Bloodsplashed Memories von CuthbertAllgood ================================================================================ Kapitel 2: Start again ---------------------- „Hey du. Aufwachen.“ Verschlafen öffnete das Mädchen die Augen, als jemand sanft an ihrem Arm rüttelte. Mit einem leisen Aufschrei saß sie auf einmal kerzengrade auf dem gepolsterten Sitz des Beichtstuhls und rutschte an die hölzerene Rückwand. Erst dann erkannte sie ihren Irrtum. Es war keiner der Männer vergangener Nacht, der sie gefunden hatte, sondern ein älterlicher Priester, der sie mit sorgenvollen Augen musterte. „Keine Sorge, ich tu dir nichts!“ Ein kaum merkliches Nicken war die Antwort, während die Blonde ihn immer noch aus schreckensgeweiteten Augen anstarrte. Sie bot keinen schönen Anblick. Die langen Haare waren querbeet zerzaust und würden wahrscheinlich zu einem großen Teil heruntergeschnitten werden müssen. Die ohnehin bemitleidenswerte Kleidung, die sowieso nicht für draußen und erst recht nicht im Winter gedacht war, war noch zerrissener und vor allem dreckiger als am Vortag. Verkrustetes Blut und getrocknetes Salzwasser verunstalteten noch dazu das Gesicht des Kindes. Man sah dem Mann an, dass er zig verschiedene Gedankengänge verfolgte, die das Mädchen vor ihm betrafen. Schließlich entschied er sich dazu, einen Schritt zur Seite zu treten, sodass sie problemlos heraus- und wenn sie es wollte auch an ihm vorbeikam. „Du siehst… nicht gut aus“, bemerkte er dann schließlich, als sie immer noch reglos verharrte. „Wo sind deine Eltern?“ Der Blick der Blonden trübte sich leicht, bis sie sich auf die Unterlippe biss. Dann schüttelte sie leicht den Kopf. „Ich… hab keine“, stellte sie sehr leise fest. Es klang mehr nach einer Versicherung sich selbst gegenüber als nach einer Antwort. Dann stand sie auf und tappte bedächtig aus dem Beichtstuhl. Kritisch verfolgte der Priester ihre Bewegungen und kam zu dem Schluss, dass er wohl eine Ausreißerin vor sich hatte, die allem Anschein nach übel verprügelt worden war. Auch wenn er keine direkten Wunden erkannte; wahrscheinlich lagen die unter all dem Schmutz verborgen. „Wie heißt du, Kleines?“ Sie überlegte einen Moment. Ihren richtigen Namen zu nennen wäre zweifelsfrei nicht sehr klug, da sie annahm, dass diese Leute sie immer noch verfolgten. Zu diesem Schluss kam selbst ein Kind. Kurz flackerte die Erinnerung an ein Gespräch mit ihrem Vater auf, bei dem er ihr von deutschen Flugzeugen erzählt hatte. Viel verstanden hatte sie nicht, aber die Bilder, die er ihr gezeigt hatte, hatten ihr gefallen. „Heinkel“, erklärte sie daher dem dadurch noch verwirrterem Mann und verließ die Kirche wieder. Da sie sich nicht mehr an den Weg erinnern konnte, brauchte sie wesentlich länger, bis sie an ihrem bisherigen Heim ankam. Das jedoch erkannte sie nicht wieder. Das relativ kleine Haus stand nicht mehr, stattdessen waren an dessen Stelle und an der der beiden benachbarten noch rauchende Trümmer. Schaulustige standen umher und versperrten ihr den Weg, sodass sie einiges an Geschick aufbringen musste, um sich zwischen den Menschen durch nach vorne zu schlängeln. Nichts stand mehr. Carabinieri standen den letzten Feuerwehrmännern im Weg, während das ganze von einem langen Absperrband mit der Aufschrift vietato l’ingresso von der Straße abgetrennt worden war. Fassungslos starrte Heinkel die Trümmer vor sich an, ohne wirklich zu verstehen, was das bedeutete. Ihre ganze Vergangenheit war ermordet oder verbrannt worden. Schließlich überwand sie sich und zupfte einen vorbeigehenden Carabiniere am Ärmel. „Scusi… Was ist hier passiert?“ Verwirrt starrte er sie an, und erst jetzt wurde dem Mädchen selbst ihr Aufzug bewusst. Ein leiser Fluch lag auf ihren Lippen, als sie sich umdrehte und zwischen den Gaffern verschwand. Nun war ihre geringe Größe ein Vorteil, den sie zu nutzen gedachte. Bis der Mann sich durch die Masse geschoben hatte, war sie schon lange verschwunden. Das Problem war nur, dass es jetzt noch mehr Leute geben würde, die sie suchten. vietato l’ingresso = Ein-/Zutritt verboten Carabiniere = Polizist Scusi = Entschuldigung Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)