cassis - the 2nd von Ehleanora (- the last word under the neverending sky -) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Kapitel I Kim hatte ihn angesehen, als hätte er in der Tat soeben etwas gesagt, womit sie am wenigsten gerechnet hatte. Sie wusste nicht wirklich so richtig, was sie darauf antworten sollte. Uruha rechnete natürlich damit, dass sie eventuell anfangen würde, herumzustammeln und zu stottern. Hatte sie wirklich in diesem Moment richtig verstanden, dass er auch ein Kind haben wollte? Und das am liebsten sofort? Und als er sie dann auch noch geküsst hatte, schien wohl im selben Augenblick klar zu sein, dass sie sich ohnehin nicht gegen seinen Wunsch auflehnen würde. Aber innerlich hoffte Kim, dass Uruha das nur so daher gesagt hatte - vielleicht aus seinen übermäßigen Glücksgefühlen heraus, da er diese wieder einmal nicht bändigen konnte. Nach ihrem Blick zu urteilen, schien wohl für Uruha erst einmal klar zu sein, dass sie ihre Zeit brauchte, um darüber nachzudenken. Er wollte sie nicht drängen oder sie zu einer Entscheidung verleiten, die sie im nachhinein vielleicht bereuen würde. Somit beließ er es erst einmal dabei und gab ihr noch einmal einen innigen Kuss. Wahrscheinlich war für solche Angelegenheiten im Moment einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt. Man hatte wohlmöglich noch immer gedanklich damit zu kämpfen, dass es in wenigen Tagen ohne Kanae und Ruki ziemlich ruhig in der WG werden würde. Beide würden, sobald die Jungs aus Deutschland zurück sind, in ihr eigenes Heim ziehen und sich dort nach und nach ihr eigenes Leben aufbauen. Bei Gazette und deren Musikkarriere würde sich nach wie vor nichts ändern. Nur deren privates Leben würde wohl ein anderes sein. Bald würden dann wohl auch Uruha und Kim ausziehen. Vielleicht genau so, wie Aoi und Reita. Ja, und während Kim auf der späteren Heimfahrt auf dem Beifahrersitz so intensiv darüber nachdachte, um so erschreckender war für sie die Tatsache, dass Kai der Einzige war, der allein bleiben würde. Es tat weh. Vermutlich würde es Uruha, welcher versuchte, sich auf den Verkehr zu konzentrieren, nachvollziehen können. Aber Kim war viel mehr davon überzeugt, dass es Uruha gerade recht käme, mit ihr von Kai wegzuziehen. Nicht, weil er ihn nicht mochte - das tat er ja. Aber ihn beunruhigte die Tatsache, dass Kai, solange er noch in Kim verliebt war und ihr jeden Tag über den Weg lief, immer eine Möglichkeit finden würde, um es ihr auch zu beweisen. Ja, zu groß war Uruha´s Angst davor, dass Kim ihm irgendwann nicht mehr widerstehen konnte. Nein, so etwas wollte er nach all der schwierigen Zeit, die er hinter sich gebracht hatte, nicht noch einmal erleben. Das wusste Kim und rasch versuchte sie natürlich wieder, die zweifelnden Gedanken in ihrem Kopf zu vertreiben. Denn eigentlich sollte sie ja nun glücklich sein. Nur war sie es nicht.. Sie hatte ein bisschen Angst vor ihrem neuen Leben. Alles wirkte zwar so vertraut, wie immer, aber dennoch machte es auch einen fremden Eindruck. Die Nähe zu den Jungs schien eine völlig andere zu sein. Und auch Uruha gegenüber war für sie alles eigenartig und fremd. Innerlich hoffte sie, dass es keine schlechten Gefühle waren, die sie in sich trug, als sie feststellte, dass sie Angst davor hatte, wieder mehr von ihm zu wollen, außer neben ihm zu sitzen, zu stehen oder zu liegen, ihn zu küssen oder zu umarmen. Allein das bloße Reden erzeugte in Kim eine eigenartige Fremde. Sie wusste nicht mehr, wie es war, mit ihm zusammen zu sein und hatte deshalb auch schnell begriffen, dass sie sich eine neue Basis zu ihm erschaffen musste und dafür Zeit brauchte. Vielleicht wäre es dann auch erst einmal am besten, wenn sie auf Abstand ging - nicht, weil sie ihn nicht liebte, denn das tat sie ja abgöttisch. Aber im Moment musste sie all das Geschehene erst einmal realisieren und verarbeiten. Für sie war das nicht so einfach, wie manch einer vielleicht geglaubt oder sich gar erhofft hatte. Nein, Kim konnte nicht plötzlich einfach so tun, als würde sie jetzt in einer heilen Welt leben. Dennoch schien sie aber überzeugt davon zu sein, dass sich all ihre Ängste und Zweifel im nachhinein wieder von selbst beseitigen werden. Und so gestand sie Uruha später, als sie bereits mit ihm bei den anderen in der WG angekommen war, dass sie erst einmal noch nicht mit ihm in einem Bett übernachten wolle. Aufgrund der schlimmen Ereignisse, die Kim hinter sich bringen musste, widersprach dem Uruha nichts. Er nahm es so hin und verstand im ersten Moment auch, dass es ihr wichtig war, erst einmal wieder zu sich selbst zu finden und dafür die Zeit arbeiten zu lassen. Zudem schlief sie ja schon, seit sie aus dem Krankenhaus zurück ist, nicht mit in seinem Bett. Wie lange sie noch brauchen würde, wusste Kim selbst nicht genau. Uruha hingegen hoffte anfangs inständig, dass es sich dabei nur um einige Tage handeln würde. Mittlerweile hatte er aber am wenigsten damit gerechnet, dass es sich bereits schon um einige Wochen handelte, die sie über Nacht bereits in dem Zimmer, welches die Jungs für Kanae und Kim hergerichtet hatten, schlief. Ruki war über Nacht bei Kanae und dem Baby im Krankenhaus geblieben, was wohl ein Grund für die grausame Stille in der Wohnung sein musste, als Kim gerade vom Duschen aus dem Badezimmer in der unteren Etage kam und nur einen recht blassen und schmächtigen Kai mit zerwühltem Haar in schwarzen Jeans und weißem, offenen Hemd zu Gesicht bekam, welcher gerade barfüßig und gähnend zur Terrassentür schlurfte. Kim erinnerte sich im gleichen Moment daran, dass Ruki allen aufgetragen hatte, zukünftig auf der Terrasse zu rauchen, solange das Baby in der WG sein würde. Niemand hatte Einwände, da alle wussten, dass es kein Zustand auf Dauer sein würde. Nur diese Angelegenheit beschäftigte Kim gerade nicht so sehr, wie die Tatsache, schon seit geraumer Zeit einen eher traurigen Kai zu erleben. War er denn nicht glücklich? Nicht glücklich darüber, dass Kim endlich wieder da war - dass sie lebte? Sicherlich war er das. Trotzdem schmerzte die grausame Wahrheit in ihm, Kim niemals haben zu können. Ja, und er fühlte sich schuldig dafür, was mit Kim passiert war, auch wenn ihm niemand die Schuld gab. Nein, er konnte nichts dafür und innerlich hoffte er, dass sie niemals zu ihm kommen und “Danke” sagen würde. Das würde ihn zerbrechen. Dieses Wort würde das Schuldgefühl in ihm nur noch mehr verstärken und das wollte er nicht, da er ja eigentlich auch wusste, dass er keine Schuld an dem Geschehen hatte. Es fiel ihm nur schwer, sich das auch einzugestehen. “Kai?”. Sie war, nur in einem weißen und hauchdünnen, kurzen Nachtkleid gekleidet, ihm auf die Terrasse gefolgt. Er reagierte nicht auf ihre Worte, während er sich eine Zigarette anzündete und sie sich vom sanften Sommerwind das Gesicht berühren ließ. Ob er sie wahrgenommen hat? “Kai? Alles in Ordnung?”, fragte sie nochmals. Oder wollte er sie gar nicht wahrnehmen? Wieder reagierte er nicht. Und bei dem Gedanken daran, dass er böse auf sie sein könnte oder sie jetzt sogar vielleicht hasste, stiegen ihr plötzlich Tränen in die Augen. Kai war niemals böse oder wütend mit ihr. Das wäre jetzt das erste Mal. Kim wollte sich diesen Gedanken gar nicht bildlich vorstellen, von Kai angeschrieen oder grob angefasst zu werden. Nein, niemals könnte er das tun, dachte Kim, als sie ihn dann einfach ruckartig an den Armen gepackt und in ihre Blickrichtung gezerrt hatte. Seine Augen waren rot und Tränen liefen ihm über die Wangen. Seine Lippen zitterten und auch überhaupt schien Kai in diesem Augenblick eher weniger einen gefassten Eindruck auf sie zu machen. “Was willst du?”, fragte Kai in einem Ton, den Kim überhaupt nicht kannte. Tief und auch so verbittert. Er seufzte und stieß sie von sich weg. Kim wusste gar nicht, wo ihr der Kopf stand. Was war passiert? War sie wieder an irgendetwas Schuld? Er kehrte ihr den Rücken und zog an seiner Zigarette. Man konnte gut sehen, dass seine Hände zitterten, als er dann auch den Rauch dem dunklen und sternenlosen Nachthimmel entgegen pustete. “Du weißt gar nicht, wie ich mich fühle...”, begann Kai plötzlich zu wimmern. Er hatte sich wieder zu ihr umgedreht. Er weinte noch mehr, als zuvor und sein Gesicht ähnelte, aufgrund seiner Mimik, das eines kleinen Jungen. Er schluchzte nun förmlich, während Kim zwar wusste, dass es um sie selbst gehen musste, aber immer noch nicht ganz begriff, warum er ausgerechnet jetzt und auf solch einer Art und Weise vor ihr in Selbstmitleid ausbrechen musste. “Ich lieg nachts nebenan und spiele jedes Mal mit dem Gedanken, einfach aufzustehen und zu dir zu kommen, weil ich ganz genau weiß, dass du noch wach bist. Ich tue es nicht, weil ich weiß, dass du sowieso nur Mitleid mit mir haben wirst. Der arme Kai, denkst du, stimmt´s?”, begann er noch lauter zu schluchzen. Nein, so hatte sie ihn wirklich noch nie erlebt. Nicht einmal am Tag ihrer Entführung. Irritiert schüttelte sie ihren Kopf und fühlte sich fast schon von ihm eingeschüchtert, was nie zuvor der Fall war. “Natürlich denkst du das! Du hast die ganze Zeit nichts anderes für mich übrig gehabt. Und jetzt, wo du dich selbst von Uruha fern hältst, ist es nicht anders, hab ich recht? Dabei gebe ich mir wirklich Mühe, nachts nicht einfach zu dir ins Zimmer zu kommen. Begreifst du nicht, dass ich nicht mehr ohne dich kann?”, reagierte Kai nun schon fast hysterisch, bevor sich Kim ihm dann einfach mit einem lautschreienden “Nein!” in die Arme geworfen hatte. Wie sollte sie ihm denn jetzt noch erklären, wie weh ihr das alles doch tut, ohne, dass er sofort an Mitleid von ihrer Seite dachte? Sie konnte seine Gefühle doch nicht einfach so erwidern, wie er sich das vielleicht wünschte. Eigentlich war Kim mittlerweile in dem Glauben, Kai würde endlich damit zurecht kommen, dass sie einzig und allein Uruha liebte. Offenbar hatte sie sich aber getäuscht, denn Kai machte einen noch schwächeren Eindruck, als zuvor. “Warum kannst du nicht stark für mich sein, Kai? Du bist doch kein kleiner Junge mehr, der unbedingt geliebt werden will...”, schluchzte Kim an seiner nackten Brust, während sie sich an seinem Hemd festkrallte. Vermutlich würde sie noch ewig so sehr an Kai hängen, egal, wie er sich verhielt. Ja, das Verhältnis zwischen ihnen war anders, als das zu Uruha oder Kanae. Und jedes Mal, wenn es ihm schlecht ging, ging es auch ihr schlecht. Nie konnte sie etwas ändern, denn nie hatte sie es versucht. Jetzt ging es ihr so weit ganz gut - nur Kai dieses Mal nicht. Sie wusste, was er sich wünschte, aber er wollte nicht begreifen, dass sie ihm diesen Wunsch nicht erfüllen konnte. Er hatte Kim von sich weg geschoben, seine glimmende Zigarette auf den Terrassenboden geworfen und sie verwirrt angesehen. “Es ist jedes Mal das Gleiche...”, wimmerte er leise und schien dabei den Anblick eines kleinen, ungeliebten Jungen nicht wirklich ablegen zu wollen. “Jedes Mal weinst du, wenn es mir nicht gut geht. Jedes Mal bist du traurig...”, fuhr er mit gesenktem Kopf fort, während Kim erneut mit den Tränen kämpfte und dabei beobachtete, wie der Wind sanft in Kai´s bräunlichem Haar zu spielen begann. Sie lächelte oder lachte schon so oft mit ihm. War es da nicht okay, auch mit ihm zu weinen? “Ich hab dich doch lieb.”, seufzte sie dann und senkte ebenfalls ihren Kopf, woraufhin Kai sie nun ansah, ihre zierliche und kleine Gestalt in dem dünnen, kurzen Nachtkleid betrachtete und feststellte, dass er sich wohlmöglich wirklich nicht mehr lange zurückhalten konnte. “Komm, ich bring dich ins Bett.”, sagte Kim daraufhin plötzlich mit erhobenen Kopf und aufgesetztem Lächeln zu ihm. Kai sah, dass ihr Lächeln nicht echt war, doch bevor er weiter darüber nachdenken konnte, hatte sie ihn schon an beiden Händen gepackt und durch die Terrassentür zurück ins schwach beleuchtete Wohnzimmer gezerrt. Er vermutete eigentlich, dass sie dort kurz stehen bleiben würde, aber das tat sie nicht. Sie steuerte direkt mit ihm auf seine Zimmertür zu. Kai wusste noch nicht so genau, was ihr Verhalten zu bedeuten hatte. Erst, als sie mit ihm sein Zimmer betreten und nach ihm die Zimmertür abgeschlossen hatte. Ihr Verhalten machte ihm fast schon Angst. Aber am meisten schmerzte die Tatsache, dass sie wohlmöglich vor hatte, sich zu etwas zu zwingen, was Kai selbst niemals von ihr verlangen würde. “Kimi, was soll der Scheiß?”, fragte Kai mit zitternder Stimme, nachdem er das Licht an der Wand über seinem Bett angeschalten hatte und sie plötzlich hinter ihm stand und ihn aufs Bett schubste. Ihr Körper erschien ihm mit einem Mal wie ein großer Schatten, der sich auf ihm niederließ, nachdem sie ihm aufs Bett gefolgt war. Ja, Kai hatte zum ersten Mal Angst vor Kim, aber eigentlich viel mehr vor dem, was sie vor hatte zu tun. An den Schultern drückte sie ihn nach hinten aufs Bett, während sie mit gespreizten Beinen auf ihm saß und langsam mit beiden Händen von seinem Hals zu dem Bund seiner Jeans wanderte. Innerlich weinte Kim mittlerweile mehr als er. Denn eigentlich wollte sie dies hier gar nicht tun. Es schien wirklich ihr Mitgefühl für Kai zu sein, welches sie zu dieser Tat bewegte. Und doch hinterließ sie keinen Eindruck, als würde sie jeden Augenblick aufhören wollen. “Du willst mich? Hier bin ich.”, sagte sie fast schon flüsternd, als sie ihren Oberkörper auf seinem sinken ließ und nun mit der linken Hand hinab zum Verschluss seiner Jeans wanderte, um ihn zu öffnen. Warum hörte sie nicht auf, wenn sie es nicht wollte? Warum nahm sie keine Rücksicht auf Kai? “Nein, Kim!”, fauchte allerdings Kai dann auch schon, der sie prompt von sich herunter geworfen hatte. Nun war sie es, die neben ihm lag und aussah, wie ein verstörtes, kleines Mädchen. Ja, jetzt erst realisierte Kim genau, dass sie Kai wirklich verführen wollte. Sie wollte wirklich etwas tun, was sie nie tun würde. Nie spielte sie mit solchen Gedanken. Denn der Einzige, den sie jemals verführen wollte, war Uruha. Sie begann zu seufzen, als sie sich auf dem Bett neben Kai zusammengekauert und ihr Gesicht anschließend in ihren Händen vergraben hatte, als würde sie sich wirklich für das, was sie getan hatte, schämen. “Es tut mir so leid, Kai.”, begann Kim zu schluchzen. Der nächste Morgen begann sehr turbulent. Während Kim, in schwarzem Bademantel bekleidet, auf dem Terrassenboden gesessen und vor sich hingeträumt hatte, alberten Aoi, Reita, Kai und Uruha im Wohnzimmer bereits schon wieder ausgiebig miteinander herum. Es war fast, wie immer, wenn sie sich darum stritten, wer als nächstes die beiden Badezimmer benutzte. Kim betrachtete es mit einem Lächeln, während ihre Blicke von der Terrasse aus speziell an Kai fest hingen. Er war so fröhlich, als wäre nie etwas geschehen. Und auch bereits schon, als er mit Kim allein am Frühstückstisch gesessen hatte, tat er ihr gegenüber so, als hätte der vorige Abend gar nicht stattgefunden. Es fühlte sich so eigenartig an und bei all diesen Gedanken hatte sie plötzlich einfach das Verlangen danach, zu weinen. In solchen Momenten fehlte ihr Kanae. Ihr fehlte jemand, mit dem sie offen darüber reden konnte, ohne falsch verstanden zu werden. “Kim?”, ertönte eine Stimme im tiefen Dunkeln. Es war eine zu bekannte Stimme ganz nah bei ihr. “Hey, Kim!”, ertönte diese Stimme erneut. Erschrocken zuckte sie zusammen. Sie riss die Augen auf, als sie eine feste Berührung am rechten Handgelenk gespürt und direkt in Uruha´s Gesicht gesehen hatte. Sein Schatten über ihr verdeckte die warmen Sonnenstrahlen der Vormittagssonne. Aber all zu sehr vermisste sie die Sonne in diesem Augenblick gar nicht, denn Uruha´s liebliches Lächeln war viel heller und wärmer, als jeglicher Sonnenstrahl am blauen Himmel. “Du bist wohl eingeschlafen, hm?”, fragte er sanft. Ja, vermutlich war sie das und sie hatte es selbst nicht einmal bemerkt. Kim lächelte schüchtern. Und als sie ihn so ansah, stellte sich, genau wie am ersten Tag ihrer Begegnung, ein massives Herzklopfen ein. Behutsam hatte er ihr dann einfach mit beiden Händen über die Wangen gestrichen. Sie waren warm und fühlten sich zart an. Uruha hatte es nicht anders in Erinnerung. Ja, wie sehr hatte er es vermisst, sie einfach so berühren zu können. Und eigentlich hatte er damit gerechnet, dass sie ihn abwehren würde, aber fragwürdiger Weise geschah genau das ganze Gegenteil. Sie trug einen fast schon wehleidigen Blick im Gesicht, als sie ihre Hände auf seine legte und leise die Worte „Ich hab das so vermisst.“, über die Lippen brachte. „Hoffentlich nicht nur das...“, erwiderte Uruha daraufhin leise, während er sich auf den Knien vor ihr nieder ließ. Ja, wie gern hätte sie ihm jetzt bestätigt, dass es wirklich nicht nur seine liebevollen Berührungen waren, die sie vermisste, wenn Kai sich plötzlich nicht lautplärrend zwischen die Beiden gedrängelt und kichernd gemeint hätte, dass das obere Badezimmer nun frei wäre. Er hatte Kim dabei grob angeschubst, die sich relativ unsanft noch gerade so auf den Ellenbogen abstützen konnte. Noch Sekunden später spürte sie den vibrierenden Schmerz in ihren Armen, als sie sich einfach wieder nach hinten auf den harten Bettonboden sinken ließ und ihre Handflächen aufs Gesicht gelegt hatte. „Ich halt das nicht mehr aus...“, hatte sie leise in ihre Hände geflüstert, bevor sie sich wieder aufgerichtet und beide Jungs von sich weggestoßen hatte, die wiederum gerade dabei waren, Kim nach ihrem Befinden zu fragen. „Nichts ist okay.“, wurde sie plötzlich laut, als sie am Wohnzimmereingang stehen blieb und sich noch einmal zu Uruha und Kai, welche immer noch völlig überrascht am Boden hockten, umdrehte. „Überhaupt nichts.“, sagte sie ruhiger, bevor sie dann einfach für die nächsten Stunden im oberen Badezimmer verschwunden war. Natürlich wusste Uruha, genau so, wie Kai, dass Kim noch immer sehr empfindlich und dadurch schnell zu reizen war. Der späte Nachmittag rückte auch mit jeder Minute immer näher, als Kim wieder aus dem Badezimmer kam und damit auch die fragwürdigen Blicke von Reita und Kai auf sich gezogen hatte, welche zu diesem Zeitpunkt auf dem Boden hockten und sich bis eben noch mit gebastelten Papierfliegern beworfen hatten. „Was ist los?“, fragte Kai auch sofort, während Kim langsam die Treppe herunter kam und ihre Blicke der orangefarbigen Sonne, die sich langsam dem Untergang neigte, außerhalb des Wohnzimmers folgten. Sie hatte einfach seine Worte überhört, und das auch immer noch, als Kai bereits ein weiteres Mal gefragt hatte. Kim wusste eigentlich selbst nicht so genau, was eigentlich plötzlich nicht in Ordnung war. Ihre getrübte Stimmung lag bestimmt nicht daran, dass Kai die Zweisamkeit mit Uruha gestört hatte, oder? Schön wäre es, wenn es das wirklich nicht wäre. Allerdings musste sich Kim eingestehen, als Kai dann plötzlich am Treppenaufgang vor ihr stand und sie abwartend ansah, dass der Grund kurz und knapp wirklich den Namen „Kai“ trug. Ja, seit dem vorigen Abend war alles anders. Sie fühlte sich anders in seiner Nähe, nicht wie sonst. Es ähnelte beinahe schon einer Art Schwerelosigkeit, wenn er da war. Und auch in diesem Moment wünschte sich Kim nichts sehnlicher, als das Uruha kommen und sie zurück auf den Boden holen würde. Das bewusste Gefühl, vollkommene Kontrolle über sich selbst zu haben, war in ihr wie ein Feuer erloschen. Einfach so... Schon, wenn Kai sie nur mit den Fingerspitzen berührte, breitete sich auf ihrem gesamten Körper Gänsehaut aus. Als würde er sie verbrennen wollen, hatte Kim kurz darauf seine Berührungen abgewehrt. Dabei hinterließ sie auch bei Reita, zu dem sie eher weniger Bezug hatte, einen Eindruck, als würde sie in der Tat Berührungsängste haben. Er konnte ja nicht ahnen, was am Vorabend zwischen Kai und ihr vorgefallen war. Und somit behielt er den Glauben, dass es noch Nachwirkungen bezüglich ihrer Entführung waren. „Lass sie doch in Ruhe, Kai.“, versuchte Reita auf Kai einzureden, während auch er aufgestanden und auf Kim zugekommen war. Er lugte über Kai´s rechte Schulter und lächelte. Zum ersten Mal hatte Kim ihm so richtig ins Gesicht gesehen. Mit Erstaunen hatte sie festgestellt, dass er gar keine Nasenbedeckung trug und auch ungewohnt anders aussah, als sie selbst es bislang gewohnt war. Überhaupt war alles anders seit sie aus dem Krankenhaus zurück ist. Warum sollte dann auch Reita nicht ungewohnt anders aussehen? „Hast du Lust, mit uns heute Abend ein bisschen was zu trinken?“, fragte Reita dann, um wohlmöglich ihre missliche Stimmung etwas zu lockern. Ohne Worte zuckte Kim mit den Schultern. Dabei fielen ihr die noch feuchten, mittellangen, dunklen Haare über die Schultern nach vorn. Eigentlich blieb ihr ja auch gar keine andere Wahl, denn es würde unmöglich sein, sich in ihrem Zimmer zurückzuziehen, da immer unentwegt jemand von den Jungs hereinplatzen und auf sie einreden würde. Während Reita wenige Zeit später im Wohnzimmer auf seiner Bassgitarre spielte und Kai dazu im Takt auf seinen Oberschenkeln herumtrommelte, stand Kim in der Küche und schmeckte ein letztes Mal ihren selbstgemachten Gemüsesalat ab. Sie hatte noch gar nicht bemerkt, dass Kai kurz darauf auch schon mit einer Sofortbildkamera in der Tür stand und gerade auf den Auslöser drückte, als sie sich ein weiteres Mal über die große, grüne Salatschüssel beugte und einige Gurkenscheiben vom Holzlöffel in ihrer rechten Hand naschte. „Alleine essen macht dick.“, kicherte Kai, der kurz darauf aber auch schon Kim´s benutztes Geschirrhandtuch im Gesicht hatte. Und am liebsten würde sie jetzt zu ihm „Lass mich in Ruhe“, sagen, wenn da nicht dieses Gefühl wäre, dass sie seit dem Vorabend viel mehr das Gegenteil wollte. Viel lieber würde sie sich allerdings auch jetzt an Uruha schmiegen und alles drum herum vergessen, aber selbst er machte ihr diesen Wunsch unmöglich. Er war nämlich schon seit einigen Stunden mit Aoi einkaufen. Wie lange war es schon her, als sie das letzte Mal bei Uruha im Arm gelegen hatte? Wie weit schon lag sein letzter Kuss zurück? Wie viel Zeit war vergangen, als sie das letzte Mal neben ihm aufgewacht war? Es glich fast schon einer Ewigkeit. Auch wenn sie es zu ändern versuchte, baute sich jedes Mal von neuem eine Mauer zwischen ihnen auf. Dass Kim nicht so recht wusste, wo ihr der Kopf stand, merkten auch wenige Stunden später die anderen, die gut gelaunt und vergnügt zusammen im Wohnzimmer gesessen und sich über den Alkohol her gemacht hatten, während Kim auf dem Boden der Terrasse gesessen hatte und sich vom lauwarmen Sommerwind das Gesicht streicheln ließ. Sie mochte es nicht, jetzt auf Knopfdruck lächeln zu müssen. Sie wollte einfach nur ihrem Gemüt freien Lauf lassen. Ja, einfach auch mal den Kopf hängen lassen, während sie sich im gleichen Moment auch bildlich vorstellen konnte, wie Kai oder Kanae jetzt vor ihr stehen und sie zum besser drauf sein animieren würde. Und so starrte Kim trostlos in den Nachthimmel und schien dabei auch nicht ihre Tränen daran hindern zu wollen, sich den Weg über die glühenden Wangen zu bahnen. Sie versuchte schon eine ganze Weile die Antwort auf so viele Fragen zu finden. Sie fragte sich, warum sie nicht glücklich war, obwohl es sie doch hätte sein können. Sie fragte sich, warum ihr Leben nicht einfacher war, obwohl sie es doch jetzt gar nicht mehr so schwer hatte. So viele Fragen, die sie, wenn sie es könnte, einfach mit dem Wind hinaus in die Nacht treiben lassen würde... „Komm mit rein.“, ertönte es sanft und gutmütig hinter ihr. Kim erkannte, als sie sich umdrehte, den Mann, dem sie vor vielen Wochen ihr „Ja - Wort“ gegeben hatte, Uruha. Da sie wusste, dass er sich schon immer Gedanken um sie machte, erwiderte sie dem nichts, sondern ging seinem Wunsch nach, in dem sie ihm nach drinnen gefolgt war und sich ohne Worte zwischen ihm und Kai auf dem Sofa niedergelassen hatte. Kai währenddessen hatte es sich anscheinend zur Aufgabe gemacht, Aoi, Reita und Uruha ein wenig zu unterhalten, während er irgendwelche lächerlichen Geschichten mit seinem vermutlich breitestem Grinsen überhaupt erzählte, wobei seine niedlich anzusehenden Grübchen kaum zu verkennen waren. Dass er es selbst sehr lustig fand, war kaum zu übersehen. Er wippte mit seinen Beinen auf und ab, drehte sein Gesicht abwechselnd von einer Seite zur nächsten, wobei sein dunkles, kurzes und strähniges Haar in alle möglichen Richtungen flog und er dabei absolut nicht aufhören konnte, zu kichern und mit den Händen fast schon nervös auf seinen Oberschenkeln herumzurubbeln. Auch Kim konnte sich dann das Lächeln nicht weiter verkneifen, während sie Kai bei seinem Treiben beobachtete und Uruha ihr dann einfach ein Glas gefüllt mit einer seiner selbstgemachten Alkoholmischungen mit einem lila farbigen Strohhalm darin reichte. Mit einem müden Lächeln auf den Lippen nahm sie ihm nickend das Glas ab, welches sie daraufhin einfach nur mit ihren Händen umklammert und angestarrt hatte, als wäre es irgendein fragwürdiger Gegenstand. „...Welcome to Banana City.“, bemerkte plötzlich Reita mit einem breiten Lächeln auf den Lippen, während er mit zwei Bananen in den Händen aus der Küche gekommen war und sich wieder neben Kai niedergelassen hatte. Mit einem aufgesetzt ernstem Blick reichte er Kai eine von beiden Bananen und meinte daraufhin, er solle ihn anrufen. Kai kicherte , bevor er sich dann die Banane senkrecht ans rechte Ohr gehalten und anschließend näher an Kim herangerückt war und diese damit prompt zum auflachen gebracht hatte. „...für eine Million Yen pro Minute aus ihrem Festnetz.“, bemerkte Kai mit verstellter Stimme, bevor Kim ihn daraufhin skeptisch angesehen und gemeint hatte, er sei ein mieser Abzocker. Natürlich hatte sie diese Worte nicht ernst gemeint, woraufhin alle anfingen im Chor zu lachen. Kim gab sich wirklich sehr viel Mühe, jeden Spaß an diesem Abend so gut wie möglich mitzumachen, dennoch konnte man ihr ansehen, dass es ihr um so schwerer fiel, je mehr man versuchte, sie mit einzubeziehen. Jeder spürte, dass sie viel mehr den Drang dazu hatte, in ihren eigenen Gedanken zu versinken, ohne andere daran teilhaben zu lassen. Und so hatte auch im Laufe der darauffolgenden Stunden die lebhafte Stimmung in der Runde ihren Reiz verloren. Der Alkohol war weitgehend aufgebraucht, während man sich nur noch für einen Griff zur Zigarettenschachtel oder zu einem Gang zur Toilette bewegte. Nachdem Reita schon als Erster die Runde verlassen hatte, um seinen selbsternannten Rausch auszuschlafen, saßen Aoi, Kim, Uruha und Kai noch auf der Couch. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt waren Kai, Kim und Uruha noch teilweise damit beschäftigt, dem unverständlichen Gesäusel von Aoi zuzuhören, in der Hoffnung, das besser verstehen zu können, was er da von sich gab, während dieser mit dem Kopf auf der Couchlehne lag und gelegentlich den Kopf von einer Seite auf die andere drehte. Es gab ein recht schrilles Bild ab, ihn da so mit gespreizten Beinen sitzen zu sehen, während seine rechte Hand gelegentlich in den Schritt wanderte, um eine fast schon so verräterische Kratzbewegung zu vollführen, bei der man beinahe schon meinen könnte, er wäre irgendein dahergelaufener, besoffener Straßenjunkie, der von Körperhygiene noch nie wirklich viel gehalten hatte. Offenbar bekam er die skeptischen Blicke der anderen gar nicht mehr so richtig mit, denn er zeigte nach wie vor keine Hemmungen, geschweige denn auch nur ein Fünkchen Anstand seinem Benehmen den anderen gegenüber. „...das ist wie ein Verkehrunfall...“, schmunzelte Uruha leise, welcher dicht neben Kim saß und gar nicht mitbekam, wie ihr Blick an Kai fest hing. „...man kann nicht hingucken, aber auch nicht weggucken.“, fuhr er dann fort, bevor sein Blick dann sofort zu Kim gewandert war, die das wiederum aber nicht gleich bemerkt hatte. Jedoch schien keiner aus der Runde einen sonderlich angewiderten Eindruck zu machen. Vermutlich lag es daran, dass Aoi sich ganz selten so verhielt. Aber kurze Zeit darauf wurden die Anderen auch schon von weiteren, obszönen Anblicken seinerseits verschont, denn Aoi verließ ohne jeglichen Kommentar die Runde. Und auch Uruha zog sich mit der Begründung zurück, unbedingt duschen zu wollen. Somit blieben Kai und Kim allein auf dem Sofa zurück. Irgendwer hatte zuvor das Wohnzimmerlicht ausgeschalten und der große Raum wurde dann lediglich nur noch vom schwachen Licht der Wandleuchte über der Couch erhellt. Eine eigenartige Stille herrschte, welche hin und wieder von leisen Atemzügen unterbrochen wurde. Vielleicht lag es aber auch daran, dass sich das deutlich hörbare Wasserrauschen aus dem unteren Badezimmer mühevoll durch das Schweigen gekämpft hatte, als Kai´s und Kim´s Blicke sich im selben Moment trafen und es auch zur gleichen Zeit ein Lächeln in beide Gesichter zauberte. Kim hatte seitlich und zusammengekauert auf der langen Seite der Couch gelegen, während Kai unmittelbar neben ihr mit gespreizten Beinen saß und sie ansah, als würde er darüber nachdenken, was er sich wohl von ihr wünschen könnte. Und, ohne, dass überhaupt viel Zeit vergangen war, hatte sie nach seiner rechten Hand gegriffen, die zuvor noch sichtlich nervös mit den Fingerspitzen auf seinem rechten Oberschenkel herumtrommelte, und drückte sie fest in ihre. Sie sah ihn dabei nicht an und sah von daher auch nicht, wie sichtlich überrascht Kai plötzlich über ihre Tat war. Es war keine negative Überraschung, nein. Es war eher die Tatsache, dass es wohl auf ihn einen Eindruck machte, als wäre es eine Art Gedankenübertragung im passenden Augenblick. Fraglich war dann nur, weshalb sie daraufhin seine Hand so fest gegen ihre Brust drückte, als würde sie ihn daran hindern wollen, wegzugehen. „Was hast du?“, fragte Kai leise, als er sich vorsichtig zu ihr herunter gebeugt hatte. Eine Antwort bekam er nicht, stattdessen hatte Kim einfach seinen warmen Handrücken geküsst und ihn dann wieder an ihre Brust gedrückt. „...hey...“, sagte er dann fast schon flüsternd, bevor sie von seinem Schatten bedeckt wurde und er mit der anderen Hand über ihr Haar strich. „Was ist los?“, fragte er erneut, woraufhin sie nur mit geschlossenen Augen und müdem Lächeln auf den Lippen ihren Kopf schüttelte. So recht wusste Kai allerdings noch immer nicht, wie er ihre Berührung deuten sollte. Vermutlich sollte es eine Berührung, wie jede andere auch, sein. Vermutlich war sie aber auch schon mehr als nur das. Nicht so wirklich fand er eine passende Antwort darauf. Um so mehr stellten sich daraufhin in seinem Kopf aber Fragen ein, die fast schon wieder unmöglich auszusprechen waren. Es waren Fragen, die wohl mehr aus seinen tieferen Körperregionen zu stammen scheinen und ihn von einer Sekunde auf die nächste auf unmögliche Ideen brachten. „...ich will dich einfach bloß berühren.“, murmelte Kim dann, deren Worte ein unbeschreiblich herzliches Lächeln auf Kai´s Lippen zauberte. Zunehmend deutlicher spürte er nun das Klopfen seines Herzens, welches ihm förmlich den Verstand raubte. Er war plötzlich so voller Tatendrang, dass er daraufhin einfach aufgestanden war und nun vor Kim am Sofa stand. Und genau so wahrscheinlich schien wohl auch zu sein, dass Kim mit ihren Worten seine Gedanken bestätigte. Natürlich wusste sie selbst davon nichts. Sie machte mittlerweile auch nicht wirklich mehr einen zurechnungsfähigen Eindruck. Somit konnte man vielleicht auch meinen, dass sie diese Worte eben nur in ihrem Alkoholrausch dahergesagt hatte, was Kai jedoch stark bezweifelte, da Kim schon immer eine gefühlsoffene, direkte, junge Frau war. „...sag nicht so was zu mir.“, reagierte Kai dann sichtbar irritiert, woraufhin Kim dann ihren Kopf hob und ihm einen undefinierbar seltsamen Blick zuwarf. Es war nicht irgendein Blick von ihr. Es war auch kein Ausdruck, den man vielleicht schon kannte. Ja, man könnte schon meinen, dass sie damit versuchte, so etwas auszudrücken, wie: „Stell dich doch nicht dümmer, als du bist“. Nur war sich Kai im Überschwall seiner Verwirrung gar nicht mehr wirklich sicher, ob er die Vermutung, die er hatte, auch aussprechen sollte. Als sie daraufhin ebenfalls aufgestanden war und nun unmittelbar vor ihm stand, war ihm klar, dass sie es wohlmöglich mit ihrer plötzlich provokanten Art wirklich ernst zu meinen schien. „Sonst hast du dich auch nicht davor gescheut, mich anzufassen. Also, was soll das Herumgezicke?“. Waren das wirklich ihre Worte? Waren das wirklich die Worte der Kim, die er schon so lange kannte? Hatte sie denn Uruha vergessen? Für solche Fragen und Gedanken schien es allerdings wohl schon zu spät zu sein, denn Kai hatte sie dann ohne längeres Zögern einfach an sich gerissen. Es gab ein zweifellos irres Bild ab, wie die beiden sich in den Armen lagen und für ein paar Minuten alles um sich herum zu vergessen versuchten. Es hinterließ definitiv einen irren Eindruck, weil diese Dinge, die in diesem und im nächsten Augenblick geschehen würden doch eigentlich genau diese waren, gegen welche sich Kai bislang immer gewehrt hatte. Oder sollte alles nur eine irreführende Täuschung sein? Fragen über Fragen schienen plötzlich zwischen den Beiden Achterbahn zu fahren. Es waren Fragen, auf welche wohlmöglich auf Anhieb keiner so recht eine Antwort finden konnte. Denn es war niemand da, der fragte, warum. Es war auch niemand da, der fragte, ob es richtig war oder nicht. Niemand war da, der danach fragte, ob sie ihr Vorhaben vielleicht bereuen würden. Niemand war da. Sie waren allein. Und alles um sie herum löste sich im Nichts auf. Unsicher und mit einem leichten Schwitzen im Gesicht sah Kai Kim ins Gesicht. Seine Hände zitterten, als diese ihre warmen Wangen berührten. Ja, genau wie zur Zeit, als Kim brutal verschleppt worden war, machte sich auch in diesem Augenblick das schmerzhafte Gefühl in ihm breit, dass er ohne Kim vermutlich sterben würde - damals, wie heute. Und genau so gestand er sich erneut ein, dass er schon viel früher seinen Gefühlen hätte freien Lauf lassen sollen. ...einmal auch an sich selbst denken. Als er in den darauffolgenden Sekunden die Mauer seiner Gedanken überwunden hatte, spürte Kim dann auch schon seine kühlen, aber weichen Lippen auf ihrem Mund. Im gleichen Moment machte sich dann auch in ihr ein Gefühl breit, was sie nur zu sehr kannte - aber das lag schon eine Weile zurück. Ihre Beine wurden plötzlich weich, wie Gummi, während ihr warm und kalt zugleich wurde. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, die sie versuchte festzuhalten, um so einen Grund für sich zu haben, die Augen vor der momentanen Realität zu verschließen. Es war so vieles auf einmal - viel zu viel, was sich verborgen in der Gänsehaut hielt, die sich daraufhin auf ihrem Körper breit machte. „Schlaf mit mir.“, sagte Kai dann flüsternd zu ihr, bevor er sie wieder küsste und seine Hände noch fester gegen ihren Rücken presste. Der Mut, sich gegen seinen Wunsch zu wehren, hatte sie schon lange verlassen, und die Kraft, etwas dazu zu sagen, verschwand mit ihm. So sehr sie innerlich auch dafür betete, es nicht zu wollen, hatte ihr Körper mittlerweile schon mehr, als nur das Gegenteil bewiesen. Ihr war plötzlich egal, dass Uruha mittlerweile wieder im Zimmer stand und das Szenario zwischen Kai und ihr hautnah mitverfolgen konnte. Beide schienen ihn noch nicht bemerkt zu haben. Und genauso wenig bemerkten sie, wie fassungslos Uruha über diesen Anblick war. Es war ein Gefühl, welches dem, in ein unendlich tiefes Loch zu fallen, sehr ähnlich war. Er war wie zur Bewegungslosigkeit verdammt und auch die Kraft zum Schreien fehlte ihm. Nein, er konnte nicht verhindern, wie Kim nun Kai´s Berührungen erwiderte, mit ihrer rechten Hand unter sein schwarzes Hemd kroch, wieder hervorkam und dann zum Verschluss seines Gürtels wanderte. Heiße Tränen rollten Uruha plötzlich über die Wangen, als er auch zu sehen bekam, wie Kim´s rechte Hand in Kai´s Hose wanderte. Und trotz, dass ihm ein unendlich dicker Kloß im Hals steckte, war er schreiend auf die Beiden losgegangen. Er hatte sie ruckartig auseinander gerissen und wie aus Reflex mit der rechten Faust direkt auf Kai´s Gesicht eingeschlagen. Er hörte nicht auf, zu zuschlagen, auch, wenn er mittlerweile mehr über das, was er tat, schockiert war, als über das Ergebnis. Er ignorierte Kim´s plötzlichen Tränenausbruch und ihre flehenden Schreie. Und er ignorierte auch die Tatsache, dass Kai´s Nase schon regelrecht, wie eine Fontaine blutete, während Kim mühevoll an Uruha herumzerrte, als würde dieser soeben dabei sein, Kai umzubringen. „Hör endlich auf! Du bringst ihn ja um! Lass ihn in Ruhe, bitte, Uruha!“, schluchzte Kim, bevor es ihr gelungen war, sich schützend vor Kai zu stellen und Uruha´s letzten und vermutlich auch brutalsten Schlag abzufangen. Wenn Uruha eines nie wollte, dann Kim auch nur auf irgendeiner Art und Weise physische Schmerzen zufügen. Es herrschte ein grausames Schweigen, bevor Kim plötzlich anfing vor Schmerzen loszuschreien. „...ich wollte es. Verdammt, ich wollte es doch.“ schluchzte sie, bevor sie noch mehr in Tränen ausbrach, und nun auch Reita und Aoi dazu brachte, aus ihren Zimmern zu kommen. Sie kümmerten sich sofort um Kai, während dieser immer nur unentwegt Kim nach ihrem Befinden fragte. Ja, zu sehr hatte Uruha sein Verhalten bereut. Zu sehr hatte er bereut, Kim so sehr verletzt zu haben. Aber hatte sie nicht auch ihn verletzt? Und als sie dann noch sagte, dass sie es wollte, schien in ihm alles förmlich zusammenzubrechen. „Hast du denn schon vergessen, was wir in der letzten Zeit alles durchmachen mussten? Hast du es wirklich schon vergessen, Kim?“, begann Uruha zu schluchzen, als dieser sich vor ihr kniete und mit seinen großen, zitternden Händen ihr Gesicht berühren wollte. Es riss alte Wunden wieder auf... „Ich wollte es. Ich wollte es, Uruha. Aber ich wollte nicht, dass du ihm so weh tust. Er ist doch so lieb. Verstehst du das nicht? Uruha? Ich wollte nicht, dass du ihn verletzt. Es ist doch Kai...“, wimmerte Kim vor sich hinstarrend, bevor Reita sich unmittelbar neben ihr nieder ließ und ihr ein mit Eiswürfel gefülltes Handtuch reichte. Ohne Reita auch nur einen Blick oder ein Wort zu schenken, nahm sie ihm das Handtuch ab. Ja, in diesem Augenblick war sie einem verstörten, kleinen Mädchen mehr als nur ähnlich. Und während sie die kleinen, unförmigen Blutflecke auf dem hellen Teppich betrachtete, war nun auch Uruha kurz davor, den Verstand zu verlieren. Wusste sie denn nicht, was sie da sagte? „Du wolltest es? Kimi...“, schluchzte Uruha nun noch mehr, bevor er dichter an sie gerückt war und sie an den Schultern gepackt hatte. „...und was ist mit mir? Habe ich in den ganzen Monaten nur dafür gekämpft, dass du Kai in die Arme läufst?“, fragte er leise. „Hast du mich denn vergessen?“. „Nein, Kimi. Ich will das nicht, hörst du?“, schluchzte er. Es war wie ein Zeitraffer. Alles passierte so schnell, und während sich die anderen wieder einigermaßen beruhigt hatten und sich in ihre Zimmer zurück bewegten, hatte Uruha Kim einfach an den Händen mit sich in sein Schlafzimmer gezerrt und sie dort aufs Bett geworfen. Fast schon brutal hatte Uruha ihr die Bluse aufgerissen, bevor er anfing, ihren Oberkörper zu liebkosen. „Das, was Kai kann, kann ich auch, hörst du?..“, sagte Uruha leise. Natürlich nahm sie seine Worte wahr, aber zu groß war der Wunsch, in diesem Augenblick nicht so unter ihm leiden zu müssen. Er ähnelte zu sehr einem Besessenen, der unbedingt und mit aller Macht seinem Ziel entgegen fieberte. Er nahm keine Rücksicht. Und scheinbar zählte in diesem Augenblick nur das, was er wollte. Nein, das war nicht er. Das war nicht der Uruha, den sie kannte, den sie liebte und den sie heiraten wollte. „... ich will das nicht, hörst du? Bitte hör auf damit!“, begann sie erneut zu seufzen. Doch er hörte nicht auf. Er machte immer weiter, wanderte mit seinen Händen unter ihren Rock, während sie sich mit ihren Blicken an der weißen Zimmerdecke festzuhalten versuchte. „Was willst du dann? Sag es mir! Sag mir, was du willst. Du kannst alles von mir haben. Alles!“, sagte Uruha, der grob ihren Bauch küsste, er aber stoppte, als Kim plötzlich laut zu schluchzen begann. „Ich will aber nicht alles! Ich will meinen alten Uruha zurück!“, schluchzte sie, während sie ihn von sich wegschob und er sie ansah, als wäre er nicht er selbst. „Ich will meinen alten Uruha zurück, meinen Atsuaki, den Gemüseverkäufer von früher. Ich möchte den zurück, der mit Brillen unverschämt sexy aussieht. Ist das denn so schwer?“. Sie hatte ihre Knie dicht an sich gezogen und diese umklammert, während sie ihn ansah und wohl zum ersten Mal einen Uruha kennen gelernt hatte, dessen Liebe wohl noch grenzenloser sein konnte, als man es bislang vielleicht erwartet hatte. Während von draußen der Mond sein helles Licht auf das große Bett warf, konnte Kim die letzte, glitzernde Tränen erkennen, die Uruha an den Lippen hängen geblieben war. Wie aus Reflex war sie an ihn herangerückt und hatte ihm die Träne weggeküsst. Es war so, als würde Kim träumen - ja, sie träumte. Oder war es doch Wirklichkeit? Kai stand vor ihr - sein Ausdruck wirkte verzweifelt, traurig, andererseits aber auch gierig und dennoch verletzt. Sie wollte irgendetwas zu ihm sagen, als sie auf ihn zugegangen war, aber sie schwieg. Sie schwieg genauso, wie er, als er damit begonnen hatte, sich die Knöpfe seines schwarzen Hemdes zu öffnen, bevor er mit seinen Händen zum Bund seiner Jeans wanderte, um den Gürtel zu öffnen. Verzweifelt versuchte Kim eine Antwort auf all ihre Fragen, welche sie im Moment innerlich zu quälen schienen, zu finden. Krampfhaft versuchte sie das, was Kai gerade tat, zu verstehen. Allerdings war sie in dem Moment kläglich an ihren Versuchen gescheitert, denn Kai hatte plötzlich nach ihren Händen gegriffen und diese zum Verschluss seines Gürtels geführt. Kim war sich sicher, dass sie sich in Uruha´s Schlafzimmer befanden - allerdings schien weder von ihm, noch von den anderen irgendjemand in diesem Moment in der Nähe zu sein. Warum nicht? „Was hast du?“, fragte Kai mit sanfter Stimme, während er die Träger ihres Kleides ihr von den Schultern streifte, es für Kim aber den Anschein hatte, als wäre seine Stimme ein weitentferntes Echo. „Bitte hör auf damit.“, forderte Kim ruhig, als sie seine Berührung abzuwehren versuchte. Aber er hörte nicht auf. Durften ihre Worte ihn nicht erreichen? War auch ihre Stimme für ihn ein weitentferntes Echo? “Ich möchte dir etwas zeigen. “, flüsterte Kai, bevor er später nach Kim´s rechter Hand griff und sie aus dem Zimmer hinter sich herzog. Der Anblick, welcher ihr geboten wurde, als sie mit ihm zusammen das Wohnzimmer betreten hatte, ähnelte beinahe schon einer Szene aus einem Horrorfilm. Nur schien dieses Szenario real zu sein. War es denn real? Es fühlte sich so unglaublich erdrückend an, als Kim mit ihrem Blick langsam in Richtung Zimmerdecke wanderte und dort Uruha erkannte, welcher sich wohl mit einem Abschleppseil, was an der Decke befestigt war, erhangen hatte. Alles geschah so blitzartig - ihre Tränen, die ihr unkontrolliert über das Gesicht liefen, ihr lautes Seufzen und im Endeffekt ihr Aufschrei, welcher deutlich werden ließ, dass es das nie war, was sie wollte. Sein starrer Blick war auf sie gerichtet - ja, irgendwie sah er noch etwas lebendig aus. “Hol ihn runter, Kai!”, schrie Kim, in dem sie sich von Kai befreite. Er allerdings belächelte es nur. War es das, was er wollte? Flehend und auch so verzweifelnd schluchzend war Kim auf die Knie gegangen. Warum? Draußen erhellten hin und wieder grelle Blitze den dunklen Nachthimmel - ohne jegliches Grollen, ohne jeglichen Donner. Und während am anderen Ende des Zimmers der Raum nur von einer kleinen Tischleuchte erhellt wurde, hatte Kim wieder zu Uruha aufgesehen. Wie besessen war sie plötzlich aufgesprungen, um sich förmlich an seine Beine zu klammern - in der Hoffnung, dass er herunterfallen würde. Seine Beine waren noch warm, was der Auslöser dafür war, dass sie den beigefarbigen Sessel , der hinter stand, so zurecht geschoben hatte, dass sie Uruha ohne weiteres von dem Seil befreien konnte. “Nein, fass ihn nicht an! Nie wieder!”, fauchte Kai dann plötzlich, bevor er auf Kim zugestürmt war. Sie wehrte sich - mit Händen und Füßen, und dabei wollte sie Uruha, welchen sie zuvor von dem Seil lösen konnte und er ihr daraufhin in die Arme gesackt war, nicht loslassen - am liebsten nie wieder. Und somit hatte sie nach der leeren Bierflasche auf dem Tisch ihr gegenüber, welche Uruha zuvor getrunken haben musste, gegriffen und hatte sie ohne zu zögern gegen Kai´s Kopf geschlagen. Er war sofort bewusstlos, aber das schien Kim im Trance ihrer Verzweiflung nicht zu interessieren. Sie tat das, was jeder vernünftige Mensch in dieser Situation tun würde - Versuche der Wiederbelebung, und im Endeffekt war sie der Hoffnung, er würde sie hören können, wenn sie ihn anschrie. Ihr Gesicht war rot und von Tränen überströmt. Fest hatte sie Uruha´s leblosen Kopf gegen ihre Brust gedrückt, ihre Finger in seinem weichen Haar vergraben, während sie noch deutlich seinen Parfumgeruch wahrnehmen konnte. Noch eine ganze Weile hatte sie fast schon auf dem reglosen Uruha am Boden gelegen und versucht, die Antwort auf so viele Fragen zu finden. Musste ihre Freiheit so grausam enden? “Warum?”, schluchzte sie an Uruha´s Brust, bevor sie mit ihrem zitternden Mund seine kühlen Lippen küsste. “Warum hast du mir das angetan?”. Sie berührte mit ihren kleinen Händen sein noch warmes Gesicht. Deutlich spürte sie einige Stoppeln seines Bartwuchses am Kinn. Und als sie ihren Kopf hob und sich umdrehte, war es das Funkeln einer Messerspitze, welche von Kai´s Händen gesteuert auf sie zugerast kam. Sie begann laut zu schreien, aber wieder schien ihre Stimme für ihn jenes weitentfernte Echo zu sein... Mit einem schrillen Aufschrei und klopfendem Herzen war Kim aufgewacht. Außerhalb des Fensters dämmerte bereits der Morgen und deutlich war das Zwitschern der Vögel wahrzunehmen, während es in diesem Augenblick eigentlich nicht wirklich etwas gab, worum Kim sich Sorgen machen musste. Es war doch nur ein Traum. Und mit diesem Gedanken ließ sie ihre Blicke prüfend durch das Zimmer schweifen. Alles hatte seinen Platz - das hatte sie sofort erkannt, in dem sie auch deutlich den Parfümgeruch von Uruha überall im Raum wahrnehmen konnte. Als sie allerdings erkannt hatte, dass Uruha wohlmöglich nachts nicht neben ihr geschlafen hatte, war sie sofort aus dem Bett gekrochen und hatte es, als sie davor stand, angestarrt, als wäre ihr dieses Bett fremd. Kim schien dennoch eher einen gefassten, als einen fassungslosen Eindruck zu machen, in dem ihr Blick speziell auf der Seite des Bettes hing, welche Uruha gehörte und welche auch mehr als nur unbenutzt aussah. Ja, sie erinnerte sich unter leichten Kopfschmerzen daran, dass er am Vorabend noch so lang bei ihr war, bis sie einschlief. Und, wenn sie auch nur den Hauch einer Ahnung davon gehabt hätte, was sie für einen Traum haben würde, dann hätte sie ihn zweifellos darum gebeten, bei ihr zu bleiben und sie festzuhalten. Es erschien naiv, zu glauben, dass sie solch einen Traum in seinem Beisein vermutlich nicht gehabt hätte. Natürlich war es naiv, aber in diesem Moment erschienen ihr solche Gedanken nicht so schmerzhaft, wie die Tatsache, dass Uruha aus Eifersucht am Vorabend brutal auf Kai losgegangen war. Und während sie wenige Augenblicke später in Uruha´s schwarzem Bademantel eingehüllt am Türrahmen zur Küche gelehnt stand und Kai dabei beobachten konnte, wie dieser mit einem friedvoll erscheinenden Lächeln auf den Lippen hinter dem Herd stand und Uruha unmittelbar hinter ihm rauchend am Küchentisch saß, wurde ihr urplötzlich klar, dass es wirklich nur ein Traum war. Alles glich einem unendlich langem Traum... Und so schwieg sie vor sich hin, während sie sich auf die Balkontür zu bewegte, um diese zu öffnen und einige Sonnenstrahlen, welche auf die Pflastersteine des Balkons fielen, einzufangen. Es war fast schon zu warm für diese Jahreszeit, aber es war angenehm. Somit strich sich Kim einige dunkle Haarsträhnen aus dem Gesicht, schloss für wenige Sekunden die Augen und neigte ihren Kopf dem Himmel entgegen. Ja, sie hinterließ einen förmlich sorglosen, friedlichen Eindruck - nach außen hin. Und wahrscheinlich auch bloß für diesen einzigen, kurzen Augenblick. Allerdings war dies wirklich nur ihre äußere Fassade. All jene Dinge, die seit all den grausamen Ereignissen in der Vergangenheit geschehen sind und in ihr wohnten, sah nur sie. Das zweite Full -Album “Nil” stand in den Startlöchern und sorgte bereits schon vor dem eigentlichen Release für Furore überall in den Medien und auch außerhalb Japans. Während Ruki und Kanae sich um ihr Eigenheim bemühten und die übrigen Jungs fleißig im Studio arbeiteten und auch sonst wieder sehr viel Freude daran hatten, die Werbetrommel zu füttern, stand nun endlich der Termin für die nächste Tournee fest. Und auch der Termin für einen 2tägigen Aufenthalt in Deutschland wurde für die Jungs bereits im Kalender festgehalten. Diese und jene andere Dinge ließ sich Sänger Ruki durch den Kopf gehen, während er durch das Fenster des zukünftigen Kinderzimmers in der zweiten Etage auf das große Grundstück, welches für diese Jahreszeit schon in vollen Farben erblühte, starrte und seine Ohren neben seiner unruhig quengelnden Tochter, die er auf dem Arm trug und er hin und wieder darauf schaute, dass er das Köpfchen mit einer Hand stützte, auch noch ständig hämmernden und bohrenden Geräuschen ausgesetzt waren. Ja, bald würde er ein anderes Leben, als sein sonstiges, haben. Aber war es wirklich so anders, als sonst? “Ruki!”. Eine grelle, energische Frauenstimme versuchte sich, während Ruki in Gedanken zu schwelgen schien, durch den räumlichen Lärm hindurch zu kämpfen. “Ruki!”, ertönte es erneut. Und erst, als der Lärm schlagartig unterbrach, erkannte Ruki Kanae, welche mit empörtem Blick kopfschüttelnd vor ihm stand, um ihm daraufhin sofort das Baby aus den Armen zu nehmen. “So viel Lärm ist nicht gut für Maru. Hast du etwa schon vergessen, dass sie noch ein kleines Baby ist?”, zeterte Kanae erbost, die daraufhin auch sofort mit dem Kind auf dem Arm das Haus verlassen hatte. Ruki schien in diesem Moment nicht er selbst zu sein. Allerdings konnte man aber auch nicht behaupten, er würde vergessen haben, dass er Maru soeben schädigendem Lärm ausgesetzt hatte. Und während Ruki noch immer paralysiert inmitten des Raumes stand und von der plötzlich eingetretenen Stille zu verschlingen drohte, ahnte noch niemand, wie schnell die darauffolgende Zeit davonrasen und sich der Zeitpunkt nähern würde, an dem Ruki zusammen mit Kanae vor dem Traualtar steht. Er wagte noch keinen Gedanken daran zu verschwenden, dass bereits auch schon wieder eine nächste Tour, welche sich sogar bis ins Ausland strecken sollte, in den Kalendern der Jungs festgehalten wurde. Dies waren Gedanken, welche vermutlich nicht nur ihm den Atem zu rauben versuchte. Und so kroch die Zeit dahin. Eine Zeit, welche auch noch nach zwei Jahren nicht stehen geblieben zu sein schien. “Willst du nicht doch deine Eltern anrufen?”, fragte Kim Kanae, die auf der Terrasse saß und in den mit Wolken bedeckten Himmel starrte. “Warum sollte ich sie einladen? Ein Leben lang haben sie sich einen Scheiß für mich interessiert. Haben mich dafür geschlagen, weil ich nicht so wie sie war. Die sind krank und solche Leute will ich nicht auf meiner Hochzeit haben. Tantchen kann ja ruhig kommen, aber nicht meine Mutter, mein Vater oder meine Schwester. Würden sie da auftauchen, könnte ich für nichts mehr garantieren.”, erklärte Kanae und nippte an ihrem Glas Mineralwasser. “Manchmal wäre ich glücklicher, wenn ich meine Eltern nicht kennen würde. Manchmal frag ich mich auch, warum meine Mutter nicht so wie meine Tante sein kann. Aber die Eltern kann man sich ja leider nicht aussuchen.”, fuhr sie dann seufzend fort. “Du hast recht. Diesbezüglich haben wir beide wohl etwas gemeinsam.”, meinte Kim, welche die Gäste- und Einkaufsliste für Ruki´s und Kanae´s Hochzeit überprüfte. Kanae nickte und warf einen kurzen Blick auf die Uhr - es war gegen 16 Uhr. “Wollen wir Maru abholen?”, fragte Kanae dann. Kim nickte bloß und natürlich setzten sie es sofort in die Tat um. Es hatte begonnen zu regnen, als Kanae und Kim Maru vom Kindergarten abgeholt hatten. Maru war mittlerweile zwei Jahre alt und stolperte noch vor sich hin, wenn sie versuchte zu laufen - es sah dann immer sehr niedlich aus und jeden Schritt nahm Kanae mit der Digicam auf. Quietsch vergnügt spielte das kleine Mädchen mit einem Plüschtier und lachte dabei laut. “Vermisst die Kleine Ruki denn nicht? Sie hat ihren Vater jetzt eine Weile nicht gesehen. Wann kommen die Jungs wieder?”, fragte Kim darauf. Die Jungs waren im Januar auf Auslandtour gegangen und schienen auch noch immer unterwegs zu sein - es war nun Juni und seitdem waren fünf Monate vergangen. Ja, es glich einer Ewigkeit. Kanae zuckte dennoch unwissend mit ihren Schultern und war überrascht, dass Uruha Kim noch nicht darüber informiert hatte. Zumindest hinterließ diese Tatsache nach außen hin den Eindruck. “Ich weiß, dass das bescheuert klingen mag, aber ich habe Ruki gebeten, mich nicht anzurufen. Meine Sehnsucht hätte mich sonst schon längst umgebracht, wenn ich jeden Tag seine Stimme hören würde. Mein Verstand geht deshalb jetzt schon den Bach runter. Nachts kuschle ich mich immer auf seine Bettseite. Ich hol dann meistens schon Maru zu mir.”, sagte Kanae lächelnd und warf rasch einen Blick zu Kim, die sie wiederum nur verdutzt angesehen hatte. “Wie hältst du das nur aus? Ich würde die Wände hochgehen, wenn ich Uruha´s Stimme nicht hören könnte. Schließlich muss ich mich ja schon damit abfinden, dass er nicht da ist.”, meinte Kim. “Du telefonierst doch fast drei Stunden täglich mit ihm, da brauchst du dir solche Gedanken nicht zu machen. Aber du müsstest doch trotzdem eigentlich wissen, wann sie wieder kommen.”, erwiderte Kanae, woraufhin Kim mit einem beschämenden Lächeln nickte. “Ich wollte doch nur wissen, ob du es auch schon weißt.”. Dieser Satz von Kim erübrigte sich im nachhinein, da auch Kanae es erfahren hatte. “Das hat sich ja dann wohl erledigt, ne? Aber sag schon, wann kommen sie wieder? Sollen wir sie abholen? Sind alle gesund? “, fragte Kanae beinahe schon ungeduldig erscheinend. Warum gleich so viele Fragen auf einmal? Kim erklärte Kanae alles. Plötzlich klingelte Kanae´s Handy, nach welchem Kim allerdings greifen musste, da Kanae am Steuer saß. “Wer ist es denn?”, fragte Kanae und hielt auf einem Parkplatz in der Nähe eines Convinni an. Kim grinste, als sie Ruki´s Namen auf dem Display las. Sie ging ran. “Moshi moshi. Was ist denn los?”, fragte Kim, die glücklich über seinen Anruf zu sein schien, als Kanae sie dann auch schon anrempelte. “Wer ist es denn?”, fragte sie dann nochmals als Kim das Handy mit einem breiten Grinsen im Gesicht Kanae auch schon entgegen reichte. “Dein Mann.”, antwortete Kim nur und beobachtete erstaunt, wie groß und glasig Kanae´s Augen plötzlich wurden. “Ja?” . Man konnte deutlich ein Zittern in Kanae´s mädchenhafter Stimmer erkennen - zu sehr hatte sie Ruki vermisst. Ihr Anblick verriet es zweifellos. “Hi, mein Schatz.”, sagte Ruki nur, während im Hintergrund Uruha zu hören war. “Ich vermiss dich und die Kleine.”, fuhr Ruki dann fort und hustete. Als Kanae Ruki´s Stimme am anderen Ende der Leitung endlich realisiert hatte, stiegen ihr sofort Tränen in die Augen, die sie mühevoll versuchte zurückzuhalten, um nicht völlig auszubrechen. “Hast du dich erkältet? Wie geht es dir? Wo seid ihr gerade? Warum hast du angerufen?“, fragte Kanae und stieg aus dem Auto. “Das Wetter hat mir ein wenig zugesetzt, da hab ich mir wohl’ ne kleine Erkältung eingefangen. Aber ansonsten geht es mir und den Jungs gut. Wir sind in der Schweiz und warten auf unseren Rückflug. Dann bin ich endlich wieder bei dir und der Kleinen.”, sagte Ruki und hustete wieder, welches sich allerdings fast schon wie ein verdrängtes Lachen anhörte. “Ich habe aber doch zu dir gesagt, dass du nicht anrufen sollst.”, meinte Kanae nur und nun konnte sie ihre Tränen auch wirklich nicht mehr länger zurückhalten, bevor dann Kim aus dem Auto gestiegen war, um Kanae einen Regenschirm über ihren Kopf zu halten. “Ich hab’s einfach nicht mehr ausgehalten. Tut mir leid. Außerdem hat Uruha mich ständig damit genervt, dass ich dich doch endlich anrufen solle.”, erklärte Ruki nur. Er konnte nun auch deutlich heraushören, dass Kanae weinte. “Aber jetzt hör auf zu weinen, ja? Wir sehen uns doch bald wieder.”, versuchte Ruki sie diesbezüglich vom anderen Ende der Leitung zu beruhigen.. Kanae nickte, auch wenn Ruki es nicht sehen konnte. “In Ordnung. Dann bis bald, ja?”. Kanae hatte sich daraufhin auch schon mit den Worten “Ich liebe dich, Ruki.” von ihm verabschiedet .Eine kurze Weile lang stand sie im selben Moment noch zusammen mit Kim im Regen. “Sie kommen ja schon ganz bald wieder.”, hatte Kim nur gesagt und brachte Kanae dazu, wieder ins Auto zu steigen. Kanae wollte soeben die Haustür aufschließen, wenn sich diese plötzlich nicht von alleine geöffnet hätte. Der Flur war leer, dennoch nahm Kanae deutlich den Duft von Ruki´s Parfum in der Luft wahr. Aber wie konnte das sein? War Ruki jetzt schon hier? “Wieso gehst du nicht rein?”, fragte Kim, die hinter ihr stand und plötzlich miterleben musste, wie Kanae einfach alles fallen ließ und ins Haus stürmte. “Maru, weiß du, was mit deiner Mama los ist?”, fragte Kim das kleine zweijährige Mädchen mit den dunklen, langen Haaren, welches sie auf den Arm trug und fragend in die dunklen Kulleraugen gesehen hatte. Maru schüttelte ihren Kopf und zeigte dann mit ihren kleinen Fingern auf das Haus, welche sie seit zwei Jahren schon mit ihren Eltern bewohnte. “Will Mama gehen.”, hatte sie dann auch schon gesagt, worauf Kim lächelnd nickte und ebenfalls ins Haus trat, nachdem sie Kanae´s Handtasche vom Boden aufgehoben hatte. Kanae war in die Küche gegangen, wo jedoch niemand war. Anschließend steuerte sie ins Wohnzimmer und dann sah sie es - Ruki, wie er breit grinsend am Balkonfenster stand und Uruha, welcher nur lächelnd auf der Couch gesessen hatte. “R-ruki? Was machst du denn hier? Ich dachte, du wärst noch in der Schweiz?“, stotterte Kanae und warf sich völlig erschrocken die Hände vor ihren Mund. “Ich wollte dich überraschen.”, meinte Ruki mit einem leicht beschämten Lächeln und kam ein Stück auf Kanae zu, die ihm dann nur noch in die Arme gesprungen war und zu weinen begann. “Du Idiot!”, schluchzte sie nur, während sie sich an seinem schwarzen T-Shirt mit der Aufschrift “Black Moral” auf der Brust festkrallte. Im selben Moment betrat auch Kim das Wohnzimmer. Sie schien auch nur so vor Erstaunen zu strotzen, als sie Uruha erblickte. Vermutlich würde sich nun auch ein ähnliches Szenario, wie zwischen Kanae und Ruki, abspielen. “Was machst du denn hier?”, fragte sie Uruha sofort, als er dann aber auch schon vor ihr stand. Aber an Stelle einer Antwort auf ihre Frage, hatte Uruha sie wortlos an sich gerissen und geküsst. “Das, wonach es aussieht.”, meinte Uruha dann nur, als er daraufhin wieder von Kim abgelassen hatte. Später stellte sich heraus, dass das Konzert in der Schweiz abgebrochen werden musste, da Ruki während eines Auftritts einfach zusammengebrochen war. Er hatte sich eine Erkältung zugezogen, die sich in eine Grippe mit Fieberschüben verwandelt hatte, und er deshalb dann daran gehindert wurde, aufzutreten. Natürlich war es ein Verlust für Gazette. Und auch die Fans waren sicherlich mehr als nur enttäuscht. Aber um Ruki´s Gesundheit Willen akzeptierten sie das Geschehene. Somit würde das Konzert dann zu einer passenden Gelegenheit und zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Das hatten die fünf Jungs ihren Fans versprochen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)