Single Tear(s) von LillyAnn ================================================================================ Kapitel 1: Von der Vergangenheit eingeholt... --------------------------------------------- Kapitel 1: Von der Vergangenheit eingeholt... "Hey, schön dich mal wiederzusehen Tom!", rief Jen als sie ihren Kusscousin erblickte. "Ich hab ja schon ewig nichts mehr von dir gehört, wie gehts dir denn so?" "Naja, muss ja, wie soll es anders sein?" Jen hatte ganz vergessen, dass sie ihren besten Freund aus Kindertagen heute wiedersehen würde. Viel zu beschäftigt mit dem Loswerden von Chris war sie gewesen, um sich gedanklich auf die Geburtstagsfeier vorzubereiten, denn sonst hätte sie wohl geahnt, dass Tom kommen würde und sie somit eigentlich einen Grund zur Vorfreude hatte. Als Kinder waren die beiden unzertrennlich gewesen, was kaum verwunderlich war, denn schließlich lagen nur 8 Tage zwischen ihnen und sie wohnten fast Tür an Tür. Umso erstaunlicher war es, dass sie sich, nachdem Tom mit 16 umgezogen war, nahezu völlig aus den Augen verloren hatten. Gelegentliche Familienfeiern waren seitdem ihr einziges Zusammentreffen. Trotzdem verstanden sie sich noch immer blendend und hatten eine Menge Spaß, wenn sie zusammen waren. Auch jetzt schaffte er es wieder, Jens Laune aufzubessern. Wie es bei Familienfeiern so üblich war, wurden jede Menge Geschichten von den guten, alten Zeiten erzählt und auch Tom konnte einige persönliche Erinnerungen zu Tage fördern. "Weißt du noch, wie wir damals das Auto unserer Nachbarin mit hübschen Ritzmotiven "verschönert" haben? Ich glaube, die war so blöd, dass sie nie rausgefunden hat, dass wir das waren", lachte er. "Ja, genau! Und erinnerst du dich noch an unsere "Waldmeisterbrause", die wir unseren Mitschülern angedreht haben? Die haben echt geglaubt, dass das gefärbte Wasser nach Waldmeister geschmeckt hat", stimmte Jen schmunzelnd mit ein. Der Braunhaarige strich sich die Locken aus dem Gesicht. Plötzlich setzte er ein ernstes Gesicht auf. "Und weißt du auch noch, wie ich dich damals geküsst habe?" Jen verfiel in betretenes Schweigen. Diesen Kuss hatte sie tatsächlich fast vergessen. Erst da Tom es nun erwähnte, konnte sie die Szene wieder deutlich vor sich sehen. Sie waren 14 gewesen und hatten mit einigen gemeinsamen Freunden ihren Geburtstag gefeiert. Nachdem alle gegangen waren, war sie noch geblieben um ihm beim Aufräumen zu helfen. Sie hatte sowieso beschlossen, bei ihm zu übernachten. Das machten sie öfter, auch wenn sie keine 5 Minuten entfernt wohnte. Es war einfach bequemer als mitten in der Nacht nicht noch einmal in die Kälte hinaus zu müssen. Als das Zimmer wieder halbwegs ordentlich ausgesehen hatte, waren sie erschöpft auf das schwarze Sofa gefallen. Für beide war es einer der ersten Abende gewesen, an denen ihre Eltern ihnen Alkohol erlaubt hatten und eben diesem hatten sie- für ihre Verhältnisse- reichlich zugesprochen. Sie hatten sich über belanglose Dinge unterhalten, bis plötzlich eine seltsame Pause eingetreten war. Tom hatte ihr tief in die Augen geschaut und sie hatte seinen Blick nicht deuten können. Noch nie hatte sie das gesehen, was dort in seinen Augen gestanden hatte. Nun im Nachhinein wusste sie, dass es sich um Verlangen und Verliebtheit gehandelt hatte. Jen hatte in die Augen eines pubertierenden Teenagers geschaut, der seine Hormone nicht im Griff hatte. Der Alkohol wirkte wohl außerdem Wunder, denn nie zuvor hatte Tom in irgendeiner Weise angedeutet, dass er mehr von ihr wollen könnte als Freundschaft. Doch an diesem Abend hatte er es durchgezogen. Er hatte sich zu ihr rübergelehnt und eh sie wusste, wie ihr geschah, hatte sie bereits seine feuchten Lippen auf ihren gespürt. Sie war regelrecht erschrocken, als dann auch noch seine Zunge um Einlass in ihren Mund gebeten hatte. Ihr Herz hatte begonnen zu rasen und sie hatte unendlich viele Schmetterlinge im Bauch gehabt, immerhin war es ihr erster Kuss gewesen! Doch plötzlich hatte sie sich besonnen, wessen Lippen sie da spürte. Sie hatte Tom impulsartig von sich geschoben und gestammelt, dass sie das nicht könne. Fluchtartig war sie aufgesprungen und nach Hause gerannt. Als Jen ihn dann am nächsten Tag wiedergesehen hatte, hatte sie erst nicht gewusst, wie sie sich verhalten sollte. Sie hatte ihm kaum in die Augen sehen können. Doch Tom hatte sich so normal wie immer benommen und so hatte sie auch schnell ihre Scheu verloren und das seltsame Ereignis des vergangenen Abends auf den Alkohol geschoben. Er hatte halt einfach nicht gewusst, was er tat... Toms Stimme schreckte Jen aus ihren Gedanken. "Erinnerst du dich?", wollte er wissen. "Ja, ja, natürlich", stammelte sie, "ich bin bloß erstaunt, dass du dich erinnerst. Ich dachte immer, du seiest so betrunken gewesen, dass du es nicht mehr wüsstest!" "Ach so ist das also... Du hast die ganze Sache auf den Alkohol geschoben?", hakte Tom nach. "Ja, natürlich! Ich meine, wir waren doch nie mehr als Freunde! Und außerdem hast du weder vorher noch nachher jemals irgendetwas erwähnt... Also ich glaubte nicht, dass da mehr wäre, ähm, also nicht,. dass ich es gewollt hätte oder so...", druckste die Schwarzhaarige herum. Die Worte schienen sich in ihrem Mund zu verheddern, alles, was sie sagte, klang plötzlich so falsch. Ihr Kusscousin nutzte diesen Moment der Schwäche natürlich sofort, um nochmals nachzufragen: "Ach, du glaubtest also nicht, dass da mehr wäre? Und was, wenn doch? Was, wenn ich an jenem Abend nicht mal halb so betrunken war, wie du glaubst? Was, wenn ich es ernst gemeint habe?" Mit einem Lächeln auf den Lippen kam er ihr etwas näher und fixierte ihre strahlend blauen Augen. Jen fühlte sich vollkommen überfordert. Was sagte er da? Das konnte doch nicht wahr sein. Sie waren doch schon so lange befreundet, wie hätte sich da mehr entwickeln können, ohne, dass sie es gemerkt hätte? Sie dachte immer, sie würde ihren Kusscousin gut genug kennen, um ihm all seine Gedanken von den Augen ablesen zu können. Anscheinend hatte sie sich getäuscht. Anscheinend war sie gefangen in einem Déja-vu und war gezwungen, diese seltsame Situation von vor 8 Jahren nochmals zu erleben. Nur dieses Mal war kein Tröpfchen Alkohol im Spiel gewesen... Es gab nichts, was sie auch nur im Entferntesten an Toms Glaubwürdigkeit zweifeln ließ. Wieder näherten sich seine Lippen den ihren. "Wollen wir es nicht noch einmal probieren, jetzt, wo du weißt was ich fühle?" Jen saß stocksteif da, bewegte sich keinen Millimeter. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Sie wollte ihn doch nicht verletzen! Egal, was in all den Jahren passiert war, sie hatten immer zusammengehalten, der eine war bedingungslos für den anderen da gewesen. Doch nun stellte er sie auf eine harte Probe. Die Beziehung zwischen ihnen würde nie wieder die gleiche sein, egal, was sie jetzt tat. Tom durchbrach die Stille ein weiteres Mal. "Jen, ich habe mich in dich verliebt, schon vor sehr vielen Jahren. Eigentlich gab es für mich seit ich denken kann keine andere als dich! Bitte, ich meine es ernst!" Er kam ihr noch näher. Panik stieg in Jen auf. Sie überlegte verzweifelt, ob es nicht doch noch irgendeinen Ausweg für sie gab. Nicht, dass sie wirklich etwas dagegen gehabt hätte, Tom zu küssen, sympathisch war er ihr schließlich alle mal und er sah nicht mal schlecht aus mit seinem süßen Lächeln und den klaren Augen, in denen man versinken konnte. Doch wenn sie ihn jetzt küsste, dann würde sie ihm in unmittelbarer Zukunft wehtun und diesen Gedanken konnte sie nicht ertragen. Sie war nach Chris einfach gedanklich noch nicht bereit, eine neue Beziehung einzugehen und außerdem durfte sie diese blöde Wette nicht verlieren... Es waren noch keine 24 Stunden nach deren Abschluss vergangen und sie war bereits drauf und dran ihre wichtigsten Freundschaften aufs Spiel zu setzen und zwar alle drei auf einen Streich! Jen klammerte sich an den einzigen Strohhalm, der ihr geblieben war und sprang auf. Sie flüsterte ein tief gerührtes: "Es tut mir so unendlich Leid!", und verließ die Feier so schnell wie möglich. Als sie in das graue, nass-kalte Wetter hinaustrat, rann eine einzelne Träne ihre Wange hinab... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)