Zum Inhalt der Seite

Einhundertzehn Ereignisse

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

59. Märchen: Ein Ritter in strahlender Rüstung

Ein Ritter in strahlender Rüstung:
 

„Und sie lebten glücklich und zufrieden. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.“

Es war reiner Zufall gewesen, der das alte, vergilbte Buch in Integras Hände gebracht hatte. Sie war nicht auf der Suche nach etwas Bestimmten gewesen, als sie an diesem verregneten Nachmittag im Februar die Bibliothek des Anwesens betreten hatte. In ruhigen Stunden verbrachte sie gerne Zeit hier. Es gab so vieles, das sie noch nicht gelesen hatte, ja eigentlich sogar zu viel um jemals alles lesen zu können.
 

In einer Ecke, weit hinten, ja fast schon versteckt hinter den historischen Aufzeichnungen über Vampire der verschiedensten Epochen, hatte sie dann das Regal gefunden, in dem die Bücher ihrer Kindheit verstaut waren. Sie hatte nicht gewusst, dass es sie überhaupt noch gab. Nachdem sie sie mit 13 Jahren endgültig aus ihrem Zimmer verbannt hatte, hatte sie eigentlich nie wieder einen Gedanken daran verschwendet. Weder an die Bücher selbst, noch an ihren Inhalt.
 

Sie hatte nie viel auf diese Geschichten gegeben, sie waren eine tröstliche Kindheitserinnerung, nicht mehr oder weniger. Versonnen betrachtete Integra das Bild des Ritters, der, die Prinzessin in den Armen haltend, in den Sonnenuntergang ritt.
 

„Warum vertreibt Ihr Euch Eure Zeit mit solchem geistlosen Schund?“ Integra blickte von den alten Seiten auf, als der Vampir sich aus dem Schatten des Regals materialisierte. Eigentlich war es zu früh für ihn, aber auch er schien von der Ereignislosigkeit der letzten Tage rastlos geworden zu sein.

„Ihr habt so etwas nicht nötig, dieses Gewäsch über das Gerettet werden“, er grinste während er sich an das Regal lehnte „oder vielleicht doch?“

Verstimmt klappte sie das Buch etwas fester zu, als gewollt. Ein hässliches Klatschen ertönte. Wütend auf diesen Ausrutscher rückte sie es nun vorsichtig wieder an seinen Platz. Er legte es nur darauf an, sie zu verärgern und sie gönnte ihm auch noch einen kleinen Triumph, in dem sie ihm zeigte, dass es sie nicht kalt ließ.

„Warum wundert es mich nicht, dass du nichts von Rittern in strahlender Rüstung verstehst?“ Mehr Gewohnheit als echtes Interesse an der Diskussion brachte sie dazu, diese Gegenfrage zu stellen.

„Oder spricht da der Neid? Das Monster bekommt schließlich selten die Prinzessin…“

Er schnaubt verächtlich.

„Kein Interesse an edlen Frauen mehr in diesen Tagen?“, zog sie ihn weiter auf. „In letzter Zeit scheinen deine Ansprüche sich ja eher auf das Ordinäre zu reduzieren.“

Tatsächlich interessierte es sie, mehr als sie je zugeben würde, aus welchem Grund er vor nicht allzu langer Zeit ausgerechnet dieses Polizeimädchen verwandelt hatte.
 

Als keine Entgegnung folgte, hielt Integra das Gespräch bereits für beendet. Sie wandte sich ab und hatte schon beinahe die Bibliothek verlassen, als er nun doch noch zu sprechen begann.

„Wer will schon eine Prinzessin, die es nicht fertig bringt, sich aus einer Notlage zu befreien, für die der Ritter seine strahlende Rüstung noch nicht einmal beschmutzen muss?“

Ohne sich bemerkbar zu machen, hatte er den Raum durchquert und versperrte ihr nun den Weg.

„Dein kleiner Zeitvertreib scheint nicht gerade in die Kategorie selbstständig zu fallen.“

„Was man als Monster nicht alles bereit ist zu tun um eine emanzipierte holde Jungfer dazu zu bringen, dass sie beginnt, dem vom rechten Weg abgekommenen Grafen etwas mehr Beachtung zu schenken..."

Mit einem Lachen verschwand er.

73. Spiegel

Spiegel:
 

Es war ein Paradoxon.
 

Aufgefallen war es ihr im zarten Alter von 15 Jahren. Mit großen Augen hatte sie festgestellt, dass nicht alles was in Filmen und Büchern über Vampire berichtet wurde von der Realität abwich.
 

Sie hatten tatsächlich kein Spiegelbild.
 

Darüber hatte sich Integra niemals Gedanken gemacht - bis sie einen halben Herzinfarkt erlitten hatte, als sie, in der Annahme alleine zu sein - schließlich war ja niemand außer ihr in dem Badezimmerspiegel zu sehen gewesen - ihre Haare gekämmt hatte, nichts böses ahnend.
 

Vampire haben keine Seele - so hieß es, deshalb besitzen sie kein Spiegelbild.
 

Es dauerte einige Jahre, bis sie wieder einen Gedanken an dieses Phänomen verschwendete.
 

Doch eines Tages, sie war wieder dabei ihre Haare zu kämmen, kam ihr ein Gedanke:
 

Tiere haben keine Seele - so hieß es...
 

Irgendetwas konnte da nicht stimmen.

78. Klinge

78. Klinge
 

Lichtstrahlen brachen sich an der spiegelnden Oberfläche der scharfen Klinge. Zweifelnd betrachtete das 16-jährige Mädchen den Stahl. Er fühlte sich kalt in ihren Händen an. Sie war sich nicht sicher, ob sie es wirklich tun sollte. Doch sie hatte das dringende Gefühl, dass sie es tun musste.
 

Viel zu oft schon in ihrem jungen Leben war sie gezwungen gewesen, Dinge zu tun, die sie nicht gewollt hatte. Der Druck lastete schwer auf ihr. Die Verantwortung, die Angst zu versagen, die Einsamkeit.

Es würde ein endgültiger Schnitt sein, wenn sie sich denn dazu durchringen könnte.
 

Aus dem Badezimmerspiegel blickten ihr die kalten, abgebrühten Augen eines Mädchens entgegen, das vollkommen verloren wirkte, in dem maßgeschneiderten Anzug, mit der Krawatte und dem hochgeschlossenen Hemd. Die Kleidung fühlte sich ungewohnt an und das war sie auch. Erst vor einer Woche hatte ein Schneider das Anwesen aufgesucht und sie gefühlte Stunden lang vermessen, hatte Nadeln in Stoffteile und zu ihrem Missfallen auch in ihre Haut gesteckt. Er wäre es nicht gewöhnt solche Dinge für eine junge Lady anzufertigen, waren seine Worte gewesen.
 

Doch sie durfte nicht mehr eine junge Lady sein.

Niemand würde sie ernst nehmen, adrett gekleidet, höflich und sich dem Willen der Erwachsenen unterwerfend.

Sie musste ihre neue Rolle nicht nur spielen, sie musste sie werden.

So trug sie nun die neue Kleidung, die erstaunlicherweise doch besser verarbeitet war, als die unsicheren Hände des Schneiders sie es hatten befürchten lassen.
 

Sie konnte ihren Blick nicht von dem schimmernden Metall abwenden. Es würde nicht lange dauern, nur ein, zwei kurze Schnitte, dann wäre es getan.

Mit zitternden Fingern hob sie die Klinge.

Sie lockerte den Stoff des Hemdes, damit sie besseren Zugriff auf die Stelle hatte, an der sie schneiden wollte.

Noch einmal sah sie sich selbst in die Augen, bevor sie sie schloss und ihren Griff festigte. Weiß traten die Knöchel an ihrer Hand hervor, so sehr umklammerte sie das Messer.
 

Doch bevor sie den Schnitt ausführen konnte, legte sich eine Hand auf ihre Schulter und eine andere auf ihre Rechte, die die Klinge hielt. Integra zuckte nicht zusammen, sie erschrak nicht einmal.

Ein Scheppern erklang als das Messer ihren Fingern entglitt und im Waschbecken aufschlug. Mit fragendem Bick drehte sie sich um, nur um auf die undurchschaubaren Augen des Vampirs zu treffen.

Er ließ ihre Hand nicht los. Stattdessen griff er mit der anderen nach einer Strähne ihres blonden Haares.

„Lasst es, wie es ist“, waren seine einzigen Worte, bevor er wieder verschwand.
 

Und sie ließ es so.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2010-10-12T21:44:27+00:00 12.10.2010 23:44
hihi ^^
als, kapitel 1 find ich gut =D *dir mal deinen ersten kommi dalass*
man merkt, dass du dir gedanken gemacht hast, und das ist gut :D von nem todestag hab ich bisher eher selten gelesen, und wenn, dann noch nie auf so eine art ausgearbeitet ^^
und kapitel 2 gefällt mir auch: obwohl es so kurz ist, hat es einen gewaltigen kerngedanken in sich, über den man länger nachdenken kann <3
gut gemacht
mehr bitte ;)


Zurück