Viden und Faine von kyalayah ================================================================================ Erster Briefwechsel ------------------- 16ter Avril, im Jahre 370 Lieber Unbekannter, Tjäle meinte es wäre eine dumme Idee, einen Brief an jemanden zu schreiben, von dem man nicht weiss, wie er heisst, wo er wohnt und ob es ihn überhaupt gibt. Und überhaupt, meint Tjäle, sähe dieser Briefkasten gar nicht aus wie ein Briefkasten. Eher wie ein Vogelhaus. Aber ich habe Tjäle gesagt, dass Vogelhäuser eigentlich eher Löcher haben, runde Öffnungen, weil Vögel nämlich keine eckigen mögen. Tjäle hat mir aber nicht geglaubt und darauf bestanden, dass erstens dieser Briefkasten kein Briefkasten sei und dass ich zweitens ziemlich dumm bin. Aber Tjäle behauptet eigentlich immer, dass ich dumm bin, also kümmere ich mich nicht darum. Tjäles Meinung zählt schließlich nicht. Also schreibe ich nun meinen ersten wirklichen Brief. Ich weiss eigentlich nicht wirklich, was man in so einen Brief hineinschreibt, aber immer wenn ich meine Eltern über solche Briefe sprechen höre, dann höre ich, wie sie sich darüber amüsieren oder aufregen, dass irgendjemand ihnen schreibt wie das Wetter in einem anderen Teil des Landes ist. Ich finde zwar, dass das ein seltsamer Grund ist, um einen Brief zu schreiben, aber gut. Das Wetter hier ist ... trocken, denke ich. Ich sollte eigentlich helfen, die Samen auszusäen, aber Briefe schreiben, das ist etwas Wichtiges, etwas, was man nicht alle Tage tut. Und man kann auch seine Handschrift ausprobieren, was man beim säen nicht kann. Da kann man nur ausprobieren, ob man die Samen alle in eine Reihe bekommt. Wenn ich das nicht schaffe, sagt Tjäle meistens, dass ich nicht nur dumm bin sondern auch ungeschickt. Manchmal denke ich einfach, dass Tjäle ein bisschen eifersüchtig ist, weil ich besser schreiben kann und auch sonst einiges besser kann. Ich hoffe, dass der Austräger den Brief mitnimmt, ich habe nämlich kein Geld, dass ich auf den Umschlag legen kann. Wenn du also meinen Brief liest, warum schreibst du nicht einfach zurück und schickst mir auch einen Brief? ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ 26ter Tag nach dem Sommersonnenaufgang Sei gegrüßt! Er kommt mir recht seltsam vor, dieser Brief, der an niemanden gerichtet ist als an den Zufall, der ihn in die Hände eines beliebigen Wesens trägt. Fast möchte man meinen es glaubt noch jemand an die alten Kräfte. Der Brief spricht von einem Vogelhaus, doch ich kann keines finden, ja ich weiß auch nicht einmal, wozu ein Vogel denn ein Haus benötigt, schläft er doch in seinem Nest gänzlich wohl behütet. Vielleicht ist aber auch 'das Vogelhaus' nur ein altertümliches Wort für 'das Nest'. Ich werde es nachschlagen sobald ich die Gelegenheit bekomme. Aber warum nun ein Brief, der in ein Nest gelegt wurde so unversehrt und reinweiß zwischen den Halmen lag, beschwert nur mit zwei kleinen Eckern, das verwundert mich noch mehr. Er sollte doch Flecken aufweisen, oder Spuren des Vogellebens. Und wie kam er aus dem Nest? Hat ein wohlgesinnter Wind ihn getragen oder der Vogel ihn etwa zur Ruhe gebettet, so friedlich wie er da lag, mit seinen Eckern und den weißen Ecken? Doch, lieber Verfasser, mag der Brief zu mir gekommen sein auf den Wegen des Schicksals, es schert mich nicht. Ich will ihn beantworten und die Antwort an die Stelle des Briefes zurücklegen, vielleicht holt ja der Vogel ihn in das Nest zurück; welch wunderlicher Gedanke. Du, lieber Verfasser, verwunderst mich in gleichem Maße wie dein Brief. Du musst doch aus gutem Hause sein, so scheint mir, da du des Schreibens mächtig bist. Wie kommt es nun, dass dies dein erster Brief ist? Wozu hast du die hohe Kunst der Zeichen erlernt wenn du, lieber Verfasser, sie nicht nutzt? Doch sei dieser Gedanke vorerst bei Seite gelegt. Über das Wetter schreibst du trocken, über das Wetter kann ich nur schreiben: Die Luft ist von der Feuchtigkeit durchwirkt, doch es fällt kein Regen; aber so kurz nach dem Sommersonnenaufgang versöhnt ein jeder Tropfen, der die Luft befeuchtet. Ich will mich nicht beklagen. Es wundert mich doch ein wenig (Verzeih mir, den häufigen Gebrauch des Wörtchens 'verwundern', aber es erscheint mir seltsam oder gar magisch ist nun doch zu weit gegriffen), dass du zu so einer Zeit aussähen gehst. Es ist doch naheliegend, dass das Wasser dir die Samen aus den Rillen waschen wird ehe noch ein Kreis vergangen ist. Aber da Tjäle und deine Eltern ja allen Anschein nach nichts Schlimmes daran finden, wird dein Tun wohl auch seine Berechtigung haben. Ich weiß sonst nicht was ich dir nun schreiben soll und die Zeit ist mit dem Fluss geflossen und nun gänzlich meinen Fingern entglitten. Ich falte gleich das Papier, ehe die Feuchtigkeit es gänzlich durchweicht hat und lege es zurück unter die Eckern. Vielleicht erreicht meine Nachricht dich, lieber Verfasser, ja tatsächlich. Zögere nicht eine neue Nachricht in das Nest, .. pardon, das Vogelhaus zu legen ( du musst ja wirklich sehr gelehrt sein, dass du so ausgefallene Wörter kennst). Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)