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Ni Hi No Te

In der Hand des Feuers
von

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Prolog

In der Hand des Feuers
 

Prolog
 

Um Mitternacht war der Ball zu Ende und Sayuri und Zer liefen zusammen nach Hause. Als sie vor Sayuris Haustür standen schwiegen sie eine Weile.

Nach ein paar Minuten sagte Sayuri vorwurfsvoll: „ Schreib’ mir ja jeden Tag eine SMS!“ Zer lachte.

„Ich werde mein Bestes geben!“ Sayuri lachte nicht mit.

„Ich will nicht eine Woche warten müssen, bis ich dich wiederseh’!“ Sie umarmte Zer und schluchzte ihm in die Schulter.
 

Die erste Ferienwoche war eine Qual für Sayuri. Nachdem sie sich mit stundenlangem Schmusen verabschiedet hatten, hatte sich Sayuri schlafen gelegt.

Als sie aufwachte hatte sie eine SMS von Zer erhalten, in der er nur geschrieben hatte, dass er gleich losfliegen würde.

Die nächsten drei Tage hörte sie nichts von ihm. Sayuri weinte sich bei ihrer Freundin aus.

Sie schrieb Zer mehrere SMS doch es kam nie eine Antwort und wenn sie anrief, ging jedes Mal die Mailbox ran.
 

Am Freitag klopfte es an Sayuris Tür. Es war ihre Mutter.

Sie sah traurig aus und als sie Sayuri ansah, sah Sayuri, dass sie Tränen in den Augen hatte.
 

„I-Ich muss dir etwas sagen, Sayuri. Es kam gerade ein Anruf.

Deine Sorgen bezüglich Zer waren berechtigt. Die Maschine, mit der er nach Memphis fliegen wollte ist abgestürzt, und nach tagelangen Durchsuchungen wurden keine Überlebenden gefunden.“

„WAS?“ Sayuri stürzte zu Boden und schluchzte.

Flucht aus Kyoto

In der Hand des Feuers
 

Flucht aus Kyoto
 

Sayuri stand am Bahnhof, zwischen den Zugtüren.

„Bitte alle einsteigen!“ Sie stieg in den Zug und suchte sich ein Abteil. Sie fand eins, worin nur ein älterer Mann saß. Ohne ein Wort zu sagen setzte sie sich ihm gegenüber und sah aus dem Fenster. Eine Träne lief ihr über die Wange.

„Guten Abend, Miss.“ Der Mann lächelte Sayuri freundlich an.

„Ihnen auch.“

„Mein Name ist Niobi, und sie sind?“ Er streckte ihr seine Hand entgegen.

„Sayuri, sehr erfreut.“ Sie schüttelte leicht seine Hand, doch sah sofort wieder aus dem Fenster.

„Und? Wohin geht sie Reise?“, fragte Niobi neugierig.

„Weiß ich nicht. Hauptsache weg!“ Er sah sie leicht irritiert an.

„Was? Wieso denn das? Ist doch schön in Kyoto.“

„Mag sein, aber ich halt es hier nicht mehr aus.“

Gerade kamen aus den Lautsprechern die Nachrichten.

Niobi musterte Sayuri neugierig. „Was ist denn passiert?“ Sayuri sagte nichts, denn sie hörte den Nachrichten zu. Genau in diesem Moment kam ein Bericht über den Flugzeugabsturz.

„ Es wurden immer noch keine Überlebenden gefunden. Wir haben schon 247 Menschen identifizieren können. Die Liste der Toten kann bei dem Kinata Friedhof eingesehen werden.“

Sayuri schossen wieder Erinnerungen von Zer durch den Kopf. Ihr erster Kuss, ihre gemeinsamen Nachmittage, der Ball und das Ballkönig und Königin Foto.

Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen und schluchzte los.

Niobi zuckte erschrocken zusammen. Unschlüssig, was er unternehmen sollte, fragte er sanft: „Was ist geschehen? Sie können es mir erzählen.“

Sayuri blickte auf und alles sprudelte nur so aus ihr heraus. Ihre Beziehung mit Zer, der Ball und wie sie erfahren hatte, dass er bei dem Flugzeugunglück gestorben war. Zum Schluss erzählte sie, dass sie nachdem die Ferien vorbei waren einfach die Sachen gepackt hatte, sich mit einem Brief von ihren Eltern verabschiedet hatte, und zum Bahnhof gerannt ist, um in eine neue Stadt zu fahren.

Nach einigen Minuten des Schweigens sagte Niobi streng.

„Einfach davon zu laufen ist aber auch keine Lösung.“

„Dann sagen sie mir doch eine bessere!“ Sayuri erwartete, dass er ihr jetzt erzählen würde, dass man sich seinen Problemen stellen muss, doch:

„Hol Zer doch wieder zurück!“, sagte Niobi lächelnd.

Einladung in die Hölle

Einladung in die Hölle
 

„Was?“ Sayuri sah Niobi wütend an. „Machen sie sich etwa über mich lustig?“

Ernst schüttelte Niobi den Kopf. „Nein. Das ist mein voller Ernst.“

„Wie soll ich denn bitte jemanden der tot ist zurückholen?“

Er lächelte sie an. „Du hast doch gesagt, dass Zer bei diesem Flugzeugunglück ums Leben gekommen sei, oder?“

„Ja schon, aber...“ Niobi redete weiter.

„Man kann Seelen, die zu Unrecht gestorben sind, Beispielsweise bei einem Unfall oder Mord, aus dem Reich der Toten zurückholen.“

„Das Reich der Toten?“, Sayuri musterte Niobi, als sei er ein Irrer.

„Ja! Die Hölle.“ Sayuri prustete los.

„Ich spaziere also eben mal in die Hölle, nehme mir Zers Seele, und gehe wieder nach Hause und alles ist fein?!“

„Simpel ausgedrückt, ja. Nur, dass es viel schwerer ist, als es klingt. Zunächst einmal musst du in die Hölle gelangen. In diesem Punkt könnte ich dir behilflich sein.“ Er kramte in seinem Aktenkoffer und zog eine Fahrkarte heraus.

„Hier. Nimm!“ Sayuri nahm verdutzt die Fahrkarte entgegen.

„Gleis 7.77? Welcher Bahnhof denn? Und welche Uhrzeit?“, fragte sie. Ihr war das ganze unheimlich, denn Niobi schien das wirklich ernst zu meinen.
 

„Also zuerst, Gleis 7.77 befindet sich zwischen Gleis 8 und Gleis 7. Zweitens, welcher Bahnhof ist im Prinzip egal, er muss nur mindestens sieben Gleise haben. Zur Uhrzeit, es muss 7.00 Uhr oder 19.00 Uhr sein. Zu diesen beiden Zeitpunkten öffnet sich das Portal für fünf Minuten.“ Sayuri starrte auf die Karte. Sollte das denn funktionieren? Könnte sie wirklich alles ungeschehen machen, und Zer wieder zurückholen?

„Und sie meinen das wirklich ernst?“ Niobi nickte.

„Bei Gott, Ja!“

Ein Klingeln dröhnte durch die Abteile: „ In fünf Minuten erreichen wir Nagoya.“

„Deine Chance! Dies ist ein riesengroßer Bahnhof, es würde niemandem auffallen.“ Sayuri dachte nach.

„Einen Versuch wäre es ja wert.“ Sie wollte sich ihren Mantel anziehen, doch Niobi sagte: „Den wirst du nicht brauchen. Dort unten ist es warm, glaub mir.“

Der Zug hielt. „Ausstieg links.“

Niobi lächelte aufmunternd. „Du wirst es garantiert schaffen!“

Sayuri verbeugte sich. „Vielen Dank!“

Nun stand sie auf dem Bahnhof. Der Zug fuhr weiter und sie stand an Gleis 6. Gelis 8 und 7 waren eine Treppe tiefer.

Als sie vor der Backsteinmauer zwischen den beiden Gleisen stand guckte sie auf die Uhr: 4.45 Uhr. Der Bahnhof war ziemlich leer, also stellte sie sich ihren Handywecker und legte sich auf die Wartesitze um noch ein wenig zu schlafen.

Eine neue Welt

Eine neue Welt
 

Als Sayuri aufwachte bemerkte sie zuerst, dass ihr Koffer und die Tasche weg waren, doch aus irgendeinem Grund interessierte sie das nicht. Sie schaltete ihren Handywecker aus und sprang auf. Es war fünf vor sechs Uhr morgens. Der Bahnhof hatte sich schon etwas gefüllt. Die Menschen starrten Sayuri die ganze Zeit an, wahrscheinlich dachten sie, Sayuri sei eine Obdachlose.

Sechs Uhr! Sayuri lief zögernd zu der Backsteinmauer. Sie schätzte, wo ungefähr Gleis 7.77 war, stellte sich auf den Punkt und zog die Fahrkarte hervor.

„Und was jetzt?“ Sayuri entschloss sich, die Wand anzutippen. Sie schrie auf, als ihr Finger in der Wand verschwand. Als sie sich beruhigt hatte zählte sie bis drei und ging mit einem großen Schritt durch die Mauer durch.

Da sie ihre Augen geschlossen hatte, sah sie nicht das große Loch, was direkt vor ihr im Boden war, und lief hinein.

Schreiend fiel sie einige Meter tief. Es wurde immer wärmer.

Geräuschlos landete sie auf Erde.

Es war alles ganz anders, als wie sie sich die Hölle immer vorgestellt hatte. Sie war in einer Höhle und vor ihr lag eine lange Brücke, die in einem eisblauen Meer stand. Wohin sie führte, konnte Sayuri nicht sehen, da es ziemlich nebelig war.

Langsam und mit kleinen Schritten ging sie zur Brücke. Als sie auf das Wasser blickte hielt sie erschrocken die Luft an.

Dort drin schwammen leuchtende Kugeln.

Die Kugeln waren unterschiedlich. Manche waren groß und leuchteten stark und manche waren klein und leuchteten eher schwach.

Sayuri kniete sich auf den Boden und steckte eine Hand in das Wasser. Die Kugeln sprangen wild herum und schwammen hin zur Hand, doch schwammen sie dann wieder ruckartig zurück. Auf einmal löste sich eine sehr große Kugel aus der Menge und schwamm zur Hand hin, doch Sayuri riss sie erschrocken heraus, als ein kaltes „Willkommen“ durch die Höhle schallte.

Sayuri sprang auf und suchte nach dem Besitzer der Stimme. Es war niemand da.

Sie schrak zusammen, als plötzlich jemand vor ihr stand.

„Schön, dich kennen zu lernen, Sayuri Hatsuko.“

Vor ihr stand ein Mann. Sayuri war leicht verwirrt. Woher kannte er ihren Namen, und wie kann es sein, dass hier unten ein Mensch lebt? Sie hatte eine rote, ziegenartige Gestalt erwartet.

„Hallo. Wer sind sie?“ Der Mann lachte.

„Wer ich bin? Gute Frage. Manche nennen mich „Der böse König“ oder auch „Satan“ oder „Luzifer“ aber...“ Sayuri ging einige Schritte zurück.

„Sie sind der Teufel!“ Der Mann grinste. Seine Stimme ließ das Blut in Sayuris Adern gefrieren.

„Auch eine Möglichkeit, doch ich bevorzuge „ Herrscher der Unterwelt“.“ Sayuri holte tief Luft um sich zu beruhigen. Vor Angst zitterte sie am ganzen Leib. Doch schließlich war sie ja in die Hölle gegangen, nur logisch, dass sie dort den Teufel getroffen hat.

„Nun, weshalb bist du hier?“

„I-Ich möchte jemanden zurückholen.“ Mit einer zitternden Hand zog sie die Fahrkarte aus ihrer Hosentasche und zeigte sie dem Teufel.

„Zurückholen? Ich verstehe.“ Er nickte nachdenklich. Dann packte er Sayuris Hand. Sie schauderte. Seine Hand war eiskalt.

„Komm mit! Ich werde dir etwas zeigen.“ Sie gingen über sie Brücke.

„Was sind das für Teile?“, fragte Sayuri und deutete auf die leuchtenden Kugeln. Der Teufel blieb stehen.

„Seelen. Je größer die Kugel, desto länger ist ihre Lebensdauer.“

„Lebensdauer?“

„Ja. Eine Seele bleibt nicht ewig hier. Meistens nur einen Monat. Obwohl auch schon manche seit mehreren Jahren hier sind.“

„Was? Weshalb das denn?“ Sayuri dachte an Zer. Was wäre wenn er für Jahre eingesperrt in dieser kalten Höhle als Kugel weiterleben müsste?

„Du musst wissen, wir sind hier nur in einem Teil der Hölle. Dies ist der Raum der Unschuldigen. In diesem Wasser schwimmen Seelen, die bei einem Unfall oder Mord ihr Leben lassen mussten. Wie lange sie hier bleiben hängt ganz von ihnen ab.“

„Wie das denn?“

„Es ist alles eine Frage des Loslassens. Die meisten Seelen drehen total durch, wenn sie erfahren, dass sie tot sind und nicht mehr zu ihren Familien oder Geliebten zurück können. Deshalb bleiben sie eine Weile hier um alles zu verarbeiten. Und nach einer Zeit trennen sie sich einfach von dieser sterblichen Welt. Oder sie werden zurückgeholt.“ Er grinste Sayuri an.

„ Das passiert jedoch eher selten. Die Menschen glauben nicht an so etwas. Ihr Verstand geht mit ihnen durch. Umso mehr freue ich mich, dass du gekommen bist, Sayuri.“

Sie liefen weiter eine Treppe hinunter nach unten hin wandelte sich das blaue Licht in rotes. Sayuri hatte Angst. Wohin brachte er sie? Der Teufel sah Sayuris Besorgnis.

„Ganz unten ist die Verdammnis, doch soweit runter gehen wir nicht.“

Nach einer Weile kam rechts von ihnen eine Tür. Der Teufel hielt die Hand gegen und mit einem Klacken öffnete sich die Tür. Der Teufel zog sie hindurch und ging, jetzt viel schneller, bis zum Ende des Ganges und wieder eine Treppe hoch. Sie liefen an lauter kleinen Räumen vorbei, die, wie Sayuri vermutete, Kerker waren. Sie hatte ein bisschen Angst vor dem Bevorstehenden.

„Hier rein!“ Bevor Sayuri auch nur etwas machen konnte, wurde sie von dem Teufel in einen Metallkorb geschubst.

Erst als er die Tür schloss und versiegelte, realisierte ayuri, was gerade passierte.

„Nun, Sayuri. Du hast etwas sehr wichtiges vergessen!“ Der Teufel war kein Mann mehr. Er hatte sich in eine hässliche, schwarze Gestalt verwandelt. Seine Zähne und Augen waren rot geworden.

„Wenn du etwas von dem Herrscher der Unterwelt verlangst, musst du ihm auch etwas geben. Das tatest du nicht! Also nehme ich mir etwas. Dich!“

„Und was geschieht mit Zer?“ Sayuri zitterte am ganzen Leib. Was würde jetzt passieren? Würde sie sterben?

„Ah, den Jungen Zer willst du also zurückholen?! Ich werde seine Seele freigeben! Doch deine werde ich behalten!“ Er lachte und verschwand. Vom Fernen konnte man das Zuknallen der Tür hören.

Sayuri sank auf die Knie. Was sollte sie bloß tun?

Gefangen in der Unterwelt

Gefangen in der Unterwelt
 

Nach einigen Minuten setzte sich der Kerker in Bewegung. Anfangs hatte Sayuri einige Orientierungsschwierigkeiten, doch dann merkte sie, dass der Kerker nach oben gezogen wurde. Über ihr konnte sie schon das blaue Licht, von dem Raum der Unschuldigen, erkennen.

„Aber wenn ich nach oben gezogen werde, muss ich mich doch genau unter dem Wasser befinden!“ Panik überfiel sie. Was, wenn der Teufel sie ertrinken lassen wollte?

Sie fing laut an nach Hilfe zu rufen. Doch nach ein paar Mal hörte sie auf, wer sollte sie denn hören können?

Auf einmal schoss ein Blitz durch die Höhle und sie hörte eine Stimme von oben kommen. Was um Himmels Willen war dort los?

Sayuri versuchte etwas zu sehen, doch sie war noch zu weit entfernt.

Als die Entfernung zwischen dem Kerker und dem Wasser immer geringer wurde setzten wieder ihre Panikattacken ein.

Jetzt bewegte sich der Kerker schneller auf das Wasser hinzu. Er wurde immer schneller. Sayuri fing an zu schreien.

Der Kerker wurde ruckartig in das Wasser gezogen.

„Hilfe! ZER!“, schrie sie im Wasser und verschluckte sich.

Der Kerker stoppte. Sayuri beobachtete die Kugeln, die sich um den Kerker versammelten.

„Zer? Bist du hier?“, fragte Sayuri und blickte suchend in die Runde.

Mit einem Schlag bekam Sayuri keine Luft mehr. Sie hämmerte gegen den Kerker, in der Hoffnung ihn aufbrechen zu können. Vergebens. Krampfhaft versuchte sie wach zu bleiben, doch nach ein paar Minuten verfiel sie in Ohnmacht.
 

„Hallo? Wach doch bitte auf! Hey!“ Jemand rüttelte heftig an Sayuri herum. Sie öffnete die Augen.

„Gott sei Dank! Du lebst!“ Sayuri hielt den Atem an. Über sie gebeugt saß Zer.

„ZER!“ Sie sprang auf und fiel ihm um den Hals. Zer schrak zusammen.

„Was bedeutet „Zer“?“ Sayuri löste sich von ihm.

„Was?“ Zer starrte sie verwirrt an. Mit einem Schulterzucken sagte er: „Ist ja nicht so wichtig. Wichtiger ist es, hier wieder weg zu kommen.“ Sayuri lachte verunsichert und fiel ihm gleich wieder um den Hals. Er ist bestimmt einfach noch verwirrt. Schließlich war er tot und lebt jetzt wieder.

„Gott sei Dank bist du wieder unter den Lebenden! Ich dachte, ich würde dich nie wieder sehen!“ Sie schluchzte in seine Brust. Er schob sie zögerlich weg.

„Wieder sehen? Du musst mich verwechseln.“

sayuri hörte auf zu schluchzen.

„Was? Wieso sollte ich dich denn verwechseln? Zer? Was ist bloß los mit dir?“

„Doch! Du musst mich verwechseln.“ Zer schaute auf den Boden. „Ich kenne keine Menschen!“

Eines Engels Herz

Eines Engels Herz
 

Sayuri starrte ihn verwirrt an.

„Was soll das heißen „Du kennst keine Menschen“? Du bist doch selbst einer!“

Zer blickte Sayuri in die Augen.

„Nein, bin ich nicht.“

„Was erzählst du denn da? Natürlich bist du ein Mensch! Du bist Zer Osaki!“

„Nein! Und hör endlich auf mich so zu nennen! Mein Name ist nicht Zer! Ich bin Grundengel Rei.“

„Ein Engel?“ Zer nickte „Aber wenn du ein Engel bist, wo sind dann deine Flügel?“ Zer verdrehte die Augen.

„Das ist doch nur so ein doofes Klischee, was sich die Sterblichen ausgedacht haben. Wir brauchen keine Flügel um zu fliegen.“

„Also haben Engel keine Flügel?“, fragte Sayuri verwirrt.

„Ganz so ist das auch nicht. Wenn man vom Grundengel zum Himmelsengel aufsteigt bekommt man Flügel.“ Zer grinste Sayuri verlegen an.

Sayuri lächelte nicht. Sie konnte es nicht fassen. Sie redete gerade mit Zer, der ein Engel ohne Flügel war, und der sich nicht mehr an sie erinnern konnte.

„Zer?“ Zer guckte sie böse an.

„Bitte nenn’ mich Rei. Wie ist eigentlich dein Name?“

„Sayuri Hatsuko“ Rei lächelte.

„Schöner Name!“

Sayuri lächelte matt zurück.

„Was wolltest du mich eigentlich fragen?“ Sayuri sah Rei an. Er war jemand komplett anderes.

„Kannst du dich eigentlich daran erinnern, was war, bevor du ein Engel geworden bist?“

Reis Lächeln verschwand.

„Nein! Das darf auch nicht wissen.“

„Was? Wieso denn nicht?“ Rei blickte auf das Wasser.

„Wenn ich mich an meine Vergangenheit erinnern würde, würde ich auf ewig mein Dasein in der Verdammnis verbringen müssen. Formlos, gestaltlos, taub, stumm und unsichtbar.“ Sayuri zuckte bei dieser Vorstellung zusammen. Dann fiel ihr etwas ein.

„Aber, wenn du doch ein Engel bist, weshalb bist du dann in der Hölle?“

„Ich wurde hierher gesandt, um jemanden zu helfen.

Genaueres wurde mir auch nicht gesagt.“

„ Das heißt, du warst nie eine unschuldige Seele in diesem Wasser?“, fragte Sayuri und zeigte auf das leuchtende Wasser, in dem die Kugeln hin und her hüpften.

„Nein. Dieser Ort ist mir genauso fremd, wie du.“ Sayuri zuckte angespannt.

„Genialer Vergleich.“, Sie drehte sich von ihm weg und musterte die Gegend.

„Wie sollten hier lieber schnell weg, oder?“, fragte Sayuri, als sie ein Knacken hörte.

„Ja, so schnell wie möglich.“

„Und wie kommen wir hier weg?“ Rei nahm Sayuri auf die Arme und flog nach oben. Er hielt ein Stück über der Brücke an. Sayuri hatte laut aufgequietscht und an ihm festgekrallt. Rei blickte nach oben.

„Ich würde sagen, wir versuchen, bis da hoch zu fliegen, denn nach unten geht es nur in die Verdammnis, so viel weiß ich zumindest.“ Er flog weiter. Sayuri hielt sich an Rei fest. Es war ein schönes Gefühl zu Fliegen.

Nach ein paar Minuten legte Sayuri ihren Kopf auf Reis Schulter, und nach kurzem Überlegen flüsterte sie ihm „Zer.“ ins Ohr.

Als Rei dies hörte schrie er laut auf und knallte seine Hände an seinen Kopf. Er schien starke Schmerzen zu haben. Dass Sayuri schreiend in die Tiefe stürzte schien er gar nicht zu merken. Er taumelte in der Luft, doch hatte er sich schnell wieder beruhigt.

Als ihm klar wurde, dass Sayuri in die Tiefe fiel, stürmte er ihr hinterher um sie aufzufangen. Doch Sayuri war schon längst im Wasser angekommen und hustete, weil sie soviel Wasser geschluckt hatte. Rei zog sie aus dem Wasser und beide lagen keuchend auf der Brücke.

Sayuri blickte zornig zu Rei.

„Was war das denn? Ich hätte sterben können!“

„Das was du…also d-das, was d-du gesagt ha-hast…“ Rei war noch komplett durcheinander und versuchte sich zu sammeln, doch er wurde von Sayuri unterbrochen.

„Entschuldige! Aber es ist auch nicht gerade leicht für mich, wenn ich in voller Überzeugung meinen Freund gerettet zu haben auf einen blöden Engel treffe, der sich nicht an mich erinnert!“

„Eben das ist es ja!“ Rei wurde lauter. „ Das, was du zu mir gesagt hast, hat Erinnerungen wach gerufen!“ Sayuri starrte Rei an und sagte, jetzt ganz leise: „Was?“

„Ja! Mach das ja nie wieder! Ich glaub, ich habe dir vorhin erklärt, wie schrecklich das Dasein in der Verdammnis ist.“

Sayuri nickte.
 

Rei nahm sie auf den Rücken und erhob sich wieder. Er spürte Sayuris Zittern auf seinem Rücken. Sie war total kalt.

Nach einer Zeit, die für Sayuri unendlich schien, waren sie an der Decke der Höhle angekommen. Rei schloss die Augen und berührte die Wand. Seine Hand ging durch die Wand. Er lächelte.

„Es klappt“ Doch genau in diesem Moment wurden sie von einer Druckwelle zurückgeschleudert. Ohnmächtig von der Gewalt der Druckwelle stürzten Sayuri und Rei in die Tiefen der Höhle.

Hoffnungslose Falle?

Hoffnungslose Falle?
 

Sayuri lag auf hartem Steinboden als sie aufwachte.

Sie fasste sich an ihren schmerzenden Kopf.

„Schön, dass du auch mal aufwachst! Ich steh mir schon die Beine in den Bauch“ Ein kaltes Gelächter erfüllte den Raum.

Vor Sayuri stand der Teufel und grinste sie hämisch an.

„Sehr witzig“, sagte Sayuri genervt. Mit einem Blick nach rechts sah sie Rei. Sie wollte zu ihm hingehen, doch ihre Füße waren angekettet. Rei sah sie entschuldigend an.

„Die Höhle hat einen Isolierungszauber. So kommt keiner raus oder rein.“

Der Teufel strahlte stolz.

„Mein Werk. Nun, wie dem auch sei, für ein paar Tage werdet ihr diese Zelle euer Heim nennen. Und danach hab ich großes mit euch vor. Ich war schon aus dem Häuschen, als ich erfuhr, dass eine lebende Seele in die Hölle kommen wird, aber dass es noch einen Engel als Gratisbeilage gibt, dass hätte ich mir nie träumen lassen.

Für einige Minuten verfiel der Teufel in Schwärmereien. Doch dann wurde er wieder ernst.

„Bereitet euch schon mal auf die ewige Verdammnis vor, aber nicht zu sehr. Ich steh auf verängstigte Gesichter. Er schnippte, die Tür fiel zu und die Ketten lösten sich.

Schweigen.

„Was sollen wir jetzt tun?“, fragte Sayuri leise. Rei zuckte ratlos die Schultern.

„Manche Engel können Isolierzauber mit Hilfe ihrer Magie brechen. Aber ich bin bloß ein einfacher Grundengel und man muss mindestens ein Himmelsengel sein, um sich an Magie solcher Ausmaße zu bedienen.“

„Wie kannst du denn zum Himmelsengel werden?“ Rei überlegte eine Weile, dann sagte er: „Ich denke, die einfachste Variante wäre das Retten von Unschuldigen Seelen.“ Sayuri klatschte in die Hände und sprang auf.

„Das ist es!“ Rei blickte sie erwartungsvoll an.

„Hast du eine Idee? Los! Sag schon!“

„In diesem Wasser im Raum der Unschuldigen sind ganz viele unschuldige Seelen, wenn wir die befreien, hast du die nötigen unschuldigen Seelen gerettet, wirst zum Himmelsengel und kannst uns hier raus holen.“

Sayuri grinste stolz. Rei stand jetzt auch voller Eifer auf.

„Um diese Tür zu öffnen reicht meine Magie aus!“ Er schnippte und es klackte. Leise huschten die beiden aus dem Kerker und machten sich auf den Weg zum Raum der Unschuldigen.

Soula Libería

Soula Libería
 

Dort angekommen hielten sie kurz inne, um zu hören ob ihnen jemand gefolgt war. Es war alles ruhig, man hörte nur das Plätschern des Wassers. Sayuri stand ratlos auf der Brücke.

„Und wie rettet man jetzt diese Seelen?“ Rei suchte die Gegend ab.

„Hey! Was soll denn das? Die Rettung die Seelen wird niemand in die Wand geschnitzt haben!“

„Was wenn doch?“ Sayuri erstarrte.

„Was? Zeig mal her!“ Sie ging zu der Wand, vor der Rei stand.

„Solche Schriftzeichen habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Sag bloß, du kannst das lesen.“ Rei lächelte sie prahlend an.

„Tz! Angeber!“

„Willst du denn gar nicht wissen, was hier steht?“

„Natürlich! Los, lies schon vor, was da steht!“

Rei überlegte einen kurzen Moment, dann sagte er: „Die Größten sind die Reinsten,

die erlöst werden am feinsten.

Soula Lebería sind die Wort,

damit sie reisen aus der Hölle fort.

Doch vergiss nicht,

nur durch Blut, der Spruch hält, was er verspricht.“

Sayuri musste lachen.

„Wir sollen also nur einen Zauberspruch sagen und ein bisschen Blut reintröpfeln lassen? Das ist ja wie in Harry Potter.“

Rei beachtete diese Bemerkung nicht.

„Also, achte ja da drauf, dass du die größten Kugel aus dem Wasser holst.

„He! Wieso soll ich die Dinger aus dem Wasser fischen?“ Rei schnippste und ein Messer tauchte auf.

„Weil ich mein Blut hergebe.“

Sayuri guckte angeekelt und nickte.
 

Es war gar nicht so leicht, die Kugeln zu erwischen. Kleine Kugeln hätte sie schon längst gehabt, denn diese schwammen ihr sogar hinterher, doch die großen flüchteten vor ihr.

Nach ein paar Minuten hatte sie eine. Sie brachte sie zu Rei und sah zu wie sich dieser in die Hand schnitt, das Blut auf die Kugel tropfen lies und „Soula Lebería sagte.“ Auf einmal zischte ein Blitzt durch die Höhle, genau wie der, den Sayuri gesehen hatte als sie im Kerker gefangen war.

Die Kugel schwebte für einen Moment, dann fiel sie durch den Höhlenboden und war weg.

„Was war das denn?“, fragte Sayuri erschrocken.

„Wir haben sie erlöst!“ Rei grinste Sayuri an.
 

Sayuri holte viele weitere Kugeln und jedes Mal blitzte es und die Kugel fiel durch den Boden.

Verwandlung & Erinnerung

Verwandlung & Erinnerung
 

Als Sayuri wieder einer Kugel hinterher jagte fing Rei plötzlich an zu husten. Er fiel auf die Knie und keuchte.

Als Sayuri das sah, schrie sie voller Panik: „ZER!“, und rannte auf ihn zu. Als sie ihn erreichte lag er reglos auf dem Boden.

„Nein! Zer! Wach auf!“ sie packte ihn und schüttelte ihn. Keine Regung.

Sayuri fing an zu schluchzen und drückte Rei fest an sich.

„Bitte, ich will dich nicht noch mal verlieren!“

In diesem Moment blitzte es wieder und Rei war verschwunden. Sayuri saß reglos auf dem Boden und starrte ins Leere.

Ein zweiter Blitzt und Rei stand vor ihr, und, er hatte zwei große weiße Flügel.

Er lächelte Sayuri an, dieses Lächeln schwand jedoch, als Phelia laut „Zer!“ schrie.

„Was hab ich dir zu meinem Namen gesagt?“

„Ist ja schon gut!“, sagte Sayuri und fiel Rei um den Hals.

„Gott sei Dank, ich dachte du wärst schon wieder gestorben.“ Sie schluchzte in seine Schulter. Plötzlich knallte sich Rei seine Hände an den Kopf und stöhnte vor Schmerz. Beruhigte sich jedoch schnell, aber seine Augen blieben geschlossen.

„Hast du Erinnerungen?“ Rei antwortete nicht. Beim genaueren Hinsehen sah Sayuri, dass ihm eine Träne über die Wange kullerte.

Sie wollte gerade etwas sagen, als der Teufel vor ihr auftauchte. Er schüttelte den Kopf.

„So kurz vor dem Ziel, und du hast alles kaputtgemacht.“ Es stöhnte hinter dem Teufel. Rei war zu Boden gesunken und hatte die Augen wieder offen. Wütend sah er zu Sayuri.
 

Der Teufel hatte sie wieder im Kerker eingesperrt, wo sich Sayuri und Rei anschwiegen.

Nach einer Weile wurde die Stille unterbrochen.

„Was ist mit Zer passiert?“, fragte Sayuri den, sich an den Flügeln herumfummelnden Rei.

„Das hab ich dir doch gesagt, der schlummert ganz friedlich im Himmel.“, sagte Rei genervt. Sayuri sah ihn böse an.

„Du hast diesen Körper nicht verdient und auch nicht diese Flügel!“ Sie drehte sich auf die Seite und versuchte zu schlafen.

„Wieso hast du vorhin geweint?“ Rei zuckte zusammen.

„Wann soll ich geweint haben?“ Sayuri drehte sich zu ihm.

„Als du dich erinnert hast.“ Rei verdrehte die Augen.

„Was weiß ich! Das war Zer, der sich in meinen Körper drängen wollte.“ Sayuri starrte Rei an.

„Das heißt also, immer wenn du dich erinnerst, erwacht ein Teil von Zer in dem Körper und drängt dich weg?“

„Ja, so ungefähr.“

Piece of Love

Piece of Love
 

Sayuri legte sich wieder hin. Konnte sie auf diese Weise mit Zer zusammen sein? Wenn sie Rei küssen würde, würde dann Zer antworten? Ob sie es jetzt gleich probieren sollte? Sie sah zu Rei. Es sah aus, als schliefe er. Müsste er dann nicht noch anfälliger sein?

Sayuri stand leise auf und ging auf Rei zu. Sie hatte sich gerade über ihn gebeugt um ihn zu küssen, als Rei sie wegstieß.

„Was zum Teufel soll das?“ Sayuri wollte etwas antworten, doch der Teufel stand auf einmal zwischen den beiden.

„Wurde ich gerufen?“ Sayuri knirschte mit den Zähnen.

„Nein!“

„Wie schade. Nun denn.“ Er schnipste und war verschwunden.

Sayuri sagte mit trauriger Stimme: „Wann werden wir hier wieder rauskommen?“ Rei sah sie wütend an.

„Wenn du so weitermachst, nie!“

Sayuri legte sich hin. Sie hatte auf jeden Fall vor, es noch einmal zu versuchen, Rei-und damit Zer-zu küssen, auch wenn sie dann nie wieder aus der Hölle kommen würde, wieder in die irdische Welt zu kommen war ihr gar nicht mehr so wichtig.

Das einzige was sie wollte, war Zer noch einmal küssen zu können.
 

Als Sayuri aufwachte saß Rei neben ihr und starrte sie an.

„Was machst du da?“, fragte Sayuri, sich die Augen reibend.

„Du hast vor dich hin geredet. Geht es dir gut?“, Rei fasste Sayuri an die Stirn. Sie schob seine Hand weg.

„Ja, Alles bestens! Wieso bist du so auf einmal so freundlich? Wo ist der Grießgram von gestern?“ Rei erwiderte nichts auf diese Frage. Er schnipste und ein Laib Brot erschien. Er teilte es und gab die eine Hälfte Sayuri. Diese musterte Rei . Er schien gut drauf zu sein. Wenn sie ihn jetzt küssen würde, würde er es aushalten? Sie wollte Rei nicht wehtun, und sie wollte schon gar nicht, dass er in die Verdammnis müsste.
 

Als sie aufgegessen hatten, stürzte sich Sayuri ohne Vorwarnung auf Rei und küsste ihn. Sie hielt ihn fest an sich gedrückt. Erst wollte er sie wegdrücken, doch dann gab er nach. Plötzlich hörte Sayuri ein Stimme in ihrem Kopf. Es war die von Rei. Oder war es Zer?

Er sagte irgendetwas von „Vertrauen“. Sie versuchte zu hören, was er sagte.

„Vertraue nicht dem Engel! Vertraue nur dir!“

Die hässliche Wahrheit

Die hässliche Wahrheit
 

Sayuri löste sich von Rei. Erschrocken starrte sie ihn an.

Rei blickte keuchend zu ihr auf.

„Wie oft denn noch? Du sollst diesen Scheiß lassen!“

Sayuri schrie laut: „Teufel!“, und mit einem Knallen tauchte der Teufel vor ihr auf. Er wirkte zornig.

„Langsam nervt es!“ Er wollte schnipsen, doch Sayuri hielt ihn auf.

„Nein! Ich habe sie gerufen!“ Der Teufel hielt inne.

„Ach was! Da bin ich ja mal gespannt.“

„Ich habe eine Frage an sie. Was wird hier gespielt?“ Der Teufel sah sie belustigt an.

„Das ist kein Spiel, das ist das wahre Leben.“

„Ach?! Und was macht der hier?“ Sie zeigte wütend auf Rei.

Rei meldete sich jetzt auch zu Wort.

„Ich wurde gesandt, um dich zu-...“ Der Teufel schlug ihn.

„Wen hat sie gefragt? MICH!“ Wütend trat er dem keuchenden Rei ins Kreuz.

„Verzeihen sie, Meister.“, keuchte er. Er blickte, jetzt wieder lächelnd, zu Sayuri.

„Du wirst schon sehen.“ Er verschwand. Sayuri wandte sich Rei zu.

„Was war das denn? „Verzeihen sie, Meister.“?“ Rei sagte nichts.

„Antworte! Bist du wirklich ein Engel?“ Rei stand auf und stellte sich vor sie.

„Natürlich!“ Er drehte Sayuri den Rücken zu und drückte ihr seine Flügel ins Gesicht.

„Da! Siehst du? Flügel! Eindeutig ein Engel!“ Sayuri nickt und setzte sich hin.

Einige Stunden blieben sie stumm in verschiedenen Ecken des Kerkers sitzen.
 

Irgendwann brach Sayuri die Stille.

„Es tut mir leid.“ Rei setzte sich neben sie.

„Was sollte das überhaupt?“, Sayuri schwieg eine Weile, dann sagte sie: „Es waren die Worte von Zer, die mich so verrückt gemacht haben.“

„Worte? Was für Worte?“ Sayuri antwortete nicht.

Rei packte sie an den Schultern und schüttelte sie.

„Antworte! Was hat er zu dir gesagt?“

Sayuri schluchzte: „Er sagte: „Vertraue nicht dem Engel! Vertraue nur dir!““

Rei ließ sie los.

Nach einer Weile sagte er: „Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich bin ziemlich müde. Ich leg mich schlafen.“
 

Sayuri wurde von einem Ploppen geweckt. Es war stockduster. Sie versuchte etwas zu erkennen. Rei stand an der Kerkertür. Sayuri wollte gerade etwas sagen, als sie sah, dass seine Flügel weg waren.

Was war passiert? Plötzlich leuchtete Rei auf und ging durch die Tür. Sayuri sprang auf. Was war hier los?

Sie lief zur Tür und versuchte etwas zu hören.

„Mein Meister! Verzeihen sie mir meinen ungehorsam.“ Das war Reis Stimme!

„Verbeuge dich!“ Die Stimme der Teufels war hundertmal kälter als sonst, sie stach durch die Luft wie ein großes Schwert.

„Ich habe etwas Schlechtes erfahren, mein Meister.“

Der Teufel zischte: „So? Lass hören, Rei.“ Sayuri hörte ein Schaben. Wahrscheinlich war das Rei, der auf den Knien umherrutschte.

„Das Mädchen Sayuri hatte Kontakt zu dem Jungen Zer und-...“

„WAS?!“ Es klatschte. Der Teufel hatte Rei wohl wieder geschlagen.

„Weiter! Weiß sie etwas?“

„Ich bin mir nicht sicher. Sie sagte, dass Zer ihr gesagt hätte, sie solle nicht dem Engel trauen, sondern nur ihr.“

„So?“ Der Teufel hielt kurz inne. „Wir müssen verhindern, dass sie noch mehr herausfindet! Sorge dafür!“

„Ja, Meister!“

„Rei? Vertraut sie dir noch? Rei lachte.

„Ja, dieses Mädchen ist sehr naiv.“

„Dann erzähl ihr, dass Zer das gesagt hat, damit sie nicht so abhängig von dir ist, sondern weil er will, dass sie für sich alleine sorgen kann. Und sag ihr, dass er die ganze Zeit vom Himmel aus über sie wacht.“ Der Teufel lachte. „Mein Gott, ich hatte vergessen, wie viel Spaß junge Seelen machen können.“ Rein lachte mit, doch dann sagte er, immer noch leicht belustigt: „Dieses arme Mädchen, wenn sie wissen würde, was mit ihrem Zer passiert ist…“ Der Teufel hörte auf zu lachen. „Tja. Rei! Sieh zu, dass du dich nicht noch mehr erinnerst, das könnte fatale Folgen haben. Und jetzt geh wieder rein!“

„Ja, Meister.“ Sayuri wollte schnell von der Tür weghuschen, doch sie stolperte, und machte ziemlichen Krach dabei.

Mit einem Mal standen der Teufel und Rei vor ihr.

„Dieses Mädchen!“

Der Diener der Bestie

Der Diener der Bestie
 

„Ständig durchkreuzt sie meine Pläne!“, schrie der Teufel vor Wut. Rei unterbrach sein Geschrei.

„Aber Meister, so ist es doch viel besser. Dann fallen die Spielchen eben weg, aber dafür haben Sie früher ihre Seele. Sicher ist sicher.“ Der Teufel grinste.

„Ja, du hast Recht, sehr gut.“ Er wandte sich zu Sayuri: „ Du! Komm mit, ich werde dir etwas Tolles zeigen!“ Sayuri rührte sich nicht. Enttäuscht blickte sie zu Rei.

„Du hast mich die ganze Zeit angelogen?“ Rei klopfte ihr auf die Schulter.

„Nimm es nicht so schwer. Du wirst noch viel schlimmere Dinge erleben.“ Er lachte und kniff Sayuri in die Wangen. Diese schlug daraufhin seine Hand weg und gab Rei eine Ohrfeige.

Mit zittriger, wuterfüllter Stimme sagte sie: „ Fass mich nie wieder an. Ich habe dir vertraut!“ Bevor sie weiterreden konnte, unterbrach sie der Teufel.

„Sehr rührend, aber wir haben noch viel vor.“ Er packte Sayuri Hand und grub seine schwarzen, langen Fingernägel in ihr Fleisch. Hilfe suchend blickte sie zu Rei und flüsterte: „Was soll ich tun?“

Er schlug sie.

„Sei still!“
 

Sayuri wusste nicht wo sie waren. Es war ein großer, farbloser Raum, in dem einige Vitrinen standen. In diesen waren leuchtende Ketten. Sie sahen aus, wie die Kugeln aus dem Wasser.

Der Teufel schubste sie auf einen großen Stuhl, der im Mitten des Raumes stand.

Rei gab ihm eine Kette. Der Teufel ging auf Sayuri zu und hängte ihr die Kette um. Sie war silbern, und an ihr hing eine Kugel, mit einer großen, runden Öffnung.

„Steht dir hervorragend! Jetzt müssen wir in die Verdammnis, um sie zu aktivieren.“ Der Teufel zog Sayuri aus dem Stuhl, um sie aus dem Raum zu ziehen, doch Sayuri ließ sich hängen. Ein paar Meter zog der Teufel sie, doch nach kurzer Zeit ließ er sie genervt los, so dass sie auf den Boden fiel.

„Rei! Kümmere du dich um sie!“

„Ja, mein Meister.“ Rei ging auf Sayuri zu und wollte ihr aufhelfen, doch sie machte keine Anstalten, sich zu bewegen. Der Teufel war schon vorgegangen und stöhnte genervt.

Rei kniete sich zu Sayuri und flüsterte: „Bitte, mach schon. Es wird nur noch schlimmer dadurch! Ich weiß es! Er hat mir alles erzählt. Diese Kette, sobald wir in der Verdammnis sind, wird der dunkle Herrscher einen Funken hineinsetzten, und nach und nach wird dieser deine Seele aufnehmen, so, dass dein Körper nur noch eine leere Hülle ist.“ Sayuri starrte Rei unglaubwürdig an.

„Wieso bist du auf einmal so nett zu mir? Du bist der Diener des Teufels!“ Rei schüttelte den Kopf.

„Nein! Und sei leiser! Er darf uns nicht hören!“ Sayuri stand auf und nickte.

„Gut, ich gehe weiter, aber nur, wenn du mir erzählst, wer oder was du bist.“ Rei nickte und nahm Sayuris Hand.

Pure Soul

Pure Soul
 

„Ich bin Grundengel Rei.“ Phelia wollte etwas sagen, doch Rei schüttelte den Kopf.

„Hör einfach zu. Ich weiß nicht, was gesehen ist bevor oder als ich gestorben bin, ich kann mich nur daran erinnern, dass ich auf der Brücke im Raum der Unschuldigen stand. Ein Typ mit zwei riesigen, goldenen Flügeln stand vor mir uns erzählte mir, dass ich ein Grundengel bin und, dass ich ausgewählt wurde um ein unschuldiges Mädchen zu retten, das in der Hölle gefangen gehalten würde.

Außerdem gab er mir noch ein paar Tipps und Regeln auf den Weg. Eine Regel war, dass ich mich auf gar keinen Fall an meine Vergangenheit erinnern solle, weil ich ansonsten in einen Geist verwandelt werden würde. Jedenfalls, kurz nachdem der Engel weg war, hörte ich einen Schrei aus dem Wasser kommen, und so kam es, dass ich dich aus dem Wasser gefischte hatte. Als wir dann den Versuch gestartet hatten, nach draußen zu fliegen, wurden wir doch von einer Druckwelle zurückgeschleudert!?“ Sayuri nickte und ihre Miene verzog sich aufgrund der schmerzhaften Erinnerung.

Rei redete weiter.

„Als ich aufwachte, lagen wir beide in einem Kerker.

Der dunkle Herrscher hockte neben mir und als ich er bemerkte, dass ich wach war, packte er mich und zog mich aus dem Kerker. Er sagte, dass ich ihm helfen sollte, deine Seele zu stehlen. Ich lehnte natürlich ab, daraufhin hielt er mir eine Flasche hin und sagte mir, dass er mich damit in einen Geist verwandeln könne, und es auch tun würde, wenn ich ihm nicht helfe. Du weißt, was für eine Angst ich vor dem Geist seien habe. Also willigte ich ein. Der dunkle Herrscher hatte sich einen Plan geschmiedet, wie du ihm erstens zu mehr verurteilen Seelen verhelfen kannst, und zweitens, wie er an deinen Seele rankommen konnte. Also ließ er sich den Soula Libería einfallen.“ Sayuri unterbrach ihn.

„Aber ich dachte, wir hätten unschuldige Seelen befreit.?“ Rei blickte schuldbewusste zu Boden.

„Nein, das haben wir nicht. Wir haben diese Seelen auf den direkten Weg in die Verdammnis geschickt.“ Sayuri verkrampfte ihre Hand und ihre Fingernägel bohrten sich in Reis Hand. Dieser wehrte sich nicht und redete weiter.

„Daraufhin hatte der Teufel mir die Kraft gegeben Magie einzusetzen, natürlich nur in kleinen Mengen. Also konnte ich mir Flügel herbeizaubern.

Der eigentliche Plan des dunklen Herrschers war, dass du dich in mich verlieben solltest. Aber da du seine Pläne mehrmals durchkreuzt hast, musste er sich etwas anderes einfallen lassen, nun war sein Plan, das genaue Gegenteil, du solltest mich hassen. Das hat auch nicht geklappt. Bei der dritten Besprechung hast du uns erwischt gehabt.“ Er grinste Phelia zu, hörte jedoch sofort wieder auf, als ihm klar wurde, was er getan hatte.

„E-Es tut mir leid.“ Er sah Sayuri schuldbewusst an. Diese lächelt ihn an.

„Ich verzeihe dir. Ich hätte wohl genauso gehandelt.“ Rei blieb stehen, ließ Phelias Hand los und blickte verunsichert zu Sayuri.

„Meinst du das ironisch?“ Sayuri schüttelte lachend den Kopf.

„Nein, ich meine das Ernst. Ja, ich bin dir sogar dankbar. Frag nicht wieso!“ Rei nahm Sayuris Hand und sagte: „Aber ich war von Anfang an dein Freund!“

Sayuri lächelte.

„Ich weiß. Dafür bin ich dir dankbar.“ Sie umarmte Rei.

„Wie rührend“ Die kalte Stimme des Teufels zerschnitt die Stille.

Gemeinsam in der Hand des Feuers

Gemeinsam in der Hand des Feuers
 

Rei stellte sich vor Sayuri um sie zu beschützten.

Der Teufel lachte.

„Spiel hier nicht den Helden! Noch werde ich ihr nichts tun. Los weiter jetzt!“

Rei nahm Sayuris Hand, und die beiden liefen, vor dem Teufel, den Tunnel entlang.

Nach einer halben Ewigkeit, wie es für Sayuri schien, waren sie in der Hölle angekommen, wie Sayuri sie immer vor ihrem geistigen Auge gesehen hatte.

Es war eine Art runder Raum, in dessen Mitte ein großes Loch war. In diesem Loch befand sich Glut, die hin und her schwappte.

Sie blieben stehen. Der Teufel stellte sich grinsend vor Sayuri.

„Willkommen in meinem Reich! Komm mit! Und du auch, Rei!“ Der Teufel zog Sayuri auf eine Art Alter und befahl Rei, sich zu ihr zu stellen.

Der Teufel ging zu dem Loch und stieg in die Glut.

„Endlich! Es ist soweit! Ich werde meine lang ergatterte Seele bekommen!“ Er bückte sich und griff in die Glut. Danach ging er zu Sayuri, nahm ihre Kette und schüttete die Glut in das Loch in der Kugel.

„NEIN!“ Rei schlug dem Teufel die Glut aus der Hand. Dabei wurde Sayuri nach hinten gedrängt.

„Du Unwürdiger! Du wagst es, Hand gegen mich zu erheben?“ Rei lachte wütend.

„Ja, das wage ich!“ Rei ging ein paar Schritte zurück und schrie: „Ich werde nicht zulassen, dass du Sayuri etwas tust!“ Er wollte etwas, mit Hilfe von Magie, gegen den Teufel schleudern, doch der Teufel winkte lachend ab.

„Zu spät! Das habe ich schon längst.“ Rei dreht sich um, und genau in diesem Moment sank Sayuri auf die Knie. Die Kugel an ihrer Kette bildete einen leuchtenden Ball.

Rei stürzte auf Sayuri zu und versuchte, ihr die Kette abzureißen, mit und ohne Magie.

„Das nützt nichts!“ Der Teufel sah amüsiert zu, wie Rei verzweifelt versuchte, die Kette abzureißen. Nach einiger Zeit merkte Rei, dass die Kugel wie ein Magnet an Sayuris Brustkorb hing. Unter ernormen Anstrengungen konnte er die Kugel abziehen, doch sie sprang sofort an Reis Brustkorb und bildete eine neue Kugel.

Der Teufel schrie vor Zorn.

Die alte Kugel sprang zurück in Sayuri, und Sayuri öffnete die Augen.

Die Kette an Reis Brust spielte verrückt. Es bildete sich keine richtige Kugel sondern nur einen Faden, und dieser blinkte.

Verzögert bemerkte Sayuri, dass Rei gerade um sein Leben ring. Sie auf allen Vieren kroch sie zu Rei.

„Was geschieht hier?“ Rei keuchte: „Die Kette versucht eine Seele aus mir raus zu ziehen, doch da ich keine direkte Seele besitze, hält sie meine Lebensenergie für die Seele.“ Sayuri blickte verwirrt.

„Was heißt das?“ Der Teufel trat neben sie.

„Das heißt: dein Liebling wird sterben.“ Sayuri sprang auf.

„Sterben?“ Der Teufel nickte schelmisch.

Sie kniete sich wieder neben Rei.

„Bitte nicht!“ Rei lächelte.

„Danke!“ Sayuri starrte ihn verdutzt an.

„Weshalb, ‚Danke’?“

„Dank dir konnte ich erfahren, was Liebe ist, obwohl ich tot bin.“ Sayuri hielt die Luft an und blickte entsetzt auf Rei.

„Soll das heißen, du..“

„Ja, ich war die ganze Zeit in dich verliebt, seit meiner ersten Erinnerung. Ich habe deine Seele sehen können. Sie ist rein und voller Liebe. Deshalb ist der dunkle Herrscher auch so scharf darauf.“

Sayuri rann eine Träne über die Wange. Die legte eine Hand auf die Stelle, wo Reis Herz sein müsste. Es schlug nichts. Erschrocken zuckte sie zusammen, als sie sah, dass der Anhänger der Kette sich um das dreifache vergrößert hatte.

Reis keuchen wurde immer stärker.

Der Teufel flüsterte aufgeregt: „Gleich wird es explodieren.“

Sayuri hatte dies gehört und sah Rei verzweifelt an.

„Was?“ Rei beachtete dies gar nicht.

„In der Nacht, als du mich geküsst hast, war das nicht Zer, der dir gesagt hat, dass du nicht dem Engel trauen sollst. Das war ich.“

Sayuri schluchzte und krallte ihre Hand in Reis Brust.

„Heißt das, du hattest nie Kontakt zu Zer?“ Rei nickte.

„Es war alles ausgedacht. Ich weiß weder ob er im Himmel oder in der Hölle ist, oder ob seine Seele überhaupt noch existiert.“ Sayuri fing an zu weinen und legte ihre Kopf auf Reis Brust, die Kette beachtete sie gar nicht.

Zer existierte vielleicht gar nicht mehr! Vermutlich war alles umsonst. Und Rei würde sterben. Sie weinte noch doller.

„Nein, Rei! Du darfst nicht sterben, ich...“

Sayuri hielt inne. Wollte sie gerade wirklich sagen, ‚Ich liebe dich’ ? Waren ihre Gefühle für Rei so stark? Das waren sie. Aber Sayuri hatte diese Reise gemacht, um Zer zurück zu holen. Sie konnte jetzt nicht einfach umsteigen! Sie musste treu bleiben.

„Zer..“, flüsterte sie.

Sayuri schluckte ihre Gefühle runter und setzte sich wieder hin.

Rei gab einen Schmerzensschrei von sich. Gelangweilt kam der Teufel zu ihnen.

„Das dauert ja Ewigkeiten!“ Sayuri warf ihn einen bösen Blick zu und stand auf. Sie wollte gerade etwas sagen, als Rei sich hinter ihr aufrichtete und sich keuchend dem Teufel gegenüber stellte.

Er sah zu Sayuri.

„Benutze dein Ticket um wieder raus zu kommen!“

„Rei, was passiert jetzt?“ Rei zog Sayuri an sich und küsste sie.

„Ich liebe dich, Sayuri.“ Danach stieß er sie mit voller Kraft weg und rief nur: „In Deckung!“

Daraufhin umarmte er den Teufel, der vor Schreck wie erstarrt war.

Sayuri fragte sich, was das sollte, und wollte schon aufstehen, als plötzlich die Kugel von der Kette explodierte.

„REI!“ Doch Rei und der Teufel hatten sich in zwei Lichter verwandelt. Sayuri rannte zu ihnen hin, jedoch lösten sie sich langsam auf und waren nach ein paar Sekunden verschwunden.

Sayuri sank auf den Boden. Sie war ganz alleine in der Hölle. Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen und weinte.



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