhaarige Mann … mein Vater … und der hat mich am Arm gepackt, sodass es wehtat. Und da war ein Messer …“ „Hat er dich mit dem Messer angegriffen?“ wollte die Fürstin wissen und strich ihr übers Haar. „Nein. Da war dann … meine Mutter. Sie hat ziemlich erschrocken ausgesehen und … mich dann weggebracht. Mehr hab ich nicht geträumt. War das eine Erinnerung? Oder doch nur ein Traum?“ „Das kann ich dir leider auch nicht sagen, mein Kind, aber … ich befürchte, es könnte eine Erinnerung sein. Aber denk nicht mehr darüber nach. Du bist jetzt hier, in Sicherheit. Was in deiner Vergangenheit geschehen ist, ist jetzt nicht mehr wichtig, in Ordnung? So, und jetzt werde ich die Kinderfrau wieder zu dir schicken, damit sie dich weiter fertig macht. Ich sehe dann später noch einmal nach dir, ja?“ Die Prinzessin nickte etwas. „Ja, obaa-sama. Und danke. Für alles.“ „Sehr gern geschehen, meine Kleine.“ Die Daiyoukai strich ihr noch einmal übers Haar und erhob sich dann. Sie wollte ihrem Gefährten lieber Bericht erstatten, was seine Enkelin geträumt hatte. Das würde ihn sicherlich interessieren, schließlich hatte er ihr aufgetragen, ihn über Soras Entwicklung und Verhalten zu informieren. Tatsächlich wurde sie rasch zu ihm gebeten, als sie sich melden ließ und er erriet, was sie zu ihm führte. „Ist etwas mit Sora?“ „Ja, Akumaru-sama. Es … es mag unwichtig sein, aber dennoch wollte ich Euch darüber in Kenntnis setzen, dass Sora einen Traum hatte, von dem sie glaubt, dass es eine Erinnerung ist“, antwortete sie. „Was hat sie geträumt?“ „Sie sagte, dass ein weißhaariger Mann, von dem sie glaubt, dass es ihr Vater ist, sie am Arm gepackt hat, sodass es ihr wehtat. In ihrem Traum kam auch noch ein Messer vor, aber er hat sie damit nicht angegriffen. Stattdessen wurde sie von ihrer Mutter weggebracht. Diese hat wohl sehr erschrocken ausgesehen.“ Akumaru legte seine Fingerspitzen aneinander und lehnte sich etwas zurück. „Es ist gut, dass du mich darüber informiert hast, Fumiko. Du darfst gehen.“ Als er alleine war, atmete er tief durch, um seine Gedanken zu ordnen. Er konnte sich denken, von welchem Tag Sora geträumt hatte. Wenn es bei diesen verschwommenen Bildern blieb, wäre das genial für seinen Plan, aber wenn sie noch mehr ihrer Erinnerungen zurückbekommen würde, müsste er sie unbedingt von den anderen Fürsten fernhalten. Mindestens das. Vielleicht müsste er sie auch endgültig zum Schweigen bringen. Nicht auszudenken, wenn ausgerechnet diese kleine Göre, mit der sein perfekter Plan angefangen hatte, ihn verraten und alles zunichte machen würde. Das durfte er auf keinen Fall zulassen. Die drei Herren des Westens waren derweil noch immer auf dem Weg durch den Wald. Sie näherten sich verhältnismäßig langsam dessen Ende und der dahinter liegenden Ebene. Und noch etwas anderem, aber das konnten sie noch nicht genau benennen. Inu Yasha war sowieso mehr damit beschäftigt zu vertuschen, dass er so langsam aber sicher am Ende seiner Kräfte war. Er war schon vom Schloss des Südens zu dem seines verehrten Vaters mit Höchstgeschwindigkeit gelaufen, was ihn einiges an Energie gekostet hatte, seine Pause danach war nur kurz gewesen und jetzt musste er schon wieder rennen. Hoffentlich würde die Aufregung eines Kampfes seine Erschöpfung vertreiben, sonst könnte er in ernste Schwierigkeiten geraten. Und seinen Vater so blamieren, wie Ichiromaru seinen bei deren Besuch. Zu spät bemerkte der Halbdämon, dass die anderen beiden am Waldrand stehengeblieben waren, sodass er an ihnen vorbei schoss und einige Meter weiter für ihn unerwartet zurückgeworfen wurde und hart gegen einen Baum prallte. Schnaufend richtete er sich auf und streckte seinen schmerzenden Rücken etwas. „Was ist das?“ fragte er. „Ein Bannkreis“, erwiderte der Taishou. „Ein äußerst mächtiger. Mein werter Cousin möchte offensichtlich nicht, dass wir ihn besuchen kommen. Oder irgendjemand sonst.“ „Was machen wir jetzt?“ „Den Bannkreis brechen können wir nicht, er ist auf solche Angriffe ausgerichtet. Akumaru will uns dazu zwingen, uns an die anderen Fürsten zu wenden, damit sie ihn dazu auffordern, Sora herauszugeben.“ „Das heißt, wir müssen jetzt zu jedem einzelnen Fürsten und jeden davon überzeugen, dass Sora nie misshandelt wurde, damit die auf unserer Seite stehen, ohne zu wissen, ob das was bringt?“ schlussfolgerte Inu Yasha. Das waren ja tolle Aussichten. Es konnte ewig dauern, bis die anderen Fürsten ihnen glaubten, besonders Sentaku, der ja offenbar als einziger selbst mit dem Fürst des Nordens gesprochen und diesem jedes Wort geglaubt hatte. „Nicht unbedingt“, warf Sesshoumaru ein. „Was meinst du?“ wollte sein Vater leicht verwundert wissen. „Wenn der Bannkreis darauf ausgelegt ist, fremde Dämonen abzuhalten, wie der andere Bann dazu gedacht ist, fremde Youkai daran zu hindern, Magie einzusetzen, könnte Hana hindurch kommen. Sie ist die Tochter des Fürsten“, erklärte der Erbprinz. Der Taishou zog etwas die Augenbrauen zusammen. „Da hast du recht, daran habe ich gar nicht gedacht. Bist du sicher, dass es eine gute Idee ist, Hana da hinein zu schicken?“ „So kann sie beweisen, dass sie keine Verräterin ist“, warf Inu Yasha ein und kassierte einen mahnenden Blick von seinem Bruder. „Er hat recht“, gab dieser allerdings zu. „Jaken kann zurück zum Schloss und Hana ausrichten, dass sie herkommen soll.“ Das Familienoberhaupt nickte etwas und sah in den Himmel, wo sich der Diener seines Ältesten auf einem zweiköpfigen Reitdrachen näherte. Die beiden waren mitgekommen für den Fall, dass es nötig war das Heer anzufordern, dass sich im Schloss bereit hielt. Dort saß Hana in ihrem Gemach im Schaukelstuhl und starrte aus dem Fenster, während ihr Sohn friedlich in ihren Armen schlief. Dieses ungute Gefühl in ihrer Magengegend hatte immer noch nicht nachgelassen. Dass sie nicht erfahren hatte, wohin ihr Gefährte, ihr Schwiegervater und ihr Schwager gegangen waren, um ihre Tochter zu befreien, machte es auch nicht gerade besser, genau wie die Tatsache, dass ihre Schwiegermutter gerade die Verantwortung für das Schloss und somit für sie hatte und sie wieder unter Arrest gestellt hatte. Nicht, dass die Prinzessin von Soldaten bewacht werden würde, aber der Befehl, sie solle sich ausruhen, war eindeutig gewesen. Daher sah sie überrascht auf, als die Fürstin in ihr Gemach kam und neigte sofort den Kopf. Die Ältere betrachtete sie einige Momente schweigend. „Ich denke, wir wissen beide, dass wir uns gegenseitig nicht leiden können“, meinte sie dann. Ihre Schwiegertochter schwieg dazu. „Aber – auch wenn du es vielleicht nicht glauben magst – das liegt nicht daran, dass du dich um … Inu Yasha gekümmert hast oder dass ich um meinen Einfluss auf meinen Sohn fürchte. Ich mag dich einfach nicht. Aber dennoch bin ich nicht so engstirnig, dass ich deine Fähig- und Fertigkeiten nicht erkennen und schätzen würde. Und deshalb bin ich jetzt auch hier.“ Der Blick der weißhaarigen Daiyoukai wanderte zu dem neugeborenen Prinzen. „Du kennst dich mit Magie aus, mit Bannkreisen. Wie kann man einen Bannkreis brechen, der darauf ausgelegt ist, reichsfremde Youkai abzuhalten?“ „Indem man das Herzstück zerstört, verehrte Schwiegermutter“, antwortete Hana, ohne ihre Überraschung zu zeigen. „Könntest du das ausführlicher erklären?“ „Am einfachsten kann man einen mächtigen Bannkreis errichten, wenn man ihn an einen Gegenstand bindet, der über eigene Magie verfügt oder dazu geeignet ist, Magie zu leiten. Das bewirkt, dass der Erschaffer getötet werden kann, ohne dass dem Bannkreis etwas passiert und dass jeder, der Zugang zu dem Herzstück und Ahnung von diesen Zaubern hat, seine eigene Magie einspeisen und ihn stärken kann. Zerstört werden kann so ein Bannkreis dann nur, wenn das Herzstück zerstört wird, was nicht einfach ist.“ „Kann jeder, der an das Herzstück kommt, den Bannkreis zumindest für eine kurze Zeit öffnen?“ „Dazu muss man mit dem Herzstück verbunden sein, also seine eigene Magie hinzugefügt und den Bannkreis gestärkt haben. Und selbst dann muss man über genug Stärke verfügen.“ „Ich stelle dir diese Fragen aus einem bestimmten Grund, wie du dir sicherlich denken kannst. Vor einiger Zeit erhielt ich einen Brief von deiner Stiefmutter Fumiko, der mich zugegebenermaßen verwirrt hat. Sie schrieb mir, dass der Norden durch einen mächtigen Bannkreis geschützt ist, den selbst unser verehrter Fürst nicht brechen kann und dass ich dort sicher wäre. Das war das Letzte, was ich von ihr gehört habe, eine Erklärung habe ich nicht bekommen. Erst heute habe ich verstanden, was sie gemeint hat.“ Die Fürstin machte eine Pause, um sich ihre Worte zurechtzulegen. „Der Brief von Sentaku, dem Fürst des Südens, hat unseren verehrten Fürsten dazu bewogen, mit seinen Söhnen loszuziehen, um Sora zu befreien. Sie ist im Norden, bei deinem Vater.“ Die Prinzessin schluckte unmerklich. Ihre kleine Tochter war in den Fängen ihres Vaters? Sie musste sie sofort da rausholen! „Akumaru hat allen erzählt, dass ihm bei seinem letzten Besuch hier aufgefallen sei, dass Sora sich nicht wie ein normales achtjähriges Kind benehmen würde, sondern einen verängstigten Eindruck gemacht hat und dass Ichiromaru ihren Lehrausflug daher einmal dazu nutzen wollte, um nachzusehen, ob sie wirklich gut behandelt wird, wobei er zu dem Lehrausflug gestoßen sei, als Inu Yasha gerade seinen Zorn darüber, die Aufsicht führen zu müssen, an Sora ausließ, wobei sie in die Schlucht stürzte und schwer verletzt wurde. Sie ist bei dem Sturz schwer verletzt worden und hat ihre Erinnerungen verloren. Daher wird sie wohl nicht sagen können, dass sie immer gut behandelt wurde.“ Hana musste all ihre Selbstbeherrschung aufbringen, um nicht aufzuspringen und sofort in den Norden zu stürmen, um dort alles kurz und klein zu schlagen und sich stattdessen nur anzuspannen. „Ich nehme an, dass der Bannkreis wirklich so effektiv ist, wie Fumiko glaubt.“ „Ja, ist er. Mindestens drei Daiyoukai haben ihre Magie hinzugefügt. Vielleicht sogar sechs.“ „Kommst du hindurch?“ „Ja, verehrte Schwiegermutter.“ „Bist du dir sicher?“ „Ja, verehrte Schwiegermutter.“ „Warum?“ „Zum Einen ist der Bannkreis darauf ausgerichtet, reichsfremde Youkai abzuhalten. Ich habe einen Großteil meines Lebens im Norden verbracht und bin die Tochter des Fürsten. Und zum Anderen ist mindestens die Magie meiner verehrten Großmutter, meiner verehrten Mutter und mir selbst in dem Bannkreis, vermutlich auch die meiner Stiefmutter, meines Bruders und meines Vaters. Weder ich noch meine Kinder werden abgewiesen.“ „Sehr gut. Dann weißt du, was und wo das Herzstück ist. Kannst du den Bannkreis öffnen?“ „Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen“, gab die Jüngere zu. „Auch gut“, meinte ihre Schwiegermutter. „Ohne an der Macht unseres Fürsten und seiner Söhne zweifeln zu wollen, denke ich nicht, dass sie durch den Bannkreis kommen werden.“ „Dem stimme ich zu.“ „Was ich jetzt sage, hat nichts mit dir oder Sora zu tun, sondern damit, dass mein Sohn sein Kind ebenfalls zurück will, genau wie mein verehrter Gemahl. Darum musst du in den Norden gehen und versuchen, den Bannkreis zu öffnen oder sogar zu brechen, damit sie ebenfalls in das Schloss können. Und wenn du das nicht schaffst, bring wenigstens Sora zurück.“ „Damit würde ich mich einem direkten Befehl von Sesshoumaru-sama widersetzen, verehrte Schwiegermutter. Er befahl mir, unseren Sohn nicht alleine zu lassen“, wagte Hana einzuwerfen. „War der Wortlaut nicht eher, dass du das Schloss nicht verlassen darfst, wenn du Yoshihiro nicht in die Obhut eines Familienmitgliedes gegeben hast? Ich werde in der Zeit auf euren Sohn aufpassen. Du machst dich fertig und stellst dann deine Treue zum Westen unter Beweis.“ „Wie Ihr wünscht, verehrte Schwiegermutter.“ Die Erbprinzessin ließ sich ihren Sohn aus den Armen nehmen und wandte sich dann nach einer raschen Verneigung der Tür zu. „Eins noch, Hana“, hielt die Fürstin sie auf. „Ich möchte dir noch einen Rat geben: Du musst dich mit dem zufrieden geben, was dein Mann bereit ist, dir zu geben, aber ihm alles geben, was du hast. Und wenn du ein wenig Glück hast, wird er deine Bemühungen erkennen und würdigen, dessen musst du dir immer bewusst sein. Die Rolle der Frau ist gar nicht so undankbar, wie man glauben mag. Schon gar nicht im Westen.“ „Danke, verehrte Schwiegermutter“, erwiderte Hana und auf einen Wink der Fürstin verließ sie ihr Gemach. Als sie in Rüstung und mit Schwert auf dem Schlosshof stand und sich die Haare zu einem straffen Zopf zusammenband, kam die junge Heilerin zu ihr und verneigte sich tief. „Ayaka. Was ist los? Ist etwas mit meinem Welpen?“ fragte die Prinzessin. „Nein, Hana-hime. Ich hörte nur, dass Ihr das Schloss verlassen wolltet und … wollte Euch das hier geben.“ Ayaka hielt ein kleines Fläschchen hoch. „Das wird Euch stärken.“ „Danke.“ „Darf ich fragen, was Ihr überhaupt vorhabt?“ „Natürlich. Ich werde Patrizid begehen.“ ___________________________________________________________________________________________________________ Das nächste Kapitel wird wohl die Mottos „Gott kann nicht überall sein, darum hat er die Mütter erschaffen“ und „Verärgere nie eine Frau, du weißt nicht, wie ihre Rache aussieht“ haben. Wenn wir nicht wieder spontan total viele Ideen haben, wie man das ganze schön in die Länge ziehen kann, wie wir es in den letzten fünf Kapiteln getan haben. ^^ Bis denne Kupfer & Hani Kapitel 26 ---------- Inu Yasha hätte fast geseufzt, als sein Vater und sein Bruder aufsprangen. Es fiel ihm recht schwer, wieder hochzukommen, seine Beine fühlten sich steif und bleiern an. Als er allerdings erkannte, warum seine wohlverdiente Pause nur so kurz war, fiel ein Großteil der Müdigkeit von ihm ab. Hana hatte in ihrer Nähe ein Portal geöffnet und näherte sich ihnen jetzt. So lange war es doch noch gar nicht her, dass Jaken zurück ins Schloss geschickt worden war, er konnte ihr den Befehl herzukommen also noch gar nicht überbracht haben. Wenn sie eigenmächtig gehandelt hatte, würde sie bestimmt Ärger bekommen. „Ich nehme nicht an, dass Jaken dir unsere Nachricht schon überbringen konnte“, meinte der Taishou daher auch ruhig, als seine Schwiegertochter sich höflich verneigte. „Nein, verehrter Schwiegervater“, sagte sie. „Warum bist du dann hier?“ „Die verehrte Fürstin fand den Brief von Sentaku-san. Da meine Stiefmutter sie über den Bannkreis informiert und ihr dabei auch Zuflucht angeboten hatte, kam sie zu dem Schluss, dass ich hindurch kommen und den Bannkreis vom Schloss meines Vaters aus öffnen kann.“ „Kannst du den Bannkreis auch hier schon brechen?“ wollte der Fürst wissen. „Bedauerlicherweise nein, verehrter Schwiegervater. Dazu müsste ich den Stein zerstören, an den der Bannkreis gebunden ist und der befindet sich im Schloss.“ „Aber du kannst hindurch und den Bannkreis öffnen?“ „Ja, wenn ich nicht dabei gestört werde.“ „Inwieweit gestört?“ „Wenn derjenige, der für den Bannkreis verantwortlich ist und dafür, ihn für Besuche zu öffnen und zu schließen, dagegen ankämpft, dass ich ihn öffne, kommt es darauf an, wer stärker und ausdauernder ist.“ „Wenn wir in drei Stunden nicht wenigstens ein Zeichen von dir erhalten haben, müssen wir davon ausgehen, dass du uns verraten hast oder tot bist“, sagte Sesshoumaru. „Natürlich, Sesshoumaru-sama“, erwiderte seine Gefährtin ruhig. „Dann geh.“ Hana verneigte sich erneut und machte sich dann auf den Weg. Tatsächlich kam sie problemlos durch den Bannkreis und wurde nicht wie ihr Schwager gegen einen Baum geschleudert. Dieser hätte gerne noch etwas wie „Viel Glück“ gesagt, schluckte es aber runter. Jetzt hieß es für die drei Männer wieder warten. Dem Fürsten des Nordens war nicht entgangen, dass seine Tochter, die der Bann nicht abhielt, ein Portal vor dem Bannkreis geöffnet hatte. Also schickte der Westen tatsächlich eine Prinzessin in ein Schloss voller ausgebildeter Krieger. Waren sie so dumm oder so verzweifelt? Beides war für ihn von Vorteil, genau wie die Möglichkeit, dass sie eigenmächtig gehandelt hatte. Hana würde jedenfalls keine ernsthafte Bedrohung darstellen. Er würde ihr daher sogar die Wahl lassen: Entweder sie schloss sich ihm und seinem Plan an oder sie würde sterben. Letzteres könnte er dann bestimmt auch noch dem Westen in die Schuhe schieben. Es lief wirklich alles wie am Schnürchen. Ichiromaru wusste von den neuesten Ereignissen noch nichts, als er wenig später mit dem Hauptmann weiter an seiner Schnelligkeit arbeitete. Er war gerade mit seinen Aufwärmübungen durch, als er eine dämonische Energie fühlen konnte, die ihm wage vertraut war. War das etwa seine verehrte Schwester? Verwundert gab er seinem älteren Übungspartner das Zeichen, dass die Übungseinheit beendet war und ging vom Sandplatz hinter dem Schloss in den Innenhof, wo sich ein Teil der Armee seines Vaters versammelt hatte und neugierig und verwundert zu der Prinzessin sah, die mit gezogenem Schwert im offenen Tor stand und die Männer vor sich ungerührt betrachtete. Der Erbprinz straffte sich ein wenig und trat hinzu. „Es ist mir eine große Freude, dich hier zu sehen, verehrte Schwester.“ Jetzt bloß keinen Fehler machen … „Wo ist sie?“ fragte Hana wütend zurück. „Oh, du meinst Sora? Mach dir keine Sorgen, es geht ihr gut. Komm doch erst mit mir zu unserem verehrten Vater, dann können wir dir alles erklären.“ Die Ältere betrachtete ihn einige kurze Augenblicke schweigend. Dann sprang sie zu dem Samurai, der ihr am nächsten war und stieß ihm ihr Schwert zwischen die Rippen durch die Lungen. „Ich frage dich noch ein letztes Mal, bevor ich das hier mit dir mache: Wo ist meine Tochter?“ „Ich … ich sagte doch, dass sie in Sicherheit ist! Aber ich bin sicher, dass chichi-ue dir erst alles erklären möchte, bevor er dich zu ihr lässt, also …“ Im nächsten Moment war er gegen die Schlossmauer geflogen, sodass es ihm kurz den Atem raubte. „Ich habe heute nicht meinen geduldigsten Tag, Kleiner. Wenn du also nicht willst, dass ich hier alles in Schutt und Asche lege und jedem, der mir in die Quere kommt, den Kopf abreiße, einschließlich dir, bringst du mich jetzt zu meinem Kind. Sofort!“ grollte Hana. Ihre rotglühenden Augen und ihr aufflammendes Youki zeigten ihrem Bruder, dass sie es ernst meinte. Todernst. „Hör zu, ich verstehe, dass du wütend darüber bist, dass wir dich nicht darüber informiert haben und du dir deswegen unnötig Sorgen gemacht hast, aber es war weder geplant, dass Hanzai uns Sora bringt noch dass sie verletzt wird. Wir konnten daher nicht riskieren, dass der Westen zu früh davon erfährt, dass sie hier ist, noch wollten wir, dass sie dich verdächtigen“, versuchte er sie zu beruhigen. Die Erbprinzessin des Westens presste die Kiefer fest aufeinander. „Du bist ein Idiot, Ichiromaru. Du lässt dich von deinem Vater ausnutzen, ohne es zu merken. Ich habe nichts mit seinen Plänen zu tun, meine Treue gilt dem Westen, meiner Familie.“ Blitzschnell stieß sie dem Jüngeren ihr Schwer in den Bauch, ehe sie herumfuhr, ihre Energie in die Soldaten jagte, die sie angreifen wollten und ins Schloss lief. Wenn der Prinz ihr nicht sagen wollte, wo ihre Tochter war, musste sie eben selbst suchen. Und am besten sollte sie sie finden, bevor die restliche Armee und ihr Vater sie in die Finger bekamen. Sie war zwar recht fähig, allerdings nicht übermächtig und noch dazu nicht wirklich in der Übung. Obwohl sie lange nicht mehr in dem Schloss des Nordens gewesen war, hätte sie sich im Schlaf zurecht gefunden. Links ging es zum Privattrakt der Fürstenfamilie, der Frauentrakt über dem Männertrakt. Rechts lagen die Räumlichkeiten der Verwaltung und die Empfangsräume und dahinter waren die Diener untergebracht. Wo versteckte man eine Achtjährige, die ihr Gedächtnis verloren hatte und die man daher gegen ihre Familie verwenden wollte? Wenn man ihr Vertrauen gewinnen und sie auf seine Seite ziehen wollte, sollte sie Nestwärme spüren. In diesem Schloss recht schwierig, da blieb eigentlich nur der Frauentrakt. Dort brachte Fumiko die kleine Prinzessin gerade in das hinterste Zimmer, ein leer stehender, kleiner Raum. „Obaa-sama, was ist denn los? Wer ist denn da gerade gekommen? Warum muss ich in diesen Raum?“ fragte Sora. Die Fürstin biss etwas die Zähne zusammen. „Weißt du, Kleines, wir sind hier durch einen starken Bannkreis geschützt, für den ich verantwortlich bin. Derjenige, der eben ins Schloss gekommen ist, konnte ohne Probleme hindurch. Das kann nur bedeuten, dass es deine Mutter ist. Und sie ist sehr wütend.“ „Meine … Mutter? Sie ist hier? Ich will zu ihr!“ Das Mädchen wollte aus dem Zimmer laufen, wurde aber am Arm gefasst und zurückgezogen. „Hör zu, ich weiß, dass ich dir die ganze Zeit gesagt habe, dass deine Mutter nicht böse zu dir war und dass sie selbst schlecht behandelt wurde. Aber die Wahrheit ist, dass ich es nicht genau weiß. Ich weiß nicht, ob sie dir nicht auch wehgetan hat. Darum bleibst du erst mal hier und versteckst dich, bis ich weiß, ob es in Ordnung ist, sie zu dir zu lassen oder nicht.“ Die Kleine schluckte etwas und nickte. Ihre Stiefgroßmutter strich ihr einmal übers Haar, ehe sie das Zimmer verließ und den Flur entlang eilte. Als sie gerade an ihren eigenen Gemächern vorbeikam, wurde die Tür zum Frauentrakt aufgeschoben und Hana stand dort, mit wütend blitzenden Augen und einem blutverschmierten Schwert. „Wo ist sie?“ grollte die Prinzessin. „Beruhige dich bitte, so aufgebracht lasse ich dich sowieso nicht … Ist das etwa Ichiromarus Blut?!“ Fumiko schlug die Hände vors Gesicht und starrte ihre Stieftochter geschockt an. „Ja. Er wollte mir nicht sagen, wo meine Tochter ist, da habe ich ihn abgestochen.“ „Du hast deinen Bruder …?“ „Keine Sorge. Deinem Kind geht es gut, ich hatte nicht die Absicht, ihn umzubringen. Er sollte mir nur aus dem Weg gehen.“ Die Fürstin atmete tief durch, um sich zu beruhigen. „Wieso bist du hergekommen?“ „Um Sora nach Hause zu holen.“ „Was?! Du willst sie wieder zurück bringen? Das kannst du nicht machen! Was bist du nur für eine Mutter?!“ Hanas Kehle entrann ein bedrohliches Knurren und sie ging auf ihre Stiefmutter zu. „Ich bin eine ausgezeichnete Mutter. Ich würde mein Leben geben, um meine Kinder zu beschützen. Ich würde für sie sterben. Außerdem kann ich mit einem Schwert umgehen. Wenn also jemand auch nur versuchen sollte, mein Kind zu schlagen, dann würde derjenige das nur einmal machen und dann mindestens seine Arme verlieren. Wahrscheinlich würde ich damit allerdings noch lange nicht zufrieden sein. Und es wäre mir ganz egal, wen ich dafür töten müsste, um meine Tochter zu beschützen. Ich würde meinen Schwager umbringen, meinen Gefährten und meinen Schwiegervater. Allerdings wird das nie nötig sein, weil keiner von ihnen jemals die Hand gegen Sora erheben würde.“ „Was?!“ „Und du solltest mal lieber an deinen Fähigkeiten als Mutter zweifeln. Dein Sohn hat dich belogen, ohne dass du es bemerkt hast. Vater hat sich die ganze Geschichte ausgedacht, aber Ichiromaru hat mitgemacht. Die beiden wollten den Westen bei den anderen Fürsten in Verruf bringen, um sich das Reich ohne größere Verluste unter den Nagel reißen zu können.“ „Was sagst du da?“ „Und wenn das gelungen wäre, hätten du und Sora einen Unfall gehabt. Einen tödlichen.“ Fumiko schluckte hart und ballte die Hände zu Fäusten. „Und jetzt wirst du mich sofort zu meiner Tochter lassen und den Bannkreis öffnen, damit ich nicht für eine Verräterin gehalten werde.“ „Das … ich … das geht nicht.“ „Ach? Weißt du, ich bin nicht mehr in Diskutierlaune, also sage ich dir jetzt, wie das laufen wird: Du tust, was ich sage oder ich werde Ichiromaru suchen und mit dem Schwert bearbeiten. Dann wirst du vielleicht wissen, wie es mir ging, als ich erfahren habe, dass meine kleine Tochter schwer verletzt und entführt wurde.“ „Ich lasse dich nicht zu dem armen Mädchen. Ich glaube dir kein Wort. Ichiromaru würde mich nie belügen. Und dein Vater mag seine … Eigenarten haben, aber er würde niemals so tief sinken und solche Sachen behaupten, wenn überhaupt nichts daran wäre. So ist er nicht.“ „Er hat meine Mutter getötet. Er hat versucht, dich zu töten. Er lügt, wenn er den Mund aufmacht. Frag deinen Sohn. In der Zeit werde ich den Bannkreis öffnen und meine Tochter in Sicherheit bringen. Akzeptiere endlich, dass Vater ein verlogener Mistkerl ist, der über Leichen geht, um seine Ziele zu erreichen. Am liebsten über Frauenleichen“, sagte die Prinzessin. Ihr Gegenüber drohte die Fassung komplett zu verlieren und sank gegen eine Wand, um nicht zusammenzubrechen, ihr Blick ging starr auf den Boden. „Hau hier ab, solange du noch kannst. Erzähl den anderen Fürsten, wie genau sich dein „Unfall“ zugetragen hat“, meinte Hana ruhig. Sie atmete tief durch, ihre Augen nahmen wieder ihre normale Farbe an. „Sora!“ rief sie dann laut und ging an ihrer apathischen Stiefmutter vorbei den Flur entlang. Sora riss die Tür ihres Verstecks aufgenblicklich auf und kam heraus. Einen Moment sahen sich Mutter und Tochter stumm in die Augen, dann gab es für die Kleine kein Halten mehr. Sie sprang Hana in die Arme und drückte sich so fest an sie, wie sie nur konnte. Die Erbprinzessin hatte ihr Schwer sofort fallen gelassen und sank mit ihrem Kind auf die Knie. Die Erleichterung, die sie fühlte, raubte ihr fast den Atem. „Mama! Da bist du ja“, schluchzte das Mädchen. „Wo warst du?“ „Es tut mir so leid, meine Kleine. Wenn ich gewusst hätte, wo du bist, wäre ich schon längst hier gewesen und hätte dich nach Hause geholt.“ „Habt ihr mich denn nicht gesucht?“ „Doch, natürlich. Dein Vater, dein Großvater und dein Onkel haben alles nach dir abgesucht, auch die Reviere der anderen Fürsten. Aber es gab keine Spur, keinen Hinweis, kein Gerücht.“ „Bis dein Vater diesen Unsinn verbreitet hat.“ „Ja.“ Hana drückte ihre Tochter noch ein wenig enger an sich und schob ihr Gesicht in das Haar der Kleinen. „Ich kann mich wieder erinnern, Mama. Ich weiß, dass ihr mir nie etwas tun würdet.“ „Niemals. Keiner wird dir je etwas tun, das werden wir nie zulassen, das verspreche ich dir.“ „Er wird damit nicht durchkommen, oder? Er wird dafür bestraft werden, oder?“ „Natürlich.“ „Na, das werden wir ja noch sehen“, ertönte eine belustigte Stimme hinter den beiden. Sora ließ ihre Mutter sofort los, sodass die sich noch während sie herumfuhr ihr Schwert schnappen und es quer vor sich halten konnte. Akumaru betrachtete seine Tochter abschätzend. „Du glaubst doch nicht wirklich, dass du irgendetwas gegen mich ausrichten könntest, oder? Du bist zwar eine fähige Kriegerin, aber mit mir kannst du es beim besten Willen nicht aufnehmen, meine Liebe. Das wäre Selbstmord.“ „Seinen Gegner zu unterschätzen kann genauso tödlich enden“, erwiderte Hana kühl. „Und sich selbst zu überschätzen ebenfalls. Das solltest du eigentlich wissen.“ „Oh, du besitzt die Frechheit, mich zu duzen? Ist meine Erziehung so schnell wirkungslos geworden?“ „Jemanden mit dem höflichen Plural anzusprechen ist ein Zeichen von Respekt, aber den habe ich dir gegenüber nicht. Eigentlich habe ich den nie gehabt. Das habe ich die ganze Zeit immer nur vorgespielt. Dank deiner Erziehung, bei der du mir beigebracht hast zu lügen, hast du das bloß nie bemerkt.“ Der Fürst verzog den Mund zu einem Lächeln, was einen bizarren Kontrast zu dem linken Blitzen in seinen Augen bot. „Du bist ein kluges Mädchen, Hana. Klüger als dein Bruder, was nicht nur daran liegt, dass du älter bist. Du bist auch eine sehr viel geschicktere Kämpferin. Ichiromaru hat nicht das Zeug dazu. Ich habe mich wohl falsch entschieden, was die Auswahl meines Erben angeht. Aber diesen Fehler bin ich gerne bereit zuzugeben und zu korrigieren.“ „Ichiromaru wird bestimmt ein besserer Fürst werden als du.“ „Ach, glaubst du? Du verstehst doch eigentlich recht viel von Politik. Daher weißt du auch, dass Fürsten, die zu weich sind, schnell den Respekt der anderen Fürsten verlieren. Und wenn die anderen Fürsten keinen Respekt mehr haben, werden sie schnell auf die Idee kommen, dass sie einen leichten Gegner haben, der zu weich ist, um ein Heer in einen brutalen Krieg zu führen.“ „Den Respekt der anderen Fürsten kann man genauso gut verlieren, indem man sie eiskalt belügt und für seine eigenen Zwecke missbraucht. Sentaku wird sicher hellauf begeistert sein, wenn er davon erfährt“, knurrte die Prinzessin und fasste ihr Schwert fester. „Wie sollte er denn davon erfahren?“ „Meinst du nicht, dass es ihn brennend interessieren wird, was Sora zu den Vorwürfen zu sagen hat?“ „Doch, das wird ihn sicherlich interessieren. Aber warum sollte Sora die Wahrheit sagen und nicht daran festhalten, dass sie schlecht behandelt wurde und dass der Westen nicht so familiär ist, wie er vorgibt?“ fragte Akumaru. „Und warum sollte sie lügen?“ „Um ihrer Mutter zu helfen. Um deiner Mama zu helfen, würdest du doch alles tun, nicht wahr, Sora-chan?“ Die kleine Prinzessin versteckte sich noch weiter hinter ihrer Mutter. „Warum sollte es mir helfen, wenn meine Tochter unsere Familie in Verruf bringt?“ fragte diese. „Weil du meine Erbin werden könntest. Ich enterbe Ichiromaru und du nimmst seine Position ein.“ „Und wenn ich das gar nicht will? Wenn ich mit meiner Position zufrieden bin?“ „Wie kannst du zufrieden sein? Ich mache dir gerade ein einmaliges Angebot, das du unmöglich ablehnen kannst, wenn du erst einmal genau darüber nachgedacht hast. Wenn ihr euch auf meine Seite stellt und den anderen Fürsten genau das erzählt, was ich euch sage, mache ich dich zu meiner Erbin. Ich sage, dass Ichiromaru absolut ungeeignet ist, weil er nicht stark und klug genug ist. Aber du, meine Tochter, bist mir diesbezüglich sehr ähnlich. Du weißt, wie man ein Fürstentum regiert, wie man eine Armee befehligt und du kannst mit einem Schwert umgehen. Außerdem bist du gut in deiner Magie, dass der Bannkreis so stark ist, ist auch dein Verdienst. Und wenn deine Ausbildung erst mal aufgefrischt und intensiviert wurde, wirst du den anderen Fürsten mit Leichtigkeit beweisen können, dass du einem Mann in nichts nachstehst und viel zu gut bist, um bloß Sesshoumarus schmückendes Beiwerk zu sein. Oder das eines anderen Mannes. Und du hast bereits zwei Kinder; die kleine Sora oder ihr Geschwisterchen werden sicher deine Nachfolge antreten können. Denk mal genau darüber nach. Du kannst nicht verleugnen, dass du als junges Mädchen immer davon geträumt hast, meine Nachfolgerin zu werden und den Norden zu regieren. Jetzt biete ich dir die Möglichkeit nicht nur den Norden zu beherrschen, sondern den Westen noch mit dazu. Kannst du das wirklich ablehnen?“ Der Cousin des Taishou näherte sich seiner Tochter einige Schritte, seine Augen ruhten auf ihrem Gesicht und registrierten jede Bewegung und ein gewinnendes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, je länger sie schwieg. Sora sah besorgt von ihrer Mutter zu ihrem Großvater. „Das wird sie nicht tun. Sie wird unsere Familie nicht verraten. Niemals. Das könnte sie ojii-sama und chichi-ue nie antun!“ sagte sie dann überzeugt. „Ach ja? Hana, bist du dir sicher, dass du die Möglichkeit ausschlagen willst, deinen Kindheitswunsch wahr werden zu lassen, um weiterhin bloß eine Prinzessin des Westens zu sein? Mittlerweile sollte dir klar sein, wie sie sind. Mein Cousin ist zu weich. Er will es immer allen recht machen und bei allen beliebt sein. Er versteckt sich hinter dem Höllenschwert, von dem jeder weiß, wie gefährlich es ist. Aber ich bin mir sehr sicher, dass er es doch nie benutzen würde. Er ist zu schwach dazu. Das beweist doch schon die Tatsache, dass er diesen Bastard anerkannt und in sein Schloss geholt hat. Kannst du ihm wirklich vergeben, dass er dich dazu gezwungen hat, dich um diesen Mischling zu kümmern? Und Sesshoumaru? Er erschien mir immer wie ein fähiger Kämpfer, Stratege und vielleicht auch Fürst, dir ebenbürtig, aber … behandelt er dich wirklich gut? Ich meine damit nicht, dass er dich schlägt oder so, aber … respektiert er dich so, wie du es verdienst? Wohl kaum. Und wenn euer Sohn erstmal so alt ist, dass er dich nicht mehr braucht, wie hoch ist dann wohl die Wahrscheinlichkeit, dass er mit dir das macht, was sein Vater mit seiner Mutter tat? Er wird dich in ein einsames Schloss abschieben, über das du dann Herrin sein darfst. Aber deine Kinder wirst du kaum noch zu Gesicht bekommen. Du wirst einsam vor dich hin leben. Es sei denn er schickt dich zu deiner Schwiegermutter, dann hättest du natürlich immer Gesellschaft. Aber wenn du mein Angebot annimmst, wird dich niemand mehr unterdrücken und nicht wertschätzen. Oder dich für eine Verräterin halten. Du wärst deine eigene Herrin und die über das ganze Reich, das dein Ur-Großvater unverständlicherweise zwischen seinen Söhnen aufgeteilt hat. Das solltest du nicht machen, wenn es einmal dazu kommen sollte, dass du es vererben musst.“ Hana schluckte etwas. „Niemals. Ich verabscheue dich aus tiefstem Herzen, mit meinem ganzen Sein. Du hast meine Mutter eiskalt umgebracht und es als Unfall getarnt. Und du bist schuld, dass gegen mich der Verdacht aufkam, ich wäre eine Verräterin. Der Westen sollte den Friedensvertrag brechen“, sagte sie dann grimmig. „Lieber bin ich eine Prinzessin des Westens als die Erbin eines kranken Mannes und später Herrin über ein Reich, das auf Lügen und Verrat aufgebaut wurde. Der Westen ist weder schwach noch dumm. Mein verehrter Schwiegervater ist darum bemüht, jeden, über den er herrscht, zu beschützen. Er will kein unschuldiges Blut vergießen und jeden gerecht behandeln. Das macht nicht nur einen guten Herrscher aus, sondern einen hervorragenden. Ja, er scheut davor, Sou'unga zu ziehen und Schlachten damit schnell zu beenden, weil das Höllenschwert seinen Namen nicht umsonst trägt. Der Inu no Taishou ist intelligent und gutherzig. Er ist ein überaus guter Fürst und ein mindestens genauso guter Vater. Zwei Sachen, die du nie sein wirst. Ich wurde nie dazu gezwungen, mich um Inu Yasha zu kümmern, ich habe es freiwillig und gerne getan. Und Sesshoumaru behandelt mich gut. Wenn ich einmal in ein anderes Schloss geschickt werden sollte, um dort zu leben, kann ich auch gut damit umgehen, weil alles besser ist, als dich zum Herrn und Vater zu haben.“ Akumaru gefror das Lächeln auf den Lippen, seine Augen fingen an bösartig zu funkeln. „Wenn du nicht für mich bist, dann bist du gegen mich. Und wer gegen mich ist, stirbt.“ Der Fürst des Nordens zog sein Schwert und griff mit einem wütenden Knurren an. __________________________________________________________________________________ Wir haben nix dazu zu sagen. Happy CSD. lg Hani & Kupfer Kapitel 27 ---------- Inu Yasha biss sich etwas auf die Lippen, während er beobachtete, wie die Sonne langsam unterging. Die drei Stunden waren fast um und noch gab es kein Zeichen von Hana, auch der Bannkreis war noch vorhanden. Wenn nicht bald etwas geschah, müssten sie zu Plan B übergehen: Die anderen Fürsten um Hilfe bitten. Aber das würde Zeit in Anspruch nehmen und wer wusste schon, was der Fürst des Nordens in der Zeit mit seiner Tochter anstellte? Und wer wusste schon, was der Mistkerl bislang schon mit ihr angestellt hatte? Warum hatten sie Hana alleine da hinein gehen lassen? Sie hatten sie dem Norden quasi zum Fraß vorgeworfen. Sie war eine gute Kämpferin, aber gegen ihren Vater, ihren Bruder und die ganze Armee des Nordens könnte sie doch kaum etwas ausrichten! Er bemerkte, dass sein Vater und sein Bruder sich etwas anspannten und wachsam in die Richtung sahen, in der Hana verschwunden war. Tat sich da etwas? War das das Zeichen von Hana, auf das sie warteten? Einige Momente später erkannte der Halbdämon, was seine Verwandten aufmerken gelassen hatte: Eine zierliche Gestalt kam durch den Bannkreis. Keiner der drei zeigte seine Verwunderung, als sie in der blauhaarigen Dämonin mit den blau-grünen Augen die Fürstin des Nordens erkannten. „Fumiko. Welch eine Überraschung, dich hier zu sehen“, meinte der Taishou ruhig. „Ich … Es tut mir leid, dass ich nicht eher erkannt habe, dass Akumaru sich das alles nur ausgedacht und meinen Sohn mit hinein gezogen hat. Ich hätte wissen müssen, dass an der Geschichte etwas nicht stimmt und dass Hana nie zugelassen hätte, dass Sora so etwas passiert“, erwiderte sie. „Was geht im Schloss vor sich?“ wollte Sesshoumaru wissen. „Ichiromaru hält die Soldaten in ihren Quartieren und Hana … versucht Akumaru von sich fernzuhalten.“ „Was?!“ rief Inu Yasha erschrocken aus. „Sie wird versuchen, den Kampf so lange wie möglich hinauszuzögern und einen Weg zu finden, Sora in Sicherheit zu bringen, aber er wird früher oder später die Geduld verlieren und sie angreifen. Mit der Absicht, sie zu töten.“ „Öffne den Bannkreis“, verlangte der Fürst. „Ich arbeite schon daran, es dauert nur noch einen Moment.“ Fumiko hob etwas ihre Hand, in der sich ein Stein befand, der im Licht der Abendsonne bunt schillerte. „Wie lange dauert es denn noch?“ fragte der Hanyou ungeduldig. „Geschafft“, sagte die Fürstin und wirkte von einem Moment auf den anderen um Jahre älter. Die drei anderen kümmerten sich jedoch nicht weiter darum und stürmten los, wobei die beiden Daiyoukai dieses Mal keine Rücksicht darauf nahmen, dass der Halbdämon nicht so schnell laufen konnte wie sie. Hana drückte ihr Schwert mit aller Kraft gegen die Klinge ihres Vaters. Er war ihr kräftemäßig weit überlegen, legte es aber nicht mal annähernd darauf an, ihre Verteidigung zu durchbrechen. Noch nicht. Sie wusste das. Sie kannte seine Technik, den Gegner dazu zu zwingen, von Anfang an mit voller Kraft zu kämpfen, während er seine Energie möglichst schonte. Ihre einzige Chance wäre es, das Kampffeld zu vergrößern und ihre Tochter so weit wie möglich von hier wegzubringen. In dem schmalen Flur des Frauentraktes hatte sie schließlich nur eine eingeschränkte Bewegungsfreiheit. Hätte sie mehr Platz und müsste nicht mehr die Sorge haben, dass ihrem Kind etwas zustieß, hätte sie bessere Chancen. Nicht darauf, ihren Vater zu besiegen, das könnte sie alleine kaum schaffen. Aber wenn sie ihn zu einem Distanzkampf zwingen konnte, bei dem es auf Ausdauer und Geschick ankam, könnte sie so lange überleben, bis ihr Schwiegervater und ihr Gefährte auftauchten. Vorausgesetzt Ichiromaru und die Schlossarmee mischten sich nicht ein. Sora war angstvoll zurückgewichen und sah hilflos zu ihrer Mutter, die sichtlich Schwierigkeiten hatte, Akumaru bloß von sich wegzuhalten. Wie hatte sie nur vergessen können, dass der Fürst des Nordens ihr böser Großvater war und nicht der Taishou? Der war doch ihr lieber Opa! Und ihr Vater würde sie auch niemals verprügeln. Eine Ohrfeige zur Strafe, ja, aber selbst dabei würde er sie nie schwer verletzen und diese Strafe drohte ihr auch nur bei schweren Vergehen. Bei dem Gedanken daran, was diese Lügen des Nordens jetzt für Konsequenzen für ihre Familie nach sich ziehen könnten, bildete sich ein dicker Kloß in ihrem Hals. „Vielleicht wäre es doch keine so gute Idee gewesen, dich zu meiner Nachfolgerin zu machen. Ich setze gerade mal einen Arm und ein bisschen Kraft ein und du musst schon beide Hände und alle Kraft einsetzen, nur damit ich dich nicht in zwei Teile schneide. Du bist halt doch nur ein Mädchen“, spottete Hanas Vater. „Nachdem Ichiromaru vor erst kurzer Zeit von Sesshoumaru vorgeführt wurde, weil seine Technik zu schwach war, sollte selbst dir klar sein, dass die Kampfstärke nicht allein von der Körperkraft abhängt“, erwiderte sie gelassen. Er lachte kurz und hohl. „Das ist die Meinung der Schwachen und der Verlierer.“ Die Prinzessin schaffte es mit großer Anstrengung, den Druck gegen sein Schwert noch zu erhöhen, was ihn dazu bewog, mit ihr gleichzuziehen. Dann sprang sie ohne erkennbares Vorzeichen zur Seite, sodass ihr Erzeuger überrascht einen halben Schritt nach vorne taumelte. Sie gab ihm den Weg zu ihrer Tochter frei? Doch noch ehe er genauer darüber nachdenken und begreifen konnte, was sie vorhatte, hatte ihm ihr Knie in den ungeschützten Teil seines Unterleibs gerammt und als er nach Luft schnappte und etwas nach vorne sackte, schlug sie ihm ihre Handkante in den Nacken. Er fiel zu Boden und blieb reglos liegen. „Los, komm“, wies sie ihre Tochter an und zog sie mit sich aus dem Flur nach unten auf den Schlosshof. „Habt Ihr ihn …?“ fragte die Kleine. „Nein, er ist nur außer Gefecht gesetzt, aber das wird nicht lange anhalten“, erwiderte ihre Mutter. „Du musst mir jetzt genau zuhören und dann genau das tun, was ich dir sage: Du nimmst die Schwertscheide und läufst so schnell du kannst immer geradeaus. Wenn Fumiko den Bannkreis geöffnet hat, werden dir dein Großvater und dein Vater bald entgegen kommen, genau wie dein Onkel. Wenn sie den Bannkreis nicht geöffnet hat, werden sie hoffentlich noch davor warten. Dann tust du, was sie dir sagen. Wenn du sie nicht treffen solltest, läufst du weiter, so weit du kannst. Wenn du jemanden triffst, den du nicht kennst, versteckst du dich so gut du kannst. Hast du das verstanden?“ „Ja. Aber was ist mit Euch?“ „Ich komme bald nach, mach dir keine Sorgen. Los, lauf.“ Hana drückte ihrer Tochter die Schwertscheide in die Arme und drängte sie durch das Schlosstor. Sora sah noch einmal zu ihrer Mutter und lief dann so schnell sie konnte davon, das schützende Holzstück fest an sich gedrückt. Das Mädchen war kaum außer Hörweite, als Akumaru aus dem Schloss kam, sein Schwert fest in der Hand und blanken Hass und Mordlust in den Augen. „Das war das letzte Mal, dass du mich enttäuscht hast. Selbst tot hast du kaum noch einen Nutzen“, grollte der Fürst und kam langsam näher. „Jedes Mal, wenn ich dich enttäuscht habe, war es mir ein außerordentliches Vergnügen“, erwiderte die Prinzessin. „Du bist genau wie deine nutzlose Mutter, zu nichts zu gebrauchen. Der einzige Unterschied ist, dass du tatsächlich dazu in der Lage warst, einen Sohn auf die Welt zu bringen und dass es mir mehr Spaß machen wird, dich zu töten.“ Er griff an, doch sein Schlag ging ins Leere. Hana nutzte die größere Fläche aus und sprang zur Seite, achtete dabei genau auf ihre Verteidigung. „Du hast meine Mutter getötet, weil sie dir keinen Sohn geboren hat, anstatt sie zurückzuschicken oder herabzustufen. Was für ein Herrscher, was für ein Mann tut so etwas?“ fragte sie provokant. „Jemand, der Manns genug ist, das zu tun. Warum sollte ich denn weiter für den Unterhalt einer minderwertigen Frau aufkommen? Oder ein zweites Brautgeld bezahlen, wenn ich keine Garantie dafür haben kann, dass die Schwester besser ist?“ Auch der nächste und der übernächste Schlag trafen nicht. „Ist dir je in den Sinn gekommen, dass es nicht an meiner Mutter lag, dass sie keinen Sohn bekam? Wenn ich mich recht entsinne, gehören immer zwei Dämonen dazu, um ein Kind zu zeugen“, spuckte Hana ihrem Vater entgegen und parierte Stahl auf Stahl. Eisblau starrte in Eisblau und die Luft um Vater und Tochter schien zu vibrieren, als sie ihre übermenschlichen Energien abriefen. Keiner der beiden schien zu bemerken, dass Ichiromaru das Geschehen beobachtete. Er stand im Türrahmen zu den Samuraiquartieren, die Armee seines Vaters hinter sich, in sicherer Entfernung. Die Krieger hätten gerne auch zugesehen, was draußen vor sich ging, aber sie wagten es kaum, sich zu rühren. Der Erbprinz des Nordens hatte ihnen kurz vorher sehr deutlich gemacht, dass er niemanden vorbei lassen würde und auch wenn der junge Herr tief in seinen Gedanken verloren zu sein schien, wollte sich lieber niemand darauf ankommen lassen. Tatsächlich achtete der Daiyoukai kaum auf die Soldaten. Er sah dabei zu, wie seine Schwester von ihrem gemeinsamen Vater über den Innenhof gejagt wurde. Oder sich jagen ließ. Kurz nachdem sie ihm ihr Schwert in den Bauch gerammt hatte, um ins Schloss zu gelangen, war seine Mutter herausgelaufen gekommen. Sie hatte nur einen kurzen Blick auf seine Wunde geworfen, die schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr geblutet hatte und mittlerweile schon fast verheilt war, hatte ihm dann unverwandt in die Augen gesehen und die Frage gestellt, vor der er sich gefürchtet und nach der er sich gleichzeitig insgeheim gesehnt hatte: „Hast du mich die ganze Zeit belogen?“ Ichiromaru hatte nur nicken können, eine weitere Erkklärung hatte Fumiko nicht abgewartet. „Du hast mich maßlos enttäuscht, mein Sohn“, hatte sie gesagt. „Du hast wider besseren Wissens deinen Vater unterstützt.“ „Ich weiß, Mutter“, hatte er gemurmelt. „Gut, dass du es weißt. Du hast noch die Möglichkeit, dich zu ändern. Halte nicht mehr zu deinem Vater und seinen Lügen und Intrigen. Halte zu deiner Schwester. Geh zu den Soldaten und halte sie in den Quartieren. Keiner von ihnen soll sich Hana und Sora in den Weg stellen. Ich sorge dafür, dass der Taishou und Sesshoumaru so schnell es geht her kommen. Bis dahin müsst ihr beide allein klar kommen und auf Sora aufpassen.“ „Ich verspreche es Euch, haha-ue.“ Die Fürstin hatte nur genickt, ihre warme Hand kurz liebevoll an sein Gesicht gelegt und war dann durch das Schlosstor im Wald verschwunden. Der Prinz hatte sich nicht die Mühe gemacht, eine Rüstung anzulegen, sondern hatte sich nur sein Schwert, das glücklicherweise nicht allzu weit entfernt gelegen hatte, geholt und war zu den Soldaten gegangen, hatte ihnen durch sein bedrohlich angeschwollenes Youki und sein blankes Schwert mehr als deutlich gemacht, dass er nicht auf der Suche nach einem neuen Übungspartner war, sondern trotz entblößten Oberkörpers bereit war zu töten, wenn sich einer der Samurai seinem Willen widersetzen und die Quartiere verlassen sollte. Jetzt beobachtete er den Kampf zwischen seinem Vater und Hana. Und stelle sich einige Fragen. Wie hatte er nur jemals zu seinem Vater aufsehen können? Wie hatte er ihm nur so blind folgen, ihn bewundern können? Warum um Himmels Willen hatte er nur so ein Fürst werden wollen wie Akumaru und nicht eher auf die immer lauter werdende Stimme in seinem Inneren gehört, die ihm schon die ganze Zeit über das gesagt hatte, was er jetzt endgültig erkannt hatte: Der Fürst des Nordens war ein verlogener, eiskalter Mistkerl, der sich nur um sein eigenes Wohl sorgte und sich einen Dreck um alle anderen schwere. Er war kein guter Herrscher, kein guter Vater und überhaupt keine gute Person. Hoffentlich schaffte seine verehrte Mutter es den Bannkreis zu öffnen und den Taishou und Sesshoumaru rechtzeitig herzubringen, bevor Hana die Kraft ausging. Ichiromaru blickte zur Seite, wo sich die Kammer mit den Rüstungen befand. Kurzentschlossen schnappte er sich einen herumliegenden Haori von einem der Samurai, lehnte sein Schwert gegen die Wand, warf den kratzigen Stoff über und dann noch eine Rüstung, die ihm einigermaßen passte. Das war zwar nicht ideal für einen Kampf, aber besser als seinem Vater ungeschützt gegenüber zu treten. Er hatte seiner Schwester schon genug Leid zugefügt. Da er aller Wahrscheinlichkeit nach sowieso nicht mehr lange zu leben hatte, hatte er nur noch diese letzte Gelegenheit zu zeigen, dass er nicht so war wie sein Vater und dass ihm das Geschehene wirklich leid tat, indem er Hana im Kampf gegen ihren gemeinsamen Erzeuger beistand. In einiger Entfernung zum Schloss hatten der Fürst des Westens und sein Sohn noch einmal ihr Tempo erhöht, als sie das aufgeflammte Youki gespürt hatten, blieben jedoch abrupt stehen und unterdrückten ihre Energie, als sie erkannten, wer ihnen entgegen kam. Nur einen Sekundenbruchteil später war Sesshoumaru auf ein Knie gesunken und drückte seine Tochter behutsam an sich, während die Kleine ihre Arme so weit es ging um ihn schlang. Der Taishou fühlte sich, als hätte man ihm einen enormen Druck von den Schultern genommen, bis ihm etwas einfiel: „Sora-chan, wo ist deine Mutter?“ Seine Enkelin sah ihn an, ohne sich von ihrem Vater zu lösen. „Noch dort. Sie wollte ihren Vater aufhaten, aber … das kann sie nicht lange durchhalten, oder?“ „Mach dir keine Sorgen, ich kümmere mich darum. Sesshoumaru, bring sie zu Inu Yasha und komm dann nach.“ Der Erbprinz nickte etwas und sah seinem Vater einen Moment lang nach, als dieser zwischen den Bäumen verschwand. Dann richtete er sich mit Sora im Arm auf und ging mit ihr den Weg zurück. Sie drückte sich an ihn und verstärkte gleichzeitig ihren Griff um die Schwertscheide ihrer Mutter. Sie wusste, dass ihr Vater nie viel redete, schon gar nicht darüber, was in ihm vorging, aber das war ihr egal. Für sie zählte nur, dass er bei ihr war und sie im Arm hielt. Sie zuckte zusammen, als plötzlich etwas rotes an ihnen vorbeirauschte. Sesshoumaru blieb stehen und sah sich um. „Inu Yasha“, sagte er nur. Sein Halbbruder verstand das zurecht als Aufforderung, seinen offen stehenden Mund zu schließen. „Sora, den Göttern sei Dank! Geht es dir gut?“ fragte er und bemühte sich, seinen Herzschlag zu beruhigen und seine Atmung unter Kontrolle zu bringen. „Ja“, erwiderte seine Nichte nur. „Bring sie nach Hause“, sagte der ältere Prinz. „Und lass sie keinen Moment aus den Augen.“ „Natürlich … Wo sind Hana und Vater?“ Inu Yasha nahm das kleine Mädchen, das sich nur widerwillig von seinem Vater löste. „Im Schloss des Nordens. Bring meine Tochter einfach nach Hause und pass auf sie auf. Ich meine damit richtig aufpassen, nicht wie beim letzten Mal.“ „Ja, natürlich.“ „Sora, bleib immer bei deinem Onkel und pass auf, dass er dich nicht aus den Augen lässt“, wandte Sesshoumaru sich an sein älteres Kind und verschwand zwischen den Bäumen. Als er sicher war, dass sein Bruder außer Sicht- und Hörweite war, drückte Inu Yasha Sora fest an sich. „Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass du wieder da bist!“ „Ja … au … keine Luft …“ „Entschuldige, meine Kleine. Es tut mir so unendlich leid, dass du das alles durchmachen musstest, nur weil ich nicht richtig auf dich aufgepasst habe. Das wird nie wieder vorkommen, ich verspreche es. Ich werde dich besser hüten als Tessaiga!“ „Onkel … immer noch … keine Luft!“ Sora hustete etwas, als der Halbdämon seinen Griff endlich etwas lockerte. „Es war doch nicht deine Schuld, dass ich geschubst wurde. Du hast mich ja nicht gestoßen, oder?“ „Nein, natürlich nicht. Aber wenn ich den Samurai losgeschickt hätte, um nach dem Lehrer zu sehen und bei dir geblieben wäre, dann wäre das alles nicht passiert.“ „Waren meine Eltern sehr böse auf dich?“ „Sie haben sich schreckliche Sorgen um dich gemacht, alle beide. Genau wie deine Großeltern und ich und das ganze Schloss. Alle haben dich sehr vermisst und werden ganz aus dem Häuschen sein, wenn sie dich wiedersehen.“ „Großmutter auch?“ hakte Sora verwundert nach. „Ja, sie ist gerade zu Besuch.“ „Und sie hat sich Sorgen gemacht?“ „Ja, natürlich. Auch wenn sie es nicht direkt gezeigt hat. Sie hat deine Mutter losgeschickt, um dich aus dem Schloss des Nordens zu holen, weil sie die einzige ist, die durch den Bannkreis konnte, den dein toller Großvater um sein Reich gelegt hat.“ „Hab ich sonst noch etwas verpasst?“ „Äh … da wir eh zuerst zuhause sein werden: Du bist jetzt eine große Schwester und hast einen kleinen Bruder“, sagte Inu Yasha. „Einen … Bruder?“ Die kleine Prinzessin klang enttäuscht. „Ja. Er heißt Yoshihiro.“ Sora schwieg und drückte sich enger an ihren Onkel. „Was ist los? Hast du Angst, dass dich jetzt alle weniger lieb haben? Das musst du nicht. Wir werden dich alle trotzdem noch genauso lieb haben wie bisher. Darum haben wir doch auch alles nach dir abgesucht und darum ist auch die Armee des Westens auf dem Weg in den Norden, um Akumaru in seine Schranken zu weisen und dafür zu bestrafen, dass er dir und uns das alles angetan hat.“ „Bist du dir sicher?“ „Natürlich. Du weißt doch, dass wir keine gewöhnliche Fürstenfamilie sind. Uns liegt wirklich etwas aneinander. Und auch wenn da jetzt ein kleiner Prinz bist, wirst du trotzdem immer unsere Prinzessin sein. Das verspreche ich dir.“ „Ganz fest?“ „Ganz fest. Ich hab dich lieb, Kleines.“ „Ich dich auch, Onkel Inu Yasha.“ Die beiden gingen schweigend weiter, beide hingen ihren Gedanken darüber nach, was wohl jetzt passieren würde. Sora fragte sich, ob es wirklich so sein würde, wie ihr Onkel versprochen hatte oder ob ihr Vater das gleiche empfinden würde wie ihr Großvater mütterlicherseits, als der nach der Tochter endlich einen Sohn bekommen hatte und sie vergessen oder sogar wegschicken würde. Inu Yasha hingegen fragte sich, was gerade im Schloss des Nordens vor sich ging und ob Hana lang genug durchgehalten hatte, bis der Taishou an- und ihr zur Hilfe gekommen war. Sie war zwar zäh, schnell und wendig, aber auch außer Übung und sicherlich noch geschwächt von der Geburt. Und was wohl aus Akumaru und Ichiromaru werden würde? Na ja, mindestens einer von denen würde wohl nicht mehr sehr lange zu leben haben, aber je nachdem, wie der Erbe des Nordens sich entschieden hatte, ob er die Armee wirklich in den Quartieren hielt und sich raushielt, hätte er vielleicht noch eine Chance auf Gnade. Vielleicht. Wenn der Fürst des Westens und Sesshoumaru nicht in mörderischer Stimmung waren. Kapitel 28 ---------- Als Inu Yasha mit seiner Nichte die Ebene erreichte, auf der der Bannkreis verlief, blieb er stehen und sah sich um. Fumiko war nirgends zu sehen. „Was ist los?“ fragte Sora leicht beunruhigt und ließ ihren Blick ebenfalls schweifen. „Nichts, nur … ich bin mir nicht sicher, ob ich wieder durch den Bannkreis zurückkomme.“ „Von dieser Seite aus kommt jeder durch den Bannkreis.“ „Ach, wirklich? Woher weißt du das?“ „Fumiko hat es mir erklärt. Der Bannkreis hindert Fremde nur daran, das nähere Gebiet um das Schloss zu betreten“, erklärte das Mädchen und hob die Nase in den Wind. „Das ist schon sehr praktisch“, gab der Halbdämon zu und folgte dem Blick der Kleinen, die etwas gesehen zu haben schien. „Was siehst du da?“ „Ich … lass mich runter, ich will nachsehen.“ Sora sprang ihrem Onkel aus den Armen und lief über die Wiese auf den Bannkreis zu. Inu Yasha sah sich aufmerksam um und spannte alle Sinne an, während er ihr folgte. Sie hob etwas aus dem Gras auf und drehte sich zu ihm um. „Sieh mal.“ Er verengte etwas die Augen. Sie hatte einen Stein aufgehoben, der im letzten Licht des Tages bunt funkelte. Den hatte er doch schon mal gesehen? „Gehört der nicht der Fürstin des Nordens?“ fragte er und legte unwillkürlich die Hand an Tessaigas Griff. „Das … das ist der Stein, an den der Bannkreis gebunden ist. Mit dem kann man den Bannkreis öffnen, stärken oder zerstören. Aber warum liegt der hier?“ „Fumiko hat uns vorhin den Bannkreis geöffnet, da hatte sie den Stein in der Hand. Wo ist sie nur hin?“ „Sie wollte bestimmt nicht länger bei Akumaru bleiben und ist geflüchtet.“ „Sora-chan, ich bin mir nicht sicher, ob Fumiko wirklich so nett ist oder ob sie nicht doch irgendwie in der ganzen Sache mit drin steckt. Sie könnte genauso gut doch für Akumaru arbeiten oder doch für jemand ganz anderen, der etwas gegen uns hat oder … keine Ahnung.“ „Das glaub ich nicht. Sie ist wirklich nett zu mir gewesen und hat sich um mich gekümmert. Sie wusste nicht, dass Akumaru und Ichiromaru die ganze Zeit über nur gelogen haben. Sie wollte mich deshalb auch vor Mama beschützen, als die gekommen ist, um mich zu holen.“ Der jüngere Prinz des Westens seufzte stumm und hob seine Nichte hoch. „Willst du den etwa mitnehmen?“ „Könnte das negative Auswirkungen auf uns haben?“ „Ich … bin mir nicht sicher … Wobei der Norden bald vermutlich … nimm ihn mit, zur Not können wir ihn ja wieder zurückbringen.“ Er sollte seiner achtjährigen Nichte wohl besser nicht erzählen, dass der Norden wohl bald mindestens ohne Fürst sein würde. Vielleicht würde er aber auch bald zum Westen gehören. „Na komm, gehen wir nach Hause.“ Inu Yasha machte einen vorsichtigen Schritt nach vorn und wurde tatsächlich nicht von dem Bannkreis abgehalten. Sora hob verwundert den Kopf. „Ist das Jaken auf Vaters Reitdrachen?“ fragte sie und deutete in den Himmel. „Ja … dann kommt das Heer wohl endlich … Verdammt, die kommen doch gar nicht durch den Bannkreis … Wieso musste Fumiko ausgerechnet jetzt flüchten? Oder ist der Bannkreis noch offen?“ Inu Yasha hatte mehr zu sich gesprochen und war daher etwas überrascht, als Sesshoumarus Tochter ihm antwortete. „Nein, er ist zu. Aber schwächer, weil das Herzstück sich außerhalb befindet.“ „Wo … woher weißt du das denn jetzt schon wieder?“ „Ich kann es fühlen. Du etwa nicht?“ „Nein.“ „Dann liegt das wohl daran, dass ich mit den Daiyoukai, die den Bann erschaffen haben, blutsverwandt bin“, meinte das Mädchen. „Oder daran, dass ich grundsätzlich Probleme damit habe, Magie wahrzunehmen, weil ich zur Hälfte ein Mensch bin“, erwiderte ihr Onkel, darum bemüht, sie seine Verbitterung darüber nicht hören oder spüren zu lassen. „Ich hab dich trotzdem lieber als Ichiromaru. Und du bist bestimmt auch stärker als er“, versuchte Sora ihn aufzumuntern. Tatsächlich lächelte Inu Yasha wieder. „Was machen wir jetzt nur? Dem Heer sagen, dass es umdrehen soll, können wir nicht, das wäre gegen Vaters Befehl. Die hier einfach stehen lassen und gehen können wir auch nicht. Aber hier mit ihnen auf irgendetwas warten wäre gegen den Befehl deines Vaters, der mich sowieso schon hasst … Ich würde sagen, das ist eine Zwickmühle.“ „Oder ich öffne den Bannkreis.“ „Sora, du wirst bestimmt mal eine sehr fähige Kämpferin und sehr begabt in dieser Magie, aber jetzt?“ „Der Bannkreis wird schwächer, je weiter das Herzstück entfernt wird. Fumiko hat mich schon daran üben lassen, mit Magie umzugehen. Und wenn ich einmal drin bin, kann ich auch die anderen, die den Bannkreis gestärkt haben, um Unterstützung bitten. Sozusagen. Eigentlich lass ich sie nur wissen, was ich machen will und fungiere dann als … Leiter oder so. Die anderen machen den Rest. Das kann sogar ich als Kind.“ Der jüngere Westprinz zog etwas die Augenbrauen zusammen. „Ein Versuch kann ja nicht schaden, oder? Kann dir dabei etwas passieren?“ „Nein, eigentlich nicht.“ Inu Yasha sah zum Himmel, wo der Diener seines Bruder immer näher kam, folglich auch die Armee seines Vaters. „Wirklich nicht? Wenn dir etwas passiert, bringen deine Eltern mich um. Wirklich.“ „Onkel, mir kann dabei wirklich nichts passieren, ich verspreche es.“ „Gut, dann versuche es.“ Die kleine Prinzessin sprang wieder auf den Boden, setzte sich im Schneidersitz ins Gras, dem Bannkreis zugewandt, den Stein in den kleinen Händen und die hölzerne Schwertscheide im Arm. „Soll ich die Schwertscheide halten?“ bot ihr Lieblingsonkel an. „Nein, darin ist auch die Magie meiner Mutter, daran kann ich sie erkennen.“ Inu Yasha verschränkte die Arme ineinander und beobachtete seine Nichte. Sie schien sehr konzentriert zu sein, aber ansonsten konnte er nicht sehen oder spüren, dass sie etwas tat, geschweige denn was. Sora blendete ihre gesamte Umgebung aus, konzentrierte sich nur auf den Stein in ihren Händen, den Bannkreis, der damit verbunden war und die Magie, die ihm innewohnte. Wie sie auf ihre eigene Magie zugreifen konnte, wusste sie schon längst, das hatte ihre Mutter ihr vor einiger Zeit beigebracht. Jetzt musste sie es nur noch irgendwie schaffen, diese Energie auf den Stein zu übertragen. Fumiko hatte es ihr erklärt und es sie schon ausprobieren lassen, aber da hatte es nicht so recht geklappt. Also gut, wie war das? Sie fing mit dem Trick an, den sie schon beherrschte: ihre Magie so um sich sammeln, dass sie sie komplett umgab und einschloss, nicht mal ihren Geruch durchließ. Dann stellte sie sich ganz fest vor, wie dieser Schutzschild über ihre Hände zu dem Stein wanderte und diesen umschloss, anschließend hineinsickerte und sich mit den Energien ihrer Verwandten verband. Überrascht stellte sie fest, dass ihre eigene Magie förmlich in den Stein hineingezogen wurde. Das war beim letzten Mal überhaupt nicht passiert. Nicht ansatzweise. Aber jetzt stand sie vor einem neuen Problem. Ihrem Onkel gegenüber hatte sie es möglichst einfach und unkompliziert dargestellt. Sie würde die anderen, sprich ihre Mutter und Fumiko, wissen lassen, dass sie den Bannkreis brechen wollte und die beiden dann die Arbeit machen lassen. Das Problem war nur, dass sie nicht wusste, wie sie es Hana wissen lassen sollte, was sie vorhatte. Innerlich seufzend konzentrierte sie sich auf die Energien, die Magie, die sie jetzt voll und ganz zu umwabern schien und versuchte sie zuzuordnen. Sie bekam nicht mit, dass der persönliche Diener ihres Vaters inzwischen gelandet war und auf sie zulaufen wollte, aber von Inu Yasha zurückgehalten wurde. „Reiß sie nicht aus ihrer Konzentration“, sagte der Weißhaarige, ehe er sich umwandte und dem sich nähernden Heer mit einem Handzeichen bedeutete, sich zurückzuhalten und am Waldrand stehen zu bleiben. Auf den Gesichtern, die er erkennen konnte, zeichnete sich Erleichterung ab. Auch die Soldaten freute es, dass die kleine Prinzessin wieder da und in Sicherheit war. Hauptsächlich weil Sesshoumaru jetzt wohl hoffentlich weniger verbissen üben und seine Übungspartner weniger oft an der Schlossmauer landen würden. Aber auch, weil sie Sora gern hatten. Die hatte inzwischen Mühe, die einzelnen Kräfte um sich herum auseinander zu halten. Dadurch, dass diejenigen, die ihre Magie hinzugefügt hatten, alle miteinander und mit ihr verwandt waren, waren die Energien sich ziemlich ähnlich. Sie musste unbedingt ihre Mutter finden. Vorsichtig, um das Herzstück des Bannkreises nicht zu verlieren, lenkte sie ihre Konzentration auf die Schwertscheide in ihren Armen, auf die Magie darin. Sie stammte von zwei verschiedenen … Lebewesen? Die eine Kraft war wohl die des Baumes, aus dessen Holz die Schwertscheide gefertigt worden war. Ihr Großvater hatte einmal erwähnt, dass er recht gut mit diesem … Magnolienbaum befreundet war, doch ihr fiel der Name nicht ein. Egal. Die andere Magie stammte von ihrer Mutter. Erleichtert richtete die Achtjährige ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Energien des Steins und fand die ihrer Mutter. Jetzt musste sie es nur noch schaffen, die irgendwie dazu zu bringen, ihr zu helfen. Und darauf achten, dass die anderen sich nicht dagegenstellten. Wer waren die anderen überhaupt? Eine von ihnen war nicht mit zwei anderen verwandt, aber mit der ihrer Mutter und einer anderen. Das war ihre Ur-Großmutter, die Mutter von Akumaru, die den Bannkreis vor fast 1000 Jahren erschaffen hatte. Dann war die Energie neben der ihrer Mutter deren Bruder Ichiromaru und die beiden anderen waren Fumiko und deren Schwester, ihre Großmutter. Akumaru hatte seine Energie also nicht hinzugefügt. Oder hielt sie seine Kraft gerade für die seiner Mutter? Nein. Dazu war die Magie zu verschieden von der von Hana und Ichiromaru … Würde der sich einmischen? Und wie verhielten sich die beiden Verstorbenen? Sora schob die Gedanken beiseite und fokussierte sich wieder auf die Energie ihrer Mutter. Mama, dachte sie flehend, bitte hilf mir und öffne den Bannkreis! Einige Momente geschah nichts, doch dann war dem Mädchen plötzlich so, als würden sich warme Arme um sie legen und als ob der süße Duft ihrer Mutter sie umwehen würde, die Energie von Hana schien anzuschwellen, genau wie die Energie, die entweder Fumiko oder ihrer Schwester gehörte. Im ersten Moment war sich Sora sicher, dass das Fumikos sein musste, aber dann stiegen auch noch die der anderen Schwester und die ihrer Urgroßmutter. Die kleine Hundedämonin hätte fast vor Freude gelacht. Es klappte! Ihre Mutter und die anderen halfen ihr! Doch die Freude blieb ihr fast im Hals stecken, als auch Ichiromarus Kraft anschwoll. Würde er sich dagegenstellen? Das wäre alles andere als gut! Da Hana und ihr Bruder beide im Schloss und einander damit am nächsten waren, würde ein Querschießen des Nordprinzen ein Kräftemessen der Geschwister bedeuten, während die anderen … hm … Fumiko war wohl zu weit weg, um es alleine zu schaffen, den Bannkreis zu öffnen … Und die anderen beiden? Was steuerte sie? Oder wer? Sora kam es wie eine Ewigkeit vor, in der sie nicht sagen konnte, was genau vor sich ging. Inu Yasha beobachtete seine Nichte mit wachsender Anspannung. Warum dauerte das so lange? Und warum starrte sie so angestrengt den Bannkreis an, ohne zu zucken, ohne zu blinzeln? Dann endlich schien sich ihre Starre zu lösen. Ihre Augen fielen kurz zu und dann sah sie ihn an. Ihr Blick war … merkwürdig. Als würde nicht Sora ihn ansehen, sondern … jemand anderes. „Schnell … wir können ihn nicht lange aufhalten“, sagte sie und der Halbdämon zuckte leicht zurück. Das war weniger Sora als … Hana. Das war selbst für sein Verständnis unheimlich. Schnell riss er sich wieder zusammen und winkte das Heer durch. Die Soldaten setzten sich in Bewegung und gingen zügig durch die magische Barriere. Nur Jaken blieb mit dem zweiköpfigen Reitdrachen zurück und sah verwirrt von Sora zu Inu Yasha. Die kleine Prinzessin sackte ein wenig in sich zusammen und atmete tief durch. Dann blinzelte sie ein paar Mal und sah sich verwundert um. Mittlerweile war es stockdunkel, nur der abnehmende Mond spendete noch ein wenig Licht. „Alles in Ordnung mit dir?“ fragte Inu Yasha besorgt. „Ja … hat es geklappt?“ „Ja, hat es. Das war echt super, deine Eltern werden verdammt stolz auf dich sein.“ Sora lächelte kurz, dann entdeckte sie Jaken. „Solltest du nicht das Heer zum Schloss begleiten?“ Der kleine Krötendämon wurde kreidebleich und bekam Schweißausbrüche, schnell warf er sich flach auf den Boden. „Sora-hime, ich …“ „Schon gut, Jaken, die werden den Weg schon finden. Viel wichtiger wird auch für meinen Bruder sein, dass seine Tochter wieder heil im Schloss ankommt. Komm Sora, den Rest des Weges fliegen wir mit … dem Drachen“, unterbrach Inu Yasha ihn. Die beiden anderen sprangen gleichzeitig auf und gingen wie angeordnet zu dem namenlosen Flugtier. Während Jaken damit beschäftigt war, den Weg zum Schloss des Westens anzusteuern, saßen die beiden Hoheiten gleichermaßen erschöpft hinter ihm und betrachteten die Landschaft, die unter ihnen vorbeizog. Als der Reitdrache lautlos auf dem stillen Schlosshof landete, war die kleine Prinzessin schon längst eingeschlafen. Inu Yasha nahm sie vorsichtig hoch und sah kurz zu den Schlosswachen, die die Neuankömmlinge schon beinahe besorgt betrachteten. Als Sora sich im Schlaf bewegte, glaubte ihr Onkel kurz so etwas wie Erleichterung über die Gesichter der Samurai huschen zu sehen, ehe die sich wieder auf ihre Aufgabe konzentrierten. „Jaken, kümmere dich um den Drachen“, wies der Halbdämon den Krötendämon leise an. „Natürlich, Inu Yasha-sama.“ Jaken sah dem Bruder seines Herrn noch kurz nach, als dieser das schlafende Kind ins Schloss brachte. Sein Herr würde sicher sehr erleichtert darüber sein, dass seine Tochter wieder da war und würde jetzt wohl hoffentlich weniger hart sein. Auch wenn er ein Youkai war, so war es doch nicht besonders gesundheitsfördernd, wenn er ständig gegen eine naheliegende Wand getreten wurde. Oder als Fußabtreter benutzt wurde. Und die ständige Anspannung, weil eine solche Strafe jederzeit kommen konnte, war auch nicht besonders toll … „Na komm“, sagte er zu dem zweiköpfigen Ungetüm neben sich und zog kurz an den Zügeln, um es in den Stall zu bringen. Inu Yasha war mit seiner Nichte gerade auf dem Weg in ihr Zimmer, um sie hinzulegen, als ihm die Fürstin mit dem neugeborenen Prinz entgegenkam. „Ihr seid zurück.“ „Nur Sora und ich, verehrte Fürstin“, erwiderte der Halbdämon und neigte etwas den Kopf. „So? Wo sind die anderen?“ „Noch … im Schloss des Nordens, schätze ich.“ „Und warum bist du nicht dort?“ „Sesshoumaru übergab mit Sora und wies mich an, sie sicher nach Hause zu bringen und auf sie aufzupassen.“ „Das heißt, du weißt auch nicht, was da vor sich geht“, stellte die Daiyoukai fest. „Bedauerlicherweise nicht“, sagte Inu Yasha. Die beiden sahen gleichermaßen irritiert auf, als eine Dienerin sich vor ihnen flach auf den Boden warf. „Verzeiht, verehrte Fürstin, Inu Yasha-sama, Sora-hime.“ „Sprich“, befahl die Fürstin frostig. „Soeben ist … Fumiko-sama, die Fürstin des Nordens, eingetroffen und bittet höflichst, Euch zu sprechen, Herrin.“ „So? Bitte sie in Inu Yashas Arbeitszimmer, ich bin gleich bei ihr.“ „Sehr wohl.“ Die Dienerin verschwand nach einer tiefen Verneigung, auch wenn sie nur zu gern erfahren hätte, warum die Nordfürstin hier unangekündigt mitten in der Nacht aufgetaucht war und trotz dieser Frechheit auch noch empfangen wurde, während der Fürst, sein älterer Sohn und seine Schwiegertochter offenbar im Schloss des Nordens waren. Was war denn hier überhaupt los? „Ich werde Ayaka zu Sora schicken, sie wird dann auch eine Wiege und Yoshihiro mitbringen“, sagte die Fürstin und musterte Inu Yasha kühl. „Natürlich, verehrte Fürstin“, erwiderte dieser, überrascht, dass er Sora nicht sofort wecken sollte, um den kleinen Prinzen direkt mitzunehmen. Aber dann fiel ihm ein, dass die Gefährtin seines Vaters weder ihm noch Sora das Baby vielleicht auch schlicht und einfach nicht in die Arme geben wollte. Er sah ihr einen Moment nach, als sie davonschritt, ehe er für sich beschloss, dass seine letztere Überlegung wohl eher zutreffend war. In Soras Zimmer legte er das Mädchen vorsichtig auf ihr Lager, ehe er sich dann in den Schaukelstuhl in der Ecke fallen ließ und tief durchatmete. Mittlerweile musste er darum kämpfen, nicht einzuschlafen. In solchen Situationen bedauerte er es mal wieder besonders, dass er kein vollwertiger Youkai war. Sein Vater, sein Bruder und seine Schwägerin wären garantiert nicht so ausgelaugt und müssten erst recht nicht dagegen ankämpfen, dass ihnen die Augen zufielen. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sich die Tür öffnete und die junge Heilerin mit Yoshihiro im Arm und gefolgt von zwei Dienern hereinkam. Einer der Diener stellte eine Wiege neben Inu Yasha ab, verneigte sich höflich und verließ den Raum nach einem flüchtigen Blick auf Sora wieder. Der andere Diener stellte Ayakas Tasche neben der Tür ab und ging dann ebenfalls wieder. „Inu Yasha-sama“, sagte die Dämonin und neigte höflich den Kopf, ehe sie das Baby in die weiche Wiege legte. „Die Fürstin hat mir schon gesagt, dass du kommen würdest“, erwiderte der Halbdämon nur. Sie nickte leicht und sah zu Sora, unschlüssig, ob sie die Kleine wecken sollte. „Hat Sora-hime über irgendwelche Schmerzen oder andere Beschwerden geklagt?“ fragte sie dann. „Nein. Aber sie hat vorhin einen starken Bannkreis … gelöst oder lösen lassen, was sie wohl sehr ermüdet hat.“ „Sie … sie hat einen Bannkreis gelöst?!“ „Ja … irgendwie. Sie hat mir erklärt, dass sie es eigentlich ihre Mutter machen lässt, aber … es war wohl doch ziemlich anstrengend für ihn. Kennst du dich mit so was aus? Kann ihr dabei etwas passiert sein?“ Die Heilerin schüttelte leicht den Kopf. „Bis jetzt habe ich noch nicht gehört, dass sich jemand mit Magie verletzt hat, wenn nicht ein … Angriff auf ihn zurückgeworfen wurde.“ „Weck sie trotzdem auf und untersuche sie gründlich. Nicht dass sie doch etwas hat, was der Norden übersehen hat“, meinte Inu Yasha. Die Braunhaarige nickte etwas. „Natürlich, Inu Yasha-sama.“ Unterdessen nahmen die beiden Fürstinnen im Arbeitszimmer des jüngeren Prinzen Platz. In den Arbeitszimmern des Fürsten und des Erbprinzen lagen einfach sehr viele, teilweise vertrauliche, Papiere rum, die schlecht so kurzfristig weggeräumt werden konnten und es sollte Fumiko außerdem auch zeigen, dass das bisher freundschaftliche Verhältnis der beiden Frauen durch die aktuelle Situation belastet worden war und sie dezent darauf hinweisen, dass unangekündigte Besuche unangebracht waren. „Verzeih mir bitte, dass ich einfach so hier auftauche“, sagte die Nordfürstin. „Schon gut. Was führt dich her? Und woher weißt du, dass ich hier bin?“ „Ich war zuerst bei deinem Schloss“, gab Fumiko zu. „Ich bin aus dem Norden geflüchtet.“ „Warum?“ „Mein Herr und Fürst hat bereits ein Mal versucht, mich zu töten. Und nach dem, was heute passiert ist, zweifle ich nicht daran, dass er es wieder und wieder versuchen wird, bis ich tatsächlich tot bin.“ „Erbittest du Asyl?“ fragte die Fürstin des Westens. „Bis ich zu meiner Familie oder in den Norden zurückkehren kann.“ „In den Norden? Erwartest du wirklich, dass der Norden morgen noch existiert?“ „Ich wage es zu hoffen, dass der ehrenwerte Inu no Taishou Gnade walten lässt und meinen Sohn verschont.“ „Ich erinnere dich ja nur ungern daran, werte Freundin, aber Ichiromaru hat seinen Vater bei allen Intrigen gegen den Westen unterstützt, inklusive der Entführung von Sora und der Verbreitung dieser absolut hanebüchenen Gerüchte. Weshalb sollte mein Herr und Fürst Gnade vor Recht ergehen lassen?“ „Mein Sohn hat getan, was sein Vater ihm befohlen hat, wie jeder gute Sohn, der zudem noch so jung ist. Aber er hat seinem Vater den Rücken gekehrt. Er hat das nördliche Heer zurückgehalten, damit es Hana nicht angreift und er hat zwei Mal dabei geholfen, den Bannkreis, der um den Norden liegt, zu öffnen. Einmal für den Taishou und seine Söhne und einmal, als Sora es so wollte“, verteidigte die Fürstin des Nordens ihren Einzigen. Ihr Gegenüber lehnte sich etwas zurück. „Sora wollte den Bannkreis öffnen?“ hakte sie mit leichtem Unglauben nach. „Könntest du das genauer erklären?“ Nachdem Ayaka sie gründlich untersucht hatte – wobei Inu Yasha vor der Tür gewartet hatte – war Sora wieder hellwach. Nachdem ihr Onkel sich wieder in den Schaukelstuhl gesetzt hatte, war sie ihm auf den Schoß geklettert, um einen guten Blick auf das neueste Familienmitglied zu haben. „Der ist ja winzig“, meinte sie überrascht und legte den Kopf etwas schief. „Du warst mal genauso klein und süß. Aber du hast von Anfang an die meiste Zeit geschrien. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass du mal so friedlich in der Wiege gelegen hast“, erwiderte der Halbdämon. In dem Moment öffnete Yoshihiro plötzlich die Augen, woraufhin die anderen beiden unwillkürlich die Luft anhielten. Aber der Kleine schrie nicht. Er musterte seine Schwester und seinen Onkel nur stumm. „Die Vaterschaft kann Sesshoumaru definitiv nicht leugnen“, murmelte Inu Yasha. „Das ist unheimlich“, meinte seine Nichte und starrte wie gebannt in die Augen, die genauso aussahen wie die ihres Vaters. Von der Farbe bis zum Ausdruck. „Meinst du, sie kommen bald zurück?“ „Ganz bestimmt. Die schaffen das schon.“ ________________________________________________________________________________________ Das nächste Kapitel ist auch schon fast fertig. Da schauen wir dann auch mal wieder in den Norden. ^^ Bis denne Hani & Kupfer Kapitel 29 ---------- Nachdem Ichiromaru die Quartiere der Soldaten verlassen hatte, wagten einige sich bis zum Ausgang vor, um zu sehen, was dort auf dem Schlosshof vor sich ging. Ihnen blieb förmlich das Herz stehen. Hana lag leicht desorientiert vor der Schlossmauer, gegen die ihr Vater sie geworfen hatte und kämpfte sich wieder auf die Beine, während ihr Halbbruder verhinderte, dass Akumaru sie noch einmal angriff, indem er seine Klinge gegen die des Familienoberhauptes presste. „Aus dem Weg! Sofort!“ presste Akumaru wütend hervor. „Nein.“ „Sofort!“ „Ich habe Euren Befehlen lange genug blind gehorcht. Das ist vorbei.“ „Dann werde ich dich genauso töten wie deine verdorbene Schwester.“ Der Erbprinz hätte fast gelacht. „Der einzige, der hier verdorben ist, seid Ihr. Ihr habt keinen einzigen aufrichtigen Knochen im Leib und wolltet aus mir genauso ein Scheusal machen.“ Das Youki des Fürsten schwoll bedrohlich an. „Ich lass mich doch nicht von so einer halben Portion wie dir beleidigen! Ich reiß dich in Stücke, bis dein Blut hier vom Himmel regnet!“ „Versuchs doch!“ Ichiromaru ließ sein Youki ebenfalls aufflammen, lag allerdings weit unter dem seines Erzeugers. Sogar unter dem seiner Schwester, die sich etwas streckte und wachsam von einem zum anderen sah und dann einen schnellen Blick auf den Himmel warf. Die Sonne war fast untergegangen und schien den Himmel in Flammen gesetzt zu haben. „Du kleiner Narr! Du hättest ein großartiger Fürst werden können. Willst du das wirklich einfach so wegwerfen? Für was?“ fragte der Fürst gefährlich ruhig. „Bist du etwa schon so verweichlicht, dass du so etwas wie Schuldgefühle empfindest? Ich wusste, ich hätte deine Mutter schon früher beseitigen sollen. Das war fatale Gnade meinerseits.“ Sein Sohn knurrte wütend und trat nach ihm, doch er wich geschickt aus und versetzte dem Halbstarken einen Schlag in den Nacken, ähnlich wie seine Tochter es im Schloss bei ihm getan hatte. Als er sein Schwert hob, um den benommenen Ichiromaru in seine Schranken zu weisen, war es Hana, die ihn davon abhielt, indem sie ihr mit Magie aufgeladenes Schwert hart gegen seines schlug und ihre Kraft durch seine eigene Klinge in seinen Körper jagte. Jeder seiner Muskeln schien sich zu verkrampfen, sodass er nichts machen konnte, als seine Älteste ihn über den Schlosshof warf. Einige Momente blieb er bewegungsunfähig liegen. Wenigstens hatte er sein Schwert verloren. Als er sich wieder aufraffen konnte, standen seine Kinder ihm gemeinsam gegenüber, beide mit entschlossenen Gesichtern, beide die Waffen gehoben, bereit anzugreifen oder zu verteidigen. Ein kaltes, überhebliches Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „War das etwa schon alles? Wie lächerlich. Auch wenn ich zugeben muss, dass der Trick an sich nicht schlecht ist.“ „Mit besten Grüßen meiner Mutter“, zischte Hana. „Kannst ihr ausrichten, dass sie dir einige brauchbare Dinge beigebracht hat, wenn du sie gleich triffst. Sie hätte dir nur auch beibringen sollen, seinen Gegner zu töten, wenn man die einmalige Chance dazu hat.“ „Ich wollte meinem verehrten Herrn und Schwiegervater nicht vorgreifen. Du wirst erst sterben, wenn du zugegeben hast, welche Intrige du gegen den Westen gesponnen hast und welche Verbrechen du begangen hast.“ „Zu schade, dass ihr beide das nicht mehr miterleben werdet.“ Akumaru jagte seine Energie auf seine Kinder los, die schnell auswichen und auf die Mauer sprangen, die das großzügige Schlossgelände umgab. Mit gewisser Sorge erkannten sie, dass ihr Vater es jetzt wirklich darauf anlegte, sie zu töten. Tiefe Furchen zogen sich durch den Boden, die Energie hatte die Stallungen niedergerissen und zu Staub verwandelt, ebenso wie die Mauer dahinter und in dem dichten Wald, der das Schloss umschloss, war ebenfalls eine breite Schneise entstanden, in der die aufgewühlte Erde noch still vor sich hin dampfte. Hana und Ichiromaru wussten beide, dass ihr Vater bisher nur mit ihnen gespielt hatte und dass sie selbst zu zweit in einem ernsten Kampf nicht lange überleben würden. Eine Prinzessin, die gerade erst ein Kind auf die Welt gebracht hatte und ein Prinz, der nach dämonischen Maßstäben gerade erst dem Kindesalter entwachsen war gegen einen Fürsten, der mehrere tausend Jahre Kampf- und Kriegserfahrung hatte. Hätten sie sich je mit den verschiedenen menschlichen Religionen befasst, hätten sie diese Situation wohl zurecht als einen Kampf David gegen Goliath genannt. So aber hofften sie beide gleichermaßen, dass der Taishou sich beeilte und bald am Schloss ankam. Zwar fürchteten sie den Tod nicht, aber dennoch hingen sie an ihrem Leben. „Wollt ihr beide euch etwa aus dem Staub machen?“ riss Akumaru seine Nachkommen aus ihren Gedanken und seufzte theatralisch. „Womit habe ich nur zwei Kinder wie euch verdient? Ungehorsam, unfähig und bald tot. Ihr zwei seid wirklich der Untergang unserer edlen Rasse. Wenn die anderen jungen Hunde auch so sind, dann gibt es bald gar keine Inu-Youkai mehr. Wahrlich eine Schande.“ Die Halbgeschwister erwiderten den Blick nur stumm. Sie sparten sich ihre Kraft lieber für den Kampf. „Redet ihr jetzt nicht mehr mit mir? Auch gut.“ Der Fürst sah seine Gegner kurz abschätzend an. Hana und Ichiromaru wussten, dass er den von ihnen angreifen würde, den er für schwächer hielt und überlegten beide, wer das sein würde. Keine Sekunde später wussten sie es, als der Erbprinz einer gut gezielten Energieattacke ausweichen musste, die ein weiteres Stück Mauer niederriss, aber nicht ganz so mächtig war wie die erste. Aber so hatte der Fürst seinen Sohn wieder im Schlosshof, auf offenem Kampffeld. Im Wald gäbe es zu viele Möglichkeiten, in Deckung zu gehen und sich zu verstecken, was zwar für ihn kein wirkliches Hindernis, aber dennoch sehr nervtötend war. Der Halbwüchsige blieb abwartend stehen. Würde sein Vater ihm weiter seine Energie um die Ohren hauen oder es doch wieder auf einen Nahkampf anlegen, weil er um die schwächelnde Technik seines Jüngsten wusste? Es würde keinen großen Unterschied machen, alleine wäre er in beiden Fällen wohl schnell tot. Er lud seine Klinge mit Youki auf und erwartete den Angriff. Akumaru überlegte ebenfalls, wie er dem Jüngeren jetzt am besten den Garaus machen konnte. Bei Energieattacken bestand leider die Gefahr, dass er sein ganzes Schloss und die Dienerschaft auslöschte. Nicht, dass er an seinem Personal interessiert war, nein. Es wäre nur lästig, sich ein neues zu suchen, dass das Schloss wieder aufbauen würde. Und Ichiromaru würde auch noch ausweichen und nicht einfach draufgehen. Also suchte er den Kampf Stahl auf Stahl. Sein Sohn hielt mit aller Kraft dagegen, Funken begannen zu sprühen, Luft und Erde schienen zu beben. „Fahr zur Hölle, deine Mutter wird bald folgen“, zischte der Fürst, packte das rechte Handgelenk des Prinzen und verdrehte es, sodass gleich zwei Schwertspitzen auf dessen Hals gerichtet waren. Doch ehe er zum Todesstoß auch nur ansetzen konnte, fuhren scharfe Krallen über sein Gesicht, seine Augen und er sprang zurück, schüttelte etwas den Kopf und wischte sich mit dem Ärmel schnell das Blut weg, das ihm die Sicht nahm. Verdammt, er hatte gar nicht bemerkt, dass Hana ihren vermeintlich sicheren Beobachtungsposten verlassen hatte. Und damit, dass sie so schnell war, hatte er auch nicht gerechnet. Er sollte sie also wirklich nicht unterschätzen. Die Prinzessin sah kurz zu ihrem Bruder, der sein schmerzendes Handgelenk ein wenig drehte. Es war angebrochen. „Kämpf mit links weiter“, sagte sie leise. „Was? Das wäre Selbstmord!“ Seine Schwerttechnik war doch schon mit der rechten Hand mangelhaft! „Du bist Linkshänder, es wird dir leicht fallen.“ Verblüfft sah er sie an. Woher wusste sie das nur? Aber um das zu klären blieb keine Zeit. Ihr Vater wollte wieder angreifen. Schnell nahm er das Schwert in seine Linke und wich etwas zurück, als Akumarus Klinge hart gegen Hanas prallte und sie langsam zurückgeschoben wurde, während das Metall bedrohlich knirschte. Der Fürst wollte den gleichen Trick wie vorher anwenden, doch Ichiromaru ging dazwischen, indem er versuchte ihm die Hand abzuschlagen, aber der erfahrenere Krieger sprang ein Stück zurück, um auszuweichen. Hatten die beiden Tölen sich jetzt vollends zusammengetan? Na ja, was sollte es. Dann würde er zwar ein wenig länger brauchen, um die beiden endlich zu töten, aber es wäre eine gute Übungseinheit. Nun, eine nette Übungseinheit. Er schlug weiter auf die beiden ein, aber der jeweils andere mischte sich immer wieder ein, egal wie oft die beiden auch auf dem Boden, an der Wand oder an der Mauer landeten, sie standen sofort wieder auf. Wenigstens sein Durchhaltevermögen schien er an seine beiden Nachkommen weitergegeben zu haben, auch wenn das im Moment leicht nervig war. Die nächste Frau, die ihm ein Kind gebären würde, würde er früher beseitigen, bevor sie dem Kind eine eigene Meinung geben konnte, die sich von seiner unterschied. Und bevor sie das Kind auch noch dazu ermuntern konnte, mit der linken Hand zu kämpfen. Hana keuchte leise auf, als die Kraft ihres Erzeugers sich wieder gegen sie richtete und sie merkte, dass sie nach hinten geschoben wurde, ohne auch nur einen Schritt zurückzuweichen. Ihr Halbbruder warf sich mit aller Kraft gegen Akumaru, versuchte, ihn von der Älteren weg- und zu Boden zu ringen, wurde aber abgeschüttelt wie eine lästige Fliege und landete erneut an der Wand, rutschte benommen zu Boden und beobachtete hilflos, wie seine Schwester ebenfalls durch die Luft flog, ein Stück entfernt von ihm liegen blieb. Jetzt gab es kein Leugnen mehr, die beiden waren am Ende ihrer Kräfte. Ihre Reaktionen waren langsamer, jedes Mal, wenn sie zu Boden gingen, wurde es anstrengender wieder aufzustehen, Knochen und Muskeln schmerzten. Aber der Nordfürst dagegen zeigte überhaupt keine Ermüdungserscheinungen, eher im Gegenteil. Je erschöpfter seine Sprösslinge wurden, desto energiegeladener wirkte er. Auch jetzt lächelte er kalt, ergötzte sich an dem jämmerlichen Bild, das seine Gegner ihm boten. Langsam näherte er sich den beiden. Seine Tochter rappelte sich mühsam wieder auf und funkelte ihn wütend an. „Was ist? Willst du dich immer noch nicht geschlagen geben? Du bist ganz schön hartnäckig“, spottete der und sah zu seinem Sohn, der ebenfalls wieder auf die Beine kam. „Du nicht ganz so, aber du bist ja auch noch ein kleiner Welpe, der Schmetterlingen hinterherjagt.“ Die Halbgeschwister warfen sich einen so flüchtigen Blick zu, dass kein Mensch es wohl bemerkt hätte, und dann schleuderten sie ihrem gemeinsamen Vater gleichzeitig ihre Energie entgegen, nutzten das gleißende Licht und den aufgewirbelten Staub, um zur Seite zu springen, um einen größeren Abstand zu Akumaru zu gewinnen und das Schloss nicht mehr im Rücken zu haben. Als der Dreck sich langsam verzog, ließ der Senior sein Schwer, das er schützend vor sich gehalten und das die Energie seiner Kinder so einfach an ihm vorbei geleitet hatte, langsam sinken und lachte kalt. „Wie niedlich. Ich frage mich immer mehr, wie ich je glauben konnte, dass einer von euch meine Nachfolge antreten könnte. Aber jetzt haben wir genug gespielt, mir reicht es“, sagte er und seine Schwerthand hob sich leicht, sank jedoch sofort wieder. „Aber ich will euch ja nicht in dem Glauben sterben lassen, dass ihr total unfähige Kämpfer seid. Gegen angemessene Gegner – wie Wurmdämonen – seid ihr sicher ganz passabel. Ich lasse meine Deckung unten und ihr dürft mir eine reinhauen. Und wenn ich euch getötet habe und es dem Westen in die Schuhe geschoben habe, werde ich mir einfach deinen Sohn holen, Hana. Das ist doch viel bequemer als mir erst eine neue Frau zu suchen, die womöglich nicht dazu in der Lage ist, Kinder zu bekommen.“ Zufrieden stellte er fest, dass seine Erstgeborene wütend knurrte und ihr Youki jetzt offen zeigte. „Na los, traut euch. Schlag mich ins Gesicht. Das wird euch wenigstens ein bisschen Genugtuung geben.“ Er beugte sich etwas vor und hielt ihnen demonstrativ die rechte Gesichtshälfte hin. Der Schlag, der ihn traf, kam unerwarteter Weise von der Seite und mit einer solchen Wucht, dass der Fürst einige Meter über den aufgewühlten Boden rutschte. Als er sich aufrichtete, tropfte unaufhörlich Blut aus seiner gebrochenen Nase. „Oh, entschuldige. Galt deine Einladung etwa nur für deine Kinder?“ Hana und Ichiromaru hätten beinahe erleichtert aufgeatmet, als sie den Inu no Taishou auf dem Schlosshof stehen sahen, auch wenn sein offenes Youki bewirkte, dass alles in ihnen danach schrie, sich sofort zu unterwerfen oder die Beine in die Hand zu nehmen und die Flucht zu ergreifen. Sie wichen zurück und sprangen auf ein noch stehendes Stück Mauer, um alles genau beobachten und im Notfall im Wald verschwinden oder zumindest in Deckung gehen zu können. „Werter Cousin, wie schön, dich hier zu sehen“, meinte Akumaru und wischte sich das Blut vom Gesicht. „Ja, glaub ich dir.“ „Oh, warum so zynisch? Bist du etwa noch wütend wegen meinem kleinen Streich?“ Der Weißhaarige knurrte. „Meine Familie zu bedrohen und anzugreifen, meine Enkeltochter schwer zu verletzen und zu entführen und dann falsche Gerüchte zu verbreiten kann man wohl kaum mehr als Streich bezeichnen, oder?“ Der Prinz zog etwas die Augenbrauen zusammen, sagte aber nichts. Wie seine Halbschwester beobachtete er weiter nur stumm die beiden Fürsten, die sich lauernd und abwartend im Auge behielten. „Aber ich fand das sehr amüsant. Wenn es dir dabei anders ergangen ist, entschuldige ich mich wirklich aufrichtig dafür.“ „Du nimmst mich immer noch nicht ernst? Oder versuchst du aus irgendwelchen Gründen Zeit zu schinden?“ „Ehrlich gesagt ja. Ich versuche herauszufinden, wie du unbemerkt hierher kommen konntest. Normalerweise kann man dich ja nur schwer übersehen.“ „Nachdem deine Frau so freundlich war, uns den Bannkreis zu öffnen, habe ich meine Anwesenheit versteckt. Wie du vielleicht weißt, bevorzuge ich große Auftritte.“ Der Nordfürst schnaubte verächtlich. „Oh ja, wer tut das nicht“, knirschte er, erbost über Fumikos Verrat. „Aber ich hätte nicht nie für so närrisch gehalten, mich auf meinem Grund und Boden, in meinem Schloss, anzugreifen. Das grenzt ja schon an eine Kriegserklärung.“ „Oh, dann war ich wohl nicht deutlich genug, wenn es nur an eine Kriegserklärung grenzt.“ „Wie bitte? Du willst mir wirklich einfach so den Krieg erklären? Mir scheint, im Alter wirst du langsam doch senil. Wobei ja schon dein Bastard beweist, dass du schon länger nicht mehr alle Sinne beisammen haben kannst.“ „Ich hätte gedacht, dass dir meine Kriegserklärung sehr gelegen kommen würde. Immerhin suchst du schon seit Ewigkeiten nach einem plausiblen Kriegsgrund, um alle Bündnispartner auf deiner Seite zu haben.“ Akumaru verzog etwas die Mundwinkel. „Nur um mir das zu holen, was mir rechtmäßig zusteht.“ „Dir steht rechtmäßig bloß noch der Tod zu“, war die frostige Antwort. „Das werden wir ja noch sehen, mein Lieber, wenn du nicht nur mich zum Gegner hast, sondern alle meine Bündnispartner.“ „Oh, da kenne ich eine wirksame Methode.“ „Wir wissen doch beide, dass du das Höllenschwert nur zu dekorativen Zwecken mir dir herumträgst. Genau wie man sich auf Empfängen mit hübschen Frauen schmückt.“ „Willst du es darauf anlegen?“ Der Herr der Hunde bemerkte zufrieden, dass sein Cousin unwillkürlich schluckte, als er zum Griff des Schwertes auf seinem Rücken griff. „Ich glaube, wir haben genug geredet.“ „Aber wieso denn? Wir sehen uns doch so selten und mindestens einer von uns wird noch früh genug sterben.“ Der Taishou hob eine Augenbraue. Sah der Andere etwa ein, dass seine Überlebenschancen nicht gerade hoch waren? „Willst du also noch etwas sagen, Cousin?“ „Ich dachte, wir könnten uns noch ein bisschen austauschen. So von Fürst zu Fürst. Oder noch besser: Von Vater zu Vater. Ich nehme doch stark an, dass du dich ursprünglich nicht alleine auf den Weg hierher gemacht hast. Meine Kinder haben wenigstens den Schneid, sich einem Kampf zu stellen, während deine den Schwanz eingekniffen zu haben scheinen“, sagte der Daiyoukai mit den hellblauen Haaren. „Nein, haben sie nicht“, antwortete der Taishou und deutete, ohne den Schwertgriff loszulassen, mit dem rechten Zeigefinger in Richtung Hana und Ichiromaru, neben denen in dem Moment Sesshoumaru auf der Mauer auftauchte. Zu Akumarus Unmut neigten seine beiden Kinder vor dem Neuankömmling höflich den Kopf. Missratene Brut! „Gibt es einen besonderen Grund, warum dein bruder hier noch lebend steht?“ fragte der Westprinz mit kühler Stimme. „Er hat mir im Kampf gegen Akumaru geholfen“, erwiderte Hana und wandte sich von ihrem Gefährten ab, sah zum Horizont in die Richtung, in der der Westen lag. „Was, zum …?“ Ihr Halbbruder folgte ihrem Blick. „Hm“, machte er nur. Zuerst wollte Sesshoumaru die beiden für diese Unhöflichkeit zurechtweisen, doch dann merkte er überrascht, dass sie ihre Magie anschwellen ließen und konzentriert weiter gen Süden blickten. „Interessiert es mich, was da los ist?“ fragte er daher nur. „Sora will, dass wir den Bannkreis öffnen“, antwortete seine Gefährtin möglichst leise. Ihr Vater sollte das nicht unbedingt mitbekommen. Doch der wurde momentan eh von seinem Cousin abgelenkt, der langsam genug vom belanglosen Reden hatte. Im Gegensatz zum Norden hatte der Westen es nicht nötig, seinen Gegner durch Worte aus der Fassung zu bringen, um dann möglichst überraschend anzugreifen, aber ein paar Informationen könnte er dem Anderen ja vielleicht doch noch entlocken. „Willst du wirklich die gleiche Situation herbeiführen, die es vor 900 Jahren schon einmal gab? Du weißt doch wohl noch, wie es damals war?“ fragte dieser und ging einige Schritte zur Seite. Der Taishou behielt ihn genau im Auge, nicht gewillt, sich in eine Position drängen zu lassen, die ihm zum Nachteil werden könnte. „Ja, dein Vater wurde von meinem Vater praktisch in der Luft zerrissen.“ „Wenn ich mich recht entsinne, hat dein Vater auch nicht überlebt.“ „Hätte er, wenn unser Heiler nicht für dich gearbeitet hätte.“ „Oh, stimmt, da war ja was. Ganz schön blöd, wenn man nicht merkt, dass der halbe Haushalt eigentlich für die Gegenseite arbeitet.“ „Eins musst du mir allerdings erklären: Wieso bist du so ein Feigling und versteckst dich hinter deinen Handlangern? Und versuchst deine Tochter als Verräterin darzustellen? Das ergibt für Normaldenkende einfach keinen Sinn.“ „Ich verstecke mich nicht hinter irgendwelchen Handlangern. Und ich wollte versuchen, deine Familie von innen heraus zu vernichten. Das wäre lustig anzusehen gewesen.“ Akumaru zuckte mit der Schulter. „Ach, du versteckst dich nicht? Was war das dann mit den Schattendämonen? Hast du dich hinter denen etwa nicht versteckt?“ grollte der Herr der Hunde und zog. Sein Cousin wich einen halben Schritt zurück. Sogar er konnte die ganz und gar böse Energie des Schwertes spüren. „Schattendämonen? Diese jämmerlichen Kreaturen? Ich wusste nicht mal, dass es davon noch welche gibt, was immer die gemacht haben, damit habe ich nichts zu tun.“ „Bist du sicher?“ Der Weißhaarige knurrte bedrohlich und näherte sich seinem Feind. „Natürlich. Was hätte ich davon gehabt?“ Im nächsten Moment musste der Nordfürst sein Schwert hochreißen, um nicht von Sou'unga zerteilt zu werden. Der Fürst des Westens hatte endgültig genug geredet, er bekam ja doch keine brauchbaren Antworten. Also konnte er seinen Stammbaum auch einfach von dieser jämmerlichen Existenz befreien. Die drei jüngeren Inu-Youkai hielten fast die Luft an, als der Kampf losging, den beiden Halbgeschwistern fiel es etwas schwer, sich auf das Öffnen des Bannkreises zu konzentrieren, während hinter ihnen zwei überaus mächtige Daiyoukai mit offenem Youki kämpften und einer von ihnen ein Schwert führte, in dem das pure Böse wohnte. „Braucht ihr noch lange?“ erkundigte sich der Westprinz mit gewisser Ungeduld. Wenn die beiden Fürsten sich erst mal darauf verlegten, mit ihrer ganzen Macht zu kämpfen, wären sie hier nicht mehr sicher. Ganz besonders, wenn die volle Macht des Höllenschwertes entfesselt wurde. „Das Heer muss sich beeilen“, murmelte Ichiromaru angestrengt. Es war nicht ganz einfach, den Bannkreis geöffnet zu halten, wenn das Herzstück so weit weg und dann auch noch außerhalb der Barriere war und die Person, durch die man seine Magie leitete, auch noch ein achtjähriges Mädchen war. Dann atmeten die beiden Geschwister auf und wandten sich wieder dem Kampf zu. „Das Heer deines verehrten Vaters ist unterwegs“, erklärte Hana kurz. „Sora?“ „Sie wird erschöpft sein, aber ansonsten geht es ihr gut.“ Der Weißhaarige nickte nur knapp und wandte seine Aufmerksamkeit dann wieder dem Kampf zu, der vor ihnen stattfand. Die beiden Väter standen dicht voreinander, Klinge gegen Klinge gepresst, ihre Energien rieben aneinander und ließen mal wieder Luft und Erde vibrieren. Das würde ein langes Gefecht werden. ___________________________________________________________________________________ Eigentlich hatten wir geplant, mehr in das Kapitel zu packen, aber dann haben die beiden angefangen so viel zu reden … *hust* Na ja. Gibt's halt doch noch ein Kapitel mehr. ^^ Bis denne Hani & Kupfer Kapitel 30 ---------- Der Taishou grollte wütend und ging weiter lauernd im Kreis, um weiterhin seinem Cousin genau gegenüber zu bleiben. Beide lauerten, suchten nach einer Lücke in der Verteidigung des jeweils anderen, versuchten abzuschätzen, wie sie am effektivsten angreifen konnten. Der Geist in Sou'unga versuchte die Kontrolle über den Westfürsten zu erlangen, diesen dazu zu bringen, die volle Macht des Schwertes zu nutzen, um Akumaru, das Schloss und alle Diener und Soldaten mit einem Schlag zu vernichten. Aber der Daiyoukai wollte einfach nicht zuhören, geschweige denn einen echten Angriff starten. Dabei wäre dieser ganze Kampf mit einer kleinen Gokuryuuha erledigt. Das Schloss des Nordens ebenfalls. Und die Soldaten und Diener. Und mit ein bisschen Geschick auch die drei Jungspunde, die angespannt zusahen. Danach könnten sie zur Feier des Tages in ein Dorf oder eine Stadt gehen, um die auch noch auszulöschen. Und dann noch ein paar weitere … Aber dieser dumme Hund hörte ja einfach nicht zu und würde ihn bald wieder in dieses muffige Stück Holz zurück zwingen. Der weißhaarige Daiyoukai hob nur leicht sein Schwert, als Akumaru eine Energieattacke startete und konzentrierte sich auf die Aura seines Gegners, um nicht von diesem überrascht werden zu können. Dieser blieb jedoch stehen und sah unbewegt über den Platz zu ihm herüber. Aber irgendetwas war anders. Er wirkte energiegeladener, aufgekratzter. Was hatte er jetzt wieder angestellt? Der Weißhaarige musste auf der Hut sein, wenn er weiterhin vermeiden wollte, das Gokuryuuha anzuwenden. Die drei jüngeren Youkai bemerkten den Wandel des Nordfürsten ebenfalls. Seine Kinder ahnten, was der Grund dafür war. Er musste einen oder mehrere Banne aufgehoben haben, um Kraft zu sparen. Das würde ein langer, harter Kampf werden, wenn keiner der beiden kurz abgelenkt und überwältigt wurde. Oder floh. Die beiden Fürsten starrten einander weiter nur stumm an, in dem Versuch den jeweils anderen zum Wegsehen zu bringen, so Schwäche zuzugeben, aber keiner der beiden blinzelte auch nur. Ichiromaru warf einen Seitenblick auf seine Schwester, die genauso kerzengerade und mit starrem Gesicht neben ihm stand wie ihr Gefährte. „Woher wusstest du, das ich eigentlich Linkshänder bin?“ fragte er leise. „Das war offensichtlich. Wenn du gekämpft hast, hat deine linke Hand die Bewegungen mitgemacht“, antwortete Hana. „Oder sogar dazu angesetzt, sie vollständig zu übernehmen, was du aber nicht zugelassen hast.“ Der Jüngere nickte nur knapp und wandte sich wieder dem stummen Kampf zu. Er war Linkshänder, schon immer. Aber als sein Vater das mitbekommen hatte, hatte er alle Lehrer und die restliche Dienerschaft angewiesen, ihm das auszutreiben, indem sie ihn jedes Mal bestraften, wenn er seine linke Hand für etwas benutzte, das alle anderen mit der rechten Hand machten. Der Prinz hatte irgendwann aufgehört zu zählen, wie oft er blutige Striemen, Schnitte oder Stiche an der Linken hatte, ganz zu schweigen von gebrochenen Knochen. Wäre er nicht der Sohn des Fürsten sondern eines einfacheren Mannes gewesen, wäre es wohl um einiges schlimmer für ihn gewesen. Linkshändern wurden allerhand böse Dinge nachgesagt, weshalb sehr viele sie mieden. Aus seinen Gedanken gerissen wurde er, als er mit den anderen beiden Zuschauern einen gewaltigen Satz in die Luft machen musste, um sich vor der Energie zu retten, die sich explosionsartig um die beiden Fürsten ausbreitete, die letzten Reste der Mauer pulverisierte und auch die Schlosswände bedrohlich zittern und teilweise einstürzen ließ. Aus dem Schloss waren einige erschrockene Schreie zu hören und als der Staub sich legte, erhaschten die beiden Prinzen und die Prinzessin einen kurzen Blick auf einige wagemutige Diener, die sich so weit vorgewagt hatten, dass sie nachsehen konnten, was draußen vor sich ging, dann aber hastig die Flucht tiefer ins Gebäude ergriffen. Offensichtlich hatten sie genug Grips um zu erkennen, dass ihre Überlebenschancen höher waren, wenn sie sich so weit wie möglich vom Kampfplatz fernhielten. „Dein Schloss hält nicht mehr lange durch“, sagte der Taishou. „Wir können den Kampf auch auf ein offenes Feld verlegen.“ „Wozu denn? Fühlst du dich hier zu eingeengt? Oder machst du dir tatsächlich Gedanken um mein Dienstpersonal?“ fragte sein Cousin spöttisch. Wenn er den Kampf auf offenes Feld verlegen würde, würde den Weißhaarigen wohl nichts mehr davon abhalten, sein verdammtes Schwert einzusetzen. Das war das erste Mal, dass Akumaru so etwas wie froh darüber war, dass sein Gegner zu weich war, um unschuldiges Blut zu vergießen, selbst wenn es sich nicht um Mitglieder seines Clans handelte. Er gab es ja nur ungern zu, aber mit der Macht von Sou'unga wollte er nicht unbedingt Bekanntschaft machen, wenn sie sich gegen ihn richtete. Das Schwert zu führen wäre schon eher was für ihn. „Dir ist es wirklich egal, wenn dein gesamtes Schlosspersonal getötet wird? Du bist für deine Untergebenen verantwortlich. Selbst wenn du überleben solltest, über wenn könntest du dann noch herrschen, wenn sogar deine eigenen Kinder dir den Rücken gekehrt haben?“ „Oh, du machst dir solche Gedanken um meinen Ruf? Hast du darum dein Heer mitgebracht? Damit ich später sagen kann, dass du einen brutalen Überfall auf mein Schloss gestartet hast? Wie rücksichtsvoll von dir, werter Cousin.“ Der Nordfürst verzog einen Mundwinkel und richtete sich unwillkürlich weiter auf. Mittlerweile war es kaum noch zu überhören, dass eine große Menge bewaffneter Männer sich auf dem Weg durch den Wald zum Schloss befand. Auch der Fürst des Westens konnte es hören und kurz verzog sich sein Mund zu einem Lächeln. „Du hast jetzt die Wahl, Akumaru. Entweder unsere Soldaten mischen mit und die ganze Gegend hier wird in kürzester Zeit zerstört sein, wobei ich das Gefühl nicht loswerde, dass deine Armee eher zu deinem Sohn hält und sich gegen dich wenden würde, oder aber das bleibt eine Sache zwischen dir und mir und wir tragen den Kampf auf einem offenen Gelände aus, wie unsere Väter es schon getan haben“, sagte er. Der Andere gab ein leises Grollen von sich. „Solange unschuldige Dämonen in der Nähe sind, gerade wenn es deine eigenen Leute sind, wirst du dein Schwert nicht einsetzen. Warum sollte ich mir diesen Vorteil nehmen lassen?“ „Wenn du dich so davor fürchtest, dass ich Sou'unga mit deinem Blut füttere, können wir es auch genau wie unsere Väter machen. Dann hat keiner einen unfairen Vor- oder Nachteil. Es wäre ein reines Kräftemessen.“ „Träum weiter. Meine Männer sind starke Kämpfer, sie haben dem Norden ihre Treue geschworen und jeder einzelne wird auf meiner Seite kämpfen, bis deine Armee ausgelöscht ist. Und dann werden sie mit meinen Kindern weiter machen und mit deinem Sohn. Bis hier alles Leben vernichtet ist.“ „Deine Arroganz hat dich blind gemacht, Akumaru.“ Der Herr der Hunde deutete zu den Quartieren der Soldaten. „Sieh dir deine Männer doch an. Sie zögern. Sie sehen immer wieder fragend zu deinem Sohn, erwarten Zeichen und Anweisungen von ihm, nicht von dir. Keiner von denen sieht so aus, als würde er noch hinter dir stehen. Du bist ganz allein.“ „Da wäre ich mir nicht so sicher. Meine Soldaten werden erkennen, wem ihre Treue gelten muss. Der Erbprinz hat die Seiten gewechselt, er ist ein mieser Verräter. Ein Wort von mir und die Samurai werden sich auf euch stürzen wie die Heuschrecken, verlass dich drauf.“ Der Inu no Taishou hätte fast mit dem Kopf geschüttelt vor Entsetzen. Sein Cousin hatte völlig den Sinn für Realität verloren und lebte scheinbar in seiner Welt aus Lügen und Wunschträumen. Er war völlig wahnsinnig. Und nichts war gefährlicher und unberechenbarer als ein wahnsinniger Gegner. „Erkennst du wirklich nicht, dass du nichts mehr hast? Deine Familie hat dir den Rücken gekehrt, deine Soldaten werden folgen, genau wie dein Dienstpersonal. Wenn ich dich nicht töte, wirst du trotzdem kein Reich mehr haben, das du regieren könntest. Ergib dich, dann werde ich dich schnell töten, sodass du noch einen Funken deiner Würde behalten kannst.“ Akumaru schnaubte verächtlich. „Du wirst mich nicht töten. Dafür bist du zu weich. Deinen eigenen Cousin, dein Fleisch und Blut, einen Teil deiner dir so heiligen Familie umzubringen widerspricht allem, woran du glaubst und wofür du stehst.“ „Ich sehe dich schon lange nicht mehr als Teil meiner Familie.“ Der weißhaarige Daiyoukai fasste das Höllenschwert fester und spannte sich an. Er musste seinen Cousin so schnell wie möglich von dem Schloss auf ein offenes Feld bekommen, bevor der völlig durchdrehte und hier alles in Schutt und Asche legte, ohne Rücksicht auf Verluste. Außerdem wäre es dem Westfürsten deutlich lieber, wenn er Sou'unga wieder wegstecken könnte und es nicht einsetzen müsste. Der dem Schwert innewohnende Drache war sowieso schon nicht einfach zu kontrollieren und jedes Mal, wenn jemand durch diese Klinge den Tod fand, wurde es schwieriger. Der Fürst des Nordens riskierte einen kurzen Blick hinter den Taishou zum Waldrand, wo das Heer des Westens mittlerweile Stellung bezogen hatte. Alle mit gezogenen Waffen, grimmigen Gesichtern und Entschlossenheit in den Augen. Seine eigenen Samurai waren noch in den Quartieren. Als er einen wütenden Blick in ihre Richtung schoss, zogen die paar Männer, die am Eingang standen, unwillkürlich den Kopf ein. Warum? Hatten sie etwa ein schlechtes Gewissen? Er hatte ihnen doch noch gar keinen Befehl erteilt, zu den Waffen zu greifen und zu kämpfen. Sollte dieser räudige Köter vor ihm etwa recht haben? Wagten es seine Soldaten tatsächlich zu kneifen oder ihm gar den Rücken zu kehren? Das würden sie büßen! Aber sein gleichaltriger Gegenspieler dürfte das auf gar keinen Fall mitbekommen, diese Genugtuung wollte er ihm auf keinen Fall gönnen. Sollte er vielleicht doch darauf eingehen, diesen Kampf so auszutragen wie einst die Väter der beiden? Wenn der Weißhaarige sein Schwert nicht hätte, wäre er zwar immer noch ein ernstzunehmender Gegner, aber kein unbesiegbarer mehr. Aber dann müsste er noch einige andere Probleme aus dem Weg räumen … „Na gut“, sagte Akumaru schließlich und verlagerte sein Gewicht etwas auf den hinteren Fuß, „machen wir es wie unsere Väter. Hier in der Nähe gibt es einen Felsenkessel. Der ist ideal dafür.“ Der Taishou nickte etwas, durch nichts seine Erleichterung zeigend, dass sein Vetter doch noch einwilligte. „Aber die Soldaten und die Welpen bleiben hier“, forderte der Nordfürst. Sein Cousin zog etwas die Augenbrauen zusammen, nickte aber erneut. „Gut.“ Er glaubte Sou'ungas Geist protestierend schreien zu hören, als er das Schwert wieder in die Scheide schob, die dunkle Macht so versiegelte. Als Sesshoumaru den Blick seines Vaters bemerkte, nickte er knapp als Zeichen, dass er verstanden hatte. Die jungen Dämonen würden im Schloss des Nordens warten, bis einer der beiden Fürsten zurückkam oder sie ein anderes Zeichen bekamen. Im nächsten Moment waren die beiden Cousins verschwunden. „Wo liegt dieser Felsenkessel genau?“ fragte der Prinz des Westens und sah zu seiner Gefährtin. „Ich … weiß es nicht, Sesshoumaru-sama. Mir ist nichts über einen Felsenkessel in der Nähe bekannt“, erwiderte diese und beide sahen zu Ichiromaru, der etwas die Lippen zusammenpresste. „Was ist mit dir?“ „Meine verehrte Schwester kann von diesem Kessel nichts wissen. Er entstand erst vor wenigen Jahrzehnten. Schmelzwasser aus den höheren Regionen hat die Gegend unterspült und sie sackte ab. Der Zugang zu dem Felsenkessel liegt unterhalb der Nester der Paradiesvögel, falls er nicht verschüttet wurde. Es gibt dort immer wieder Erdrutsche, der Boden dort ist recht instabil, wenn der Schnee schmilzt und das Wasser sich darunter sammelt“, sagte der Nordprinz. „Was zurzeit der Fall ist“, erkannte Hana. „Es dürfte noch nicht so schlimm sein, aber für solche Kämpfe gibt es definitiv besser geeignete Orte.“ „Dann hat er meinen verehrten Vater in eine Falle gelockt“, meinte Sesshoumaru und spannte sich an. „Nicht nur das. Er geht auch nicht davon aus, dass wir hier lebend wieder wegkommen, egal wie der Kampf ausgeht.“ Die Prinzessin sah sich angespannt um, witterte. „Was hat er geplant?“ wollte ihr Gefährte wissen. „Das … kann ich nicht sagen, aber hier geht irgendetwas vor sich.“ Die drei Hundedämonen sahen auf, als der Hauptmann des Westens näher kam und sich verneigte. „Sesshoumaru-sama, Hana-hime“, grüßte er höflich und warf einen flüchtigen Blick auf den zweiten Prinzen. „Yujin.“ „Wie lautet unser Befehl, Sesshoumaru-sama?“ „Ihr wartet hier auf weitere Befehle. Steckt die Waffen vorerst weg, aber bleibt wachsam.“ Sesshoumaru wusste, dass ein Heer mit gezogenen Waffen als Provokation aufgefasst werden konnte. Noch verhielten die Krieger des Nordens sich still, blieben in den Quartieren und wagten kaum herauszusehen, aber das könnte sich auch jederzeit ändern und eine Schlacht wollte er lieber vermeiden. Es gab Wichtigeres zu klären. „Ichiromaru, hat dein Vater die Wahrheit gesagt, als er behauptet hat, dass er nichts mit den Intrigen der Schattendämonen gegen uns zu tun hat?“ Sein Schwager zögerte kurz. „Ich … glaube, dass er mir längst nicht alles über seine Pläne und Bündnisse erzählt hat, aber über die Schattendämonen gibt es hier nicht mal Gerüchte …“ Der Jüngere stockte, schien angestrengt über etwas nachzudenken. „Gerüchte …“ Der ältere Prinz hätte fast geschnaubt. Konnte der Norden eigentlich nichts anderes als mit Gerüchten umgehen und intrigieren? Das war ja schlimmer als im Süden mit dem Klatschweib von einem Fürsten. „Das Personal tuschelt über die Besucher, besonders über die, die außergewöhnlich erscheinen. Wären hier in letzter Zeit Schattendämonen gewesen, würden darüber Gerüchte kursieren“, erklärte Hana und betrachtete das leicht lädierte Schloss, in dem sie aufgewachsen war. „Was genau hat Akumaru in letzter Zeit gegen uns unternommen?“ fragte Sesshoumaru. „Er … bei unserem Besuch bei euch wollte er angeblich nach Hana sehen und erfahren, was sie so herausgefunden hat. In Wahrheit wollte er sie wohl nur in Verruf bringen. Das war das erste Mal, dass ich mitbekommen habe, dass er etwas konkretes unternommen hat. Bis dahin hat er mir gegenüber immer nur gesagt, dass er etwas tun will, aber nichts Genaues. Dass Hanzai Sora hergebracht hat, war nicht geplant. Er hat es spontan selbst entschieden und wurde dafür von meinem Vater getötet. Dann entstand dieser … Plan, die Gerüchte zu verbreiten, um alle Bündnispartner auf seine Seite zu ziehen und um euch in Misskredit zu bringen und aus der Reserve zu locken. Er wollte von euch ein Verhalten provozieren, das unsere Geschichte unterstützt und wähnte sich durch den Bannkreis in Sicherheit. Das sind alle konkreten Pläne, von denen ich weiß. Falls er noch mehr vorhatte, hat er mir nichts davon erzählt“, antwortete Ichiromaru und zog etwas die Augenbrauen zusammen. Ihm war, als wäre da noch etwas, das von Bedeutung sein könnte, aber ihm wollte partout nicht einfallen, was das war. „Wie viel hat dein Vater dir generell anvertraut?“ „Da ich bis gestern annahm, dass Hana ebenfalls ein Spitzel unseres Vaters ist und damit unter Druck gesetzt wurde, dass sie viel nützlicher für ihn sei als ich, vermute ich, dass ich nur einen kleinen Teil seiner Gedanken und Vorhaben kenne.“ „Er hat dir dafür nicht genug vertraut. Er vertraut im Grunde genommen nur sich selbst“, meinte Hana. „Könnte hier sonst jemand irgendetwas wissen? Ein Sekretär oder ein persönlicher Diener?“ Der weißhaarige Hundedämon sah zu seinem jüngeren Artgenossen. Irgendwie mussten sie doch Be- oder Hinweise dafür finden, dass Akumaru in der ganzen Verschwörung mit drin steckte. Es konnte doch niemand seine Spuren so gut verwischen, oder? „Nein, ich denke nicht … Aber womöglich gibt es ja Aufzeichnungen über irgendetwas. Er neigt dazu, seine Gedanken aufzuschreiben, zumindest … hm … harmlosere Dinge, innenpolitische Angelegenheiten“, sagte Ichiromaru. „Wer kümmert sich um die Besucher, die eine Audienz wünschen? Vielleicht hat der ja irgendeinen Besucher in Erinnerung, der auffällig war. Oder er hat eine Liste“, schlug die Prinzessin vor. „Yuri, der Sekretär. Aber soweit ich weiß ist er momentan im Urlaub bei seiner Familie, jedenfalls saß vorgestern jemand anderes im Vorzimmer“, antwortete ihr Halbbruder. „Ihr zwei geht und sucht alles an Unterlagen zusammen, was brauchbar erscheint“, wies Sesshoumaru die beiden Kinder des Nordfürsten an, die rasch den Kopf neigten und ins Schloss gingen. Dort sah der Jüngere der beiden seine Schwester an. „Er scheint dir zu vertrauen.“ „Ich schätze, ich habe unter Beweis gestellt, dass meine Treue dem Westen und nicht dem Norden gilt.“ Hana zögerte kurz, ehe sie den Flur betrat, in dem unter anderem das Arbeitszimmer ihres Erzeugers lag. Bislang hatten sie weit und breit noch keinen Diener gesehen, obwohl die Sonne bereits aufging und somit die morgendliche Hektik einsetzen sollte. „Geh in die Quartiere der Diener, sie werden sich vermutlich dort verstecken. Frag nach demjenigen, der Yuri vertreten hat und lass dir von ihm die Besucherlisten geben und erzählen, an welche besonderen Besucher er sich erinnern kann.“ „Und wenn er nicht reden will?“ Die Ältere sah ihn an und zog eine Augenbraue hoch. „Du bist zwar noch jung, aber du wirst doch wohl schon gelernt haben, wie man jemanden zum reden bringt, oder? Und Yuri war hier schon beschäftigt, als ich jünger war als du, er dürfte kein Problem darstellen.“ „Natürlich, entschuldige. Was wirst du tun?“ „Ich werde das Arbeitszimmer durchsuchen. Danach nehme ich mir die privaten Gemächer vor.“ Ichiromaru nickte nur kurz und die Geschwister machten sich an die Arbeit. Keiner von ihnen konnte sagen, woran es lag, aber das Bedürfnis so schnell so weit wie möglich von diesem Schloss wegzulaufen wuchs immer mehr in ihnen. Ihr Vater hatte hier irgendeine Falle versteckt, die tödlich sein könnte. Was hatte er nur wieder ausgeheckt? Sesshoumaru war unterdessen zu den Samurai seines Vaters gegangen, die sich größtenteils auf dem Schlosshof niedergelassen hatten, die Waffen neben sich und bereit in Sekundenbruchteilen aufzuspringen und zu kämpfen. Einige standen noch, überblickten die Umgebung. Besonders die Quartiere der anderen Krieger hielten sie im Auge, doch dort schien sich nichts zu rühren. Der Erbprinz spannte alle Sinne an, lauschte auf den Wind, witterte, achtete auf unbekannte, ungewöhnliche Auren oder magische Aktivitäten. Aber da war nichts. Es war alles friedlich. Er sah auf, als die unruhig wurden und entdeckte einen der Nordyoukai, der sich näherte. Ohne Rüstung und unbewaffnet. Der Dämon schien älter zu sein als Sesshoumaru, hatte dunkelgraues Haar und blaue Augen. Er verneigte sich tief vor dem fremden Prinzen. „Wer bist du?“ fragte dieser. „Mein Name ist Masaki, Sesshoumaru-sama. Ich bin der Hauptmann der Armee des Nordens“, stellte der Krieger sich vor. „Und warum hast du die Quartiere verlassen?“ „Ich möchte Euch im Namen meiner Männer versichern, dass wir alle nicht mehr hinter Akumaru stehen. Unsere Treue gilt ab sofort nur noch Ichiromaru-sama.“ Der junge Daiyoukai zog etwas die Augenbrauen zusammen. Ein ganzes Heer unterwarf sich dem jungen Hund? Dem sehr jungen Hund? Das war ungewöhnlich. „Gut“, sagte er aber nur. „Sag deinen Männern, dass sie von uns keinen Angriff befürchten müssen, solange sie sich weiterhin so ruhig verhalten.“ Masaki neigte sich noch etwas tiefer. „Danke, Sesshoumaru-sama.“ Der Prinz sah ihm kurz nach, als er wieder zu den anderen Samurai ging. Es stand also wirklich niemand mehr hinter Akumaru. Aber konnte man Ichiromaru wirklich trauen? Hatte er bei den Intrigen nur auf Befehl seines Vaters mitgewirkt oder doch aus eigenem Antrieb? Verfolgte er vielleicht sogar ein eigenes Ziel? Den Plan des Vaters ausnutzen um ihn aus dem Weg zu räumen und selbst an die Macht zu kommen wäre denkbar. Niederträchtig, aber das störte Akumaru ja scheinbar auch nicht. Vielleicht sollte Sesshoumaru lieber mal im Schloss nach dem rechten sehen … __________________________________________________________________________________ Ein dezent verspätetes Kapitel, aber dafür sagt Sess weder „Alter Falter“ noch „Fi** dich“. -.- Außerdem haben wir die Handlung mal wieder ein bisschen in die Länge gezogen, aber im nächsten Kapitel wird die Anzahl der toten Fürsten steigen. Einer oder zwei. Vielleicht auch noch ein paar mehr, wenn die sich selbstständig machen und versuchen einzugreifen. ^^ Bis dann Kupfer & Hani Kapitel 31 ---------- Der Inu no Taishou sah sich aufmerksam um. Sein Cousin führte ihn einen schmalen Bergpfad entlang, der scheinbar nur selten benutzt wurde. Es lagen immer wieder Felsbrocken im Weg, der Boden war uneben und stellenweise ganz weggesackt, sodass es kaum möglich war, nebeneinander herzugehen. Menschen hätten sicherlich keine Möglichkeit, den Berg auf diesem Weg zu überqueren, zumal die natürlichen Gegebenheiten nicht die einzige Gefahr waren. Der Hundedämon konnte deutlich andere Dämonen spüren, in der Luft hing der Geruch von Vögeln. Eine größere Schar Paradiesvögel musste hier in der Nähe ihr Nest haben. Hatte Akumaru etwa eine Falle geplant, einen Hinterhalt? Sollten die Vögel sich etwa in den Kampf einmischen, für Ablenkung und Irritation sorgen? Das würde der Weißhaarige schon zu verhindern wissen. Die beiden Fürsten näherten sich der Quelle der dämonischen Aura, dem Nest. Zu dem Geruch der Vögel mischte sich der nach trockenem Menschen- und Dämonenblut und auch nach Verwesung. Noch ein Grund, warum der Taishou die Paradiesvögel in seinem Revier unter scharfer Beobachtung hatte: Sie fraßen so ziemlich alles, was sich bewegte und fielen besonders gerne über wehrlose Gegner her. Der Nordfürst blieb kurz stehen und betrachtete die Umgebung, ehe er dem riesigen Felsblock vor sich einen kräftigen Tritt versetzte, ihn so einige Meter weit weg rollte. In der Felswand wurde eine Öffnung sichtbar, ein Gang. Er war gerade breit und hoch genug, dass die beiden Daiyoukai aufrecht hintereinander durchgehen konnten. „Wir sind da. Hinter dem Durchgang liegt der Felsenkessel.“ „Wir sollten sichergehen, dass sich keine Unbeteiligten einmischen können. Das sollte eine Sache zwischen dir und mir bleiben“, erwiderte der Fürst des Westens. „Natürlich. Wir können einen Bannkreis errichten, damit die Paradiesvögel nicht in den Kessel kommen können, auch wenn ich bezweifle, dass sich dieses feige Federvieh näher heranwagen wird.“ Akumarus Augen schienen kurz berechnend zu blitzen. „Ich denke eher, dass wir sie ziemlich aufschrecken und sie einfach davonflattern werden.“ „Ja, da ich dir aber noch weniger traue als den Paradiesvögeln …“, meinte der Westfürst trocken. Sein Gegenüber verzog etwas die Mundwinkel, hob aber die Hände. „Dann errichten wir eben eine Barriere.“ Als die beiden Hundedämonen in den Gang traten, der zu ihrem Kampffeld führen sollte, schlug ihnen der Geruch nach feuchten Felsen und modriger Erde entgegen. Um sie herum war es so dunkel, dass sie selbst mit ihrem dämonischen Sehvermögen nicht alles erkennen konnten und sich zur Orientierung zum großen Teil auf ihre Nasen verlassen mussten. Der Taishou zog etwas die Augenbrauen zusammen. Um ihn herum tropfte Wasser von den Wänden, der Boden war schlammig und rutschig und je näher sie dem Ausgang kamen, desto kühler wurde die Luft um sie herum, es roch nach Schnee. Was sollte er nur davon halten? Nachdem die beiden Cousins eine schier endlose Zeit durch den langen, verschlungenen Tunnel gegangen waren, kamen sie endlich nach draußen auf einen Felsvorsprung, etwa fünfzig Meter über dem Boden. Der Herr des Westens sah sich gründlich um. Der Felsenkessel schien auf den ersten Blick wirklich wie geschaffen für einen Kampf wie diesen zu sein. Die Felswände waren sehr hoch, stiegen aber in einem nicht zu steilen Winkel an und boten genügend Gelegenheiten, um sich festzuhalten, selbst wenn man ein riesiger Hund war. Der Boden war eben und es lagen nur wenige störende Felsbrocken herum, die noch dazu auch nicht so groß waren, dass einer der Riesenhunde darüber stolpern könnte, wenn er nicht darauf achten konnte, wohin er seine Pfoten setzte. Der gesamte Kessel war so riesig, dass die Bewegungsfreiheit nicht eingeschränkt werden würde. Zumindest nicht von den Wänden. Das einzige, das dem Daiyoukai keine Ruhe ließ, war der Geruch. Das ganze Gebiet roch nach feuchter Erde, Schnee und Grundwasser. Das war kein gutes Zeichen, zumal es nur schwer vorstellbar war, dass Akumaru nicht irgendetwas in der Hinterhand hatte und sich wirklich auf einen ganz und gar offenen Kampf einließ. „Hast du die Aussicht genug auf dich einwirken lassen oder möchtest du erst noch etwas meditieren und einen Tee trinken?“ fragte der Nordfürst spöttelnd und sprang in den Kessel hinab. Sein Cousin knurrte unwillkürlich und setzte ihm nach. Der Boden des Kampffeldes war weich und feucht, aber nicht so sehr, dass man einsank oder sich Pfützen bildeten. „Bist du so weit?“ Akumaru streckte sich etwas und sah den Anderen abwartend an. Der konzentrierte sich kurz auf seine eigenen magischen Fähigkeiten, um einen Bannkreis zu errichten, der sich wie ein Deckel über das gesamte Gebiet legte. Er war nicht annähernd so stark wie der, den die Frauen des Nordens errichtet hatten, aber er würde reichen, um die Paradiesvögel oder andere Youkai dieser und unterer Klassen davon abzuhalten, sich in den Kampf einzumischen oder sich auch nur zu nähern. „Bereit, wenn du es bist“, sagte der Taishou. Sein Gegner ließ als Antwort sein volles Youki aufflammen und seine Gestalt verschwimmen. Nur wenige Augenblicke später standen sich zwei riesige Hunde gegenüber, einer mit schneeweißem Fell, einer mit weißem Fell, das bläulich schimmerte, beide mit leuchtenden, roten Augen, die einander genau fixierten. Raues Knurren entrann den Kehlen der beiden, während sie sich lauernd umkreisten, die massigen Pfoten hinterließen tiefe Abdrücke in der Erde und verursachten schmatzende Geräusche, wenn sie gehoben wurden. Dann sprangen die Hunde sich beinahe gleichzeitig an, versenkten Krallen und Zähne in dem muskulösen Körper des jeweils anderen und versuchten einander niederzuringen. Das Aufeinanderprallen der mächtigen Körper verursachte ein Grollen, das lauter war als jeder Donner und sämtliche Tiere im Umkreis dazu bewog, panisch die Flucht zu ergreifen. Aber keiner der Fürsten interessierte sich für die davonfliegenden Vogelschwärme. Und auch nicht für den aufsteigenden Schwarm sehr großer, sehr hässlicher, sehr dämonischer Vögel. Derweil war Hana damit beschäftigt, die Unterlagen ihres Vaters zu durchsuchen und zu überfliegen. Die meisten davon enthielten absolut nichts interessantes, die anderen noch weniger. Dienstpläne der Diener, Aufstellungen über die Gehälter, Rechnungen von Stofflieferanten und Schneidern, Schmieden, Rohstofflieferanten und anderen Händlern, Bescheide über die eingetriebenen Steuern, diverse freundschaftliche Briefe von Sentaku, dem Fürst des Südens, Bittschreiben um Aufschübe der Steuern oder um finanzielle Unterstützung, Bewerbungen als Dienstpersonal oder Krieger oder Heiler, Heiratsangebote für Ichiromaru. Das Sortiersystem des Fürsten hätte mal erneuert – oder eingeführt – werden müssen, aber ansonsten war hier nichts auffälliges zu finden. Angespannt sah die Prinzessin sich um. Vielleicht hatte ihr Vater hier irgendwo ein Geheimversteck, wo er die wirklich interessanten Dokumente aufbewahrte. Akribisch ließ sie ihre Finger über die dünnen Wandverkleidungen gleiten, schob alle Möbel weg und überprüfte auch den Boden auf versteckte Klappen oder Türen. Akumaru konnte doch nicht eine riesige, tödliche Intrige planen und nicht mal ein einziges Blatt Papier darüber besitzen, wo er doch sonst alles sammelte, was an Briefen und Dokumenten einging. Vor allem weil er sich selbst doch bei seinen Plänen immer in absoluter Sicherheit wähnte und sein Größenwahn keine Grenzen kannte. Genervt durchsuchte die Hundedämonin auch noch das Vorzimmer, aber dort fand sie noch weniger. Der Sekretär, beziehungsweise seine Vertretung, musste alle Dokumente, die nicht im Arbeitszimmer des Fürsten waren, irgendwo anders hingebracht haben. Oder sein Herr hatte sie irgendwo. Hier gab es nämlich auch kein Geheimfach. Das war wirklich mehr als ärgerlich, aber sie würde wohl doch die Privaträume ihres Erzeugers durchsuchen müssen und wenn das nichts brachte vermutlich alle anderen Räume, in die der Fürst oder sein Sekretär regelmäßig gingen. Also praktisch das ganze Schloss. Ihr Bruder hatte inzwischen die Diener gefunden, die sich alle in ihrem Gemeinschaftsraum versammelt hatten und angespannt warteten. Als sie ihren jungen Herrn sahen, wuchs ihre Anspannung noch. Er wirkte gestresst. „Ich suche denjenigen, der in den letzten Tagen den Sekretär meines Vaters vertreten hat“, sagte der junge Inu-Youkai und wandte sich nach links, wo er einen der Diener hatte zusammenzucken sehen. „Das … das wäre ich, Herr“, sagte ein Dämon mittleren Alters und verneigte sich tief. Ichiromaru erkannte, dass seine Schultern leicht zitterten. „Komm. Ihr anderen bleibt hier, bis ihr andere Befehle erhaltet.“ „Ver … verzeiht, Ichiromaru-sama“, brachte eine Dienerin hervor und warf sich flach auf den Boden. „Sprich.“ „Wird … wird Akumaru-sama zurückkommen.“ „Vermutlich nicht, nein.“ „Dann seid Ihr nun der Fürst des Nordens?“ fragte jemand anderes. Der Hundeprinz ließ seinen Blick über das Schlosspersonal schweifen und begegnete einigen hoffnungsvollen Blicken. Er schloss kurz die Augen und seufzte stumm. „Das bezweifle ich. Wenn … wenn mein Vater nicht zurückkommt, wird der Norden wohl eher an den Westen fallen. Sollte er wider Erwarten doch … überleben und zurückkehren, rate ich euch allen, so schnell so weit wir möglich von hier zu verschwinden und im Osten oder im Süden Zuflucht zu suchen.“ Er sah zu dem Vertretungssekretär, der sich neben ihm hingekniet hatte, ehe er den Raum wieder verließ. Kaum hatte die Tür sich hinter ihm geschlossen, fingen die Diener sofort an leise aber eifrig miteinander zu tuscheln. Er ging den Flur entlang bis fast in die große Halle, ehe er sich zu dem Dämon hinter sich umdrehte. „Wie ist dein Name?“ fragte er möglichst ruhig, aber nicht zu freundlich. Wenn der Aushilfssekretär sich ein wenig vor ihm fürchtete, würde er auch Auskunft geben. „Ryota, mein Herr.“ „Du vertrittst Yuri, solange dieser im Urlaub ist?“ „Ja, mein Herr.“ „Hast du auch Zugriff auf alle seine Unterlagen? Auch auf die Besucherliste?“ Der Diener hätte fast verwundert aufgesehen. „Ja, mein Herr.“ „Wie lange werden diese Listen aufbewahrt? Und wo?“ „Ähm … hinter … hinter der Bibliothek gibt es einen Raum, in dem alte Dokumente gelagert werden. Dort wird so gut wie nie aussortiert. Die Listen müssten alle dort sein, Ichiromaru-sama.“ „Gehen wir.“ Hana hatte mittlerweile die Privaträume ihres Vaters vollständig abgesucht, wobei sie die ganze Einrichtung auf den Kopf gestellt hatte, aber ohne Erfolg. Im Zimmer ihres Bruders war sie etwas rücksichtsvoller, aber auch dort fand sie nichts. Sie wollte sich gerade daran machen, die übrigen Räume in diesem Flur zu durchsuchen, als sie ihren Gefährten hinter sich bemerkte und sich höflich verneigte. „Hast du schon etwas gefunden?“ fragte Sesshoumaru. „Nein, bisher nicht. Die Unterlagen im Arbeitszimmer sind uninteressant und bislang konnte ich kein Geheimversteck meines Vaters finden“, erwiderte die Prinzessin. Er warf einen kurzen Blick in die Räume seines Schwiegervaters und stellte fest, dass sie wirklich gründlich gewesen war. Und sich nebenbei wohl auch noch ein wenig an der Einrichtung abreagiert hatte, er erkannte einige Krallenspuren. „Was ist mit deinen alten Räumen?“ wollte er dann, einem plötzlichen Einfall folgend, wissen. Sie stutzte etwas. „Da habe ich noch nicht nachgesehen, Sesshoumaru-sama“, sagte sie. „Komm.“ Das Erbprinzenpaar machte sich auf den Weg in den Frauentrakt des Schlosses. Die Räume, in denen Hana früher gewohnt hatte, wären ein ziemlich gutes Versteck für Unterlagen, die niemand zu Gesicht bekommen sollte. Niemand betrat sie für gewöhnlich und niemand würde Verdacht schöpfen, wenn der Fürst diesen Trakt betrat, wohnte zurzeit doch nur seine Frau dort. Man hätte gedacht, er würde Rücksicht auf seinen Sohn nehmen, dessen Räume im gleichen Flur wie Akumarus lagen. Die Dämonin schob die Tür zu ihrem Zimmer auf und ließ ihren Gefährten zuerst eintreten. Wie er es fast vermutet hatte, schlug ihm nicht nur der äußerst schale Geruch seiner Gefährtin entgegen, sondern auch eine relativ frische Spur des Schlossherren. Schnell sah der Weißhaarige sich um, aber offen lagen keine Unterlagen herum. Auch ein Versteck war nicht offensichtlich zu sehen. „Wo könnte er etwas versteckt haben?“ Hana schob ihre große Truhe zur Seite und kniete sich hin. Mit den Krallen hob sie eine lose Diele aus dem Boden und nickte etwas. „Hier.“ Aus der sichtbar gewordenen Vertiefung im Boden holte sie ein relativ großes, in Stoff gewickeltes und eingeschnürtes Paket heraus und auf ein Nicken des Ranghöheren öffnete sie es und blätterte rasch die darin liegenden Dokumente durch, woraufhin sie heftig schluckte. Sie erhob sich und reichte Sesshoumaru die Seiten. Er erstarrte kaum merklich. „Wo ist dein Bruder?“ „Er wollte den Sekretär nach den Besucherlisten und auffälligen Besuchern befragen.“ Der Prinz gab ihr die Unterlagen zurück. „Wickele die wieder ein und nimm sie mit.“ Hana nickte etwas, schlug das Papier wieder in den Stoff ein und verknotete es mit der Schnur zu einem Paket, ehe sie dieses an sich drückte. Das waren wichtige Beweise. Die beiden Daiyoukai verließen den Frauentrakt und folgten Ichiromarus Spur zur Bibliothek, wo der Fürst eine beachtliche Sammlung an Büchern und Schriften aus vielen Teilen der Welt aufbewahrte. Die beiden bemerkten eine offen stehende Verbindungstür, hörten das Rascheln von Papier. Der junge Prinz sah auf, als er seinen Schwager und seine Schwester hinter sich bemerkte. „Die Listen?“ fragte Sesshoumaru nur. „Unauffällig“, erwiderte Ichiromaru und als er die zwei strengen Blicke bemerkte: „Sesshoumaru-sama.“ Die beiden waren nicht mehr gleichrangig. Er reichte ihm den Stapel Papier, den er gerade durchsah, nahm sich einen weiteren aus dem Regal, vor dem er stand. Während die beiden Prinzen lasen, sah Hana sich ein wenig in dem Raum um, der ihr völlig unbekannt war. In langen, recht schmalen Gängen standen deckenhohe Regale, in denen Unterlagen gestapelt waren, die teilweise wohl schon so alt waren wie der Norden selbst. Es roch muffig, leicht schimmelig, nach Papier, allen Arten von Tinte, Staub und … Leder? Seit wann wurden Dokumnte in Leder gefasst, wenn sie nicht unheimlich wichtig waren und ins Arbeitszimmer des Fürsten gehörten? Oder war auf Leder geschrieben worden? Ihre Neugier war jedenfalls geweckt. Sie sah kurz zu ihrem Gefährten, aber der war genau wie ihr Bruder in die Besucherlisten vertieft. Das wichtige Paket noch immer an sich gedrückt, folgte sie dem Ledergeruch. Sesshoumaru sah nur kurz zu ihr, wandte seine Aufmerksamkeit aber dann wieder den Papieren in seiner Hand zu. Der Sekretär hatte diese Listen wirklich sehr akribisch geführt, mit Datum, Namen, Rasse, Herkunft und Anliegen des Besuchers, was wirklich sehr praktisch war. Plötzlich wurde der Prinz des Nordens unruhig. Er blätterte schnell durch die Listen, die er in der Hand hielt, ohne sie wirklich zu lesen, legte dann den Stapel weg und durchsuchte den großen Stapel im Regal. „Hast du was entdeckt?“ „Nein … Ja … Eine Seite fehlt“, sagte der Jüngere. Beide sahen zu dem am Boden knienden Diener, dessen Körper ein Zittern durchlief. „Wo kann diese Seite sein?“ wollte der ältere Hundeprinz wissen. „Ich … ich weiß es nicht, Sesshoumaru-sama. Ich habe die Listen während meiner Amtszeit immer vollständig hier abgelegt“, beteuerte Ryota und presste seine Stirn gegen den staubigen Boden. „Wie lange ist Yuri schon im Urlaub?“ fragte Ichiromaru. „Schon … schon mehrere Wochen, wenn nicht länger, Ichiromaru-sama.“ „Du erinnerst dich nicht genau daran, wie lange du diese Vertretung schon machst?“ hakte Sesshoumaru eisig nach. „Ich … ich mache das erst seit zehn Tagen, Sesshoumaru-sama. Davor hatte jemand anderes die Vertretung gemacht.“ „Wer? Warum hat der sich vorhin nicht ebenfalls gemeldet?“ bellte der Prinz mit den blauen Haaren. „Er … er verstarb, mein Herr“, würgte der Sekretär hervor und presste sich noch flacher in den Staub in der jähen Furcht, seinem Vorgänger bald zu folgen. „Super“, entfuhr es seinem jungen Herrn, wofür dieser einen tadelnden Blick bekam, den er allerdings geflissentlich ignorierte. Er sah sich wieder die Listen an, diesmal genauer. Er verglich die Handschriften miteinander. Sesshoumaru sah sich währenddessen nachdenklich nach seiner Gefährtin um, die zwischen den Regalreihen verschwunden war. Er konnte hören, dass sie ebenfalls in etwas blätterte. Hatte sie etwas interessantes, wichtiges gefunden oder beschäftigte sie sich aus anderen Gründen mit den alten Dokumenten? Aber ehe er sie fragen konnte, bemerkte er, dass sein Schwager etwas gefunden zu haben schien. „Nun?“ „Die Liste, die fehlt, ist entweder die letzte, die Yuri, der übliche Sekretär, geschrieben hat oder die erste, die von der ersten Vertretung stammt. Vor zwei Wochen übernahm dann Ryota hier.“ „Hana.“ Angesprochene sprang auf und kam hinter dem Regal hervor, neben dem Stoffpaket auch ein in Leder gebundenes Buch um Arm. „Sesshoumaru-sama?“ „Hast du im Arbeitszimmer Unterlagen über den Sekretär und seine erste Vertretung gesehen?“ „Ja, Sesshoumaru-sama. Yuris Familie, sein Sohn und seine Tochter, schrieben beide unabhängig voneinander, dass sie schon länger nichts mehr von ihm gehört haben, was untypisch ist. Die erste Vertretung, Waruichi … nun … er wurde von einem Paradiesvogel gefressen.“ Das hatte sie sich nur genauer angesehen, weil sie Yuri von früher gekannt hatte und es mehr als merkwürdig war, dass ein Paradiesvogel einen Diener ihres Vaters, noch dazu einen Beamten, der wohl kaum lange Spaziergänge in den Bergen machte, angriff. „Dann will euer Vater verheimlichen, wer an diesem Tag hier war.“ Ichiromaru presste etwas die Lippen zusammen und betrachtete seine Schwester. Sie hatte die gleiche Haar- und Augenfarbe wie ihr beider Vater, wie er mal wieder bemerkte. Und dann fiel ihm plötzlich wieder ein, an was er sich die ganze Zeit zu erinnern versucht hatte: „Katzen! An dem Tag waren Katzen hier.“ „Katzen? Leben im Norden Katzendämonen?“ fragte Hana überrascht. „Ja, ein paar wenige, sie streunen allein herum und solange sie keine allzu großen Schäden anrichten, sich zusammenrotten oder anderen Ärger machen, lässt Vater sie gewähren. An diesem speziellen Tag vor fast vier Monaten waren zwei Katzendämonen hier, Frauen. Ich habe sie nur kurz und von weitem gesehen und hätte sie wohl kaum beachtet, wenn …“ Er brach ab. „Wenn was?“ drängelte Sesshoumaru ungeduldig. Konnte dieser Welpe nicht einfach zum Punkt kommen, anstatt ellenlange Geschichten zu erzählen? „Wenn ich sie nicht für Hana und Akemi gehalten hätte, als ich sie aus den Augenwinkeln gesehen habe.“ Die Prinzessin schluckte unwillkürlich. Ihr war es immer noch unangenehm, über Akemi, ihre Kriegerfreundin, die bei einem Überfall auf die Fürstenfamilie im Wald umgekommen war, zu sprechen oder auch nur an sie zu denken. „Dann könnten es auch diese Katzen gewesen sein, die die Schattendämonen auf uns angesetzt haben“, meinte Sesshoumaru und sah zu seiner Frau. Er wollte etwas zu ihr sagen, aber in dem Moment fing die Erde plötzlich an zu beben. Nur wenige Augenblicke, aber so intensiv, dass die Regale ins Schwanken gerieten, Dokumentenstapel fielen zu Boden und auch aus der Bibliothek waren die dumpfen Aufschläge von Büchern zu hören. Hana riss etwas die Augen auf und presste unwillkürlich das Paket und das Buch fest an ihre Brust. „Was ist los?“ fragte Sesshoumaru alarmiert. Sie würde sich kaum von einem einfachen Erdbeben so aus der Fassung bringen lassen. „Wir müssen so schnell wie möglich hier weg“, erwiderte die Prinzessin. „Die Soldaten und die Diener ebenfalls. Die Falle meines Vaters … er plant uns zu ertränken oder von Paradiesvögeln fressen zu lassen.“ _____________________________________________________________________________________________ Die Fürsten haben eine Galgenfrist bekommen. Na ja, wann halten wir uns auch schon mal an unsere eigenen Vorgaben? Ob im nächsten Kapitel jemand stirbt, kann ich auch noch nicht sagen, vielleicht werf ich das Konzept auch noch mal über den Haufen. ^^ Falls unsere Computer es überleben, bis nächste Woche. Lg Kupfer & Hani Kapitel 32 ---------- Sesshoumaru sah seine Gefährtin mit leicht hochgezogenen Augenbrauen an und auch Ichiromaru schien nicht ganz zu verstehen, was sie meinte. „Dieses Schloss liegt in einem großen, aber tiefen Talkessel, auf einer Linie mit den höchsten Bergen des Nordens. Das Schmelzwasser in diesen Bergen fließt in einen See, der offenbar am Grund … ein Loch hat, einen Zugang zu einem … einer Art Tunnel, der durch das gesamte Gebirge läuft. Ein Stück oberhalb des Schlosses wurde der unterirdische Fluss gestoppt. Unser Großvater ließ einen Damm errichten, damit dieser Talkessel hier nicht überflutet wird. Es entstand ein Stausee, etwa dreißig Meter unter der Erde. Aber der Druck durch den künstlichen See, den langen Fluss und den Bergsee auf den Damm … ohne den magischen Bann wäre der Damm schon längst gebrochen“, erklärte Hana. Im Gegensatz zu dem weißhaarigen Prinzen schien ihr Halbbruder nun zu verstehen, was sie meinte: „Vorhin … Er hat diesen Bann gelöst.“ „Vermutlich. Darum hat eben die Erde gebebt. Und wenn … unser Vater gegen deinen verehrten Vater kämpft, wird diese gewaltige dämonische Energie die Paradiesvögel aufschrecken. Die werden die Gelegenheit nutzen und das Schloss angreifen.“ Sesshoumaru zog die Augenbrauen etwas zusammen. In den Unterlagen, die Akumaru im ehemaligen Zimmer seiner Tochter versteckt hatte, stand unter anderem, dass es den Paradiesvögeln alles andere als gefiel, dass der Fürst sie in Schach hielt und ein nicht näher benannter Informant hatte bestätigt, dass diese niederen Kreaturen nur auf eine passende Gelegenheit warteten, um das Schloss des Nordens zu überfallen, zu zerstören und alle Bewohner zu töten. Diese Gelegenheit bot sich ihnen gerade: Der Herr des Hauses war in einen harten Kampf verwickelt und würde sein Schloss nicht selbst verteidigen können. Aber … „Woher wisst ihr, dass dieser Bann aufgehoben wurde?“ fragte er. „Sein Energieangriff auf deinen Vater, der wirklich schwach war, diente nur der Ablenkung. Er brauchte diese kurze Zeit, um alle Banne zu beenden, die ihn kontinuierlich Kraft kosten. Dazu gehört neben dem Bann, der verhindert, dass reichsfremde Youkai hier Magie anwenden, auch der Bann, der den Staudamm aufrecht hält. Darum wirkte er nach dem Angriff auch so energiegeladen“, erwiderte die Prinzessin. „Wusstest du davon?“ wandte ihr Gefährte sich an seinen Schwager. „Nein. Aber ich wusste auch nichts von diesem Raum“, antwortete dieser. Er hatte sich zugegebenermaßen auch nicht wirklich dafür interessiert, wo die alten Dokumente gelagert wurden oder was überhaupt mit ihnen passierte. „Sogar unser Vater hat erst davon erfahren, als unser Großvater starb.“ Hana schlug das Buch auf und zeigte den beiden anderen eine Seite, auf der die schemenhafte Skizze eines Damms zu sehen war, daneben und darunter standen einige Erklärungen. „Das hat unser Großvater geschrieben, als er den Damm errichtet hatte und das …“ Sie blätterte weiter und zeigte ihnen eine andere Seite. „... stammt von Vater, als er den Zauber erneuert hat, da er mit dem Tod seines Vaters aufgehoben worden war.“ „Könnt ihr den Bann nicht wieder anbringen?“ „Nein, nicht von hier aus.“ Die Erde begann erneut zu beben, diesmal noch intensiver als vorher und noch länger, die Regale im Dokumentenlagerraum stürzten um und auch die in der Bibliothek hatten dem Beben nichts entgegenzusetzen. Ryota sprang erschreckt auf und presste sich an die Wand, um nicht unter einem Berg aus staubigen Papier und Holz zu verschwinden. Sesshoumaru dachte schnell nach. Im Norden war die Population der Paradiesvögel etwa doppelt bis dreifach so groß wie im Westen, weil viele dieser Dämonen sich den strengen Regeln des Taishou nicht hatten unterwerfen wollen und daher emigriert waren. Sollte dieses Federvieh wirklich das Schloss angreifen, wäre das zwar nicht wirklich bedrohlich für die Daiyoukai und wohl auch weniger für die Soldaten, aber diese ganze Menge an Paradiesvögeln und eine reißende Wassermasse und dazu die vielen Diener, die weder kämpfen noch schwimmen konnten … Es wäre vermutlich wirklich besser, sich zurückzuziehen und für die Diener und Soldaten einen geschützten Ort zu finden, um große Verluste zu vermeiden. Das wäre im Sinne seines verehrten Herrn und Vaters. „Gehen wir. Gibt es hier in der näheren Umgebung einen Ort, an dem die kampfunfähigen Diener vor dem Wasser sicher sind?“ „Bei den Wölfen vielleicht. Aber das ist … nicht gerade in der näheren Umgebung“, antwortete Ichiromaru. „Andere Optionen gibt es aber nicht, wenn du keinen längeren Weg in Kauf nehmen willst“, fügte seine Schwester hinzu. Die drei wussten, dass sie auf längeren Fußwegen, gerade auf offenem Gelände, ein leichtes Angriffsziel für die Paradiesvögel wären, was schnell gefährlich werden könnte für die einfachen Diener. Die sicherere Wahl wäre also, alle so schnell wie möglich zu den Wölfen zu bringen, auch wenn der Geruch eines ganzen Rudels ihre feinen Nasen beleidigen und ziemlich strapazieren würde. Wobei sie ja nicht unbedingt dort bleiben mussten. Ihnen konnten die Paradiesvögel schließlich nicht wirklich etwas anhaben. „Also zu den Wölfen“, beschloss Sesshoumaru und sah zu dem anwesenden Diener, der inzwischen wieder zu Boden gesackt war. „Geh und sag den anderen, dass sie sich sofort im Schlosshof sammeln sollen.“ Ryota brauchte eine Sekunde, um zu begreifen, was von ihm verlangt wurde, raffte sich dann aber unverzüglich auf. „Natürlich, wie Ihr wünscht, Sesshoumaru-sama“, sagte er hastig und verließ den Raum. Die drei Hundedämonen machten sich derweil auf den Weg in den Schlosshof, um die Samurai für den Marsch zu instruieren. „Ichiromaru, sag … dem Heer, dass es sich beeilen und in Rüstung und bewaffnet auf den Hof kommen soll“, sagte der weißhaarige Prinz und deutete leicht auf die Quartiere der Soldaten des Nordens. Nun, solange der Kampf der Fürsten, die Zukunft des Nordens und Ichiromarus Position nicht entschieden waren, gehörten diese Männer in seinen Augen niemandem, aber sie würden auf den Befehl des jungen Prinzen hören. Dieser lief in einem Tempo, das gerade eben noch als angemessen zu bezeichnen war, zu den Quartieren, wo die Samurai sich tief verneigten, als er eintrat. „Rüstet euch und kommt auf den Schlosshof. Und beeilt euch“, wies er sie an und beobachtete die Dämonen, wie sie schnell zu ihren Rüstungen griffen und sich gegenseitig beim Zuschnallen der Riemen halfen. Der Hauptmann der Armee war als erster bereit und verneigte sich vor dem Prinzen. „Masaki?“ „Darf ich fragen, was hier vor sich geht, Ichiromaru-sama?“ fragte der ältere Dämon. „Wir verlassen das Schloss für eine Weile und gehen zu den Wölfen.“ „Verzeiht, aber … zu den Wölfen?“ „Es wird nicht allzu lange sein.“ Ichiromaru wusste nicht, wie viel Sesshoumaru den Soldaten und Dienern sagen wollte darüber, warum genau sie das Schloss verlassen mussten. „Masaki, erinnerst du dich zufällig daran, dass hier vor einiger Zeit Katzendämonen zu Besuch waren? Um die Zeit, in der Yuri verschwand.“ „Ähm … ja, Ichiromaru-sama, es war genau der Tag, an dem Yuri verschwand. Es waren zwei Frauen, eine mit blauem Haar und blauen Augen, recht groß und blass und eine etwas kleinere mit braunem Haar und grünen Augen. Und, wenn ich das so sagen darf, sie sahen beide bösartig aus.“ „Welche Katze tut das nicht? Weißt du zufällig auch, was die beiden wollten?“ „Nein, Ichiromaru-sama. Ich saß im Vorzimmer und wartete darauf, Akumaru-sama über die Fortschritte der jungen Krieger in Kenntnis zu setzen, aber der Fürst schickte alle Wartenden nach draußen, auch Yuri.“ „Er wollte nicht, dass jemand etwas von dem Gespräch mitbekommt … Was ist mit Waruichi passiert?“ fragte der Hundeprinz weiter. „Das weiß ich nicht genau, Ichiromaru-sama. Ich weiß nur, dass er einen Abendspaziergang in den Wäldern am Fuß der Berge machen wollte, wobei er … einem Paradiesvogel zum Opfer fiel, wie Naoko, die in den Wäldern Kräuter sammeln wollte, berichtete gesehen zu haben“, antwortete Masaki. Ichiromaru ließ nachdenklich seinen Blick schweifen. Seit wann machten Beamte Abendspaziergänge am Fuß des Berges? Und seit wann konnten die Paradiesvögel ungestraft jemanden aus Vaters Haushalt töten? Er mochte sein, wie er wollte, aber er verteidigte für gewöhnlich sein Eigentum und seine Steuerzahler. „Verzeiht, Ichiromaru-sama?“ riss der Hauptmann ihn aus seinen Gedanken. „Was?“ Masaki sah sich schnell um, ehe er mit gesenkter Stimme fortfuhr: „Hat dieser plötzliche Aufbruch etwas mit den beiden Erdbeben zu tun, die vorhin zu spüren waren?“ „Ja“, sagte der Jüngere langsam. „Ist etwas mit dem Staudamm?“ „Woher weißt du davon?“ „Mein Vater gehörte zu den Männern, die ihn unter der Herrschaft Eures Großvaters errichtet haben und war einer der wenigen, die überlebten.“ „Mein Vater hat offensichtlich den Bann aufgehoben. Der Staudamm kann jeden Augenblick brechen. Was weißt du noch über den Damm und den Wasserlauf, den er stoppt?“ „Nun … nicht sehr viel. Nur dass der unterirdische See von einem breiten Fluss gespeist wird, der bei einem Bergsee aus Schmelzwasser beginnt und das ganze Berggebiet unterläuft.“ „Hat dieser Fluss auch etwas mit dem Felsenkessel beim Nest der Paradiesvögel zu tun?“ „Soweit ich weiß, verläuft dieser Fluss darunter.“ Der Samurai ließ sich seine Verwunderung über die Fragen seines Herrn nicht anmerken, auch wenn er gerne mehr erfahren hätte. Ichiromaru war mal wieder froh, dass der Hauptmann vor ihm der Bruder seines ehemaligen Landkundelehrers, der Sohn des vorigen Hauptmannes und dazu noch mit der Köchin verheiratet war und daher über ein wirklich umfangreiches Wissen über den Norden verfügte. Wenn dieses Wissen stimmte, hatte Akumaru sich einen wirklich perfiden Plan ausgedacht. Wenn die Paradiesvögel das Schloss angriffen und die sich dort befindenden Dämonen dazu noch von den Wassermassen überrascht worden wären, hätten die meisten Diener und viele Samurai beider Seiten keine Chance gehabt. Aber das war noch nicht alles: Wenn dieser Fluss auch den Felsenkessel unterlief, in dem die beiden Fürsten gerade ihren alles entscheidenden Kampf austrugen, wurde der Boden des Kampffeldes auch von dem Druck des Wassers getragen. Wenn dieser Druck wegfiel, würde der Boden einsacken. Kein Problem für den Fürst des Nordens, der damit rechnen und schnel genug reagieren würde, aber sein Cousin … der Absturz würde ihm nichts anhaben, aber das könnte ihn trotzdem in eine äußerst prekäre Lage bringen, die ihn das Leben kosten konnte. Sein Vater war ein böses Genie, wie Ichiromaru erkennen musste. Sollte er Sesshoumaru und Hana davon in Kenntnis setzen? Wobei der arrogante Weißhaarige ihm vermutlich die Krallen durchs Gesicht ziehen würde, weil er das als Kritik an seinem Vater, dem ehrenwerten Inu no Taishou ansehen würde. Was genau genommen gar nicht mal so weit hergeholt war. Er sah auf und stellte fest, dass die Samurai bereit waren, so wandte er sich ab und ging auf den Schlosshof, wo neben dem Heer des Westens auch schon die Diener des Nordens warteten. Der ranghöchste der drei Fürstenkinder wies die Samurai an, sich auf dem Weg zu den Wölfen unter die Dienerschaft zu mischen und die Waffen bereit zu halten und gab dann den Befehl zum Aufbruch. Weder die Krieger noch die Diener wussten, was das alles zu bedeuten hatte und warum sie ausgerechnet zu den Wölfen gehen sollten. Zwar lebten die Wolfsdämonen offiziell in friedlicher Koexistenz mit den Inu-Youkai, einige Diener im Schloss waren Wölfe, aber beide Rassen waren trotzdem nicht unbedingt begeistert voneinander und gerade die Okami-Youkai, die in Rudeln in den Wäldern und Bergen lebten, unterwarfen sich zwar den Gesetzen, vermieden die Hundedämonen aber trotzdem. Aber noch mehr als die Wanderung zu den Höhlen beunruhigte alle das stetige Zittern der Erde, das zwar nicht so intensiv war wie die beiden Erdbeben, allerdings dennoch deutlich zu spüren war. Seit gestern war es in dem Schloss alles andere als gewöhnlicher Alltag. Es war sogar recht gefährlich, so wie sie das beurteilen konnten. Und dass sie von dem Erbprinzen des Westens angeführt und von dessen Armee begleitet wurden, verhieß auch nichts Gutes für den Nordclan. Besonders weil ihr eigener Prinz sich hinter seinem Schwager hielt. Derweil war ein riesiger Schwarm vogelartiger Monster auf dem Weg in Richtung Schloss des Nordens. Sie sahen nicht wirklich nach Vögeln aus, abgesehen von den Flügeln, den Federn und den Beinen. Sie bestanden aus einem großen, runden Körper, an dessen ganzer Vorderseite ein Gesicht war, dass sich aus schmalen, roten Augen, zwei Löchern als Nase und einem breiten, etwas vorstehenden, lippenlosen Mund, in dem sich unzählige spitze Zähne befanden, zusammen. Die Flügel selbst wirkten zu klein und zu schmal, um den Körper in der Luft zu halten, aber es klappte. Das groteskeste an diesen Dämonen war jedoch, dass aus ihren runden Körpern ein nackter Oberkörper ragte, den selbst ein Unwissender nicht für menschlich halten konnte. Abgesehen davon, dass diese eingewachsenen Körper spitz zulaufende Ohren und rote Augen hatten, hatten sie auch blaue Haut, bei den glatzköpfigen unter ihnen waren kleine Hörner auf den Köpfen zu sehen und alle hatten statt gewöhnlicher Unterarme und Händen dreifingrige Vogelklauen, die ebenso bedrohlich aussahen wie die Beine an ihren runden Körpern. Nur einer der Paradiesvögel unterschied sich deutlicher von den anderen: Er war nicht nur mehr als doppelt so groß wie die anderen, aus seiner Oberseite ragten auch noch zwei Körper heraus. Das war der Anführer des Vogelschwarms. Er betrachtete die Gegend unter sich und entdeckte etwas merkwürdiges: eine zitternde Felswand. Ehe er landete, gab er seinen Gefolgsleuten noch das Zeichen weiterzufliegen. Unerwartet leichtfüßig landete er auf der zitternden Wand, versuchte herauszufinden, was sich dahinter verbarg. Die Krallen an seinen Füßen fanden einen Spalt in dem Felsen, gruben sich darin ein und vergrößerten den Riss in dem angespannten, vibrierenden Stein. Die Öffnung breitete sich rasch auf der gesamten Wand aus und schließlich gab es ein lautes Grollen, dann einen Knall, als der Fels endgültig aufbrach. Der Paradiesvogel erhob sich umgehend in die Luft, um nicht von dem Wasserstrahl mitgerissen zu werden, der mit einer solchen Kraft aus der Öffnung schoss, dass er das Gestein an allen Seiten abtrug, bis ein gewaltiger Strom sich aus der Felswand ergoss und unaufhaltsam ins Tal rollte, wobei ganze Bäume und alles andere mitgerissen wurde. Der Dämon beobachtete diese Naturgewalt interessiert. Das Wasser lief direkt auf das Schloss des Nordens zu. Wenn es bis dahin nicht allzu sehr an Kraft verlor, würde es die Schlossgebäude wohl einfach wegspülen. Das würde die Rache der Paradiesvögel definitiv erleichtern. Schnell machte er sich wieder auf den Weg zum Schloss des Nordens, um seinen Schwarm zu unterstützen. Schließlich könnte ja der Prinz zuhause sein. Auch wenn dieser Hund noch sehr jung war, so könnte er doch gefährlich für die einfacheren Vögel werden. Einen Moment lang fragte der Anführer sich, gegen wen der Fürst des Nordens wohl gerade kämpfte, aber dann fiel ihm wieder ein, dass es ihm egal war. Ein Stück weiter nördlich lag der Felsenkessel, in dem die beiden Dämonenfürsten sich noch immer einen Kampf auf Leben und Tod lieferten. Die eigentlichen Fellfarben waren kaum noch zu erkennen, das Weiß war von braunem Matsch und rotem Blut verdrängt worden, das aus zahlreichen Wunden quoll, die die beiden Hunde sich gegenseitig zugefügt hatten. Schon etwas schwerer atmend belauerten die beiden Daiyoukai sich, versuchten eine Schwachstelle in der Deckung des jeweils anderen zu finden, auf die sie sich stürzen konnten, ohne selbst eine offene Stelle zu liefern. Dass die Erde auch hier leicht vibrierte, schien die beiden nicht zu kümmern, oder aber sie waren so auf einander fixiert, dass sie es gar nicht bemerkten. Der Fürst des Westens griff als erstes wieder an, schien es auf die verletzte Schulter seines Cousins abgesehen zu haben, aber als der sich bereit machte, diesen Angriff abzuwehren, fuhren scharfe Krallen über seine Augen und seine Nase. Akumaru jaulte auf und sprang zurück, wischte sich mit der Pfote über die tiefen Wunden, die seine Augen nur um Haaresbreite nicht erwischt hatten. Das würde er büßen! Wütend sprang er den anderen wieder an, achtete nicht auf die spitzen Zähne, die sich in seiner Schulter vergruben und versenkte seine Klauen und Zähne im Rücken des Taishou, hielt sich so an diesem fest, um mit den Hinterläufen seinen Bauch bearbeiten zu können. Sein Cousin knurrte laut und ließ sich zur Seite fallen, den Angreifer mit sich ziehend, um diesem ins Gesicht treten zu können und ihn fürs Erste los zu sein. Doch lange hatte er keine ruhe, denn der Nordfürst griff ihn sofort wieder an, kratzte und biss in alle Körperteile, die er irgendwie erreichen konnte, um den ehemals schneeweißen Hund am Boden zu halten. Der wollte sich das natürlich nicht gefallen lassen und so rollten die beiden riesigen Tierdämonen über den aufgeweichten Boden. Ihr Bellen und Knurren hallte bedrohlich von den Wänden wider und das Aufprallen der massigen Körpern ließ das Kampffeld zusätzlich erzittern und knacken. Als Akumaru gerade die Oberhand hatte und seinem Vetter eine weitere, schwere Wunde an der Flanke zufügte, sprang er plötzlich mit einem gewaltigen Satz von diesem weg, hielt sich an der Felswand fest und sah zu seinem Gegner hinab, der sich etwas mühsam wieder auf die Beine kämpfte, schwer atmete und abwartete, wie sein Körper auf diese Belastung reagierte, ohne den Nordfürsten aus dem Blick zu lassen, dessen Energielevel auch schon deutlich gesunken war. Allzu lange würde dieser Kampf nicht mehr dauern, aber es war noch nicht klar, wer am Ende siegen würde. Der Inu no Taishou überlegte fieberhaft, wie er an die verwundbarsten Stellen seines Cousins herankommen konnte, ohne selbst noch mehr Verletzungen einstecken zu müssen, als auch er plötzlich ein leises Knacken hörte. Doch noch ehe er es begreifen oder reagieren konnte, brach der Boden unter seinen Pfoten weg und er wurde von Schlamm, Felsbrocken und Geröll verschluckt. Sein Cousin wartete noch einige Augenblicke, bis er sicher war, dass das Kampffeld nicht noch weiter absackte, ehe er umsichtig hinunter kletterte und langsam und wachsam zu der Stelle ging, an der sein Gegner gerade verschwunden war. Er witterte sorgfältig, konnte den Geruch des Westfürsten aber nur schwach wahrnehmen. Es war auch nichts zu hören und keine Regung zu sehen. Hatte er es geschafft? Hatte er seinen ewigen Widersacher wirklich getötet? Er musste sichergehen und so fing er vorsichtig an mit den Vorderpfoten in der Erde zu graben und den Matsch wegzuschaufeln. Es wäre zu schön um wahr zu sein, wenn der weißhaarige Mistkerl wirklich schon tot wäre, aber selbst wenn er noch leben sollte, wäre das hoffentlich nur eine Sache von wenigen Minuten, bis er dann wirklich hinüber wäre und Akumaru sich Sou'unga, das rechtmäßig sowieso ihm zustand, schnappen könnte. Und dann wären die Welpen dran … Nach einer für ihn fast nicht enden wollenden Zeit kam er seinem Gegner endlich näher, der Geruch wurde intensiver. Und noch dazu mischte sich ein anderer Duft, den er in diesem Moment süßer fand als jeden anderen: Der Geruch des Todes. ___________________________________________________________________________________________________ Ähm … ja. Ein Fürst weniger, wie versprochen. Wenn ihr uns tötet, erfahrt ihr nicht, was wir noch mit den anderen Charas anstellen. ^^ lg Kupfer & Hani Kapitel 33 ---------- Die drei jungen Hundedämonen waren schon ein ganzes Stück mit ihrem recht großen Gefolge gewandert, waren aber immer noch in dem weitläufigen Talkessel, in dem das Schloss lag, allerdings kamen sie langsam an den Rand des Waldes, die Bäume wurden weniger. Und damit auch die Deckung, der Sichtschutz vor den Paradiesvögeln. Sesshoumaru hatte alle Sinne angespannt, aber bislang war von den gefiederten Dämonen weit und breit nichts zu bemerken. Überhaupt war nichts wahrzunehmen, abgesehen von dem stetigen Zittern des Bodens. Er sah zu seiner Gefährtin, die sich höflich hinter ihm hielt. „Könnt ihr einen Bannkreis errichten?“ fragte er. Das wäre zumindest ein Schutz vor den Vögeln, solange die Diener nicht in Panik gerieten und davonliefen, um Deckung zu suchen, was bei einfachen Dämonen leider wie bei Menschen passierte. „Keinen, der stark genug wäre, um die Paradiesvögel über einen längeren Zeitraum abzuhalten, Sesshoumaru-sama“, antwortete Hana und ihr Bruder nickte nur etwas. Der Kampf gegen ihren Vater und das Öffnen des Bannkreises um den Norden hatte sie beide viel Kraft gekostet, sie waren dabei beide an ihr persönliches Limit gekommen und hatten bisher noch keine Gelegenheit gehabt, sich zu regenerieren. Der Weißhaarige nickte nur etwas und blickte in die Richtung, aus der sie gekommen waren, konnte aber außer Bäumen nichts erkennen. Das Beben war wieder stärker geworden. „Wir sollten uns beeilen.“ Der Trupp hatte sich gerade wieder in Bewegung gesetzt, als ein lautes Grollen die Luft erfüllte und der Boden wieder stark zitterte. Viele der Diener keuchten erschreckt auf und sahen sich hektisch um und auch viele der Samurai beider Heere wirkten beunruhigt, legten intuitiv die Hand an die Waffe. Der aufkommende Wind trug ihnen den Geruch von Schutt und Wasser zu. Der Damm musste gebrochen und der Wasserstrom das Schloss erreicht haben. Die Erbprinzessin des Westens sah kurz zu ihrem Gefährten, der kaum merklich nickte. Sie mussten das Tempo erhöhen. Die Wassermenge, die sich unter dem Gebirge in dem langen Fluss und in dem künstlichen Stausee gesammelt hatte, sowie das Schmelzwasser, das sich überirdisch in einem Bergsee staute, dürfte genug sein, um den Talkessel komplett zu fluten. Sesshoumaru sah sich rasch unter seinem Gefolge um. Die Diener des Nordens wirkten durchweg jung und gesund, lediglich einige Beamte hatten dezente Falten von die Augen und grau meliertes Haar. Sie würden es alle schaffen, bei einem schnelleren Schritt problemlos mitzuhalten. Zu lange würde der Marsch hoffentlich sowieso nicht mehr dauern. Der Schwarm der Paradiesvögel verharrte kurz in der Luft, als er von einem gewaltigen Fluss, der unter ihnen die Landschaft ebnete, überholt wurde. Die Dämonen beobachteten, wie das Wasser sich genau wie sie auf das Schloss des Nordens zubewegte und folgte ihm eilig. Keiner von ihnen wollte verpassen, wie das Wasser auf das Gebäude traf. Das Schloss war von einem dichten Wald umgeben, was es zusätzlich schützen sollte, doch in die Bäume war eine lange, breite Schneise geschlagen worden, sodass der Strom nicht dadurch aufgehalten wurde, dass es etwas aus dem Weg räumen musste. Wenige Augenblicke später beobachteten die Paradiesvögel, wie das Wasser mit voller Kraft auf das Hauptgebäude traf, dessen eh schon angegriffene und instabile Wände dem Druck nichts entgegenzusetzen hatten und in Sekunden weggespült wurde, genau wie die Überreste des Schutzwalls und die Nebengebäude. Doch eines verwirrte die Vögel: Es waren keine Schreie zu hören, niemand floh, niemand strampelte sich an die Wasseroberfläche und hielt sich an einem Trümmerteil fest oder kletterte auf einen der Bäume. In dem Schloss war niemand mehr, die Bewohner mussten alle schon vorher geflohen sein! Aber wohin? Und wie hatten sie wissen können, dass sie von Wasser bedroht wurden? War das etwa kein Zufall und ihr Fürst hatte sie vorher warnen können? Oder hatten sie das Schloss schon längst aufgegeben und sich irgendwo ein anderes Zuhause gesucht und aufgebaut, weil sie sich in diesem nicht mehr sicher gefühlt hatten? Die Paradiesvögel sahen sich um. Ihr Befehl hatte gelautet, das Schloss anzugreifen und alle Bewohner zu töten, daher wagten sie es nicht, sich ohne weitere Anweisung ihres Anführers aufzuteilen und die Suche auszuweiten. Als dieser nur kurze Zeit später ebenfalls den tiefsten Punkt des Talkessels erreichte, wo sich bis vor Kurzem noch das Schloss des Nordens befunden hatte, das einst so prächtig inmitten der Bäume aufgeragt war, war der mächtige Wasserstrom bereits von den noch übrigen Bäumen verlangsamt worden, sodass es sich bereits zu einem See sammelte, in den immer noch unaufhörlich das Bergwasser rauschte, sodass er stetig weiter wuchs und sich ausbreitete. Er verschaffte sich schnell einen eigenen Überblick und ließ sich von einem seiner Diener über die Eindrücke des Schwarms, dass die Dienerschaft geflohen sein musste, aufklären. Warum nur waren die Youkai schon geflohen? Und in welche Richtung? Hatte der Kampf des Fürsten mit einem anderen, überaus mächtigen Daiyoukai, vielleicht doch etwas mit dieser Wasserflut zu tun? Er hatte das nur für einen glücklichen Zufall gehalten, der ihnen die Arbeit des Überfalls erleichtern würde. Nur wo waren ihre potenziellen Opfer jetzt hingegangen? Der größte Paradiesvogel stieg höher in die Luft, um sich einen besseren Überblick über das Gebiet zu verschaffen. Es gab glücklicherweise nicht zu viele Möglichkeiten, wohin eine so große Gruppe gegangen sein könnte. Und schon gar nicht unauffällig. Waren sie vom Schloss aus nach Süden gegangen, um das Revier des Westfürsten zu erreichen? Soweit er wusste, waren die beiden Fürsten zwar miteinander verwandt und die Prinzessin des Nordens dorthin geschickt worden, aber dennoch standen die beiden Clans sich nicht besonders nahe. Das hatten ihm auch seine Untertanen bestätigt, die ursprünglich aus dem Westen stammten und daher einiges davon mitbekommen hatten. War der Inu no Taishou vielleicht der zweite Daiyoukai im Felsenkessel bei ihrem Nest gewesen? Hm. Vom Schloss aus westlich lag nicht viel. Ein paar kleinere Berge und dahinter dann das Meer. Doch in dieser Gegend gab es nichts, das Deckung bieten könnte. Würden so viele Dämonen wirklich ein solches Risiko eingehen? Größere Gruppen wurden zwar für gewöhnlich seltener attackiert, weil die Angreifer die Überzahl fürchteten, aber sie waren auch leichter zu finden. Weiter nach Norden waren sie jedenfalls nicht gezogen, da hätten er und seine Untergebenen sie gesehen. Blieb noch die östliche Richtung, in die sich die Gebirgskette erstreckte. Die Berge dort waren höher, einige Höhlen könnten als Unterschlupf dienen. Und lebten dort nicht auch irgendwo die Wolfsdämonen? Wenn er doch nur die dämonischen Auren spüren könnte, aber entweder waren sie zu weit weg oder zu gut unterdrückt, wie auch immer das gemacht wurde. Im Kopf wog er die Argumente für und gegen die verschiedenen Richtungen ab und beschloss dann, dass er seinen Schwarm aufteilen musste. Ein kleiner Teil würde nach Süden fliegen, ein kleiner Teil nach Westen und der größte Teil mit ihm nach Osten. Die Gruppen erhielten die Anweisung, nicht ganz so weit zu fliegen und dann umzukehren, sollten sie nichts finden und sich dann den anderen anschließen. Paradiesvögel hatten glücklicherweise die Fähigkeit, ihren Schwarm auch über eine längere Distanz genau lokalisieren zu können. Derweil hatte Akumaru sich ein Stück unterhalb der oberen Felskante auf einem breiten Vorsprung niedergelassen, gegenüber der Stelle, an der sein Cousin verschüttet worden war. Er hatte sich in seine vergleichsweise menschenähnliche Gestalt zurückverwandelt und lehnte nur scheinbar lässig an der Felswand. Hier oben wehte ein seichter Wind, der angenehm kühl durch sein blut- und schlammverklebtes Haar und über die Kratzer in seinem Gesicht und an seinen Händen strich. Weit und breit war nichts zu hören oder zu sehen, zu riechen oder zu spüren. Nur die geschwächte Aura von Sou'unga, das noch bei seinem vermaledeiten Vetter unter der Erde lag. Das Schwert brauchte einen Dämon, seine Energie, um seine volle dunkle Macht zu entfalten. Ohne eine solche Energie, an der es sich nähren konnte, war es nur … ein Schatten seiner selbst. Immer noch beeindruckend, aber nicht mehr so furchteinflößend. Der Fürst winkelte sein linkes Bein langsam an, verzog dabei etwas die Mundwinkel. Ihn schmerzte so gut wie jede Bewegung. Der Kampf war auch an ihm nicht spurlos vorbeigegangen, auch wenn diese Spuren weitaus weniger dramatisch waren als die, die der Kampf bei dem weißhaarigen Idioten hinterlassen hatte. Verspannte, gezerrte Muskeln, verschieden tiefe Bisse und Kratzer und angebrochene Rippen waren nichts im Vergleich zum Tod. Seine Verletzungen würden schon bald verheilt sein. Einen Moment lang lächelte Akumaru diabolisch triumphierend – endlich hatte er gewonnen –, aber dann schloss er die Augen und senkte den Kopf, die Lippen zu einer schmalen Linie zusammenpressend. Er hatte es fast gehabt. Seine Krallen hatten gerade ganz knapp an seinem Cousin gekratzt, nur noch wenige Augenblicke und dann hätte er endlich das sagenumwobene Höllenschwert in den Händen gehalten und in seinen Besitz aufnehmen können, aber dann … Ein starkes Beben und lautes Grollen hatten ihn instinktiv zurückspringen lassen, gerade rechtzeitig, um dem Erdrutsch auszuweichen, der gefolgt von Felsbrocken genau auf die Stelle gerutscht war, an der er eben noch gegraben hatte. Einen Moment lang hatte Akumaru wie vor Fassungslosigkeit erstarrt auf die Stelle geschaut. Dann hatte die aufputschende Wirkung des Kampfes nachgelassen und er hatte von dem Moment an deutlich die Schmerzen gespürt, die von seinen Verletzungen und der Anstrengung herrührten. Er hatte keine Kraft mehr, um sofort noch einmal nach dem Schwert zu graben, das er so dringend besitzen wollte, zumal auch Stücke, große Stücke, der Felswand herunter gefallen waren, die er erst wegräumen müsste. Darum hatte der Nordfürst sich zurückverwandelt und auf den Felsvorsprung zurückgezogen. Er wollte sich ein wenig erholen, seinem geschundenen Körper eine wohlverdiente Pause gönnen, um dann mit frischer Kraft nach Sou'unga zu graben. Und damit dann den Welpen den Garaus zu machen. Denn dass die drei in der Flut umgekommen oder von den Paradiesvögeln umgebracht worden waren, wagte er stark zu bezweifeln. Seine Kinder hatten sogar ihm widerstanden und Sesshoumaru war deutlich gefährlicher als diese beiden. Da wollte er lieber auf Nummer sicher gehen. Und es wäre ein guter Einstieg, um sein neues Schwert kennenzulernen, seinen neuen Kampfgefährten. Es war schon ein wenig schade, dass sein Cousin nicht mehr miterleben konnte, wie Akumaru die drei jungen Hunde mit dem Höllenschwert ins Jenseits beförderte und dann mit dem halbblütigen Bastard des Westens weitermachte, um an seinen Enkelsohn zu kommen, der hoffentlich einen besseren Erben abgeben würde als seine eigene Brut. Hoffentlich hatte seine Genialität einfach eine Generation übersprungen, die dämliche Weichherzigkeit des weißhaarigen Trottels aber nicht. Der Daiyoukai schloss die Augen und lehnte sich zurück, versuchte sich zu entspannen. Nur eine kleine Weile noch, dann würde er sich wieder daran machen, Sou'unga aus der Erde zu befreien. Nur eine kleine Weile noch, dann würde er endlich am Ziel seiner Träume und der seines Vaters sein. Nur eine kleine Weile noch, dann würde er sein Revier mit dem seines Cousins wieder vereinen, so wie es immer hätte sein sollen. Er würde endlich sein wahres rechtmäßiges Erbe antreten. Endlich! Sesshoumaru ließ sich keinen seiner Gedanken anmerken, als er die Bergkette musterte, der sie sich näherten. Es roch deutlich nach Wolfsdämonen und ihren tierischen Anverwandten und auch leicht nach Blut und Verwesung, jedoch hauptsächlich von Rindern und Pferden. Wie die Wolfsdämonen im Westen schienen auch die im Norden gerne rohes Fleisch zu fressen. Was war auch anderes von flohverseuchten Bettvorlegern zu erwarten? Er wandte sich leicht um, als er bemerkte, dass Hana und Ichiromaru in den Himmel sahen und die Hände ans Schwert legten. Ein leises Rascheln war zu hören. Flügelschläge! Der Wind kam von den Bergen her, daher war noch nichts genaues zu wittern, aber am Horizont zeichneten sich deutlich die Silhouetten der Paradiesvögel ab, auch wenn sie noch ein ganzes Stück entfernt waren. Verdammt. Sie waren hier auf absolut offenem Gelände. Der Wald lag zum Einen ein ganzes Stück hinter ihnen und zum anderen hatte das Wasser ihn schon erreicht und wohl auch schon überflutet. Auch wenn der Pegel noch nicht sehr hoch stand, so war es doch hinderlich, wenn die Diener und Soldaten sich schnell durch den entstandenen Morast bewegen müssten. Der Weißhaarige sah zu seinem Schwager. „Du führst das Gefolge weiter zu den Wölfen.“ Der Jüngere nickte knapp. „Ja, Sesshoumaru-sama.“ „Du bildest mit mir die Nachhut“, sagte der Älteste zu seiner Gefährtin, die sofort den Kopf neigte und ihm an den Kriegern, Dienern und Beamten vorbei nach hinten folgte. Sie würden die Paradiesvögel so weit wie möglich von den anderen fernhalten und vor allem verhindern, dass diese Mistviecher sich aus der Luft auf die Gruppe stürzten. Ichiromaru zog noch einmal das Reisetempo an, um die Dienerschaft möglichst schnell zu den Bergen zu bringen, wo sie zumindest etwas Deckung hätten. Hoffentlich war die Höhle der Wölfe groß genug. Und hoffentlich würde er denen nicht erst noch gewaltsam deutlich machen müssen, dass sie keinen Aufstand provozieren sollten. Bisher hatte er recht wenig mit diesem Rudel zu tun gehabt, sie lebten eher für sich und lösten auch ihre Probleme eher alleine. Vielleicht würde es sie ja besänftigen, dass sich unter den einfachen Dienern auch einige Wolfsdämonen befanden, auch wenn die wohl nicht aus dem Rudel stammten. Er wandte nur kurz den Kopf, als er spürte, wie das Youki seines Schwagers und seiner Schwester anstieg und sah nur aus den Augenwinkeln, dass die beiden ihre Energie in den sich nähernden Schwarm Paradiesvögel jagten. Als der junge Prinz den Soldaten gerade befehlen wollte, die Waffen zu ziehen, bemerkte er, dass die Männer das schon längst getan hatten und griff zu seinem eigenen Schwert. Wie ungewohnt es war, es mit der Linken von seiner rechten Hüfte zu ziehen. Ungewohnt, aber richtig. Sesshoumaru und Hana ließen sich derweil ein ganzes Stück zurückfallen. Der erste Angriff hatte ein paar der Paradiesvögel abstürzen lassen, die anderen waren erschrocken in der Luft stehen geblieben und sahen unsicher zu den beiden Hundedämonen. Mit dem Erbprinzenpaar des Westens hatten sie nun wirklich nicht gerechnet. Der Anführer sah von den beiden zu der großen Gruppe dahinter, an deren Spitze er glaubte, den Prinz des Nordens zu erkennen. Gleich drei, wenn auch junge, Daiyoukai und noch dazu eine Menge bewaffneter Soldaten, die sich unter die wehrlosen Beamten und Diener gemischt hatten. Das war durchaus riskant, aber nicht unmöglich, zumal sein Schwarm mittlerweile wieder komplett war. Sie müssten nur schnell genug sein, und den Energieangriffen geschickt ausweichen können. Wenn sie sich auf die Schlossbelegschaft stürzen könnten, hätten sie gute Chancen, mehrere auf einmal zu schnappen und zu verschlingen. Ihre Mäuler waren groß genug dafür und ganz so einfach war es auch nicht, mit Klingen durch ihr dichtes, starkes Federkleid zu kommen und sie zu verletzen. Er sah zu seinen Leuten, die verstanden, was er meinte und in rasantem Tempo auf die große Gruppe potenzieller Opfer zuschossen, dabei den erneuten Angriffen von Sesshoumaru und Hana auswichen. Doch ehe sie sich auf die Youkai stürzen konnten, mussten sie einer anderen Energieattacke ausweichen. Sie hatten ganz außer Acht gelassen, dass Ichiromaru auch noch da war und nicht zulassen wollte, dass seine Leute angegriffen wurden. Die Paradiesvögel waren gezwungen, ein Stück zurückzuweichen, was die beiden älteren Daiyoukai ausnutzten und wieder dazu übergingen, ihr Youki durch ihre Katanas in den Schwarm zu schleudern, einige wenige tatsächlich erwischten. „Ziel auf den Anführer“, wies Sesshoumaru seine Gefährtin an, die knapp nickte und ihr Schwert wieder mit ihrer Energie auflud. Wenn sie den Anführer erwischen würden, würden die übrigen Vogeldämonen nicht mehr wissen, wie sie sich verhalten sollte, so der Plan. Man musste kein großer Kenner dieser Rasse sein, um zu wissen, dass Paradiesvögel ohne leitendes Oberhaupt unorganisiert waren und keine Einheit mehr bildeten. Doch den größten Paradiesvogel vom Himmel zu holen war gar nicht so einfach, denn im Gegensatz zu seinen Untertanen, verfügte er über eine gewisse Intelligenz und fiel nicht so leicht auf Finten herein. Das Paar erkannte schnell, dass sie sich etwas einfallen lassen mussten, um sowohl den Anführer auszuschalten, als auch in der Zwischenzeit dafür zu sorgen, dass die übrigen Vögel nicht an ihnen vorbeikamen und sich auf die Schlossbelegschaft und die beiden Heere stürzten. Akumaru erhob sich langsam und streckte seine Muskeln, sodass einige seiner Gelenke ekelhaft knackten. Er war noch nicht vollständig wiederhergestellt, aber es würde reichen, um sich erst Sou'unga und dann die jungen Hunde zu holen. Langsam begann er die Felswand hinabzuklettern, wobei er genau darauf achtete, was in der Umgebung wahrzunehmen war. Nicht, dass es noch einen Erdrutsch gab, der seine ganze Arbeit wieder zunichte machen würde. Aber bislang war nichts ungewöhnliches zu bemerken. Auch als der Fürst sich wieder in einen riesigen Hund verwandelte und damit ein tonnenschweres Gewicht auf dem Boden lastete, gab es nirgendwo ein Anzeichen darauf, dass erneut Felsen und Erde nachrutschen würden. So begann Akumaru die Felsen beiseite zu schieben und wieder in der Erde zu scharren. Immer ungeduldiger fuhren seine Pfoten durch das Erdreich, schaufelten Schlamm und Steine zur Seite. Er konnte das Höllenschwert immer deutlicher spüren, hörte es fast schon nach sich rufen. „Akumaru …“ Der Hundedämon hielt kurz inne. Hatte er sich das nur eingebildet? Er schüttelte kurz den mächtigen Kopf und widmete sich dann wieder der Ausgrabung. „Akumaru“, hörte er die dunkle Stimme erneut sagen. Himmel, er sollte sich zusammenreißen. Etwas so sehr zu begehren, dass man es schon zu sich sprechen hören glaubte, ziemte sich nicht für einen Dämon seines Ranges. Absolut nicht. „Du bist nicht verrückt, Akumaru …“, säuselte die Stimme. Der Fürst stoppte erneut. Konnte es wirklich sein, dass Sou'unga … dass der Drachengeist in dem Schwert nach ihm rief, mit ihm sprach? „Genau so ist es, mein Freund.“ Ein kaltes Lachen war zu hören, schien von den Wänden widerzuhallen. „Du hast es geschafft, meinen Träger aus dem Weg zu räumen. Das macht dich zu meinem neuen … Besitzer.“ Sou'unga, das mächtigste Schwert aller drei Welten, erkannte ihn als seinen Besitzer an? Als seinen Herrn? Das war … unglaublich. „Nicht zu vorschnell, mein Guter. Dein Vorgänger war kein guter Partner für mich. Er war zu weich und hatte zu große Angst, mich einzusetzen. Sonst hätten wir dich schon längst getötet.“ Akumaru biss die Zähne zusammen. Das war keine wirklich neue Information für ihn, aber es war … bitter, es von dem Schwert zu hören. „Ich möchte auf keinen Fall, dass ich wieder in die Hände eines solchen, wenn auch starken, Feiglings falle. Bevor ich dir gestatte, mich zu führen, musst du erst noch eine … Prüfung bestehen.“ Eine Prüfung? Kein Problem. Der Nordfürst würde alles tun, um unter Beweis zu stellen, dass er alles andere als so ein Feigling wie sein verstorbener Cousin war. Alles. „Ich weiß, dass du vorhattest, deine eigenen Kinder und den Welpen deines Vetters mit meiner Macht zu töten. Wenn du wirklich so blutrünstig bist, dein eigen Fleisch und Blut auslöschen zu wollen, egal wie, dann bringe mit deren Köpfe. Töte sie ohne mich, um zu beweisen, dass du blutrünstig und stark genug bist, um meine Macht nutzen zu dürfen“, befahl der Drachengeist. Der Hund verzog das Gesicht, senkte aber dann ergeben den Kopf. Es hätte zwar mehr Spaß gemacht, die missratene Brut mit Sou'unga aus dem Weg zu räumen, aber wenn der Drachengeist ihn erst testen wollte, dann würde er es eben so machen. Hauptsache er würde endlich an das Schwert kommen. So machte er sich auf den Weg fort vom Felsenkessel. Hoffentlich würde es ihn nicht allzu viel Zeit kosten, die Welpen zu finden. Sie waren kaum im Schloss geblieben, nachdem das von den Wassermassen erwischt worden war. Aber das Wasser könnte auch die Spuren der drei weggespült haben. Kein großes Problem für ihn, aber er war zugegeben nicht gerade geduldig. Doch für Sou'unga würde er sich zusammenreißen und mit einem kühlen Kopf an die Sache herangehen. Für Sou'unga würde er alles tun, was es verlangte. Alles. Kapitel 34 ---------- Im Schloss des Westens herrschte gespenstische Stille. Da ein Teil der Fürstenfamilie und fast alle Samurai verschwunden waren, die zwei Fürstinnen ihre Ruhe haben wollten und auch der halbdämonische Prinz und die beiden Kinder nach nichts verlangten, gab es auch für die Diener weniger zu tun. Einige überlegten zwar, dass es ab und zu ganz gut wäre, wenn alle mal das Schloss räumen würden, da sie so gründlicher sauber machen konnten, aber diese Ungewissheit darüber, was passiert war und was ihr Fürst und ihr Erbprinz gerade taten, behagte niemandem. Schon gar nicht Sesshoumarus persönlichem Diener Jaken, der vor dem Zimmer der jungen Prinzessin nervös auf und ab ging. Er wusste, dass sein Herr mehr als erleichtert darüber war, sowohl endlich einen Sohn, als auch seine Tochter endlich zurück zu haben und dass es Tote geben würde, wenn einem der beiden Welpen etwas zustoßen sollte. Der Krötendämon bezweifelte allerdings, dass Inu Yasha, der gerade auf die beiden Kinder aufpassen sollte, dazu imstande war, sie zu verteidigen, wenn es einen Angriff geben sollte. Nicht unbedingt, weil der jüngere Prinz bloß ein Halbdämon war, Jaken wusste, dass der Bruder seines Herrn im Kampf durchaus nicht zu unterschätzen war, aber er war auch erschöpft. Das war deutlich zu merken gewesen, als er mit Sora auf dem zweiköpfigen Reitdrachen des Erbprinzen zurück zum Schloss geflogen war. Er hatte nun mal nicht die Ausdauer eines vollwertigen Dämons, geschweige denn eines Daiyoukai. Daher sah Jaken es als seine Pflicht an, ebenfalls ein Auge auf den Nachwuchs seines Herrn zu haben, natürlich ohne dabei zu aufdringlich zu werden. Inu Yasha war zwar gewöhnlich der umgänglichere Bruder, aber der Hitzkopf neigte dazu, rabiat mit Kritikern umzugehen. Der Halbdämon bemerkte durchaus, dass das Zimmer belagert wurde, störte sich aber nicht weiter daran. Sollte die kleine Kröte doch vor dem Zimmer auf und ab laufen, solange er keinen unnötigen Lärm veranstaltete und Sora oder Yoshihiro aufweckte. Die kleine Prinzessin hatte lange versucht, wach zu bleiben, um alles mitzubekommen, was eventuell passierte, um alles mitzubekommen, was eventuell an Nachrichten aus dem Norden kam, aber irgendwann hatte sie aufgeben müssen, sich auf ihrem Lager zusammengerollt und schlief nun tief und fest. Ihr Bruder hatte schneller aufgegeben. Aber er war nun auch wirklich zu klein, um irgendetwas davon zu verstehen, was gerade vor sich ging. Nachdem er seinen Onkel und seine Schwester einige Stunden lang einfach angestarrt hatte, hatte er leise geseufzt und die goldenen Augen geschlossen. Inu Yasha hätte sich den beiden gerne angeschlossen und auch ein wenig geschlafen, aber bei seinem Glück würde sein Bruder ihn dabei erwischen und dann würde dieser ihn wirklich erwürgen. Sesshoumaru hatte ihm sowieso noch nicht verziehen, dass Sora schwer verletzt und entführt werden konnte, während er sie bei einem Lehrausflug beaufsichtigt hatte, wenn der Jüngere jetzt noch einschlief, während er auf beide Kinder aufpassen sollte, würde nicht mal mehr der Fürst selbst seinen Ältesten von einem Mordanschlag abhalten können. Vielleicht auch gar nicht wollen. Der junge Prinz hätte es bis vor einigen Jahren niemals für möglich gehalten, dass sein Bruder sich jemals um jemand anderen sorgte als um sich selbst und vielleicht noch ihren gemeinsamen Vater, aber anscheinend bedeutete ihm auch seine Tochter etwas. Vielleicht sogar alles. Seufzend sah der Weißhaarige zu seiner Nichte, die sich im Schlaf auf die andere Seite rollte und die Hände unter den Kopf schob. Das Wesen der Kleinen war aber auch so einnehmend, dass nicht mal sein sonst so kaltherziger Bruder sich dem entziehen konnte. Hatte sie wohl von ihrer Mutter geerbt. Hana hatte sich auch um Inu Yasha gekümmert, als der noch ein Kind gewesen war, hatte aber freilich nie gewagt auch nur zu versuchen, ihm die Mutter zu ersetzen. Er lehnte sich zurück und sah wieder aus dem Fenster. Es war bereits nach Mittag. Seit mehr als einem Tag waren der Fürst, sein älterer Sohn und dessen Gefährtin jetzt im Norden. Und bis jetzt hatten sie noch keine einzige Nachricht von ihnen bekommen. Dass ihnen etwas passiert war, glaubte er zwar nicht wirklich, aber dennoch nagte ein ungutes Gefühl an seinem Magen. Der Fürst des Nordens hatte doch garantiert immer einen Plan B in der Hinterhand. Und dann noch zehn weitere Pläne, falls der erste wider Erwarten doch mal scheitern sollte. Er schüttelte etwas den Kopf, um diese düsteren Gedanken abzuwimmeln und wandte sich lieber wieder dem Sinnieren über die Familie zu, auch wenn es für ihn recht ungewöhnlich war, so viel nachzudenken, wenn er es sich so überlegte. Er war einfach nicht jemand, der viel nachdachte. Aber was sollte er momentan denn sonst tun? Eigentlich wäre er jetzt auch lieber im Norden und würde Akumaru und Ichiromaru diese fiesen Intrigen büßen lassen, anstatt hier rumzusitzen, auf die Kinder aufzupassen und nichts anderes zu tun zu haben, als über alles mögliche nachzugrübeln und sich fragen zu müssen, ob es wohl allen gut ging, ohne eine wirklich sichere Antwort zu kennen. Doch sein Bruder hatte sich klar ausgedrückt und der Halbdämon wollte ja auch am allerwenigsten, dass einem der Welpen noch einmal etwas zustieß. Auch wenn er seinen Neffen unheimlich fand, weil der Sesshoumaru schon so glich, obwohl er gerade mal etwas älter als einen Tag alt war. Nicht negativ unheimlich, aber es war einfach zu sehen, wo Yoshihiro her kam. Ob seine eigenen Kinder ihm eines Tages auch mal so ähneln würden? Ob er überhaupt irgendwann einmal das Glück haben würde, eine Frau zu finden, mit der er Kinder haben würde? Er dachte an die schwarzhaarige Miko, die in einem Dorf im Revier seines Vaters lebte. Kikyou. Kennengelernt hatte er sie vor einer Weile, bei einem seiner Streifzüge durch die Wälder. Sie war von einigen niederen Dämonen angegriffen worden, die ihr das Shikon no Tama, das Juwel der vier Seelen hatten abnehmen wollen. Erst hatte er eingreifen und ihr helfen wollen, dann aber gesehen, dass sie sich ganz gut alleine verteidigen konnte. Sie war eine äußerst fähige Priesterin, so hatte er sich im dichten Geäst eines Baums in der Nähe versteckt gehalten und ihr dabei zugesehen, wie sie läuternde Pfeile auf die Dämonen geschossen hatte. Dabei hatte er unwillkürlich gedacht, dass er diese Kraft nie gegen sich spüren wollte. Diese Frau könnte ihn umbringen und wohl auch seinem Vater und seinem Bruder gefährlich werden, ohne dass er an deren Fähigkeiten zweifeln wollte. Nachdem Kikyou ihre Angreifer aus dem Weg geräumt hatte, hatte sie in seine Richtung gesehen und Inu Yasha hatte sich intuitiv geduckt, aber sie hatte ihn schon längst bemerkt. „Bist du auch hinter dem Shikon no Tama her?“, hatte sie ihn gefragt. Er war es nicht. Er hatte schon von diesem Juwel gehört und sich auch schon einige Male gefragt, ob es ihm dabei helfen könnte, ein vollwertiger Dämon zu werden, um dann auch von seinem Bruder akzeptiert zu werden, aber wirklich dahinter her war er nicht. Die beiden hatten sich eine ganze Weile unterhalten. Und von da an hatten sie sich immer wieder getroffen, geredet. Kikyou hatte ihm ihre Geschichte erzählt. Dass sie mit ihrer Schwester durch das Land gereist war, um ihre spirituellen Fähigkeiten zu trainieren und dass sie sich recht schnell einen Namen gemacht hatte. Dass die Dämonenjäger sie vor einiger Zeit aufgesucht hatten, nachdem ein Dämon ihnen das Juwel der vier Seelen hatte stehlen wollen und dass sie daraufhin beschlossen hatten, dass dieses Schmuckstück in die Hände einer mächtigen Priesterin gelegt werden müsse, um es zu beschützen und rein zu halten. Kikyou war dann in diesem Dorf geblieben, hauptsächlich, damit ihre kleine Schwester ein Zuhause hatte, falls ihr doch mal etwas zustoßen sollte und weil sie selbst hoffte, doch ein einigermaßen normales Leben führen zu können, was für sie jedoch unerreichbar war. Sie konnte keine ganz normale Frau mehr sein, solange sie die Verantwortung für das Shikon no Tama trug. Und obwohl Inu Yasha sie kaum kannte und bis dato nie wirklich jemandem vertraut hatte – abgesehen von seiner Familie – war auch er offen zu ihr gewesen. Hatte ihr von seinem Leben erzählt, dass zwar viel schlimmer hätte laufen können, wenn er seinen Vater und seine Schwägerin nicht hätte, aber auch die beiden konnten ihn nicht vor allem beschützen, besonders wenn er unterwegs war, wurde er oft ausgelacht, verachtet und auch angegriffen. Kikyou war die erste Person außerhalb seiner Familie, der er seine verletzliche Seite zeigte, der es etwas ausmachte, wenn man ihn dafür verachtete, dass seine Mutter, die er nie hatte kennenlernen dürfen, ein Mensch gewesen war. Sie konnte verstehen, wie er sich dabei fühlte. Sie beide verband der Wunsch nach einem normalen Leben, das für sie unerreichbar schien. Aber konnte er sich vorstellen, mit ihr eine Familie zu gründen? Würde sein Vater das akzeptieren? Er wusste es nicht. „Onkel?“, riss Soras verschlafene Stimme ihn aus seinen Gedanken. Sie hatte sich aufgesetzt und rieb sich etwas die Augen. „Na, ausgeschlafen?“, fragte Inu Yasha. Sie zuckte mit den Schultern. „Gibt es irgendwelche Neuigkeiten?“ Er presste etwas die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. „Nein, noch nicht.“ Die kleine Prinzessin zog die Beine an, sodass sie im Schneidersitz saß. „Ob alles in Ordnung ist?“ „Bestimmt.“ „Bist du sicher?“ Der Halbdämon musterte sie kurz. „Nicht wirklich, nein.“ Sie senkte den Blick und starrte auf ihre Hände in ihrem Schoß. „Jetzt lass doch nicht den Kopf so hängen. Sie werden bestimmt bald zurückkommen oder uns zumindest eine Nachricht zukommen lassen. Wir müssen nur noch etwas Geduld haben.“ Seine Nichte nickte nur etwas, wirkte aber nicht überzeugt. Wie denn auch, wenn er es ebenfalls nicht war? Aber sie anlügen konnte und wollte er nicht. Sie war zu clever dafür, sie wusste, dass ihre Eltern und ihr Großvater in Gefahr waren. „Oh, dein Bruder ist wach“, bemerkte Inu Yasha überrascht. Sora sah zu ihrem kleinen Bruder, der in seiner Wiege lag und sich wieder im Zimmer umsah, ohne einen Ton von sich zu geben. „Irgendwie sieht er …“ Sie brach ab und legte den Kopf schief. „Er sieht aus, als wollte er irgendetwas … haben.“ Ihr Onkel schaute sich das Baby ebenfalls an, musterte den goldenen Blick, der jetzt auf ihm haftete. „Vielleicht hat er ja Hunger.“ Warum schrie dieses Kind nicht, wie Sora es in dem Alter ständig getan hatte? „Ich geh die Amme holen.“ Sesshoumarus Tochter wollte schon aufstehen, aber der Weißhaarige hob sofort die Hand. „Bleib da.“ Er stand auf und öffnete die Tür, sah zu Jaken, der sich heftig erschrak und nach einem Sprung in die Luft flach auf den Boden warf. „Geh und hol die Amme für Yoshihiro. Und die Heilerin“, befahl Inu Yasha. „Natürlich, Inu Yasha-sama, wie Ihr befehlt, Inu Yasha-sama“, erwiderte der Krötendämon und rutschte rückwärts einige Meter nach hinten, ehe er sich erhob und eilig davonlief. Der Halbdämon wusste, dass das bedeutete, dass der Diener Gedanken hatte, für die er leicht geköpft oder gevierteilt werden könnte, wenn er sie aussprechen würde. Jaken gehörte zu den Dämonen, die ihn nicht für voll nahmen, weil er „bloß“ ein Hanyou war. Na ja, was sollte es. Er zuckte mit der Schulter und ging dann wieder ins Zimmer zurück. „War ich auch so still als Baby?“, fragte Sora. Ihr Onkel hätte fast gelacht. „Nein, ganz und gar nicht. Du hast geschrien. Ununterbrochen. Als wäre jemand hinter dir her.“ „Ehrlich?“ „Oh ja. Du hast zwischendurch mal etwas geschlafen und wenn du die Augen aufgemacht hast, hast du wieder geschrien. Ich frage mich bis heute, wie deine Mutter es geschafft hat, dich nicht aus dem Fenster zu werfen. Oder mit einem Kissen zu ersticken.“ Er rieb sich etwas die Ohren, die allein bei der Erinnerung an diese Zeit wieder anfingen zu klingeln. „Wobei … wenn dein Vater dich mal auf den Arm genommen hat, warst du schlagartig still.“ Das Kind kicherte leise und betrachtete wieder ihren Bruder. „Woran das wohl gelegen hat?“ „Keine Ahnung. Vielleicht wusstest du, dass er dich wirklich aus dem Fenster geworfen hätte. Oder dich sofort wieder abgegeben hätte und gegangen wäre“, mutmaßte Inu Yasha und setzte sich wieder. Yoshihiro gähnte und strampelte mit den kleinen Ärmchen, als wollte er zeigen, dass er ungeduldig wurde. Sora streckte die Hand aus und er griff danach, steckte sich ihren Finger in den Mund, saugte daran. Als er merkte, dass da nichts rauskam, schien es, als wollte er ihr in den Finger beißen, aber da er noch keine Zähne hatte, war das eher lustig und kitzelte. „Habt ihr das mit mir auch gemacht?“, fragte sie ihren Onkel. „Ja. Einmal. Danach bist du nicht mehr darauf reingefallen und hast noch lauter geschrien, wenn wir es versucht haben. Du warst ein ganz schön anstrengendes Baby.“ „Vielleicht wird er das ja auch noch.“ „Er könnte zumindest überhaupt mal anfangen zu schreien“, meinte Inu Yasha, dem das überhaupt nicht behagte. Darum sollte auch lieber die Heilerin kommen. Wenn ihm nun etwas fehlte, er krank war … Daran wollte er momentan lieber gar nicht denken. Es klopfte leise und die Amme und die Heilerin kamen herein, verneigten sich vor dem Prinzen und der Prinzessin. „Ayaka, schau dir bitte Yoshihiro an. Er schreit überhaupt nicht“, sagte Inu Yasha und deutete leicht auf seinen Neffen. Die junge Dämonin verneigte sich erneut und kniete sich neben den neugeborenen Prinz, untersuchte ihn schnell und gründlich. „Dem jungen Prinzen scheint aber nichts zu fehlen, Inu Yasha-sama. Es geht ihm gut, er hat wohl einfach keinen Grund zu schreien.“ Der Halbdämon nickte erleichtert und die Heilerin entfernte sich wieder höflich. Er wandte sich ab, als die Amme dafür an ihre Arbeit ging und Yoshihiro in den Arm nahm, um ihn zu stillen. Es war eine Hundedämonin mittleren Alters, aus einer Region in den Bergen, wenn er sich recht entsann. Sora beobachtete nur kurz, wie die Amme ihren Bruder anlegte, setzte sich dann aber neben ihren Onkel, lehnte sich gegen ihn und sah ebenfalls aus dem Fenster. „Wurde ich auch von einer Amme gefüttert?“, wollte sie wissen. Der Weißhaarige überlegte kurz. „Ich glaube ja, zumindest zum großen Teil. Aber genau habe ich mich nicht darum gekümmert. Es war zumindest eine Amme im Schloss.“ Sie nickte etwas. „Warum?“, war dann die nächste Frage. „Es hat mich weder interessiert, noch ging es mich etwas an.“ „Nein, warum ich eine Amme hatte.“ „Keine Ahnung. So ist das einfach. Und Hana war auch schon kurze Zeit später wieder regelmäßig mit Akemi auf dem Übungsplatz.“ „Mmh“, machte das Kind nur. Vor acht Jahren war ihre Mutter schnell wieder auf dem Übungsplatz gewesen und hatte den Schwertkampf trainiert, jetzt musste sie wirklich kämpfen. Angst wollte in ihr aufsteigen, aber sie ließ es nicht zu und dachte lieber über andere Dinge nach, sah wieder zu ihrem Brüderchen. Es war wirklich unheimlich, wie ähnlich er ihrem Vater sah. Die Amme legte Yoshihiro wieder zurück in die Wiege und verneigte sich kurz. „Du solltest daran arbeiten, deinen Gesichtsausdruck unter Kontrolle zu halten“, meinte Sora spitz. Inu Yasha zog verwundert eine Augenbraue hoch, während die einfache Dämonin sich hastig sehr tief verneigte, und „Verzeihung, Inu Yasha-sama, Sora-hime-sama“ hervorstieß. Das kleine Mädchen verzog nur etwas das Gesicht. „Geh“, sagte sie dann kühl und die Amme verließ fluchtartig das Zimmer. „Was war denn?“, fragte der Halbdämon, obwohl er glaubte, die Antwort schon zu kennen. „Sie hat dich schräg angesehen“, erwiderte seine Nichte dann auch zögerlich. Er zuckte nur kurz mit der Nase und sah dann wieder nach draußen in den sich langsam rötlich färbenden Himmel, während die Kleine sich wieder gegen ihn lehnte und seinen Arm fasste. Sie hasste es, wenn jemand ihren Onkel verurteilte, nur weil er anders war. Vor allem verstand sie es nicht. Dann war er halt ein Halbdämon, na und? Er war trotzdem sehr lieb, ein guter Kämpfer, er kümmerte sich immer gerne um sie und würde alles für sie tun. Sie konnte sich noch daran erinnern, dass er sie, als sie noch kleiner gewesen war, auf seine Schultern gesetzt hatte und dann mit ihr durch den Schlossgarten gelaufen war. Natürlich nur, wenn ihre Eltern gerade nicht hingesehen hatten. Aber dass er so ein lieber Kerl war, ein so gutes Herz hatte, sahen die anderen nie. Sie sahen in ihm immer nur den Hanyou. Sora wusste, dass es ihm wehtat, wenn er mitbekam, dass jemand solche Gedanken über ihn hatte, aber sie hatte die Amme einfach in ihre Schranken weisen müssen. Sie wollte, dass alle wussten, dass sie ihren Onkel mochte und ihn so beschützen würde, wie er es für sie genauso tun würde. Und so würde diese blöde Gans hoffentlich besser darauf achtgeben, wie sie ihn ansah. Inu Yasha sah wieder zu Yoshihiro, der mit halb geschlossenen Augen an die Decke starrte. „Ob er auch aus dem Fenster sehen möchte?“, murmelte er. „Vielleicht.“ Die Prinzessin ließ seinen Arm los und betrachtete ihren Bruder ebenfalls. Der Halbdämon stand auf und überlegte kurz, wie er Sora damals hatte halten müssen, um sie nicht zu verletzen und auch sicher zu halten und nahm seinen Neffen dann vorsichtig aus der Wiege. „Meine Güte, ist der leicht.“ „War ich etwa schwerer?“, fragte Sora sofort. „Ich weiß nicht, dich hatte ich das erste Mal auf dem Arm, als du schon zwei Monate alt warst. Vorher wollte dein Vater das nicht, weil er befürchtete, dass ich dich fallen lasse.“ „Und das befürchtet er jetzt nicht?“ „Jetzt hat er mir nicht verboten, ihn hochzunehmen.“ Inu Yasha setzte sich wieder hin und positionierte Yoshihiro so, dass er aus dem Fenster sehen konnte. Sora saß auf seiner anderen Seite und nahm sachte die kleine Hand des Neugeborenen, berührte vorsichtig die kleinen, weichen Fingernägel, die einmal scharfe, lange Klauen werden würden. Der kleine Prinz musterte sie kurz und sah dann aber lieber mit großen Augen aus dem Fenster. Inu Yasha betrachtete die beiden Kinder und lächelte etwas. Dann sah auch er wieder in die weite Ferne, zu dem pinkfarbenen Himmel und hing seinen Gedanken nach. Irgendwann würde auch er Kinder haben. Das hoffte er zumindest. Dann würde er den ganzen Tag mit seinen Söhnen und Töchtern im Garten sitzen und die schöne Umgebung genießen und wenn sie älter wären, würde er mit ihnen den ganzen Tag im Wald spazieren gehen und ihnen die Welt zeigen. Abends würden sie dann nach Hause kommen, ob ins Schloss oder in eine einfache Hütte, war ihm egal. Hauptsache Kikyou würde dort auf sie warten. Sie würden gemeinsam zu Abend essen und dann die Kinder ins Bett bringen und ihnen beim schlafen zusehen. Sie als eine ganz normale Frau und er als ein ganz normaler Mann. Kapitel 35 ---------- Das Rudel der Wolfsdämonen des Nordens lebte in einer sehr großen Höhle, vor der ein großer Felsvorsprung eine Gelegenheit bot, sich in der Sonne zu entspannen oder auch Ausschau zu halten. Der Pfad zu der Höhle war ziemlich schmal, steil und steinig, sodass nicht jeder einfach so zu ihnen kommen konnte, schon gar nicht unbemerkt. In der Höhle selbst gab es einen kleinen, von Schmelzwasser erzeugten Wasserfall, der einen winzigen See nährte, aus dem die Wölfe trinken konnten und der so gut wie nie versiegte, selbst im Winter nicht. Ganz hinten gab es einen kleinen, schmalen Ausgang, durch den die Dämonen und Tiere sich zwängen konnten, um mitten im Gebirge zu landen. Derzeit war es ziemlich ruhig im Rudel. Sie hatten erst vor wenigen Stunden alle gemeinsam etwas gefressen, was sie sich in den Bergen und auch in den flacheren Gebieten dahinter gejagt hatten und nachdem der Rudelführer einige seiner Leute dazu abkommandiert hatte, die abgenagten Knochen wie üblich in einer tiefen Felsspalte zu entsorgen, hatte er sich mit den übrigen Wölfen auf dem Felsvorsprung in die wärmenden Sonnenstrahlen begeben, um sich etwas auszuruhen. Der Winter lag zwar noch nicht sehr lange zurück, aber trotzdem hatte die Sonne schon einige kraft. Da würden sie darauf achten müssen, wo das Schmelzwasser aus den höheren Regionen sich einen Weg hinab suchte und notfalls den Hinterausgang verschließen, damit die Höhle nicht überflutet wurde, was durchaus schon vorgekommen war. Der Rudelführer lehnte sich entspannt gegen einen Felsblock und reckte das vernarbte Gesicht in die Sonne. Er war schon recht lange in seiner Position, hatte sie sich hart erkämpfen und auch schon diverse Male verteidigen müssen, was ihm mittlerweile auch deutlich anzusehen war, gerade im Gesicht. Aber auch so war er durchaus nicht mehr der Jüngste. Wäre er ein gewöhnliches Rudelmitglied, hätte er sich schon längst zu den ehemaligen Kriegern, den Ältesten begeben. Das war der Teil des Rudels, der nur noch in Kämpfe zog, wenn es unbedingt notwendig war und stattdessen hauptsächlich die Höhle verteidigte. Um die Ältesten wurde sich immer gut gekümmert, schließlich hatten die früher ständig ihr Leben für das Rudel riskiert. „Äh … Akihito?“, fragte ein junger Wolfsdämon zögerlich. Der Rudelführer verzog etwas das Gesicht und öffnete eines seiner meerblauen Augen, das zweite erst, als er sah, dass es sein Neffe war, der ihn störte. „Was ist los?“ „Ich … ich bin mir nicht ganz sicher, was da vor sich geht, aber du solltest … vielleicht mal einen Blick in den Talkessel werfen. Die Hunde sind jetzt offenbar … durchgedreht oder so. Und werden von Paradiesvögeln gejagt.“ Sofort sprang Akihito auf und trat an den Rand des Felsvorsprungs, von wo aus er zu dem weitläufigen Talkessel sehen konnte, in dessen Mitte das Schloss der Hunde lag. Verwundert zog er eine Augenbraue hoch. Tatsächlich näherte sich eine ziemlich große Gruppe den Bergen, angeführt von dem jungen Hundeprinzen. Den erkannte jeder Dämon im Norden, nur diese Familie hatte diese blauen Haare. Hinter der Gruppe war tatsächlich auch der Schwarm der Paradiesvögel zu erkennen, die allerdings noch davon abgehalten wurden, dass Ichiromaru und zwei andere Dämonen, die hinter dem großen Gefolge gingen und aus der Entfernung nicht genau zu erkennen waren, ihre Energie in unregelmäßigen Abständen auf die Vögel jagten. Was hatte das denn bitte zu bedeuten? Hatten die Hunde etwa die Paradiesvögel angegriffen und dann Angst vor ihnen bekommen? Ob das etwas mit dem Erdbeben zu tun hatte, das vor einiger Zeit zu spüren gewesen war? Und wo war eigentlich dieser verblödete Fürst? Mmh. Der Wolfsdämon fand, dass er sich das doch mal aus der Nähe ansehen sollte. Immerhin hatten die Paradiesvögel die Wölfe zum fressen gern. Im wahrsten Sinne des Wortes. Schnell sah er sich um und winkte zwei seiner Krieger heran. „Ihr zwei kommt mit mir“, sagte er, ehe er sich an das restliche Rudel wandte: „Geht alle zurück in die Höhle. Frauen mit Kindern nach hinten, beschützt sie, falls nötig, wobei das hoffentlich nicht notwendig sein dürfte.“ Mit gewisser Zufriedenheit stellte er fest, dass sein Rudel weder Fragen stellte, noch in Panik geriet, sondern einfach gehorchte und sich in die Höhle zurückzog. Akihito selbst sprang in weiten Sätzen den Pfad hinab, dicht gefolgt von seinen beiden breitschultrigen Kriegern. Die unerwarteten Gäste waren gerade so nah, dass Ichiromaru es hören würde, würde er schreien. Mit einer schnellen Handbewegung bedeutete er seinen Leuten, ihm zu folgen. Die Paradiesvögel waren noch recht weit entfernt und würden für die Wölfe hoffentlich keine größere Gefahr darstellen, solange die Daiyoukai sie beschäftigt hielten. Der junge Prinz wandte nur kurz den Kopf, als er die Wolfsdämonen, konzentrierte sich dann aber wieder auf die Vogeldämonen. Der Anführer schien bemerkt zu haben, dass er das Ziel von Sesshoumarus und Hanas Angriffen war und hatte seinem Schwarm befohlen, ihn zu schützen. Jetzt sammelten sich die kleineren Paradiesvögel um den einen größeren und bildeten so einen Schutzwall. „Dürfte ich erfahren, was euch alle herführt?“, fragte Akihito. „Schickt Fürst Akumaru euch?“ Der Prinz hätte fast geschnaubt. „Nein, er hat uns nicht geschickt. Wir fliehen vor ihm, für den unwahrscheinlichen Fall, dass er noch leben sollte und möchten euch bitten, dem Schlosspersonal des Nordens Unterschlupf zu gewähren, zumindest bis die Paradiesvögel es aufgeben, uns anzugreifen.“ „Warum flieht ihr vor eurem Fürsten? Vor deinem Vater?“ „Wir haben ihm den Rücken gekehrt.“ „Nennt man das nicht Hochverrat? Und wenn wir euch helfen, machen wir uns genauso schuldig.“ Ichiromaru warf dem Wolfsdämon einen kurzen, kalten Blick zu und jagte seine Energie wieder auf die Paradiesvögel. „In meinem Gefolge befinden sich neben den Dienern und Beamten auch alle Samurai des Nordens. Und die des Westens. Sesshoumaru und Hana haben die Nachhut gebildet. Willst du wirklich darüber diskutieren, ob du uns jetzt helfen willst oder ob du dich zu sehr vor der Rache eines einsamen Fürsten befürchtest, von dem nicht mal sicher ist, ob er überhaupt noch lebt?“ „Meine Fragen sollten keinesfalls Zurückhaltung oder Ablehnung ausdrücken“, sagte der Anführer der Wölfe ruhig. „Ich wollte nur sichergehen, dass allen hier klar ist, worauf sie sich eingelassen haben.“ Der Hundedämon gab nur ein Grummeln von sich, das Schwert schon wieder im Anschlag. „Meine Krieger werden deine Leute in die Höhle bringen.“ Akihito winkte seinen beiden Kriegern, die sofort wieder den Berg hinauf eilten, um ihre Kameraden zu holen. Sesshoumaru warf einen kurzen Blick in Ichiromarus Richtung, als der Wind ihm den Geruch von den Wolfsdämonen zutrug. Was genau sein Schwager mit dem Leitwolf besprach, konnte er nicht hören, aber da keiner der beiden Anstalten machte, sich auf den anderen zu stürzen, schätzte er, dass die Wölfe sich nicht querstellen würden und er nicht gleichzeitig an zwei Fronten kämpfen müsste. Also konnte er sich voll und ganz auf die missratenen Vögel konzentrieren. Irgendwie bewerkstelligten es diese plumpen Mistviecher, den Angriffen auszuweichen oder nicht davon getötet zu werden. Das war wirklich lästig. Aber besorgniserregender war es, dass Hanas Angriffe langsamer kamen und schwächer wurden. Sie war noch immer von dem Kampf gegen ihren Vater angeschlagen und verfügte grundsätzlich nicht über die gleiche Kraft wie er. Dasselbe galt für Ichiromaru. Für den vielleicht noch mehr. Er war jung und unerfahren. Irgendwas musste der Prinz des Westens sich einfallen lassen, um die Vogeldämonen schnell loszuwerden. In der Zwischenzeit war Akumaru nicht mehr allzu weit von seinem Schloss entfernt. Oder von dem, was davon übrig geblieben war. Mit ein bisschen Glück müsste er die drei Welpen gar nicht mehr selbst umbringen, weil die Flut und die Paradiesvögel das für ihn übernommen hatten. Dann würde er ihnen nur noch die Köpfe abtrennen, um Sou'unga zu beweisen, dass sie tot waren. Würde das Schwert ihm eine andere Prüfung stellen, wenn er ihm sagte, dass er die drei Fürstenkinder gar nicht selbst umgebracht hatte? Würde der Drachengeist es bemerken, wenn er log? Eigentlich merkte das niemand, weder seine Gefährtin, noch sein Sohn oder gar irgendwelche Fremden. Seine Tochter hatte ein recht feines Gespür für seine Lügen gehabt, als sie noch im Norden gelebt hatte, aber auch sie hatte er oft genug täuschen können. Doch Sou'unga schien seine Gedanken und Emotionen zu kennen. Er würde es sehen, wenn es soweit war. Der Daiyoukai verlangsamte sein Tempo, als er über dem Talkessel war. Mittlerweile floss das Wasser, dass sich jahrhundertelang unter den Bergen angesammelt hatte, nur noch langsam und hatte keine wirkliche Zerstörungskraft mehr, aber der riesige, noch schlammige See wuchs trotzdem stetig, hatte schon den halben Kessel gefüllt. Ob es ein See bleiben würde? Vielleicht würde das Wasser aber auch über kurz oder lang wieder verschwinden, je nachdem wie regelmäßig Schmelzwasser nachfloss. Von seinem Schloss dürfte jedenfalls nichts übrig geblieben sein. Fragte sich nur, was mit den Dienern und Samurai passiert war. Nur wenige hochrangige Dämonen konnten schwimmen; Daiyoukai mussten es selten, da sie sich einfach in die Luft erheben konnten, aber niedere Youkai konnten nichts davon, weder fliegen noch schwimmen. Vielleicht waren sie alle ertrunken, falls sie nicht von den Trümmern erschlagen worden waren. Na ja, dann müsste er sich eben neues Schlosspersonal suchen, auch wenn es um den einen oder anderen Krieger schon in gewisser Weise schade war. Endlich kam er zu der Stelle, an der er früher gewohnt hatte. Das Wasser stand hier schon einige Meter hoch, die Bäume, die nicht weggerissen worden waren, waren kaum noch zu erkennen. Zwischen den Trümmern der Gebäude erkannte Akumaru hier und da einige Papiere, die im Wasser trieben. Aber sonst nichts. Keine Leichen, niemand, der sich an den Trümmerteilen festhielt und um sein Leben kämpfte. Die lagen doch hoffentlich nicht alle am Grund des Wassers, oder? Aber wo waren sie dann? Wie hatten sie alle fliehen können? Der Inu-Youkai riss kaum merklich die Augen auf. Was, wenn diese vermaledeiten Welpen das ganze, wirklich das ganze Schloss durchsucht und das Buch der Geheimnisse des Nordens gefunden hatten? Verdammt, daran hatte er zugegeben überhaupt nicht gedacht. Er hatte zwar keinem seiner Kinder jemals von dem Buch oder überhaupt von dem Raum, in dem die alten Papiere abgelegt wurden, erzählt, aber die Beamten, die die Papiere dort unterbrachten, wussten natürlich über das versteckte Zimmer hinter der Bibliothek und die hatten ungefähr so viel Rückgrat wie ein Grashalm. Wenn der Nachwuchs das Buch in die Finger bekommen und auch darin gelesen hatte, dann hätten sie durchaus von dem unterirdischen, magisch verstärkten Staudamm und den gewaltigen Wassermassen dahinter gewusst und daraufhin beschlossen haben, das Schloss zu verlassen, ehe sie nasse Füße bekamen. Akumaru knurrte leise. Wenn die missratene Brut diesen Teil der Geheimnisse des Nordens kannte, dann wussten sie vermutlich auch von dem anderen Teil, den er auf losen Papierseiten aufgeschrieben und zu einem Paket verschnürt in Hanas alten Gemächern versteckt hatte. Als sie noch darin gewohnt hatte, hatte sie dort immer Erinnerungsstücke an ihre Mutter aufbewahrt – was absolut lächerlich und fast schon menschlich von ihr gewesen war. Nachdem er sie weggeschickt hatte, hatte er beschlossen, das Fach unter dem losen Dielenbrett für seine Zwecke zu benutzen und dort Sachen zu verstecken, die nur ihn etwas angingen. Ein Teil von ihm bedauerte es ein wenig, dass er einen – wenn auch kleinen – Vermerk darüber in das große, ledergebundene Buch gemacht hatte, für den Fall, dass er doch einmal sterben sollte. Die Informationen waren nur für die Augen des amtierenden Fürsten bestimmt. Aber wo waren alle hingegangen? In welche Richtung waren sie geflohen? Der Nordfürst stieg wieder höher in die Luft und ließ seinen Blick über sein Reich gleiten. Wenn die Welpen von der Flut gewusst hatten, waren sie einfach nur aus dem Talkessel rausgelaufen, egal wohin. Auf seinem Weg hatte er nichts bemerkt und eine so große Gruppe konnte man nur schwer übersehen und eine so große Anhäufung dämonischer Energien konnte man nur schwer nicht wahrnehmen. Von ihm aus westlich gelegen lag bloß brache Landschaft mit einigen kleinen Siedlungen und dann das Meer, an dem es außer Sand und Salzwasser bloß ein paar Fischerdörfer gab. Hundedämonen waren für gewöhnlich keine großen Freunde des Meeres. Salzwasser erschwerte das genaue Wittern, was vielen – nicht ihm – deutlich zu schaffen und sie angreifbar machte. Sein Sohn gehörte wohl definitiv zu diesen Schwächlingen. Sesshoumaru dagegen eher weniger und der würde wohl den Ton angeben und sich nicht darum kümmern, dass alle anderen nichts mehr riechen konnten. Vielleicht war der Erbprinz aber auch in Richtung Süden gegangen, in das Revier, dass Akumaru sich jetzt endlich unter den Nagel reißen würde, wo er es nach langer Zeit schließlich doch noch geschafft hatte, seinen Cousin zu töten. Die letzte Möglichkeit war, dass sie nach Osten geflohen waren, in eine bergigere Region, in der sie etwas Deckung finden könnten. Aber Deckung zu finden war für eine so große Gruppe recht schwer. Und auch eigentlich nicht nötig, kaum jemand war so risikofreudig eine Gruppe anzugreifen, die von drei Daiyoukai und zwei Dämonenheeren begleitet wurde, auch wenn die drei Daiyoukai noch jung und zwei von ihnen angeschlagen waren. Die logischste Schlussfolgerung war, dass Sesshoumaru die Gruppe in den Westen geführt hatte, auf ihm vertrautes Gebiet. Obwohl … wenn diese jungen Hunde wussten, dass die Paradiesvögel das Schloss angreifen wollten, könnten sie doch nach Deckung suchen, um die Verluste möglichst gering zu halten. Dieses Federvieh war nämlich bekanntermaßen naiv genug, sich auf eine solche Reisegruppe zu stürzen. Die Paradiesvögel hatten den Fürsten des Nordens schon immer gehasst. Er hinderte sie daran, seine sowieso schon wenigen und recht armen Steuerzahler zu fressen, schickte ihnen aber dafür hin und wieder mal jemanden, den er nicht mehr brauchte oder der zu viel wusste oder der Fragen stellte. Dummerweise mochte der Anführer der Vögel es nicht, dass seine Untergebenen heimlich für diese Drecksarbeit missbraucht und als die hirnlosen Fress- und Tötungsmaschinen hingestellt wurden, die sie ja doch waren. Ein Spion hatte Akumaru mitgeteilt, dass die Paradiesvögel einen Aufstand planten und das Schloss angreifen wollten, sobald sie mitbekamen, dass der Fürst nicht da war. Das war zwar ein Beweis für die Vorurteile dieser Rasse gegenüber, aber das schien diese dummen Tiere nicht zu stören. Und es war ein weiterer Grund für ihn gewesen, den Kampf zu deren Nest zu verlegen. Wenn die Welpen das wussten, waren sie vielleicht eher nach Osten gezogen. Akumaru zuckte mit der Schulter. Sehen konnte er nichts Auffälliges, das Wasser hatte alle Geruchsspuren weggespült und selbst eine große Ansammlung dämonischer Energien wie diese konnte man nicht wahrnehmen, wenn sie zu weit weg war. Ihm blieb wohl nichts anderes übrig, als den immer größer werdenden See zu umrunden und dabei nach einer Spur zu suchen. Was er nicht alles für Umstände auf sich nahm, um Sou'unga zu beweisen, dass er ein würdiger Träger und Kampfpartner war. Na hoffentlich erwies ihm das Schwert dafür gute Dienste. Den Norden und den Westen zu beherrschen war ja schön und gut, aber warum sollte er sich damit zufrieden geben, wenn er auch noch den Süden und den Osten an sich reißen konnte? Und danach würde er auf dem Festland weiter machen. Die Herrscher dort nervten ihn sowieso, also konnte er sie auch aus dem Weg räumen. Wenn er schon mal dabei war. Gleißendes Licht umgab ihn und seine Gestalt verschwamm, wuchs und wurde zu einem großen Hund. So würde er hoffentlich schneller sein, auch wenn es für ihn mehr als unangenehm war, dass sein Fell schmutzig und blutverkrustet war und in alle Richtungen abstand. Er sah aus wie ein Straßenköter. Aber kurz in den See unter ihm abzutauchen würde den Dreck auch nicht wegspülen. Das Wasser war ebenfalls nicht sauber, sondern schlammig. Na ja, dann musste er da halt durch. Für Sou'unga. Akumaru überlegte kurz und wandte sich dann in Richtung Meer. Er würde dort anfangen zu suchen, auch wenn es unwahrscheinlich erschien, dass seine Opfer dort waren. Denn vielleicht waren sie genau deshalb doch dorthin gegangen oder hofften, dass Akumaru sie durch den Geruch des Salzwassers nicht wittern konnte. Mittlerweile hatten die Krieger der Wolfsdämonenrudels die wehrlosen Diener und Beamten sicher in ihre Höhle gebracht und mit den Samurai der beiden Hundeclans Stellung auf dem Felsvorsprung davor bezogen, für den Fall, dass die Paradiesvögel doch näher herankamen. Hana und Ichiromaru standen ein Stück voneinander entfernt auf dem Zugangspfad und versuchten, so schnell wie möglich ihre magischen Fähigkeiten zu regenerieren, um einen Bannkreis zu errichten, während sie Sesshoumaru beobachteten, der in seiner Hundegestalt versuchte, die Vogeldämonen auseinander zu treiben, um an den Anführer zu kommen. Diese neue Taktik war riskant. Wenn die Paradiesvögel auseinander stoben, war es schwieriger, sie alle im Auge und auf Abstand zu halten, aber dafür bewiesen die diversen toten Vögel und die umherfliegenden Federn, dass der Erbprinz mit Zähnen und Krallen mehr gegen die Gegner ausrichten konnte, als mit Energieangriffen, auch wenn die gut gezielt waren. Plötzlich meldeten sich bei allen, den Wölfen, den Kriegern, den Dienern, den Paradiesvögeln und den Fürstenkindern, die Überlebens- und Fluchtinstinkte. Die beiden Halbgeschwister auf dem Pfad schienen zu erbleichen. Sie alle spürten, dass sich ein mächtiger Dämon näherte. Ein so mächtiger, dass es nur ein Fürst sein konnte. Die Vögel waren kurz abgelenkt und sahen sich verschreckt um, um zu sehen, wer sich da näherte, was Sesshoumaru sofort ausnutzte und mit Krallen und Zähnen einige weitere aus dem Weg räumte, sodass er dem größten Dämon näher kam. Sehr nah. Doch als er gerade mit der Pranke ausholte, um zuzuschlagen, wich die Schreckstarre aus dem Paradiesvogel und er wich aus. Anstatt nachzusetzen, verwandelte Sesshoumaru sich wieder zurück und sprang nach hinten auf den Bergpfad neben seine Gefährtin, die die Zähne zusammengebissen hatte und angespannt in die Richtung starrte, aus der sich der Fürst näherte. Nur wenige Momente später klärte sich die Ungewissheit darüber, wer da näher kam, doch alle Anwesenden wünschten sie sich im gleichen Augenblick zurück. In einiger Entfernung, doch immer noch viel zu nah, verwandelte sich der Fürst in seine humanoide Gestalt zurück. Akumaru. Kapitel 36 ---------- Die Krieger der Wolfsdämonen und die Samurai der beiden Hundedämonenclans waren angespannt zurückgewichen, die Soldaten hatten ihre Waffen so fest gepackt, dass die Knöchel an ihren Fingern weiß hervorstanden. Ichiromaru war näher zu seiner Schwester und seinem Schwager getreten, alle drei hatten die Hand am Schwertgriff und starrten regungslos zu der Ebene vor ihnen. Die Paradiesvögel wagten es ebenfalls nicht, sich zu bewegen. Die einzigen Geräusche, die die Stille zerrissen, waren das Rascheln der Flügel der Vogeldämonen und das leise Pfeifen des Windes, der von den Bergen her wehte. Auf der Wiese vor den Bergen stand Akumaru. Seine Kleidung und sein Haar waren schmutzig und blutverschmiert und verrieten schon auf den ersten Blick, dass er einen harten Kampf hinter sich hatte, aber er stand sehr aufrecht, seine Hände hingen entspannt herunter und ein leichtes, spöttisch-kaltes Lächeln umspielte seine Lippen, seine Augen funkelten kalt und berechnend. Der Fürst betrachtete seinen Schwiegersohn abschätzend. Den schätzte er als den härtesten Gegner unter den drei Welpen ein. Das musste er seinem Cousin ja lassen: Sesshoumaru war ziemlich gut erzogen und ein talentierter Kämpfer. Hoffentlich hatte er das an seinen Sohn weitervererbt. Es wäre doch schon ein bisschen schade, wenn dieses Talent restlos aussterben würde. Seine eigenen Kinder würden keine Bedrohung oder auch nur eine größere Herausforderung darstellen. Selbst aus dieser Entfernung konnte er erkennen, dass sie beide erschöpft waren und keinen harten Kampf mehr durchstehen konnten. Es würde nur von Anfang an mit vollem Einsatz kämpfen und ein hohes Tempo vorlegen müssen, anstatt erst noch mit ihnen zu spielen, dann wäre das ganz schnell beendet. Den weißhaarigen Prinzen aus dem Weg zu räumen würde schon anstrengender werden, Akumaru war selbst nicht in Höchstform. Aber vielleicht ließ der Jüngling sich ja emotional ablenken, indem man ihm mitteilte, dass er momentan genau genommen Fürst war. Wobei … besser nicht zu sehr darauf rumreiten. Sesshoumaru war sehr loyal seinem Vater gegenüber und würde alles daran setzen, um ihn zu rächen. Besser kein Risiko eingehen und ihn unberechenbarer machen, als er sowieso schon war. Akumaru wollte das hier lieber schnell über die Bühne bringen, um endlich Sou'unga aus dem Felsenkessel zu holen und den Westen endgültig für sich zu beanspruchen. Auch wenn es mehr Spaß machen würde, ein wenig mit den drei Welpen zu spielen und sie zu quälen. Na ja, dann würde er sich das eben für das nichtsnutzige Halbblut seines Cousins aufheben. Auch wenn das wohl schneller aufgeben würde als die drei jungen Hunde vor ihm. Tja, dann blieben ihm immer noch die anderen Fürsten. Sora zuckte heftig zusammen, als ihr Onkel plötzlich nieste und sich gleichzeitig mit der flachen Hand gegen den Hals schlug. Seit Stunden hatte nachdenkliche Stille zwischen ihnen geherrscht, in der sie entweder aus dem Fenster oder zu Yoshihiro gesehen hatten, der bei dem unerwarteten Lärm die Augen aufgerissen hatte und Inu Yasha jetzt einen Blick zuwarf, bei dem der sofort das Gefühl bekam, sich flach auf den Boden werfen, um Verzeihung bitten und um Gnade flehen zu müssen. Den Blick kannte er von seinem Bruder. Ziemlich gut sogar. Der Halbdämon schüttelte sich etwas, um das unangenehm prickelnde Gefühl loszuwerden und sah zu Myouga, der geplättet am Boden lag und die Augen verdrehte. „Wolltest du etwas Bestimmtes? Außer von mir geschlagen zu werden?“, fragte er und warf einen kurzen Seitenblick auf seinen Neffen in der Wiege. Ja, der schaute ihn immer noch an. Gruseliges Kind. „Hast du irgendwelche Neuigkeiten, Onkelchen?“, fragte Sora und sah den Flohgeist hoffnungsvoll an. Der richtete sich wieder auf und erwiderte den Blick der Prinzessin bedauernd. „Leider nein, Sora-hime-sama.“ Und als er das enttäuschte, traurige Gesicht der Kleinen sah: „Aber ich bin mir sicher, dass alles in Ordnung ist und sie bald alle wieder nach Hause kommen.“ Schließlich war sein Herr im Besitz des Höllenschwertes. Da konnte er doch nicht verlieren und wenn es um seine Familie und sein Reich ging, würde er auch die volle Kraft des Drachen entfesseln, oder? Inu Yasha zog ungeduldig eine Augenbraue hoch. „Weswegen bist du hier?“, wiederholte er. „Verzeiht, Inu Yasha-sama. Ich wollte mich lediglich erkundigen, ob ich etwas für Euch und Sora-hime-sama tun kann und … ob Ihr wünscht, die Liste der Dämoninnen einzusehen, die Hana-hime-sama ähnlich sehen“, sagte der kleine Diener. Der Prinz verengte etwas die Augen. „Will die Fürstin die Liste nicht sehen?“ Myouga brach der kalte Schweiß aus. „Ähm … ich … Inu Yasha-sama, ich …“ Der Weißhaarige verstand und ein süffisantes Lächeln umgab seine Lippen. „Du hast sie gar nicht gefragt, nicht wahr? Weil sie mit den Details der Verschwörung nicht sehr vertraut ist oder weil sie Hana trotzdem einen Strick daraus drehen könnte?“, wollte er wissen. „Weil sie mit den Details der Verschwörung nicht sehr vertraut ist“, erwiderte Myouga sofort. Etwas zu schnell und etwas zu zittrig, um glaubhaft zu sein, aber nun gut. „Ja, bring mir die Liste, ich kann sie mir ja mal ansehen“, meinte der Weißhaarige. So hätte er wenigstens etwas zu tun. „Myouga-jii?“ Sora richtete sich etwas auf. „Du könntest tatsächlich etwas für mich tun.“ Die Miene des Beraters hellte sich sofort auf. „Natürlich, Sora-hime-sama. Ich werde alles tun.“ „Das ist gut. Geh in den Norden und sieh nach, was da los ist.“ Er wurde kreidebleich und der Halbdämon unterdrückte mühsam ein Lachen. „Ähm, Sora-hime-sama, verzeiht, aber … ich habe, wie Ihr seht, bloß eine geringe Körpergröße und … ich bräuchte gewiss eine sehr lange Zeit, um den Norden zu erreichen und … bis ich dann wieder da wäre …“ „Dann nimm Jaken und den zweiköpfigen Reitdrachen meines verehrten Vaters mit, dann seid ihr schneller“, antwortete die Prinzessin. Auf dem Flur war ein erschrecktes Aufkeuchen, ein dumpfer Aufprall, dann ein kratzendes Geräusch gefolgt von zwei weiteren Aufschlägen zu hören. Inu Yasha stand auf und öffnete die Tür, um zu sehen, was los war. An der gegenüberliegenden Wand lag Jaken am Boden, mit dem Kopf in Richtung Zimmer, einer Beule an der Stirn und halb geschlossenen Augen. „Hast du gelauscht?“, fragte der Prinz grinsend. Der Krötendämon raffte sich eilig auf und drückte die schmerzende Stirn gegen den Boden. „N-nein, Inu Yasha-sama, das würde ich niemals wagen“, stammelte er. „Du weißt, dass ich jede Lüge erkennen kann, oder?“ Der halbdämonische Prinz verschränkte die Arme vor der Brust. „Ja, ich habe gelauscht, Inu Yasha-sama, seit Myouga in das Zimmer gegangen ist.“ „Und du möchtest nicht in den Norden?“ „Oh nein, auf keinen Fall. Da ist es gefährlich. Da sind zwei wütende Fürsten, die sich gegenseitig umbringen wollen, da will ich auf keinen Fall in die Schusslinie geraten.“ Sora lehnte sich neben ihren Onkel in den Türrahmen. „Aber Jaken, mein Vater ist doch da und meine Mutter. Ich will doch nur wissen, wie es den beiden geht und ob … sie überhaupt noch … leben.“ Ihre Stimme klang weinerlich und zitterte. Myouga sprang an Jakens Seite. „Aber, Sora-hime-sama … bitte versteht uns. Wir sind keine großen Kämpfer, wir können uns nicht mal richtig verteidigen und darum … ist das sehr gefährlich für uns, in ein Gebiet zu ziehen, in dem Daiyoukai miteinander kämpfen. Äußerst mächtige Daiyoukai.“ Die kleine Prinzessin seufzte lautlos, straffte sich und verengte etwas die Augen. „Ich hab nicht gesagt, dass ihr euch in den Kampf stürzen und alle fragen sollt, was los ist. Ihr sollt aus der Distanz beobachten, was da los ist. Und wenn ihr jetzt nicht gehorcht, werde ich euch sofort bei meiner Großmutter melden und später auch bei meinem Großvater. Und meiner Mutter. Und meinem Vater.“ Die beiden Diener wichen unwillkürlich weiter zurück und schluckten. „Natürlich, Sora-hime-sama, wir gehen sofort.“ „Myouga, bring mir erst noch die Liste“, erinnerte Inu Yasha den Flohgeist und ging zurück ins Zimmer, dicht gefolgt von Sora, die die Tür wieder schloss. „Du kannst ganz schön unheimlich sein.“ „Ich weiß, was ich will und wie ich es kriege“, erwiderte seine Nichte. „Außerdem halte ich diese Ungewissheit einfach nicht mehr aus. Ich werde noch wahnsinnig.“ „Ja, aber findest du nicht, den beiden mit deiner Großmutter zu drohen war etwas zu gemein?“ Sie verdrehte die Augen und ließ sich auf ihr Lager fallen. „Wenn du nicht nur grinsend daneben gestanden hättest, hätte ich mit dir drohen können“, sagte sie . „Wenn ich das nicht mit Humor nehmen kann, drehe ich noch durch. Und Jaken ist tatsächlich gegen die Wand gerannt. Er hat eine dicke Beule an der Stirn.“ „Onkel, ich bin acht und ich finde das nicht wirklich lustig. Sollte dir das nicht zu denken geben?“ Inu Yasha verzog etwas die Mundwinkel. „Sora, ich weiß, dass diese Ungewissheit furchtbar ist. Mir geht es auch auf die Nerven, dass wir nichts erfahren und ich finde deine Idee, Jaken und Myouga loszuschicken, wirklich ausgezeichnet. Aber jetzt lass den Kopf nicht mehr hängen und sei nicht mehr so griesgrämig. Das passt nicht zu dir. Es passt eher zu deiner Großmutter“, meinte er und setzte sich wieder in den Schaukelstuhl. Yoshihiro sah ihn wieder an, aber diesmal nicht ganz so böse. Eher auffordernd. Sein Onkel begann, die Wiege mit dem Fuß schaukeln zu lassen und das Baby schloss zufrieden die Augen. „War ich als Baby wirklich ganz anders?“, fragte die Prinzessin. „Ganz am Anfang ja. Aber nach ein paar Monaten … da hast du nicht mehr ganz so viel geschrien und deine Blicke haben dann auch immer … meistens … etwas ausgedrückt, was wir auch verstehen konnten. Aber du hast nie versucht, mich mit den Augen zu erdolchen.Und du hast zwischendurch so quietschend gelacht. Ich glaube, wenn Yoshihiro jemals so lachen sollte, dann nur weil jemand Ärger bekommt. Oder gegen die Wand rennt. Dieses Kind … ist unheimlich. Du bist süß.“ „Ich bin immer noch süß. So bekomme ich, was ich will“, sagte Sora und betrachtete ihren kleinen Bruder. „Ich finde, er ist gar nicht so unheimlich. Er merkt wohl einfach nur, dass etwas nicht stimmt und weiß nicht, wie er damit umgehen soll. Yoshihiro merkt das einfach.“ „Meinst du? Wie sollte er das denn merken? Er ist einen Tag alt.“ „Und trotzdem merkt er, dass er eigentlich nicht in meinem Zimmer in einer Wiege liegen sollte, während seine Schwester und sein Onkel auf ihn aufpassen und ihn schaukeln, sondern in Mamas oder seinem eigenen Zimmer, während unsere Eltern ihn wiegen und ihn betrachten. Er weiß, dass diese Situation falsch ist. Er ist einsam.“ Inu Yasha schwieg. Natürlich war diese Situation falsch. Eigentlich sollten sein Bruder und seine Schwägerin hier sein. Sie sollten sich um ihren kleinen Sohn kümmern und wie vor fast neun Jahren vor Glück und Stolz fast platzen, anstatt im Norden zu sein und wer weiß was zu machen. Eigentlich sollte sein Vater hier sein und die fürstlichen Pflichten erfüllen und sich immer wieder davor drücken und zu seinem Enkel stehlen. Es sollte friedlich sein, wie nach Soras Geburt und nicht … so wie es war. Es klopfte leise und Jaken und Myouga kamen herein. Beide versuchten vergeblich, ihren unglücklichen Gesichtsausdruck zu unterdrücken, was der Halbdämon verständlich, aber dennoch unterhaltsam fand. Für die beiden war es wirklich nicht ganz ungefährlich, jetzt in den Norden zu reisen, aber irgendwie mussten sie ja an Informationen kommen. Der kleine Krötendämon kam langsam näher und übergab dem Halbbruder seines Herrn eine Schriftrolle. „Die Liste, die Ihr sehen wolltet, Inu Yasha-sama“, sagte Myouga. „Danke.“ Der Prinz warf einen raschen Blick auf den Kopfstab, den Sesshoumaru seinem Diener wohl mal gegeben hatte. „Ihr fliegt nur schnell in den Norden, verschafft euch einen Überblick und kommt dann wieder zurück. Keiner verlangt, dass ihr euch näher heranwagt als nötig und euch in Lebensgefahr begebt, verstanden?“ Die beiden Diener nickten etwas, wirklich aber nicht wirklich beruhigt. „Hier. Nehmt den mit.“ Sora griff in ihre Kleidung, holte den magischen Stein, der das Herzstück des Bannkreises um den Norden war, heraus und reichte ihn dem Diener ihres Vaters. „Damit kommt ihr problemlos durch den Bannkreis. Passt auf euch auf. Und auf den Reitdrachen.“ „Natürlich, Sora-hime-sama. Danke“, erwiderten Jaken und Myouga und verließen das Zimmer wieder. Im Schlosshof stand bereits ein Diener, der den zweiköpfigen Reitdrachen bereit gemacht hatte und wartete. Der Krötendämon kletterte in den Sattel, nahm die Zügel in die Hand und nickte dem anderen Diener kurz zu, der sich daraufhin wieder ins Schloss zurückzog. Der Flohgeist sprang seinem Begleiter auf die Schulter und der gab den Drachen den Befehl, abzuheben. „Warum bist du eigentlich nicht begeistert davon, dass wir nach dem Herrn und den anderen sehen sollen? Normalerweise kannst du es doch kaum ertragen, von Sesshoumaru-sama getrennt zu sein.“ „Wenn Sesshoumaru-sama mich an seine Seite befiehlt, zögere ich keine Sekunde, aber er hat mich nicht an seine Seite befohlen.“ „Feigling.“ Jaken verengte die Augen etwas. „Wann warst du denn das letzte Mal bei einem Kampf dabei und bist nicht nach zwei Atemzügen geflüchtet?“ „Ja, du hast vollkommen recht. Ich bin nur ein kleiner Flohgeist, ein Feigling und ich kann mich nicht verteidigen. Du wärst ohne mich besser dran und darum solltest du diese wichtige Aufgabe besser alleine bewältigen. Viel Glück.“ Der Floh sprang weg, aber der Krötendämon griff nach ihm, bekam ihn zu fassen und hielt ihn sich vors Gesicht, um ihm in die Augen sehen zu können. „Wenn ich da hin muss, dann du auch. Du bist klein genug, um übersehen zu werden, das heißt, dass du auch näher ran kannst.“ Myouga ließ den Kopf hängen und seufzte theatralisch. „Was hat Sora-hime-sama sich nur dabei gedacht, ausgerechnet uns loszuschicken?“ „Sie will wissen, was mit ihren Eltern ist und wir sind die engsten Vertrauten der Familie.“ „Das Kind wird seinem Vater einfach immer ähnlicher.“ „Das auch. Yoshihiro ist da nicht der einzige, der eine angsteinflößende Ähnlichkeit zu Sesshoumaru-sama aufweist.“ Die beiden Diener seufzten tief und flogen weiter in Richtung Norden, während die Sonne langsam unterging und den Himmel in ein unheilvolles, blutiges Rot tauchte. Sollte das ein schlechtes Omen sein? Akumaru sah abwartend zu den drei Welpen, die sich immer noch nicht bewegten. Dann lächelte er etwas. „Was ist los, meine Kinder? Wollt ihr nicht herkommen und euren Vater ordentlich begrüßen? Ihm nicht sagen, dass ihr euch freut, dass er noch lebt? Das würden gut erzogene Kinder tun.“ Hana und Ichiromaru antworteten nicht, fasst nur ihre Schwerter fester. Was war nur in dem Felsenkessel passiert? War der Inu no Taishou wirklich tot? Wenn nicht, wo war er dann? „Na schön, da keiner von euch dreien offenbar gut genug erzogen ist, um sich einem Familienmitglied, das einen harten Kampf überlebt hat, gegenüber angemessen zu verhalten, kann ich euch auch direkt töten.“ Der Fürst zuckte die Schulter, zog sein Schwert und sah Sesshoumaru in die Augen. „Und mit dir fange ich an.“ Ein bedrohliches Knurren stieg in der Kehle des weißhaarigen Prinzen auf und er hielt seine Waffe quer vor sich. „Du kannst es ja versuchen.“ „Wenn du magst, kannst du die beiden keuchenden Schwächlinge mitnehmen, aber beschwer dich nicht, wenn sie dich im Kampf behindern. Nicht, dass es so lange dauern würde, bis ich die beiden in die Hölle befördert habe.“ Sesshoumaru warf einen kurzen Seitenblick auf die Halbgeschwister neben sich. Sie waren im Gegensatz zu ihm merklich erschöpft und würden einen harten Kampf wohl kaum lange durchhalten. Aber auch Akumaru war nicht mehr ihm Vollbesitz seiner körperlichen Fähigkeiten. Seiner geistigen sowieso nicht, aber das war ein anderes Thema. Wo auch immer sein Vater gerade war – der Weißhaarige schob den Gedanken, dass der Fürst des Westens tot sein könnte, so weit von sich weg wie möglich -, er hatte bestimmt nicht kampflos aufgegeben. Die drei Fürstenkinder könnten es also durchaus schaffen, Akumaru zu töten. Zumal der Sou'unga nicht bei sich hatte. Sonst wäre das ganze Gebiet wohl auch schon längst eine staubige, leblose Landschaft, die von nichts außer Kratern und Furchen durchzogen war. „Haltet ihr noch durch?“, fragte Sesshoumaru leise. „Natürlich“, erwiderten Hana und Ichiromaru entschlossen. Sie würden kämpfen, bis sie wirklich sterben würden und ihnen das Schwert aus der kalten toten Hand gerissen wurde. „Haltet euch im Hintergrund“, befahl der Ranghöchste und sprang dann auf die Ebene hinab, näherte sich seinem verhassten Schwiegervater. Das blöde Grinsen würde dem schon bald vergehen, er hatte keine Ahnung, mit wem er sich angelegt hatte. Akumaru lachte leise. „Ihr naiven Welpen. Naive, naive Welpen.“ Die drei zuckten nicht mal mit der Wimper. Der Fürst war nicht in bester Verfassung und sein großes Ego, sein Größenwahn, schienen seinen Verstand zu vernebeln. Vielleicht konnten sie das ausnutzen. Der zweiköpfige Reitdrache hatte gerade den Bannkreis um den Norden problemlos durchflogen, als Jaken die Richtung änderte und ihn mehr in Richtung Osten fliegen ließ. „Das ist nicht der Weg zum Schloss des Nordens“, warf Myouga ein. „Wir werden daran vorbeifliegen.“ „Sesshoumaru-sama ist auch nicht in diesem Schloss, sondern in dieser Richtung.“ Der Kröterich deutete vor sich. „Woher willst du das wissen?“ „Ich weiß es einfach. Ich spüre es.“ „Geht es ihm gut?“ „Soweit ich das sagen kann, ja.“ Der Flohgeist zog eine Augenbraue hoch. „Hättest du das Sora und Inu Yasha nicht sagen können?“ Jaken seufzte etwas. „Ich weiß es erst, seit wir durch den Bannkreis gekommen sind. Davor war … die Verbindung nicht mehr da.“ Der Reitdrache gab ein raunendes Grummeln von sich und erhöhte sein Tempo. Unter ihm flog die Landschaft dahin, Wiesen, Bäume, Wasser … und noch mehr Wasser. „War hier schon immer ein so riesiger See?“, fragte der Krötendämon verwundert. „Nein … soweit ich weiß nicht. Was ist hier nur passiert?“ Als der Mond schon beinahe seinen Zenit erreicht hatte, tauchte vor den beiden Dienern eine Bergkette auf. Auf einem Felsvorsprung vor einer Höhle erkannten sie zahllose Samurai und einige wilde Wolfsdämonen. Und vor dem Berg auf der Ebene sahen sie Sesshoumaru, der mit dem Fürsten des Nordens die Klingen kreuzte, während der gleichzeitig Hanas rechte Hand fest umschlossen hielt, sodass die ihr Schwert weder benutzen noch notgedrungen in die linke Hand nehmen konnte. Dicht vor der Felswand am Boden lag noch eine regungslose Gestalt, in der Jaken und Myouga auf den zweiten Blick den Prinz des Nordens zu erkennen glaubten. Sie blieben in ziemlich großer Distanz, sodass sie nicht sagen konnten, ob er noch lebte oder doch schon tot war. „Wo ist der Herr?“, fragte der Flohgeist leise und sah sich suchend um, konnte aber nichts entdecken. „Wir müssen helfen“, beschloss sein Begleiter. „Was?! Bist du wahnsinnig? Das ist ein Fürst!“ „Wenn wir ihn kurz ablenken können, kann Sesshoumaru-sama ihn vielleicht töten.“ Jakens Hand schloss sich wieder um den Flohdämon, der einen neuen Fluchtversuch startete und er trieb den Reitdrachen zu einem Sinkflug an. Doch kaum hatte der Drache dazu angesetzt, zuckte er wieder zurück und schoss stattdessen wieder steil in die Luft. Auch in seinen beiden Reitern schien alle Sinne, dass sie sofort verschwinden mussten. Hektisch sahen sie sich um und schon im nächsten Moment rollte eine gewaltige, überaus dunkle Energie den Berg runter und über die Ebene, knapp an dem Felsvorsprung vorbei, aber genau über die Stelle, an der eben noch die drei Kämpfenden gestanden hatten, wobei alles erbarmungslos zerstört wurde, was in unmittelbarer Nähe war, eine zusehende Krieger wurden ebenfalls verletzt, einige sogar getötet. Die Energie rollte unbeirrt weiter, hinterließ weiter Zerstörung, bis sie sich schließlich am Horizont auflöste. Eine Totenstille lag über dem Gebiet. Der aufgewirbelte Dreck und die Dunkelheit machten es selbst den Dämonen unmöglich zu erkennen, wer überlebt hatte und wer sich retten konnte. Jaken starrte wie gelähmt hinab, sein Mund stand offen und sein Blick war glasig. Myouga stach ihm in die Hand, aber auch das ließ die Starre sich nicht lösen. „Jaken? Jaken! Was ist mit Sesshoumaru-sama?“, schrie der Flohgeist entsetzt. „Ich … ich kann ihn nicht mehr spüren.“ Kapitel 37 ---------- Sesshoumaru biss etwas die Zähne zusammen, als er Akumarus Schlag parierte. Auch wenn der Fürst angeschlagen war, hatte er noch ziemlich viel Kraft übrig. Selbst wenn Hana und Ichiromaru sich gemeinsam auf ihren Vater stürzten, wurden sie sofort zurückgeworfen, der Jüngere war schon das eine oder andere Mal hart gegen die Felswand geprallt, während seine Schwester sich meistens vorher abfangen konnte. Beide atmeten schwer und immer wieder durchlief ein Zittern ihre Körper. Wenn es nicht bald eine Entscheidung geben würde, würde das das Ende der Geschwister sein. Der Prinz des Westens ließ seine Hand blitzschnell vorschießen. Akumaru sah nur kurz ein grünliches Aufleuchten, ehe ein brennender Schmerz sich über sein Gesicht zog. Er bekam einen harten Tritt in die Magengegend, der ihn zurücktaumeln ließ und im nächsten Moment musste er sein Schwert hochreißen, um die Energie des Weißhaarigen abzuwehren. Kaum war dieser Angriff vorüber, stürzten seine Kinder sich wieder auf ihn. Ichiromarus Schlag parierte er mit der Rechten, während seine Linke sich brutal um die Schwerthand seiner Tochter schloss, sodass die kampfunfähig dastand. Dann warf er seinem Sohn einen kalten Blick zu. „Sayonara“, sagte er und versetzte ihm einen so harten Schlag, dass der sowieso schon geschundene Körper erneut hart gegen die Felswand prallte und dann reglos am Boden liegen blieb, während kleinere und größere Steine auf ihn herabrieselten. Akumaru sah mit einem gewinnenden Lächeln zu Hana, die immer noch versuchte sich zu befreien. Aber der Griff ihres Vaters war eisern und presste ihre Finger erbarmungslos um den Schwertgriff, sodass sie es auch nicht in die freie Hand nehmen konnte. „Mach's gut, Täubchen“, zischte er und wollte ihr mit seinem Schwert den Kopf abtrennen, aber ein anderes Schwert presste sich gegen seines. Sesshoumaru stand dicht vor ihm, knurrte und fletschte die Zähne. Verdammt, wieso ließ dieser Mistkerl nicht zu, dass er Hana tötete? Dann hätte er nicht mehr die Mühe, sie in ein abgelegenes Schloss oder zu seiner Mutter abschieben zu müssen. Nicht, dass er noch so lange leben würde. Der Fürst zog die Prinzessin näher zu sich, sodass sie die Bewegungsfreiheit ihres Gefährten einschränkte, wenn der es sich nicht anders überlegte und sie verletzte oder selbst tötete. Der weißhaarige Prinz starrte seinem Schwiegervater unverwandt in die Augen, wartete darauf, dass der kurz abgelenkt war, um ihm einen Schlag zu versetzen. Würde er jetzt seine Giftklaue einsetzen, würde er vermutlich seine Gefährtin erwischen, was er vermeiden wollte. Er wollte nur ungern seinen Kindern erklären müssen, dass er ihre Mutter getötet hatte. Plötzlich wurde ihm anders. Sein Rücken prickelte unangenehm und er hatte das dringende Bedürfnis sofort zu verschwinden und in Deckung zu gehen. Auch Akumaru schien es zu bemerken, denn sein Blick zuckte kurz an Sesshoumaru vorbei in Richtung Berge. Der Erbprinz griff schnell um Hana herum und packte mit seiner Giftklaue die linke Hand des Fürsten, der vor Schmerz und Überraschung losließ. Dann umfasste der Weißhaarige die schmale Taille Hanas und sprang in zwei weiten Sätzen mit ihr zurück, dicht an die Felswand bei Ichiromaru, der sich noch immer nicht rührte. Sie rammte ihr Schwert in eine Spalte in der Wand, hielt den Griff fest umklammert und errichtete einen Bannkreis um sie drei. Das Ganze dauerte gerade mal einen halben Herzschlag und kaum war das Erbprinzenpaar an die Wand gewichen, rollte eine gewaltige, bösartige Energie dicht an ihnen vorbei über die Ebene, der Wind zerrte hart an ihnen und sie mussten mit aller Kraft dagegen ankämpfen, mitgerissen zu werden, umherfliegende Steine trafen sie, sodass sie die Köpfe abwandten und Sesshoumaru seine Gefährtin mit seinem Körper abschirmte. Über das laute Jaulen des Windes waren Schreie von dem Felsvorsprung zu hören. Einige Wölfe und Krieger schienen zu nah an der Kante gestanden zu haben und von dem Energiewirbel mitgerissen worden zu sein. Dann war es schlagartig still. Der Wind hörte auf, die Dämonen auf dem Felsvorsprung starrten stumm vor Schreck hinab und wagten es kaum zu atmen, die letzten Paradiesvögel, die den Kampf hatten beobachten sollen, waren geflüchtet. Eine dichte Wolke aus aufgewirbeltem Staub verhinderte, dass man etwas genaues erkennen konnte und erschwerte das Atmen. Hana hielt den Bannkreis mühsam aufrecht, ohne Sesshoumarus Arm um ihrer Taille wäre sie wohl schon zusammengesackt. Sie war endgültig an ihrem Limit angekommen und nur ihre Willenskraft ließ sie noch weiter machen und die schwarzen Punkte, die vor ihren Augen tanzten, zurückdrängen. Ihr Gefährte warf einen kurzen Blick zu seinem Schwager, der zu ihren Füßen lag und sich immer noch nicht bewegte. Das kaum merkliche und unregelmäßige Heben und Senken seiner Brust zeigte, dass er noch lebte. Na hoffentlich blieb das auch so, Ichiromaru war ein brauchbarer Zeuge in der ganzen Verschwörung. Ein etwas stärkerer Wind kam wieder auf und beseitigte den Staub über der Ebene, sodass die Dämonen das ganze Ausmaß der Zerstörung sehen konnten. In der näheren Umgebung wuchs kein Baum oder Strauch mehr, auch das Gras war verschwunden. Stattdessen zog sich eine tiefe, enorm breite Furche durch die Erde, wo die Energie direkt her gewalzt war. Sesshoumaru war klar, dass Hanas letztes Aufbäumen gegen die Erschöpfung ihnen wohl das Leben gerettet hatte. Mit einer Hand zog er langsam ihr Schwert aus der Felswand, woraufhin der Bannkreis zusammenbrach, und schob es in ihren Gürtel. Die Schwertscheide hatte sie Sora gegeben, als sie das Mädchen aus dem Schloss geschickt hatte. Hana atmete schwer und als er seinen Griff um sie etwas lockerte, drohte sie zusammenzubrechen. Er fasste sie an den Armen und ließ sie sachte an der Felswand zu Boden sinken, wo sie zusammengekauert sitzen blieb. Dann betrachtete er die Umgebung genauer und erstarrte. Ihm gegenüber, wenn auch in recht großer Entfernung, stand jemand. Und obwohl es durch Schlamm und Blut schwieriger zu erkennen war, war er sich doch sehr sicher, dass es Akumaru war. Dieser Bastard hatte überlebt. Aber er sah nicht zu den drei jungen Hundedämonen herüber, sondern zu den Bergen, von wo der gewaltige Energieangriff gekommen war. Eigentlich hatte der Weißhaarige gar nicht hinsehen müssen, es gab nur ein Schwert, das zu einer solchen Attacke fähig war: Sou'unga. Doch als er sah, wer das Höllenschwert führte, spürte er so etwas wie Erleichterung. Auf dem Berg stand sein Vater und starrte mit vor Wut rot glühenden Augen zu Akumaru hinab. Sein Haar war etwas zerzaust und genauso schmutzig wie das seines Cousins und auch seine Kleidung wies Spuren des Kampfes auf, aber insgesamt schien er in einer besseren Verfassung zu sein als der Fürst des Nordens. Dem Prinzen kam ein unangenehmer Gedanke? Als der Inu no Taishou mit dem Höllenschwert diese gewaltige, böse Energie – das Gokuryuuha – losgejagt hatte, hatte er dabei darauf vertraut, dass sein Sohn und seine Schwiegertochter sich retten können oder war es ihm einfach egal gewesen? Dass der Fürst den Tod des Erbprinzenpaares einfach in Kauf nahm, war unvorstellbar, aber … es sah ganz danach aus. Akumaru richtete sich etwas auf, als sein Cousin den Berg hinunter sprang und dann langsam auf ihn zukam. „Du hast überlebt“, sagte er langsam. „Was für eine Überraschung.“ Hatte er sich nur eingebildet, den Tod zu riechen, als er nach Sou'unga gegraben hatte, weil er es sich so sehr gewünscht hatte? So ein Mist. „Ja, deine kleine Falle hat mich nicht umgebracht. Was ist? Du wirkst überhaupt nicht glücklich. Freut es dich nicht, dass deinem einzigen Cousin nichts passiert ist?“, fragte der Taishou und blieb stehen, warf einen raschen Blick zu seinem Sohn und Hana. Die wären fast zurückgezuckt. In den Augen des Weißhaarigen … sie hatten wieder ihren gewöhnlichen Goldton, doch … etwas war anders. Jegliche Wärme war verschwunden und in den schwarzen Pupillen schien ein roter Schimmer zu liegen, etwas abgrundtief böses, etwas wie … Sou'unga. Was war nur in dem Felsenkessel passiert? „Na, dann können wir unseren Kampf ja fortsetzen, oder? Direkt hier. Dank deiner Spielerei mit Sou'unga ist hier jetzt auch weit und breit nichts mehr, das uns im Weg sein könnte“, meinte Akumaru. Er versuchte so gut es ging Selbstsicherheit vorzuschützen. Sein Cousin sollte nicht merken, dass er wirklich und zum ersten Mal in seinem Leben Todesangst gehabt hatte und sich nur knapp hatte retten können. „Du hattest deine Chance auf einen fairen Kampf und hast sie verspielt. Ein Mal bist du Sou'unga entkommen, ein zweites Mal wird dir das nicht gelingen“, grollte der Taishou und hob das Schwert etwas an. Kurz glaubte der Nordfürst einen geisterhaften Drachen um ihn zu sehen und er blinzelte, um das Bild loszuwerden und hielt sein eigenes Schwert quer vor sich, um einen Schlag abwehren zu können. Doch kaum sah er, wie der Weißhaarige sich bewegte, spürte er auch schon, wie sein Schwert ihm aus der Hand gerissen wurde, dass es ihm das Handgelenk brach und ein brennender Schmerz durch seinen Arm schoss. Doch das war nichts im Vergleich zu der sengend heißen Pein, die seinen Brustkorb erfüllte und ihm die Luft raubte. Blut rann ihm aus dem Mund und er musste husten, um seine Atemwege wieder frei zu bekommen. Auch wenn er wusste, was er zu sehen bekommen würde, wandte er seinen Blick nach unten. Sou'unga hatte sich bis kurz vor das Heft in seine Brust gebohrt, die zweischneidige Klinge lag genau unter seinem Herzen und hatte sein Rückgrat nur knapp verfehlt. Auf einmal war ihm, als würde er ein kaltes Lachen in seinem Kopf hören. War das die Stimme des Höllenschwertes? „Du bist ein größerer Narr als ich dachte, wenn du mir wirklich geglaubt und vertraut hast. Als würde ich jemals mit einem Schwächling wie dir kämpfen wollen würde“, spottete die Stimme. Was?! Das konnte doch nicht wahr sein! Dieses Schwert hatte ihn reingelegt? Es hatte ihn nur aus dem Felsenkessel gelockt, um dann seinen Cousin zu retten oder dem zumindest eine Erholungspause zu gönnen? Wie hatte er nur darauf reinfallen können? Wie?! „Wir sehen uns in der Hölle“, zischte der Taishou. Im nächsten Moment flammte erneut Todesangst in seinem Cousin auf, als er fühlte, wie sein Innerstes zerteilt wurde. Die Klinge schnitt in seine Lunge, er spie einen Schwall Blut aus und kippte leicht nach vorne. Mit letzter Kraft versuchte er zu atmen, aber es gelang ihm nicht. Dann wurde sein Herz getroffen und nach nur wenigen Augenblicken wurde es dunkel um Akumaru. Der Weißhaarige stieß ihn von sich und zog das Schwert aus dem blutigen Körper, ehe er ihm mit einem harten Schlag den Kopf abtrennte. Hana wandte unwillkürlich den Blick ab. Zwar hasste sie ihren Vater aus tiefstem Herzen, aber bei seiner brutalen Hinrichtung wollte sie trotzdem nicht unbedingt zusehen. Was allerdings mehr daran lag, dass sie ein beklemmendes Gefühl dabei hatte, wie ihr Schwiegervater sich verhielt. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Sesshoumaru merkte ebenfalls, dass sein Vater sich merkwürdig verhielt. Und er war sich hundertprozentig sicher, dass Sou'unga dahintersteckte. Sollte es dem Drachengeist aus der Hölle tatsächlich gelungen sein, seinen Einfluss auf den Fürsten zu vergrößern und die Kontrolle zu übernehmen? Er beobachtete, wie das Familienoberhaupt Sou'unga zurück in die Scheide schob, wobei er mittendrin plötzlich kurz innehielt – oder kämpfte er innerlich dagegen? - und dann zu seinem Sohn und seiner Schwiegertochter kam. Die Prinzessin richtete sich mühsam auf, blieb aber an die Felswand gelehnt. Ihr und ihrem Gefährten kam gleichzeitig kurz der Gedanke, ob es nicht besser wäre zu fliehen, aber als sie dem Blick des Fürsten begegneten, waren alle Zweifel und ungute Gefühle wie weggeblasen. Er wirkte wieder wie vorher, als wäre nichts geschehen. Doch wirklich beruhigend war dieser plötzliche Wandel auch nicht. „Geht es euch gut?“, fragte der Fürst. Die beiden nickten nur etwas. „Was ist mit Ichiromaru?“ Der Erbprinz sah zu seinem Schwager. „Er sollte zu einem Heiler gebracht werden.“ Der jüngere Hundedämon war noch immer besinnungslos, aber zumindest ging sein Atem wieder kräftiger und regelmäßiger. Der Taishou sah zu dem zweiköpfigen Reitdrachen seines Ältesten, der sich langsam näherte, aber dennoch nicht so nah kam, dass sein Reiter verstehen konnte, was gesagt wurde. „Lasst ihn von Jaken ins Schloss bringen, Ayaka soll sich um ihn kümmern und ein Gästezimmer soll für ihn hergerichtet und zwei Wachen davor positioniert werden.“ Sesshoumaru gab seinem Diener einen Wink, heranzukommen, während sein Vater auf den Felsvorsprung sprang, um dort die Lage zu erfassen. Kaum war der Drache gelandet, sprang Jaken von seinem Rücken und warf sich vor dem Erbprinzenpaar flach auf den Boden. „Sesshoumaru-sama! Hana-hime-sama! Darf ich sagen, was für eine Freude es ist, Euch wohlauf zu sehen?“ Der Prinz zog nur leicht eine Augenbraue hoch. „Bring Ichiromaru ins Schloss zurück. Lass ein bewachtes Gästezimmer für ihn herrichten und bring ihn zu der Heilerin“, befahl er und zog seinen Schwager vom Boden hoch, warf ihn fast nachlässig auf den Rücken des Reitdämons. „Natürlich, Sesshoumaru-sama, wie Ihr wünscht.“ „Und lass Myouga hier“, sagte Hana. Der Flohdämon, der sich noch immer in der Hand des Kröterichs befand, brach der kalte Schweiß aus. Warum sollte er denn hierbleiben? Jaken gab ihn frei und er sprang der Prinzessin ergeben auf die Schulter und beobachtete, wie sein Begleiter wieder auf den Drachen sprang und dann abhob und in Richtung Heimat davonflog. „Warum seid ihr hergekommen?“, wollte Sesshoumaru wissen. „Ähm … Inu Yasha-sama und Sora-hime-sama haben uns herbefohlen. Sie … sie wollten, dass wir ihnen berichten, was hier vor sich geht und … ob Ihr noch lebt, Sesshoumaru-sama“, antwortete der Flohgeist. Der Weißhaarige sah zu seiner Gefährtin, die sich sofort von der Felswand löste und sich aufrichtete. „komm“, sagte er nur und sprang nach oben vor die Höhle der Wolfsdämonen. Hana folgte ihm, wenn auch langsamer. Auf dem Felsvorsprung hatte der Herr der Hunde sich einen Überblick über die Toten und Verletzten verschafft und sich von den Hauptmännern der beiden Heere kurz berichten lassen, was im Schloss des Nordens vorgefallen war, nachdem er es mit Akumaru verlassen hatte. Nach einer kurzen Bedenkpause sah er zu seiner Schwiegertochter, die etwas zu schnell den Kopf neigte. „Hatte dein Vater ein zweites Schloss? Eine Sommerresidenz?“, fragte er. Sie nickte etwas. „Ja, hinter den Bergen. Es ist ziemlich klein und er ist … war selten dort.“ „Das sollte reichen. Ist jemandem aus der Armee oder dem Schlosspersonal bekannt, wo dieses Schloss liegt?“ „Ja, Hauptmann Masaki und einigen Grundstücksverwalter.“ „Gut.“ Der Taishou sah zu dem Hauptmann des Nordens. „Bring deine Leute in dieses Schloss. Wartet dort auf weitere Anweisungen“, befahl er. „Wie Ihr wünscht, oyakata-sama“, sagte Masaki mit einer Verneigung. „Und wir gehen zurück nach Hause.“ Sora und Inu Yasha starrten über den Schlosshof. Die beiden hatten es drinnen einfach nicht mehr ausgehalten, also hatte der Halbdämon seinen Neffen in eine Decke eingewickelt und war mit ihm auf dem Arm nach draußen gegangen. Sie wussten nicht genau, wie lange sie jetzt schon darauf warteten, dass die ausgeschickte Patrouille zurückkehrte, aber ihrem Gefühl nach hätte die Sonne schon längst aufgehen müssen. Dann endlich sahen sie den Reitdrachen, der sich rasch dem Schloss näherte und schließlich landete. Einige Diener hatten es vom Schloss aus ebenfalls gesehen und kamen jetzt nach draußen gelaufen. Der jüngere Prinz des Westens gab seiner Nichte ihren kleinen Bruder. „Warte hier“, sagte er und lief zu den Neuankömmlingen. „Was ist passiert?“, fragte er. „Ich … ich weiß es nicht genau, Inu Yasha-sama. Als wir dort ankamen, war Ichiromaru bereits bewusstlos“, erwiderte Jaken. „Was ist mit den anderen?“ „Die sind noch dort. Soweit ich das sagen kann, ging es ihnen gut.“ „Akumaru?“ „D-den … den hat Euer verehrter Vater … getötet.“ Inu Yasha seufzte erleichtert. „Und der hier soll ins Verlies?“ „Äh … nein, Inu Yasha-sama. Die Heilerin soll sich um ihn kümmern und dann soll er in einem Gästezimmer bewacht werden.“ „Auch gut.“ Der Hanyou winkte einige Diener heran und gab die Anweisungen weiter. Während Ichiromaru ins Schloss und der Reitdrache zurück in den Stall gebracht wurde, ging er wieder zu Sora und nahm ihr Yoshihiro wieder ab. „Was ist mit den anderen?“, wollte die Kleine wissen. „Sie werden bestimmt auch bald kommen. Jaken sagte, es geht ihnen gut. Mach dir keine Sorgen.“ Die Prinzessin atmete erleichtert durch. „Sollten wir den Fürstinnen das nicht berichten? Fumiko sollte wissen, dass ihr Sohn hier ist.“ Wenig später wurde auf dem Schlosshof ein Portal geöffnet und Sesshoumaru und Hana traten hindurch und gingen auf direktem Weg ins Schloss. Dem ersten Diener, den er sah, befahl der Prinz, ein Bad herrichten zu lassen. Besonders die Erbprinzessin konnte das gut gebrauchen. Die Geruchsspuren im Schloss verrieten ihnen, dass der Rest der Fürstenfamilie im Arbeitszimmer des jüngeren Prinzen war und so betraten sie den Raum. Obwohl Sora sich bewusst war, dass ihre Großmutter sie missbilligend betrachtete, sprang sie auf und umarmte ihre Eltern vor Erleichterung. Die Fürstin erhob sich. „Wo ist unser Herr und Fürst?“, fragte sie. „Er wird bald mit dem Heer hier eintreffen, haha-ue. Er schickte uns voraus“, erwiderte Sesshoumaru. „Wieso ist Ichiromaru hier?“ „So lautete der Befehl meines Herrn und Vaters.“ Das zögerliche Klopfen eines Dieners unterbrach das Gespräch. Das Bad war vorbereitet. „Wenn Ihr uns entschuldigen würdet“, sagte der Erbprinz und verließ das Zimmer mit seiner Gefährtin. Ihre Tochter wollte ihnen am liebsten folgen, aber Inu Yasha bekam sie zu fassen und hielt sie zurück. Die beiden hatten so ausgesehen, als würden sie erst einmal etwas Ruhe und Erholung brauchen. Einige Zeit später stand Sora wieder auf dem Schlosshof, diesmal alleine. Wenn sie schon ihre Eltern fürs Erste in Ruhe lassen sollte, dann würde sie eben auf ihren Großvater warten und den begrüßen. Die Sonne ging langsam auf, als endlich das Schlosstor geöffnet wurde und der Taishou mit der Armee des Westens auf den Vorplatz trat. Die kleine Prinzessin hätte fast aufgeschrien, als sie ihn sah, so blutverschmiert und dreckig. So schnell sie konnte lief sie zu dem Familienoberhaupt und schlang ihre Arme um ihn, die Erleichterung darüber, dass ihre Familie wieder komplett war, raubte ihr Sprache und Atem. Na ja, die Erleichterung und der beißende Geruch von Blut. Der Fürst strich seiner Enkelin kurz übers Haar und sah dann zu seinen Soldaten. „Zieht euch zurück und versorgt die Verletzten“, wie er sie an. Glücklicherweise hatten alle seine Männer das Gokuryuuha überlebt. Als die Samurai weg waren, sah der Herrscher zu der kleinen Prinzessin. „Sind deine Eltern schon hier?“ Sie nickte etwas. „Bist du verletzt?“, fragte sie dann. „Mach dir keine Sorgen, ich werd schon wieder.“ Er betrachtete kurz sein Schloss, das friedlich dalag. „Komm, wir gehen rein. Ich brauche dringend ein Bad.“ Als die Sonne fast den Zenit erreicht hatte, ließ der Taishou seine Söhne und seine Schwiegertochter zu sich rufen. Ichiromaru war inzwischen in seinem Gästezimmer, seine Mutter saß bei ihm. Die Verletzungen waren zwar schwer, aber wenn er sich noch etwas schonte, würde er sich vollständig erholen, das Erbprinzenpaar hatte nur leichte Verletzungen davongetragen. „Wie ich hörte, habt ihr einige interessante Entdeckungen gemacht, während ich … weg war“, meinte der Fürst. Sein Erbe neigte höflich den Kopf. „Wir fanden die schriftlich festgehaltenen Beweise fürs Akumarus Geheimnisse und Intrigen, verehrter Vater.“ Hana reichte ihrem Schwiegervater das Buch und das verschnürte Paket, die sie einem Diener in die Arme gedrückt hatte, ehe sie ihrem Gefährten zur Nachhut gefolgt war. Der Fürst sah die Papiere schnell durch. „Er hatte also wirklich nichts damit zu tun gehabt, dass die Schattendämonen gegen uns gearbeitet haben?“ Inu Yasha sah überrascht auf. „Hatte er nicht?“ „Er hatte nicht direkt etwas damit zu tun“, sagte Hana. „Aber er gab den Katzendämonen wohl den Hinweis, dass die Schattendämonen einer solchen Verschwörung wohl nicht abgeneigt wären.“ „Katzendämonen also?“ Der Taishou betrachtete die Seiten aus dem Paket. „Ichiromaru und Masaki sagten, das vor einigen Wochen zwei Katzendämoninnen im Schloss waren.“ „Ich wüsste nicht, warum Katzendämonen gegen uns intrigieren sollten. Noch dazu welche aus dem Norden.“ Sesshoumaru neigte sich etwas vor. „Womöglich waren es keine gewöhnlichen Katzendämonen, chichi-ue.“ Das Familienoberhaupt sah zu ihm. „Nun?“ „Zu der Zeit, zu der der erste Drohbrief eintraf, informierte Royakan mich darüber, dass Pantherdämonen auf Eurem Revier gesichtet wurden. Wenn man nicht genau darauf achtet, erkennt man den Unterschied im Geruch nicht.“ Der halbdämonische Prinz rutschte leicht unbehaglich hin und her. „Hat Ichiromaru diese beiden Dämoninnen näher beschrieben?“ „Eine hatte braunes Haar und grüne Augen und die andere blaues Haar und blaue Augen“, antwortete seine Schwägerin. „Myouga gab mir eine Liste mit Dämoninnen, die Hana ähnlich sehen. Darauf stand auch Touran, die Pantherdämonin aus dem Clan im Osten.“ Der Herr der Hunde nickte etwas. „Also stecken die Panther dahinter … Diese Katzen sind wirklich nachtragend.“ Kapitel 38 ---------- Das Licht der aufgehenden Sonne fiel diffus auf den Hof des kleinen Schlosses, um das der Nebel in dichten Schwaden waberte. Von den letzten bunten Blättern der umstehenden Büsche und Bäume fielen kleine und große Tautropfen. Der Herbst lag in den letzten Zügen, bald würde der Winter einbrechen. Eine hoch gewachsene, schlanke Frau trat aus dem Schloss und ließ ihren eisblauen Blick über den Himmel wandern. Ein leichter, aber dennoch schneidend kalter Wind spielte mit ihrem hellblauen Haar und ließ es anmutig tanzen. Auf den ersten Blick könnte man sie für eine einfache, dämonische Dienerin halten, doch ein zweiter Blick korrigierte diesen Eindruck. Über ihrer linken Schulter trug sie einen knöchernen Überwurf, der an ein Stück Rüstung erinnerte. An der Hüfte darunter war ein Katana an ihrem Gürtel befestigt. Ihr Kimono war schlicht und im Gegensatz zu dem linken Ärmel war der rechte kurz. Das ermöglichte ihr eine größtmögliche Bewegungsfreiheit und die an ihrem rechten Mittelfinger befestigte, dunkle Armstulpe sollte ein Abrutschen von einer Waffe verhindern. Sie war eine Kriegerin. Und ohne eitel klingen zu wollen, sie war eine grandiose Kriegerin. Sie war eine starke Pantherdämonin. „Touran?“ Sie wandte sich um. Eine kleine, zierliche Dämonin in einem hellen, schlichten Kimono, einem Fell um der Hüfte und den Beinen und zwei dunklen Armstulpen stand hinter ihr und rückte ihr rotes Halstuch zurecht. Ihr kurzes, rotes Haar stand wie Stacheln in alle Richtungen ab und schien genau wie ihre gleichfarbigen Augen im morgendlichen Herbstlicht zu brennen. „Karan.“ „Shunran, Shuuran und ich haben am Haupttor auf dich gewartet. Wir wollten doch bei Sonnenaufgang aufbrechen.“ Touran senkte etwas den Kopf und ihre Mundwinkel zuckten kurz. „Ich denke, wir sollten nicht alle gehen. Das könnte nur Aufsehen erregen“, sagte sie langsam. „Shunran und ich werden gehen. Bleib du mit Shuuran hier und studiere die Karten weiter. Wir müssen uns blind in dem Gebiet zurechtfinden. Außerdem müsste ein Teil der ausgesandten Späher bald zurückkommen.“ Karans Mundwinkel zogen sich nach unten, aber sie nickte kurz und verschwand mit einem weiten Satz wieder hinter dem Schloss. Touran blickte noch einmal hinauf in den Himmel. Wenn alles so verlief, wie sie es geplant hatten, würde heute ein weiterer Schritt in Richtung Rache gemacht werden. Rache an den Hunden des Westens. Vor einigen Jahrhunderten hatten die Panther gegen diese Hunde Krieg geführt. Sie hatten versucht, das Revier des Taishou zu erobern und waren vernichtend geschlagen worden. Der Anführer der Pantherdämonen, ihr Herr, hatte dabei sein Leben gelassen. Touran, Shunran, Shuuran und Karan hatten den Hunden daraufhin ewige Rache geschworen. Und bekanntermaßen dauerte der Fluch einer Katze sieben Generationen. Auch wenn die Panther es für gewöhnlich verabscheuten, „Katzen“ genannt zu werden. Und jetzt war endlich die Zeit gekommen, diese Rache zu bekommen. Sie hatten die Fürstenfamilie lange Zeit ausspioniert, hatten ihre eigenen Krieger trainiert und sich Pläne zurechtgelegt, wie sie diesen Kampf gewinnen konnten. Damals hatte ihr Herr die direkte Konfrontation gesucht und das war schief gegangen, obwohl der Herr der Hunde nicht mal das gefährliche Höllenschwert eingesetzt hatte. Dieses Mal sollten sie anders vorgehen, sich starke Verbündete suchen oder die Familie Stück für Stück auseinanderreißen und vernichten. Touran schloss kurz die Augen, atmete tief die kalte, klare Luft ein und genoss die Sonnenstrahlen, die tatsächlich noch wärmen konnten. Dann wandte sie sich ab und ging zum Haupttor des Schlosses, das die Panther sich erobert hatten. Früher hatten hier Menschen gelebt, doch die hatten schnell die Flucht ergriffen. Was hätten sie auch schon gegen die Übermacht der Dämonen ausrichten können? Es lag recht nah an den Grenzen zum Westen und zum Norden. Der Fürst des Ostens interessierte sich nicht besonders dafür, dass die Panther sich hier niedergelassen hatten. Gegen ihn richtete sich ihre Wut ja auch nicht. Shunran wartete bereits leicht ungeduldig auf ihre Kameradin. In ihrem braunen Haar steckten zwei rosa Blumen und ihre grünen Augen blitzten. Ein Mensch hätte in ihrem grünen Kimono wohl gefroren, der ihr nicht mal bis zu den Knien reichte. „Da bist du ja endlich“, sagte sie. „Ich steh mir hier schon die Füße in den Bauch!“ Touran zuckte nur mit der Schulter. „Gehen wir.“ Der Weg der beiden Dämoninnen führte sie direkt in den Norden. Genauer gesagt zum Schloss des Nordens. Es war sogar zu ihnen durchgedrungen, dass der Fürst des Nordens zwar der Cousin des Inu no Taishou war, aber die familiären Gefühle sich dennoch in Grenzen hielten. Milde ausgedrückt. Wenn er sich den Panthern anschloss, hätte sie eine deutlich höhere Chance gegen den Westen. Zumal der Norden angeblich über einige neuartige Waffen verfügte. Touran hatte Akumaru ein Schreiben zukommen lassen mit der Bitte um ein Treffen und der Hundedämon hatte zugestimmt und sie für heute Morgen zu sich bestellt. Das war schon mal ein gutes Zeichen. Hoffentlich würde er ihnen auch die Unterstützung zukommen lassen, die sie sich erhofften. Über den Preis dafür ließ sich sicherlich verhandeln, besonders da es den Pantherdämonen inzwischen hauptsächlich um ihre Rache und nicht mehr um die Ländereien ging. Die beiden alterlosen Frauen spürten einen mächtigen Bannkreis vor sich und zögerten einen Sekundenbruchteil lang, ehe sie weitergingen. Sie konnten die Barriere problemlos durchschreiten, ein sicheres Zeichen dafür, dass der Fürst sie erwartete. Als die Sonne gerade vollständig aufgegangen war, kam das Schloss in Sicht. Je näher sie kamen, desto deutlicher hörten sie die Geräusche vom Übungsplatz, Schwertklirren, schweres Atmen und gebrüllte Anweisungen. Ein Stück vom Haupttor entfernt war der Eingang für die täglichen Besucher. Er stand offen und wurde von zwei ernst dreinblickenden Samurai bewacht, die die beiden Panther misstrauisch beäugten. „Euer Fürst erwartet uns“, sagte Shunran mit ihrem typischen, leicht spöttischen Unterton. Der größere der Krieger neigte etwas den Kopf und deutete auf das Schwert an der Hüfte der größeren Dämonin. „Das musst du ablegen. Du bekommst es wieder, wenn ihr geht.“ Touran hätte fast gelacht und reichte dem Soldaten ihr Katana samt Scheide. Sie war nicht auf diese Waffe angewiesen, trug es mehr zur Dekoration. Ihre bevorzugte Waffe war ein Speer aus Eis, dem Element, das ihr Freund war, sie im Kampf unterstützte. Ein Seitenblick auf ihre Kameradin verriet ihr, dass diese die Situation genauso amüsant fand wie sie selbst. Keiner der vier Pantherdämonen war auf ein Schwert angewiesen, aber das mussten sie diesen Hunden ja nicht auf die Nase binden. Die deuteten auf das Schloss hinter ihnen und die beiden Frauen traten ein. Am anderen Ende des Hofes war der Erbprinz des Nordens damit beschäftigt, mit einigen Soldaten unterschiedlichen Alters zu üben. Er sah kurz zu den beiden Dämoninnen herüber und verengte etwas die Augen, wandte sich dann aber wieder seinen Kampfpartnern zu, als sie das Schloss betraten und zum Zimmer des Fürsten gingen. Im Vorzimmer saßen ein Sekretär und einige andere Besucher, darunter auch ein Mann in Rüstung, vermutlich der Hauptmann der Armee des Nordens. „Dürfte ich Ihre Namen erfahren?“, fragte der Sekretär, ein älterer Dämon mit grauem Haar und braunen, weise dreinblickenden Augen. „Touran und Shunran“, erwiderte die größere Dämonin und beobachtete die Feder des Sekretärs, die mit schnellen Bewegungen über ein Blatt Papier geführt wurde und ihre Namen aufschrieb. Der ältere Herr wollte noch etwas sagen, aber da öffnete sich die Tür zum Empfangszimmer und der Fürst trat einen halben Schritt heraus. „Ich habe die beiden schon erwartet“, sagte er und betrachtete die beiden Besucherinnen kurz, ehe er zu seinem Diener sah. „Yuri, ich benötige deine Dienste die nächste Zeit nicht, du bist freigestellt, bis ich dir andere Befehle zukommen lasse.“ Der Sekretär verneigte sich eilig. „Natürlich, oyakata-sama.“ Dann erhob er sich und verließ das Vorzimmer. Akumaru sah zu den anderen wartenden Besuchern. „Ihr könnt auch gehen, dieses Gespräch wird wohl länger dauern.“ Die Wartenden wirkten für einen Moment irritiert, aber einem Fürsten widersprach man nicht – schon gar nicht einem wie dem Fürsten des Nordens. Dieser bedeutete den beiden Panthern, ihm in sein Zimmer zu folgen und dort Platz zu nehmen. Er betrachtete die beiden eingehender, abschätzend. „Nun, in eurem ersten Schreiben habt ihr ja bereits geschrieben, dass ihr mich um Hilfe in einer dringenden Angelegenheit bitten wollt, um Hilfe gegen den Westen.“ Touran neigte sich etwas vor. „Ja, Akumaru-sama“, sagte sie nur. Auch wenn sie nicht an einem typischen Hof lebte, kannte sie sich doch mit den Gepflogenheiten aus und wenn auch nur die Hälfte der Gerüchte über den Mann vor ihr stimmten, sollte sie sich besser an alle Regeln halten, genau wie Shunran. Vielleicht hätte sie doch alleine kommen sollen. Ihr war nur zu bewusst, dass ihre drei Kameraden alle dazu neigten, schneller zu reden als zu denken. Aber noch hielt ihre Kameradin sich bedeckt und widerstand sogar dem Drang, den Hund zu mustern, starrte stattdessen auf ihre Hände, die sie im Schoß gefaltet hatte. „Was genau habt ihr gegen den Westen? Gegen meinen Cousin?“, fragte Akumaru weiter. „Vor einiger Zeit führte unser Herr uns in eine Schlacht gegen die Hunde des Westens, er wollte dieses Gebiet erobern. Dabei kam er zu Tode.“ „Und nun wollt ihr sein Werk fortsetzen?“ „Nein, Akumaru-sama, nicht unbedingt. Wir wollen Rache für seinen Tod.“ Der Hundefürst zog die Augenbrauen hoch. „An wem wollt ihr euch rächen? An meinem Cousin?“ „An der ganzen Familie, ehrenwerter Herr.“ Ein Lächeln huschte über Akumarus Gesicht. „Warum ausgerechnet jetzt?“ „Rache wird am besten kalt serviert, Akumaru-sama. Und wir haben uns Zeit gelassen, um uns und unsere Leute zu stärken, zu fähigeren Kämpfern zu machen“, erklärte Touran. „Das war schon mal ein guter Schachzug. Und wie sehen eure Pläne bis jetzt aus? Habt ihr überhaupt schon konkrete?“ Die Pantherdämonin verlagerte ihr Gewicht etwas. „Wir haben uns zwei Möglichkeiten überlegt. Entweder machen wir es wie unser verehrter Herr und greifen offen an, gehen in den Krieg. Oder wir gehen heimtückischer vor und vernichten ein Familienmitglied nach dem anderen, von innen heraus.“ Der Fürst des Nordens betrachtete seine Besucherinnen leicht hochmütig. „Mehr habt ihr euch noch nicht überlegt? Und hofft jetzt darauf, dass ich euch dabei helfe? Das ist ein bisschen unüberlegt, meint ihr nicht? Immerhin gehört meine Tochter nun auch zu dieser Familie, meine Enkelin ebenso.“ Den beiden Panthern lief es kalt den Rücken hinunter. Daran hatten sie gar nicht gedacht! Verdammt. „Wenn ihr euch an irgendjemand anderen gewandt hättet, wärt ihr wohl abgewiesen worden, aber ihr wart so clever, euch an mich zu wenden“, fuhr Akumaru mit einem gönnerhaften Unterton fort und stellte zufrieden fest, dass die beiden Frauen kurz überrascht aufsahen, den Blick aber schnell wieder abwendeten. „Wenn es euch wirklich ernst mit eurer Rache ist, dann werde ich euch dabei unterstützen und euch meine Mittel zur Verfügung stellen. Auf eine offene Konfrontation solltet ihr es aber nicht gleich anlegen. Zuerst müsst ihr euch ein Familienmitglied nach dem anderen vornehmen und seinen Willen brechen. Das mag etwas Zeit in Anspruch nehmen, aber so habt ihr schließlich auch die Möglichkeit, eure Rache wirklich auszukosten.“ Touran schluckte unmerklich und schielte unauffällig zu Shunran, die ihre Klauen in den Saum ihres Kimono krallte. „Aber bevor wir in die genaue Planung einsteigen, sollten wir noch ein paar … hm, nennen wir es Regeln, aufstellen, an die ihr euch halten solltet.“ „Natürlich, Akumaru-sama“, presste die größere Dämonin heraus. Dass sie mit ihrem Anliegen auf so offene Ohren treffen würde, hatte sie wirklich nicht erwartet, aber wenn er einen Großteil der Planung übernahm – sofern seine Pläne etwas taugten -, konnte ihr das nur recht sein, egal was er dafür wollte. „Ich werde auf keinen Fall für euch den Kopf hinhalten. Solltet ihr wider Erwarten auffliegen, bevor ihr den Plan zu Ende durchführen könnt, werde ich nichts damit zu tun haben.“ „Natürlich nicht, Akumaru-sama.“ Das klang ganz so, als hätte der Fürst schon länger an diesem Plan gearbeitet und nur darauf gewartet, jemanden zu finden, dem er die Drecksarbeit aufs Auge drücken konnte. Na ja, was sollte es. Sie würden alles was ging ebenfalls delegieren. Nicht nur Herrscher hatten Leute für so etwas. „Aber dennoch verlange ich, dass ihr mir regelmäßig über den Fortschritt Bericht erstattet. Nicht persönlich, natürlich. Kurze Notizen reichen mir schon aus. Schickt sie jedes Mal mit einem anderen Boten, das macht es unauffälliger.“ „Wie Ihr wünscht, Akumaru-sama“, erwiderte Touran. „Ich rate euch, euch auch daran zu halten.“ Akumaru lehnte sich etwas zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Um die Familie von innen heraus zu zerreißen, zu schwächen und dann zu vernichten, braucht ihr Informationen aus dem Schloss. Ich kann euch diese Informationen besorgen. Ich habe mehrere Spione in diesen Haushalt einschleusen können. Ihr müsst nur ein paar Posten in der Nähe des Schlosses positionieren, natürlich unauffällig. Die beiden Prinzen verlassen regelmäßig das Schloss und gehen auf Reisen, eure Späher sollten sich also wirklich gut verstecken können. Meine Spione werden sie dann regelmäßig mit Informationen versorgen, die ihr verwenden könnt.“ Der Fürst bemerkte den unsicheren Blick, den die beiden Dämoninnen sich zuwarfen. „Keine Sorge, nicht nur einfache Diener und Samurai spionieren für mich. Auch die Treue des Heilers gilt mir. Und natürlich die meiner Tochter. Sie wartet auch schon sehr lange auf eine Möglichkeit, aus dieser Familie rauszukommen.“ Die beiden Pantherdämoninnen bissen die Zähne zusammen. Also hatte er wirklich nur darauf gewartet, dass er jemanden fand, dem der die Durchführung seiner Pläne überlassen konnte. War er zu feige, um es selbst zu tun oder zweifelte er an seinen Ideen? „Mit diesem Wissen aus dem Schloss könnt ihr meinem werten Cousin drohen. Indem ihr ihm verratet, dass es in seinem Haushalt mindestens eine Person gibt, die gegen ihn arbeitet und die Schwachstellen seiner ihm ach so wichtigen Familie kennt und bereit ist, sie auszunutzen, lockt ihr ihn aus der Reserve und versetzt ihn in Alarmbereitschaft. Er wird seine Söhne und alle anderen im Schloss behalten und genau beobachten. Die Welpen haben aber ein ziemlich großes Verlangen danach, aus dem Schloss rauszukommen und sich in Abenteuer zu stürzen. Wenn sie zu lange eingesperrt werden, wird ihr Aggressionspotenzial steigen. Und dann wird schon eine Kleinigkeit ausreichen, um die beiden aufeinander zu hetzen. Mit ein wenig Glück bringt Sesshoumaru dann seinen Halbbruder um. Er ist nicht so harmoniebedürftig wie sein alter Herr und er ist auch nicht gerade glücklich darüber, dass sein Bruder nur ein Halbblut ist. Sollte es also zu diesem Brudermord kommen, seid ihr schneller am Ziel. Meinen Cousin wird dieser Verlust zutiefst erschüttern, es wird ihn zu leichter Beute machen.“ „Verstehe ich Euch richtig, dass wir den Hunden Drohbriefe schreiben sollen?“, hakte Shunran nach und blickte etwas auf. „Richtig. Und dann muss mindestens eine der Drohungen wahr gemacht werden und ihr habt die Hunde da, wo ihr sie haben wollt“, erwiderte Akumaru. Die beiden Dämoninnen warfen sich einen leicht zweifelnden Blick zu. „Keine Sorge, wenn jemand in einem Schloss die Schwachstellen in der Sicherheit kennt, dann sind es der Heiler und die Erbprinzessin. Absolut niemand verdächtigt einen gewissenhaften, älteren Dämon, der schon länger in diesem Haushalt lebt als der amtierende Fürst oder die Erbprinzessin, der die Heirat vermeintlich das Leben gerettet hat und die den jüngeren Prinzen aufgezogen hat. Hana und Amaru genießen das volle Vertrauen des Fürsten und seiner beiden Söhne und sie sind beide intelligent genug, sich nicht auffällig zu benehmen. Aber ihr solltet euch natürlich nicht nur darauf verlassen. Für jede gute … Intrige braucht man einen Plan in der Hinterhand, der schnell einsatzbereit ist. Man muss alle Möglichkeiten bedenken und abdecken.“ „Was schlagt Ihr dafür vor?“, fragte Touran ruhig. Bis jetzt klang es alles ganz gut, was der Fürst ihnen erzählte. Allerdings gab es für die Pantherkatzen bis jetzt noch keine Möglichkeit, sich selbst zu retten, sollte dieser Plan auffliegen. Und auch wenn sie dem Fürsten versprachen, ihn aus der ganzen Sache rauszuhalten: sollten sie untergehen, würden sie ihn mit sich reißen, in dem Wissen, dass er andersrum genauso handeln würde. Wenn der Westen mitbekam, dass der Norden Spione in sein Schloss geschleust hatte, würde Akumaru keine Sekunde lang zögern und die Panther dafür hin hängen. „Ihr braucht weitere Verbündete und eine Art Geheimwaffe, mit denen der Taishou nicht rechnet. Ich kenne da eine Gruppe Dämonen, die in dieser Angelegenheit recht nützlich sein dürften und die mit den richtigen Ködern leicht zu locken sind. Habt ihr schon einmal etwas von den Schattendämonen gehört?“, fragte der Nordfürst mit blitzenden Augen. Touran und Shunran sahen verblüfft auf, senkten die Köpfe aber rasch wieder und neigten sich etwas vor. „Das dachte ich mir. Schattendämonen sind eine fast ausgestorbene Rasse. Es gibt nur noch einen Stamm von ihnen, der in dem Revier meines Cousin lebt. Sie kämpfen nicht gerne und sind eigentlich ein recht stilles Völkchen, haben aber einige Tricks drauf, die überaus interessant sind. Zum Beispiel können sie mit den Schatten verschmelzen und so einfach verschwinden, ohne dass jemand sie bemerkt. Außerdem können sie das Tor zu der Schattenwelt öffnen. Wie ich hörte, ist das ein mehr als furchterregender Ort, der jeden, der ihn betritt, in kürzester Zeit in den Wahnsinn treibt. Der Ort, an dem diese Schattendämonen geboren werden, sozusagen. Und natürlich das Wichtigste: Sie haben keinen Eigengeruch. Sie können sogar meiner feinen Nase entgehen.“ Akumaru lächelte etwas, als seine beiden Gegenüber sich interessiert vorbeugten. „Wo … wo genau leben diese Schattendämonen?“, wollte die Größere, die Anführerin, wissen. „Nicht weit von dem Menschenschloss, dass ihr euch zu Eigen gemacht habt.“ Die Frauen sahen auf. „Ich habe nicht nur im Westen Späher und Spione. Außerdem hat der Ostfürst mich darüber informiert, dass ihr dort seid. Sogar der Taishou wird diese Information bekommen haben. Sich im Revier von einem Fürsten zu verstecken, mit dem ihr nicht zusammenarbeitet und den ihr auch nicht entmachten wollt, ist erst mal ein guter Einfall, aber ihr solltet euch beim nächsten Mal ein wenig weiter von der Grenze fernhalten. Auch Fürsten reden miteinander.“ Touran überging den leisen Spott. „Wie bekommen wir die Schattendämonen dazu, mit uns zusammenzuarbeiten?“ „Glaubt mir, ihr wollt, dass die Schattendämonen für euch und nicht mit euch arbeiten. Sie verfügen nur über eine beschränkte Intelligenz, was sie zu den perfekten Handlangern macht. Zu leicht köderbaren Handlangern, besonders in eurem Fall. Bis vor einigen Jahrhunderten hat es auch auf meinem Revier noch einen Stamm dieser Rasse gegeben. Dessen Oberhaupt hat mich aufgesucht, um um Hilfe zu bitten, weil seine Art damals schon vom Aussterben bedroht war. Kurz nachdem ich diese Bitte abgelehnt habe, ist der Stamm aus meinen Ländereien in den Westen abgewandert und hat sich den Schattendämonen dort angeschlossen. Der Häuptling, der damals bei mir war, ist jetzt auch der Häuptling dieses Stammes. Er hat bei seinem Besuch damals meine Tochter Hana gesehen, wenn auch nur kurz.“ Der Hundedämon streckte sich etwas und musterte die beiden Dämoninnen erneut eingehend. „Ihr zwei geht einfach zu dem Stamm und macht dem Häuptling das Angebot, seinem Stamm zu helfen, wenn die Kagé-Youkai im Gegenzug das tun, was ihr von ihnen verlangt. Und damit sie wirklich geködert werden, gebt ihr euch dabei für Hana und ihre Freundin Akemi aus.“ Diesmal senkten Shunran und ihre Kameradin den Blick nicht wieder und starrten den Fürsten offen verblüfft an. Sie sollten was?! Akumaru lächelte boshaft. „Akemi ist seit ihrer Kindheit mit meiner Tochter befreundet und hat mit ihr zusammen den Schwertkampf erlernt. Als ich Hana an den Westen gab, schickte ich sie mit. Die beiden verlassen ebenfalls regelmäßig das Schloss, wenn auch nicht für so lange Zeit wie die beiden Prinzen. Wenn die beiden das Schloss mal wieder verlassen, geht ihr zu den Schattendämonen. Euer Aussehen passt in groben Zügen, für Takumi, den Häuptling, wird es reichen. Meine Tochter werde ich über diesen Plan natürlich in Kenntnis setzen, damit sie sich Alibis besorgen kann, falls wider Erwarten doch etwas schief gehen sollte. Ihr lasst die Schattendämonen die Drohbriefe schreiben und schicken. Und wenn ihr das Schloss angreifen wollt, kann ich euch eine … Bekannte von mir empfehlen, die sich mit Magie auskennt. Sie lebt an der Nordküste. Die Preise, die sie verlangt, sind durchaus angemessen und bezahlbar. Zumindest für mich. Sie kann euch bei einem Angriff sicher sehr helfen.“ In Tourans Kopf arbeitete es angestrengt. Sie versuchte, irgendwo einen Haken, eine Falle zu entdecken. Der Fürst des Nordens wollte sie mit Informationen aus dem Schloss des Westens versorgen, gab ihnen Lakaien, die die Drecksarbeit machen würden und eine Magierin, die sie bei einem Angriff unterstützen sollten und noch dazu gab er ihnen eine Möglichkeit, ihren Stamm ganz aus der Sache rauszuhalten, indem er Touran und Shunran riet, sich für Prinzessin Hana und deren Kriegerfreundin Akemi auszugeben. Gut, die beiden würden sich wohl Alibis besorgen, sich also von irgendjemandem sehen lassen, damit es sie nicht den Kopf kostete, sollte die ganze Sache auffliegen, aber die Panther würden ihre Spuren genauso gut verwischen können. Für sie schien es bei der ganzen Sache keinen Haken zu geben. Aber da musste doch einer sein. Warum sollte der Fürst des Nordens sie so großzügig unterstützen und dafür nur regelmäßige Informationen verlangen und dass sein Name aus der Sache rausgehalten wurde? Sie musterte ihn misstrauisch. „Darf ich fragen, warum Ihr uns eine solch große Unterstützung zukommen lassen wollt?“, fragte sie. Akumarus Lächeln wurde breiter, kälter, bösartiger. „Es dürfte sogar euch bekannt sein, dass mein Cousin und ich uns nicht gerade nahe stehen, sonst wärt ihr wohl kaum zu mir gekommen. Ich plane seit langer Hand, ihn und seine Brut aus dem Weg zu räumen, um mir sein Revier, das rechtmäßig mir zusteht, zu holen. Aber wenn ich offen gegen ihn vorgehe, schwingt er sein Sou'unga und das war es dann. Also wartete ich auf eine Gelegenheit, mein Wissen über ihn und seinen Haushalt ausnutzen zu können, um ihn von innen heraus zu zerstören, um ihn zu brechen und leiden zu lassen. Und ihr seid die beste Gelegenheit. Ich kann Hana und Akemi nicht wirklich zu den Schattendämonen schicken, um die einzuspannen. Aber wenn ich jemand anderen schicke, werden sie das Angebot wahrscheinlich ablehnen, so viel Intelligenz traue ich ihnen dann doch noch zu, sie brauchen eine gewisse Sicherheit, dass es ihrem Volk wirklich besser gehen wird. Ihr könnt euch aber problemlos für die beiden ausgeben. Du, Touran, solltest dir nur die grünen Streifen auf die Wangen malen, die meine Tochter hat und ihr beide solltet euch entsprechend kleiden.“ Shunran entspannte ihre Hände etwas, ihre scharfen Krallen glänzten. „Ihr wollt uns die Drecksarbeit machen lassen.“ „Natürlich.“ „Und uns das Risiko tragen lassen.“ „Ihr wollt doch schließlich Rache nehmen. Ich gebe euch Mittel und Möglichkeiten. Was genau ihr daraus macht, müsst ihr selbst entscheiden, also müsst ihr auch alleine das Risiko tragen.“ „Und Ihr verlangt nicht mehr, als dass wir euch regelmäßig informieren und Euch Rückendeckung geben?“ „Da ihr selbst gesagt habt, dass ihr an den Ländereien kein Interesse mehr habt, genügt mir das, ja.“ „Wie weit ist Eure Tochter bereit zu gehen?“ Die Augen des Fürsten funkelten kalt, sein Lächeln erstarb. „Sie würde alles opfern. Ich habe sie erzogen, sie teilt meine Ansicht. Sie würde ihre Tochter und sich selbst opfern, damit wir bekommen, was uns zusteht. Solange ihr mich informiert haltet, damit ich sie darüber in Kenntnis setzen kann, könnt ihr über sie behaupten, was ihr wollt, ihr könnt das Kind angreifen, wenn ihr wollt.“ Touran richtete sich auf und straffte die Schultern. „Wie sicher können wir uns sein, dass wir nicht von Euch oder Eurer Tochter verraten werden? Dass das keine Falle ist?“ „Ihr werdet auf mein Wort vertrauen müssen. Wenn euch das nicht genügt: Ich zwinge euch zu nichts. Meine Tochter wird mitspielen. Ich habe sie das Lügen gelehrt, sie wird sich nichts anmerken lassen und sich wie die vorbildliche Erbprinzessin verhalten. Das hat sie in den letzten anderthalb Jahrhunderten wirklich perfektioniert.“ Der Daiyoukai lehnte sich zurück und entspannte sich merklich. „Denkt darüber nach und lasst mich dann wissen, wie ihr euch entschieden habt. Wenn ihr zu feige seid, um auf mich zu vertrauen, könnt ihr euch ja etwas eigenes einfallen lassen, wie ihr eure Rache bekommt.“ Die beiden Panther schwiegen einen Moment, dann sahen sie einander kurz an, verneigten sich etwas gegen Akumaru und verließen das Schloss des Nordens. Sie würden noch einmal gründlich darüber nachdenken, was der Hundedämon ihnen angeboten hatte und abwägen, inwieweit sie den Worten eines Pinschers vertrauen konnten, der dazu bereit war, seine eigene Tochter sterben zu lassen. Akumaru sah den beiden Frauen noch eine Weile nach, bis er sie nicht mehr sehen konnte und lächelte siegessicher. Diese Katzen würden die ganze Drecksarbeit für ihn machen und für ihn selbst bestand keinerlei Risiko, mit in die Sache hineingezogen zu werden. Amaru würde eher sterben, als ihn zu verraten, ebenso wie die eingeschleusten Samurai und Diener. Und Hana konnte ihn nicht verraten, da sie von der ganzen Sache überhaupt nichts erfahren würde. Sie hatte sich ihm widersetzt und weigerte sich, für ihn zu spionieren. Sie war zum Westen übergelaufen. Also sollte sie sehen, was sie davon hatte und mit dieser Familie untergehen. Der Fürst konnte zu diesem Zeitpunkt nicht einmal ahnen, dass er in weniger als vier Monaten sterben würde und dass sein Größenwahn und seine Pläne und Spione dafür verantwortlich sein würden. Kapitel 39 ---------- Tourans Blick glitt langsam über die Landschaft unter ihr. In kurzer Entfernung lag die Siedlung des Stamms der Schattendämonen. Die Haut der Pantherdämonin kribbelte unangenehm und sie wollte sich am liebsten schütteln wie ein nasser Hund. Wie hielt diese Hundeprinzessin nur diese Kleidung, diese einengende Rüstung aus? Vor allem im Kampf? Ihr schnürte das Metall beinahe die Luft ab. Endlich kam Shunran den Hügel zu ihr hinauf. Auch sie trug eine Rüstung und lange Hosen und fühlte sich auch nicht besonders wohl damit. „Ich habe dem Häuptling den Brief gegeben. Mal sehen, ob er den Köder schluckt.“ Touran nickte nur etwas und verschränkte die Arme fest vor der gepanzerten Brust. Wie Akumaru es ihr vor wenigen Tagen geraten hatte, hatte sie sich mit grüner Farbe je einen Streifen auf die Wangen geschminkt. Sei es wegen dem Farbstoff, dem Bewusstsein, dass die Streifen dort waren oder wegen ihrer generellen Anspannung, jedenfalls juckte ihr Gesicht beinahe noch schlimmer als ihr restlicher Körper. „Na hoffentlich beeilt dieser Takumi sich. Wir müssen verschwunden sein, bevor die Prinzessin ins Schloss zurückkehrt“, meinte sie. „Warum dürfen unsere Spione eigentlich keinen Kontakt zu ihr aufnehmen, wenn sie eh im Wald unterwegs ist? Dann hätten wir nicht diesen Zeitdruck, um wirklich alles perfekt zu vertuschen“, murmelte Shunran verstimmt. „Vermutlich weil die Prinzen auch frei herumrennen und sie beobachten können oder so. Keine Ahnung.“ Die Braunhaarige zog eine Augenbraue hoch und streckte sich etwas. „Wie halten die Hunde diese Rüstungen nur aus? Ich kann mich kaum bewegen.“ Touran zuckte nur mit der Schulter. Dann richtete sie sich auf. „Ist er das?“, fragte sie. Ihre Kameradin blickte den Hügel hinunter und sah die schwarze Gestalt, die sich rasch näherte. „Ja, das ist er.“ Als Takumi die beiden erreichte, verneigte er sich tief. „H-Hana-hime, Ihr seid es wirklich“, sagte er ehrfürchtig. „Hast du jemand anderen erwartet, nachdem ich den Brief unterschrieben habe?“, fragte Touran hochmütig. Glücklicherweise schien es zu stimmen, was Akumaru ihr über die Schattendämonen berichtet hatte und die wirklich nicht besonders gut riechen konnten. Den Geruch von Hunden und Panthern konnte man sonst nicht so schnell miteinander verwechseln. „Nun … ich war mir nicht sicher, ob das nicht eine Falle sein könnte.“ „Nein, keine Sorge. Das ist keine Falle, sondern mein voller Ernst. Ich will eurem Stamm helfen und die Ungerechtigkeit wiedergutmachen, die euch durch meinen Vater widerfahren ist.“ „Das ist so großzügig von Euch, Hana-hime, wie kann ich mich dafür erkenntlich zeigen?“, fragte der Schattendämon. „Indem du tust, was ich dir sage. Ganz selbstlos ist mein Angebot natürlich nicht.“ Touran hob theatralisch die Hände. „Seid Euch sicher, dass mein Stamm und ich alles tun werden, was in unserer Macht steht, um Euch zu dienen, Hana-hime.“ Die beiden Pantherdämoninnen lächelten kalt. Genau das hatten sie hören wollen. „Ich hoffe, ihr habt dann auch kein Problem mit Hochverrat an dem Fürstenhaus des Westens“, sagte die vermeintliche Hundeprinzessin. Takumi sah erschreckt auf. „Hoch … Hochverrat?“ „Mein Schwiegervater teilt die Ansicht meines Vaters und ist nicht bereit, euch zu helfen. Außerdem sind da auch noch einige andere … Dinge, die mich an ihm stören. Darum muss er weg. Er und seine Söhne, damit ich an die Macht komme. Nur dann kann ich dir und deinen Leuten auch wirklich helfen. Das verstehst du doch sicherlich, nicht wahr?“, meinte Touran mit süßlicher Stimme, die in ihren eigenen Ohren mehr als falsch klang. Aber der Kagé-Youkai verneigte sich tief. „Natürlich, Hana-hime. Wir werden alles tun, was Ihr von uns verlangt, wenn es unserem Stamm, unserer Rache hilft.“ „Sehr schön. Geh jetzt zurück in deine Siedlung und warte, bis ich dir wieder einen Boten schicke, um dich zu holen. Entweder Akemi hier oder einen anderen. Wir werden uns immer hier treffen. Oh, und du solltest natürlich niemandem davon erzählen, dass ich hier war. Je weniger Leute Bescheid wissen, desto besser.“ „Natürlich, Hana-hime, Ihr könnt euch auf mich verlassen“, sagte Takumi und entfernte sich nach einer weiteren tiefen Verneigung. Als er außer Sicht war, wischte sich Touran mit den Händen durch ihr Gesicht, um die Farbe zu entfernen. „Lag das an mir oder hat dieser Takumi sich sehr viel Mühe gegeben, um sich einzuschmeicheln?“, fragte Shunran. „Das ist gut so. Das heißt, dass er uns geglaubt hat.“ Die Braunhaarige musterte Touran und kicherte hinter vorgehaltener Hand. „Du hast die Farbe verschmiert. Ohne Wasser bekommst du die wohl nicht ab.“ Touran verzog etwas die Mundwinkel. „Gehen wir. Ich muss aus dieser Rüstung raus.“ In den nächsten drei Wochen nahmen die Pläne der Pantherdämonen immer konkretere Formen an. Da sie alle vier der Meinung waren, dass sie Akumaru nur so weit vertrauen wie sie ihn werfen konnten – was nicht weit war, angesichts der Tatsache, dass er ein Daiyoukai war -, hatten sie beschlossen, sich weitere Verbündete zu suchen, mit denen der Nordfürst nicht rechnete. Außerdem sollten diese Verbündeten die Angriffe übernehmen, für die die Schattendämonen nicht geeignet waren. In den Ninja-Youkai hatten sie die idealen Handlanger gefunden. Sie spionierten das Schloss perfekt aus, ohne entdeckt zu werden und hatten auch kämpferisch einiges zu bieten. Außerdem stellten sie keine Fragen. Solange die Bezahlung stimmte, taten sie, was man von ihnen verlangte, Hochverrat hin oder her. Touran und Shunran verkleideten sich erneut als Hana und Akemi und trafen sich wieder mit Takumi auf dem Hügel in der Nähe der Siedlung. Dieses Mal hatten sie den Anführer ihrer Gruppe Ninja-Youkai dabei, was den Schattendämon offenbar verwirrte. „Keine Sorge, Takumi, dieser Dämon ist der Anführer einer Elite-Kampftruppe, die für mich arbeitet. Sie sollen euch unterstützen, da ihr ja nicht sehr gerne kämpft. Er wird sich hier in der Nähe aufhalten und dir auch mitteilen, wenn ich dich zu sehen wünsche“, sagte Touran. „D-das ist zu großzügig und nachsichtig von Euch, Hana-hime“, sagte Takumi und verneigte sich tief. „Habt ihr die Möglichkeit, Briefe zu schreiben?“ Sonst müssten die Panther ihnen Papier und Tinte besorgen. „N-natürlich, Hana-hime.“ „Gut. Geht jetzt.“ Touran und Shunran wandten sich ab und kehrten in ihren Unterschlupf zurück. Amaru, der Heiler des Westens, der sie mit Informationen aus dem Schloss versorgte, hatte gesagt, dass Hana und Akemi nur einen sehr kurzen Ausflug machen würden, daher mussten die Panther sich beeilen und konnten nur hoffen, dass sie bald wieder ein längeres Treffen mit den Schattendämonen abhalten könnten. Auch wenn diese Verkleidung sehr nervig war, wollten sie möglichst viele Informationen und Anweisungen lieber persönlich überbringen. Die nächste Zeit verwendeten die Panther dann wieder darauf, sich ein genaues Vorgehen zurechtzulegen. Die Tagesabläufe der Familienmitglieder waren immer ziemlich gleich – sofern sie sich im Schloss aufhielten. Damit konnte man doch ziemlich gut arbeiten. Besonders wenn man Schattendämonen und Ninja-Youkai hatte, die wirklich unbemerkt angreifen konnten. Also sollten sie wohl als Erstes mit einer Drohung und einem Beweis dafür sorgen, dass alle im Schloss gehalten wurden, auch wenn das bedeutete, dass Touran ihre Anweisungen nicht mehr persönlich überbringen konnte. Bis dahin musste dann eben so viel wie möglich vorausgeplant werden, um die Schattendämonen auf Abruf bereit zu halten. Für das übernächste Treffen mit Takumi hatten Touran und Shunran glücklicherweise mehr Zeit, da Hana und Akemi ein Ausflug in die Berge genehmigt worden war. So konnten die ersten konkreten Schritte eingeleitet werden. Endlich. Akumaru war auch schon informiert worden. Nicht über alle Details, aber über das Meiste. Takumi verneigte sich gewohnt tief vor der vermeintlichen Prinzessin. „Es wird jetzt wirklich ernst, Takumi. Ab jetzt darfst du dir wirklich keinen Fehler mehr erlauben und dich an das halten, was ich dir auftrage.“ „Natürlich, Hana-hime.“ „Du bekommst ja schon eine ganze Weile Informationen über das Geschehen und die Vorgänge im Schloss. Das musst du jetzt ausnutzen. Ich will, dass du dem Inu no Taishou einen Drohbrief schreibst, indem du ihm mitteilst, dass siene Söhne leichte Angriffsziele sind, wenn er sie aus dem Schloss lässt. Zeig ihm die Folgen auf, die der Tod der Prinzen hätte und fordere ihn dazu auf, die beiden einzufangen. Was in dem Friedensvertrag steht, weißt du ja hoffentlich“, sagte Touran. Der Häuptling nickte schnell. „Natürlich.“ „Gut. Wenn die beiden Prinzen sich auf dem Rückweg befinden, wird die Elite-Kampftruppe sie angreifen. Mal sehen, was dieser Angriff bringt. Jedenfalls schickst du dann einen weiteren Brief. Bedroh meine Tochter und mich, das dürfte wirksam sein. Lock den Fürsten und seine Söhne – sofern die noch leben sollten – möglichst weit vom Schloss weg. Und bring sie dann in die Schattenwelt.“ Die Panther hatten sich darüber informiert, was es mit dieser Welt auf sich hatte und fanden das sehr gut. Wer in die Schattenwelt geriet, musste sie auf dem gleichen Weg verlassen. Normalerweise keine große Herausforderung, doch in dieser Welt wurde man mit seinen eigenen Schatten konfrontiert. Mit seinen Ängsten, unerfüllten Träumen und mit den Fehlern, die man begangen hatte und die einen noch immer verfolgten. Kaum jemand hatte es je wieder herausgeschafft und die, denen es gelungen war, waren wohl nie ganz zurückgekehrt. Takumi schluckte etwas. „Wie Ihr wünscht, Hana-hime.“ „Um der zweiten Drohung Gewicht zu verleihen, solltest du meine Tochter angreifen. Wirf ein Messer auf sie oder so, am besten wenn sie im Schlossinneren ist“, fuhr Touran fort. „Verzeiht, aber … ich soll Eure Tochter angreifen?!“ „Ja, das ist perfekt. Die drei Hunde hängen an der Kleinen. Wenn sie angegriffen und dabei vielleicht sogar verletzt oder getötet wird, werden die drei auf jeden Fall dorthin gehen, wo du sie hinbestellst und tun, was du verlangst.“ „Wie … wie Ihr wünscht, Hana-hime.“ „Außerdem wäre es besser für mich, wenn das Kind verschwindet, bevor Sesshoumaru herausfindet, dass sie nicht von ihm ist.“ Wenn sie die Hundeprinzessin schon hinhängen sollte und behaupten durfte, was sie wollte, sollte sie das auch ausnutzen. Ohne es Akumaru mitzuteilen. „Während der Fürst und die Prinzen nicht im Schloss sind, schickst du deine Soldaten dorthin. Eine Magierin wird das gesamte Schlosspersonal außer Gefecht setzen, bis auf zwei. Der Heiler wird euch sagen, wo ich bin, sollte meine Tochter noch leben, sagt er euch auch ihren Aufenthaltsort. Der zweite Diener, der nicht außer Gefecht gesetzt sein wird, ist bloß ein Flohdämon, also keine Sorge. Er soll nur bezeugen, dass ich mich gewehrt habe, als deine Soldaten mich entführt haben. Ich zweifle nicht daran, dass du meine Anweisungen umsetzen wirst, das ist einfach nur ein Sicherheitsplan, damit ich nicht Verdacht gerade und ein weiterer Weg, Druck auf meinen Schwiegervater und seine Söhne auszuüben. Sperrt Sora und mich gut ein, die Magierin kann euch auch dabei helfen, falls nötig.“ Der Schattendämon neigte sich tiefer. „Wie Ihr wünscht, Hana-hime.“ „Alles weitere lasse ich dir über die Elite-Krieger mitteilen.“ Takumi nickte gefolgsam. „Stell dich nicht zu dämlich an, ich will mein Vertrauen in dich nicht bereuen.“ Touran wandte sich ab und ging, Shunran folgte ihr eilig. Gefangen in der Schattenwelt – das wäre wirklich eine perfekte Rache. Eine schlimmere Strafe als der Tod. Falls es stimmte, was darüber gesagt wurde. Und falls sie es wirklich schaffen sollten, die drei Hunde in diese Falle zu locken. Als die Kameradinnen schon fast an ihrem Schloss angekommen waren, sah Shunran zu der anderen. „Wenn Takumi bei dem Angriff auf die Prinzessinnen dabei ist und die echte Hana sieht, wird er dann nicht misstrauisch werden? Oder sogar alles abblasen und uns verraten?“ Touran musterte die Kleinere aus dem Augenwinkel. „Du hast doch gelesen, was Akumaru uns über die Schattendämonen geschrieben hat und was wir sonst noch zusammengetragen haben. Die können eigentlich nicht normal sehen. Sie sehen Umrisse, je nachdem wie warm das Objekt oder die Person ist. Es kostet sie sehr viel Kraft und Anstrengung, um wie wir zu sehen. Wenn er bei dem Überfall dabei sein sollte, wird er kaum mehr als einen kurzen Blick auf Hana werfen. Und ich bezweifle auch, dass er mich genauer angesehen hat. Das klappt schon. Ich mache mir eher Sorgen darüber, was wir machen, wenn diese blöden Hunde nicht auf die Erpressung anspringen und sich weigern, das Schloss zu verlassen, um dann in die Schattenwelt geschickt zu werden.“ Shunran legte einen Zeigefinger ans Kinn. „Mmh … ich würde ja nur zu gerne wissen, ob diese Schattenwelt wirklich so ist wie alle sagen oder ob das nur eine Gruselgeschichte ist, um Kinder zum Gehorchen zu bringen.“ „Wir können ja die Hunde fragen, falls sie zurückkommen sollten. Und ansonsten können wir Takumi auch bitten, dich mal nachsehen zu lassen. Du kannst auf deinem Ausflug dorthin ja deine ganzen Eindrücke aufschreiben, damit es für die Nachwelt erhalten bleibt, wenn du deinen Verstand verloren hast“, erwiderte Touran spitz. Auf die Idee, seinen Kindern mit einem Ort wie der Schattenwelt zu drohen, konnte auch nur Shunran kommen. Die verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich meine doch nur, dass wir nicht mit Sicherheit sagen können, ob die Schattenwelt wirklich so schlimm ist, wie es überall heißt. Hinterher ist es gar nicht übel da und die Hunde genießen es sogar.“ Touran schwieg. Diese Diskussion könnte sonst noch Stunden dauern und danach stand ihr momentan wirklich nicht der Sinn. Viel eher wollte sie diese Verkleidung ablegen und sich berichten lassen, was im Schloss des Westens so vor sich ging, ehe sie sich dann auf den Weg dorthin machen würde. Sie wollte die Reaktion der Hunde auf diesen Drohbrief so nah wie möglich selbst mitbekommen. Nicht nur aus Schadenfreude, sondern auch um sicherzugehen, dass der Plan verlief wie er sollte. Vier Tage später war es soweit: Der erste Drohbrief traf bei den Hunden ein. Tpuran hatte sich in einem hohen Baum nah an der Schlossmauer versteckt, um einen guten Blick auf das Geschehen im Schlosshof zu haben. Die Prinzessin war gerade in einen Übungskampf gegen Akemi verwickelt, als der Fürst raus kam und kurz mit den beiden sprach. Leider konnte die Pantherdämonin nicht hören, was vor sich ging, aber es schien Aufregung zu geben. Hana folgte ihrem Schwiegervater ins Schloss, während die Kriegerin in die andere Richtung verschwand und kurze Zeit später mit einem anderen Samurai und einem jungen Dämon ebenfalls ins Schloss ging. Der Samurai war der Kleidung nach zu urteilen der Hauptmann. Der andere Dämon war kein Hund, er sah eher wild aus. War das vielleicht Kouga vom Wolfsdämonenrudel, der von seinem Vater an den Hof geschickt worden war, um diszipliniert zu werden? Touran sah kurz zu Shuuran, ihrem großen, breiten Kameraden, dessen Gewicht ein Ast nicht lange tragen würde und der daher an dem Baumstamm lehnte. Er hatte in den letzten Wochen recht viel Zeit hier verbracht, um das Schlosspersonal zu beobachten und möglichst vielen Namen Gesichtern zuordnen zu können. Er bemerkte ihren Blick und sie deutete seitwärts auf den Hauptweg, der vom Schloss weg führte. Wenn ihre Vermutung stimmte und jetzt ein Trupp losgeschickt wurde, um die beiden Prinzen ins Schloss zurückzuholen, dann wollte sie wissen, wer losgeschickt wurde. Das war im Prinzip egal, aber sie war neugierig, wen der Fürst dafür auswählen würde. Immerhin würde dieser Trupp vermutlich auch in den Angriff der Ninja-Youkai geraten. Die beiden Panther gingen weiter in Deckung, als vier Youkai durch das Schlosstor kamen und im Wald verschwanden. Neben Akemi, dem Hauptmann und dem Wolf war auch Hana dabei. Der Fürst schickte seine Schwiegertochter aus, nachdem seine Söhne bedroht worden waren? War das so sinnvoll? Touran bedeutete Shuuran, beim Schloss zu bleiben, während sie selbst dem Suchtrupp folgte. Vielleicht ergab sich ja eine Gelegenheit, Hana kurz zu sprechen. Es wäre doch schon interessant zu erfahren, was sie selbst dazu sagte, dass ihr Vater ihren Tod und den ihrer Tochter mit einem desinteressierten Schulterzucken in Kauf nahm. Leider ergab sich keine Gelegenheit dazu. Zwar teilten sich die vier Suchenden in zwei Gruppen auf, aber Hana wurde nicht von Akemi begleitet, sondern von dem Hauptmann, der sich nach Meinung der Pantherdämonin noch mehr einschmeichelte als Takumi. Er hatte sich so tief verneigt, dass seine Stirn beinahe seine Schuhspitzen berührte – ohne dass er dabei in die Knie gegangen war. Touran blieb trotzdem an den beiden dran. Hana führte ihren Begleiter recht zieltstrebig, als wüsste sie genau, wo sie hin musste. Ließ sie ihren Gefährten etwa beschatten? Oder bestand zwischen den beiden doch so etwas wie eine emotionale Verbindung? Schneller als Touran es für möglich gehalten hätte, hatten sie Sesshoumaru ausfindig gemacht. Sie hielt sich möglich nah an den drei anderen, um das Gespräch mitzubekommen. Zwar hatten sie und ihre drei Kameraden wie die Ninja-Youkai in einem Kräutersud gebadet, um ihren Geruch zu verwischen, aber wer wusste schon, ob das auf Dauer funktionierte. „... Es ist möglich, dass mein Vater den Brief hat schreiben lassen“, hörte sie die Prinzessin verbittert sagen. Wenn dieser Tonfall nur gespielt war, war die Hündin wirklich durchtrieben. Der Erbprinz entschied, zurück zum Schloss zu gehen und bemerkte nicht, dass ihm und seiner Reisegruppe eine Pantherdämonin folgte, die den Angriff der Ninja-Youkai kaum noch erwarten konnte. Doch für Touran gab es auf dem Rückweg noch eine Überraschung: nicht nur Inu Yasha, Akemi und Kouga trafen auf das Erbprinzenpaar, sondern auch der Fürst selbst und noch dazu die kleine Prinzessin Sora. Was machten die denn hier? Nun, die Erlaubnis, das Schloss zu verlassen, schien sie nicht bekommen zu haben, denn sowohl ihr Großvater als auch ihr Vater schienen überrascht und wütend darüber zu sein, während Hana besorgt schien. Sie war wirklich eine talentierte Schauspielerin. So vertraut und liebevoll, wie sie ihre Tochter auf den Arm nahm und den weiteren Weg trug, anstatt sie einfach auf den zweiköpfigen Reitdrachen des Erbprinzen zu setzen – da vermutete wirklich niemand, dass das Kind ihr eigentlich egal war. Touran zuckte etwas zusammen, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte. Karan war neben ihr aufgetaucht. Dann wirkte der Kräutersud wohl doch. „Was machst du hier?“, fragte die Größere leise. „Ich habe den Wolf und die Tussi verfolgt“, erklärte Karan und deutete auf Hana. „Ich dachte, das Kind wäre ihr egal, warum trägt sie es dann?“ „Sie scheint eine gute Schauspielerin zu sein.“ Die beiden Dämoninnen wandten sich zur Seite, als sie aus den Augenwinkel etwas bemerkten, die Klauen zum Schlag angespannt. Dann erkannten sie, dass die Ninja-Youkai aufgetaucht waren und sich der nun größeren Reisegruppe näherten. Schnell sprangen sie in einen Baum, um nicht in den Kampf zu geraten, aber alles genau beobachten zu können. Der erste Angriff ging gegen die Prinzessin, die Sora absetzte und den Schlag mehr instinktiv abwehrte, als dass sie wirklich etwas bemerkt hätte. Das Mädchen wurde von dem kleinen Krötendämon, der ihrem Vater diente, auf den Rücken des zweiköpfigen Drachen gezogen, während die Kämpfer einen Kreis, eine Mauer um sie bildeten, um die Angreifer nicht an sie heranzulassen, auch wenn sie das ihre Bewegungsfreiheit kostete. Einige Zeit lang geschah nichts weiter, doch dann schoss plötzlich ein gleißendes, läuterndes Licht durch die Kämpfenden, raubte allen kurz die Sicht. Auch Karan und Touran sahen weg, nach unten, und überrascht sahen sie die Erbprinzessin. Hana rammte ihr Schwert in die Erde und ein kleiner Bannkreis bildete sich darum, der Sora umschloss und sie verschluckte. Dann sprang die Inu-Youkai wieder zurück zum Kampffeld. Die beiden Panther sahen sich an. „Der ist ihre Tochter auf keinen Fall egal und sie spielt das auch nicht nur vor! Akumaru hat gelogen!“, zischte Karan. Ihre Kameradin nickte stumm. Würde es stimmen, was Akumaru gesagt hatte, würde Hana ihr dämonisches Schwert nicht aus der Hand geben und dafür mit dem einfachen Katana des Wolfes weiterkämpfen, da sie wissen musste, dass der Kampf für sie so durchaus tödlich ausgehen könnte. Wüsste sie Bescheid und würde nicht an ihrem Kind hängen, würde sie zuerst ihr eigenes Leben retten. Dieser miese Hund hatte sie reingelegt, was das betraf! „Wir müssen das Shuuran und Shunran sagen“, murmelte Touran. Hana bewahrte den Wolfsyoukai davor, von hinten ermordet zu werden, wobei sie selbst ein Schwert durch die Schulter gestoßen bekam. Die Prinzessin war auf keinen Fall eingeweiht. Die beiden Panther warteten den Ausgang des Kampfes nicht ab, sondern machten sich so schnell wie möglich auf den Weg zurück zum Schloss des Westens, wo Shunran und Shuuran lauerten und auf neue Informationen hofften. Auf einer kleinen Lichtung in der Nähe des Schlosses trafen die vier Pantherdämonen sich. Shuuran grinste breit. „Eins muss man den Hunden ja lassen: sogar als Kinde rkönnen sie schon ziemlich hoch sprinzen. Kurz nachdem du gegangen bist, Touran, ist die Göre von dem jungen Köter einfach über die Mauer gesprungen und abgehauen. Der alte Hund war darüber nicht gerade glücklich gewesen“, sagte er. „Gut, dass sie das getan hat, sonst hätten wir vielleicht nie erfahren, dass dieser miese Pinscher uns reingelegt hat“, knurrte Karan und peitschte mit dem Schwanz. „Was?!“, riefen Shunran und Shuuran überrascht. „Hana ist nie und nimmer auf Akumarus Seite“, erklärte die Rothaarige. „Sie beschützt ihre Tochter so sehr, dass es nicht mehr bloß gespielt sein kann!“ Sie erklärte kurz, was vorgefallen war. „Vielleicht legt sie ja ihren Vater rein“, meinte Shunran langsam. „Vielleicht spielt sie ihm nur die gehorsame Tochter vor, um ihn dann bei der ersten Gelegenheit zu verraten.“ „Vielleicht. Aber wahrscheinlicher ist, dass sie sich ihm schon vor einiger Zeit widersetzt hat. Vielleicht hat sie ihm auch nie gehorcht. Ihre Treue gilt dem Westen, nicht dem Norden und Akumaru weiß das auch. Er behauptet nur, dass sie dazu bereit ist, alles für ihn zu opfern, um als guter Vater dazustehen und in der Hoffnung, dass wir sie wirklich töten. Sie ist ein volles Mitglied der Familie des Westens und wenn sie ihren Vater reinlegen würde, hätte sie ihn und uns schon längst verraten“, sagte Touran. „Was bedeutet das jetzt für unseren Plan? Brechen wir ihn ab?“, wollte Shuuran wissen. „Nein, wir ziehen ihn weiter durch. Es macht doch eigentlich keinen Unterschied, ob sie jetzt davon weiß oder nicht. So kann sie uns wenigstens nicht verraten. Aber da sie zu der Familie gehören will, der wir Rache geschworen haben, wird sie mit ihr draufgehen.“ Die Anführerin zuckte mit der Schulter. „Und danach knöpfen wir uns Akumaru vor! Was bildet der sich ein, uns so ausnutzen zu können?!“, fauchte Karan. Die anderen drei Panther nickten nur zustimmend. Sie ließen sich nicht gerne an der Nase herumführen, schon gar nicht von einem dahergelaufenen, zerlausten Straßenköter. „Wir ziehen uns erst mal zurück und geben den Schattendämonen Bescheid, dass sie den nächsten Schritt einleiten sollen. Danach werden wir die Ninja-Youkai wohl nicht mehr brauchen, sondern nur noch ihren Kräutersud. Shuuran, geh und hol die Hexe, sie soll möglichst bald hier sein“, ordnete Touran an. Shuuran schien kurz zu erblassen. Er hatte die Hexe im Norden aufgesucht und mir ihr die Verhandlungen geführt. Welchen Preis sie verlangte, hatte er nicht verraten, nur gesagt, dass er das regeln würde. Der Panther nickte nur kurz und machte sich dann auf den Weg, während seine Kameradinnen sich in ihr Schloss im Osten aufmachten, um dort ein wenig Erholung zu bekommen und mit den Ninja-Youkai zu sprechen. Vielleicht waren die jetzt auch gar nicht mehr bereit, für die Panther zu arbeiten, nachdem sie einige ihrer Kameraden verloren hatten. Nur wenige Tage später waren die vier Kameraden wieder beim Schloss des Westens. Die Ninja-Youkai hatten ihre Unterstützung nicht zurückgezogen. Verluste gehörten bei ihnen zum Berufsrisiko. Die Schattendämonen hatten wie befohlen einen zweiten Drohbrief an die Hunde geschickt und diese zu einer Klippe gelockt. Dass durch ein offenes Fenster ein Messer auf Sora geworfen worden war, das die kleine Prinzessin nur durch einen glücklichen Zufall nicht getroffen hatte, hatte die Hunde auch wirklich dazu gebracht, das Schloss zu verlassen. Touran und Shuuran folgten den drei Herren, während Karan und Shunran beim Schloss blieben, um den Überfall zu beobachten. Die Hexe, die Akumaru ihnen empfohlen hatte, war in einem dunklen Cape erschienen, die große Kapuze tief ins Gesicht gezogen, sodass nichts weiter von ihr zu erkennen war. Die beiden Panther beobachteten aus sicherer Entfernung, wie ihre klauenartigen Finger sich um einen glänzenden Edelstein schlossen und dann von einem unheilvollen, düsteren Leuchten umgeben wurden. Aus dem Schloss war nichts zu hören, aber die Hexe wandte sich wieder ab und gab den Schattendämonen den Wink, dass sie loslegen konnten, ehe sie verschwand. Der Häuptling der Schattendämonen führte seine Leute auf den Schlosshof. Er wusste, dass der Heiler ihm den Aufenthaltsort der Prinzessinnen verraten würde und dann auch außer Gefecht gesetzt werden musste, um nicht in Verdacht zu geraten. Nur kurze Zeit später kamen die Schattendämonen wieder aus dem Schloss heraus. Einer von ihnen trug die bewusstlose Hana, ein anderer die zappelnde Sora, die mit allen Mitteln versuchte, sich zu befreien und lauthals schrie. Karan rieb sich etwas die Ohren. „Warum hauen die die Kröte nicht auch noch um, hat bei der Hündin doch auch geklappt“, murrte sie. „Komm, wir sehen uns an, wo die beiden hingebracht werden“, meinte Shunran und die beiden schlichen hinter den Schattendämonen her in Richtung Norden. Am Abend trafen die vier Pantherdämonen sich wieder in ihrem Schloss. Touran und Shuuran sahen ziemlich ernst aus. „Die Schattendämonen haben die beiden Prinzessinnen in ein unterirdisches Gefängnis gesperrt, das ziemlich sicher ist. Am Eingang sind Bannkreise angebracht“, berichtete Karan. „Die Prinzessinnen kommen da auf keinen Fall alleine raus. Zumal Hana eh bewusstlos ist und verletzt war“, fügte Shunran hinzu. „Die Hunde sind nicht in die Schattenwelt gesprungen. Sie haben sich den Schattendämon geschnappt und sind ins Schloss zurückgekehrt“, sagte Shuuran. Shunran und Karan sahen die anderen beiden überrascht an. „Hat der Schattendämon ihnen nicht gesagt, dass sie die Prinzessinnen haben?“, wollte die Rothaarige wissen. „Doch“, erwiderte Touran. „Dieser alte Flohgeist ist sogar wie gehofft aufgetaucht und hat es erzählt, der Schattendämon hat gesagt, dass die Prinzessinnen sterben werden, wenn sie ihm etwas tun, weil die Hunde nie erfahren werden, wo sie sind. Die haben ihn überwältigt und ins Schloss mitgenommen.“ „Der … der kann doch nicht viel wissen, oder?“, fragte Shunran. „Ich meine, Takumi war bei der Entführung dabei, die Hunde haben also einen anderen und der wird doch nicht alles erfahren haben, oder?“ „Nicht mal Takumi weiß alles, von daher dürften wir sicher sein. Nur Hana und Sora könnten wir aus dem Weg geräumt haben. Jetzt müssen wir uns nur noch überlegen, wie wir die anderen drei los werden. Ohne die Schattendämonen, die sind raus.“ Touran verschränkte die Arme vor der Brust. „Und was machen wir jetzt?“ Karan sah ihre Anführerin erwartungsvoll an. Die seufzte etwas. „Erst mal das Schloss beobachten und warten, was passiert. Danach werden wir weiter sehen.“ „Was ist eigentlich mit dieser Miko? Die den Bannpfeil auf die Kampfgruppe geschossen hat? Wissen wir schon, wer sie war? Oder war es doch ein Mensch?“, fragte Shuuran. „Mönche schießen für gewöhnlich keine Pfeile. Ich hab zwei Ninja-Youkai auf die Sache angesetzte, die sollten bald mit Ergebnissen auftauchen. So viele mächtige Mikos kann es ja nicht geben, schon gar keine, die einen Pfeil auf einen Dämonenkampf schießen und dann spurlos verschwinden, ohne jemanden zu töten.“ Ein paar Tage später hatten die vier Panther sich wieder rund um das Schloss des Westens versteckt. Der Betrieb im Schloss schien lebhafter zu sein als sonst und die Prinzen verließen das Schloss nicht. Sora war hin und wieder auf dem Hof oder im Garten zu sehen, aber die Erbprinzessin nicht. Was genau los war, konnten sie nicht sagen, der Heiler war aufgeflogen und ins Verlies geworfen worden, wo auch zwei Schattendämonen darauf warteten, endlich sterben zu dürfen. Wenn man an der Schlossseite war, wo die Verliese lagen, konnte man die Gefangenen schreien hören, wenn der Fürst und der Erbprinz sie gerade „besuchten“. „Scheint so, als würden sie Besuch erwarten“, meinte Shuuran und reckte den Hals, um einen besseren Überblick über die Gegend zu bekommen. „He, schaut mal da!“, zischte er den drei Frauen dann zu. „Da kommt jemand! Ist das nicht …?“ „Akumaru. Und sein Sohn“, sagte Touran langsam. „Was machen die denn ausgerechnet jetzt hier?“, fragte Karan leise. „Vielleicht nachsehen, ob Hana noch lebt und mitbekommen hat, dass ihr Vater sie in den Dreck reiten wollte. Und sie vielleicht sogar reingeritten hat“, meinte Shunran. „Wir hauen ab“, beschloss Touran. „Wir hauen ab und überlegen uns einen neuen, eigenen Plan, wie wir die Hunde loswerden können. Wir warten, bis Akumaru fertig ist, mit was auch immer er hier anstellt.“ „Und wie bleiben wir auf dem Laufenden? Oder brechen wir auch die Beobachtung ab?“, wollte Karan wissen. „Wir brechen vorerst vollständig ab. Wir haben keine Spitzel im Schloss, wir erfahren also eh nichts Genaues. Wir überlegen uns was und versuchen es dann noch einmal.“ „Wir sind also gescheitert“, meinte Shuuran. „Vorerst ja. Wir waren zu selbstsicher und sind zu früh in die direkte Offensive gegangen. Dieser Fehler wird uns kein zweites Mal passieren. Beim nächsten Mal bekommen wir unsere Rache“, antwortete Touran zuversichtlich. Ihre Kameraden nickten und die vier machten sich auf den Weg zurück zu ihrem Schloss. Keiner der vier konnte ahnen, dass sie nicht mehr dazu kommen sollten, einen neuen Racheplan umzusetzen. Kapitel 40 ---------- Der Herr des Westens starrte nachdenklich auf den Schreibtisch vor sich, auf dem unzählige Briefe und Dokumente der letzten paar Tage verstreut lagen. Für gewöhnlich ordnete er seine Papiere sofort, er konnte Chaos nicht leiden, aber in der Woche seit seiner Rückkehr ins Schloss waren seine Gedanken und seine Aufmerksamkeit eher weniger auf den anfallenden Papierkram und die übrigen Fürstenpflichten gerichtet. Er hatte entscheiden müssen, was mit Ichiromaru und dem Revier im Norden geschehen sollte und darüber oft und lange mit seinen Söhnen diskutiert, ohne zu einem eindeutigen Ergebnis zu kommen. Von Verbannung bis zur Hinrichtung war jede Strafe möglich und ausgiebig besprochen worden, aber die drei Herren waren sich bislang nur darüber einig, dass Ichiromaru nicht der neue Fürst des Nordens werden würde. Er war zwar zur Besinnung gekommen, als es darauf ankam und hatte sich dann gegen seinen verlogenen Vater gewandt, nachdem er erkannt hatte, dass er dessen Befehlen nur blind gefolgt war, weil er mit Halbwahrheiten und Lügen abgespeist worden war, aber das machte seine Taten natürlich nicht ungeschehen. Außerdem war er auch ein ziemlich junger Hund, unerfahren und fast noch ein Kind. Ichiromaru wusste nicht, auf was ein Fürst achten musste, was einen guten Fürsten ausmachte. Manchmal bezweifelte der Taishou sogar, dass sein Erbe sich darüber schon vollends klar war und die Verantwortung für den Westen auch länger als ein paar Tage übernehmen konnte. Sesshoumaru war einfach noch zu machthungrig und würde sich leicht provozieren lassen. Aber in dem Alter war der jetzige Fürst auch nicht anders gewesen. Was sollte er jetzt mit diesem Wissen anfangen? Sein Großvater hatte damals sein Reich unter seinen beiden Söhnen, den Zwillingen Ichiromaru und Sesshoumaru, aufgeteilt. Der Ältere, Ichiromaru, hatte den Norden bekommen, der kleiner und dünn besiedelt war. Sein Bruder Sesshoumaru hatte den Westen bekommen und noch dazu Sou'unga. Ihr Vater hatte sich so entschieden, weil er Ichiromaru nicht zutraute, das ganze Reich zu beherrschen und das Höllenschwert zu führen, ihn aber auch nicht vollständig enterben wollte. Doch war das der einzige Grund gewesen? Hatte er das Revier vielleicht auch aufgeteilt, weil er der Meinung war, dass niemand über ein so großes Gebiet herrschen konnte, ohne etwas aus den Augen zu verlieren? Ein Fürst musste immer den Überblick darüber behalten, was in seinem Reich vor sich ging und wo Probleme entstehen könnten oder bereits entstanden waren. Das war alles andere als einfach und je größer das Revier war, desto schwieriger wurde es. Der Taishou hatte am eigenen Leib erfahren müssen, dass gerade kleinere Randgruppen schnell übersehen werden konnten. Hätte er sich darum gesorgt, gekümmert, dass die Schattendämonen sich nicht vergessen fühlten, hätten die sich nicht den Pantherdämonen angeschlossen und bei der Intrige mitgewirkt. Er musste erst mal sein Revier in Ordnung bringen, sichergehen, dass nicht noch jemand offen für einen solchen Komplott war. Er musste die Loyalität seiner Bevölkerung wiederherstellen oder zumindest stärken. Konnte er da jetzt noch den Norden übernehmen? Er müsste sich durch den ganzen Papierkram arbeiten, der nicht in der Flut zerstört worden war und den Rest wiederherstellen lassen, um ihn ebenfalls durchzuarbeiten. Er müsste sich etwas wegen dem Schlosspersonal und den Soldaten seines Cousins einfallen lassen, die konnte er schließlich nicht alle einfach entlassen, aber sie alle in seinen Haushalt aufzunehmen wäre utopisch. Er könnte sie nicht alle beschäftigen, nicht einmal alle anständig unterbringen. Das war wirklich eine Menge Arbeit. Und er musste sich immer noch überlegen, was er mit Ichiromaru machen sollte. Auch wenn es Sou'unga mehr als gefallen würde, wollte er den Jungen nicht dafür hinrichten, dass er seinem Vater gehorcht hatte. Sesshoumaru und Hana hatten ihm davon erzählt, was im Schloss des Nordens und auf dem Weg zu den Wölfen passiert war, wie Ichiromaru ihnen geholfen hatte herauszufinden, was Akumaru alles getan hatte. Der Prinz des Nordens hatte Akumaru in dem Moment den Rücken gekehrt, in dem er erkannt hatte, dass Hana niemals auf seiner Seite gestanden hatte, dass sie spätestens seit dem Tod ihrer Mutter dem Familienoberhaupt gegenüber nicht mehr loyal war. Der Taishou vermutete, dass sein Cousin den Welpen nur so lange bei der Stange hatte halten können, weil der immer geglaubt hatte, seiner großen Schwester nachzueifern. Jeder Halbwüchsige suchte sich ein Vorbild, dem er nacheifern konnte, an dem er sich messen konnte und am liebsten suchten sie sich ihre älteren Geschwister aus. Sogar noch lieber als die eigenen Eltern, in der Annahme, ein erreichbares Ziel zu haben. Der Fürst des Westens hatte das bei seinem Jüngeren beobachtet. Inu Yasha versuchte immer, die Anerkennung seines Bruders zu erlangen und ihm ähnlicher zu werden. Er übte viel mit dem Schwert, um den Älteren mit seiner Technik zu beeindrucken. Er bemühte sich, sich nicht dumm zu verhalten, um dem Älteren keinen Grund zum Spotten zu geben. Vielleicht verhielt sich das bei Ichiromaru ähnlich. Vielleicht hatte er es seinem Vater immer nur recht machen wollen, weil er geglaubt hatte, damit seiner Schwester zu folgen, von der Akumaru wohl immer behauptet hatte, dass sie das perfekte Kind war, das für ihn spionierte und bereit war, alles für ihn zu opfern. Dafür hatte niemand den Tod verdient, außer derjenige, der bereits gestorben war. Durch seine Hand. Er hatte ihm mit dem Höllenschwert einfach den Kopf abgeschlagen und ihm dabei direkt in die Augen gesehen, die in jäher, unbekannter Todesangst weit aufgerissen gewesen waren. Der Herr der Hunde hatte dabei nicht mal mit der Wimper gezuckt. Er war so kaltblütig gewesen wie nie zuvor in seinem Leben. Und das alles nur weil … ja, weil. Weil sein Cousin ihn in diesen Felsenkessel gelockt hatte, von dem er gewusst hatte, dass er einstürzen würde. Weil der Weißhaarige schwer verletzt worden war. Weil er beinahe gestorben wäre, begraben unter einer dicken Schicht aus Schlamm und Felsbrocken. Weil er mit allen Mitteln gegen den Tod hatte ankämpfen wollen. Weil er dafür auf seinen schlimmsten Feind vertraut hatte … Die beiden Fürsten umkreisten sich lauernd. Bei beiden war das eigentliche Weiß des Fells kaum noch zu erkennen. Sie waren von einer dicken Schicht aus Schlamm und Blut bedeckt, hatten tiefe Wunden am ganzen Körper, aus denen weiter Blut sickerte. Der Fürst des Westens konnte seinen eigenen Atem laut in den Ohren hören, er spürte das Rasseln in seinem Brustkorb, wenn er Luft holte. Seines Wissens nach war das ein ziemlich sicheres Zeichen dafür, dass sich in seiner Lunge Flüssigkeiten befanden, die da definitiv nicht hingehörten. Er betrachtete seinen Cousin abschätzend, suchte nach einer Lücke in der Deckung, die er angehen konnte, ohne dabei zu riskieren, selbst noch weitere Wunden einstecken zu müssen. Alles andere versuchte er auszublenden, auch wenn das leichte Zittern des Bodens schon recht irritierend war. Was war das nur? Aber er schob diesen Gedanken wieder ganz weit von sich weg. Er musste sich etwas einfallen lassen, wie er Akumaru überlisten und überwältigen konnte. Dann kam ihm eine Idee. Der Westfürst knurrte bedrohlich, dann sprang er los. Er zielte auf die schon ziemlich lädierte linke Schulter des Anderen, der sich umgehend darauf vorbereitete, diesen Angriff abzuwehren. Im letzten Moment änderte der Herr der Hunde jedoch die Richtung und fuhr mit ausgefahrenen Krallen über Augen und Nase seines Kontrahenten. Wenn er ihm die Augen auskratzen und seine Nase schwer genug verletzen konnte, wäre der Rest nur noch eine Sache von Minuten. Akumaru jaulte auf, sprang zurück und wischte sich mit der Pfote über das zerkratzte Gesicht, ehe er sich mit wütendem Gebrüll auf den Taishou stürzte, der sofort seine Zähne in die Schulter des Angreifers schlug, aber trotzdem zu Boden gerungen wurde. Akumaru klammerte sich an seinen Rücken und fuhr mit den scharfen Krallen der Hinterpfoten über seinen Bauch. Der Fürst des Westens rollte sich so herum, dass er seinem Gegner ins Gesicht treten konnte, doch der ließ sich nicht lange abschütteln. Die beiden riesigen Hunde rollten über den matschigen Boden, kratzten und bissen sich, knurrten und bellten. Dann befreite der Nordfürst sich plötzlich, obwohl er gerade überlegen war und die Gelegenheit auf den vielleicht finalen Schlag hatte. Er sprang an die steile Felswand des Kessels und krallte sich dort fest. Der Inu no Taishou kämpfte sich mühsam wieder auf seine vier Pfoten und atmete tief ein und aus. Sein Körper hatte keine Stelle mehr, die nicht schmerzte. Mehrere Rippen waren gebrochen, mindestens eine davon bohrte sich in seine Lunge. Er verlor Blut, innerlich und äußerlich. Lange würde er nicht mehr durchhalten. Sein verhasster Vetter aber auch nicht, er war mindestens genauso schwer verletzt. Diese Sache würde nicht mehr lange dauern, dann würde es einen Sieger geben. Oder zwei Verlierer. Der Herr der Hunde musste es irgendwie schaffen, Akumaru einen harten Schlag zu verpassen, aber er wusste, dass er selbst nicht mehr allzu viel einstecken konnte. Doch plötzlich störte etwas seine Konzentration. Die Erde unter seinen Pfoten bebte stärker und da war ein Geräusch … ein Knacken? Ja, es klang, als würde Gestein auseinanderbrechen. Noch bevor der angeschlagene Fürst begreifen konnte, was geschah, gab der Boden unter ihm nach und er stürzte hinab, das Letzte, was er sah, war das Gesicht seines Cousins, auf dem ein gehässiges Lächeln zu liegen schien, dann war da nur noch Dunkelheit. Dunkelheit und Enge. Geröll und Erde drückten ihn zu Boden, kleine Steine bohrten sich in die Wunden an seiner oben liegenden Körperseite, während unter ihm hauptsächlich weiche Erde war. Abgesehen von etwas mehr als besorgniserregendem. Ein spitzer Fels bohrte sich in seine Flanke genau in Richtung seines Herzens. Und wenn ihn das Gefühl an seiner unteren Hinterpfote nicht täuschte, war dieser Fels noch ein ganzes Stück länger und wenn er sich noch tiefer in ihn hineinbohren würde, würde er … dann würde sein Herz durchstoßen werden und diese Dunkelheit würde ewig andauern. Was auch immer es war, das verhinderte, dass er auf dem Felsbrocken weiter runter rutschte, der Taishou war in diesem Moment mehr als dankbar dafür und betete zu wem auch immer, dass dieses Etwas ihn weiter hochhalten würde, bis er sich etwas überlegt hatte, wie er hier rauskommen konnte. Der einzige Vorteil daran, dass er unter der Erde eingequetscht war, war dass der Druck seine Blutungen gestoppt hatte. Zumindest die, durch die sein Blut nach außen sickerte. Aber zu dem Nachteil, dass er sich nicht bewegen konnte – und es auch eigentlich nicht wirklich wollte –, kam auch noch, dass er nicht atmen konnte. Zwar mussten Dämonen nicht besonders oft atmen, die mit einem ausgezeichneten Geruchssinn wie Hunde- oder Wolfsdämonen taten es hauptsächlich, weil sie immer wissen wollten, wie es um sie herum roch und er könnte eine ziemlich lange Zeit unter der Erde bleiben, ohne zu ersticken, aber er musste hier raus. Aber ohne sich zu bewegen und so den Felsen tiefer in seinen Körper zu treiben? Unmöglich. Er konnte hier nicht alleine rauskommen. Jedenfalls nicht lebend. So sollte er also enden? Erbärmlich. In einem Erdloch verscharrt wie ein Straßenköter und auf einem Felsen aufgespießt. Das war so unwürdig. Er hatte immer gedacht, wenn er diese Welt einmal verlassen müsste, dass im Kampf. In einem fairen Kampf gegen einen Gegner, der ihm einfach überlegen war, entweder durch wahres Können oder auch durch einen reinen Zufall. Aber abzutreten, weil er naiv genug war darauf zu vertrauen, dass Akumaru sich wirklich einem ehrenhaften Kampf stellen würde wie einst ihre Väter Ichiromaru und Sesshoumaru, nach denen sie beide ihre Söhne benannt hatten? Das war einfach unwürdig und erbärmlich. Und außerdem noch ein langsamer Tod. Bis er endlich erstickte oder innerlich verblutete oder sein Herz durchstoßen wurde, würde wohl noch eine ganze Zeit vergehen, in denen er in seinen Gedanken gefangen war. Gerade als er glaubte, dass die fehlende Luft ihm tatsächlich die Sinne rauben würde, spürte der Westfürst etwas über sich. Der Druck wurde leichter. Konnte es sein, dass ihn jemand ausgrub? Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. Natürlich! Akumaru. Dieser miese Hund wollte garantiert nachsehen, ob er schon tot war und er sich endlich das holen konnte, was er mindestens so sehr begehrte wie das Reich des Westens: das Höllenschwert Sou'unga. Wenn die Daiyoukai sich in ihre Tierform, in ihre wahre Gestalt verwandelten, nahmen sie mit, was sie bei sich trugen, Kleidung und Waffen. Sie schlossen es mit ihrer Magie praktisch in sich selbst ein. Akumaru würde seinen Cousin ausgraben, um sich das Schwert zu holen. Der Taishou musste sich zusammenreißen. Wenn der Nordfürst ihn weit genug von der Erde und den Felsen befreit hätte, könnte er sich vielleicht schnell aufrappeln und sich den Überraschungsmoment zunutze machen. Wenn er dabei den Tod finden sollte, schön, aber er würde Akumaru mit sich reißen. Doch dafür durfte er sich nicht zu früh bewegen, keinen einzigen Muskel. Wenn Akumaru zu früh bemerkte, dass sein Kontrahent noch lebte, würde ihn nicht weit genug ausgraben, sondern ihn so schnell wie möglich töten, entweder selbst, oder indem er ihn wieder eingrub. Doch noch bevor auch nur ein Stück seines Fells an die Luft kam, erzitterte die Erde erneut, das Gewicht auf dem Westfürsten nahm schlagartig wieder zu. Ein weiterer Erdrutsch? Nein! Das durfte einfach nicht wahr sein! Akumaru würde nicht so bald wieder anfangen zu graben. Er war selbst am Ende seiner Kräfte und würde sich erst etwas erholen, ehe er noch einmal Erde in einer instabilen Gegend aufwühlen würde, vielleicht würde er sich auch Verstärkung holen oder jemanden, der die Drecksarbeit direkt alleine für ihn machte. Bis dahin würde der Taishou vermutlich schon tot sein, egal wie sehr er sich dagegen wehrte. Er wurde stetig schwächer, er starb Stück für Stück. Der verschüttete Fürst wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, doch er lebte immer noch, als er wieder spürte, wie das Geröll von ihm geräumt wurde. Startete Akumaru einen neuen Versuch? Oder war es jemand anderes? Wer auch immer es war, der Taishou war inzwischen zu schwach, um sich noch zu verteidigen oder gar selbst anzugreifen. Er war demjenigen, der ihn ausgrub, hilflos ausgeliefert. Doch noch ehe das Gewicht auch nur halb von ihm runter geholt worden war, hörte das Graben auf. Der Hund versuchte zu lauschen, was passierte, aber die Erde in seinen Ohren verhinderte es. Vielleicht war auch gar nichts zu hören. Aber warum spürte er nichts, was da oben vorging? Seit er unter der Erde lag, konnte er die Energie seines Cousins nicht mehr spüren. Lag es daran, dass er zu schwach wurde? Oder hatte es einen anderen Grund? Die Erde erzitterte erneut, diesmal jedoch nur sehr kurz und der Druck auf ihm nahm auch nicht zu. Als wäre jemand abgesprungen, abgehauen. Jemand großes, wie ein Daiyoukai in seiner Hundeform. „Na, noch am leben?“, hörte er eine spöttische, kalte Stimme fragen. Woher kam sie? Und wer war das? „Erkennst du etwas die Stimme deines treuen Kampfgefährten nicht? Bist du schon so schwach?“ Sou'unga? Da wäre er jetzt lieber allein in seinen Gedanken. „Oh, warum so unfreundlich? Ich will dir doch nur helfen. Dein Leben retten.“ Sein Leben retten? Was sollte das denn bedeuten? „Du bist doch eigentlich ein recht schlauer Hund. Du hast doch sicher bemerkt, dass der Fels, der sich in deine Seite bohrt, auf dein Herz zielt und es auch erreichen könnte, wenn du nur ein Stück tiefer rutschst. Jetzt rate doch mal, was dich davon abhält, abzurutschen?“ Das Höllenschwert? Warum tat es das? Warum wollte es seinen Träger retten, den es nicht mal leiden konnte? „Ich will dir eine zweite Chance geben. Die Chance auf einen Neuanfang. Unsere Zusammenarbeit fängt wieder ganz von vorne an.“ Der Taishou wollte verwirrt den Kopf schütteln. Was sollte das alles? Warum wollte Sou'unga ihm helfen, wenn es die Gelegenheit dazu hatte, in Akumarus Hände zu fallen, der den Blutdurst des Schwertes sicherlich mit Freuden stillen würde? Das ergab keinen Sinn. „Oh, es ergibt Sinn. Akumaru wäre kein guter Kampfgefährte. Sein Geist, seine Seele ist schwach und instabil. Er hätte absolut keine Kontrolle und würde sich selbst in kürzester Zeit zerstören.“ Und das störte das Schwert? Wirklich? „Ich kann nicht mit einem instabilden Geist arbeiten. Ich brauche eine starke Seele. Wie deine. Ein wahnsinniger Geist zerstört auch seinen wahnsinnigen Körper. Er kann seine Kraft nicht kontrollieren, seine Gedanken und seine Konzentration sind zu sprunghaft.“ Der Drachengeist säuselte die Worte süß wie Honig. Der Fürst des Westens fühlte sich auf einmal sehr unbehaglich. Na ja, unbehaglicher als zuvor. Der Geist im Schwert stammte direkt aus der Hölle, er würde nie etwas selbstloses tun. Das Schwert käme auch ganz gut alleine zurecht, bis es einen neuen Wirt hätte. Wenn es ihn also retten wollte, dann bestimmt nicht ohne Gegenleistung. Oder eher Bezahlung. Und der Preis würde hoch sein. „Du bist wirklich ein sehr schlauer Hund. Natürlich hat alles einen Preis. Aber was ich für dein Leben verlange, ist vergleichsweise wenig. Wenn du ablehnst, wirst du in ein paar Stunden jämmerlich ersticken. Es sei denn, Akumaru kommt zurück und buddelt dich vorher aus, um dich schneller zu töten. Wenn er zurückkommt, bedeutet das, dass er erfolgreich war. Dann sind dein Sohn und deine hübsche Schwiegertochter tot. Ich habe in seinen Geist gesehen, in seine Pläne. Er will mich benutzen, um deinen anderen Sohn zu töten. Und deine Gefährtin. Und deine niedliche, kleine Enkeltochter auch noch. Der Einzige, den er nicht töten möchte, ist dein neuer Enkel. Den will er aufziehen und zu seinem Nachfolger machen. Dein Enkel könnte die ganze Welt beherrschen, denn die will Akumaru einnehmen. Aber vermutlich schafft e er das nicht, weil er sich vorher selbst zerstört. Bis dahin wird er allerdings jede Menge Blut vergossen haben. Und das alles nur, weil du es zugelassen hast. Weil du nicht auf meinen Handel eingegangen bist.“ Der Hundedämon verkrampfte sich etwas. Akumaru wollte allein gegen drei junge Inu-Youkai kämpfen? Selbst wenn Hana und Ichiromaru noch müde waren von ihrem vorherigen Kampf gegen ihren Vater – Sesshoumaru war es nicht. Er war stark und fähig und Akumaru war deutlich angeschlagen. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass sein Sohn diesen Kampf verlor und starb? Sou'unga lachte leise. „Schön, dass du so ein Vertrauen in deinen Sohn hast. Aber selbst wenn er überleben sollte, wie lange wird es dauern, bis er hier ist? Wirst du bis dahin noch leben? Denn wenn du ablehnst, werde ich dich nicht mehr halten. Dann musst du dich selbst abstützen und verhindern, dass dein Herz aufgespießt wird. Was du nicht kannst. Du wirst deine beiden Enkelkinder nicht aufwachsen sehen, ganz zu schweigen von den weiteren Enkeln, die da vielleicht noch kommen. Du wirst nicht miterleben, wie dein Erbe sich als Fürst macht. Oder was aus deinem Jüngeren wird. Du wirst alles verpassen und ihnen nicht helfen und beistehen können. Willst du das wirklich riskieren?“ Der Inu no Taishou schluckte etwas. Es machte ihn mittlerweile fast wahnsinnig, bewegungsunfähig unter der Erde zu liegen, nicht atmen zu können, Schmerzen zu haben und mit seinen Gedanken und Sou'unga allein zu sein. Und die von dem Drachen ausgelösten Vorstellungen machten es auch nicht gerade besser, eher im Gegenteil. Er wollte nur noch raus aus der Erde. Er wollte in sein Schloss zu seinen Enkelkindern, zu seinen Söhnen. Er begriff, was das war: Todesangst. Er wollte nicht sterben. Er wollte seine Enkelkinder aufwachsen sehen, er wollte irgendwann den Fürstentitel an Sesshoumaru abgeben und dabei zusehen, wie er sich in die Rolle einfand, ihm bei Problemen helfen, wie sein eigener Vater es leider nie gekonnt hatte. Er wollte nicht sterben, schon gar nicht so. „Dann sag einfach ja“, zwitscherte der Höllendrache. „Lass dich auf meinen Handel ein und ich rette dein Leben, hol dich hier raus und helfe dir dabei, Akumaru zu töten.“ Ja … ja, das wollte der Fürst. Aber was war der Preis? „Ein Teil deiner Seele. Du überlässt mir einen Teil deiner Seele. Keine Sorge, nicht den Großteil. Du sollst ja noch du selbst bleiben. Nur nicht mehr vollständig.“ Einen Teil seiner Seele? Das war … er hatte keine Worte dafür. Wenn Sou'unga einen teil seiner Seele bekam, bekam es auch ein Stück Kontrolle. Es würde dem Höllenschwert leichter fallen, den Fürsten zu beeinflussen, dem es gleichermaßen natürlich schwerer fallen würde, Sou'ungas Wunsch zu töten zu widerstehen. Sollte er sich darauf einlassen? Unter einer Bedingung, dachte er. Du wirst niemals auch nur versuchen, mich dazu zu bringen, ein Mitglied meiner Familie anzugreifen. Niemals. „Akumaru gehört doch auch zu deiner Familie“, wandte der Drache spöttelnd ein. Außer Akumaru! „Von mir aus. Kein direkter Angriff auf deine geliebten Familienmitglieder“, gab der Höllendrache nach. Danach hatte der Fürst des Westens die Macht des Höllenschwertes benutzen können, um sich selbst auszugraben und zu regenerieren. Nach einer recht langen Zeit der Schwäche und Hilflosigkeit wieder so stark zu sein, eine solche Macht zu haben, hatte sich gut angefühlt. Aber nur kurze Zeit später hatte er feststellen müssen, dass Sou'unga die Abmachung sehr wörtlich genommen hatte. Das Gokuryuuha, das er den Berg bei der Höhle der Wölfe runtergejagt hatte, hätte beinahe Sesshoumaru und Hana erwischt und mindestens schwer verletzt, aber dem Taishou war das in diesem Moment egal gewesen. Das war kein direkter Angriff auf die beiden, sondern auf Akumaru gewesen. Sein Sohn und seine Schwiegertochter wären nur Kollateralschäden gewesen. Doch obwohl der Taishou sich bemühte, Sou'unga nicht an sich heranzulassen, es war schwerer als jemals zuvor. Er hoffte, dass er sich im Laufe der Zeit wieder geben würde, dass er den Teil seiner Seele, der noch ihm gehörte, stärken könnte, um dem Höllenschwert einfacher widerstehen zu können. Bis dahin musste er eben alles tun, um seine Familie nicht in Gefahr zu bringen. Sie durften also auf keinen Fall in der Nähe sein, wenn er Sou'unga benutzte. Inu Yasha und Sora standen nebeneinander am Rand des Kampffeldes und beobachteten den Übungskampf, der gerade stattfand. Sesshoumaru hatte beschlossen, dass Hana so schnell wie möglich wieder anfangen musste zu üben und in Höchstform sein musste, falls doch mal wieder etwas passieren sollte. Und weil er wohl davon ausging, dass sie mit zu den Panthern kommen sollte. Der Halbdämon seufzte leise. „Was?“, fragte seine Nichte mehr automatisch als wirklich interessiert. „Ich bin nur neidisch. Seit ich das letzte Mal wirklich geübt habe, ist schon eine lange Zeit vergangen. Ich wünschte, ich könnte mit deiner Mutter tauschen. Oder mit deinem Vater.“ Sora nickte nur etwas. Ihre Eltern waren beide ausgezeichnete Kämpfer, soweit sie das beurteilen konnte. Die beiden fuhren augenblicklich herum, als sie den Fürsten hinter sich bemerkten und auch das Erbprinzenpaar kam näher, alle verneigten sich gegen das Familienoberhaupt. „Ich werde zu den Panthern gehen“, sagte der Taishou und da er drei hochzuckende Blicke bemerkte: „Allein. Sesshoumaru, du hast hier in der Zeit die Verantwortung. Sei so gut und arbeite sich durch den Papierkram auf meinem Schreibtisch.“ Damit ging er. Nach einigen Momenten Verwirrung warf Sesshoumaru seinem Bruder das Übungsschwert zu, warf seinen Haori über und verschwand wortlos im Schloss. „Irgendetwas stimmt nicht mit ihm“, murmelte Sora. „Dein Vater war noch nie der gesprächige Typ“, erwiderte ihr Onkel. „Ich meine nicht meinen Vater, sondern deinen. Seit er zurück ist, ist er … anders.“ „Es war ein harter Kampf, den er überstanden hat“, meinte Hana langsam. „Er wird sich wieder fangen.“ Aber bei ihrem Gefährten war sie sich da nicht so sicher. Er redete zwar nicht darüber, schon gar nicht mit ihr, aber sie wusste, dass es an ihm nagte, dass sein Vater die Gokuryuuha losgelassen hatte, auch wenn er ihn dabei hätte verletzen können. Es war reines Glück gewesen, dass dem Erbprinzenpaar und Ichiromaru dabei nichts passiert war. Ja, etwas ging in dem Herrn der Hunde vor. Und was immer das auch war, es konnte nichts gutes sein. Inu Yasha sah auf das Übungskatana in seiner Hand. „Was soll ich jetzt damit machen?“ Seine Schwägerin zog eine Augenbraue hoch und verkniff sich die sarkastische Antwort, die ihr auf der Zunge lag. Stattdessen sagte sie: „Ich schätze, du sollst für ihn einspringen.“ Die Miene des Halbdämons hellte sich sofort auf. Das war ein wirklicher Vertrauensbeweis. Sesshoumaru übte nämlich nur deshalb selbst mit Hana, weil er den Samurai seines Vaters nicht vertraute, dass sie ihre Finger bei sich behielten, aber Akemi die einzige Kriegerin gewesen war. Schnell entledigte er sich seines Haoris und sprang dann auf den Übungsplatz, seiner Schwägerin gegenüber. Das würde ein Spaß werden. Hoffentlich hatte er nicht alles vergessen, was er im Schwertkampf gelernt hatte. Epilog: Epilog -------------- Die Sonne hatte vor einigen Stunden den Zenit verlassen, die wärmste Zeit des Tages war vorbei und ein kühler Wind wehte. Das Schloss des Westens lag still inmitten des Waldes. Nur leises Schwertklirren hallte durch die Luft. Sora stand neben ihrem Großvater in dessen Arbeitszimmer und sah hinab auf den Übungsplatz, auf dem ihre Eltern waren. Genau wie viele Soldaten und einige Diener beobachtete sie den Übungskampf interessiert. Auch wenn es schon seit einigen Wochen so ging, war es doch immer noch eine Neuheit, dass der Erbprinz mit seiner Gefährtin trainierte. Die kleine Prinzessin sah zu ihrem Großvater, der völlig regungslos neben ihr stand. Unwillkürlich fragte sie sich, ob er den Kampf wirklich sah oder nur leer vor sich hin starrte, wie so oft in letzter Zeit. Sie war zwar noch sehr jung, aber nicht dumm. Seit der Fürst aus dem Norden zurückgekehrt war, verhielt er sich merkwürdig, seit der Sache mit den Panthern war es schlimmer geworden. Ihr Vater war zwar auch irgendwie anders, aber … eigentlich nur in der Gegenwart seines Vaters. Was war hier nur los? Was war vorgefallen? Doch mit ihr würden die Erwachsenen kaum darüber reden. Wussten die etwa nicht, dass sie auch merkte, dass ihr Großvater anders war? Dass er … dunkler war? Dem Herrn der Hunde war bewusst, dass seine Familie bemerkt hatte, dass er anders war. Sie spürten, dass sich etwas verändert hatte und dass es etwas mit Sou'unga zu tun hatte, konnten sich zumindest Sesshoumaru und Hana denken, die dem bösen Schwert beinahe zum Opfer gefallen waren. Er hatte weder sich noch dem Schwert verziehen, dass er seinen Sohn und seine Schwiegertochter in Lebensgefahr gebracht hatte. Er hätte den Kampf zwischen den Halbwüchsigen und Akumaru auch anders unterbrechen können, um seinen Cousin dann zu töten. Er hatte auch bemerkt, dass sein Ältester sich in seiner Gegenwart anders verhielt, wachsamer und angespannter war. Wer konnte es ihm verdenken? War diese Verhaltensänderung vielleicht auch der Grund dafür, dass Sesshoumaru jetzt mit Hana übte? Dass er sie wieder in Höchstform bringen wollte, damit sie sich und ihre Kinder auch alleine gegen den Fürsten verteidigen konnte? Eigentlich sollte er über diesen Gedanken beleidigt sein, aber er war mehr als erleichtert. Er hatte es noch nicht geschafft, die Kontrolle so weit zurückzugewinnen, dass er sich selbst in Gegenwart seiner Familie vertrauen konnte. Er hatte bei den Panthern gesehen, wie leicht es dem Drachengeist fiel, ihn zu beeinflussen und es hatte ihn sehr viel Mühe gekostet, nicht nachzugeben, als das Höllenschwert verlangte, Ichiromaru und Fumiko zu töten. Stattdessen hatte er die beiden vor einem Monat zurück in den Norden geschickt. Der Fürst des Westens war nun auch offiziell der des Nordens. Er hatte sich in den vergangenen Wochen intensiv mit den Unterlagen aus dem Revier seines Cousins befasst. Allerdings hatte er momentan nicht vor, auch den ausführenden Regierungsposten im Norden zu bekleiden. Stattdessen hatte er Ichiromaru zu einer Art Prinzregent ernannt. Der junge Hund durfte die alltäglichen Fürstenaufgaben erledigen, musste aber regelmäßig Bericht erstatten und hatte auch keine sehr weitreichenden Befugnisse. Dennoch hatte das Sesshoumaru vermutlich zusätzlich verstimmt. „Opa?“, riss die Stimme seiner Enkelin aus seinen Gedanken, ihre kleine Hand schloss sich um seine langen Klauen und er schreckte etwas auf. „Ja?“, fragte er und sah auf sie hinab. „Was ist eigentlich los mit dir?“, wollte sie wissen. „Gar nichts. Warum fragst du?“ „Du bist anders. Seit du aus dem Norden zurückgekommen bist, bist du anders. So … komisch anders.“ Einer seine Mundwinkel zuckte etwas nach oben. „Es ist nichts. Die letzten Wochen waren nur ziemlich anstrengend.“ „Wirklich? Das ist alles?“ „Ja, meine Kleine.“ „Und das wird sich wieder ändern? Es wird alles wieder normal werden?“ „Ja, mach dir keine Sorgen.“ Sora nickte etwas und sah wieder hinunter zum Kampfplatz. Sie glaubte ihrem Großvater. Oder wollte ihm zumindest glauben. Als die untergehende Sonne den Himmel blutrot färbte, saß Hana mit ihrem kleinen Sohn im Arm auf einer Steinbank im Schlossgarten und beobachtete Yoshihiro, der sich mit großen, goldenen Augen umsah. Ein liebevolles Lächeln umspielte ihre Lippen. Ein leichter Wind kam auf und die beiden Hundedämonen wandten ihren Blick zum Eingang des Gartens. Inu Yasha kam langsam auf die beiden zu und schon aus der Entfernung konnte seine Schwägerin sehen, dass er traurig wirkte. Nicht nur, weil seine Hundeohren abgeknickt zu sein schienen und seine Schultern runterhingen. Der Halbdämon kam zu seiner Schwägerin und setzte sich vor der Bank ins Gras, lehnte sich leicht gegen ihre Beine. Einige Momente vergingen, in denen Hana auf eine Erklärung für den Trübsal oder zumindest auf eine Begrüßung wartete, aber es kam nichts, er starrte schweigend vor sich hin, die Arme locker auf seine angewinkelten Knie gelegt. „Was ist los mit dir?“, fragte sie schließlich und lehnte sich etwas vor. Er winkte nur ab. „Nichts weiter.“ Die Prinzessin zog eine Augenbraue hoch. „Wir sind hier ganz alleine. Sora ist in ihrem Zimmer und dein Bruder ist bei deinem Vater. Und Yoshihiro wird nichts weitererzählen. Also was ist los mit dir? Du bist doch nicht grundlos so trübsinnig.“ Inu Yasha seufzte tief und hob ergeben die Hände. „Ich … hab mich mit jemandem getroffen.“ Seine Schwägerin legte den Kopf schief. „Getroffen? Als Freunde oder … als Paar?“ „Als … Paar. Es … sie war eine Miko. Ist eine Miko. Darum habe ich nichts von ihr erzählt.“ Hana schwieg einen Moment. Er hatte sich heimlich mit einer Miko, einer Menschenfrau getroffen? „War das die Miko, die Sora gesehen hat, als sie aus dem Schloss ausgerissen ist und dich gefunden hat?“, fragte sie dann. Der Jüngere nickte etwas. „Ja. Kikyou. Es hat vor einer Weile angefangen, durch einen Zufall. Ich hab sie im Wald getroffen, als sie gerade von einigen niederen Dämonen angegriffen wurde, die hinter dem Shikon no Tama her waren. Obwohl ich mich versteckt hatte, bemerkte sie mich, sie hatte angenommen, dass ich ebenfalls hinter dem Juwel her sei, aber das war ich nicht. Wir haben uns eine Zeit lang unterhalten und von da an … haben wir uns öfter getroffen.“ „Ihr habt euch angefreundet.“ „Ja … und dann … war da mehr. Ich wollte bei ihr bleiben. Mein Leben mit ihr verbringen, mit ihr alt werden. Und ich dachte, sie würde das auch wollen.“ Hana richtete sich etwas auf. In ihr keimte ein Verdacht auf, aber das konnte unmöglich stimmen. Er hätte doch niemals vorgehabt, seiner Familie den Rücken zu kehren. „Was ist passiert?“ „Sie hat mich belogen. Die ganze Zeit über. Keines ihrer Worte war wahr. Und heute hat sie mir ihr wahres Gesicht gezeigt.“ „Inu Yasha, was genau ist passiert? Was hast du vorgehabt mit dieser Frau?“ „Sie ist die Hüterin des Juwels der vier Seelen. Darum wurde sie ständig angegriffen. Sie hat zu mir gesagt, dass sie sich nichts mehr wünscht, als ein normales Leben zu führen, ein ruhiges Leben. Wo niemand sie fürchtet und wo niemand hinter ihr her ist. Und ich konnte sie verstehen. Ich will auch normal sein. Ganz normal.“ „Du wolltest mit dem Juwel ein Dämon werden?“ Inu Yasha rutschte etwas hin und her. „Nein“, zwang er sich dann zu sagen. „Das Gegenteil.“ Die Ältere schluckte unwillkürlich. „Du wolltest für sie ein Mensch werden, damit ihr beide zusammen ein normales Leben haben könnt.“ „Ja. Aber … es war eine Lüge. Wir wollten uns heute treffen, sie wollte mir das Juwel geben. Aber … sie hat mir gesagt, dass alles gelogen war.“ Mehr würde er nicht zu diesem Treffen sagen. Ein Knoten bildete sich plötzlich in seinem Magen, als hätte ihm jemand die Faust hinein gerammt. „Also wollte ich mich rächen. Ich wollte mir das Shikon no Tama aus ihrem Dorf holen. Das ist aber auch schief gegangen. Sie hat mich aufgehalten und beinahe mit einem Pfeil erschossen. Ich hab das Juwel fallen gelassen und bin nur noch weggerannt.“ Er ließ den Kopf sinken und verfiel in tiefes Schweigen. Hana atmete tief durch und dachte nach. Wie sollte sie darauf nur reagieren? „Hat sie gesagt, warum sie das getan hat? Warum sie dich angelogen hat?“ „Nein. Es … es ergibt für mich auch keinen Sinn.“ Die Dämonin neigte sich ein Stück weiter vor, darauf bedacht, ihren Säugling nicht zu erdrücken. „Als wir gegen die Gruppe Ninja-Youkai gekämpft haben, im Wald, da sind wir alle von einem hellen, läuternden Licht geblendet worden. War das einer ihrer Pfeile?“ Als Hüterin des mächtigen Shikon no Tama musste die Miko schließlich über einige Macht verfügen. Und es interessierte Hana schon die ganze Zeit, wer hinter diesem Licht gesteckt hatte, das ihr die Möglichkeit gegeben hatte, ihre Tochter in Sicherheit zu bringen. „Ja, das war sie. Sie sagte, sie wollte uns nur helfen. Zuerst. Heute sagte sie, dass sie uns einfach nur selbst töten will.“ Das ergab für Hana keinen Sinn. Warum hatte diese Kikyou dann nicht Inu Yasha zu einem Menschen gemacht, der wäre leichter zu töten gewesen, selbst für eine Menschenfrau. Und es war doch mehr als dumm, auszuposaunen, dass man die dämonische Fürstenfamilie töten will, auf deren Revier man lebte. War diese Frau vielleicht dumm? Nein, dann wäre sie wohl kaum eine Miko geworden, deren Fähigkeiten groß genug waren, um das Vertrauen der Dämonenjäger zu gewinnen, die vorher für das Juwel verantwortlich gewesen waren. „Ich werde so etwas nie wieder finden“, murmelte der Halbdämon. „Das weißt du nicht. Und sieh es doch mal so: Dein Vater wäre sicher sehr betrübt gewesen, wenn du ein Mensch geworden und von hier weggegangen wärst. Ohne vorher mit ihm darüber zu sprechen“, erwiderte seine Schwägerin. Er lachte kurz auf. „Ja, in seinem momentanen Zustand ist es wohl keine gute Idee, ihm noch mehr Kummer zu bereiten. Was ist eigentlich genau im Norden passiert? Wieso will keiner von euch genau darüber reden?“ Die Erbprinzessin zögerte. Sie war dabei gewesen, als der Fürst seinen jüngeren Sohn über die Geschehnisse in Kenntnis gesetzt hatte. Nun, über einen Teil der Geschehnisse. Er hatte ausgelassen, dass er mit dem Höllenschwert angegriffen hatte, ohne auf das Erbprinzenpaar Rücksicht zu nehmen und anschließend seinen Cousin kaltblütig getötet hatte. Was genau in dem Felsenkessel passiert war, dass Akumaru daraus entkommen, aber der Taishou noch aufgehalten worden war, hatte er niemandem erzählt. Das kam einem stummen Befehl gleich, nichts zu sagen und nichts zu fragen. „Ich … denke, dass die Falle, in die mein Vater deinen gelockt hat, Sou'ungas Einfluss auf ihn erhöht hat.“ „Was?! Nein, nein, nein, Vater würde niemals zulassen, dass das Schwert ihn kontrolliert. Niemals“, sagte Inu Yasha entschieden. „Ich weiß. Aber ich glaube trotzdem, dass es irgendwie passiert ist, vielleicht gegen seinen Willen, vielleicht hatte er keine andere Wahl. Ich weiß wirklich nicht, was genau passiert ist, wir waren nicht dabei.“ „Warum glaubst du es dann? Wieso denkst du, dass seine Veränderung etwas mit Sou'unga zu tun hat?“ „Weil … weil er es eingesetzt hat.“ „Na und? Dein Vater hat ihn in eine Falle gelockt und damit seine Chance auf einen fairen Kampf verspielt.“ Der Halbdämon zuckte mit der Schulter. „Er war vermutlich schon angeschlagen und wollte die Sache möglichst schnell beenden. Und es hat schon etwas ironisches, dass Akumaru durch das Schwert gestorben ist, dass er unbedingt haben wollte.“ Hana sah sich schnell um und prüfte die Luft, um sicher zu gehen, dass niemand sie belauschte, ehe sie mit gesenkter Stimme sagte: „Inu Yasha, dein Vater und dein Bruder dürfen nie erfahren, dass ich dir das jetzt sage. Absolut niemand darf jemals ein Wort davon erfahren.“ Ihr Schwager zog verwundert die Augenbrauen zusammen. „Ich werde schweigen wie ein Grab“, sagte er langsam. Was kam denn jetzt? „Dein Vater hat Sou'unga eingesetzt, als Sesshoumaru und ich noch in der Schusslinie standen. Er hätte uns beinahe erwischt.“ „Was?!“ „Sei still!“ Inu Yasha öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder und starrte sie nur fassungslos an. „Darum glaube ich, dass das Höllenschwert mehr Einfluss auf ihn hat als vorher. Darum benehmen dein Vater und dein Bruder sich so komisch. Von sich aus hätte der Fürst Sesshoumaru niemals angegriffen oder auch nur riskiert, dass er bei einem solchen Angriff verletzt wird. Das war Sou'unga. Ich würde auch nur zu gerne wissen, wie das passieren konnte, was in dem Felsenkessel genau vorgefallen ist, aber ich weiß es wirklich nicht und ich glaube auch nicht, dass wir es jemals erfahren werden.“ Der Prinz schluckte und schüttelte kurz den Kopf, um seine Gedanken zu ordnen. „Nein, er hätte keinen von euch jemals absichtlich in eine solche Gefahr gebracht“, murmelte er. „Jetzt denk nicht zu sehr darüber nach. Hoffen wir einfach, dass hier bald wieder Normalität einkehren wird“, meinte Hana und lehnte sich wieder zurück. „Ja … danke.“ „Wofür?“ „Dass du versucht hast, mich abzulenken. Und dich um mich gekümmert hast, als ich noch ein Kind war. Und mir immer zuhörst. Und niemandem davon erzählen wirst, was ich vorhatte.“ Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Dafür sind Schwestern da.“ Inu Yasha lehnte sich wieder gegen ihre Beine und sah hinauf in die Bäume, die das Schloss umgaben. Es tat noch weh, an das zu denken, was Kikyou ihm angetan hatte. Sehr weh. Aber es hatte geholfen, darüber zu reden. Und Hana gab ihm das Gefühl, dass er immer einen Ort hatte, zu dem er gehen konnte, an dem er sich normal und akzeptiert fühlen konnte, so wie er war. Doch wie lange würde es diesen Ort noch geben, wenn Sou'unga es wirklich geschafft hatte, sich größeren Einfluss auf den Fürsten zu verschaffen? Wie lange würde der Herr der Hunde noch er selbst sein, wenn ein Stück von ihm an den Höllendrachen gefallen war? Er seufzte leise und schloss die Augen. Vielleicht hatte seine Schwägerin recht. Vielleicht sollte er wirklich nicht zu viel darüber nachdenken. Es würde sicher alles wieder gut werden. Ganz sicher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)