Strangers in Paradise von Ezekiel ("Verschollen in der Wüste") ================================================================================ Kapitel 1 - Agonie ------------------ Strangers in Paradise Die trockene, heiße Luft fraß sich in jede einzelne Hautpore, die Sonne war so mächtig, dass seine Haarfarbe von dunkelblond auf beinahe platin gewechselt hatte und selbst das Rauchen war bei diesen Temperaturen erschwerlich. Der Rauch brannte stark in der Lunge. Zu stark, als das man es noch als Beruhigung hätte ansehen können. Nach einem langen Blick über die brennenden Ruinen des kleinen Wüstendörfchens schnippte er die Zigarette weg und entsicherte seine AWP. Durch das Zielfernrohr konnte er sein Ziel erkennen. Man hatte ihm gesagt das die Person leicht zu erkennen wäre, aber für ihn sahen die vielen leidenden Menschen alle gleich aus. Die Mittagssonne blendete ihn und er schirmte sein Gesicht mit dem Oberarm ab. Er entdeckte nach weiterem taxieren die besagte Person und seine sonst zu Schlitzen verengten Augen weiteten sich. Das „Opfer“ war vielleicht grad einmal 14 Jahre geworden. Ein junges Mädchen, am Leib ihr wahrscheinlich einzigstes Kleid und eine zerschlissene rote Jeans darunter, die dünnen Ärmchen waren mit Waffen beladen, das es einem einen Schauer über den Rücken jagte. Wieso waren immer die Kinder die Leidtragenden ? Wieso musste man unschuldige Kinder in diese Kriege ziehen lassen ? Seine Augen wurden wieder schmaler und er fokussierte zum zweiten Mal. Und wurde direkt angestarrt. Das Mädchen kratzte sich durch ihre kurzen, struppigen Haare und begann auf ihn zuzugehen. “Bleib doch einfach da stehen, verflucht.“scholt er sie in Gedanken. Mit einer Kraft die er dem Mädchen nicht zugetraut hatte, hievte sie die Waffen hoch und feuerte auf ihn. Bevor ihn eine Kugel streifen konnte, setzte er an und drückte ab. Das Mädchen ging zu Boden, zuckte noch ein paarmal und war dann tot. Schreie ertönten, Wehklagen, Trauer.... Er seufzte schwer und verschwand dann lautlos wie eine Schlange in den Sanddünen. Schrapnells Hände zitterten als er sich in der zerfallenen Barracke an das Zubereiten seiner kargen Mahlzeit machte. Wie tief war er gesunken ?! War er schon zulange in diesem unwirklichen Land, das nur aus Krieg zu bestehen schien ? Jeden Tag dieser Sand, die Hitze, der Schweiß und das viele Blut. Er hob den Kopf und schaute aus dem dreckigen Fenster. Irgendwie war hier alles dreckig, das Wasser, das Essen, er selbst. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal in einer richtigen Badewanne mit sauberem heißen Wasser und Seife gelegen oder etwas Anständiges gegessen hatte. Er trug diese Uniform schon zulange. Und wenn doch nur jemand zum Reden dagewesen wäre. Schweigend vertilgte er seinen „Was auch immer mit Salz“-Eintopf und versuchte zu schlafen. Er blieb noch lange liegen und versank dann spätnachts in einen realgewordenen Albtraum. „Hey, Cordier. Was hältst du von der neuen Schnitte im Stützpunkt. Die würd ich aber gern mal,...na du weißt schon.“ Der Gerufene schaute auf und grinste dann, obwohl er nicht den ganzen Satz mitbekommen hatte. Leider waren sie viel zu weit entfernt von ihren Kollegen und der neuen Schnitte und hatten eine Mission zu erfüllen. Ein weiterer Kollege Alans stieß ihn an. „Sag mal, wieso trägst du eigentlich dieses Kinderspielzeug mit dir rum ?“ fragte er und musste ein wenig warten, weil Alan mit grad ebendiesem Kinderspielzeug ziemlich beschäftigt zu seien schien. „Ich hab es von meinem kleinen Bruder mitbekommen, damit ich ihn nicht vergesse. Süß, oder ?“ Er hielt den besagten Gegenstand etwas höher, damit ihn auch seine beiden anderen Partner sehen konnten, die wohl Langeweile hatten und dem Gespräch beiwohnten. „Er sitzt jetzt ganz allein zuhause, oder ?!“ fragte Alans Sitznachbar. Dieser seufzte tief, schüttelte aber dann den Kopf. „Solange ich hier dem Vaterland diene, wurde er in einer Pflegefamilie untergebracht. Er ist ja erst 15.“ Der Militärjeep hielt plötzlich an. „Ich muss mal kurz austreten.“ war die Antwort der nichtausgesprochenen Frage der Gesichter der Anderen. „Aber piss nicht auf die Motorhaube, du Ferkel.“ kam es aus den hinteren Reihen des Wagens und es herrschte Gelächter. Nachdem der Soldat aus dem Jeep gesprungen und seinem Geschäft, völlig ungeniert, vor dem Auto, nachgegangen war, machte er noch Faxen und war kurz davor wieder einzusteigen, als er sich doch anders entschied, die Beifahrertür öffnete und Cordier ein wenig zur Seite drängte. „Ich habe jetzt mal festgelegt, das du fährst. Grad hab ich bemerkt, dass ich mich auch noch ein wenig ausruhen sollte. Außerdem bist du der einzige außer mir, der einen Führerschein hat. Nicht, Cordier ?!“ Alan steckte das Spielzeug in seine Brusttasche und übernahm freiwillig die Fahrschicht. Bald waren seine Kameraden alle eingeschlafen. Der frühe Abend hatte sich eingeläutet und es wurde kühler, was noch ein wenig zur Müdigkeit beitrug. Zart zeigte sich schon das violette Meer am Horizont, welches mit der Weile wohl Nachtblau werden würde. Auf Alans Oberlippe bildeten sich indes immer noch zarte Schweißperlen, die er sich minütlich wegwischte. Er war dieses Wetter einfach nicht gewohnt. Seine Augen wurden mit einkehrender Dunkelheit immer schwerer und ab einem bestimmten Punkt, wollte es auch nicht kühler werden. Der Sand, der ihm in die Augen flog war unerträglich. Wieso baute man in die Wüstenjeeps keine Fenster in die Türen, aber auf der Front ? Sein Sichtkreis verkleinerte sich immer weiter, was sich jedoch Sekunden später umkehrte. Da stand etwas genau vor ihrem Wagen und es war zu spät zum bremsen. Er wurde von hellem Licht geblendet, das von einem großen Scheinwerfer aus der Hand des Menschen strahlte. Er verzog das Steuer und hielt sich die Hände vor die Augen. Das Letzte was er sah war der Sprengstoffgürtel des Menschens. Alan wachte mit unerträglichen Schmerzen auf, sein Gesicht brannte und er konnte sein rechtes Auge nicht mehr öffnen. Vorsichtig hob er seinen Arm um es abzutasten, aber es tat zu sehr weh. Was war denn eigentlich passiert ? Panisch griff er mit seinem funktionierenden Arm an seine Brusttasche und atmete erleichtert auf, als er das Spielzeug seines kleinen Bruders unversehrt auffand. Das kleine Tamagotchi piepte freundlich und wollte Futter haben. Er sah sich um und schloss die Augen entsetzt. Sein Herz hämmerte in seiner Brust und wollte sich nicht beruhigen. Er lag vor dem zerstörten Jeep, der schon ausgebrannt war. Anscheinend war er durch die Windschutzscheibe geschleudert worden, als er sich vor der Explosion schützen wollte. Seine Kameraden waren verbrannt und lagen neben ihm verstreut. Ein Kloß hatte sich in seinem Hals gebildet. Das konnte alles nicht wahr sein ! Wieso war er nicht mit ihnen gestorben ? Er schluchzte auf, konnte seine Verzweiflung und Trauer nicht länger zurückhalten. Zusammengekrümmt lag er auf dem dreckigen Sand und weinte. Schrapnell schreckte auf. Schon wieder dieser Traum. Er wischte sich den kalten Schweiß aus dem Gesicht und fuhr sich über die Narben. Seit dem Anschlag zierten sein Gesicht mehrere Narben. Zwei über der Nase, eine unter dem rechten Auge, auf seinem Mund und der rechten Wange. Zerstört war es dadurch keinesfalls, aber hätte er die Wunden damals richtig behandeln können, wären sie anständig verheilt. Es war noch nicht hell geworden, gut. Heute musste er einen langen Weg zurücklegen und sobald die Sonne aufging war es fast unmöglich weit zu kommen. Er klaubte seine Habseligkeiten zusammen und wusch sich das Gesicht mit dem abgestandenen Wasser aus einem kleinen Brunnen. Etwas wehmütig ließ er sein vorübergehendes Heim hinter sich und begann seinen Weg durch die ansteigende Hitze und den ewig präsenten, penetranten Wüstensand. Irgendwann hatte er begonnen mit sich selbst zu reden. Oder mit den wenigen Lebewesen, die dann danach als Nahrung zweckentfremdet wurden. Er fühlte sich ausgebrannt, nicht in dieser Welt, sondern irgenwo auf einem anderen Planeten für sich ganz allein. Hätte er doch bloß seinen kleinen Bruder hier, der würde ihn etwas aufmuntern, mit ihm zusammen spielen, ihn halt einfach auf andere Gedanken bringen. Aber er war allein und kein Bruder weit und breit. Mit schweren Schritten stapfte er durch den nachgiebigen Sand, wischte sich über die Stirn, verdammte die Hitze. Wieso ließ er sich nicht einfach fallen und blieb dort liegen ? Irgendwann würde er von Sand bedeckt werden und niemand wüsste mehr von seiner Existenz. Aber sie hatten ihn wahrscheinlich sowieso aufgegeben, er war einer der Toten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)