Die Liebe von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Maddie war ewig unruhig. Es gab aber tatsächlich kaum eine Sache, die sie mehr beunruhigte, ja, die sie mehr beängstigte, als das Warten. Es erschien ihr endlos lang, wenn sie wartete, insbesondere an diesem Tag, denn sie wartete auf etwas Wichtiges. Beinahe sah sie es also ein, dass sie warten musste, auch wenn es ihr nicht gefiel. Wie lange sie bereits hier sein mochte? Sie warf einen Blick hinauf, dorthin, wo die Sonne zwischen den Wolken stand. Das half ihr auch nicht weiter. Sie murmelte etwas sehr Unflätiges über ihren Geliebten, auf den sie hier wartete. Sofort aber wünschte sie die Worte ungesagt, denn das war er, ihr Geliebter, und das hieß, dass sie ihn liebte. Oder zumindest annähernd. Sie war vermutlich ohnehin zu jung, um zu wissen, was Liebe war und wie das Herz sich dabei anfühlen konnte, als dass sie hätte sagen können, dass sie Aiden wirklich liebte. Aber sie dachte, sie täte es und das ließ sie verzeihen, dass er sie warten ließ. Was Aiden darüber dachte war da ein wenig bedeutender, denn er war weitaus gescheiter als das Mädchen, das da auf ihn wartete und war in ebenso gescheiter Gesellschaft aufgewachsen und hatte somit mit der Liebe ohnehin nicht viel zu tun gehabt, damals nicht und heut noch weniger, als er sich langsam auf den Weg machte, Maddie zu treffen. Dabei dachte er scharf nach. Die Liebe, die war ihm zu irrational. Er hatte schon Verliebte gesehen, die furchtbar fern gewesen waren von aller Erde und sich verloren hatten in den Augen des Anderen... Und das verstand Aiden nicht. Nur stückweit, vielleicht, denn er kannte es, sich zu verlieren, nur nicht in Maddies Augen, sondern in ihren Zügen, ihrer Haut, ihrem Haar, dem ganzen Aussehen. Mehr hatte sie freilich auch nicht anzubieten als ihre Schönheit, dachte er und musste leise lachen. Und doch zog es ihn wie magisch zu dieser Frau, die nicht zu ihm passen mochte, nicht zu einem ehrbaren Sohn aus gutem Haus und vor allem nicht zu ihm im Besonderen. Was sollte er denn noch mit ihr, wenn er sie geheiratet hatte (worauf sie sicher nur wartete) und dann enterbt wurde und fortgeschickt und wenn sie dann alt wurde und die Schönheit verlor? Missmutig stieß er mit dem Schuh an einen Stein, der rollte davon und fiel in ein nahes Wasserloch. Bei dem platschenden Geräusch blieb er stehen und beobachtete die rhythmisch erscheinenden, konzentrischen Kreise, die der Stein im Wasser verursacht hatte. Die Ringe faszinierten ihn in ihrer ruhigen Perfektion und wieder musste er an Maddie denken und vor allem an das, was ihm wohl widerfahren mochte, wenn er sich weiter auf sie einließ. Ob sie wohl damit einverstanden sei, wenn er sie einfach verließe, dachte er und stand noch immer da, reglos und nachdenklich, den Wind, der ihm um die Wangen wehte, herzlich willkommen heißend. Er zweifelte sehr daran, denn Temperament hatte sie ja, diese kleine Frau, und sicher würde sie auf ihr „Recht“ bestehen, seine Ehefrau zu werden. Lächerlich, denn Schönheit allein konnte ihm nicht genügen. Andererseits war es eine perfekte, vollkommene Schönheit, die Äußere zumindest, innerlich war sie nicht schöner als die meisten Anderen. Er erschauderte. Er würde die Vollkommenheit bewahren müssen und sie davon trennen. Er wollte sie nicht vergessen, die Schönheit, wenn sie alt wurde. Sie durfte nicht alt werden, kam es ihm in den Sinn und er seufzte. Das war unmöglich. Scheinbar. Maddie hatte daran gedacht, nach haus zurückzukehren und Aiden heimzuzahlen, dass er sie vergessen hatte, als er hinter den Bäumen hervortrat, ein Lächeln auf seinen schmalen Lippen und sie begrüßte. Kurz nur schmollte sie und sah ihn finster an, bevor sie nicht länger warten wollte (oder konnte) und ihm um den Hals fiel. Er schloss seine Arme um sie und barg ihren Kopf sanft an seiner Schulter. Sie konnte deutlich seinen Puls hören und genoss die Wärme und Nähe des Augenblicks. Er strich durch ihr Haar und ließ sie dann los, noch immer so freundlich lächelnd, als er sich mit echtem Bedauern entschuldigte, wie es für Maddie klang. Sie verzieh ihm natürlich, hatte ihm ja bereits verziehen, als er sie so herzlich angelächelt hatte. In seinem Lächeln lag der Sommer, die Wärme, die Fröhlichkeit, dachte sie und sah ihm so fest in die Augen, dass sie Momente lang dachte, nie wieder damit aufhören zu können. Und in seinen Augen lag der ganze Sternenhimmel, dachte sie und ließ sich ganz in seine schützenden Arme sinken. Sie würde ihn niemals loslassen. Sie würde ihn heiraten, mit ihm fortgehen und ihm Kinder schenken, gesunde, kluge Kinder. Sie sollten genauso klug sein wie er, lauter kleine, kluge Kinder mit seinen Sternenhimmelaugen. Die blauen Sternenhimmelaugen sahen derweil auf das schwarze Haar der jungen Frau und zitterten in ihren Höhlen, während der junge Gelehrte aus gutem Haus die einfache Frau fest an sich presste und dabei versuchte, all ihre Schönheit in sich aufzunehmen, sie zu inhalieren, sie in sich zu sammeln, um sie auf ewig erhalten zu können. Und dann stellte er ihr die eine Frage, auf die sie gewartet hatte, seit sie ein kleines Kind gewesen war, er fragte sie, ob sie nicht für immer bei ihm sein wolle, nicht für immer Sein und sie weinte stumme Freudentränen an seine Brust und nickte entschieden. Auch der junge Mann hätte seine Augen wohl trocknen müssen, stattdessen zog er aber den feuchten Stein aus der Tasche, den, der so wunderbare Kreise gezogen hatte und schlug seiner Geliebten Maddie damit den Schädel ein. Und das Fräulein keuchte, dann brach ihr erstaunter Blick und sie sank zu Boden, ganz langsam, denn Aiden hielt sie dabei noch immer fest im Arm und als sie sich nicht mehr rührte, schloss er ihre wunderbaren, braunen Augen und betrachtete ihre roten Lippen, beinahe wehmütig. Dann hob er sie an und trug sie zum Fluss. Auf halbem Weg schien es ihm, als wehre sie sich gegen seinen Griff, er sah entsetzt hinter sich, doch es war nur ihr Fuß, der schmale, wunderschöne Fuß, der in abgetragenen Schuhen steckte, der sich verfangen hatte in irgendetwas... Aiden bekam große Angst. Wenn man ihn nun sah mit der Erschlagenen im Arm? Wenn man ihn richten wollte? Wenn man ihn büßen ließ? Er zitterte, als er rasch an ihrem verhüllten Bein zog und mit einem Knacken nicht der störende Ast, sondern der junge Fuß brach und aus dem Schuh glitt und er weitereilte, voller grausamer Gedanken an sein eigenes Ende. Doch das Bild, das hatte er noch, die Schönheit seiner kleinen Maddie, dieser hübschen Frau. Und es ließ ihn die Angst vergessen und die Seligkeit über ihn kommen, als er endlich den lieblichen Körper in das Wasser sinken ließ und sich das Blut und die Schuld am Flussufer abwaschen konnte, während sie forttrieb von ihm, ganz langsam, und dann verschwand. Er lächelte, als er vor dem Wasser auf die Knie sank und ihr lebendes Gesicht sah, für immer in ihm erhalten und er ließ den Stein fallen und blickte schwärmerisch den perfekten Kreisen nach, die erst so lebhaft waren und dann immer ruhiger wurden, bis es alles stillstand und alles verging für ihn, alles außer ihrer Haut, ihren Zügen, ihrem Haar, dem Liebreiz seiner kleinen Frau. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)