Mr. Moon von Ur (Verliebt in den Mann im Mond) ================================================================================ Kapitel 2: Neumond ------------------ So, hier haben wir schon das zweite Kapitel. Vielen Dank für die lieben Kommentare, ich hab mich sehr gefreut. Ich hoffe, euch gefällt das zweite Kapitel genau so gut wie das erste. Viel Spaß damit! Liebe Grüße, ______________________ Der Abend ist lau und voll von Grillenzirpen. Andis Eltern sind nicht zu Hause, deswegen haben wir uns in den Garten gesetzt. Normalerweise verschanzen wir uns in seinem Dachbodenzimmer, damit seine Eltern nichts von dem Alkohol mitkriegen, den wir konsumieren. Und zwar in ziemlich großen Mengen. Es wäre irgendwie blöd, wenn man die Treppe runtertorkelt, in den Flur kotzt und dann plötzlich Andis Mutter gegenüber steht. Tim hat das einmal gemacht. Seitdem hat er so was wie Hausverbot bei Andis Familie. Kann ich sogar verstehen. Der Teppich, auf den er gekotzt hat, war ziemlich teuer, glaube ich. Trotzdem ist er heute hier. Andi hat ihm versichert, dass seine Eltern erst am Sonntagnachmittag wieder kommen. Und da wir heute Freitag haben, hatte Tim keinerlei Skrupel das Haus zu betreten. Vorhin beim Schwimmtraining hab ich es geschafft, nicht irgendwie an Miro rumzutatschen, auch wenn es mir immer schwer fällt. Das ist ja das Blöde am Schwimmen. Man hat kaum was an. Ich seh Miro ständig fast ganz nackt und das wird mich sicherlich noch eines Tages wahnsinnig machen. Wenigstens ist mein Körper kein Verräter und ich bekomme nicht jedes Mal eine Latte, wenn ich ihn ansehe. Dann würde ich praktisch mit einem Dauerrohr durch die Gegend laufen und dann wiederum würde Miro mich sicherlich umbringen, weil er dann nämlich genau weiß, dass das an ihm liegt. Im Moment sitzt er neben mir auf einem Gartenstuhl, bequem nach hinten gelehnt, breitbeinig und die Haare wie immer fransig in der Stirn und über den Ohren hängend, damit man seine abstehenden Ohren nicht sieht. Mich stören die kein bisschen, aber Jungs sind ja im Allgemeinen ziemlich eitel. Mich schließt das nicht aus. Ich habe heute ganze drei Minuten für meine perfekt sitzende, gegelte Frisur gebraucht. Das ist ein Langzeitrekord. Falls mir jemand Sarkasmus vorwerfen möchte, distanziere ich mich ausdrücklich davon… Ich halte ein Bier in der linken Hand, mit der rechten schiebe ich mir ständig Salzstangen in den Mund. Miro trinkt auch Bier. Andi und Tim haben sich Whiskey eingeschenkt und Arne und Lennard können sich offenbar nicht entscheiden, die trinken beide noch Cola. Wie so oft hab ich die Nacht nicht wirklich gut geschlafen. Zwar kriege ich tagsüber wegen Miro beim Schwimmen kein Rohr, dafür aber abends im Bett, wenn ich zu viel über ihn nachdenke. Das ist anstrengend. Ich komme mir vor wie eine pubertäre Hormonschleuder, dabei bin ich Anfang zwanzig. Man könnte meinen, ich sei über so etwas wie tägliches Masturbieren erhaben. Aber nein. Da kam Miro daher und zerstörte meine geistige Reife mit seinen türkisblauen Augen und dem Leberfleck schräg über seinem Bauchnabel. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen. Ich glaube, wenn er von meinen abendlichen Gedanken an ihn wüsste, dann wäre er schon längst aus dem Schwimmverein ausgetreten und hätte die Stadt verlassen. »…und dann hat sie ihren BH ausgezogen und ich dachte, ich guck nicht richtig!«, erzählt Andi gerade und stellt sein Glas mit Whiskey- Cola auf dem Tisch ab, um wild mit den Armen in der Luft rumzufuchteln, »Die sind in echt nur halb so groß wie sie aussehen! Alles ausgestopft, Alter!« Tim schüttelt grinsend den Kopf und Arne sieht fast enttäuscht aus. Ich enthalte mich diesem Gespräch über Lenas Brüste. Die interessieren mich – was für eine Überraschung – herzlich wenig. »Das sieht man doch, dass ihre BHs ausgestopft sind«, ist Miros Beitrag zu diesem Thema. Ich sehe ihn von der Seite her an. Na toll. Er hat Lena auf die Brüste gestarrt. Ich hab keine Chance. Lena ist die Nr. 1 Ich-muss-sie-ins-Bett-kriegen-Blondine in unserem Dorf. Und Andi ist der Nr. 1 Ich-will-jedes-gutaussehende- Mädchen-wenigstens-einmal-bumsen-Macker aus unserem Dorf. Gestern hat das mit Lena wohl endlich geklappt, nachdem er uns wochenlang die Ohren vollgenölt hat, dass er sie mal ficken will. »Also ich seh so was nicht«, erklärt Lennard schulternzuckend und entscheidet sich dann doch für ein Bier, öffnet die Flasche und trinkt einen großen Schluck. »War sie denn wenigstens gut?«, gluckst Tim heiter und trinkt sein Glas aus. Ich weiß jetzt schon, wer als erster voll ist. Hoffentlich kotzt er nicht wieder irgendwo hin. Andi verliert sich in weiten Ausschweifungen von lautem Gestöhne und einem unschlagbar guten Blow- Job, aber über die ausgestopften BHs kommt er scheinbar trotzdem nicht hinweg, denn nachdem er seinen Sex mit Lena in aller Ausführlichkeit beschrieben hat – alle außer mir und Miro hängen an seinen Lippen – kommt er noch mal darauf zurück. »Höchstens B. Und ich dachte immer, sie hätte D oder so«, sagt er und klingt ein wenig leidend. Hatte ich schon mal erwähnt, wie lächerlich Männer manchmal sind? Miro sagt nichts dazu. Er nippt lässig an seinem Bier und ich kann es mir nicht verkneifen, kurz auf seinen Mund zu starren, als er sich mit der Zungenspitze etwas Schaum von der Oberlippe leckt. Herrgott, ich bin scheinbar komplett sexuell frustriert. »Da hast du wenigstens kein Problem mit!«, sagt Andi laut und feixt mich über den Tisch hinweg an, »Kerle können sich ja nichts ausstopfen!« Ich hebe eine Augenbraue. »Hast du schon mal Queer as Folk gesehen?«, erkundige ich mich. Alle starren mich an, als hätte ich etwas total Absurdes gesagt. »Meinst du diese Schwulen- Sendung?«, haucht Arne ungläubig und nimmt einen sehr großen Schluck von seinem Bier. Ich nicke. Mein Blick huscht kurz zu Miro, der besonderes Interesse an seiner Motte zeigt, die um die Laterne auf dem Gartentisch herum schwirrt. »So was guck ich mir doch nicht an, man«, sagt Tim entrüstet. Ich verdrehe die Augen. »Jedenfalls gibt es in der ersten Folge diesen Kerl, der sich vorn und hinten die Hose ausgestopft hat«, erkläre ich. Wenigstens kann ich ein bisschen was zu dem Thema beitragen. Auch wenn es vielleicht nicht unbedingt die Art von Beitrag ist, die die Jungs mögen. Sie starren mich an, als wäre ich der Geist von Elvis. Miro leert sein restliches Bier in einem Zug und nimmt sich ein neues. Während er sich nach dem Kasten bückt, fallen ihm seine dunklen Haare ins Gesicht. Ich habe nicht übel Lust, sie ihm aus der Stirn zu streichen, aber dann erwürgt er mich sicher noch, bevor ich meine zweiundvierzigste Salzstange aufgegessen habe. Tim schenkt sich gerade sein drittes Glas Whiskey- Cola – die Cola dient in diesem Fall nur zur Färbung der Mischung – ein und sieht mich ziemlich glasig über den Tisch hinweg an. »Hast du’s schon mal mit ’nem Kerl getrieben?«, will er wissen. Ich weiß sehr wohl, dass er das nur fragt, weil er nicht mehr nüchtern ist. Und obwohl sich die anderen offiziell vor Kerlen wie mir ekeln, sehen sie ziemlich neugierig aus. Ich räuspere mich verhalten. »Ähm«, sage ich lang gezogen und zögere den Moment der deprimierenden Wahrheit so lange es geht hinaus, »nein.« Tim sieht enttäuscht aus. »In deinem Alter kann man doch nicht mehr Jungfrau sein, Alter! Das ist doch total peinlich!« Wenn ich im nächsten Leben wieder geboren werde, dann bitte als Frau oder als Ameise. Dann ist es nämlich vollkommen egal, wann man keine Jungfrau mehr ist. Männer haben den ersten Sex am besten schon, bevor sie geboren wurden. »Ich bin keine Jungfrau mehr«, sage ich widerstrebend. Tims Augen werden rund wie Teller und Arne beugt sich so weit vor, dass ich nur darauf warte, dass er gleich vom Stuhl fällt. »Du meinst, du hast es mal mit ’nem Mädchen getrieben?«, will Lennard wissen und er sieht so ungläubig aus, als hätte ich ihm gerade erklärt, ich sei eigentlich der amerikanische Präsident nach einer Schönheits- OP. »Ja«, sage ich und bin ein bisschen frustriert, weil die Jungs das scheinbar nicht für möglich gehalten haben. Aber ich weiß schließlich nicht schon seit meinem fünfzehnten Lebensjahr, dass ich schwul bin, sonders erst seit dem achtzehnten. Dazwischen liegen drei Jahre, in denen ich nicht gerade enthaltsam war. Miro scheint vollkommen desinteressiert an diesem Thema zu sein. Er hat sich auf seinem Stuhl noch etwas tiefer sinken lassen, trinkt ziemlich schnell seine zweite Flasche Bier aus und starrt hoch in den dunkler werdenden Himmel, der schon mit Sternen übersät ist. Den Mond kann ich nirgendwo sehen. »Wann hattest du das erste Mal mit ’ner Frau?«, fragt Andi. Ich räuspere mich. »Mit fünfzehn.« Die Jungs brechen in lautes Gejohle aus, was Miro dazu bringt, die Augen zu verdrehen. Ich weiß, dass er gerade genau das gleiche denkt wie ich. Jetzt wollen sie alles ganz genau wissen und als ich ihnen detaillierte Beschreibungen meines früheren Sexuallebens verweigere, sehen sie richtig enttäuscht aus. Aber sie werden schnell von Andi getröstet, der ihnen eine Schote aus seiner Realschulzeit erzählt, die von zwei Mädchen, ihm selbst und einer Menge Schlagsahne handelt. Die weiteren Gespräche des Abends handeln von Pornos, Motorrädern und Actionfilmen, so wie sich das für echte Männer gehört. Miro und ich scheinen weniger echte Männer zu sein als die anderen vier, wir beteiligen uns eher weniger an diesen Themen und Miro scheint entschlossen zu sein, sein Schweigen zu nutzen und möglichst viel Bier zu trinken. Ich habe ihn noch nie betrunken erlebt. Vielleicht wird das heute eine Premiere. Um kurz vor zwölf ist es so weit und Tim wird schlecht. Er stolpert in Richtung Nachbarszaun davon, weil Andi ihm eingeschärft hat, bloß nicht irgendwo aufs Grundstück zu kotzen. Tim nimmt ihn beim Wort und kotzt stattdessen dem Nachbarn in einen Hortensienbusch. Lennard und Arne brüllen vor Lachen, Andi flucht und ich und Miro werfen uns einen vielsagenden Blick zu, der in etwa ‚Vielleicht sollten wir langsam gehen’ bedeutet. »Wir machen uns jetzt mal langsam auf den Weg«, sage ich und erhebe mich, schnappe mir die letzten drei Salzstangen und trinke meine Restpfütze Bier aus. Auch Miro erhebt sich und schwankt leicht auf der Stelle, ehe er sich schließlich fängt. Wir verabschieden uns von Andi, Arne und Lennard. Tim lassen wir am Zaun stehen und schlendern zum Gartentor, an dem auch mein Fahrrad lehnt. Ich schließe es auf und schiebe es neben Miro her, während wir durch die kleinen Straßen unseres Dorfes schlendern, Miro in kaum merklichen Schlangenlinien. Er ist derjenige, der das Schweigen schließlich bricht. »Findest du’s peinlich, in unserm Alter noch Jungfrau zu sein?«, erkundigt er sich eine Spur zu beiläufig und es klingt so, als wäre seine Zunge ziemlich schwer vom Alkohol. »Nein«, gebe ich zurück. Ich bin auch ein bisschen angetrunken und das ist sicherlich auch der Grund dafür, wieso mein Gehirn sich plötzlich mit versauten Gedanken füllt, die sich allesamt um Miro drehen, der es mir gestattet, ihn – und mich – zu entjungfern. Ich hätte vielleicht ein oder zwei Bier weniger trinken sollen. »Oh«, sagt er und fährt sich durch die Haare, sodass ich kurz einen Blick auf seine Ohren werfen kann, »gut.« Von Andi bis zu Miro ist es ein gutes Stück zu Fuß. Wir reden über Filme und Bücher und übers Schwimmen und beschließen in gegenseitigem Einverständnis, dass Pornos scheiße sind. Das Thema Jungfräulichkeit kommt nicht noch einmal zur Sprache, auch wenn ich mir fast sicher bin, dass Miro immer noch darüber nachdenkt. Ich versteh gar nicht, wieso er noch Jungfrau ist. Ich glaube, viele Mädchen würden mit ihm in die Kiste steigen. Er sieht gut aus, ist nett, sehr schlau und man kann sich super mit ihm unterhalten. Und er hat diesen entzückenden Leberfleck… Meine Gedanken schweifen kurz ab, sodass ich kaum merke, dass wir schon fast vor Miros Haus angekommen sind. Dann bleibt er plötzlich stehen. »Du hast ja noch nie mit ’nem Jungen geschlafen, oder?«, fragt er plötzlich aus heiterem Himmel. Ich nicke ein wenig verwirrt. Noch verwirrter bin ich, als er das Fahrrad nimmt und es gegen den Zaun neben sich lehnt. »Schon mal einen geknutscht?«, will er wissen. Gerade öffne ich den Mund, um zu antworten, da hat er seine Arme um meinen Nacken geschlungen und seine Lippen auf meine gedrückt. Ich erstarre zu einer Salzsäule und beinahe sofort meldet sich mein Schritt und die Hose wird eng, als mir vollkommen bewusst wird, dass Miro mich gerade küsst. Ich vergesse auf der Stelle, dass er Schwule scheiße findet, dass ich ihn nicht anfassen soll und dass wir beide betrunken sind. Meine Arme schlingen sich wie von selbst um seinen schlanken Oberkörper und ich zieh ihn näher zu mir. Er ist nur ein winziges bisschen kleiner als ich. Er schmeckt nach Bier und Kirschbonbons und ich küsse ihn so heftig, dass mir selbst ganz schwindelig davon wird. Mein Kopf ist leer gefegt und mein ganzer Körper kribbelt aufgeregt und verlangend zugleich. Ich will nie wieder aufhören ihn zu küssen. Als er gegen meine Lippen keucht, zuckt ein erregter Blitz durch meinen Körper und unweigerlich kralle ich meine Finger für einen Moment fester in sein T-Shirt. Es ist ein Kuss ohne Zunge und er ist trotzdem so intensiv, dass ich das Gefühl habe, meine Beine müssten jeden Moment nachgeben. Ich habe keine Ahnung, was eigentlich los ist. Ich weiß nicht, wieso er mich küsst. Aber als er sich von mir löst, zwei Schritte rückwärts geht und ich seinen verhangenen Blick sehe, bin ich mir sicher, dass er es schon bereut. Er starrt mich an wie den Teufel persönlich und ich möchte unbedingt irgendetwas sagen, aber meine Kehle ist staubtrocken und ich weiß ohnehin nicht, was ich sagen soll. Ich weiß nur jetzt mit hundertzwanzig prozentiger Sicherheit, dass ich Miro komplett verfallen und Hals über Kopf in ihn verliebt bin. Er wischt sich mit dem Handrücken über den Mund, dann dreht er sich um und hastet in Richtung seines Hauses davon. Ich versuche nicht, ihm zu folgen. Schweigend nehme ich mein Rad und schiebe es an seinem Haus vorbei, ohne zu seinem Fenster zu sehen, in dem ohnehin kein Licht brennt. Mein Gehirn fühlt sich immer noch leer an. Fahrradfahren kann ich nicht, weil meine Beine sich anfühlen wie Pudding. Ein kurzer Blick in den Himmel sagt mir, dass heute Neumond ist. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)