Farbtopf von Fujouri (OneShot-Sammlung [Various]) ================================================================================ Verhasste Sonne [Rangiku x Shūhei] ---------------------------------- Ein bisschen bezüglich Schachtelsätze und Synonyme überarbeitet. Ich hoffe, so liest’s sich besser.^^ . --- Es war Sommer. Ein äußerst heißer Sommer, um das Kind beim Namen zu nennen, und ganz Seireitei ging bei dem Wetter ein wie eine wochenlang nichtgegossene Blume. Natürlich forderte General Yamamoto, dessen ungeachtet, ein beständiges Pflichtbewusstsein und arbeitstechnische Hochleistung - ganz gleich, welche Geschichte die Temperatur dem wolkenarmen Himmel erzählte. Doch das Shinigamidasein bedeutete zugleich Autorität bis in den Tod; wenn der Wetterbericht nicht bald von Regenschauern und Niederschlägen berichten würde, würde besagter Tod in den nächsten Tagen zweifelsohne eintreten. Hoffnungslosigkeit vom Feinsten. Inmitten der ganzen Misere befand sich ein gewisser Fukutaichō der neunten Division, der zu allem Überfluss mit einem nicht vorhandenen Kommandanten bestraft war, was für ihn nichts anderes als die doppelte Menge Arbeit bedeutete. Eineinhalb Monate waren seit Aizens Hinterhalt vergangen. Mittlerweile war Hisagi Shūhei an die extreme Last der Pflichten, die sich ihm dadurch aufgebürdet hatten, gewohnt. Allerdings hatte mit der seit drei Tagen währenden Hitzewelle der todbringende sowie -sichere Untergang geradewegs in Richtung Hölle begonnen - mit den Frühlingstagen absolut nicht vergleichbar. Nun gab es da aber eine gewisse Sache - nein, falsch, eine gewisse Person - die jegliche Gedanken an Selbstmord buchstäblich in den Schatten stellte, und das durch ihre bloße Präsenz, die weiß Gott nicht von schlechten Eltern war. Das lange, goldbraune Haar, das in der glühenden Sonne wie geschmolzenes Karamell glänzte und den aromatischen Duft von Zitronen mit sich trug. Das eisblaue Augenpaar, geziert durch dichte Wimpern. Die vollen Lippen, unter welchen sich ein hübscher kleiner Leberfleck offenbarte. Oh, und nicht zu vergessen die unübersehbar große Oberweite. All das war nur ein winziger Exkurs in die Tagträume, die Hisagi ständig heimsuchten, sich diebisch in ihn einschlichen, hin und wieder aber auch ganz plötzlich anfielen. Es war schon seit einer halben Ewigkeit amtlich, aber durch die Arbeitsstunden besuchten ihn seine Wunschgedanken um einiges häufiger als sonst und trugen zur Versüßung eines eigentlich unerträglichen Tages bei: Hisagi Shūhei war scharf auf die vollbusige Schönheit Matsumoto Rangiku. Nein, hierbei war keineswegs von Liebe zu sprechen. Nicht einmal ‚verknallt sein‘ konnte man es nennen. Einzig und allein der Reiz war es, der sein Herz mit bittersüßer Schärfe würzte. Eigentlich klang bittersüße Schärfe ungemein ekelerregend, aber in diesem Fall traf diese Mischung perfekt auf seinen Gemütszustand zu. Diese erstklassige Frau war stolz, erhaben und selbstbewusst und für ihn wohl auf ewig unerreichbar - so nahm er seine Situation zumindest wahr. Nicht selten hatte er zusammen mit Rangiku der ein oder anderen Sakeflasche den sicheren Tod beschert und nicht selten hatte er dabei die ein oder anderen vorsichtigen Annäherungsversuche gestartet. Aber die Frau, auf die er es abgesehen hatte, war eine hart zu knackende Nuss - und Shūhei meinte zu glauben, den köstlichen Kern niemals zu Gesicht zu bekommen. Zumindest nicht, wenn er nicht möglichst bald etwas an seiner Vorgehensweise ändern würde. Soweit so gut, weiter im Text. Wie gesagt, es war Sommer, ein widerwärtig auslaugender, schweißtriefender Sommer. Die dazugehörige Sonne brannte wie Feuer auf die Köpfe der Todesgötter herab und das Oxigenium beinhaltete keinerlei Anzeichen von Luftfeuchtigkeit. Hisagi war nach drei Stunden Akkordarbeit mit den Nerven am Ende angelangt und gönnte sich mit Ikkaku und Yumichika, die von Yachirus Generve zusätzlich geschädigt waren, eine Pause auf der Veranda. Eigentlich leistete auch Renji Shūhei des Öfteren Gesellschaft, aber diesem wurde heute wegen des dritten Mals Verschlafen die Pause gestrichen. Kuchiki Byakuya war aber auch ein verdammter Sadist. »Diese Hitze macht mich noch wahnsinnig!«, seufzte Ikkaku und nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche Wasser - dem Getränk, das man bei einem solchen Wetter erst wirklich zu schätzen lernte. Shūhei lehnte sich zurück und starrte ins Blaue. »Wenn wir wenigstens mal ein paar Tage frei bekämen, aber nein, wir müssen natürlich schuften bis zum Umfallen!« »Ah, sag mal, Hisagi-kun« Yumichika grinste augenblicklich. »wie läuft’s eigentlich mit deiner Flamme?« Hisagi hob eine Augenbraue. »W-Welche Flamme?« »Na, wer schon? Rangiku-san natürlich!« Jetzt kicherte Ayasegawa und Madarame stimmte ein. »Tze, was soll da schon laufen? Sie will nichts von mir, ich hab’s schon längst aufgegeben.« »Warum aufgeben? Kein Wunder, dass du bei ihr nicht landest, wenn du sofort den Schwanz einziehst! Schon mal was von kämpfen gehört?!« »Ikkaku hat Recht. Du solltest dir mal ‘ne andere Strategie ausdenken, denn mit diesem ‚braven-Jungen-Image‘ kommst du bei den Frauen nicht weit.« »‚Brave-Jungen-was‘?! Ach, als ob ihr Ahnung hättet!«, knurrte Hisagi. Über dieses Thema zu sprechen, machte ihn jedes Mal aufs Neue rasend. Er wollte Rangiku, um jeden Preis, aber die Realität sah nun einmal so aus, dass sein Wunsch niemals in Erfüllung gehen würde. Darüber zu reden, wendete die Sache nicht zum Guten. Aber seine beiden Kumpel gaben nicht nach. Schließlich waren sie Freunde, und Freunden half man bekannter Maßen, auch wenn sich dies in dem Fall als besonders kompliziert herausstellte. »Wie auch immer«, brach Shūhei die Unterhaltung ab, »ich muss mich so langsam mal wieder an die Arbeit machen. Bis später!« Mit einem herzallerliebsten »Ciaoi~« verabschiedete sich Ayasegawa. Sein Kamerad nickte lediglich, als Hisagi in sein Büro verschwand. Anschließend machten sie sich auf den Rückweg. Und während sie nebeneinander herliefen, kam ihnen eine Idee. Eine Idee, bei der man nicht exakt bestimmen konnte, ob diese zur teuflisch guten oder hundsgemeinen Sorte galt. Aber eines stand bereits fest: Besagte Idee würde nicht mehr lange als Idee verweilen, sondern schon bald den nächsten Modus - die Umsetzung - erreichen. -:-:-:-:-:-:- Shūhei war am Ende seiner Arbeit und gleichzeitig am Ende seiner Kräfte angelangt. Endlich zog die Sonne in Erwägung, den Platz am Horizont zu räumen. Der Tag neigte sich dem Ende zu - welch Glück. Hisagi machte sich auf den Heimweg. Als er zu Hause ankam, die Pforte zu Ruhe und Entspannung - auch Eingangstür genannt - öffnete und eintrat, weitete er die Augen. Und mit einem Mal ertappte er sich tatsächlich dabei, an eine höhere Macht zu glauben, die hinzukommend auf seiner Seite stand und ihm das lang ersehnte Glück bereicherte, das ihm zuvor verwehrt worden war. Ein Gefühl der Wärme erfüllte ihn, als ginge die Sonne wieder auf... - die Sonne? Halt, warum die Sonne? Die Sonne war ein gottverdammter Scheißstern, zumindest zu einer solchen Jahreszeit. Warum assoziierte er dieses einzigartige Geschöpf nur damit? Shūhei schüttelte den Kopf und starrte in den Raum, auf sein anziehendes Gegenüber, direkt in die eisblauen Augen, die ihm vor allem durch seine Tagträume ungemein vertraut vorkamen. Mit einem lieblichen »Hey, Shūhei!« versetzte ihm die Schönheit den Rest. Den Mund weit offen, stand er wie angewurzelt da und wollte etwas sagen. Aber erst, nachdem er sich wieder halbwegs eingekriegt hatte, war es ihm möglich, einen Ton herauszubekommen. »...R-Rangiku-san...!«, stotterte er und kam dabei ein paar Schritte näher auf sie zu. »Yo! Du bist ganz schön spät dran. Hattest bestimmt ‘ne Menge Arbeit, was?« Matsumotos Schmollmund, an dem Hisagis Blick festklebte, war zuckersüßer denn je. »Nei-, äh, doch, ja, ich hatte heute viel zu tun...«, stammelte er und musste sich augenblicklich die Frage stellen, womit er diesen Lottogewinn verdient hatte. Nach längerem Zögern fasste er sich ans Herz und gesellte sich zu Rangiku an den Tisch, auf welchem drei Flaschen Sake standen. Er besah seine angebliche Flamme verdutzt, bis er sich endlich zu Worten durchrang: »Ähm... wie kommt es, dass du mich besuchst?« Rangiku legte den Kopf schief. »Hast du es schon vergessen? Du warst es doch, der mich eingeladen hat. Ikkaku und Yumichika sind vorhin bei meiner Division vorbeigekommen und haben mich in deinem Namen gefragt, ob ich heute Abend Zeit hätte, zu dir zu kommen. Sie meinten, du seist wegen der vielen Arbeit zu beschäftigt, um persönlich zu fragen.« Ikkaku. Yumichika. Diese hinterlistigen, verrückten Mistker-... Moment. Warum sollte er sich aufregen? War das, was er den beiden Chaoten zu verdanken hatte, nicht genau das, was er sich schon seit Ewigkeiten gewünscht hatte? Einen - im wahrsten Sinne des Wortes - heißen Abend mit dieser sündhaft scharfen Frau zu verbringen? Mit viel Alkohol und gediegener Zweisamkeit? In einer Atmosphäre, die den Worten Ruhe und Entspannung eine völlig neue Bedeutung verlieh? Vermutlich hatte er die besten Freunde auf der ganzen Welt. Sicher sagten das viele Leute über ihre besten Freunde, aber diese Leute hatten alle Unrecht. »J-Ja, natürlich!« Shūhei schlug sich demonstrativ gegen die Stirn. »Die Hitze hat mir echt zu schaffen gemacht, ich kann nicht glauben, dass ich das vergessen habe!« Rangiku beugte sich schmunzelnd zu ihrem Gegenüber vor und gab ihm einen Schulterklaps. Dieser besaß die Macht, kleine Blitze durch Shūheis Nervensystem zu senden. »Kein Problem. Ich hoffe, du hast reichlich Durst mitgebracht!« »K-Klar!« Noch immer ziemlich verwirrt, griff Hisagi nach einer der Sakeflaschen, fummelte an dem Verschluss herum, bis er ihn schließlich bezwang und den Reiswein in zwei Schälchen schüttete. »Ist das nicht etwas viel Sake, den du mitgebracht hast? So viel vertrag‘ ich nun auch wieder nicht«, scherzte er und sah unsicher in das faszinierende Augenpaar. Er hatte schon oft mit Rangiku getrunken, aber noch nie war er dabei mit ihr alleine gewesen. Und nie hätte er sich erträumen lassen, dass eine derartige Tatsache eine solch große Wirkung auf ihn tat. Aber jetzt hatte ihn die Realität überrumpelt, und ihm blieb nichts anderes übrig, als das Beste aus der Situation zu machen. »Na, wenn du nichts verträgst, wird‘s umso lustiger!« Ein typischer Satz für eine trinkfeste Hobbyalkoholikerin, wie Matsumoto es in waschechter persona zu sein pflegte. Noch bevor ihre männliche Gesellschaft das Schälchen an den Lippen ansetzen konnte, hatte sie ihres mit einem Zug leergetrunken und nachgeschenkt. »Wenn du mit mir mithalten willst, solltest du dich etwas beeilen.« Er grinste, leerte den Behälter mit einem kräftigen Schluck und seufzte wohlig auf. Und ehe er sich versah, hatten die beiden schon über die Hälfte der geöffneten Flasche intus. Natürlich würde es nicht dabei bleiben. Nach läppischen zwei Stunden war es den beiden Kampftrinkern gelungen, sage und schreibe zweieinhalb Flaschen zu killen. Nun war es nur noch eine Frage der Zeit, bis der Alkohol sie killen würde. Während des Besäufnisses hatten sich Hisagi und Matsumoto über alles Mögliche unterhalten. Dabei hatte sich vor allem Rangiku plänkernd über ihren minderjährigen Taichō beschwert. Angeblich würde dieser ihr viel zu viele Pflichten aufdrücken und viel zu wenig Freizeit gönnen, sie hinzukommend mit seinem nervigen Sinn für Pflichtbewusstsein belästigen und ihr sogar das Trinken während der Dienstzeit verbieten. Ab einem bestimmten Grad des Alkoholkonsums war es Shūhei nicht einmal mehr möglich, die Sätze im Kopf zu verarbeiten. So kam es, dass er über jede noch so unlustige Bemerkung lachte, als wäre sie der größte Witz, der je gerissen worden war. Aber Rangiku störte das herzlich wenig; munter plapperte sie weiter, stimmte ab und zu mit einem Kichern ein, und die Welt schien mit den beiden mehr als nur im Reinen. Die letzte Hälfte wurde angebrochen; auch Matsumotos Alkoholpegel stieg kaum übersehbar an. Der Blick unbestimmt, das Glänzen in den Augen intensiv, das Grinsen breiter denn je. Aber man wagte nicht zu behaupten, sie hätte sich nicht mehr unter Kontrolle - keineswegs. Im Gegensatz zu einem gewissen Jemand, der nur noch dümmlich dreinblickte, das Schälchen resigniert zum Mund wandern ließ und nach dem Austrinken laut aufstieß. Wann hatte er das letzte Mal so viel auf einmal getrunken? - Nein, darüber nachzudenken, hatte in seinem Zustand wenig Sinn. Als ob er jetzt noch zu halbwegs brauchbaren Eingebungen imstande wäre. Rangiku gab ein Kichern ab, als sie den kargen Blick ihres Gegenübers bemerkte, welches erst fragend, dann betroffen dreinschaute. »Oi, was is‘ so lustig?«, lallte Shūhei und griff nach der Sakeflasche. Rangiku war schneller und packte die ausgestreckte Hand. Sie drückte sie sanft und sah Hisagi eindringlich an. »Du hast ein bisschen zu viel getrunken, Shūhei“, beteuerte sie. Das Grinsen auf ihren Lippen blieb bestehen. Die Hand, mit der sie die seine hielt, war warm - und zart - und sanft. Ein plötzlicher Strom von Gedanken durchfuhr Hisagi, wie es wohl wäre, mehr als nur ihre Hand zu berühren, ob der Rest ihrer Haut genauso weich wäre und ob ihre Lippen vielleicht... »Ra...-Rangiku-san...« Zumindest war er noch so weit bei Bewusstsein, dass er das, was er von sich gab, halbwegs mitbekam. Ob er das, was er von sich gab, kontrolliert von sich gab, war jedoch eine andere Geschichte. »Ich... also, ich muss dir etwas ganz Wichtiges sagen.« Sie ließ seine Hand nicht los und blickte ihn ruhigen Gemütes an. »Dann sprich dich aus.« »Also...« Er wagte nicht, in das stählerne Augenpaar zu sehen. »vorhin, als ich meinte, ich hätte die Einladung vergessen... also, in Wahrheit hat es die nie gegeben, weissu?« Rangiku sah nur minder überrascht drein. Sie schwieg, und Geduld schien von ihr auszugehen. »Yumichika un‘ Ikkaku sind auf eigene Faust zu dir gegangen un‘ hab‘n das alles in die... die Wege geleitet, weil ich zu feige war... un‘... und weil sie wiss‘n, dass ich...« Er hielt inne. Das letzte Fünkchen Verstand, das ihm noch geblieben war, verhinderte für einen Moment, den Satz zu Ende zu bringen. Aber ein »...weil sie wissen, dass du was?« seitens Rangiku ermutigte ihn schließlich, die Worte auszusprechen, die schon seit mehreren Monaten - oder Jahren? - auf der Zunge brannten. Jetzt musste er die Chance ergreifen, sie auszusprechen: »Naja, dass ich... total scharf auf dich bin, Rangiku-san.« Matsumoto schaute Hisagi verblüfft an. Dieser Ausdruck währte nur für einen Augenblick; schnell fand sie ihre Besonnenheit wieder. Ein mattes Lächeln. Und obwohl das Geständnis eher unromantisch formuliert war, tat es eine gewisse Wirkung auf sie. Sie atmete aus. »Ach, Shūhei, du bist echt süß.« Bevor er die Chance bekam, darauf mit Protest oder Bestätigung oder Scham oder was auch immer zu antworten, hatte Rangiku ihn mit sanfter Gewalt am Oberarm gepackt, über den Tisch hinweg zu sich herangezogen und ihn in den bittersüßschärfsten Kuss, den er sich je hätte erträumen lassen, verwickelt. Schon wieder ging in seinem Herzen die Sonne auf, die er zu dieser Jahreszeit eigentlich nicht ausstehen konnte, aber anders als vorhin verdrängte er diese Tatsache nicht. Er wagte erst gar nicht, nur daran zu denken, sondern ließ es einfach auf sich zukommen. Warme, erfüllende, angenehme, sanfte Sonnenstrahlen, bitter und süß und scharf zugleich, ungemein prickelnd und köstlich, hingebungsvoll, anziehend, gar erschreckend und ein wenig verrückt. Vielleicht wahnsinnig. Mit einer Prise Leichtsinn und Sündhaftigkeit versehen. Auf einmal platzten die Ballons, in denen die Worte herumschwirrten, und die grausame Realität wies ihn darauf hin, dass seine Flamme den Kuss soeben gelöst hatte. Beide schwiegen. Aber lediglich Shūhei war es, der ein verdutztes Gesicht machte. War das gerade wirklich geschehen? Hatte Rangiku-san ihn tatsächlich geküsst? Aus freien Stücken heraus? Ohne dass er dafür auf Knien angekrochen, betteln, sich demütigen, schlagen lassen oder gar dafür bezahlen musste? Welch unfassbare Wirkung dieses solide Getränk namens Alkohol doch hatte. Vielleicht sollte er seinen Ernährungsplan darauf beschränken. Das würde er natürlich nicht tun, des Vorbildes für die minderjährigen Leser wegen. Nach einer mäßig ausgefallenen ‚Gehirnwatung‘ kam ihm nur ein Gedanke: Der Vorgeschmack war köstlich gewesen, aber er wollte mehr! Dieser Kuss sollte keine einmalige Sache bleiben. Er schlurfte zielsicher um den Tisch herum, näher an sein Hauptgericht, und setzte zur zweiten Runde an. Diese bestand aus einem weitaus wilderen Zungengefecht. Rangiku war sichtlich erstaunt über Shūheis Eigeninitiative. Dennoch konnte sie sich nicht lange zurückhalten, den Kuss mit selbiger Leidenschaft zu erwidern. Hisagi tauchte die Hand unter das karamellfarbene Haar. Die andere legte er auf Matsumotos wohlgeformte Hüfte und entfachte Feuer auf der Haut. Rangiku wurde, ohne den Kuss zu lösen, von ihrem Liebhaber zu Boden gedrückt. Sie ließ es Widerwillens geschehen - sie hasste es, sich führen zu lassen oder gar devot zu sein, aber ihre vernebelten Sinne verwehrten ihr, sich dagegen zu sträuben. Sie gab sich der schlagartigen Wendung einfach hin und schlang die Arme um Shūheis Hals. Hisagi war damit beschäftigt, ihre Mundhöhle penibel genau auszukundschaften. Er wanderte mit einer Hand zu ihrem Oberschenkel und fuhr ihn sanft entlang, während er die Küsse über ihre Wange hinweg an ihrem Hals fortsetzte und... -:-:-:-:-:-:- ...am nächsten Morgen von widerlichen Sonnenstrahlen geweckt wurde. Sie hatten sich durch den Gardinenspalt auf sein Gesicht gestohlen. Kopfschmerzen überfielen ihn schlagartig. Wieder einmal wurde ihm vor Augen geführt, wie sehr er die Sonne zu dieser Jahreszeit hasste. Er murrte, setzte sich auf und fasste sich an die pochenden Schläfen - er hatte einen Kater. Einen Kater, wie er ihn noch nie zuvor in seinem Leben hatte, und hinzukommend noch einen beinahe leeren Kopf. Was war gestern Abend überhaupt geschehen? Er ließ die Fetzen, die wie Puzzlestücke in den abgestorbenen Gehirnzellen herumschwirrten, Revue passieren. Rangiku-san... Sakeflaschen... saufen... betrunken... Sonne im Herzen - what the fuck?! -... Kuss... Erkenntnis... Kuss... und... - und was dann? Verdammte Scheiße aber auch! Das konnte nicht wahr sein! Er, Hisagi Shūhei, hatte gestern Abend zum allerersten Mal einen Filmriss gehabt. Und dann auch noch während eines Vorkommnisses, bei dem er besagten Filmriss am wenigsten hatte gebrauchen können. Es gab unter Alkohol geschehende Dinge, die schlicht und ergreifend verdrängt gehörten. Das war der eigentliche Sinn der Blackouts, meinte Shūhei zu wissen. Aber dann gab es wiederum unter Alkohol geschehende Dinge, von denen man das bloße Wort Blackout fernzuhalten hatte, da sie als wichtiges Fundament der Lebenserfahrung dienten und keineswegs vergessen werden durften. Die Sache mit Rangiku gehörte eindeutig in letztere Spalte. Wenn es etwas gab, das er momentan noch mehr hasste als die Sonne, dann war es das Pech, das er hatte. Er sah sich missmutig im Raum um. Das Einzige, was er zu Gesicht bekam, waren drei leere Sakeflaschen und zwei Schälchen auf dem Tisch. Keine Spur von seiner nächtlichen Gesellschaft, die mit Sicherheit schon längst über alle Berge war. Ein paar Gedankengänge weiter und er bemerkte, dass seine Kleidungsstücke am rechten Fleck waren - und damit meinte er nicht, in sämtlichen Ecken des Zimmers verstreut. So gern er dies auch hätte behaupten können. Die Erkenntnis, dass heute Freitag war, traf ihn wie einen Faustschlag mitten ins Gesicht. Mit diesem Kater den Pflichten als Vize nachzugehen, war nicht gerade einladend. Hisagi raffte sich auf. Er stampfte müde ins Büro der neunten Division. Darin angekommen, nahm das Geschehen eine drastische Wendung: Matsumoto Rangiku lehnte an seinem Schreibtisch und schaute lächelnd zu ihm auf, als er hereinkam. Sie hatte einen selbstverständlichen Blick aufgesetzt. »Na, du willst sicher wissen, was gestern Abend passiert ist.« Shūhei schaute perplex drein. Was zur Hölle zog sie jetzt wieder für ein dämliches Spiel mit ihm ab? Wollte sie ihn ärgern? Wie ein Spielzeug benutzen und ihn anschließend zum Affen machen? Oder meinte sie diese Frage ernst? Er bemühte sich, von Letzterem auszugehen. »Keine Ahnung. Sag du mir, ob ich es wissen will.« Matsumoto konnte nur zu leicht heraushören, wie Hisagi sich um ein gleichgültiges Auftreten bemühte. Sie lachte herzhaft. Und genau dieses Lachen ließ Shūhei glatt erschaudern. Es war warm und überzeugend und strahlte in ihrem Gesicht - wie die Sonne. »Wahrscheinlich willst du es nicht, aber weil ich deinen Gesichtsausdruck sehen will, erzähl‘ ich‘s dir trotzdem.« Er verschränkte die Arme und hob eine Augenbraue. Was auch immer jetzt käme, laut der Vorwarnung konnte es nichts Gutes bedeuten. »Naja, gestern, als du mich dann wieder geküsst hast«, begann sie, und bei dem Wort ‚geküsst‘ stieg Hisagi die Schamesröte in die Wangen, »und wir dann noch ein bisschen rumgemacht haben, bist du... naja, du bist auf mir eingeschlafen. Und du hast mich vollgesabbert. Das war echt ekelhaft, mach das ja nie wieder! Jedenfalls hab‘ ich dich von mir runtergeschoben, doch du hast wie ein Stein weitergeschlafen und gar nichts mitbekommen. Also bin ich verschwunden. Mit dir hat man eh nichts mehr anfangen können.« Als Rangiku den Vortrag beendet hatte, stand ihr ein Shūhei mit weit offenstehendem Mund gegenüber. Er war eingeschlafen? Auf ihr? Einfach so? Das war doch… - nein, das konnte nicht sein, war er wirklich so betrunken gewesen? Wobei - durch seinen Kater beantwortete sich die Frage praktisch von selbst. Er bündelte das letzte Bisschen Nerven, das ihm geblieben war. »U-Und... nur deshalb bist du hierhergekommen? Nur, um mir das zu sagen?« Rangiku grinste, stieß sich vom Schreibtisch ab und kam auf den anderen zugelaufen; langsam, aber offensiv. »Nein, nicht ganz.« Jetzt stand sie ihm gegenüber. Sie legte die Hand auf seine Wange und strich zaghaft darüber. »Weißt du, Shūhei…« Schon immer hatte ihre Stimme etwas Magisches an sich. Im Moment glaubte Hisagi dies ganz besonders deutlich herauszuhören. »Yumichika und Ikkaku haben mir gestern, als sie zu mir gekommen sind, erzählt, dass du schon lange für mich schwärmst. Sie haben mich gar nicht darum gebeten, zu dir zu kommen, sondern ich hab‘ mir einfach mal die Freiheit genommen, dir einen kleinen Besuch abzustatten. Deine beiden Freunde scheinen ihre Sache geschickt eingefädelt zu haben.« Ikkaku. Yumichika. Diese hinterlistigen, verrückten Mistker-...le! Ja, jetzt konnte er diesen Gedanken getrost zu Ende denken. Was fiel diesen Bekloppten eigentlich ein, seine Geheimnisse auszuplaudern? Aber ihm blieb keine Zeit, Mordpläne zu schmieden; Rangiku kam seinem Gesicht näher. Die Hand lag noch immer auf seiner geröteten Wange. »Eigentlich, Shūhei... stehe ich nicht auf Kerle wie dich. Aber…« Sie machte eine bedeutsame Pause. Eine Pause, die wehtat, mehr wehtat als die Kopfschmerzen. Diese hatte er jedoch vollends vergessen, als seine Flamme ihre Lippen auf die seinen legte. Nur für einen Moment; ein kleiner, prompter Kuss - aber die bittersüße Schärfe, die darin enthalten war, konnte er auch jetzt in all ihrer Intensität herausschmecken. Ein köstliches Déjà-vu. Rangiku zog sich wieder zurück und vollendete den Satz, den sie wegen des Kusses unterbrochen hatte: »...gestern Abend warst du einfach nur süß gewesen.« Mit diesen Worten ließ sie vollkommen von ihm ab und verschwand zügig aus dem Büro. Dabei ließ sie einen völlig verwirrten Shūhei wie bestellt und nicht abgeholt im Raum stehen. -:-:-:-:-:-:- Eigentlich sollte er seine ‚besten‘ Freunde hassen. Eigentlich sollte er den Sommer und die ganze Hitze, die damit verbunden war, hassen. Eigentlich sollte er den Alkohol hassen. Eigentlich sollte er sich und den pubertären Ausbruch, sich maßlos übernommen zu haben, hassen. Eigentlich sollte er die Gesamtsituation hassen. Rangiku hatte die Tür beim Austreten offen gelassen. Warme Sonnenstrahlen fielen durch den Spalt hindurch in den Raum - direkt auf Shūhei. Trafen ihn, blendeten ihn, tränkten ihn in grelles Licht. - Eigentlich sollte er auch die Sonne hassen. Doch seltsamer Weise war jeglicher Hass auf all die Dinge, die dieses Gefühl wert wären, mit einem Mal aus ihm gekehrt. Verschwunden, hindurch durch diese Tür, und ersetzt durch etwas völlig anderes. Neues, Unbeschreibliches. Die Sonne schien. Und das erste Mal seit Monaten genoss er sie. -:-:-:-:-:-:- e n d e Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)