Zum Inhalt der Seite

Complications

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

- 8-

"Wirklich, das ist nicht witzig. Überhaupt nicht!", grummelte ich genervt, aber Jenny und Marley das Grinsen aus dem Gesicht zu wischen war schwieriger, als gedacht. Überhaupt war dieser Abend eine einzige Zeitverschwendung, denn irgendwie schienen meine beiden Freundinnen ganz und gar nicht auf meiner Seite zu sein. Außerdem hatte ich wegen Jason schon seit Tagen schlechte Laune, und das gefiel mir ebenfalls nicht. Ich konnte doch nicht dauernd miesepetrig herumrennen! Trotzdem störte mich die Reaktion der beiden. Man musste ja nicht hinter jedem Busch eine Liebesaffäre wittern, oder?

"Doch, ich bin sicher in ein paar Tagen wirst du auch darüber lachen können", versicherte Marley mir großspurig und kratzte sich abwesend am Oberarm, was mich an die Windpocken denken ließ, die in ihrer Schule grassierten...

Wir hatten es uns in meinem Wohnzimmer auf dem Sofa gemütlich gemacht und uns gegen einen Film entschieden, da Wichtigeres anstand. Da wir am nächsten Morgen alle zur Arbeit mussten, konnte der Abend sowieso nicht allzu lange dauern – außerdem müsste Jenny zu ihrem Sohn zurück -, also unterhielten wir uns nur, tranken ungesunde Limonade und aßen ungesundes Chipszeug. Wenigstens das gönnten wir uns.

Ich schüttelte den Kopf. "Sicher nicht. Da gibt es nichts zu lachen. Das ist ja schon fast... Belästigung..."

"Also in manchen Ländern", mischte Jenny sich nun auch ein, "ist ein Kuss auf die Wange Pflicht bei einer angemessenen Begrüßung oder beim Abschied."

"Ja schön." Ich schnaubte. "Wir sind hier aber nicht 'in manchen Ländern' und niemand muss sich so etwas bieten lassen, wenn er nicht will."

"Ich weiß ja, dass es nicht schwierig ist, Amy dazu zu bringen, aus der Haut zu fahren, aber ist dieser Jason wirklich so furchtbar, wie sie behauptet?" Marley wandte sich nun an Jenny, da sie meinem Urteil anscheinend keinen Glauben schenkte, und nahm sich einen Erdnussflip aus der Chipsschüssel, auf dem sie bedächtig herumkaute.

Jenny schüttelte den Kopf und seufzte genießerisch. In ihre Augen trat ein verträumter Ausdruck. "Jason ist der Knaller", verkündete sie. "Jung, ambitioniert, gutaussehend!" Das letzte Wort sagte sie mit besonderer Betonung, als ob alles Andere eigentlich gar nicht zählte. Dann kicherte sie mädchenhaft und warf mir einen verschmitzen Blick zu. "Und ich glaub’ Amy auf's Wort, dass er eine Frau dazu bringen kann, vollkommen außer sich zu sein."

Ich rollte mit den Augen. Wieso glaubte mir hier eigentlich keiner, dass Jason hinter seiner schönen Fassade ein furchtbarer Kerl war? Ich kam mir vor, wie in einem schlechten Film.

"Und nun?", wollte Marley dann endlich wissen und griff nun mit der ganzen Hand in die Schüssel hinein, ohne hinzuschauen. Jenny hatte heute noch nichts davon gegessen.

"Tja", erwiderte ich niedergeschlagen und merkte, wie meine Schultern unwillkürlich nach vorne sanken. "Jetzt muss ich mir was einfallen lassen, sonst bewilligt er auf keinen Fall das Budget und sucht sich ein anderes Unternehmen für dieses Riesenprojekt."

"Was?", hickste Marley empört. Anscheinend schien sie langsam zu verstehen, was ich ihr seit Anbeginn meiner Zusammenarbeit mit Cornell zu erklären versuchte. "Das geht doch nicht. Also ich fand deine Entwürfe immer ziemlich hübsch. Komisch."

"Warte mal", fiel Jenny ihr ins Wort. "Was hast du eben gesagt?"

Ich zuckte mit den Schultern. "Ich muss mir was Anderes einfallen lassen. Leider habe ich keine Ahnung, was Mr. Superwichtig sehen will. Hier habe ich echt das Gefühl, ich muss was anfertigen, was ihm gefällt und nicht, was den Kunden möglicherweise gefallen könnte..."

"Nein, nein", winkte Jenny ungeduldig ab und runzelte die Stirn, fixierte mich mit ihren himmelblauen Augen. "Das mit dem Budget. Wie kommst du darauf?"

"Hat er selbst gesagt."

Sie grinste.

"Was ist?", wollte ich misstrauisch wissen. "Warum lachst du so?"

Jenny lehnte sich genüsslich zurück und maß mich mit einem allwissenden Blick, wie sie es immer tat, wenn sie etwas wusste, was sonst niemandem bekannt war. Wenn sie wieder einmal am längeren Hebel saß – und als Empfangsdame, die alles sah und alles hörte -, passierte das ziemlich oft. Das kostete sie immer voll und ganz aus. "Na ja." Sie wackelte mit dem Zeigefinger in der Luft herum. "Um ehrlich zu sein..."

"Sag schon", verlangte ich.

"Das Budget wurde uns schon bewilligt."

Meine Kinnlade klappte nach unten. "Was?"

"Ja. Ich dachte du wüsstest das", sagte sie entschuldigend und schaute mich mitleidig an. "Ich dachte, du regst dich nur so über ihn auf, weil ihr darauf steht. Euer persönliches Vorspiel oder so."

Ich warf ihr einen entrüsteten, todbringenden Blick zu und sie grinste verlegen. "Na, manche Leute mögen so was ja. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du so außer dir bist. Also, wirklich außer dir."

"Warte mal", sagte ich langsam und hob die Hände, um beiden zu bedeuten, keinen Mucks von sich zu geben, während ich überlegte. "Wir kriegen das Geld also?! Und seit... seit wann wissen wir das? Du", korrigierte ich mich schnell, denn ich hatte ja anscheinend von nichts eine Ahnung.

"Na seit gestern. Nach eurer Besprechung ist er direkt zu mir und hat alles unterschrieben. Ich dachte, es sei gut gelaufen, deshalb konnte ich auch nicht nachvollziehen..." Sie unterbrach sich. "Aber wenn du das die ganze Zeit gedacht hast..." Sie gluckste plötzlich. "Wow, da hat er dich ja ganz schön an der Nase herumgeführt, was?"

Marley grinste mich an. "Nicht jeder schafft es, Amy zu veralbern", stimmte sie fröhlich zu.

Ich konnte es noch immer nicht so recht fassen und schaute kopfschüttelnd von einer zur anderen. "Aber... was bedeutet das?", brachte ich verwirrt heraus.

"Was?", wollte Jenny wissen.

Ich fuhr mir durch die Haare und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. "Wenn er alles sofort unterschrieben und bewilligt hat, warum hat er mir dann... all diese Dinge vorgeworfen und gesagt, ich sei nicht gut genug?"

Marley nahm sich die Chipsschüssel auf den Schoß, da außer ihr sowieso niemand an den Knabbereien interessiert war. "Keine Ahnung. Vielleicht wollte er dich dazu anstacheln, besser zu werden?"

"Und über dich hinauszuwachsen", fügte Jenny hilfsbereit hinzu und lächelte.

Aber egal, was die zwei dachten oder sagten, es konnte nur eine Erklärung für diese furchtbar miese und gemeine Aktion geben... nämlich die, dass Jason selbst ein furchtbar mieser und gemeiner Mensch war. Er hatte sich über mich lustig gemacht, mein Talent in Frage gestellt und mich persönlich beleidigt. Und dann war er hingegangen und hatte, ganz entgegen seiner Drohungen, trotzdem alles geregelt, als würde er sich meiner erbarmen. Das war noch viel verletzender, als alles, was er zu mir gesagt hatte. Diese Geste ließ ihn dastehen wie einen gütigen Menschen, der viel zu viel Anstand und Mitleid mit anderen hatte, und mich ließ sie dastehen wie jemanden, der auf diese Almosen angewiesen war. Ich beschloss, Jason Cornell zu hassen. Für immer und ewig.

"Themenwechsel", rief Marley, die wohl an meinem düsteren Gesichtsausdruck meine Gedanken erraten konnte. "Jen, wo ist Timmy eigentlich?"

Timmy war Jenny's kleiner Sohn, dreijährig und überaus lebhaft.

"Bei der Babysitterin. Wir haben eine neue. Sie ist sechzehn und mit ihrem Vater vor ein paar Wochen ins Nachbarhaus eingezogen, ich glaube, sie sind ein bisschen, na ja..." Sie druckste verlegen herum. "Ein bisschen arm... Jedenfalls hat sie letzte Woche kurz auf Tim aufgepasst, als ich schnell was im Supermarkt holen musste und die beiden haben sich so gut verstanden, dass ich sie gefragt habe, ob sie nicht Lust hätte, ab und an mal vorbeizuschauen, wenn ich etwas vor habe. Sie war begeistert."

Ich wurde ein bisschen von meiner Misere abgelenkt und lauschte Jenny's Ausführungen, aber irgendwo im Hinterkopf lauerte noch immer Jason. Zu meinem großen Bedauern.

"Ohoo", machte Marley lauernd. "Ein alleinerziehender Mann also, ja?" Dass sie aus dieser Erzählung nur diese eine Information herausgefiltert hatte, sagte ja schon so einiges.

Jenny lächelte in bisschen schüchtern. "Ja. Sieht ganz danach aus."

Ich klaute Marley die Schüssel und klammerte mich an ihr fest. "Wie kannst du... ich meine, dein Ex-Freund war ein Arschloch. Ist. Immer noch."

Jenny zuckte gleichmütig mit den Schultern. "Ja. Ist er. Was meinst du?"

"Ich meine", begann ich langsam, "wie kannst du überhaupt noch an Männer denken oder in Erwägung ziehen, darauf zu vertrauen, dass sie irgendetwas Gutes in sich haben, wenn du so behandelt wurdest?"

"Uff", murmelte Marley leise, schaute mich von der Seite an und wich dann meinem Blick aus, als ich sie ansah.

Jen hingegen lächelte - aber es war ein nachsichtiges Lächeln, was mich normalerweise auf die Palme bringen würde. Aber ich war viel zu verwirrt, um jetzt noch darauf einzugehen. "Ich kann doch nicht mein ganzes Leben lang herumsitzen und jammern, nur weil mir eins von den eher mangelhafteren Exemplaren untergekommen ist, oder? Und ich glaube daran, dass nicht alle so sind, weil ich einen Sohn habe, der ganz bestimmt kein Arschloch wird, wenn er groß ist, dem ich Verantwortung und Pflichtgefühl beibringe und ich vertraue darauf, dass Mütter das schon vor mir gemacht haben und es noch immer tun."

Ich ließ mir das durch den Kopf gehen und kaute auf den Flips, die mir überhaupt nicht schmeckten. Wieso hatte ich sie eigentlich gekauft? Fast wahllos hatte ich Zeug in den Einkaufswagen geschmissen, das mir einigermaßen passend für einen Abend mit Freunden erschien. Aber in Wirklichkeit hatte ich nur Rot gesehen und die ganze Zeit über Mr. Mistkerl Cornell nachgedacht, ohne mich ernsthaft mit dem Einkauf zu beschäftigen. Ich hasste Erdnussflips, beschloss ich. Genauso wie Jason. Für immer und ewig. Weil sie mich jetzt immer an ihn erinnern würden.

"Nicht immer sind die Eltern schuld. Du kannst ja durchaus eine nette Person sein, aber wenn dein Sohn sich die falschen Freunde aussucht...", warf ich nachdenklich ein.

"Ja, schon", gab Jenny zu, "aber deswegen kann ich ja trotzdem mein bestes geben. Und nicht jeder Mann hat den falschen Freundeskreis."

"Mensch, Amy", mischte sich nun auch Marley ein. "Du musst irgendetwas machen."

Ich blinzelte sie überrascht an. "Inwiefern?"

"Na..." Sie hob die Arme hoch zum Himmel, als wäre es selbstverständlich und nur ich stände auf dem Schlauch. "Gegen deine Männerangst. Nur weil dein Dad so ein Idiot war... ich meine", sagte sie schnell, als sie merkte, wie mein Gesicht sich verdunkelte, "nicht alle sind so, dass sie einen im Stich lassen. Okay - Jenny hat eben auch Pech gehabt. Aber zwei von Hundert sind noch lange nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme davon..."

"Und woher", brauste ich auf, "nimmst du die Zuversicht, dass es den 98 anderen nicht ebenso ergangen ist? So, wie ich das sehe, sind wir hier in dem Verhältnis zwei zu eins - Jenny und ich gegen dich glückliche Pärchenfrau, was 66% und damit eindeutig die Mehrheit ist. Ha!"

Jenny machte den Mund auf, um etwas zu sagen, doch Marley kam ihr zuvor. "Aber dafür verallgemeinert sie das nicht alles so furchtbar. Du kannst doch nicht sagen, dass alle Kerle grün tragen, nur weil du einen gesehen hast, der grün trägt."

Ein seltsamer Vergleich.

"Doch", erwiderte ich trotzig, mir sehr wohl bewusst, dass ich die Diskussion hiermit ins Lächerliche zog und wie ein verwöhntes Gör klang, das darauf bestand, immer Recht zu haben, "das kann ich."

Marley seufzte. Und sie hatte Recht damit, denn das war unser ewig-leidiges Thema. Sie behauptete steif und fest, ich hätte in Problem, dabei war sie diejenige, die nicht verstand. Und ich konnte es ihr nicht verübeln, denn in ihrem Leben war schon immer alles glatt gelaufen. Keine furchtbare Kindheit - ihre Eltern haben sie verhätschelt -, und in ihrem Liebesleben lief es auch super. Das einzige, das ich hatten, war mein Job, und selbst den drohte mir Jason jetzt zu verderben. Jason - ein Mann! Wenn das nicht alles sagte, was ich wissen musste, dann weiß ich auch nicht mehr weiter...

Jenny streckte zaghaft die Hand aus und klaute sich einen Erdnussflip aus der Schüssel, die ich immer noch umklammert hielt. "Und", fragte sie vorsichtig, wahrscheinlich, um dem sensiblen Thema aus dem Weg zu gehen und die Gemüter wieder zu beruhigen, "was machst du jetzt weiter? Mit deinen Entwürfen?"

Ich zuckte mit den Schultern. Ich hatte wenig Lust, alles noch einmal umzumodeln, nur weil Mr. Güte persönlich ein blindes Arschloch war. "Weiß ich nicht. Ich schau mich morgen erst mal auf der Baustelle um. Vielleicht fällt mir ja da etwas ein." Aber ich hatte gute Lust, einfach alles so zu lassen, wie es war, ohne irgendetwas zu verändern, und es Jason beim nächsten Mal einfach wieder vor den Latz zu knallen. Das würde ihn bestimmt ärgern...

Ich stellte die Schüssel wieder auf den Tisch und atmete erleichtert aus. So richtig zufrieden war ich zwar noch nicht, aber er sollte nicht glauben, dass er mir die Arbeit zur Hölle machen konnte, ohne, dass ich mich bei ihm dafür revanchierte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2011-01-26T08:41:13+00:00 26.01.2011 09:41
Breathtaking, funny, sad, charming, complicated ... just wonderful.
Von:  Monsterseifenblase
2010-09-13T16:47:38+00:00 13.09.2010 18:47
BUM.Wieder da!
Jaaa, wenn man so nette Freunde hat braucht man erst einmal keine Feinde`;D Obwohl ich die These aufgestellt habe, dass Fiesheiten und Beleidigungen nicht nur in der Liebe, sondern auch im Freundeskreis ein Zeichen, dafür ist, dass man sich mag. Wenn ich falsch liege, habe ich keine Freunde ;D
Und generell finde ich es nicht so nett, dass er Amy verarscht hat....das Prinzip verstehe ich, finde aber trotzdem dass man so extrem auf einem Arbeitgeber und Arbeitnehmerverhältnis, was die beiden (zusätzlich zu dem kommendem anderen:) ja haben, nicht ganz in Ordnung. Aber was will man machen, hat natürlich auch was, das zu lesen.
Ach, bevor ich es vergesse, das mit den Windpocken ist ne nette und lustige Nebensache, aber bitte bitte lass sie in den nächsten Kapiteln keine Windpocken kriegen und das dann irgendwie mit Jason verbinden bzw., im mehr Stoff zum ärgern zu geben. Das fände ich an dieser Stelle zu offensichtlich ;D
Und jetzt wandere ich mal weiter und schau mal, was sich auf mexxe noch an Arbeit für mich finden lässt ;D
Ich hoffe auf eine ENS beim nächsten Kapitel! :)
Lg

Monsterseifenblase
KmS
Von:  Foresight
2010-09-06T13:39:30+00:00 06.09.2010 15:39
Wieder so ein tolles Kapitel. :3 Jetzt wissen wir ja schonmal, warum sich Amy allgemein so gegen die Männerwelt - Jason - sträubt. Da hat er sich wirklich einen gemeinen Scherz mit ihr erlaubt und ich kann mir gut vorstellen, dass sie ihm das mit gleicher Münze heimzahlen will. Ich bin gespannt. ^^
Besonders gut hat mir gefallen, dass sich die verschiedeen Charaktere so rauskristallisiert haben. ^^ Ich mag Jennys Einstellung, das ist genau die richtige!
Freu mich schon aufs nächste Kapitel. ^^
Von:  -Nami
2010-09-02T17:37:03+00:00 02.09.2010 19:37
oh ein tolles kapi, nur schade, dass es etwas kurz ist, ich hätte gern weitergelesen :)
ich war echt davon überzeugt, dass ihre arbeit doch nicht so gut ist und dann das - er hat sie verarscht XDDD
Ich freu mich, wenns weiter geht. Dein Schreibstil gefällt mir sehr und auch deine anderen Geschichten finde ich sehr gut. Besonders die Bilder!!*.*

lg -Nami



Zurück