Like a crimson sunrise or a waterblue sky full of cherry blossoms von Aka_Tonbo (Tatsu-Yukke) ================================================================================ Kapitel 14: Please ------------------ Mit einem anklagenden Brummen stellte Yusuke fest, dass es schon wieder etwas kälter geworden war, nachdem er den Laden wieder verließ, in welchem er fast einen Jahresvorrat Yatsuhashi (1) als Mitbringsel erstanden hatte. Wenn er sich schon als Einziger von seinen Pflichten drücken durfte, dann war es das Mindeste den Anderen wenigstens etwas mitzubringen. Rasch zog er sich seine Handschuhe über und machte sich wieder auf den Weg, um die sich selbst zugeteilte Ruhepause von seinen Lieben noch ein wenig auszukosten. Es war nicht so, dass er sich genervt fühlte, doch ab und an brauchte jeder einmal etwas Zeit für sich und die hatte er sich heute genommen. Er würde schon noch genügend Hektik ertragen müssen, wenn der Grund für seinen Besuch hier erst einmal so richtig ins Rollen kommen würde. Aber darüber wollte er sich jetzt keine Gedanken machen. Vielleicht würde ihm das Wandeln in den Fußstapfen Kitaro Nishidas(2) zu etwas mehr Ausgeglichenheit verhelfen können, auch wenn der Tetsugaku no Michi(3) um diese Jahreszeit nicht unbedingt durch prachtvolle Blüten oder farbenfrohes Laubwerk bestechen würde. Aber einen Versuch war es dennoch wert. Immer noch besser, als sich weiter durch die überfüllten Straßen zu drängeln, und sich unter all dem weihnachtlichen Brimborium begraben zu lassen. Bis Sakyo-ku war es mit dem Auto auch nicht sonderlich weit. Es war auch schon eine ganze Weile her, dass er die Zeit für einen Gang in einen Schrein gefunden hatte. Und wo, wenn nicht in Kyoto, würde er mehr als genügend Möglichkeiten finden dies nachzuholen? Andächtig hielt Yusuke vor dem roten Torii inne, das ihn vor der Anlage des Shimokamo-Schreins willkommen hieß. Er mochte dieses Gefühl, das ihn durchströmte, wenn er seinen Wurzeln so nahe kommen konnte. Es faszinierte ihn immer wieder aufs Neue, mit welcher Kunst und schlichten Pracht solche Winkel zu beeindrucken wussten. Der kleine Spaziergang auf dem Philosophenpfad hatte ihm genügend Wärme verschafft, dass ihm die anhaltende Kälte nicht mehr zu ärgern vermochte. Schließlich durchquerte er das Tor und schloss sich mit einigen Metern Abstand einem älteren Pärchen an, das wohl ebenfalls einen Gang zum Hauptteil dieser Anlage anstrebte. Es war erstaunlich, aber schon jetzt fühlte er sich ungemein befreit und es wäre nur wünschenswert dieses Gefühl auch noch aufrechterhalten zu können, wenn er wieder in die -Außenwelt- zurückkehren musste. Es war wirklich Schade, dass sich sein Bruder für die westliche Variante einer Vermählung entschieden hatte. Wobei es bei diesen Witterungsbedingungen auch einiges an Entschlossenheit erfordert hätte, hier heiraten zu wollen. Aber er wusste ja auch, dass dieser 27. Dezember nicht unbedacht gewählt worden war. Er konnte sich noch genau an die Rührung seiner Mutter erinnern, als sie ihr das angesetzte Datum der Hochzeit mitgeteilt hatte und diese herzliche Geste rechnete er Taro wirklich hoch an. Auch ihre Eltern hatten sich an einem 27. Dezember das Ja-Wort gegeben. Sie hatten viele gute und auch stürmische Tage hinter sich gelassen, ohne sich einander zu entfremden. Vielleicht lag ja ein gutes Omen über diesem Tag und würde auch Taro und seiner Erika gewogen sein. Gemächlich schritt er den steinernen Weg entlang und traf nur ab und zu auf ebenso enthusiastische Besucher, die sich ausreichend warm verpack auch nicht daran störten, dass es nicht gerade das idealste Wetter für solch einen Rundgang war. Yukke folgte dem Pfad bis zu seinem Ende und fand sich vor einer Treppe mit wenigen Stufen wieder, die ihn ein Stück das Bauwerkes hinauf brachten, welches sein Ziel gewesen war. Nach wenigen weiteren Schritten, fiel sein Augenmerk auf eine Frau die gerade dabei war sich eines der Orakelzettelchen des Omikuji(4) durchzulesen. So wie es aussah versprach es ihr etwas Gutes, da sie die Kiefer die die negativen Offenbarungen trug ignorierte und das kleine unscheinbare Papier in ihrer Handtasche verstaute. Vielleicht sollte er es auch einmal versuchen? Etwas unschlüssig stand er vor den Schachteln die die Omikuji in sich bargen, wählte aber schließlich eine der Mittleren aus und schüttelte diese leicht, um dann sein Schicksal in Form eines Zettels in Empfang nehmen zu können. Vorsichtig entrollte er es und war nicht wirklich überrascht, als er -Han Kyo- darauf geschrieben sah. Eigentlich war es ja noch ein gutes Zeichen, dass es nur ein halber Fluch war, hätte er doch ziemlich hoch darauf gewettet, dass -Kyō- das Urteil über sein Schicksal darstellen würde. Aber bei seinem -Glück- konnte es auch durchaus noch schlimmer kommen. Und um diesem in alter Tradition aus dem Weg zu gehen, überließ er den Fluch dem Baum den schon unzählige dieser unerwünschten Weissagung schmückten und ihm ein wunderlich, bizarres Kleid aus dem Stoff verschaffte, welches einst aus einem der seinen gewonnen worden war. Ironie des Schicksals? Der Blick auf seine Uhr ließ Yukke den Schrein wieder hinter sich lassen und zurück in die Stadt kehren. Die Dunkelheit hatte schon vor einer Weile eingesetzt, als er seinen Wagen wieder auf den Parkplatz des kleinen Hotels abstellte, wo er für die hier zugedachte Zeit seine Unterkunft hatte. Ein schönes Bad würde ihm jetzt auf jeden Fall gut tun und den Rest des Abends würde er mit Fernsehen schauen und einer Ladung Knabberzeug verbringen. * Seit einer halben Stunde hielt Tatsuro nun schon das kleine Telefon in seiner Hand und schaute es unsicher an. Yukkes Nummer war bereits auf dem Display zu lesen und es würde nur noch einen Knopfdruck brauchen, um diese auch anzuwählen. Nur fand er einfach nicht den Mut dazu. Es gab so viele Faktoren die ihn davon abhielten, sobald er glaube sich überwinden zu können. Würde Yukke überhaupt abnehmen, wenn er sah wer ihn anrief? Wenn dieser tatsächlich annehmen würde, würde er ihm dann auch die Chance geben sich zu erklären? Oder würde er ihn nur wieder darauf verweisen, dass er nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte und dann auflegen? Hatte er vielleicht gerade gute Laune und würde diese prompt wieder verlieren, wenn er ihn kontaktieren würde. Würde er ihn vielleicht einfach nur stören, wenn er anrief? Schließlich wusste er ja gar nicht, wo der andere sich momentan aufhielt. War er womöglich mit jemand zusammen unterwegs? All diese Fragen ließen Tatsuro sich die Haare raufen. So würde das nicht funktionieren! Nach weiteren zehn endlos erscheinenden Minuten, schaffte er es allerdings seine Zweifel für einen winzigen Augenblick abzuschalten und die damit gewonnene Unbefangenheit zu nutzen, sein Vorhaben endlich in Angriff zu nehmen. Jedoch spürte er mit jeder weiteren Sekunde die verstrich, wie er wieder zunehmend nervöser wurde und beim ersten Freizeichen schlug sein Herz derart heftig, dass er es in seinen Ohren hören konnte. Doch als seine Bitte nach Gehör auch nach dem sechsten Freiton nicht erwidert wurde, legte er wieder auf. Die Vermutung, dass Yukke ihn wissentlich ignorieren würde, sobald er wusste wer ihn anzurufen versuchte, war damit wohl nicht mehr von der Hand zu weisen. Was hatte er auch erwartet, nach allem was vorgefallen war? Da konnte ihn auch nicht der Gedanke beruhigen, dass dieser es vielleicht gar nicht gehört hatte. Oder gerade mit etwas beschäftigt war, dass es ihm einfach nicht möglich gemacht hatte abzunehmen. Unerwünschter Weise kam ihm gerade bei der letzten Erwägung wieder die Vorstellung ein, dass Yusuke nicht allein sein musste. Und innerlich verfluchte er sich dafür, dass er sich nicht einfach verbildlichen konnte, dass dieser seine Zeit mit einer bestimmten Person beim Shoppen oder schick Essen gehen verbrachte. Sondern das sein erster Gedanke ihm einen unbekleideten Yukke unter weißen Lagen über einem ebenso unverhüllten Körper zeigte und das es nicht er sein durfte mit dem Yukke diese Intimität teilte. Auch wenn es sich nur um seine ausschweifende Fantasie handelte, die ihn so vorführte, war es trotzdem ein Schlag der Wirkung zeigte, wenn er in Erwägung ziehen musste, dass Yukke sich gerade mit jemandem vergnügte. Energisch schüttelte Tatsuro seinen Kopf über diese äußerst unpassenden Gedankengänge und strich sich einige der schwarzen Strähnen, die ihm nun vorwitzig seine Sicht unterbrachen, wieder zurück. Wenn er sich nicht zusammenreißen würde, dann wären seine Absichten sich wieder mit Yukke zu vertragen von vornherein zum Scheitern verurteilt. Ob er es nun wollte oder nicht, er musste sich damit abfinden, dass er eine Kerbe in ihre Freundschaft geschlagen hatte die nicht mehr auszubessern war. Und wenn er noch irgendetwas retten wollte, dann sollte er tunlichst davon absehen sie noch weiter auszuarbeiten, indem er sich ständig damit verrückt machte das Yusuke etwas tun könnte, dass ihm nicht gefiel. Dieser hatte sein eigenes Leben und was er damit tat, musste ihm in diesem Falle, einfach egal sein. Auch wenn er in der letzten Zeit ziemlich kopflos agiert hatte, so war ihm dennoch bewusst, dass Yukke einfach ein viel zu liebenswerter Charakter war, als das er für den Rest seines Lebens allein bleiben würde. Karriere hin oder her. Wenn Yukke es wollte, dann hätte er kein Problem die Frau fürs Leben zu finden. Und vielleicht hatte er es sogar schon getan. Tatsuro wusste nun einmal nichts weiter über die Stylistin, als die Dinge die sie ihn damals zu ihrer Person hatte wissen lassen. Und da er nie dafür bekannt war, sich durch ein immenses Gedächtnisvolumen hervorzutun, waren seine Erinnerungen auch mehr als farblos. Vielleicht war sie wirklich gut für Yusuke? Vielleicht würde er nie wieder eine Person finden, mit der er sich so perfekt verstehen würde? Vielleicht war sie für Yukke die EINE unter Tausenden? Er musste den Schmerz einfach ignorieren, wenn es denn so wäre und er nicht riskieren wollte alles zu verlieren, was ihm hoffentlich noch in Zukunft mit Yukke verbinden würde. Ein wehmütiges Lächeln zierte das Gesicht Tatsuros, als er sich vorstellte, wie hingebungsvoll sich Yusuke sicherlich um seine Nachkommen kümmern würde, die er garantiert einmal haben würde. Yukke wäre ein großartiger Vater, dass stand für ihn fest seit er einmal miterleben durfte, wie fürsorglich er sich um ein kleines Mädchen gekümmert hatte, das im Menschengewirr eines Kaufhause seine Mutter aus den Augen verloren und bittere Tränen über diesen Zustand vergossen hatte. Es lag sicherlich auch daran, dass Yukke durch seine jüngeren Geschwister schon auf so etwas eingestellt war, und es irgendwo als seine Pflicht empfand ihr zu helfen. Er hatte sich ihr angenommen, ihr gut zugeredet damit sie aufhörte zu weinen und sie letztendlich sogar dazu gebracht wieder etwas zu lächeln. Zum Schluss war es ein Leichtes gewesen, sie wieder zu ihrer Mutter zu bringen, da diese schon verzweifelt nach ihrer Tochter gesucht und sie hatte ausrufen lassen. Worauf Yukke sie nur noch zu besagter Stelle bringen musste, wo dem Glück einer Wiedervereinigung dann nichts mehr im Wege stand. Tatsuro war damals wie heute sichtlich beeindruckt von dieser Tat, da er selbst wohl nicht einmal mitbekomme hätte, das dort ein kleines Kind auf seine Art und Weise nach Hilfe suchte. Aber er wollte erleben dürfen, wie Yukke glücklich werden würde. Wenn auch nicht durch ihn oder gar mit ihm. Wenn er ihn wirklich so sehr mochte, wie er diesen Schmerz in sich spürte, dass er ihn gehen lassen musste, dann sollte er ihm keine weiteren Schwierigkeiten bereiten, sondern ihm beistehen. Auch wenn dieser darauf keinen Wert mehr legte. Yukke sollte doch zumindest wissen, dass er ihm nicht egal war und auch nie sein würde. Vielleicht sollte er doch besser noch etwas warten, bis dieser wieder zurück wäre. Persönlich führte sich solch eine Gespräch doch immer noch am effektivsten. * Mit einem leisen Fluchen hastete Yusuke aus dem Badezimmer, in dem er sich gerade für den heutigen Tag zurechtmachen wollte, als sein Handy auch schon wieder verstummte und ihm ein erneutes Fluchen entlockte. Mit der Zahnbürste im Mund suchte er nach dem kleinen Gerät, welches er schließlich auch in der Tasche seiner Jeans fand. Ein Blick auf das Display zeigte ihm jedoch schon zwei verpasste Anrufe. Es verwunderte ihn ein wenig, dass er den Ersten nicht vernommen hatte. Und dann wunderte er sich noch ein ganzes Stück mehr, als er sah, dass der erste Anrufer Tatsuro gewesen war. Und zwar schon am vergangenen Abend. Gedanklich ging er sein Tun vor dem zu Bett gehen noch einmal durch, als er die Zeit der entgangenen Kontaktierung sah. Er stelle schließlich fest, dass er da wohl gerade dazu angesetzt hatte sein Bad nehmen zu wollen und ihm das Klingeln auf Grund des rauschenden Wassers nicht zu Ohren gekommen sein konnte. Was Tatsuro wohl von ihm wollte? Yukke warf das Telefon auf das Bett und ging zurück ins Bad. Es sollte ihm egal sein, was er von ihm gewollte hatte. Am Ende war es nichts von Belang und somit sogar ganz gut, dass er nicht rangegangen war. Womöglich hätte dieser ihm eh nur seine Laune mit sinnlosem Gerede verdorben. Gedankenverloren ließ er die kleine Bürste auf seinen Zähnen hin und her rutschen. "Du bist ein Idiot Yusuke!", nuschelte er zwischen Schaum und Bürste hervor, als er sich dabei ertappte, wie er noch immer darüber nachdachte, was der andere wohl gewollt haben könnte. "Es sollte dir verdammt noch mal egal sein, was der Verrückte wollte!", schalte er sich abermals und setzte dazu an die minzige Gischt aus seinem Mund zu spülen. Dabei fiel ihm nun auch wieder ein, dass es sich bei dem zweiten Anrufer um seine Schwester gehandelt hatte, die er, über seine Irritation in Bezug auf Tatsuros Versuch, völlig ausgeblendet hatte. Es wäre also angebracht sich umgehend bei dieser zu melden, da es bestimmt darum ging, wann sie ihn für ihre heutigen Vorhaben abholen würden. Er sollte seine Aufmerksamkeit wirklich nicht mit Nebensächlichkeiten ablenken. Er hatte schließlich andere, wichtigere Dinge zu tun. Damit schob er die drängelnde Unruhe in seinem Kopf beiseite und investierte seine Energie lieber darin sich zu fragen, was er heute am besten anziehen sollte, ohne das er jemanden seiner Lieben erneuten Anlass gab ihn zu fragen, ob es jenes Kleidungsstück wohl nicht mehr in seiner Größe gegeben hatte. * Als sich Yusuke zu vorgeschrittener Stunde dann in einem kleinen, traditionellen Gasthaus wieder fand war er froh, dass er nicht derjenige war dem die ganze Aufmerksamkeit der Familie zugesprochen wurde. Er konnte an manchen Stellen die angestrengte Miene seines Bruders nur zu gut verstehen, der sich nun eine gut gemeinte Weisheit nach der anderen zum Eheleben anhören musste und nicht einmal die Chance bekam, gedanklich abdriften zu können. Da man ihn auch stets danach fragte, ob er verstanden hätte, was man ihm mitteilen wollte. Mit einem mitleidigen Schmunzeln verspeiste Yusuke nun den Rest seines eingelegten Gemüses und spülte dies mit einem Schluck Reiswein herunter. Er würde sich jetzt noch eine Zigarette gönnen. Schon im Begriff sich für einen Augenblick endschuldigen zu wollen, rückte nun seine Tante ein Stück näher an ihn heran, musterte ihren Neffen kurz und legte ihm dann ihre Hand auf die seine. "Du siehst recht abgespannt aus mein Junge. Du hast bestimmt eine Menge um die Ohren mit deiner Arbeit?" Yukke lächelte die ältere Frau an. Auch wenn er wusste das, wenn er sich jetzt auf ein Gespräch einlassen würde, noch eine Weile auf sein Nikotin verzichten musste, nickte er zustimmend ob der Feststellung und begann ein wenig von dem alltäglichen Stress seiner Berufung zu berichten. Er vermied es aber tunlichst auf den wirklichen Grund seiner offensichtlichen Ermüdung einzugehen, da er sich das Ganze ja nicht einmal selbst richtig erklären konnte. Geschweige denn jemand anderem. Und während sie sich so unterhielten kam ihm wieder der Gedanke, was Tatsuro wohl für eine Motivation gehabt hatte ihn anrufen zu wollen. Vielleicht sollte er Miya einmal behelligen, womöglich konnte er ihm da schon weiterhelfen. Auch wenn er ihn nicht direkt danach fragen würde. Genüsslich nahm er den ersten Zug von seinem Tabak und verfolgte, wie sich der entlassene weiß-blauen Qualm mit der kühlen Abendluft verband. Jetzt wäre eine gute Gelegenheit sich bei Miya zu melden. Es sein denn dieser hätte wieder zu längerem Bleiben aufgefordert und sie würden demzufolge noch am Arbeiten sein. Doch schien es ihm eher unwahrscheinlich. Kurzerhand hatte er sein Telefon auch schon gezückt und suchte nun die Nummer seines Freundes in seinem Kontaktspeicher auf. Nach mehrmaligem Klingeln meldete sich dann auch schon eine vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung, worauf Yukke sicherlich seine Zigarette aus dem Mundwinkel gefallen wäre, hätte sich diese noch dort befunden. Doch anstatt noch fast jungfräulich zu Boden zu gleiten, verharrte sie zwischen seinen schlanken Fingern, welche nun plötzlich leicht unruhig wurden. "Tat...suro?" Der Unglaube nun ihren Sänger am Telefon zu haben und nicht, wie erwartet, Miya überforderte ihn ein wenig, was auch die Unsicherheit in seiner Stimme verdeutlichte. "Ah Yukke, du willst bestimmt mit Miya sprechen. Er müsste gleich wieder da sein.", informierte ihn Tatsuro, als auch schon wieder Stille in die Leitung trat, da keiner so recht zu wissen schien, wie er mit dieser unvorhergesehenen Situation umgehen sollte. Noch immer war Yukke nicht klar, warum Tatsuro diesen Anruf entgegen genommen hatte. Auch fand er sich selbst mehr als erbärmlich nun hier zu stehen, mit seinem Telefon am Ohr und einer unangenehmen Stille zu lauschen anstatt zu sagen, dass er es später noch einmal versuchen würde und einfach wieder auflegte. Es sollte eigentlich nicht das Problem sein. Eigentlich. Nur war es ihm als würde er darüber kaum Entscheidungsgewalt besitzen. Es wäre auch die Möglichkeit zu fragen, was der Andere gestern von ihm gewollte hatte. Schließlich beschäftigte ihn diese schon den ganzen Tag über, auch wenn er immer wieder versucht hatte es bei Seite zu schieben. Tatsuro indes kaute nervös auf seiner Unterlippe herum, da etwas in ihm sagte, dass er die Gelegenheit am Schopfe packen sollte, wenn er Yukke schon mal am Hörer hatte und mit ihm sprechen könnte. Es wäre ein erster Schritt, um wieder etwas Ordnung in das Chaos zu bringen, das er verursacht hatte. Doch in dem Moment, als er sich die ersten Worte zurecht gelegt hatte, hörte er wie Miya wieder das Zimmer betrat und dieser ihm nun das Handy abnahm. "Sein sie gegrüßt Shimoyama-san!", nahm er das Gespräch entgegen und wunderte sich sichtlich darüber, dass man ihm nicht antwortete. Bis ihn Tatsuro aus dem Hintergrund darauf verwies, dass es sich nicht um den erwarteten Anruf des Photographen handelte, den er in seiner Abwesenheit entgegen nehmen sollte, falls dieser sich gerade zu diesem Zeitpunkt melden würde, sondern das es Yukke wäre, der mit ihm sprechen wollte. "Oh Yukke, tut mir leid ich hab dich verwechselt. Was gibt es denn?" Yukke atmete einmal tief durch, da ihm der fliegende Wechsel seiner Gesprächspartner etwas überrumpelte, obwohl er mit Ersterem ja nicht einmal wirklich gesprochen hatte. "Oi Miya, ich wollte mich einfach mal bei dir melden, um mich zu erkundigen, ob ihr auch ohne mich noch zu Recht kommt." Miya musste leicht auflachen bei dieser nicht ganz ernst gemeinten Nachfrage und versicherte seinem Freund, dass es bis jetzt noch keine Schwierigkeiten gab und er sich keine Sorgen zu machen brauchte. Es war etwas umständlich für ihn sich mit Yukke zu unterhalten, da sich Tatsuro noch immer in seiner Hörweite befand und er nicht wusste, ob er preisgeben durfte, wo sich Yusuke gerade aufhielt, da dieser ihn ja gebeten hatte nichts zu verraten, bis alles vorbei sein würde. Also beschränkte er sich auf gut überlegten Smalltalk, was Yukke auch zu deuten wusste und auch ohne konkrete Fragen etwas über seinen Aufenthalt und dessen Grund erzählte. "Na gut, dann melde dich, wenn du wieder da sein solltest. Nicht das du uns unterwegs noch verloren gehst." Damit war Miya auch schon drauf und dran wieder auflegen zu wollen, als Tatsuro ihm abrupt das Telefon aus der Hand nahm. "Yukke!" Dieser hatte sein Handy schon von seinem Ohr genommen, da er das Gespräch für beendet hielt, als er noch einmal seinen Namen vernahm und im Glauben Miya hätte etwas vergessen zu erwähnen, es wieder zurück führte. "Hast du was vergessen?", erkundigte er sich und war abermals etwas irritiert, als er Tatsuro anstatt Miya vernahm. "Ja habe ich! Wann kommst du wieder?" Yukke war sich nicht sicher, ob er auf diese Frage wirklich antworten sollte. Immerhin ging es den Anderen gar nichts an. Und dass dieser auf einmal wieder so vertraut mit ihm tat, empfand er schon als etwas dreist. "Bitte!", schickte Tatsuro in einem Ton hinterher, der Yukke dazu brachte etwas zu erweichen. "Montag.", gab es also knapp zur Antwort, auch wenn er nicht wusste, was Tatsuro diese Information bringen sollte. "Können..., können wir uns am Dienstag treffen? Ich möchte... Um acht Ueno Onshi Kōen - Saigo Takamori (5). Bitte..." Und noch bevor Yukke ablehnen konnte, hatte Tatsuro auch schon aufgelegt und ließ ihn völlig perplex am anderen Ende der Leitung zurück. Dieser Kerl hatte ja wirklich Nerven, ihn einfach so zu überfallen! Schon allein dafür würde er seinem Wunsch nicht nachkommen. Yukke verstaute sein Handy wieder in der Tasche seiner Jacke und warf den Rest seiner Zigarette in den dafür vorgesehenen Behälter zu seiner Rechten. Tatsuro konnte lange warten! Die Zeiten, wo er sich durch einfaches Bitten von ihm um den Finger wickeln ließ, waren vorbei. *** Hier noch ein paar Erläuterungen, falls es denn jemanden interessieren sollte, (1) http://de.wikipedia.org/wiki/Yatsuhashi (2) http://de.wikipedia.org/wiki/Kitaro_Nishida (3) http://de.wikipedia.org/wiki/Tetsugaku_no_Michi (4) http://de.wikipedia.org/wiki/Omikuji (5) http://de.wikipedia.org/wiki/Ueno-Park Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)