Like a crimson sunrise or a waterblue sky full of cherry blossoms von Aka_Tonbo (Tatsu-Yukke) ================================================================================ Kapitel 30: What is the right way? ---------------------------------- Kapitel 30: What is the right way? Yukke schlief nun seit mehr als einer halben Stunde und Tatsuro saß noch immer an seiner Seite. Er hatte es nicht fertig gebracht, ihn alleine zu lassen. Außerdem war sein Körper noch immer durchflutet von Adrenalin und seine Gedanken in solcher Aufruhr, das er einfach nur hell wach war. „Yukke“, es war das erste Wort, das ihm nach so langer Zeit wieder über die Lippen gekommen war. Jedoch würde der Umstand, der dazu geführt hatte, nicht gerade eine der heitersten Erinnerungen abgeben. Es hatte den Anschein erweckt, als hätte er Yukke, mit dem Vorbringen seines Namens, eine Ohrfeige verpasst, so völlig perplex hatte er ihn daraufhin angeschaut. Und auch wenn Tatsuro versuchte es sich zu erklären, so hatte der folgende und so plötzlich auftretende Gefühlswechsel seines Freundes, eine deutliche Verwirrung in ihm herauf beschworen. Mit einem Male, hatte ihn Yukke mit diesem leidig, verzweifelten Ausdruck auf seinem Gesicht angesehen und ihn um Verzeihung gebeten. Dieser hatte ihm gesagt, dass er es nicht gewollt hatte und es ihm so unendlich leid täte; es alles nur seine Schuld sei und er darum bitte, dass er ihm verzeihen könnte. Auch wenn sich Yukkes Verhalten, in seinen letzten wachen zwanzig Minuten, ihm gegenüber nicht gerade als für diesen üblich dargestellt hatte, war Tatsuro mit solch einer Reue darüber doch ziemlich überfordert. Und Yukke hatte nicht aufgehört sich zu endschuldigen, selbst dann nicht, als ihm schon die Tränen über das Gesicht liefen und sein Körper angefangen hatte so unsäglich zu zittern. Tatsuro hatte sich seiner annehmen wollen, doch Yukke hatte es nicht zugelassen, nur immer und immer wieder darum gebeten, dass er ihm seine Dummheit vergeben sollte. Es war wieder einer dieser Momente gewesen, wo sich Tatsuro verzweifelt gewünscht hatte, mehr von sich geben zu können, als nichtssagende Laute. Nur zu gern hätte er Yukke versichert, dass er ihm sein Handeln nicht nachtrug. Dass man in solch einem Zustand schon mal ein wenig die Kontrolle verlieren konnte, und er das nicht so eng sah. Doch dann sagte Yukke etwas, das ihn annehmen ließ, dass dieser sich nicht wegen der gerade eben ereigneten Begebenheit so reumütig zeigte. "Ich hätte es verstehen müssen.", waren seine letzten Worte, bevor er gänzlich in sich zusammengesunken und nicht viel später eingeschlafen war. Was hätte er denn verstehen müssen? Was quälte Yukke so sehr, dass er es einfach nicht zu überwinden schien? Ein leises Wimmern lenkte Tatsuros Aufmerksamkeit wieder auf seinen neben ihm liegenden Freund und erneut konnte er verfolgen, wie diesen sogar im Schlaf etwas nicht losließ und es ihm wieder diesen verzweifelten Ausdruck verlieh. Yukkes Wangen waren noch immer gerötet, von der Flut aus Tränen die erst versiegt waren, als der Schlaf ihn übermannt hatte. Doch schien auch er ihm nicht die nötige Ruhe verschaffen zu können. Wieder stahl sich eine Träne davon, als Vorhut der noch folgenden und es zerrte an Tatsuros Herz, dies mit ansehen zu müssen. Yukke hatte sich zusammengerollt, im Versuch sich so klein und unscheinbar wie möglich zu machen und nahm somit nicht viel der Oberfläche von Tatsuros Nachtlager ein, sodass er sich schließlich zu diesem legte. Ein weiteres, gedämpftes Wimmern und er rückte so nahe an Yukke heran, dass er ihn hätte in die Arme nehmen können, jedoch zögerte aus Angst etwas zu tun, was diesen nur noch mehr zusetzten würde. Stattdessen wischte er die feuchten Spuren von dessen Wangen und stich ihm beruhigend durch sein rotblondes Haar. Das Erste was Yukke wahrnahm, als er erwachte, war das Licht das in seinen Augen stach und der hämmernde Schmerz in seinem Kopf. Ein mattes Stöhnen rutschte ihm daraufhin über die trockenen Lippen, die er folglich versuchte mit seiner Zunge zu befeuchten, nur um festzustellen, dass er dringend etwas zu trinken brauchte. Langsam drehte er sich aus seiner Position und musste erkennen, dass es nicht sein Bett war, in welchem er sich befand. Ein weiterer Blick auf sein Umfeld zeigte ihm Tatsuro, der neben ihm ruhte und dem einige wirre Haarsträhnen über das friedlich, anmutende Gesicht gefallen waren. Und je länger sich Yukke dieses Bild verinnerliche, umso seltsamer wurde ihm. Mit einem Male kamen einige Bruchstücke des vorangegangenen Abends wieder in seinen Geist zurück. Zwar konnte er sich nicht mehr punktgenau an jede Kleinigkeit erinnern, aber er wusste noch gut genug, dass er eindeutig zu viel getrunken hatte. Und warum? Dieser Gedanke ließ eine unangenehme Wärme in ihm hochsteigen, und er fühlte sich ziemlich armselig. Es hatte ihn mitgenommen, das Tatsuro keine Nähe mehr zu ihm zu suchen schien, auch wenn er sich ihm sonst gegenüber recht unbefangen zeigte. Aber Yukke hatte sich nach mehr gesehnt und als er mit ansehen musste, wie sich Satochi so einfach das holen konnte, was er wollte, wurde er immer frustrierter. Er glaubte nicht, das Satochi sich aus demselben Motiv, wie es das seine gewesen wäre, auf Tatsuro fixiert hatte. Eher war der Alkohol der Urheber, warum er ihn nicht hatte los lassen wollen. Aber trotzdem! Und dann hatte er sich schließlich einfach so zu Tatsuro eingeladen. Sein Benehmen war wirklich mehr als lächerlich gewesen. Eine Regung von Tatsuro, ließ ihn seine Gedanken unterbrechen. Vielleicht sollte er erst einmal eine Dusche nehmen, um wieder richtig fit zu werden und Tatsuro somit noch etwas schlafen lassen. Leise und mit Bedacht verließ Yukke das Schlafzimmer und steuerte gradewegs das Bad an. Ein kurzer Blick in den Spiegel zeigte ihm das Ausmaß seiner Unmäßigkeit. Er sah wirklich ziemlich fertig aus. Folglich wandte er sich auch gleich wieder davon ab und senkte seinen Kopf soweit zum Wasserhahn des Waschbeckens, um erst einmal die Trockenheit in seinem Hals aufzulösen. Gemächlich befreiter er sich aus seiner recht zerknautschten Kleidung und stellte sich unter die Duschvorrichtung. Er zögerte ein wenig, bevor er den Hebel der Armatur, mit einem Ruck auf kalt lenkte und ihn schließlich nach oben schob. Ein eisiger Schwall brach daraufhin über ihm herein und ließ ihn schwer keuchen. Aber es war die beste Methode seinen Kreislauf gleich wieder richtig in Schwung zu bringen und so ertrug er diese Pein eisern, bevor er zu einer angenehmeren Temperatur wechselte. Erneut drifteten seine Gedanken zu den vorhin verworfenen Erinnerungen zurück. Hoffentlich würde Tatsuro es ihm nicht übel nehmen, das er sich so ungefragt hier niedergelassen hatte und ihn, so wie es aussah, auch noch um eine erholsame Nacht gebracht hatte, lag dieser doch, genau wie er zuvor, noch in seiner vorabendlichen Montur in seinem Bett. Es war als hätte er den Temperaturregler wieder auf eiskalt gestellt, als ihm einzelne Frequenzen ereilten, die ein unangenehmes Ziepen durch seinen Körper schickten. Hatte er das wirklich getan? War er Tatsuro in seinem Rausch, wirklich so auf den Leib gerückt, ohne darauf zu achten, wie dieser sich bei solch einer dreisten Inbesitznahme fühlen würde? Hatte er sich wahrhaftig so unmöglich aufgeführt?! Doch diese Gedanken war nichts im Vergleich mit der Erinnerung, die ihn folglich aus dem Gleichgewicht brachte. Tatsuro hatte gesprochen. In seinem Versuch sich seiner Beanspruchung zu entziehen, hatte er ihm beim Namen genannt. “Yu...kke...” Es hallte in seinem Kopf wieder. Yukke... Wann war das letzte Mal gewesen, das Tatsuro seinen Namen gesagt hatte? Diese Erinnerung wog schwer. Nun sah er sich auch vor Tatsuro; gestern. Wie er ihn um Verzeihung bat, da ihn all seine Schuldgefühle so plötzlich wieder eingeholt hatten. Das letzte Mal als Tatsuro seinen Namen sagte, war kurz vor diesem Unfall und das nur, weil er versucht hatte ihn davor bewahren zu wollen. Und bis jetzt hatte er ihm nichts darüber erzählt. Er konnte auch nicht einschätzen, ob Tatsuro mittlerweile selbst wieder wusste, wie es dazu gekommen war, denn er hatte ihn nie dazu befragt. Vielleicht wollte er auch nur darauf warten, dass er es ihm selbst mitteilte, doch bis jetzt hatte er diesen Gedanken einfach immer wieder verdrängt, da die Angst vor diesem Gespräch schlicht zu groß war. Er wollte sich einfach nicht noch einmal mit dieser unheilvollen Begebenheit konfrontiert sehen. Nicht so intensiv. Es war feige, das wusste er nur zu gut und es war unfair Tatsuro gegenüber, egal ob dieser sich nun wieder daran erinnern konnte oder nicht. Genau aus diesem Grund, hatte er seine Schuldgefühle auch nicht minimieren können. Eher hatten sie sich von seiner Furcht diesbezüglich genährt. All dies fand seinen Höhepunkt in der gestrigen Nacht, da er seinen durchweichten Geist, nicht mehr hatte zur Besonnenheit zwingen können. Es war alles zu viel geworden. Ein seichtes Klopfen, ließ Yukke erschrocken den Kopf in Richtung Tür drehen. “Bin..., bin gleich fertig...”, haspelte er daraufhin hervor und stellte die Dusche rasch wieder ab. Eilig griff er nach dem erstbesten Handtuch, das er erreichen konnte und legte es sich um die Hüften. Er wusste nicht, was genau Tatsuro von ihm wollte, also öffnete er die Tür und sah sich daraufhin mit einen Stapel Kleidung konfrontiert, den ihn Tatsuro entgegenhielt. Yukke fühlte sich ungemein unbeholfen, als er Tatsuro die Sachen abnahm und dieser ihm kurz zunickte und wieder verschwand. Er schloss die Tür hinter sich und setzte an sich abzutrocknen und sich einzukleiden. Es waren seinen Sachen, die ihm Tatsuro gegeben hatte, da er ja noch so einige davon in seinem Kleiderschrank beherbergte. Auch wenn sich Yukke gerade etwas matt fühlte, so musste er, ob der Tatsache, dass sie alle fein säuberlich zusammengelegt waren, doch etwas schmunzeln. Diese akkurate Ader hätte er Tatsuro gar nicht zugetraut. Aber wie sollte er ihm jetzt nur am besten gegenübertreten? Er hatte sich schließlich ziemlich abstrus verhalten und ihn sicherlich mit einigen Fragen zurückgelassen. Sollte er ihm endlich alles erzählen? Dann wäre er auch von einem großen Stück seiner quälenden Schuldgefühle befreit. Auf der anderen Seite, konnte es aber auch schief gehen. Sollte Tatsuro noch immer unwissend sein und ihm nach der Offenbarung seines wochenlangen Schweigen letztendlich vorwerfen, das er ihm anscheinend nicht wichtig genug sei, wenn er ihm diesen aufklärenden Fakt, so ungeniert vorenthalten konnte. Womöglich würde er daraufhin auch dem Glauben erliegen, das er sich nur aus eigenem Interesse um ihn gekümmert hatte. Nur weil er sich selbst wieder besser fühlen wollte, nach allem was vorgefallen war. Und wenn er ehrlich war, stimmte das sogar. Zumindest zu einem gewissen Teil. Aber das hieß nicht, das Tatsuro ihm egal war. War es ihm nie gewesen, das wusste Yukke. Auch in der Zeit ihrer Zerstrittenheit nicht. Warum sonst hätte er sich so viele, so unendlich viele Gedanken darüber gemacht, wenn er ihm völlig egal geworden wäre? Er hatte sich damals schützen wollen, um nicht noch mehr verletzt zu werden, und darüber hinaus nichts anderes mehr an sich herangelassen, wenn es Tatsuro betraf. Und nun, wo er wusste, warum es so weit gekommen war, fühlte er sich so unsäglich dumm und feige. Feige, weil er einfach nicht damit aufräumen konnte. Er Tatsuro nicht sagen konnte, was sich nach ihrem Gespräch im Park zugetragen hatte. Denn gerade jetzt, verliefen doch die meisten Dinge wieder in ihren altbekannten Bahnen. Sollte er dies etwa wieder zu Nichte machen? Der richtige Weg war einfach nicht zu erkennen. Sie saßen sich gegenüber, doch hatte Yukke Tatsuro bis jetzt nicht ins Gesicht sehen können und Tatsuro machte auch keine Anstalten, von sich aus etwas in Erfahrung bringen zu wollen. Also tranken sie ihren Kaffee und schwiegen, was Yukke aber auch nicht zu mehr innerer Ruhe verhalf. War Tatsuro sauer oder verletzt? Oder einfach nur irritiert darüber, was sich letzte Nacht zugetragen hatte? Wartete er nun darauf, dass er von sich aus mit erklären begann, oder sollte er sich doch lieber erst einmal bei ihm endschuldigen? Das Klingeln an der Tür ließ Tatsuro sich erheben und schon nach wenigen Minuten, konnte Yukke die Stimme von Miya vernehmen und war augenblicklich dankbar für dessen Erscheinen. Sie hätten sich wohl noch ewig so gegenüber gesessen, denn er hätte es wahrscheinlich eh nicht fertig gebracht etwas zu definieren. Vielleicht würde er das auch nie können und mit all der Last lernen müssen zu leben. Miya trat nun in die Kühe und musterte ihn mit prüfender Miene. "Ich weiß, eine Straßenlaterne strahlt mehr Sexappeal aus, als ich es gerade tue.", sprach Yukke den Gedanken aus, der Miya sicherlich gerade durch den Kopf gegangen war. Und als dieser einfach nur zu grinsen begann, sah er sich darin auch bestätigt. "Ich hab mir gedacht, ich bring dir deine Wagen gleich hier vorbei, da ich dir ja auch die Schlüssel wiedergeben muss." Mit diesen Worten händigte er Yukke den kleinen Bund aus und setzte schon an, sich wieder verabschieden zu wollen. "Ich will nicht länger stören, hab noch einiges zu tun.", erklärte er seinen kurzen Besuch und Yukke schaltete sofort, als er ihm folglich anbot ihn zu fahren, wenn er sich schon die Mühe gemacht hatte, extra hier her zu kommen. Tatsuro stand indes im Türstock und beobachtete die beiden Männer vor sich, ohne große Emotionen. Was sollte er auch tun? Er konnte Yukke ja nicht zwingen hier zu bleiben. Und das Yukkes Angebot Miya zu chauffieren in ihm den Eindruck erweckte, das dieser quasi zu flüchten versuchte, ließ ihn annehmen, das Yukke einfach nicht mit ihm reden wollte. Das musste er dann halt akzeptieren. Er konnte ja noch nicht einmal sagen, ob Yukke sich überhaupt noch an all das erinnerte, was gestern Nacht vorgefallen war. Vielleicht war er nur so wortkarg, weil es ihm im Großen und Ganzen peinlich war, dass er sich ihm einfach so aufgehalst hatte. Das diesem schnell etwas unangenehm sein konnte, war ja nichts Neues. Also folgte er seine beiden Freunden schließlich zur Tür, nachdem sie an ihm vorbei getreten waren und nahm die Verabschiedung von Miya entgegen, der daraufhin gleich in den Hausflur trat. Yukke war noch dabei sich seine Schuhe anzuziehen und als er sich wieder erhob, war er noch immer nicht in der Lage Tatsuro direkt anzusehen. "Ähm..., bis... Tut mir leid, dass ich dir solche Umstände gemacht habe. Ich werde es wieder gut machen." Damit setzte auch Yukke an die Wohnung zu verlassen und für einen winzigen Moment, kam in Tatsuro der Wunsch auf ihn zurückziehen zu wollen. Doch er tat es nicht. Stattdessen lauschte er dem Hall der Schritte seiner Freunde, bis nichts mehr zu hören war und erst dann schloss er die Tür wieder. Ein Scharren ließ ihn in Richtung seines Wohnzimmers blicken, um ihn daran zu erinnern, dass er hier jemanden fast vergessen hatte. Teto war eindeutig missgestimmt, als Tatsuro ihn befreite und zog es vor, diesen keiner Aufmerksamkeit zu würdigen, hatte er doch schon die ganze Nacht in der Küche zubringen müssen und das ohne seinen gewohnten Futterberg. Tatsuro folgte seinem kleinen Stubentiger mit den Blicken und musste kurzerhand über dessen Allüren schmunzeln. Er selbst setzte sich auf seine Couch und starrte etwas gedankenverloren vor sich hin. Was sollte er nun mit sich anstellen?  Er musste erst gegen vier zu Taira-san und nun war es gerade einmal kurz nach zwölf Uhr. * "Kann ich dich mal etwas fragen?" Yukke nahm seine Aufmerksamkeit nicht von der Straße, als er Miya ansprach. "Natürlich, um was geht es denn?" "Es ist wegen Tatsuro." Miya sagte nichts dazu, sondern nickte nur bedeutungsvoll mit seinem Kopf. Er konnte sich schon denken, dass etwas passiert sein musste, seit er vorhin Tatsuros mattes Gesicht erblickt hatte und er wieder einmal verfolgen konnte, wie ungelenk sich Yukke diesem gegenüber zeigte. "Glaubst du, er weiß mittlerweile, dass er wegen mir so viel durchstehen muss? Ich meine, dass er weiß, dass er diesen Unfall nur hatte, weil er mich schützen wollte?" Diese Frage hielt sich nun schon so lange in seinen Kopf auf, aber heute drängte sie sich wieder nachdrücklicher in den Vordergrund, als es ihm lieb war. Damals, nach dem Unfall, hatte ihnen der Arzt gesagt, dass es durchaus möglich sein könnte, das bei Tatsuro, durch seine Kopfverletzung, eine Art der Amnesie auftreten kann und sie sich nicht wundern sollten, wenn er sich an bestimmte Dinge oder Personen vorübergehend nicht mehr erinnern würde. Und auch wenn es aus ihm keinen guten Menschen machte, so hatte sich Yukke zu diesem Zeitpunkt irgendwo gewünscht, Tatsuro würde vergessen haben, dass er wegen ihm in diesem Zustand war. Später, als sie gesagt bekamen, das Tatsuro nicht sprechen könne und dieser sich folglich, so in sich zurückgezogen hatte, war der Gedanke zwar nicht erloschen, aber anderen Sorgen gewichen. Das lag nun alles glücklicherweise hinter ihnen und irgendwann hatte ihm Tatsuro einmal mitgeteilt, dass er sich an einige Sachen einfach nicht mehr so recht entsinnen könne, und er sich noch einmal für alles endschuldigte, was er ihm an Kummer bereitet habe. Das war nun schon einige Wochen her und wer konnte schon sagen, ob sich Tatsuro nun nicht doch schon an mehr erinnerte als zuvor? Er hatte immerhin seine Notizen gelesen, vielleicht nur ein paar, womöglich auch alle. Vielleicht wusste Tatsuro nun Bescheid und sagte trotzdem nichts, da er sehen wollte, wie lange sie mit der Ungewissheit, ihn angelogen zu haben, zurechtkommen würden? Yukke mochte gar nicht daran denken wollen, wenn dem so wäre. Er wollte nicht, das Tatsuro Miya und Satochi als halbherzige Freunde sah, nur weil sie wegen ihm die ganze Wahrheit zurückhielten, um ihm nicht in den Rücken zu fallen. Und er konnte sich vorstellen, dass es beiden nicht sonderlich gut dabei ging, einen Freund für einen anderen im Unklaren zu lassen. Genau das könnte auch der Grund sein, warum Tatsuro seinen vertrauten Umgang mit ihm allmählich wieder reduziert hatte. Er war womöglich einfach nur enttäuscht von ihm. Es war ein Spiel mit der Ungewissheit und bis jetzt hatte er nur Unruhe und ein beißendes, schlechtes Gewissen dabei gewonnen. „Was soll ich denn nur tun?“ Der flehende Unterton, welcher in Yukkes Frage mitschwang, und in welchem sich wohl auch etwas Hoffnung versteckt hielt, dass er ihm die ultimative Lösung seiner Sorgen würde mitteilen können, entging Miya nicht. Er konnte sich erinnern, dass sie sich schon einmal diese Frage gestellt hatten, aber nie genau sagen konnten, dass an ihren Mutmaßung diesbezüglich etwas Wahres dran wäre. Und er konnte es auch jetzt nicht. Tatsuro hatte ihm gegenüber nie etwas angeschnitten und wenn er so darüber nachdachte, hätte er auch gar nicht so recht gewusst, was er ihm darauf hätte antworten sollen. Yukke hatte ihn nie darum gebeten das, würde sich Tatsuro nach bestimmten Dingen bei ihm erkundigen wollen, er es ihm nicht sagen sollte. Doch Miya hätte Yukke auch nicht so einfach ausliefern können, zu viel hatte auch er durchmachen müssen und er wollte ihn auf keinen Fall vor Tatsuro bloßstellen. Nur musste er zugeben, dass er Tatsuro einfach nicht einschätzen konnte. Das konnte er früher schon nicht so recht, da Tatsuro einfach eine zu mannigfaltige Persönlichkeit besaß und nun schien er diese auch noch weiter ausgebaut zu haben. "Das kann ich dir nicht sagen.“, setzte Miya schließlich an, „Tatsuro, so wie er sich früher aufgeführt hat, hätte bestimmt schon längst nachgebohrt, aber der Tatsuro den wir jetzt vor uns haben, scheint mir nicht mehr ganz so unbedacht. Es sieht mir so aus, als habe er über die Zeit seines Leidensweges zu etwas mehr Tiefe gefunden. Vielleicht weiß er es, sagt aber nichts, weil er ahnt, dass du dir deshalb zu viele Vorwürfe machst. Vielleicht weiß er es nicht und macht sich deshalb auch gar keine Gedanken, weil er annimmt, das das was wir ihm darüber erzählten die ganze Wahrheit ist. Es kann aber auch sein, das er sich erinnert hat und das würde bedeuten, dass er weiß, dass wir nicht ehrlich zu ihm waren und er uns mit der Tatsache, uns darüber im Unklaren zu wissen, eine seiner unterschwelligen Lektionen erteilen will. Du kennst ihn gut genug, um zu wissen, dass er sich in solchen Belangen nur ungern etwas vormachen lässt." Yukke nickte verstehend. "Also sollte ich es einmal ansprechen? Wenn er es nicht weiß, ist es sein Recht es zu erfahren, meinst du?" "Die Endscheidung liegt bei dir. Ich will dir jetzt nicht einreden, dass du es ihm sagen musst, da ich mir vorstellen kann, welche Zweifel sich damit bei dir aufbauen. Ich rate dir auch nicht davon ab, da ich genauso gut weiß, wie sehr es dich beschäftigt. Ich könnte dir nur vorschlagen, dass ich es ihm sage, aber ich glaube nicht, dass du das möchtest." Eine Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen. Nein, er wollte nicht das Tatsuro es von jemand anderen außer ihm gesagt bekam, auch wenn dies bedeutete, dass man ihm damit eine große Last nehmen würde, ohne das er selbst daran arbeiten hätte müssen. Jedoch sah er sich momentan noch immer nicht in Stande, sich ein Herz zu fassen und Tatsuro alles offen zu legen. Derzeit war einfach alles zu unstet, wenn er sich nur etwas ausgeglichener fühlen würde, bedurfte es vielleicht keiner so großen Überwindung. Aber woher sollte er diese positive Energie schöpfen können, das er, und sei es nur für einen Augenblick lang, Mut daraus gewinnen konnte? Derzeit fühlte er sich einfach nur ausgelaugt und träge und in diesem Zustand viel zu hilflos, um solch ein Vorhaben auch in Angriff nehmen zu können. Und das ließ er auch Miya wissen, der ihn, als der Freund der er war, nicht als Feigling abstempelt, sondern meinte, dass er ihm beistehen würde, egal wie er sich endscheiden sollte. Er hatte sich von Miya verabschiedet nachdem er ihn nach dessen Bitten, im Ginza Distrikt abgesetzte hatte und war auch gleich zu sich nach Hause gefahren, um sich noch etwas auszuruhen. Er fühlte sich noch immer ziemlich mitgenommen und unwohl. Letzteres hauptsächlich wegen Tatsuro. Mürrisch knurrte er, von seinem Sessel aus, in die Stille seines Wohnzimmers, als ihm wieder bewusst wurde, wie albern er sich diesem gegenüber aufgeführt hatte. Angefangen von gestern Abend, bis hin zu heute Morgen, wo er ihn einfach so hatte stehen lassen. Mit einen Griff zu seiner Linken holte er sich eines der Kissen von seiner Couch und platzierte es in seinem Schoß, sodass er seine Arme darum schließen konnte, um es ein wenig in seinem Frust knautschen zu können und schließlich sein Kopf darauf legte. Und dann kam es ihm wieder ein. Tatsuros Erfolg ihn beim Namen genannt zu haben. Doch hatte er nicht ein Wort dazu gesagt und Tatsuro glaube jetzt bestimmt auch noch, dass es ihm gar nicht mehr interessieren würde, wenn er Fortschritte machte. Dabei stimmte das weiß Gott nicht. Jetzt wo er sich dem Ganzen erst einmal so richtig bewusst wurde, fühlte er sich noch elendiger als zuvor. Tatsuro hatte seinen Namen gesagt und er hatte es nicht einmal für nötig gehalten ihn darauf anzusprechen. Er war wirklich einfach nur ein furchtbarer Freund! Auch wenn er ihm nicht alles offenlegen würde können, so sollte er doch wenigstens versuchen, nicht noch mehr Dinge anzuhäufen, die Tatsuro ihm auf irgendeine Art nachtragen könnte. Er wusste das Tatsuro auch heute wieder zu seiner Therapie gehen würde und auch wenn er ihn damit nicht gerade zu großer Freude bewegte, so könnte er doch einfach dort auf ihn warten, damit er sich wenigstens noch einmal bei ihm endschuldigen konnte. Sogleich kam ihm wieder die Erinnerung ein, als Tatsuro ihn damals hatte wissen lassen, das er es zwar wirklich nett finde, das er ihn stets begleitete, er das aber auch alleine schaffe würden und er sich nicht weiter bemühen müsse. Dies war wieder so ein Tag gewesen, wo er das Gefühl nicht losgeworden war, das Tatsuro ihn nicht mehr zu oft um sich haben wollte, egal wie freundlich dieser ihn daraufhin auch angelächelt hatte. Und nun, wo er so darüber nachdachte, war es auch gar nicht mehr so abwegig anzunehmen, das Tatsuro schon zu diesem Zeitpunkt wissen mochte, was ihm so schwer auf der Seele lag und so vehement an ihm nagte. Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass es noch eine Stunde hin war, bis sich Tatsuro auf den Weg machen würde und er sich in der Zwischenzeit vielleicht schon einmal überlegen sollte, was er ihm überhaupt erzählen wollte, wenn er ihm schon so unerwartet auflauern würde. Nachdem er am Morgen noch den Anschein erweckt haben musste, einer Konfrontation mit ihm um jeden Preis aus dem Weg gehen zu wollen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)