Übersetzung .hack//GU-The Staircase to Nowhere von Miyu-Moon (Die Treppe ins Nirgendwo) ================================================================================ Kapitel 1: Eine Melodie der Melancholie --------------------------------------- Prolog: „Komm...“ „Was?“ Der Raum war schwarz, kräuselte sich leicht als er darauf starrte. Dort war nichts. Keine Sicht. Kein Geräusch. Kein Gedanke. Keine Identität. Er war nichts, niemand. Alles dort war nichts außer dem kontinuierlichen Echo des einen, schwachen Worts, das von unsichtbaren Wänden wider hallte. „Komm…näher…du...bist…“ „Was bin ich? Wer bist du?“ Die Stimme war kraftlos, tief und er konnte den Sprecher fast nicht verstehen. Er konnte nicht sehen wer sprach, aber sehen zu können war nicht länger eine Notwendigkeit. Er konnte fast die erdrückende Präsenz spüren, die auf ihn einstürzte. „Wo bin ich? Was bin ich?“ „Du…bist…notwendig…“ „Was..? Ich verstehe nicht…“ „Epi…taph…Ava…tar…Beschü…tzer…Du…musst…die…Bürde…nehmen…“ „Was?“ Er wurde mit einem Gefühl von Unwissenheit zurückgelassen. Er konnte nicht sehen wer oder was die Präsenz war, aber er versuchte danach zu greifen, hoffte den Ursprung der Stimme zu finden. Er berührte die Dunkelheit, erzeugte ein Kräuseln, wie Wellen in einem Teich, die dann wie eine schwarze Glasscheibe zerbrach. Winzige Risse die wuchsen und sich nach außen ausbreiteten, aufwärts, abwärts, bis das Licht einzudringen begann, wie ein enormes, leuchtendes Spinnennetz. Und dann fiel er. Fiel…fiel…fiel ewig in den unendlichen Abgrund, wo keine Antworten sein konnten. Nur Fragen. Kapitel Eins: Eine Melodie der Melancholie Ryou Masaki erwachte und fand sich selber schwitzend vor. Er keuchte noch ein wenig, erholte sich vom Schock des Traumes. Er hob seine Hand unter der Federdecke seines Bettes hervor und wischte sich den Schweiß von der Stirn, strich sein bleiches, weißes Haar aus seinem Gesicht. Atmete aus und setzte sich auf. Sich seine Schläfen reibend, versuchte er sich zu beruhigen und sein Herz davon abzuhalten mit 6000 Meilen pro Stunde zu schlagen. Sein Kopf dröhnte, wie als wenn jemand diesen geöffnet hätte während er schlief, und einen riesigen, felsigen Stein hinter sein Hirn geklemmt hätte. Oder wie als wenn er von einem Gebäude heruntergestürzt und auf seinem Hinterkopf gelandet wäre. Egal wie- sein Kopf schmerzte wirklich schlimm. Er sah durch den Raum zu seiner geöffneten Tür, welche er bestimmt letzte Nacht geschlossen hatte, bevor er zu Bett gegangen war und seine nächtliche Tortur bekommen hatte. Licht strömte von der Tür und dem Fenster, das zu seiner Linken lag, blendete ihn halb und veranlasste ihn, seinen linken Arm zu erheben, um seine tiefroten Augen abzuschirmen. Das Sonnenlicht war nie mit ihm klar gekommen, und seine Überempfindlichkeit gegenüber Sonnenlicht war genetisch bedingt. Oder in anderen Worten unvermeidbar. Noch immer seine Augen schützend, warf er die Decken an das Ende seines Bettes, wo sie einem zerknitterten Haufen bildeten. Er stand auf, schlurfte schwerfällig durch den Raum und zog die dicken, schwarzen Filzvorhängen über das boshafte Sonnenlicht, das seine Sicht einschränkte. Unverzüglich wurde es dunkel in seinem Zimmer und er war wieder in der Lage zu entspannen und rüber zum Eingang zu schauen. Sein Schlafzimmer oder seine „Höhle“, wie seine Mutter es nannte, war sein Raum, wo er tun konnte, was immer er wollte und es halten konnte, wie immer er es wollte. Er hielt auf den Eingang zu, wollte endlich die völlige Dunkelheit seines Zimmers wiederherstellen, als er über irgendetwas stolperte. Mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden aufschlagend, unterdrückte Ryou einen Fluch. Er erinnerte sich auch nicht daran, seinen Drehstuhl umgekippt zu haben, als er schlafen gegangen war. Mit einer Reihe weiterer Flüche die er leise ausstieß, stand er auf und schloss die Tür, was ihm seine Sicht zurückgab. Er blickte durch sein Zimmer, wusste das er aufgeben und sich lieber auf das Sonnenlicht einstellen sollte, aber er verwarf diese Gedanken und fokussierte sich stattdessen auf die Störungen seines geordneten Chaos, wie er es nannte. Nicht nur war die Tür geöffnet gewesen und der Stuhl umgeworfen worden. Der Telefonhörer lag neben dem Telefon, der große Haufen aus schmutzigen Hemden und Hosen war über dem Boden verstreut, zahlreiche der grässlichen Puppen, die ihm seine Tante genäht hatte, waren aus den Regalen geworfen und seine Wanduhr, die einer Vorliebe entsprechend fünf Stunden vorging war auf den Kopf gestellt worden. „Wenn ich keine widerwärtige, kleine Schwester hätte, hätte ich diese Probleme nicht“, dachte er verbittert. Er machte sich an die Arbeit, die persönliche Ordnung seines Raums wieder herzustellen. Es dauerte nicht lange, da hatte Ryous Sinn für Organisation, das keine Unordnung zuließ, selbige wiederhergestellt. Ryous Zimmer war weit davon entfernt perfekt zu sein, passte aber wunderbar zu ihm. Es war sein einziger Platz, wo er von dem entsetzlichen Gestarre, den Stereotypen, dem Gekicher und dem Klatsch entfliehen konnte. Er fühlte das er hier hingehörte. Er sah auf die digitale Uhr die auf seinem Schreibtisch stand. Der Tag der darauf stand war Sonntag. Der Tag wo seine Mutter ihn und seine Schwester immer zur Kirche schleppte, wo man ihnen beibrachte, brave Kinder ohne Sünden zu sein und die anderen Jugendlichen miteinander flüsterten und mit den Fingern auf ihn zeigten. Er verabscheute es, genau wie die Leute dort, mit einer einzigen Ausnahme. Sein Gruppenleiter war der denkbar netteste, alte Mann den es gab. Er brachte Ryou die erstaunlichsten Lektionen bei, erzählte ihm, das er sich nicht von den anderen Jugendlichen niedermachen lassen sollte, nur weil er anders aussah, und war möglicherweise der einzige positive Einfluss in seinem Leben. Er erzählte ihm, das es eine positive Sache war ein Individuum zu sein und er aufrecht stehen und sich nicht davor fürchten sollte, aus der Menge hervorzustechen. Die anderen Jugendlichen hassten ihn, dachten das er ein langweiliger, schwafelnder alter Mann wäre, aber Ryou bewunderte ihn. Für Ryou war er ein Leuchtschimmer der Hoffnung. Er ging zu seinem Wandschrank, einem uralten, morschen Konstrukt, und wählte ein sauberes Sonntagshemd und seine schwarzen Sonntagshosen. Er mühte sich nie wirklich mit einer Krawatte ab, also schnappte er sich nur seine schwarzen Socken und schloss den Wandschrank. Zurück zum Bett gehend, begann er sich anzuziehen. Er zog zuerst seine Socken an, dann seine Hosen. Sein Hemd kann immer als Letztes. Er war Okay für ihn wenn die Leute seinen Oberkörper sahen aber seine bleichen, dürren Beine…Er wollte nicht das so etwas peinliches jemals passierte. Vor der Tür stehend, nahm er einen tiefen Atemzug. Es war Zeit, seine Augen dem Licht anzupassen. Die ersten fünf Sekunden waren immer am schlimmsten. Alles was er wirklich machen musste war es durch den Gang zum Badezimmer zu schaffen. Ab da wäre alles in Ordnung. Mit künstlichem Licht konnte er umgehen, trotz der Sache das er sich dazu entschieden hatte in seinem Raum keine Glühbirnen zuzulassen. Es war das natürliche Licht das ihn schmerzte. Es fühlte sich so an, als wenn ihn jemand mit Nadeln in die Augen stach. Er seufzte und drehte den Türknauf. Durch den Flur mit geschlossenen Augen rennend, spürte er wie die Badezimmertür sich vor ihm öffnete. Er seufzte, drehte sich um, schloss die Tür und schaltete das Licht an. Er öffnete seine Augen langsam, gewöhnte sich an das Licht. Er konnte über drei Sekunden nichts sehen, aber langsam klang das blendende, grelle Licht ab und er konnte sein Spiegelbild im Spiegel erkennen. Es war immer der Teil am Morgen, den er hasste. Er stand bei der geschlossenen Tür, starrte sich selber an. Leute hatten immer gemeint, das er eigentlich recht gut aussah, wenn er nicht diesen einen Fehler gehabt hätte. Das war immer das, was die Leute sahen. Fehler. Niemals das Positive. Dachten immer negativ. Sie zogen es niemals in Erwägung, dass er weil er anders aussah, nicht automatisch eine schlechte Person war. Er hasste die Leute dafür, das sie so oberflächlich waren. Das sie ihn für sein Äußeres einschätzten, aber nicht für seine inneren Werte. Nur weil er ein Albino war... Er hätte sogar richtig gut ausgesehen, wenn seine struppigen Haare nicht farblos weiß gewesen wären. Er seufzte und drehte sein Gesicht in die Sonne. Die Tür öffnend, sah er sich Auge in Auge mit der schlecht gelaunten Hexe konfrontiert, die sich selbst als seine Mutter bezeichnete. Sie trug ihr übliches Sonntagskleid, ein grün-blau gestreiftes Kleid, dass nach Ryous Verhältnissen ein bisschen zu viel von ihrem Dekolletee zeigte. Er starrte der Frau ins Gesicht und sie begann mit ihrem üblichen verbalen Niedermachen. „Guck dich mal an!“, keifte sie. „Du bist absolut unanständig gekleidet. Du hast weder dein Hemd noch deine Hose gebügelt, deine Haare sind eine Katastrophe und du siehst so aus, als wenn du gerade erst sprichwörtlich aus dem Bett gefallen bist. Hörst du mal für zwei Sekunden auf, dich selbst im Spiegel anzustarren? Du hast eindeutig keine Ahnung von Mode, geschweige denn von Hygiene. Und du kommst niemals aus deiner Höhle heraus, wenn man dich ruft! Verantwortungsloser, arroganter, unfähiger Versager! Zeig ein bisschen Anstand vor deinesgleichen und deiner Mutter!“ Sie nahm sich sogar die Freiheit heraus ihn ins Gesicht zu spucken. Ryous Gesicht brannte rot vor Zorn. Diese Frau war nicht seine Mutter! Für wenn zum Teufel hielt sie sich, sich einbilden zu können, ihm erzählen zu können, was er tun sollte und was nicht? Oder wie er auszusehen hatte oder wie nicht? Er wischte sich ihre Spucke so passiv wie möglich aus dem Gesicht, hoffte das er damit keinen erneuten Wutanfall provozierte. Er hatte ein Jahr mit dem konstanten Runtermachen gelebt, seit sein Vater gestorben war. Seine richtige Mutter, eine fürsorgende, liebende Frau, war gestorben als er vierzehn Jahre alt gewesen war. Der Schock hatte sie beide ruiniert, ihn und seinen Vater. Sein Vater, den es härter als Ryou getroffen hatte, hatte seine Erlösung im Suff gesucht. Er hatte dann Tomoyo getroffen. die in der Bar arbeitete. Sie hatte ihn verführt, ihn mit einem Trick dazu gebracht sie zu heiraten, und Ryou hatte eine neue Stiefmutter und eine neue Stiefschwester bekommen, Tomoyos Tochter aus der vorherigen Ehe. Sein Vater, komplett ahnungslos, verstand nicht die Tiefe von Tomoyos Grausamkeit. Sie kümmerte sich kein bisschen um Ryou, richtete sich nur nach ihren Bedürfnissen und denen ihrer Tochter, aber meist an Ersteren. Sein Vater starb dann an seinem Kummer als Ryou 16 Jahre alt war, ließ ihn völlig alleine zurück, ihn, der nach Liebe und Verständnis hungerte. Tomoyo und ihre Tochter Mina waren furchtbar zu ihm. Ryou fragte sich manchmal ob seine richtige Mutter und sein Vater von oben herabsahen, sein Vater bekümmert über den Fehler und die Situation in der er Ryou zurückgelassen hatte, und seine Mutter die sich leise wünschte ihm irgendwie helfen zu können. Er biss sich auf die Zunge und ertrug die Tirade, obwohl die Wut in ihm neue Höhen erreichte. Sie fuhr dann damit fort, ihn die Stufen seines Hauses herabzuschubsen. Seines Hauses, wie es klar im Testament seines Vaters stand. Sie schubste ihn aus der Haustür und schloss sie hinter ihm. Er seufzte. Er kannte diese Routine. Er war so froh, diese beiden in sechs Monaten auf legale Weise loszuwerden. Wenn er erstmal achtzehn war, dann war er sein eigener legaler Vormund, das hatte er nachgeschlagen. Und er war in der Lage, diese dämonische Frau und ihre ebenso dämonische Tochter völlig legal aus seinem Haus zu schmeißen. Er lief zu seinem Wagen, stieg ein, startete die Maschine und fuhr los. Es war, wie als wenn man ihm ein enormes Gewicht von seinen Schultern genommen hätte. Als er die kurvenreichen Straßen entlang fuhr, erinnerte er sich plötzlich an den Traum den er gehabt hatte. Er hatte in der leeren Dunkelheit geschwebt. Er war nicht in der Lage gewesen zu fühlen oder zu hören. Alles was er getan hatte war im Nirgendwo zu stehen. Dann diese Stimme. Die tiefe, kaum zu verstehende Stimme hatte zu ihm gesprochen. Was hatte sie zu ihm gesagt? Irgendetwas über Notwendigkeit und über eine Bürde…Was war das Letzte was es gesagt hatte? Epitaph? Er wusste nicht was er mit dem Traum anfangen sollte. Aber er endete immer in derselben Weise. Er würde in die Dunkelheit greifen, aber diese würde sich verfestigen und zerbrechen und dann würde er fallen. Der Traum war dann immer vorüber, nachdem er in die Unendlichkeit gestürzt war. Er seufzte. Je schneller er die Kirche erreichte, desto eher konnte er mit Old-chan sprechen, wie die Leute ihn gerne nannten. Er musste mit ihm wie immer darüber reden was Tomoyo und Mina wieder mal getan hatten. Ohne ihn wäre Ryou möglicherweise schon vor langer Zeit verrückt geworden. Dankenswerterweise war Old-chan zufrieden damit Ryou einfach nur reden zu lassen, ihm zuzuhören und ihm danach Ratschläge anzubieten. Er verstand Ryous Situation und Bedürfnisse. Das Licht sprang auf Grün, und Ryou wollte abbiegen, als eine kleine, tiefe, fast unhörbare Stimme so laut wie sie konnte, was eigentlich nicht sonderlich laut war, schrie; „NEIN! NICHT JETZT!“ Ryou nahm seinen Fuß vom Gaspedal, und etwa fünf Sekunden nachdem die Ampel grün gezeigt hatte, schoss ein dunkler blau-grüner Lastwagen wie eine abgefeuerte Kanonenkugel durch die Kreuzung. Hinter ihm hatten die anderen Fahrer ihn angehupt, damit er weiter fuhr, aber als der Lastwagen durch die Kreuzung schoss, stoppte das Gehupe abrupt. Alle verstanden. Ryou zitterte. Vorsichtig ging er mit dem Fuß auf das Gaspedal und fuhr über die Kreuzung. Er schwitzte noch, verstand die Tragweite dessen was passiert war, nicht. Es schien unmöglich, aber wenn es möglich war, wie erklärte er dann was gerade eben passiert war? Es gab dafür nur eine einzige Erklärung. Wenn Ryou sofort durchgefahren wäre, nachdem die Ampel auf grün geschaltet hatte, wäre er seitlich vom Truck und dessen durchgeknallten Fahrer gerammt worden. Aber Ryou war von einer kleinen Stimme gewarnt worden. Und Ryou hatte auf sie gehört. Noch immer zitternd, bog er auf den Kirchenparkplatz ein. Einen leeren Parkplatz suchend parkte er nahe der Seitentür und schaltete den Motor ab. Das Kirchengebäude zu dem Ryou und seine „Familie“ gingen, hatte vier Türen. Je eine im Norden, im Süden, im Osten und im Westen. Ryou zog es vor durch eine der Seitentüren einzutreten, entweder durch die östliche oder westliche Tür, als durch die vordere, um damit die anderen Kirchgänger zu meiden, so gut er konnte. Die Treppen zur Tür hoch laufend, war er schon dabei sie aufzustoßen, als er eine sanfte und vertraute Stimme hinter sich hörte. „Schön, einen guten Morgen, Bruder Misaki.“ Er lehnte sich gegen die Tür und lächelte. Der alte Mann war gut darin ihn zu überraschen. „Dir auch einen guten Morgen, Old-chan“, erwiderte er und wandte sein Gesicht der einzigen Person dieser Erde zu, die ihn wie ein menschliches Wesen behandelte. „Wie war dein Morgen soweit?“, fragte er und lief die Stufen herunter um den alten Mann zu helfen. Old-chan wartete immer auf Ryou am Westportal, der einzigen Pforte mit Stufen. Selbst wenn er einen Stock brauchte, er beschwerte er sich nie. Ryou half ihm immer die Stufen hinauf, und wie immer würden sie miteinander über ihren jeweiligen Morgen erzählen. „Er war soweit gut“, fing er an, klang dabei etwas müde, „Wie auch immer, Bruder Misaki- es sieht so aus als wenn meine Hüfte mir mehr als üblicherweise Probleme macht. Es war eine wirklich unbequeme Angelegenheit.“ „Deine alte Kriegsverletzung, richtig?“, fragte Ryou und drückte damit seine ehrliche Besorgnis aus. „Ich hoffe es ist nichts Ernstes. Ich brauche dich noch für eine lange Zeit.“ Er betonte lachend „lang“. Der alte Mann lächelte. Sie hatten das Ende der Treppe erreicht und Ryou war schon dabei für ihn die Tür zu öffnen. „Ganz recht“, erwiderte er. „So oder so, plane ich noch eine lange Zeit dazubleiben. Ach, du hast mir jetzt noch nichts über deinen Morgen erzählt.“ Ryou verlor den Halt zur Tür. Sein Morgen war gelinde ausgedrückte seltsam verlaufen, aber er war sich nicht sicher ob er es Old-chan erzählen sollte. „Ich bin aufgewacht, Mina hatte mein Zimmer verwüstet und die Tür und das Fenster offen gelassen. Ich habe alles in Ordnung gebracht, mich angezogen und wollte ins Bad um mich zu waschen. Als ich die Tür öffnete begann meine herzallerliebste Mutter“, seine Stimme triefte vor Sarkasmus als er die Hexe so nannte, „mir eine Standpauke zu halten.“ „Oh nein“, keuchte Old-chan. „Was hat sie gesagt?“ „Oh, dass Übliche halt. Ich sei armselig, ich würde meinem Vater nur Schande machen, ich sei ein verantwortungsloser, arroganter Versager. Ich solle meiner Mutter und meiner Schwester mehr Respekt zeigen, das volle Programm.“ Er spuckte das Wort „Mutter“ praktisch aus. Er öffnete die Tür, half Old-chan durch den Eingang und achtete darauf dass sein Stock nicht im Bodenrost stecken blieb. Dankenswerterweise gab Old-chan ihm den Ratschlag, den er sich ersehnt hatte. „Du musst mit Tomoyo geduldiger sein. Ich kann nicht verstehen, warum sie dich so schlecht behandelt, aber vielleicht ist sie bloß fehlgeleitet. Alles was ich dir sagen kann ist mit ihr geduldig zu sein und auf deinen Tag zu warten. Sie ist eine furchtbare Frau, kaum ein menschliches Wesen, aber die Welt ist ein grausamer Ort und alles was du tun kannst ist abzuwarten. Verstanden, Bruder Misaki?“ Er lächelte gütig. Ja“, erwiderte Ryou leicht abwesend. Geduld? Mit diesem Dämon? War das überhaupt möglich? „Jetzt“, fuhr Old-chan fort. „erzähl mir mehr von deinem Morgen, wenn es dir nichts ausmacht, Bruder Misaki.“ „Oh, richtig“, sagte er und blickte auf die Uhr an der Wand. Da waren noch zehn Minuten Zeit ehe der Gottesdienst begann. „Schön, nachdem sie mir ihre beste Tirade gehalten hat, hat sie mich wie üblich rausgeschmissen und ich bin hergefahren.“ Er pausiert und überlegte ob er den Beinahe-Unfall erwähnen sollte oder nicht. „Aha“, sagte Old-chan ruhig. „Ist sonst noch etwas passiert?“ „Er ist gut“, dachte Ryou. „Gut, ich wäre fast in einen Unfall geraten“, gestand er. „Es war an einer Kreuzung, und die Ampel wurde grün. Ich war schon dabei loszufahren, aber...“ Er schüttelte bei dem Gedanken den Kopf. „Und?“, fragte Old-chan, drängte ihn fortzufahren. „Eine Stimme in meinem Kopf riet mir wieder zu stoppen. Also wartete ich ungefähr fünf Sekunden lang, und dann kam dieser Idiot in seinem Lastwagen über die Kreuzung geschossen wie als wenn er auf Speed wäre. Dann fuhr ich weiter, kam hierher und traf dich.“ Old-chan wurde still. Ryou sah in seine Augen. Sein Blick war verschleiert, fern. Er nahm sanft seinen Arm und half ihm zu seinem üblichen Platz in der vordersten Reihe beim Tabernakel. Sich vorbeugend sagte er ihm dass er ihn später nach dem Gottesdienst wiedersehen würde, und lief in den hintersten Teil der Kirche, doch sein üblicher Platz war schon besetzt. Er mochte es in der hintersten rechten Ecke zu sitzen, wo er den Pfarrer, aber niemand ihn selbst sehen konnte. Stattdessen saß dort ein mageres Mädchen mit schulterlangen, schwarzen Haaren, das wirkte, als fühle es sich hier nicht wohl. Sie trug einen schwarzen Seidenrock, einen schwarzen Seidentop und schwarze Lederstiefel. Für den Gesamteindruck hatte sie natürlich auch eine schwarze Geldbörse, die neben ihr lag. Sie bemerkte wie Ryou sie anstarrte und sah auf. Ihre dunklen Augen begegneten seinen tiefroten, aber nichts vom üblichen Schock zeichnete sich in ihrem Gesichtsausdruck ab. Stattdessen lächelte sie und begrüßte ihn freundlich. „Guten Morgen!“, sagte sie fröhlich und stand auf. „Äh, guten Morgen...“, antworte er leicht verblüfft. Niemand hatte ihn je so herzlich begrüßt, schon gar kein Mädchen. „Bist du auf Besuch hier? Ich habe dich hier noch nie gesehen, glaube ich.“ „Ja, ich besuche jemanden“, erwiderte das Mädchen fröhlich. Sie sah nicht jünger als er aus. „Ich mag es nicht da zu sitzen, wo jeder mich sehen kann und ich bleibe hier wenn es dich nicht stört. Okay?“ „...Trau...“ „Hä?“, dachte er als er die Stimme erneut hörte. Vielleicht wurde er wirklich verrückt. „Trau...ihr...nicht...!“ „R-richtig...“ Dieser Tag wurde einfach nur seltsamer und seltsamer. „Ich setze mich dann woanders hin. Sehe ich dich dann später?“ „Ja, später.“ Das Mädchen setzte sich hin und begann an ihrer Geldbörse rumzunesteln. Ryou ging auf die linke Seite der Kirche zur dortigen unbesetzten hintersten Bank, während sein Gefühl des Unbehagens immer stärker wurde. Das Mädchen sah zu Ryou hinüber. Sie seufzte und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. „Er ist es wirklich“, sprach sie telepathisch. Telepathie war eine ihrer Gaben. „Ich sehe es. Er ist gebrandmarkt.“ „Ja...“erwiderte eine andere Stimme in ihrem Kopf. „Er hat das Mal des Terror of Death an sich. Irrtum ausgeschlossen. Er ist der Eine.“ Wir müssen ihn gut überwachen“, antwortete sie. „ Es wäre möglicherweise gefährlich ihn jetzt sich selbst zu überlassen. Er ist im Übergangsstadium.“ „Ich habe dieses Stadium gehasst“, fügte die Stimme hinzu. „Wenn wir ihm nicht beim Übergang helfen, könnte es katastrophal sein, Milady.“ „Ja...“, stimmte sie zu. Es folgte eine Pause ehe die Stimme erneut sprach. „Er...kommuniziert bereits.“ „Was!?“ Sie wäre fast schockiert aufgesprungen. Dankenswerterweise, schaffte sie es ihre Fassung zu wahren. „Das ist unmöglich. Kommunikation kann nicht ohne das Medium stattfinden.“ „Wie erklärt Ihr euch dann diesen morgentlichen...Zwischenfall?“, entgegnete die Stimme. Sie schwieg. „Er kommuniziert jetzt schon, sogar als Ihr ihn angesprochen habt hat er mit IHM kommuniziert. Mein großer Bruder, er hat am längsten geschlafen, aber er ist auch am gefährlichsten.“ „So, jetzt seid ihr alle Geschwister?“, fragte sie sarkastisch. „Es war eine Metapher. Zeigen Sie etwas Sinn für Humor, Milady“, erwiderte die Stimme. Eine erneute Pause folgte. „Milady, seine Schwäche ist größer als wir erwartet haben.“ „Ja, ich weiß. Glücklicherweise ist sie sichtbar...“ Sie pausierte, ehe sie den Gedanken fortführte. „...und nützlich“ „Ich denke das ist besser, als physisch so schwach zu sein wie wir es sind, richtig, Milady?“ „Ja, viel besser.“ Sie warf einen flüchtigen Blick auf ihr Handgelenk. „Vergesst nicht, das wir sein Vertrauen gewinnen müssen. Das ist enorm wichtig.“ Sie seufzte. „Ich weiß Innis, ich weiß.“ Ryou war während der Messe nur halb wach. Er hörte niemals wirklich zu, wenn der blöde Priester solchen Müll laberte wie: Alle Sünder werden und müssen in die Hölle gehen und das Gott die Wertlosen und Blasphemischen zu Fall bringen würde. Als das Ausgangslied begann war Ryou fast schon eingeschlafen, wurde aber von der schlecht gestimmten Orgel, die vor dem Tabernakel stand, geweckt, als sie eine schlecht gespielte Version von „The Spirit of God“ hören ließ. Nach dem Gebet begann jeder sofort sich zu unterhalten, und die Leute teilten sich in verschiedenen Grüppchen. Ryou lief sofort zur Youth Hall, wo er wie immer auf die Unterrichtsstunden von Old-chan wartete. Seinen Platz im hinteren Teil des Raumes einnehmend, sah er zu wie die anderen Jugendlichen die hereinkamen, über ihn kicherten und sich zu ihren Freunden umwandten und flüsterten. Leute wie das schwarzhaarige Mädchen, die ihn ohne Vorurteile begrüßten, gab es wohl nur eine unter einer Million, ebenso selten wie er selbst. Er seufzte leise, während sich die anderen setzten. Old-chan stand vorne im Klassenraum und bat um Ruhe. Langsam verstummten die Gespräche. „Willkommen. Ich bin so erfreut, euch gesund und munter zu sehen. Aber besonders erfreut bin ich über ein neues Gesicht in unserer Mitte.“ Er drehte seinen Kopf zu dem schwarzhaarigen Mädchen, das während der Messe auf Ryous Platz gesessen hatte und jetzt wartend in der Tür stand. Sie errötete als jeder sie ansah. Old-chan fuhr fort. „Komm hier nach vorne und stell dich selbst vor, Liebes.“ Sie stolperte nervös nach vorne, ihre zarten Hände über der Brust gefaltet. „M-mein Name ist Atoli“, sagte sie leise. Plötzlich vor einer Gruppe sprechen zu müssen, gehörte wohl nicht zu ihren Stärken. „Ich komme nur zu Besuch von...außerhalb.“ „Wie wunderbar!“, sprach Old-chan fröhlich. „Besuchst du jemand bestimmten?“ „...einen Freund“, sagte Atoli geheimnisvoll. „Freundschaft ist eine gute Sache! Du kannst dich setzen, Fräulein Atoli. Ich denke, da ist ein leerer Stuhl neben Ryou in der letzten Reihe. Ryou ist der mit den weißen Haaren.“ Gekicher und Flüstern ging durch die Gruppe und Ryous Gesicht wurde rot. Ärgerlich warf er allen vernichtende Blicke zu und wünschte ihnen furchtbare, schmerzvolle Tode. Atoli kam nach hinten und setzte sich neben ihn hin. Ihr Gesicht war immer noch von der leuchtenden Röte überzogen, die von der Peinlichkeit sich selber vorstellen zu müssen, herrührte. Ryou versuchte sie zu ignorieren und war ziemlich erfolgreich damit. Er konzentrierte sich auf Old-chan, der seine Unterrichtsstunde mit einem Vortrag begann, dass man sich selber so mögen sollte, wie man war. Ryou seufzte. Irgendwie kam es ihm so vor, als wenn die Vorträge sich immer auf etwas konzentrierten, womit Ryou Schwierigkeiten hatte. Old-chan begann darüber zu erzählen, was es bedeutete ein Individuum zu sein und das es einen Grund gab warum zwei Leute niemals gleich waren. Dass jede Seele einzigartig war, und die Körper natürlich auch. Er hielt dann ein Weidenkörbchen mit schlichten Klappspiegeln aus dem Trödelladen in die Höhe. Old-chan ließ den Korb weitergeben und jeden einen Spiegel nehmen. Der Korb startete vorne und schlängelte sich nach hinten durch. Als er schließlich ihn und Atoli erreichte, war nur noch ein Spiegel übrig. Atoli nahm den Korb als er ihr gereicht wurde, sah hinein auf den Spiegel und reichte ihn an Ryou mit einem Blick weiter, der erschrocken wirkte. Er nahm den Korb und sah auf den Spiegel. Er griff hinein und holte ihn heraus, um ihn besser ansehen zu können. Als seine Finger über den Spiegel strichen, hätte er schwören können, dass er spürte, wie ein Schub Wärme durch die Adern seiner Finger, dann durch seinen Arm und schließlich bis zu seinem Herzen hoch stieg. Die Wärme blieb dort bei seinem Herzen und gab ihm das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Er betrachtete den Klappspiegel in seiner Hand. Er war rund und in einem glänzend, scheinenden Schwarz gehalten. Er war mit tiefroten Steinen gekränzt, einem großen in der Mitte und sieben am Rand, welche natürlich nicht echt waren. Trotzdem waren sie hübsch. Die Juwelen wurden von Goldrändern eingefasst. Er schaute auf die Rückseite des Spiegels und sah, dass sie ganz schwarz war. Er wendete den Spiegel erneut und starrte auf das riesige, runde Juwel. Es sah fast so aus als wenn es mit einem lebendigen Feuer gefüllt wäre. Das Feuer hatte den selben Farbton wie seine Augen. Merkwürdig, wie hübsch selbst der billige Tand aus dem Trödelladen sein konnte. Er horchte auf, als Old-chan sie anwies ihre Augen zu schließen und die Spiegel zu öffnen. Ryou gehorchte. Dann öffnete er den Spiegel und hielt ihn vor seine Augen. Er hörte wie Old-chan ihnen sagte ihre Augen zu öffnen, und er öffnete sie, nur um vom Sonnenlicht geblendet zu werden. Er kniff seine Augen zusammen, verfluchte sich selber für seine Dummheit, das Sonnenlicht direkt in seine Augen reflektiert zu haben. Er drehte sich halb, um zu verhindern das er sich erneut selbst blendete und öffnete seine Augen wieder. Er starrte auf die Reflektion seiner Selbst in dem winzigen Spiegel. Er sah die unordentlichen, weißen Haare, die flammenden, roten Augen und den traurigen Ausdruck auf seinem Gesicht. Er sah sich selber an und schämte sich dessen was er sah. Den Rest der Stunde saß Ryou benommen da und wunderte sich warum er mit so einem furchtbaren Leben gestraft war. Er nahm niemanden wahr, nicht mal Atoli die versuchte ruhig auf ihn einzureden. Er fühlte sich wie tot. Nein, er wollte tot sein. Er wollte alleine sein. Ohne jemanden, der ihn stören konnte, würde er vielleicht endlich Frieden finden. Diese Welt schien immer gegen ihn zu sein, ihm niemals Hilfe oder Trost zu bieten. Warum hier bleiben? Plötzlich hörte er dieselbe Stimme in seinem Kopf, die zu ihm flüsterte und sich diesmal lauter anhörte. „Endlich...“, sprach sie und schien erleichtert zu seufzen. „Es sah manchmal so aus als wenn ich niemals frei zu dir sprechen könnte.“ Ryou fiel fast von seinem Stuhl. Er schaffte es seine Fassung zu bewahren und antwortete in Gedanken. „Was ist du? Wer bist du?“ Die Stimme schien zu kichern. „Ich bin du. So in der Art. Es ist eine Art flüchtige Beziehung. Hey, du bist ja schon ziemlich gut in der Telepathie! Ich könnte mich glatt daran gewöhnen.“ „Du hast meine Frage noch immer nicht vollständig beantwortet“, dachte er irritiert. „Stimmt. Aber alles wird sich klären und ich denke das ich es dem Schicksal überlasse, wann immer es zum Teufel gedenkt das zu tun. Ich lasse es einfach seinen Lauf und sehe wie es endet.“ „Warte! Was meinst du?“, dachte er. Er wurde mit jeder Sekunden verwirrter. „Ha, gut ich denke ich gebe dir einen kleinen Hinweis. Wenn du mit mir reden willst, halte einfach den Spiegel hoch. Mit ihm können wir frei reden. Ohne ihn muss ich viel Kraft aufwenden um mit dir zu reden. Das ist sehr mühsam für mich. Deshalb bin ich jetzt auch ziemlich müde, weil ich dich heute den ganzen Tag anschreien musste. Und tschüß.“ Er konnte fühlen wie die Präsenz der Stimme verblasste. Das war unfair. Er wollte Antworten, und wenn möglich wollte er sie sofort. „Warte! Geh nicht weg!“, dachte er enttäuscht. „Was?“, erwiderte die Stimme irritiert. „Beantworte mir nur noch eine Frage“, dachte er intensiv. „Na gut, ich warte“, antwortete die Stimme. „Was bist du wirklich?“, fragte er und hoffte auf eine ehrliche Antwort. Es entstand eine Pause, bevor die Stimme zu seufzen schien und bedeutungsvoll antwortete: „...dein Epitaph.“ Kapitel 2: Eine Harmonie der Hoffnungslosigkeit ----------------------------------------------- Der Sonnenuntergang schien noch niemals so trostlos gewesen zu sein. Die Schatten wirkten verwaschener, die Flecken wo das Sonnenlicht sich streuten, waren nicht so grell wie üblich. Ryous Augen schmerzten nicht so stark wie sie es normalerweise taten. Er saß auf einer harten Parkbank, starrte auf die Passanten, wobei diese eher das Recht hatten ihn anstarren dürften. In seinem Kopf wirbelten die Fragen durcheinander. Fragen die nach einer Antwort verlangten. Was war dieses „Epitaph“, das so vertraut mit ihm gesprochen hatte? Er hatte versucht den kleinen, schwarzen Handspiegel zu aktivieren, mit keiner Reaktion. Ein paar Mal, hatte er ein schwaches Kichern vernommen, aber das war auch schon alles. Er fühlte sich von seinem Epitaph gründlich verarscht. Was hatte sein „Epitaph“ gemeint, als es (ja, Ryou wusste das es männlich war, den die Stimme war klar maskulin) gesagt hatte, dass der Spiegel ein Medium war? Es musste mehr bedeutete als nur fähig zu sein, mit seinem „Epitaph“ zu reden, aber er konnte es nicht genau sagen. Dankenswerterweise hatte er herausgefunden dass ihre Art zu kommunizieren sich vom normalen Denken zu unterscheiden schien, aber er kam nicht auf den genauen Unterschied. Seine ureigensten Gedanken schien der Epitaph nicht hören zu können, nur jene, die auch wirklich für ihn gedacht waren. Er wollte mehr darüber wissen, aber es endete nur noch mit mehr Fragen. Aber zwei Fragen stachen besonders heraus. „Wie ist das möglich?“ Und... „Ich werde nicht verrückt oder?“ Er hörte erneut das schwache Kichern und merkte, dass seine Finger den Spiegel gestreift hatten. Er unterdrückte einen Fluch und steckte ihn in die Hosentasche zurück. Er war sich nicht sicher ob er dort sicher verwahrt war, denn seine Hosentaschen waren nicht sehr tief und er lief Gefahr herauszufallen, während er lief. Er stand auf, lief den Weg die Straße hinunter, passierte mehrere Jogger, die auf ihrer späten Abendrunde waren und andere Leute, die zufällig vorbei kamen. Er ging in Richtung des Waldes der den Park umfasste. Hier gab es Pfade die sich durch den Wald schlängelten, aber Ryou nahm sie nie. Das Gras zwischen den Bäumen war frei von Gestrüpp oder Dornenhecken, weswegen er sich immer seinen eigenen Weg zwischen den Bäumen suchte. Ryou hoffte eines Tages wirklich zwischen den Bäumen zu verschwinden. Aber unglücklicherweise war er mit einem untrüglichen Orientierungssinn geboren. Er erinnerte sich, wie er einmal von jemanden die Augen verbunden bekommen und fünfmal im Kreis herumgedreht worden war. Danach hatte man ihn gefragt in welche Himmelsrichtung er blickte. Norden, hatte er gesagt und er war sich dessen sicher, denn es war immer die Richtung gewesen in die er geblickt hatte. Die Person hatte es noch dreimal getan und Ryou hatte jedes Mal korrekt geantwortet. Es war für Ryou Masaki zu seiner Bestürzung unmöglich sich zu verlaufen. Er suchte sich geistesabwesend seinen Weg durch die Bäume, als er eine panische Präsenz in seinem Hinterkopf wahr nahm. Sie presste hart gegen seinen Geist und er erkannte das Gefühl sofort. Er griff nach dem Klappspiegel in seiner Tasche, seine Finger umklammerten ihn fest. Sofort erfüllte die Stimme seines Epitaphs seinen Kopf, erklang mit Besorgnis und Ärger. „Hier ist etwas..!“, heulte sein Epitaph auf. „Was immer da ist, ist nicht unser Freund. Verstanden? Ich spüre etwas wirklich Schlechtes dort...“ Ryou sah sich um, aber es war jetzt dunkel geworden. Das spärliche Licht des Mondes der im Osten aufging bot ihm gerade genug Helligkeit an. Plötzlich fühlte er es. Es war nicht nötig zu sehen, denn das Gefühl war alles was er brauchte um geleitet zu werden. Es war nah. Er streckte eine Hand aus, um sicher zu gehen dass er gegen nichts stieß, erfühlte weiter seinen Weg zu der Präsenz hin. Er fühlte das er näher kam, aber er war sich nicht sicher. Alles was er wusste war, dass die erdrückende Kraft näher kam. Es drückte ihn nieder wie eine Welle. Jede neue Welle fühlte sich stärker an als die letzte. Er konnte fast schon die Emotionen spüren, die von der Präsenz ausgingen. Groll. Ärger. Trauer. Ekstase. Sie wurden von den Wellen mitgetragen, die seinen Geist nieder drückten und sein Vorankommen durch den Wald schwieriger machten. Jeder Schritt wurde schwerer, wurden erdrückender durch den Einfluss der Gefühle, die nicht die seinen waren. Ein Schrei erschütterte die Stille. Weiblich, hoch und gequält. Ryou begann zu sprinten. Dankenswerterweise konnte er ein bisschen besser sehen, seit der Mond etwas weiter aufgestiegen war. Durch die Bäume und die schrägen, silbernen Lichtstrahlen des Mondes stürmend, kam er auf eine Lichtung, wo seine Augen etwas erblickten, wovon er noch heute morgen geglaubt hätte das es unmöglich war. Eine magere, menschliche Gestalt lag auf dem Boden und krampfte unkontrolliert. Das Gesicht der Gestalt war in eine Schicht aus wirbelnden Schwarz gehüllt und verbarg so ihr Gesicht vor dem Betrachter. Die Schwärze schien mit seltsamen, schwarzen Fühlern verbunden zu sein, die verlängert über dem Boden verliefen und in dem Schatten der Bäume verschwanden. Ryou krümmte sich, das Gewicht der Emotionen wurde fast unerträglich schwer. Es gab keine Zweifel dass dies die Quelle der Präsenz war. Er griff nach dem kleinen, schwarzen Spiegel in seiner Hosentasche, aber in dem Moment wo er es versuchte, durchfuhr ihn eine unkontrollierbare fremde Wut. Eine starke, fremde Emotion, die ihn sich zusammen krümmen, kollabieren und furchtbar ausgelaugt zurück ließ. Seine Stärke war weg und er fand sich mit einem Gefühl kalter Leere auf dem Boden wieder. Es fühlte sich für Ryou an, wie als wenn das Ende für ihn gekommen war und es nichts gab was er dagegen tun konnte. Er nahm das letzte bisschen seiner verbliebenen Kraft zusammen und schob seine Hand in die Hosentasche, wo seine Finger sachte die kalte Oberfläche des Spiegels berührten. Selbst die kurze, flüchtige Berührung erfüllte ihn mit Stärke und Wärme. Sie bewegte sich von seinen Fingerspitzen, durch seinen Arm über seine Schulter bis zu seinem Herzen, wo sie ihn wärmte und alle verwirrenden, erdrückenden Gefühle der fremden Wut wegwischte und ihn zuversichtlich machte. Mit dieser neu gewonnen Stärke umfasste er den Spiegel fester, zog in aus der Tasche und stand auf. Er konnte sein Epitaph in seinem Geist fühlen und wartete darauf das dieser mit ihm sprach. Er ließ die Gelegenheit nicht verstreichen. „Was soll ich tun?“, fragte er sein Epitaph. „Öffne den Spiegel“, antwortete die Stimme beruhigend. „Ihn öffnen?“, fragte er, nicht verstehend wie das helfen sollte. „Wenn du ihn bei Nacht öffnest, wird eine spezielle Kraft von mir befreit. Ich besitze viele Kräfte, aber die einzige die du jetzt brauchst, wird einfach durch das Öffnen des Spiegels beschworen“, war die Erwiderung des Epitaphs. Ryou konnte die Ungeduld in seiner Stimme hören. Ryou schaute auf den kleinen, schwarz-roten Spiegel. Er drehte ihn von sich selber weg, befolgte die Anweisungen seines Epitaphs und öffnete den Klappspiegel. Er hörte wie sein Epitaph mit einer Mischung aus Freude und Zorn aufschrie. Er fühlte wie etwas Warmes seinen Arme entlang wanderte und im Spiegel verschwand, etwas das Ryou nur als Kraft beschreiben konnte. In dem Moment wo er den Spiegel öffnete, strömte Sonnenlicht aus der größeren der zwei Spiegelhälften hervor. Ryou blinzelte aus Reflex, realisierte aber schnell, dass es unnötig war. Dieses Sonnenlicht schmerzte nicht in seinen Augen. Er schwenkte den Spiegel auf die furchtbar entstellte Gestalt. Das Sonnenlicht traf die Dunkelheit, die aufzuschreien schien und ihren Griff um die arme Person lockerte. Es zog sich zwischen den Bäumen zurück und schien zu verschwinden. Ryou meinte, das es verschwunden war, denn die Wellen die diese Emotionen, diesen Hass, verbreitet hatten hörten auf. Er lenkte das Sonnenlicht auf die gequälte Figur, um diese zu enthüllen. Atoli. Sie lag bewusstlos der Länge nach ausgestreckt auf dem Boden und atmete schnell. Ryou rannte zu ihr hinüber und kniete sich neben sie hin. Er schüttelte sie sanft, hoffte das sie dadurch aufwachen würde. Aber sie tat es nicht. Er lehnte sich weiter zu ihrem Ohr herab. „Atoli..? Hey, Atoli! Bitte...wach auf? Komm schon, Atoli...Wach auf...“ Er rüttelte sie erneut, aber trotz all seiner Bemühungen blieben ihre Augen fest geschlossen. Er sah sich um, fragte sich ob es etwas gab was er tun konnte, als er ein Schimmern zu seiner Linken bemerkte. Einen türkisfarbenen Spiegel. Zunächst starrte er ihn nur dumpf an, nicht bis er kapierte was es war. Dann fing sein Verstand endlich an die passenden Teile zusammenzusetzen. Er kroch zu der Stelle wo der Handspiegel lag. Er sah ihn sich vorsichtig an. Er ähnelte fast seinem Exemplar, abgesehen davon das die Umfassung türkisfarben und die Juwelen limonengrün waren. Er streckte seine Hand danach aus, aber sein Epitaph warnte ihn davor mit einer mächtigen Vibration in seinem Geist, einem Glockenschlag ähnlich. Er berührte seinen eigenen Handspiegel, fluchte und wusste dass sein Epitaph ihn gehört hatte. „Für was war DAS den?“, fragte er irritiert. „Ich habe dich nur vor höllischen Schmerz durch die Hände der Mirage of Deceit bewahrt. Oder wäre dir der Schmerz lieber gewesen?“ Ryou konnte die Selbstzufriedenheit in seiner Stimme hören. Aber er ignorierte es. „Mirage of Deceit? Von was redest du?“ „Ich kann es fühlen. Dieser Spiegel ist das Medium der Mirage of Deceit. Der Spiegel ist wie ich, aber das dazugehörige Epitaph existiert im Geist des Mädchens“, sagte er vage und Ryou konnte schwören dass er wichtige Details ausließ. „Zieh das Mädchen hier hinüber und bring sie dazu den Spiegel zu berühren. Das sollte ihr helfen aufzuwachen.“ Er folgte dem Vorschlag seines Epitaphs und kniete sich neben der Bewusstlosen. Vorsichtig ergriff er sie am Arm und zog sie sanft zu der Stelle, wo der Spiegel lag. Behutsam nahm er ihre Hand und führte sie zu ihrem Spiegel. Er platzierte ihre Handfläche auf den Spiegel und er konnte sehen wie die Farbe in ihr Gesicht zurückkehrte. Sanft rüttelte er sie an der Schulter. „Atoli?“ Sie hörte die Stimme, konnte sie aber keinem Gesicht zuordnen. „Atoli?“ Sie fühlte wie jemand sie sanft schüttelte, aber sie wusste nicht wer. Sie war von Dunkelheit umgeben. Alles was sie wusste war, wer auch immer sie schüttelte, zog sie dorthin wo ihr Handspiegel runter gefallen war. Wer immer es war, er legte ihre Hand auf den Spiegel. Er wusste also über Epitaphs Bescheid. Das brachte sie schnell wieder zu Bewusstsein, aber sie war noch sehr schwach. Zu schwach um ihre Augen zu öffnen. Dennoch versuchte sie mit ihrem Epitaph zu sprechen. „I...Innis?“ „M...Mi...Milady...?“, erwiderte Innis schwach. „Ich b-bin so schwach...Innis...Hast du etwas Kraft...für mich aufgehoben...?“, fragte sie und hoffte das Innis nicht komplett entkräftet war. Es folgte eine lange Pause, bevor ihr Epitaph erneut sprach. „Ich...denke...schon...Aber es wird mich vollständig auszehren...Milady...“ Atoli wurde mutlos. Sie brauchte Kraft, aber sie wusste auch das sie ohne Innis Hilfe völlig hilflos war. Schließlich brauchte sie Innis wenn sie gehen wollte. Wenn sie kämpfen musste, brauchte sie Innis. Sie konnte nicht zulassen das Innis sich selber schwächte, nur um Ihretwillen. „N...nein, Innis...ich werde einfach warten...bis ich meine eigene Stärke wieder erlange...“ Sie hoffte das ihr Epitaph sich nach ihrer Entscheidung richten würde und nicht die Überbleibsel ihrer Kraft für ihr Wohl aufgeben würde. Sehr abrupt wurde sie sich einer Berührung auf ihrem Gesicht bewusst. Es waren Finger, die ihre Wange streichelten. Dieselbe sanfte Stimme rief erneut leise ihren Namen. „Atoli...? Atoli...wach auf...bitte...“ Sie wollte so verzweifelt ihre Augen öffnen oder ihren Mund öffnen um zu sprechen. Um ihm zu sagen das sie in Ordnung war. Dann fühlte sie eine Hand auf ihrer Wange. Sie war warm, voller Leben und Stärke. Sie konnte fast fühlen wie diese Stärke durch ihn floss, wer er auch immer war. Dann, eher unerwartet, begann sie sich besser zu fühlen. Es fühlte sich an, wie als wenn er Kraft auf sie übertrug, wer immer er auch war. Sie fühlte wie ihre Stärke langsam zurück kehrte, und atmete tiefer ein und atmete langsamer aus. Sie öffnete dann ihre Augen und stöhnte. Wer auch immer sie gerettet hatte, er saß hinter ihr, denn das Gras vor ihr war leer. Langsam drehte sie sich um... ...und starrte in die hellen, roten Augen von Ryou Masaki. „Du...du bist...dieser Typ von heute früh...R...Ryou..richtig?“, fragte Atoli leise, offenbar noch immer sehr schwach. „Ja“, sagte er und drehte seinen Kopf weg, offensichtlich verlegen. Er wusste nicht warum er so verlegen war, möglicherweise lag es an der Tatsache dass das Mädchen seinem Gesicht so nahe war. „Stimmt...etwas nicht?“ Sie legte ihren Kopf schief. „Nichts...“, wich er aus, während sie ihm direkt in seine Augen sah. „Wenn du denkst...das ich denke...das du komisch aussiehst...Ich denke nicht so...“, sagte sie schwach. Ryous Augen weiteten sich. Niemals hatte jemand so etwas positives zu ihm gesagt. Er sah zurück zu Atoli hinunter. Sie lächelte freundlich. „Ich..denke das deine Augen....hübsch sind...rot ist so eine nette Farbe...“, fuhr Atoli fort. „Äh...“ Die Konversation wurde immer merkwürdiger. Er versuchte das Thema zu wechseln. „Was war das für ein Zeug?“ Ihre Augen wurden traurig. „Ich...weiß es nicht wirklich...aber was es auch war, hat geschmerzt. Sehr stark..es fühlte sich...wie als wenn jemand in meinen Kopf war....und mit einem Holzhammer auf mein Hirn drauf geschlagen hätte...“ Er starrte sie an. „Das ist eine...interessante Beschreibung..“ Ihre Augen wurden groß und sie setzte sich abrupt auf. „Bist du-“ Ihre Worte wurden mitten im Satz abgeschnitten da sie die Kraft verlor, sich aufrecht zu halten. Sie fiel rückwärts, wurde aber schnell von Ryou aufgefangen, der sie stützte. Sie errötete leicht und konnte spüren wie ihre Wangen rot wurden. Sie versuchte sich zu fassen. „Bist du...der Terror of Death...?“ Ryou starrte sie ausdruckslos an. Er hatte absolut keine Ahnung von was sie da redete. "Terror of Death...“ Es kam ihm vage bekannt vor, aber woher, da hatte er nicht die leiseste Ahnung. Er fühlte wie sein Epitaph gegen seinen Geist drängte und so holte er mit seiner freien Hand den Klappspiegel aus seiner Tasche und berührte den Spiegel. „Ich würde darauf wetten, das du auf meine nächste Frage geradezu brennst“, dachte er sarkastisch. „Natürlich“, erwiderte die Stimme. „Punkt für dich . Was meint sie mit 'Terror of Death'?“ „Es ist unser Titel. Dieselbe Sache wie sie und ihr Avatar die Mirage of Deceit sind, sind wir der Terror of Death.“ „Avatar?“ Er war mit dem Ausdruck nicht vertraut. „Ein anderes Wort für Epitaph“, erwiderte der Avatar simpel. „I..ich denke schon..“, sagte er um Atolis Frage zu beantworten. „Wirklich? Wirklich und wahrhaftig?“ Ihre Augen schienen vor Hoffnung zu leuchten. „Endlich! Ich habe dich endlich gefunden!“ Völlig unerwartet legte sie ihre Arme um ihn. Sein Gesicht wurde puterrot. „Ich habe dich für so lange Zeit gesucht...es kam mir wie eine Ewigkeit vor...“ „Äh..Was...?“ Jetzt war er noch mehr verwirrt. „Oh, da ist soviel was ich dir beibringen muss! Aber zuerst...“ Sie nahm ihren Spiegel auf und steckte ihn in ihre Tasche. „Ich muss dir zuerst den Schlüssel zu all dem zeigen.“ „Der...Was jetzt?“ Er war schon ganz wirr im Kopf. Alles passierte so schnell. „Du wirst nichts verstehen was ich dir erzähle, wenn du es nicht selber siehst.“ Sie stand schwankend auf und ging zum Zentrum der Lichtung. Dann holte sie den Klappspiegel aus der Tasche und hielt ihn vor ihre Lippen. Sie flüsterte etwas, was Ryou gerade so noch verstehen konnte. „Chigusa...“ Er wollte sie schon fragen was dieses Wort bedeutete, aber es blieb ihm vor Staunen im Hals stecken. Atoli hielt den Spiegel vor sich und öffnete ihn. Türkisenes Licht strömte hervor und erschuf etwas, was wie ein Durchgang aussah. Ryou konnte nicht sehen was hinter der Öffnung lag, sie bestand aus purer Schwärze. Atoli schritt vorwärts und wandte ihm dann ihr Gesicht zu. Sie lächelte anmutig. „Willkommen zurück, Terror of Death“ Sie drehte sich um und ging durch den Durchgang und verschwand damit aus seinem Sichtfeld. Er streckte seine Hand aus, wollte nicht dass sie ging. Dann merkte er das sie wollte, dass er ihr folgte. Zögerlich trat er vor die Öffnung und erkannte eine Reihe Stufen, die abwärts führten. Langsam schritt er die Stufen hinunter und holte schließlich Atoli ein. Er trat neben sie, mit einer Million Fragen im Kopf. Die Wichtigste zuerst: „Was ist das für ein Ort?“ Er drehte seinen Kopf um sie anzusehen. „Dieser Platz wird die Ebene der sich unendlich kreuzenden Treppe genannt“, erwiderte sie freundlich. „Es ist eine Wegkreuzung zwischen den Welten. Von hier aus kannst du in meine Welt gehen und in jede Welt die du willst.“ „Warte.“ Er begann die Puzzleteile zusammen zu setzen und ein Gesamtbild zu erstellen. „Du meinst, dass du nicht von meiner Welt bist?“ Es klang seltsam in seinen Ohren. „Nein, bin ich nicht. Keiner von uns Epitaph-Usern ist es“, erwiderte sie und hielt ihren Blick nach vorne gerichtet. „Und bevor du fragst, ein Epitaph-User ist jemand mit einem Epitaph, wie wir.“ Sie erreichten den Absatz der Treppe, der eine runde Plattform darstellte und das am Fuß der Treppe ein rotes Symbol war. Es sah fast wie ein roter Hebel aus. Er sah sich weiter um. Da waren sieben andere Symbole rundherum verteilt, alle in verschiedenen Farben. Im Zentrum war eine riesige, goldene Insignie. Von den anderen Symbolen erstreckten sich weitere Treppen. Alles andere war Schwärze. Atoli ging zum Rand der goldenen Insignie. Sie drehte sich um und winkte ihm zu folgen. Er ging zum Rand der Insignie und stand neben Atoli. Sie sah besorgt aus, aber sie zog ihren Spiegel hervor. Sich zu ihm drehend, deutete sie auf das Symbol auf dem Boden. „Dieses Symbol ist wichtig für dich, merke es dir. Es ist das Symbol von Morganna“, sagte sie ruhig. „Morganna...?“ Der Name klang vertraut wie sein Titel, aber er konnte sich nicht erinnern woher er ihn kannte. „Sie ist die Göttin die diesen Platz erschaffen hat.“ Atoli hielt den Spiegel erneut vor ihre Lippen und sprach erneut das geheimnisvolle Wort aus. „Chigusa.“ Die Insignie leuchtete auf und verschwand dann. An ihren Platz erschien eine sich windende Wendeltreppe die abwärts ging. Atoli schritt voran. Ryou folgte ihr. Sie sprach leise weiter, während sie hinabstiegen. „Bevor du in andere Welten kannst, müssen wir zuerst deinen Namen wissen.“ „Aber mein Name ist-“ Sie unterbrach ihn mit einem Wink ihrer Hand. „Nicht dieser Name. Deinen richtigen Namen. Es ist der Name mit dem du andere Welten betrittst. Verrate niemals jemanden deinen richtigen Namen, nicht mal anderen Epitaph-Usern. Besonders nicht anderen Epitaph-Usern. Sie können ihn gegen dich verwenden wenn sie ihn kennen.“ „Aber was ist wenn sie ihn lernen, wenn sie mich in meiner Welt treffen?“ „...“ „Atoli..?“ Er sah ihr in die Augen. Sie wirkten leer, aber dann begriff er das sie sich mit ihrem Avatar unterhielt. „...mein Avatar sagt, dass selbst wenn sie ihn herausfinden, sie ihn nicht gegen dich verwenden können, außer du bist in einer anderen Welt.“ „So, warte Mal. Atoli ist nicht dein richtiger Name?“ „Nein.“ Sie erreichten den Absatz der Treppe und kamen an einer wunderschönen Quelle an. Das Wasser leuchtete golden und eine Vertiefung im Vordergrund enthüllt neun perfekte, runde Juwelen. Ein großes, goldenes Juwel befand sich in der Mitte, die anderen Juwelen anderer Farben waren um es herum angeordnet. Atoli drehte sich zu ihm um. „Wir haben also zuerst deinen Epitaph-Namen zu lernen.“ „Mein Epitaph hat einen Namen?“, fragte er und kam sich einfach nur dumm vor. „Ja. Fühl` dich nicht schlecht deswegen. Ein Schleier wurde über eure Erinnerungen gelegt. Dein Avatar weiß nicht mal seinen Namen. Du kannst dir selber nicht die Schuld dafür geben.“ Sie klopfte ihm auf die Schulter und lächelte verständnisvoll. „Folge einfach deinen Herzen. Es wird dir sagen was zu tun ist.“ „Mein Herz...?“, dachte er irritiert. Es würde ihm nicht schaden es auszuprobieren, aber er war sich nicht sicher was zu tun war. Er wandte sich wieder der Quelle zu und schloss die Augen. Lauschte wie sein Herz in seiner Brust gleichmäßig pochte. Er fühlte eine wärmendes Gefühl in seiner rechten Hand und in seiner Tasche. Er langte in seine Tasche, zog den schwarzen Spiegel hervor und hielt ihn gegen sein Herz. Er konnte fühlen wie die Kraft seines Avatars ihn durchströmte und er konnte fast spüren wie ihre Bewusstseine sich überlappten, synchronisierten. Jetzt verstand er was sein Epitaph damit gemeint hatte, dass sie beide der Terror of Death wären. Sie waren der Terror of Death, wenn sie [f]eins[/f] waren. Sie hatten vollständige Synchronisation erreicht. Sie waren der Terror of Death geworden. Sie schritten vor zu der Quelle und standen direkt vor der Vertiefung mit dem goldenen Juwel. Sie hielten den Spiegel über das Juwel und sprachen stumm Worte die keiner von ihnen verstand. Ihr Körper glühte in einem tiefen rot auf und als sie ihre Augen öffneten sahen sie, dass das Juwel im Zentrum des Kreises ebenfalls glühte. Er war ein Rubin, intensiv tiefrot leuchtend, von perfekter runder Form. Das Wasser begann rot wie Blut zu leuchten. Das Wasser erhob sich aus der Quelle. Es hatte mehr die Farbe von Blut als von Wasser, als es sich aus dem Becken erhob, und es wirbelte vor ihren Augen wie ein Whirlpool. Es war fast schon hypnotisierend. Plötzlich sprang der Großteil des Wassers zurück in die Quelle und wurde wieder klar, mit einer Spur von Gold. Aber über ihnen schwebte etwas, das aussah wie ein Spiegel aus roten Wasser. Ryou und sein Epitaph sahen in diesen Spiegel und erkannten darin drei Symbole, die sich in ihren Augen reflektierten. ハセオ Haseo Irgendwo in seinem Geist schien etwas zum Klingeln gebracht zu werden. Da war etwas Bekanntes an dem Namen. Sie sahen in den unteren Spiegel und sahen vier weitere Symbole. スケイス “Skeith”, korrigierte sein Avatar. Ryou, Haseo, Skeith. Zusammen waren sie der Terror of Death. Ryou spürte wie ihre Synchronisation abnahm. Er konnte fühlen wie er wieder zu seinem Ich zurück fand. Sein Avatar zog sich in die Tiefen seines Geistes zurück. Zufrieden damit sich wieder an seinen Namen erinnern zu können, steckte er den Klappspiegel wieder zurück in seine Hosentasche und drehte sich zu Atoli, die ein wenig zitterte. Sie tat ihr Bestes um sich zusammen zu reißen und ging zu ihm hinüber. Sie sah auf die Quelle, dann zu Ryou. „So, was haben die Symbole gesagt?“, fragte sie. „Warte, du meinst: Du konntest sie nicht sehen?“Er sah sie zweifelnd an. Sie schüttelte ihren Kopf. „Nur du kannst die Symbole sehen. So, was haben sie gesagt?“ Er wandte sich wieder der Quelle zu. „Der obere Spiegel sagte 'Haseo'.“ Atoli nickte. „Das ist dein Name. Der eine den du in anderen Welten benutzen wirst.“ „Der untere sagte 'Sukeisu', aber mein Avatar sagte 'Skeith'.“ „Dein Epitaph erinnert sich meist an seinen Namen wenn er die Symbole sieht.“ Sie lächelte. „Von jetzt an ist dein Name Haseo, wenn du nicht in deiner Welt bist.“ Sie pausierte für ein paar Sekunden. „Ich mag ihn. Es ist ein guter Name.“ Sie wurde etwas rot. „Haseo..“, dachte er und probierte seinen Namen aus. Er kam glatt von der Zunge und Atoli hatte Recht. Es war ein guter Name. „Jetzt wo wir deinen Namen kennen“, sprach Atoli aufgeregt, „Können wir in andere Welten gehen!“ „Juhu“, murmelte er ohne Begeisterung. „So...Haseo?“ Sie sah ihn mit einem süßen Lächeln an. „Möchtest du...meine Welt sehen?“ Er sah sie erstaunt an. „Was für eine dumme Frage ist das denn?“ Sie sah sofort traurig auf ihre Füße. Aber er war noch nicht fertig. „Ich würde liebend gerne deine Welt sehen.“ Sie sah ängstlich auf . „W-wirklich? Wirklich, Haseo? Du machst keine Scherze mit mir?“ Er ging zur Treppe. „Natürlich nicht. Wer würde schon auf die Gelegenheit verzichten, eine andere Welt zu sehen? Lass uns gehen.“ Sie nickte und trat an seine Seite. Sie gingen zusammen die Treppe hoch, redeten gelegentlich. Atoli tat ihr Bestes um Haseo ihre Welt zu erklären und Haseo tat sein Bestes, diese Welt zu verstehen. In der Zeit wo sie die Plattform erreichten, schwirrte sein Kopf von den neuen Informationen. Sie standen zusammen auf der Plattform und sahen wie die Insignie der Morganna verschwand. „Auszeit. Ich habe keinen blassen Schimmer von was du da redest“, gab er zu und kratzte sich am Hals. Sie lachte sanft. „Du wirst es verstehen wenn wir dort sind. Da bin ich mir sicher.“ Sie lief zu einer anderen Treppe an deren Fuß ein türkisener Kreis war. „Das ist meine Treppe. Wenn wir erstmal die Spitze erreichen, sind wir logischerweise in meiner Welt.“ Sie begann die Stufen hochzusteigen. Haseo folgte ihr schnell, versuchte sie einzuholen. Die Treppe war lang, aber überraschenderweise wurde Haseo nicht müde. Schließlich erreichten sie die Tür. Helles Licht fiel durch diese hindurch und blendete Haseo fast. Er schreckte zurück und Atoli bemerkte es. „Bist du in Ordnung, Haseo?“, fragte sie, drehte sich um, legte ihm eine Hand auf die Schulter und sah aufrichtig besorgt aus. Er schüttelte seinen Kopf. „Ja, ich bin okay. Es ist nur das Licht, denke ich.“ „Reagierst du wirklich empfindlich auf Licht?“, fragte sie beunruhigt. „Nenne es Helligkeitsphobie“, erwiderte er. „Es wird schon gehen, Atoli“ Er richtete sich auf und ging fast geblendet in das Licht durch die Tür. Als das Licht schwächer wurde, fand er sich in einen Zelt wieder. Es schien aus etwas gemacht zu sein, dass wie braune Tierhaut aussah. Es gab nur eine minimale Möblierung. Zwei Feldbetten aus Holz, ein hölzerner Schrankkoffer und überall waren Decken, meist aus Tierfellen. Durch eine Öffnung von der er dachte, dass es die Tür wäre, fiel Sonnenlicht herein. Er drehte sich nach hinten um und sah wie Atoli nach ihm aus der Tür kam. Nachdem sie den Durchgang verlassen hatte, verblasste das grelle Licht und ließ keine Spur zurück, dass da jemals eine Türe gewesen war. Sie ging ein paar Schritte vor, nahm einen tiefen Atemzug und stieß einen langen Seufzer aus. „Es ist gut wieder zu Hause zu sein...“, sagte sie zufrieden. Sie drehte sich dann zu Haseo um. „Das ist meine Welt oder genauer, mein Haus.“ „Es ist nett“, sagte Haseo als er sich umsah. Sie bedeutete ihm, ihr zu folgen. Atoli führte ihn nach draußen, wo das Sonnenlicht ihn fast blendete. Er benötigte ein paar Sekunden um seine Augen daran zu gewöhnen und als sie es einmal getan hatten, fand er sich selber in einer großen Siedlung wieder, mit Dutzenden von Zelten die dem von Atoli ähnelten. Da rannten Kinder umher, die fröhlich miteinander spielten, und die Erwachsene kümmerten sich um Hausarbeiten. In Zentrum der Siedlung war ein großer Brunnen, wo ein paar Kinder spielten und ein paar Erwachsene damit beschäftigt waren, Wasser zu holen. Er sah sich um, nahm das Gesehene und die Geräusche in sich auf. Atoli drehte sich zu ihn um und lächelte. „Willkommen, Haseo im geschäftigen Dorf von Morag Don, meiner Heimatstadt!“, sagte sie fröhlich. „So was denkst du?“ Haseo wusste nicht was er sagen sollte. Es unterschied sich eindeutig von seiner Welt. Auch wenn es mehr heimischer als sein eigenes Haus erschien. „Gut, es ist definitiv anders als meine Welt.“ Er machte eine kurze Pause und holte tief Luft. „Aber ich mag es. Es ist nett hier.“ Atolis Augen leuchteten auf. Sie öffnete den Mund um etwas zu sagen, wurde aber von einem Ruf unterbrochen. „Chigusa!!“ Atoli wandte sich um. Haseo folgte ihrem Blick aber sie entfernte sich rannte plötzlich davon. Sie lief in ein junges, blondes Mädchen und umarmte sie stürmisch. „Shino!!“, rief Atoli glücklich. Haseo folgte Atoli, völlig verwirrt. „Chigusa..? Ist das dein richtiger Name, Atoli?“ Atoli ließ das blonde Mädchen wieder los und drehte sich zu ihm um. „Ja, mein Name ist wirklich Chigusa.“ Sie schaute auf den Boden und schämte sich anscheinend. Sie hob ihren Blick und lächelte. „So nebenbei, ich möchte dir jemanden vorstellen!“ Sie drehte sich zu dem blonden Mädchen hinter ihr um. Bis dahin hatte Haseo noch nicht realisiert das sie genau wie Chigusa aussah. „Haseo, ich möchte dich mit meine Schwester bekannt machen, Shino.“ Shino lächelte. „Ich bin erfreut dich kennen zu lernen, Haseo.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)