Farbtopf von Fujouri (OneShot-Sammlung [Various]) ================================================================================ Kalte Augen [Byakuya x Renji] ----------------------------- Hallo! Die FF dreht sich hauptsächlich um Byakuya; ByaxRenji wird nur angedeutet. Nachdenklich, ein bisschen deprimierend und verdammt merkwürdig, aber letztendlich genau die Tiefe, die Kuchiki Byakuya so sehr ausmacht – ein wirklich eindrucksvoller Charakter! Die Gedanken am Anfang, die da kursiv stehen, sind die Renjis; klar könnte der Hohlkopf (xD) sich wohl nie so ausdrücken, aber irgendwie kann ich mir vorstellen, dass sein Taichou in seinen Augen so aussieht wie dort beschrieben.^^ Ich bin ein wenig stolz auf den OS, weil ich noch nie etwas dieser Art geschrieben habe. Ob ich zufrieden bin, weiß ich aber selbst nicht so genau… Naja. Viel Spaß! --- What do you hide behind those cold eyes...? Ein leiser Schritt, gefolgt von einer angespannten, gar erdrückenden Stille. Ein weiterer Schritt, ebenso sanft und ruhig, bedacht, elegant und stolz – wie die Pfoten einer Katze. Das rabenschwarze Haar, seidig glatt und in der Morgensonne glänzend, - gebändigt durch die weißen Leitsternhülsen, die seine hohe Position nur bestätigen – legt sich schleierhaft und gleichmäßig verteilt über den Nacken. Der schmale, anmutige Hals, umhüllt in einen seidenen Schal aus der Gaze einer der seltenen, silbrig weißen Windblumen, über seine Schultern gelegt, und die beiden Enden im Takt der kühlen Brise tanzend. Der schwarze Stoff, geschmeidig am schlanken Leibe anliegend, schafft einen undefinierbar schönen Kontrast zu der milchig weißen, porzellangleichenden Haut, die diesen Mann so edel, so unantastbar, beinahe schon perfekt wirken lässt. Doch dann das Augenpaar, - eingebettet in das makellose, wunderschöne Antlitz - aufmerksam und scharf wie die Klinge eines Schwertes, jedoch ebenso kalt und distanziert, tief und unergründlich wie die See. Was verbergen Sie hinter diesen kalten Augen… Kuchiki Byakuya? Kalte Wassertropfen stürzen wie kleine Wurfgeschosse des Himmels auf meine hölzerne Veranda und benetzen diese bis auf den letzten trockenen Winkel. Der Wind ist stark und unangenehm; mit seiner unbändigen Kraft lenkt er die Tropfen in jede Richtung, die ihm beliebt. Die Kirschbäume in meinem Garten tragen bereits einige Knospen, jedoch hat sich bisher noch keine einzige einen winzigen Spalt geöffnet, um mir ihre rosa Blüten zu offenbaren. Es ist kühl, stürmisch und regnet schon seit Tagen in Strömen. Gleichzeitig stößt die Natur damit das Zeichen aus, dass der Winter vorbei ist, und sie die Welt wie jedes Jahr mit Leben infiziert. Es ist Frühling. Und noch dazu ein sehr bedeutsamer Tag. Wie sehr ich ihn verabscheue… Wie jeden Tag begebe ich mich zum Stützpunkt der sechsten Division – die Kompanie, deren Captain ich bin – und gehe dort meinen Pflichten nach. Der Weg ist nicht weit; dennoch nehme ich einen Schirm mit und spanne ihn auf, um mich vor den nassen, kalten Wurfgeschossenen zu schützen, die der graue, wolkenverhangene Himmel auf mich los hetzt, und der tobende Wind sie in eine Richtung lenkt, dass sie mir ins Gesicht peitschen. Als ob der Frühling es auf mich abgesehen hätte… Ich laufe einige Meter. Der Wind wird immer stärker und der Schirm immer unnützer. Bald erkenne ich, dass es keinen Sinn hat, und so spanne ich den Schirm wieder ein und gebe mich dem Wetter geschlagen. Ob ich nun nass werde oder nicht; beide Fälle würden nichts an dem heutigen Datum ändern. Also werde ich nass. Endlich in meinem Büro angekommen, begebe ich mich zunächst in das Bad, nehme mir ein Handtuch und fahre damit über mein Gesicht, um es trocken zu reiben. Das Handtuch ist rau und fusselig; statt die Nässe verschwinden zu lassen, wirkt es, als verteile es sie nur noch weiter auf meinem Antlitz, und fährt bei jeder weiteren Bewegung scharf und kratzend über meine Haut – ein äußerst unangenehmes Gefühl. Ich lege es beiseite und schaue auf; direkt in den mir gegenüber angebrachten, mit einem goldenen Rahmen verzierten Spiegel. Ich sehe in das Gesicht, das sich mir offenbart, doch das, was ich sehe, ist nichts weiter als eine blasse, leere Hülle. Unbedeutend. Ich wende mich von meinem Spiegelbild ab, (wende mich von mir selbst ab) begebe mich an meinen Schreibtisch und vernehme laute, hastige Schritte, die sich der Tür zu nähern scheinen. Im nächsten Moment höre ich ein schallendes Klopfen. Erzeugt durch eine kleine, zu einer Faust geballte Hand, die vorsichtig und bedacht gegen das Holz schlägt. „Herein“, gebe ich monoton von mir, ohne über diese Worte einen Gedanken zu verschwenden. Es sind Worte, die mir täglich zwischen den Lippen hervor gleiten. Die Gang und Gebe sind, die nur aus aneinandergereihten Buchstaben bestehen, jedoch nichts beinhalten. Belanglos. Ein junger Mann mit schwarzem, kurzem Haar und zwei auffälligen Tätowierungen über seinen Augen tritt – einen Stapel Dokumente mit beiden Händen tragend - in den Raum und schenkt mir ein unsicheres Lächeln. Während er mir einen guten Morgen wünscht, legt er den Haufen Papiere vor mich auf den Schreibtisch, und sein Gesicht nimmt daraufhin entschuldigende Züge an – wie ein Kind, das etwas Verbotenes getan hat und kurz davor ist, sich bei seiner Mutter zu entschuldigen. „Tut mir Leid, Taichou“, setzt Rikichi mit eben jener Entschuldigung an, „Heute gibt es ziemlich viel Papierkram zu erledigen. Ich hoffe, es macht Ihnen nicht allzu viel aus.“ Ich betrachte die Dokumente vor mir, dann verneine ich und bitte meinen Untergebenen, mein Büro zu verlassen, damit ich mich meiner Arbeit zuwenden kann. Er geht meinem Befehl wortlos nach, dreht sich um, öffnet die Tür und tritt aus. Wieder wandert mein Blick auf den Stapel, bleibt jetzt jedoch an diesem hängen, und aus meinem Mund dringt ein leiser, entnervter Seufzer; ein Ton, den ich nur von mir gebe, wenn ich alleine bin, da er meine Lustlosigkeit untermauert und möglicherweise meine Autorität ins Wanken bringt. Jeden Tag derselbe Ablauf. Jeden Tag dieselben Aufgaben und Pflichten. Doch heute kommt es mir unerträglicher vor als sonst. Mit ausdruckslosem Gesicht nehme ich Feder und Tinte zur Hand, entnehme das oben liegende Blatt dem Stapel, lege es vor mich, lese es durch, tauche die Spitze der Feder in das Tintenglas, setze sie anschließend auf das weiße Papier und reihe inhaltsarme Buchstaben aneinander – das, was jeder Tag von mir verlangt. Einige Stunden sind vergangen, doch ich weiß nicht, wie viele es genau gewesen sind. Ich weiß lediglich, dass der Haufen Dokumente vor mir kaum sichtbar geschrumpft ist, und dass es noch immer in Strömen regnet, da der Wind die Wurfgeschosse an das Fenster meines Büros peitscht. Das Geräusch, das dabei entsteht, ist laut und schmerzt in den Ohren – es scheint dem Himmel zu gefallen, mir diesen schrecklichen Tag zusätzlich zu erschweren. Ich lege die Feder beiseite und lehne mich ein wenig im Stuhl zurück; jedoch nur dezent, sodass meine aufrechte Haltung vorhanden bleibt und somit auch meine Autorität. Ganz genau, die Autorität, die von jedem Taichou und ganz besonders von mir erwartet, gar schon abverlangt wird. Es ist lästig… Ich beginne gerade damit, mir eine Pause zu gönnen, als es plötzlich ein weiteres Mal an der hölzernen Tür klopft. Dieses Mal jedoch fester und selbstsicherer. Wieder ein „Herein“ meinerseits, wieder ein Mitglied meiner Division, wieder betritt es den Raum und wieder schließt es die Tür hinter sich. Wieder Tätowierungen über den Augen, diesmal jedoch rotes, langes und mit einem Zopf zusammengehaltenes statt schwarzes, kurzes Haar. Es ist mein Vizekommandant, der nun mir und meinem Schreibtisch gegenübersteht und ein dezentes Grinsen auf den Lippen hat. „Sorry, dass ich Sie störe, Taichou, aber ich hab‘ das Training mit der Division nun abgeschlossen, so wie Sie es mir gestern befohlen hatten, und bräuchte jetzt… weitere Befehle.“ Wie so oft kratzt er sich, nachdem er mich um etwas gebeten hat, verlegen am Hinterkopf, behält sein Grinsen jedoch bei und sieht mich daraufhin unsicher und zugleich erwartungsvoll an. Ich überlege kurz, ehe ich antworte: „Entscheide du.“ „I-Ich soll entscheiden?“, wiederholt er meine Aufforderung ungläubig, und das Grinsen schwindet allmählich. „Du bist der Fukutaichou, also solltest du endlich lernen, selbstständig Entscheidungen zu treffen, statt wegen jeder Belanglosigkeit zu mir zu kommen…“, entgegne ich schroff, doch bin ich mir bewusst, dass Renji, egal wie oft ich ihn darum bitte, immer wieder zu mir kommen und meine Befehle anfordern wird. Dabei wirkt er immer ein wenig hilflos und unselbstständig, und gibt mir dabei das Gefühl, als sei er auf mich angewiesen. Als brauche er mich… „Sie haben ja recht, Taichou, aber was soll ich mit dem Haufen schon großartig machen, wenn es so in Strömen regnet…?“ Ignorant wende ich meinen Blick ab und hoffe darauf, dass er diese Geste als eine Antwort auf seine Frage interpretiert. Sonderlich schlau ist Renji schließlich nicht… „O-Okay, dann werde ich mir mal was einfallen lassen!“, verkündet er mit gezwungener Selbstsicherheit, und ich bin froh, dass sein mangelnder Intellekt diesmal nicht zum Vorschein gekommen ist. Ich nicke zur Bestätigung kaum merklich und bitte ihn anschließend, mein Büro zu verlassen. Mit einem „Hai, Taichou“ dreht er sich in Richtung Ausgang und läuft darauf zu, öffnet die Tür, bleibt jedoch zu meiner Verwunderung darin stehen. Er schweigt zunächst und scheint über das, was er sagen will, nachzudenken, bis er sich mir schließlich zuwendet und zu sprechen ansetzt: „Taichou, ich… Geht es Ihnen gut?“ Weshalb auf einmal diese Frage? Hat er etwa bemerkt, dass… Nein, unmöglich. Ich verhalte mich so wie sonst auch; er kann gar nichts bemerkt haben. Auch wenn mich die Frage verwirrt hat, lasse ich mir keinerlei Verwirrung anmerken und richte meine Augen auf die seine, ehe ich eine Gegenfrage stelle: „Weshalb fragst du?“ Im nächsten Moment verurteile ich mich in Gedanken dafür, diese Frage gestellt zu haben. Die Antwort darauf habe ich ohnehin nicht hören wollen. Und ein persönliches Gespräch mit Renji in die Wege zu leiten, schon gar nicht. „Naja, Sie sehen irgendwie… abwesend und ein bisschen bedrückt aus…“, entgegnet mein Untergebener daraufhin, und es fällt mir immer schwerer, mir nicht anmerken zu lassen, dass er mich mit diesem Gerede langsam aber sicher aus dem Konzept bringt. Bevor es so weit kommt, blocke ich ab, indem ich sage: „Kümmere dich um deine eigenen Probleme, Renji.“, meine Augen wieder auf das Dokument vor mir richte und ihn somit darauf hinweise, dass das Gespräch nun zu Ende ist. Es ist nicht zu übersehen, dass er enttäuscht über meine Äußerung ist; dennoch gibt er nach und umschließt den Griff der Tür, um sie von außen zu schließen. „Tut mir Leid, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten… Aber… falls Sie doch mit jemandem reden wollen, ich…“ „Ist gut, Renji, geh“, unterbreche ich ihn schnell, weil ich seine Worte nicht hören will. Sie lösen ein unangenehmes Gefühl in meiner Brust aus, und es macht den Anschein, als wirken sie in irgendeiner Weise auf mich… Etwas, das vermieden gehört. Von meinem Untergebenen kommt nun kein Mucks mehr; er scheint es endlich begriffen zu haben. Schweigend verlässt er den Raum und zieht die Tür von außen zu sich, bis sie im Schloss einrastet. Erst nach ein paar vergangenen Sekunden vernehme ich seine Schritte, die langsam leiser werden und sich immer weiter von meinem Büro entfernen. Ich nehme die Feder zur Hand und betrachte mir eines der vielen Dokumente. Um meine Pflichten fortzusetzen, setze ich die Spitze der Feder auf dem weißen Blatt an und schreibe - jedoch ohne dabei etwas auf dem Blatt zu hinterlassen. Erst jetzt bemerke ich, dass ich vergessen habe, die Spitze vorher in das Tintenglas zu tauchen… Anscheinend ist jegliche Form von Konzentration nach dem Gespräch mit Renji in mir gestorben. Mir bewusst werdend, dass es keinen Sinn hat, es zu versuchen, lege ich die Feder zurück und greife mir mit der Hand an meine Schläfen. Kopfschmerzen – das hat mir gerade noch gefehlt. Unbeholfen erhebe ich mich von meinem Platz und begebe mich ein weiteres Mal ins Bad. Dieses Mal jedoch nicht um mir mein Gesicht trocken zu reiben, sondern um es mit Wasser zu benetzen, in der Hoffnung, es würde meinen momentanen Zustand verbessern. Aber vergebens. Das kühle Nass fließt meine Wangen entlang und sammelt sich an meinem Kinn, um von diesem anschließend herunter zu tropfen, (ein Wurfgeschoss) doch besser fühle ich mich nicht. Wieder schaue ich auf, und meine Blicke kreuzen sich mit dem Feind, der mir gegenübersteht und mir die blanke, hässliche Wahrheit offenbart – mein Spiegelbild. Mein Gesicht ist blasser als zuvor und meine Haare durch den Regen, in den ich heute Morgen geraten bin, ein wenig gewellt und ungeordnet. Meine Augen wirken leer und gedankenlos, und dennoch kann man ihnen eine Spur Sehnsucht und Leid entnehmen – ein Ausdruck, den es zu verbergen gilt. Ein Ausdruck, den es generell zu vermeiden gilt! Die Autorität bewahren… und den Stolz. Leicht beschämt wegen meiner selbst wende ich mich ab, würde mir wegen dieses Ausdrucks am liebsten die Augen aus dem Kopf reißen, weil ich es nicht wahrhaben will. Weil ich die Wahrheit nicht wahrhaben will. Aber stattdessen atme ich tief durch und beruhige mich wieder. Emotionen gehören unterdrückt, egal wie diese auch aussehen mögen. Ich begebe mich zurück in mein Büro und lasse mich zum zweiten Mal an diesem endlos erscheinenden Tag auf dem Stuhl vor meinem Schreibtisch nieder - Pflichten dürfen nicht vernachlässigt werden. Doch statt mich eben diesen zu widmen, beginnen meine Gedanken um die Worte Renjis zu kreisen. Ich weiß genau, was er hat sagen wollen, als ich ihn unterbrochen habe. „Falls Sie doch mit jemandem reden wollen, ich… bin für Sie da.“ Allein der Gedanke an diese Worte löst ein schon lange in Vergessenheit geratenes Gefühl in mir aus. Es ist ungewohnt, mir fast schon fremd… und zugleich beängstigend. Ich möchte es verdrängen, vergessen, doch ich kann nicht. Und vielleicht will ich auch gar nicht. Neben dem Ungewohnten, Fremden und Beängstigenden ist da noch etwas anderes. Etwas Angenehmes, Erwärmendes, Sehnsüchtiges… Ein sonderbares Gefühl. Und ebenso ein Gefühl von kurzer Dauer, da es mir gelingt, diese lästigen Gedanken beiseite zu schaffen und mich meiner Arbeit, die in Form von einem in die Höhe ragenden Stapel Papiere vor mir liegt, zuzuwenden. Seltsamer Weise bin ich jetzt ruhiger und konzentrierter… Und das, obwohl heute das Datum ist, an dem es mir nie gelingt, ruhig und konzentriert zu sein. Ich werfe einen Blick aus dem Fenster. Der Abend ist tiefschwarz und hin und wieder beleuchten grelle, weiße Blitze den Raum, die den Himmel innerhalb von Sekundenbruchteilen zu zerreißen drohen. Die Regentropfen stürzen weiterhin angriffslustig und offensiv auf die nasse, matschige Erde herab. Jeder einzelne Tropfen schlägt mit einem unüberhörbaren Knall bombenähnlich auf dem Boden auf. Und das gleichzeitige Aufschlagen von Tausenden dieser Tropfen lässt ein Geräusch entstehen, das glauben lässt, die Welt ginge unter. Natürlich nur, wenn man ihnen so viel Gehör schenkt wie ich es gerade tue. Wie ich es nur an diesem einen Tag tue. Ich wende mich vom Fenster ab und schaue auf die Uhr, die an der Wand über der Eingangstür des Büros angebracht ist, und stelle fest, dass ich mich den halben Tag in diesem kleinen Raum aufgehalten habe; zusammen mit dem Stapel Dokumenten. Dieser hat seine volle Größe wiedererlangt, jedoch mit dem Unterschied, dass jedes einzelne Blatt von mir durchgelesen, gegebenenfalls ausgefüllt, unterschrieben und abgestempelt worden ist. Erleichtert darüber, diesen Tag fast hinter mich gebracht zu haben, stehe ich auf, nehme meinen Schirm, der mittlerweile wieder getrocknet ist, zur Hand, trete durch die Tür, nachdem ich sie geöffnet habe, hindurch nach draußen und schließe sie von außen zu. Mir fällt auf, dass der Wind nicht mehr so stark ist wie heute morgen; also spanne ich meinen Schirm auf und schütze damit mein Haupt vor den aggressiv erscheinenden Regentropfen. Doch noch bevor ich einen Fuß vor den anderen setzen kann, werde ich durch das laute Rufen einer Männerstimme, die von einem grollenden Donnerschlag begleitet wird, aufgehalten. „Kuchiki-Taichou!“, ertönt die raue Stimme, und ich höre schnelle Schritte, die wegen des Regenwassers ein Plätschern erzeugen, auf mich zukommen. Einige Strähnen des florentinerroten Haares – er trägt es jetzt seltenerweise offen - kleben ihm nass und kühl im Gesicht. Der in wassergetränkte Shihakusho haftet eng an seinem tätowierten Körper und tropft an den Enden der beiden Ärmel. Wenige Zentimeter vor mir bleibt er stehen, setzt sein mir nur allzu gut bekanntes, verlegenes Grinsen auf und fasst sich an den Hinterkopf. „Ich wollte gerade zu Ihnen, um Sie zu fragen, ob ich jetzt Feierabend machen kann… Aber anscheinend sind Sie auch schon mit allem fertig.“ „Ja, bin ich“, entgegne ich so trocken wie seine Kleidung nass ist. Nach kurzem Zögern füge ich, nachdem ich ihn prüfend gemustert habe, fragend hinzu: „Was hast du gemacht?“ Ertappt weiten sich seine schmalen, braunen Augen ein kleines Stück und das Grinsen schwindet für einen kurzen Moment – jedoch findet er es schnell wieder. „Ich hab‘ mit den anderen draußen ein paar Übungen gemacht. Ich dachte, das schlechte Wetter härtet sie ein bisschen ab.“ „Verstehe“, entgegne ich knapp und möchte an Renji vorbeilaufen, um meinen Nachhauseweg fortzusetzen, jedoch macht dieser keine Anstalten, mir aus dem Weg zu gehen. „…Finden Sie die Idee mit dem ‚draußen trainieren‘ schlecht?“, fragt er jetzt vorsichtig, und wieder ertönt ein hernieder brechender Donnerschlag. „Nein, sie ist in Ordnung“, versichere ich, während ich darauf warte, dass Renji mir aus dem Weg geht. „Okay, dann ist ja gut.“ Sein Grinsen verwandelt sich in ein Lächeln. Statt endlich den Weg freizugeben, fragt er nach kurzem Zögern: „ Kann ich Sie ein Stück begleiten…?“ Sofort höre ich meine innere Stimme ein „Weshalb?“ erfragen, doch entscheide ich mich, es nicht laut auszusprechen. Die Antwort darauf hätte ich mit großer Sicherheit nicht hören wollen. Da ihm jedoch ein unbegründetes „Nein“ nicht ausreichen würde, umgehe ich ihn schließlich wortlos und setze meinen Weg fort, in der Hoffnung, Renji würde diesem nonverbalen „Mach, wozu dir beliebt“ nachgehen, statt überflüssige Fragen zu stellen. Einen kurzen Moment bleibt er wie angewurzelt stehen und bohrt mir verständnislose Blicke in den Rücken, doch dann dreht er sich um und setzt sich in Bewegung. Noch nie zuvor ist es vorgekommen, dass Renji um Derartiges gebeten hat. Und noch nie zuvor ist es vorgekommen, dass ich Derartiges nicht verneint habe. Der heutige Tag verändert alles. Wortlos laufen wir nebeneinander her, während der Himmel sich über uns ergießt. Das Niederfallen der Tropfen, welche ich als so viel lauter und schmerzender empfinde als mein Begleiter, ist das Einzige, das die Stille um uns herum bricht. Das erste Mal seit langem empfinde ich das Schweigen als unangenehm, gar schon erdrückend. Ich möchte es brechen, zerreißen, genau wie der grelle Blitz die schwarze Nacht, doch ich weiß nicht, wie. „Weshalb wolltest du mich begleiten, Renji?“, höre ich wieder meine innere Stimme erfragen, doch stelle ich beinahe im selben Moment fest, dass diese sich soeben ihren Weg nach draußen gebahnt hat. Renji wirft seinen Kopf zur Seite und starrt mich zunächst verwirrt an; so, als ob er überrascht sei, dass ich diese Frage gestellt habe. „Also, ich…“ Er streicht sich mit dem Finger eine nasse Haarsträhne von der Stirn und wirft sie zurück in die ebenso nasse, restliche Haarpracht, die durch einen weißen Blitz in der Dunkelheit für einen Sekundenbruchteil wie eine helle, erwärmende Flamme lodert. „Naja, ich dachte, Gesellschaft würde Ihnen ganz gut tun…“, spricht er unsicher weiter und murmelt die letzten Worte mehr in sich hinein. Auch Renji ist heute anders als sonst; er wirkt viel nachdenklicher und erschreckend zuvorkommend. Ein Verhalten, das mir unangenehm ist. Das mir widerfällt. Das ich vor allem an ihm nicht gerne sehe. Das (auf mich wirkt) mir ein unangenehmes Gefühl bereitet. Meine Augen bleiben weiterhin auf ihn gerichtet, um ihm zu verstehen zu geben, dass er mit dieser Aussage keinesfalls meine Frage beantwortet hat. Schneller als erwartet begreift Renji diese Mimik und will gerade zu sprechen beginnen, als er bemerkt, dass wir an meinem Anwesen angelangt sind. Ich weiß genau, was er hat sagen wollen; es ist dasselbe wie das, was er mir heute Nachmittag im Büro gesagt hat. Und ich bin froh, dass er nicht dazu gekommen ist, es ein weiteres Mal auszusprechen… (wirken) Oder? „Naja, ich geh‘ dann mal, Taichou! Schönen Abend noch!“ Mit einem Grinsen auf den Lippen verliert er diese Worte an mich. Mit einem falschen Grinsen. Einem aufgespielten, erzwungenen Grinsen. (wirken auf mich) Abschließend wendet er sich von mir ab, setzt einen Fuß vor den anderen und läuft die Treppe vor dem Eingang herunter, um zu gehen. Ich sehe ihm nach und bemerke dabei, wie mein Mund sich öffnet, um etwas zu sagen. (seine Worte wirken auf mich) „Renji“, verlässt es wie von selbst meine Lippen, und ich schaue für einen Moment ungläubig in die Leere. Warum auf einmal dieser Drang, mit ihm zu sprechen? Unwiderruflich. Er hält in seiner Bewegung inne, und unsere Augen treffen sich, während ich ebenfalls die wenigen Stufen zu ihm nach unten schreite – noch immer den Schirm schützend über mich haltend. „Weshalb wolltest du mich begleiten?“, möchte ich nun ein weiteres Mal wissen; nur ist es dieses Mal nicht die innere Stimme, die sich nach außen gedrängt hat, sondern mein Wille selbst. Dankbar für diese Frage löst sich der angespannte Blick meines Gegenübers, und er antwortet selbstsicher, aber ernst: „Sie sind heute irgendwie anders als sonst… Und deshalb hatte ich gehofft, dass ich erfa…“ „Meine Frau ist heute vor fünfzig Jahren verstorben.“ Nachdem ich ihn mit diesen Worten, die seit fünfzig Jahren tief in mir verborgen liegen, unterbrochen habe, füge ich noch ein hinterfragendes „Vielleicht liegt es daran“ hinzu, und beende den Blickkontakt daraufhin. Das wäre sonst zu viel. Schweigend steht Renji vor mir; ich scheine ihm mit dem Inhalt meiner Worte die Sprache verschlagen zu haben. Auf einmal öffnet sich sein Mund, und er versucht etwas zu sagen; allerdings benötigt er wenige Sekunden, bis er seinen Gedanken formulieren kann. „…Ich… Das… wusste ich nicht… T-tut mir Leid, Taichou…“ Natürlich. Jeder andere hätte in dieser Situation so reagiert. Und bei jedem anderen wäre Wut und Verachtung in mir aufgestiegen, da es bei jedem anderen nur inhaltsarme, nicht ernst gemeinte Worte gewesen wären. Doch bei Renji ist es anders. Er sagt es so, wie er es meint. Das (spüre ich) höre ich. Und dafür bin ich ihm dankbar. „Ist in Ordnung. Du solltest jetzt gehen“, gebe ich monoton von mir, obwohl es mir genau in diesem Moment fast lieber gewesen wäre, (die Autorität bewahren… und den Stolz) Emotionen mit in mein Gesagtes fließen zu lassen. Doch dazu ist es jetzt zu spät. „O-okay, da haben Sie wohl recht.“ Verlegen und unsicher kratzt er sich – wie so oft – am Hinterkopf. „Bis morgen, Kuchiki-Taichou.“ Mit diesem Abschied setzt er erneut zu gehen an, und wieder halte ich ihn aus mir unerfindlichen Gründen auf. „Ach, Renji…“ Er bleibt stehen. „Ja, Taichou…?“, fragt er verwirrt, während er sich mir zuwendet. (danke) „Gewöhne dir diese Neugierde ab“, fordere ich ihn beinahe befehlend auf, spanne dabei den Regenschirm zusammen und werfe ihn Renji, ohne noch etwas Weiteres zu sagen, zu. Die Verwirrung steht ihm ins Gesicht geschrieben, als er den Schirm auffängt und mich wortlos anstarrt. Nachdem er aus seiner Erstarrung aufgetaut ist und verstanden hat, sagt er schließlich: „ J-ja, natürlich, tut mir leid… Und danke…“ Er dreht sich um und läuft los. Während er läuft, spannt er den Schirm auf, den er dann schützend über sein Haupt hält. Ich brauche ihn nicht mehr. Denn jetzt können mir die Wurfgeschosse nichts mehr anhaben. Jetzt bin ich in Sicherheit. Der Regen versiegt… What do you hide behind those cold eyes…? Seit heute kenne ich die Antwort auf diese Frage. Und ich habe sie ihm von eben diesen kalten Augen ablesen können. Es ist die Sehnsucht, die er verbirgt. Die Sehnsucht nach Liebe. --- Wer auch andere FFs von mir kennt, dem wird evtl. aufgefallen sein, dass mein Schreibstil hier ganz anders war. Weniger Synonyme, beabsichtigte Wortwiederholung, Ich-Perspektive, Zeitform: Präsens – gerade die Aspekte, die ich bei den wenigsten FFs leiden kann; trotzdem habe ich mich mal daran versucht, da ich einen solchen Schreibstil, sofern er richtig angewandt wird, äußerst eindrucksvoll und faszinierend finde. Und wenn man’s nie versucht, lernt man’s ja auch nie.^^“ Ansonsten hab ich noch viele merkwürdige Stilmittel und Ausdrücke verwendet, die mir spontan eingefallen sind… Alles in allem ist es einfach nur seltsames Zeug, das ich da geschrieben habe, und ich weiß nicht, ob ich zufrieden sein kann oder nicht… Doch bevor mir jetzt wieder die bösen Kritiker vorwerfen, Byakuya sei endlos OOC, der irrt sich! Es ist lediglich sein Innerstes, das ich an diesem speziellen Tag dargestellt habe. Dass er von Innen so schwach und ein wenig hilflos erscheint, ist auch bei ihm durchaus anzunehmen, da wir ja nicht wissen, was so in ihm vorgeht. ;D Außerdem ist zu beachten, dass er sich von außen hin weiterhin autoritär und stark gibt. Danke für's Lesen, und über Kommentare würd' ich mich freuen.^^ Lg, Speculum Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)