Aufregungen im Fürstentum von -Suhani- (Wie Inu Yasha auch hätte verlaufen können) ================================================================================ Kapitel 22 ---------- Als die Kammerdienerin der Erbprinzessin ihrer Herrin mitteilte, dass der Fürst sie zu sehen wünschte, bemerkte sie nicht, dass diese fast entnervt die Augen verdreht und geseufzt hätte. Aber Hana fing langsam an sich darum zu sorgen, dass das Dienstpersonal noch anfangen könnte zu tuscheln, wenn er sie weiterhin so oft besuchte oder sie zu sich rief. Doch das würde der Herrscher schon zu unterbinden wissen und so kniete sie wenig später in seinem Arbeitszimmer. Sie war auch zugegebenermaßen interessiert, was er jetzt schon wieder von ihr wollte. Dass es bereits einen Hinweis auf den Verbleib ihrer Tochter gab, wagte sie nicht mal zu hoffen. „Ich hoffe, ich habe dich nicht bei irgendetwas gestört“, meinte er. „Nein, verehrter Schwiegervater.“ „Gut. Ich habe eine Bitte an dich. Schau dir die Unterlagen über das Dienstpersonal an und überprüfe sie auf Merkwürdigkeiten.“ „Verzeiht, was für Merkwürdigkeiten meint Ihr genau?“ „Ob sie auffällig oft bei Amaru waren, öfter als gewöhnlich um Urlaub bitten oder durch die Empfehlung eines anderen, besonders Amaru, eingestellt wurden. Solche Dinge, die man als Herr gewöhnlich kaum beachtet, weil ein Diener ist wie der andere, wenn man von den persönlichsten einmal absieht. Myouga erledigt gerade eine Aufgabe für mich, danach werde ich ihn mit den Unterlagen zu dir schicken, er wird dir auch helfen.“ Helfen oder überwachen? Aber Hana verneigte sich etwas. „Danke, verehrter Schwiegervater.“ „Gut. Du darfst gehen.“ Sie verneigte sich erneut und verließ dann den Raum. Dieser Befehl hatte sie wirklich überrascht und verwundert und sie wusste nicht recht, was sie davon halten sollte. Hatte der Fürst ihr diese Aufgabe übertragen, damit sie beschäftigt war? Oder sollte das ein Vertrauensbeweis sein? Beides? Egal. Sie war für die Ablenkung dankbar. Derweil sah der Fürst zu dem kleinen Flohgeist, der zu ihm kam und sich rasch verneigte. „Was hast du rausgefunden, Myouga?“ „Bedauerlicherweise nichts besonders aufschlussreiches, oyakata-sama. Amaru stammte aus einer recht guten Familie, die im südlicheren Teil Eures Reviers lebte und dort seit vielen Generationen ein Geschäft betrieb. Er war der einzige Sohn und sollte eines Tages den Familienbetrieb übernehmen, aber dann wurde die Familie bei einem Überfall aus dem Süden getötet, nur der damals noch recht junge Amaru überlebte. Er konnte und wollte das Familiengeschäft nicht neu aufbauen und so bot Euer verehrter Großvater ihm dann an, bei seinem Heiler am Hof zu lernen. Einige Jahre nachdem Amaru seine Ausbildung beendet hatte, wurde das Reich geteilt. Der alte Heiler ging mit in den Norden, während Amaru hier blieb“, berichtete Myouga. „Du hast dich geirrt, Myouga. Das war sogar ziemlich aufschlussreich. Amaru hat sein ganzes Leben in diesem Revier unter der Herrschaft meiner Familie gelebt und ist bei der Teilung des Reiches hier geblieben. War das seine eigene Entscheidung oder hat er den Befehl dazu bekommen? Die Vermutung liegt nah, dass er es ungerecht fand, dass mein Onkel den Norden bekam und dich den Westen oder gar das ganze Reich. Es wäre also denkbar, dass er sich an den Fürst des Nordens wandte und ihm seinen Dienst zusicherte. Also ist es sehr wahrscheinlich, dass der Fürst, dem er eigentlich diente, mein werter Cousin war. Wenn die Familie seit Generationen hier ihren Handel betrieb, wird sie kaum heimlich einem anderen Fürsten gedient haben, sie hätten für andere keinen Nutzen.“ „Gilt das denn als Beweis, den man gegen Euren Cousin verwenden kann?“ „Das hängt von den Bündnispartnern ab. Wenn ich einen Krieg gegen den Norden eröffne und um ihre Unterstützung bitte, werden sie entscheiden müssen, ob das ein Beweis oder nur ein Hinweis ist. Ich fürchte, sie werden es dann ablehnen, mich zu unterstützen. Aber wenigstens werden sie es dann wohl genauso ablehnen, dem Norden zu helfen. Dann kommt es darauf an, wessen Armee größer ist und wer zuerst nachgibt oder untergeht.“ „Verzeiht, oyakata-sama, aber Ihr habt doch immer noch das Höllenschwert. Das würde die Schlacht doch schnell beenden, schließlich kann man sich kaum Fürst nennen, wenn es keine Leute mehr gibt, über die man herrschen kann. Euer Cousin wird das doch kaum riskieren.“ Ein bitteres Lächeln umspielte die Lippen des Herrschers. „Da bin ich mir nicht so sicher, Myouga. Er hat kein Gewissen. Und er verfügt über ein ansehnliches Heer und so ziemlich jeder Youkai in seinem Reich hat eine Grundausbildung erhalten. Wenn es zum Krieg kommt, sehen wir uns mit einem sehr großen Teil der Bevölkerung des Nordens konfrontiert. Sou'unga würde vor Freude singen, dürfte es all diese Kämpfer und anschließend auch noch Akumaru töten, aber ich würde ungern mit so viel Blut füttern. Das war auch der Grund, warum mein verehrter Vater damals einen direkten Kampf mit seinem Bruder in ihrer wahren Gestalt angestrebt und die Schlacht damit beendet hat.“ „Natürlich, oyakata-sama, verzeiht, ich vergaß.“ Sein Herr hob etwas die Hand. „Lass bitte die Unterlagen über das Dienstpersonal zu Hana bringen. Ich habe sie bereits darüber informiert, dass sie nach Auffälligkeiten suchen soll und ich möchte, dass du ihr dabei ein wenig hilfst und ihr auch über die Schulter schaust.“ „Ich soll sie überwachen, oyakata-sama?“ „Nicht direkt. Aber vier Augen sehen einfach mehr als zwei und außerdem nehme ich an, dass du dich mit den Dienern besser auskennst als sie. Hana ist nun mal eine Prinzessin, für sie gab es bis jetzt keinen Grund, sich damit zu beschäftigen, wie das Personal normalerweise ausgewählt wird, wie oft es Urlaub nimmt, den Heiler aufsucht und so was alles.“ „Natürlich, oyakata-sama, wie Ihr wünscht.“ „Das war dann soweit alles, du darfst gehen“, beendete der Fürst das Gespräch und sein Berater machte sich nach einer tiefen Verneigung auf den Weg. Der Herrscher selbst wollte jetzt mit dem neuen Hauptmann Yujin, dessen Lebenslauf er genau wie die der restlichen Krieger die ganze Nacht hindurch studiert hatte, halten und neben einer relativ kleinen Schlosswache nur die Samurai zurückhalten, die als bedrohlich angesehen werden konnten und mussten, während alle anderen ausziehen und nach seiner Enkeltochter suchen sollten. Unterdessen herrschte im Schloss des Nordens kurz vor der Ankunft des angekündigten Besuchs noch Aufregung unter dem Dienstpersonal. Der Herr wollte, dass alles perfekt war und er war nicht gerade bekannt dafür, Fehler zu verzeihen. Dieser ging, gefolgt von seinem Sohn, durch die Gänge, um noch einmal alles zu kontrollieren und dann den Besuch auf dem Schlosshof in Empfang zu nehmen. Ichiromaru hatte von seinem Vater deutlich eingeprägt bekommen, wie er sich zu verhalten und was er zu sagen hatte, damit auch ja nichts schief ging, denn von diesem Treffen hing der weitere Verlauf des Plans ab. Wenn es verlief, wie der Herr des Nordens es sich wünschte, würde der Westen ziemliche Probleme bekommen, ging etwas daneben, könnte der Norden in ein schlechtes Licht gerückt werden. So stand er kurze Zeit später deutlich angespannt hinter seinem Vater auf dem Schlosshof und wartete auf den Besucher. „Eine sehr wichtige Lektion, mein Sohn: Der Empfang eines Besuchs ist mit das Wichtigste, wenn man jemanden auf seine Seite ziehen und für seine Zwecke einspannen will, weil man hier schon die ersten Steine für das folgende Gespräch legt“, meinte der Fürst. „Danke für die lehrreiche Lektion, chichi-ue, ich werde sie nie vergessen“, antwortete sein Erbe und verneigte sich, was mit einem fast schon wohlwollenden Blick zur Kenntnis genommen wurde. Dann sahen beide zum Schlosstor, das aufgeschoben wurde und den Blick auf den Ankömmling freigab. Ein relativ kleiner Mann mit dunklem Haar und silbrig glänzenden Augen, dessen Gesichtszeichnungen und Kleidung davon zeugten, dass er ein hochrangiger und mächtiger Daiyoukai war, ein Fürst. Mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht und ausgebreiteten Armen kam er auf den Nordfürsten zu, der ihm ebenfalls lächelnd entgegen ging. Die beiden Männer umfassten den rechten Unterarm des jeweils anderen; der alte Gruß unter großen Kriegern. „Sentaku-san, es mir und meiner Familie eine große Freude und Ehre, Euch bei uns begrüßen zu dürfen“, sagte der Gastgeber. „Ich danke Euch, Akumaru-san, ich freue mich, Euch einmal wiederzusehen“, erwiderte der Andere und sah zu Ichiromaru, der sich höflich verneigte. „Ich muss sagen, Euer Erbe hat sich wirklich großartig entwickelt, Ihr seid sicherlich stolz auf ihn.“ „Danke, Sentaku-san, er ist wirklich ein vorbildlicher Sohn und Erbe.“ „Oh, darf ich fragen, wie das Befinden Eurer werten Gemahlin ist? Ich hörte von ihrem bedauerlichen Unfall.“ Außerdem war sie weit und breit nirgendwo zu sehen, was ihm ein wenig merkwürdig und ja, unhöflich vorkam. Akumaru verzog die Mundwinkel und zog eine Fratze, die wie eine Mischung aus Leid und Wut aussah. „Ja, dieser Unfall … Lasst uns doch reingehen und uns setzen, dann lässt es sich bequemer reden.“ „Gerne, gerne. Es gibt sicherlich viel zu reden, mein Lieber.“ „Gewiss.“ Der Nordfürst bedeutete seinem Gast mit einem höflichen Wink, ihn ins Schloss zu begleiten, während sein Sohn ihm stumm wie ein Diener folgte. Als alle im Empfangszimmer saßen, blickte Sentaku fast schon auffordernd zu seinem Gastgeber. „Also, Akumaru-san, was gibt es neues im Norden?“ Der Nordfürst schien seufzen zu wollen und sich nur mit Mühe davon abhalten zu können. „Wisst Ihr, es war recht aufregend in letzter Zeit. Ihr habt ja schon von dem bedauerlichen Unfall meiner Gefährtin gehört.“ „Das stimmt. Ich hoffe doch sehr, dass die Gute wohlauf ist.“ „Ja, sie wurde glücklicherweise nicht allzu schwer verletzt und hat sich schnell wieder erholt.“ „Darf ich fragen, was genau passiert ist?“ Die Gerüchte hatten sich lediglich darauf beschränkt, dass die Fürstin einen Unfall hatte, der genauso gut künstlich herbeigeführt geworden sein könnte, aber das verschwieg er wohlweislich. „Nun, meine Gefährtin verspürte wohl den Drang, die Ländereien einmal selbst zu erkunden und so war sie unterwegs, auch in den bergigen Regionen. Dort war sie unvorsichtig und trat auf unsicheren, felsigen Boden, der dann wegsackte und sie mit in die Tiefe riss. Wenn unser Sohn sich nicht auf die Suche gemacht hätte, weil er sich um sie sorgte, wer weiß, was ihr dann … verzeiht, aber daran möchte ich nicht mal denken.“ Der Gast sah zu dem jungen Inu-Youkai, der hinter seinem Vater kniete und den Kopf höflich gesenkt hielt. „Du sorgtest dich also um deine Mutter? Bestand dazu denn ein Grund?“ „Es war weniger die Sorge um ihr leibliches Wohlergehen, als um ihren Ruf, Sentaku-sama“, erwiderte der Prinz. „Meine verehrte Mutter bevorzugte es, ohne Geleitschutz und Diener zu reisen.“ „Oh.“ Man konnte es dem dunkelhaarigen Fürsten beinahe ansehen, wie es in seinem Kopf arbeitete. „War da nicht mal eine ähnliche Geschichte mit Eurer ersten Gefährtin, der Mutter Eurer reizenden Tochter? Die ging nicht so glimpflich aus, wenn ich mich recht erinnere.“ Akumaru senkte etwas den Kopf. „In der Tat. Meine erste Frau verstarb ebenfalls bei einem Ausflug in die bergigen Gebiete, den sie ohne Begleitung unternommen hatte. Tja, es scheint in der Familie zu liegen, dass all ihre Frauen zu Abenteuern neigen.“ „Ich erinnere mich, Ihr heiratetet dann die jüngere Schwester …“ Sentaku lehnte sich etwas zurück. „Und wo wir schon bei Eurer Tochter sind: Mich erreichte kurz vor meinem Aufbruch eine beunruhigende Nachricht aus dem Westen. Ihr habt es gewiss auch schon erfahren?“ Der Fürst des Nordens sah den anderen mit gewisser Überraschung an. „Ich war zugegeben den ganzen Morgen beschäftigt. Ichiromaru, du hast dich in der Zeit um das Amtliche gekümmert, kam eine Nachricht aus dem Westen?“ „Nein, chichi-ue“, erwiderte sein Erbe mit dem gleichen Maß an Überraschung. „Darüber hätte ich Euch selbstverständlich informiert, schließlich …“ Er unterbrach sich selbst und neigte sich etwas tiefer, fühlte aber den neugierigen Blick des Gastes auf sich. „Dann wird der Bote sicherlich bald eintreffen“, meinte Akumaru mit einem strengen Seitenblick auf seinen Sohn. „Was hatte mein geschätzter Cousin Euch denn mitzuteilen?“ „Ich bin mir nicht sicher, ob ich es Euch sagen sollte, schließlich gehört Ihr zu der Familie, da wäre es angebrachter, wenn Euch der Westen selbst informieren würde“, antwortete der andere Fürst. „Hat es etwa etwas mit meiner Enkeltochter zu tun? Mit Sora?“ „Ja, tatsächlich. Dann habt Ihr doch schon davon gehört?“ „Nun, ich kann mir vorstellen, welche Nachricht Euch erreichte, aber bitte, erzählt doch.“ „Natürlich … Der Taishou, Euer geschätzter Cousin, schickte einen Boten zu mir, mit der Bitte um die Erlaubnis, auf meinem Land nach seiner und Eurer Enkeltochter suchen zu dürfen. Sie scheint bei einem Lehrausflug verschwunden zu sein und der Westen geht davon aus, dass sie verletzt ist. Noch wissen sie aber nicht, ob das Mädchen verwirrt durch die Gegend wandert oder ob sie tatsächlich entführt wurde. Die Familie scheint ja in heller Aufregung zu sein.“ Der Gastgeber schnaubte wütend. „Oh, dieser verdammte … Verzeiht, Sentaku-san, das war selbstverständlich nicht gegen Euch gerichtet, es ist nur …“ Er atmete tief durch, um sich zu beruhigen. „Sora ist hier in diesem Schloss.“ „Oh? Wie kommt das?“ wollte der Dunkelhaarige wissen. „Nun, mein Sohn und ich besuchten den Westen vor ein paar Tagen, um einmal zu sehen, wie es Hana geht. Ich höre ja nicht viel von ihr, außer dass sie in letzter Zeit zwei Mal in Lebensgefahr geschwebt hat. Bei diesem Besuch fiel uns jedoch auf, dass Sora … nun, dass sie nicht wie ein normales achtjähriges Mädchen benimmt. Sie wirkte viel zu zurückhaltend, ja, fast schon ängstlich, wenn ihr Vater, ihr anderer Großvater und ihr anderer Onkel in ihrer Nähe waren, oder auch Hana, aber bei ihr nicht ganz so sehr … Jedenfalls erzählte sie mir von dem Lehrausflug zu der kleinen Schlucht, die ihr Kräuterkundelehrer geplant hatte. Mein Sohn hielt es für eine gute Idee, wenn wir einmal überprüfen würden, ob die Kleine wirklich gut behandelt wird. Er scheint doch sehr sensibel zu sein, was Familienmitglieder angeht.“ „Wollt Ihr damit sagen, dass der Westen die kleine Prinzessin nicht gut behandelt?“ „Ja, sie tun sogar das genaue Gegenteil. Als mein Sohn das Mädchen fand, war sie schwer verletzt. Ihr anderer Onkel, der Halbdämon, war wohl erbost darüber, dass er das Kind beaufsichtigen sollte und hat das an ihr ausgelassen. Dabei ist sie in eine Schlucht gestürzt. Sie hat Glück, dass sie noch lebt. Wer weiß, was passiert wäre, wenn Ichiromaru den Hanyou nicht überwältigt und die Kleine sofort in unser Schloss gebracht hätte“, sagte der Nordfürst mit einem leidenden Unterton. Sein Gegenüber sah zu dem jungen Prinz. „Du hast dem Mädchen vermutlich das Leben gerettet.“ Ichiromaru neigte etwas den Kopf. „Ich tat, was ich für meine Pflicht als Onkel hielt und half meiner verletzten Nichte“, meinte er. Sentaku nickte nur leicht und sah wieder zu Akumaru. „Wie geht es denn dem armen Kind?“ „Von den körperlichen Verletzungen hat sich sich schon wieder fast vollständig erholt, sie ist zäh. Aber seelisch … Sie ist noch ziemlich verstört und unsicher, was auch der Grund ist, weshalb meine Gemahlin jetzt nicht hier ist. Sie kümmert sich um meine Enkeltochter“, erwiderte dieser. „Natürlich, sicher. Das arme Mädchen braucht jetzt sicher viel Zuneigung und Aufmerksamkeit von vertrauten Familienmitgliedern, die ihr nichts tun.“ Der Cousin des Taishou seufzte tief. „Das ist ja ein weiteres Problem. Sora hat ihre Erinnerungen verloren. Sie weiß nicht, wer wir sind, wer sie ist, was mit ihr passiert ist und was ihr im Westen widerfahren ist.“ „So etwas ist möglich?“ fragte sein Gegenüber überrascht. „Ja, scheinbar. Unser Heiler hatte bislang auch nur davon gehört und das auch lediglich im Bezug auf Menschen. Er sagte, dass der Gedächtnisverlust entweder durch die Kopfverletzung, die sie sich bei dem Sturz zugezogen hat, ausgelöst wurde oder aber eine Reaktion auf ein erlittenes Trauma ist. Meine kleine Enkelin ist noch ein Kind, gerade einmal acht Jahre alt und damit noch längst nicht so unempfindlich wie ein heranwachsender geschweige denn ein erwachsener Youkai.“ „Gibt es denn die Hoffnung, dass sie sich bald wieder erinnert?“ „Das kann keiner sagen. Wenn der Gedächtnisverlust durch die Verletzung kommt, kann es gut sein, dass sie sich nie wieder erinnert. Ist es dagegen seelisch bedingt, können verschiedene Einflüsse wie vertraute Gerüchte oder Gesichter Erinnerungen wachrufen, aber bedauerlicherweise ist das bis jetzt noch nicht geschehen.“ „Wenn ich mich recht entsinne, hattet Ihr auch nicht gerade engen Kontakt zu dem Westclan, nicht wahr?“ Der Erbprinz ballte die Hände zu Fäusten und biss sich auf die Lippen, bis er Blut schmeckte, was dem Gast nicht entging. „Ichiromaru, reiß dich zusammen“, sagte sein Vater mit einem nur leicht tadelnden Unterton. „Verzeiht ihm, Sentaku-san, aber ihn belastet das alles sehr. Er hat seine Schwester immer sehr verehrt, obwohl er sie kaum persönlich kennenlernen durfte und der Gedanke, dass sie entweder an dem Leid des Kindes, ihres Kindes, eine Mitschuld trägt, sei es durch ihr Schweigen oder gar eigenes Handeln belastet ihn genauso sehr wie der Gedanke, dass sie ebenfalls ein Opfer des Westens sein könnte, mich natürlich ebenso, schließlich gab ich Sesshoumaru meine liebe Tochter zur Frau, um den Frieden mit dem Westen zu wahren. Hätte ich das doch nur nicht …“ Er unterbrach sich und hob entschuldigend eine Hand. „Verzeiht, ich wollte nicht so aufgebracht werden.“ „Nicht doch, werter Freund, das kann ich wirklich nachempfinden. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich mich in einer solchen Situation reagieren würde.“ Sentaku lehnte sich etwas vor. „Ich will es kaum glauben, was Ihr mir eben berichtet habt. Wo der Fürst des Westens, Euer Cousin, doch immer den Eindruck machte, dass seine Familie ihm wichtiger ist als so vieles andere …“ „Das habe ich auch immer angenommen, was auch ein Grund dafür war, dass ich meine Tochter ohne größere Bedenken dorthin geschickt habe. Ich nahm an, dass sie dort gut aufgehoben wäre und gut behandelt würde. Ich habe mir auch die ganze Zeit den Kopf darüber zerbrochen, wie man das erklären kann, aber … mir fiel nur eine Erklärung für diesen … Irrtum ein: Der Westen hatte noch nie eine Tochter. Seit Generationen gab es in unserer Familie nur Söhne. Der Westen scheint sich demnach nur um seine männlichen Nachkommen zu kümmern.“ Sentaku nickte etwas. „Ja, scheint so … Tja, zu unseren Fähigkeiten zählt bedauerlicherweise nihct das Gedankenlesen. Ich hoffe wirklich sehr, dass es Eurer Enkelin bald besser geht.“ „Danke, Sentaku-san. Aber genug von unseren familiären Angelegenheiten. Was gibt es neues im Süden.“ Nachdem auch Sentaku von den vergleichsweise langweiligen Geschehnissen in seinem Reich berichtet hatte und der Besuch sich dem Ende zuneigte, gingen Akumaru und Ichiromaru selbstverständlich mit ihm auf den Schlosshof, um ihn formvollendet zu verabschieden. „Eine Sache möchte ich Euch noch sagen, werter Freund, bevor ich mich auf die Heimreise machen werde“, sagte der dunkelhaarige Daiyoukai. „Wenn Ihr gegen den Westen in den Krieg ziehen wollt, kann ich das durchaus verstehen, schließlich habt Ihr allen Grund dazu, allerdings kann ich Euch zum jetzigen Zeitpunkt meine volle Unterstützung noch nicht zusichern. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich meinem Heer befehlen sollte, sich in etwas einzumischen, das einige gewiss als Familienstreit bezeichnen würden.“ Der Nordfürst nickte etwas. „Natürlich, lieber Freund. Ich wüsste auch nicht sofort, ob ich Euch unterstützen würde, wenn Ihr in einer solchen Situation wärt. Ich weiß selbst noch nicht einmal, was ich jetzt tun werde. Aber ich möchte Euch noch um zwei Dinge bitten.“ „Sicher, Akumaru-san.“ „Zum Einen habe ich Euch das alles im Vertrauen unter guten Freunden erzählt und hoffe, dass Ihr mit den Informationen nicht hausieren geht.“ „Natürlich nicht, das verspreche ich Euch.“ „Und zum Anderen möchte ich Euch darum bitten, über die Sache nachzudenken und Euch zu entscheiden, ob Ihr mich im Kriegsfall unterstützen würdet oder nicht.“ „Auch das verspreche ich Euch. Allerdings werde ich Euch meine Entscheidung nicht mitteilen, bevor es zum Ernstfall kommt. Versteht mich nicht falsch, aber ich möchte nicht riskieren, Euch bei Eurer Entscheidung zu beeinflussen. So schwer das auch sein mag, diese Entscheidung müsst Ihr ganz alleine treffen.“ „Das ist mir nur zu bewusst, Sentaku-san. Darum begrüße ich Euren Entschluss sehr.“ Der Fürst des Südens legte den Kopf leicht schief. „Dürfte ich Euch darum bitten mir eine Nachricht zu schicken, wenn sich etwas an dem Zustand der kleinen Prinzessin etwas geändert hat oder Ihr weitere Informationen diesbezüglich erhalten habt?“ „Das werde ich sehr gerne tun, mein Freund.“ „Ich danke Euch dafür und selbstverständlich auch für Eure Gastfreundschaft, Akumaru-san.“ „Es war mir eine Ehre und eine Freude, Euch hier begrüßen zu dürfen, Sentaku-san“, erwiderte der Fürst des Nordens freundlich und reichte dem Anderen die Hand zum Abschied. „Ich wünsche Euch eine angenehme Heimreise.“ „Danke, werter Freund“, antwortete der Dunkelhaarige und sah etwas zur Seite. „Komm.“ Erst jetzt bemerkten Vater und Sohn leicht überrascht den Diener, der hinter Sentaku kniete und sich nun eilig erhob. Natürlich zeigte keiner der beiden, dass es ihnen bislang gar nicht aufgefallen war, dass ihr Gast in Begleitung aufgetaucht war, schließlich war das auch nicht weiter ungewöhnlich. Als der Gast verschwunden war und das Schlosstor sich wieder schloss, sah Akumaru zu seinem Sohn. „Ich bin wirklich stolz darauf, dass mein Plan so perfekt funktioniert hat. Du hast deinen Teil bis ins kleinste Detail perfekt ausgeführt, sehr gut. Nicht mehr lange und der Westen fällt. Dann gehört das Land endlich dem rechtmäßigen Herrscher. Mir!“ Ichiromaru verneigte sich etwas tiefer. „Vergebt meinen mangelnden Verstand, chichi-ue, aber was genau wolltet Ihr damit erreichen, dass Ihr dem Fürsten des Südens eine so detailreiche Geschichte erzählt habt?“ Sein Vater lächelte etwas. „Sentaku ist ein kluger Mann, ein guter Heerführer und Fürst, aber er hat einen Fehler: Er ist geschwätziger als jedes Waschweib. Er tratscht für sein Leben gern über alles und jeden. Und was wir ihm heute aufgetischt haben, wird er haarklein den anderen Fürsten erzählen, die daraufhin alle miteinander darüber diskutieren werden, wie sie sich jetzt verhalten sollen, auf wessen Seite sie stehen oder ob sie sich ganz raushalten wollen. Das erspart es mir, selbst die Nachricht zu verbreiten und damit den Eindruck zu erwecken, ein Hetzer gegen den Westen und nur am Krieg interessiert zu sein.“ Obwohl er natürlich genau das war, aber das dürfte sogar sein Sohn mitbekommen haben. „Das Schicksal scheint auf Eurer Seite zu stehen, chichi-ue, schließlich spielte es Euch mit Zufällen die richtigen Karten zu.“ „Ich glaube nicht an das Schicksal, mein Sohn. Ich glaube an Macht, Intelligenz und Taktik. Und natürlich an mich selbst. Mehr benötige ich nicht, um mein Ziel zu erreichen.“ __________________________________________________________________________________________________ Tja, ob der Fürst des Nordens sein Ziel erreichen wird, bleibt noch fraglich. :) Die Umfrage endet übrigens in zwei Wochen, kurz bevor wir das neue Kapitel on stellen. Da ich die Ergebnisse sehen kann, kann ich sagen, dass es momentan noch keine eindeutige Entscheidung ist. ^^ Bis nächste Woche dann Hani (& Kupferschweif, die nach Paris durchgebrannt ist -.-) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)