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The Meaning of Life

Kakashi X Sakura
von

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Because you are everything to me/The meaning of life

Es tat weh. Es tat so weh. „Dann ist es vielleicht das Beste, wenn wir uns hier und jetzt trennen“ - diese Worte taten so weh. Endlich war Sakura zu Hause angekommen und ließ sich nun weinend und zitternd mit dem Rücken an der Haustür herunter. Draußen hatte sie sich aus Angst, dass jemand sie sehen könnte zurückgehalten, doch nun ließ sie ihren Tränen freien Lauf.

„Uaaaaaaaaaaaaaah!!!“, unter Tränen schrie sie auf und vergrub ihr Gesicht in ihren Armen. Ihr Herz schmerzte so sehr, dass sie die Finger gequält in ihre Arme bohrte. Dabei schoben sich ihre Nägel tief in ihre Haut, doch sie spürte diesen physischen Schmerz nicht einmal, denn der Schmerz in ihrem Herzen war tausendmal schlimmer. Ihr Herz - es war zerbrochen, als läge es in Scherben über dem ganzen Boden zerteilt.
 

Wild pumpte es Sauerstoff in ihre Lungen, während sie nicht mehr aufhören konnte zu weinen und verzweifelt röchelte und schluchzend schnappatmete. Immer, wenn sich der Muskel erneut aufblies und zusammenzog, war es als würde jemand ein Messer in ihr Herz rammen. Doch es war nicht das erste Mal, dass sie diesen Schmerz fühlte. Narutos Tod, der Tod ihres Patienten, Kakashis Koma - nein, sie hatte ihn schon so oft gefühlt: diesen Schmerz, der ihr die Kehle zuschnürte. Seit letztem Jahr war er ihr ständiger Begleiter und gab es einmal ein Hoch in ihrem Leben, dann wusste sie, dass es nicht lange andauern würde.

„Wieso ich? Wieso immer ich?“, fragte sie schluchzend in die Stille hinein. Wieso war immer sie diejenige, die - so wie jetzt - heulend auf dem Boden ihres Flures lag? Wieso war immer sie diejenige, die von allen verlassen wurde? Kakashi hatte versprochen für immer bei ihr zu bleiben - und jetzt?! Wieso war sie immer diejenige, die vom Leben so enttäuscht wurde? War sie zu hoffnungsvoll? Zu naiv? Zu gutgläubig? Wieso kam es ihr vor, dass das Leben immer nur sie bestrafen würde? Ihr lieb und teuer gewordene Menschen immer und immer wieder entriss. Die Sterne, die am Himmel für sie leuchteten und ihr den Weg wiesen. Sie erloschen alle, einer nach dem anderen. Jetzt saß sie hier in vollkommener Dunkelheit.
 

Als Kakashi aus dem Koma erwacht war, konnte sie ihr Glück kaum fassen und war überzeugt davon, dass jetzt alles gut werden würde. Dass nichts und niemand sie jetzt noch trennen könnte und dass es auch für sie ein Happy End geben könnte. Doch der Silberhaarige würde sie nun ebenfalls verlassen und ab morgen würde sie wieder allein sein. Allein in diesem Dorf. Allein in diesem Krankenhaus. Allein in dieser Wohnung. In dieser Wohnung, in der sie einmal für eine kurze Zeit zusammengewohnt hatten. In dieser Wohnung, in der sie sich nach Narutos Tod eingeschlossen hatte.

Naruto, er fehlte ihr so sehr.

„Naruto, wo bist du jetzt…Wieso bist du nicht bei mir?…“, flüsterte sie weinend. Keine Antwort - lediglich ihr orangefarbener Kater, der nun ein ganzes Stück gewachsen war, kam leise angeschlichen, stupste mit seiner kalten Nase ihre Hand an und schleckte etwas daran.
 

Naruto war der einzige der immer zu ihr gehalten hatte. Und obwohl sie seine Gefühle nie erwiderte, hätte er alles für sie getan. Er war sogar gestorben für sie. Gerade in Augenblicken, wo sie sich hilflos und alleingelassen fühlte, musste sie immer an ihn denken - ihren besten Freund. Sie sehnte sich nach seinem Lachen, nach seinen Albernheiten, seiner heiteren Art. Auch er konnte manchmal traurig und nachdenklich sein, war aber andererseits stur genug immer wieder gegen das Schicksal anzukämpfen. Es waren Zeiten wie diese, in denen sie realisierte, dass sie eigentlich - genauso wie ihr blonder Freund - alleine war und niemanden hatte. Natürlich hatte sie viele Bekannte im Dorf und Kollegen bei der Arbeit. Aber sie hatte niemand, dem sie sich in Zeiten wie diesen anvertrauen konnte. Obwohl sie so beliebt war, war die traurige Wahrheit, dass sie eigentlich alleine war. Bei dem Gedanken Ino anzurufen oder bei Kasumi vor dem Friseursalon zu erscheinen und ihnen ihre Seele auszuschütten, dazu hatte sie nicht den Mut und das nötige Vertrauen. Das konnte sie bei niemandem. Und so langsam fing sie an, den Sinn des Lebens anzuzweifeln, denn alle ihre Anstrengungen hatten nie Früchte getragen. Man sagte zwar, dass das Leben für jeden von uns Höhen und Tiefen bereithielt, allerdings konnte man beides doch nur überstehen, wenn es jemand gab, mit dem es teilen konnte. Jemand, mit dem man in guten Zeiten lachen und in traurigen Zeiten weinen konnte. Doch bisher war sie in den Schicksalsschlägen ihres Lebens immer allein gewesen. Der einzige Mensch, der sie nie verlassen hätte, war sowieso tot.
 

Mittlerweile hatte sie so viel geweint, dass ihre Ärmel sich mit den Tränen vollgesogen hatten und schon ganz nass waren. Kaum zu glauben, aber obwohl sie noch vor einer Stunde das Gefühl hatte an diesem unaufhörlichen Schmerz zu zerbrechen, war sie jetzt vollkommen leer. Auch, wenn ihr immer noch einzelne, glitzernde Perlen die Wange hinunter kullerten, hatten ihre Augen den glänzenden Schimmer des Lebenswillens verloren. Sie fühlte nichts mehr, sie wusste nicht einmal weshalb sie so fürchterlich geweint hatte, denn es hatte sowieso keinen Sinn mehr. Ihr Leben hatte keine Sinn mehr, denn es gab nichts mehr, für das es sich zu leben lohnte.

Erschöpft sank sie zu Boden und schloss die Augen, während sie flüsterte: „Naruto…Ich wäre jetzt so gerne bei dir…“
 

Sie war in vollkommene Dunkelheit gehüllt und um sie herum war alles still. Sie fühlte auch nichts mehr und war erstaunt, wie angenehm sie diesen Zustand fand. Ja, hier in dieser Dunkelheit wollte sie für immer bleiben.

„Aber das geht nicht, Sakura-chan.“, hörte sie plötzlich eine sanfte Stimme und hob den Kopf. Über ihr sah sie strahlende blaue Augen und ein verständnisvolle Lippen, die sie anlächelten.

„Narutooooooo!“, schrie das Mädchen freudenjauchzend auf und fiel ihrem besten Freund stürmisch um die Taille; denn anscheinend hatte sie schon die ganze Zeit auf seinem Schoss geschlafen und war gerade auf seinem Oberschenken wachgeworden, „Ich hab dich so vermisst! Die ganze Zeit über! Wieso bist du nicht eher zu mir gekommen?!“

„Baka“, schellte der Blonde sie und strich ihr sanft über den Kopf, „Ich war doch die ganze Zeit bei dir und hab über dich gewacht.“

Sie weinte so sehr, dass sie mit ihren Tränen einen ganzen See füllen könnte und hörte eine ganze Weile nicht auf - diesmal aber aus Freude.
 

„Sakura, hör mir zu. Es gibt wichtige Dinge, die ich dir sagen muss.“, meinte der Gleichaltrige bestimmt und versuchte sie etwas von sich wegzudrücken.

Doch die Rosahaarige ließ es nicht zu, umklammerte ihn stattdessen nur noch fester und protestierte: „Nein, ich will für immer hier bei dir bleiben! Ich hab doch sonst niemanden außer dich! Bitte Naruto, ich brauche dich! Ich will nicht wieder von dir getrennt sein!“

Nun kamen all seine Gefühle wieder in ihm hoch und er schloss seine Arme ebenfalls stark um den Rücken des Mädchens. Er liebte sie so sehr - auch jetzt noch. Und es war wie ein Traum, dass sie ihn so umarmte und er diese Worte aus ihrem Mund hörte. Diese Worte, die er die ganze Zeit hören wollte. Dass er immer noch so starke Gefühle für sie hatte, war vollkommen unnormal. Denn wenn Menschen starben, dann verließ normalerweise der Geist den irdischen Körper, der auf der Erde verfiel. Die Seele kehrte dabei ins Totenreich ein, Gefühle und Erinnerungen an das irdische Leben werden bei dem Eintritt gelöscht. Seine Gefühle für Sakura waren aber so stark, dass er als Geist über das Mädchen wachte und sie immerzu schützend umgab. Anscheinend waren auch seine Gefühle, die er für sie hatte, immer noch die Selben. Egal, was er tat, er würde seine Liebe zu ihr nie vergessen können. Allerdings durfte er eins nicht vergessen: denn, wenn sie damals schon in unerreichbarer Ferne für ihn war, weil sie seine Liebe nicht erwiderte, so war die Distanz zwischen ihnen nun endlos und seine Chance mit ihr glücklich zu sein gleich Null geworden - immerhin war er tot und sie am Leben. Deshalb musste er jetzt alles tun, damit wenigstens die lebende Sakura ihr Glück finden würde.
 

Als er sich nun endlich überwunden hatte, sagte er wie immer mit seiner aufmunternden Art: „Kakashi-Sensei liebt dich wirklich, Sakura-chan. Von ganzen Herzen. Er liebt dich so sehr, dass er nicht mehr ohne dich leben kann.“

Wild schüttelte sie daraufhin den Kopf und fragte: „Wieso geht er dann weg? Wieso verlässt er das Dorf und dann auch noch ohne mir etwas davon zu sagen?“ Nein, egal was ihr bester Freund auch an Gründen anbrachte, Kakashis Verhalten war für sie unentschuldbar. Seine Worte und Taten hatten einen Keil zwischen sie getrieben, sie würde ihm nie wieder verzeihen können. Und auch Naruto konnte Sakura aus vollem Herzen verstehen. Trotzdem gab es Dinge, die ihr Urteilsvermögen trübten.

Diese wollte er ihr nun näher bringen und erklärte: „Sakura, als jemand, der von allen immer gemocht wurde, verstehst du das nicht aber… Auch, wenn es für dich auf den ersten Blick nicht offensichtlich ist, aber in Wirklichkeit, sind Kakashi-Sensei, Sasuke und ich uns sehr ähnlich.“

„Wie meinst du das?“, fragte sie stirnrunzelnd nach. Das war wohl der hanebüchenste Vergleich den sie je gehört hatte.
 

„Doch es stimmt.“, meinte Naruto und führte seine Erklärung weiterhin aus, „Kakashi-Sensei war immer ein Außenseiter. Als solcher versucht man mehr als alle anderen dazu zugehören. Auch, wenn Kakashi-Sensei es nie zugeben würde, aber, seit seiner Kindheit, seit er das Training bei dem vierten Hokage begann, gab er sein Bestes um mit seinem Talent hervorzustechen und sich in die Gesellschaft unauffällig einzufügen. Als Sohn des „Weißen Reißzahns“, der eine Minderjährige heiratete und mit ihr ein Kind zeugte, war er von Anfang an gebrandmarkt, doch als Jonin und Anbu wollte er sein herausragendes Talent in den Dienst des Dorfes stellen. Er wollte irgendwann, in ferner Zukunft, von den Dorfbewohnern als nützliches Mitglied der Gesellschaft akzeptiert werden. Das allein war sein innigster Wunsch und der Sinn seines Lebens - er wollte nie etwas anderes als es allen Recht zu machen und einen unscheinbaren Platz in ihrer Mitte einzunehmen.

Der Sinn seines Lebens war es allen Recht zu machen? Ungläubig sah ihn an, während sie weiterhin aufmerksam zuhörte.

„Deshalb…Glaub bitte nicht, dass er dich als reinem Egoismus verlassen würde. Er tut es vielmehr um dich auch zu schützen.“, er quälte sich zu einem motivierenden, unbekümmerten Lächeln, packte sie an den Armen und drückte sie entschlossen von sich weg, als er sagte: „Und auch, wenn ich dich am liebsten hier bei mir behalten würde und es mir das Herz zerreißt dich wegzuschicken, aber du solltest jetzt aufhören zu weinen - und zu ihm gehen. Denn du bist alles, was er hat.“
 

Als das Mädchen wieder aufwachte, war es stockdunkel. Langsam erhob sie ihren noch müden Oberkörper von dem harten, kalten Parkettboden und hielt sich die schmerzende Stirn. Es war wohl alles nur ein Traum und trotzdem fühlte sie sich jetzt etwas leichter. Auch, wenn Naruto Tod war, würde ihr in den schweren Stunden beistehen - das wusste sie jetzt. Denn er würde immer in ihr weiter leben. Dass Kakashi in ein paar Stunden für lange Zeit das Dorf verlassen würde, war immer noch real und dennoch gingen ihr Naruto Worte immer noch nicht aus dem Kopf.

„Kakashi, du Idiot.“, murmelte sie und biss sich wütend und traurig auf die Lippe. Durch das Gespräch mit ihrem besten Freund war sie zu der Erkenntnis gekommen, dass dieser ihrem Geliebten innerlich näher war, als sie es ihm je sein würde. Schließlich teilten sie das gleiche Schicksal.
 

Wahrscheinlich gab es Dinge, die sie nie ändern können würde - zum Beispiel, dass sie vierzehn Jahre auseinander waren und, dass der Silberhaarige einen Großteil seines Lebens ohne sie verbracht hatte, weil sie damals noch nicht einmal auf der Welt war. Besonders in seiner Kindheit gab es Schicksalsschläge, die ihn geprägt hatte und obwohl er mit ihr darüber geredet hatte, war ihr nie bewusst wie stark diese immer noch sein Tun und Handeln in der Gegenwart beeinflussen würden. Und trotzdem war sie nicht deshalb wütend. Nein. Sie war wütend, weil Kakashi ihr nicht die Wahrheit gesagt hatte und nicht offen mit ihr war. Aber vielleicht konnte sie das auch nicht von ihm erwarten. Vielleicht war jetzt sie an der Reihe auf ihn zuzugehen. Einerseits dachte sie zwar, dass sie ihm schon ihre unumstößliche Unterstützung zugesichert hatte, aber anscheinend war das noch nicht genug. Andererseits erinnerte sie sich auch daran, wie schwer es für sie kurz nach Narutos Tod war, offen mit dem Älteren über ihre Wünsche zu sprechen und sie ihm anzuvertrauen.
 

Doch was könnte sie jetzt in diesem Moment in dem er seinen Entschluss schon gefasst hatte für ihn tun? Auch, wenn sie das noch wusste und keinen klaren Gedanken gefasst hatte, stand sie auf, verließ das Haus und ging zu ihm - genauso wie Naruto gesagt hatte.
 

Während dessen war der Silberhaarige ebenfalls in seiner stockdunklen aber vom Vollmond erhellten Wohnung und packte seinen Rucksack. Er entschloss sich für Allwetterkleidung, ein paar T-Shirts, ein bis zwei Pullis, eine wasserabweisende und winddichte Allzweckjacke und Winterstiefel; Sandalen würde er gleich anziehen. Den Schlüssel für seine Wohnung würde er Iruka mit einem Brief und der Bitte diese für ein Jahr unterzuvermieten morgen beim Weggehen in den Briefkasten werfen. Unschlüssig wanderte seine Hand zu dem Bilderrahmen mit dem Team 7 Foto.

„Die gute, alte Zeit“, flüsterte er wehmütig und entschloss sich dazu das Bild…nicht mitzunehmen. Nichts dürfte seine Entscheidung jetzt noch gefährden. Mit Rin würde er sich morgen um fünf Uhr treffen, stellte deshalb seinen Wecker auf Vier und legte sich aufs Bett um noch ein kleines Nickerchen zu machen. Unmittelbar nachdem er die Augen geschlossen hatte, legte sich ein schwerer Schleier über ihn und er schlief sofort ein.
 

Unsicher wandelte sein Körper durch die Dunkelheit seiner schlafenden Seele. Links wie rechts, geradeaus wie hinter ihm - überall war es dunkel. Sogar seine eigene Hand konnte er nicht sehen, selbst wenn er sie ganz nah vor sein Gesicht hielt. Trotzdem konnte er spüren, dass sein Körper eine Form besaß und so machten sich seine Füße auf in eine ungewisse Richtung zu gehen. Der Weg war eben und es gab nicht worüber er stolpern könnte. Normalerweise war auch ihm wie jedem Menschen etwas mulmig bei so vollkommener Dunkelheit und dennoch hatte er keine Angst. Im Gegenteil, er fühlte sich sogar irgendwie geborgen. Und so ging er weiter bis er plötzlich am Horizont ein Licht aufblitzen sah. Immer schneller lief er darauf zu, bis er schließlich in weißes, stechendes Licht gehüllt war, sodass er die Augen zusammen kniff.
 

Als er seine Augen wieder langsam öffnete, um sich an das Licht zu gewöhnen und sich in seiner Umgebung zu orientieren, war das Erste, das er unter sich vor seinen Augen sah, blaugrauer Leinenstoff. Sofort wusste er dieses Muster und das Kleidungsstück zuzuordnen. Nie würde er es vergessen. Denn es war der Yukata, den seine Mutter immer trug. Mit aufgeregt klopfenden Herzen hob er den Kopf an und blickte nach oben.

„Hast du gut geschlafen?“, fragte die sanfte Stimme der weißsilberhaarigen jungen Frau und lächelte ihn gütig an.

Überrascht und etwas verlegen schreckte er mit einem „Kaa-san?!“ hoch und wurde dabei etwas rot im Gesicht. Hatte er so etwa die ganze Zeit auf ihrem Schoß geschlafen?

„Sei doch nicht so. Du hast früher immer so auf meinem Schoß geschlafen.“, grinste die Weißhaarige belustigt über das Verhalten ihres Sohnes, was ihn nur noch verlegener machte. Wie peinlich! Er war doch kein kleines Kind mehr.
 

Doch plötzlich kam ihm wieder in den Sinn, dass - so sehr er sich auch freute - seine Mutter ihm nicht umsonst erschienen war und er fragte skeptisch: „Hat dich Vater hergeschickt, weil er sich Sorgen um mich macht?“

„Nein, wie kommst du denn darauf?“, winkte sie ab, „Ich wollte nur…ein paar Dangos mit dir essen!“, grinste sie nun noch breiter und zog hinter ihrem Rücken eine braunes Holzschälchen mit Dangospießen hervor. Der Silberhaarige wusste nun gar nicht mehr in welchem Film er war, aber seine Mutter war schon immer etwas eigen gewesen. Obwohl sie früh gestorben war und er nie viel Zeit gehabt hatte sie wirklich kennenzulernen, hatte sie einen sehr simplen und leicht zu durchschauenden Charakter und so wusste er gleich, dass es keinen Sinn hatte abzulehnen. So saßen sie still nebeneinander und aßen die bunten Dangos. Es waren Dangos in den Frühlingsfarben rosa, weiß und blattgrün. Schließlich blieb nur noch ein Spieß übrig, den Yuri ihm mütterlich anbot. Abermals wusste Kakashi genau was zu tun war und lehnte ab, worüber die junge Frau sehr erleichtert war und genüßlich die letzten drei Dangos verzehrte.
 

„Weißt du, Essen ist schon eine komische Sache.“, begann sie nun zu erzählen, „Das was wir essen und unser Körper aufnimmt, beeinflusst auch unseren Charakter und unser Handeln. Ein austrainierter Anbu achtet strikt auf seine Ernährung, was sich auch in seiner Diszipliniertheit widerspiegelt. Fleischesser sind voller Energie und geraten häufig in Streitigkeiten mit anderen. Menschen brauchen eine ausgewogene Ernährung aus Proteinen, Vitaminen und Fetten. Süßigkeiten braucht unser Körper eigentlich nicht. Und doch essen wir sie so gerne. Warum wohl?“

„Naja, sie schmecken so gut, dass man eben nicht widerstehen kann.“, antwortete Kakashi ohne viel darüber nachzudenken. Auf welche komischen Themen seine Mutter manchmal so kommen konnte.
 

Ohne aber auf Kakashis Antwort einzugehen, erzählte sie weiter: „Dein Vater war häufig auf ewig langen und kraftzehrenden Missionen. Mein Vater hatte einen guten Draht zum Hokage und, da er unsere Heirat missbilligte, bat er ihn häufig Sakumo die schwersten und längsten Missionen zu geben. Oft schickten ihn diese durch die Wüste und karge Landschaften, wo er oft tagelang an keinem Dorf oder einer Stadt vorbei kam. Wenn er dann nach Hause kam, war er wie ein ausgehungertes Tier. Und obwohl ich ihm immer sein Lieblingsessen gekocht hatte, schlug er sich den Bauch mit Süßigkeiten voll. Er sagte immer, dass ihn die Süßigkeiten wieder zu einem „Menschen“ machen würden.“ Aufmerksam und interessiert lauschte der ehemalige Anbu den Geschichten seiner Mutter. Obwohl viele der älteren Anbu seinen Vater gekannt hatten, hörte er so eine Geschichte zum ersten Mal. Überhaupt sprach ihn nie jemand zu seinem Vater an. Diese kleinen Details aus der Perspektive seiner Mutter zu erfahren, gab dem Ganzen eine besonderen Geschmack. Obwohl er scheinbar nie das Bedürfnis hatte mehr über seine Eltern zu erfahren - und da die meisten sowieso nur schlecht über sie redeten, war er glücklich und dankbar darüber, wenn ihn niemand darauf ansprach - könnte er jetzt stundenlang zuhören. Doch er befürchtete fast, dass seine Mutter ihm damit etwas anderes sagen wollte und diese Geschichte nicht ohne Grund auf den Tisch gebracht hatte.
 

„Eigentlich brauch unser Körper keine Süßigkeiten, wir können auch ohne sie überleben.“, fuhr sie fort, „Aber immer, wenn wir die Süße in unserem Gaumen zergeht, breitet sich ein Gefühl des Glücks und der Geborgenheit in uns aus, und wir erinnern uns wieder daran, was das Leben lebenswert macht, denn erst dadurch bekommt unser Leben einen Sinn.“ Bedeutungsvoll sah die Weißhaarige ihren Sohn an und Kakashi wusste genau worauf sie anspielte. Also hatte doch ihr Vater sie geschickt.

Bedrückt wich er ihrem Blick aus und entgegnete: „Welchen Sinn hat das Leben, wenn man isoliert den Unwillen aller spüren muss und von Feinden umgeben ist? Du weißt nicht, was ich als Kind durchmachen musste - die Blicke der Dorfbewohner, das Getuschel. Ich möchte Sakura das alles ersparen.“ Nachdenklich musste Kakashi feststellen, dass er einen Vergangenheitskomplex hatte. Sein Vater und seine Mutter mochten ihn vielleicht für pessimistisch halten, aber er hatte das Leid, das er erfahren hatte nie vergessen. Und er hatte Angst. Angst, dass die Dorfbewohner tatsächlich recht haben könnten und sich das Schicksal seiner Eltern in ihm und Sakura wiederholen könnte. Diese Angst würde ihn sein ganzes Leben lang begleiten.
 

„Es tut mir Leid, dass du da so mit hineingezogen wurdest. Eigentlich gingen all der Hass immer gegen mich und gegen deinen Vater. Und es stimmt - letztendlich ist unsere Familie daran zerbrochen.“, seufzte Yuri und wurde einen Moment lang nachdenklich. Sie waren damals zu naiv gewesen. Anders als sie in der Vergangenheit hatte Kakashi eine Weisheit und Weitsicht jenseits seines Alters. Doch dann erinnerte sie sich wieder an die stürmische, aufbrausende Kirschblüte und schöpfte neuen Mut, den sie auch an ihren Sohn weitergeben wollte: „Aber Sakura ist Sakura und du bist du, Kakashi. Sakura ist stark und auch du bist zu mehr fähig als du es dir zutraust. Solange nur Sakura an deiner Seite sein wird.“
 

Sakura an seiner Seite? Nein, er hatte sich bereits entschieden. Seine Entscheidung war unumstößlich. Nichts konnte daran mehr rühren und rütteln. Auch nicht die Worte seiner Mutter. Auch nicht seine eigenen Gefühle. Dann würde ein Jahr herum gehen, vielleicht auch zwei oder drei. Und dann, wird sie ihn vergessen haben - und er sie. Als er daran dachte wurde ihm schwer ums Herz. Aber dann, irgendwann werden sie sich im Dorf über den Weg laufen und sich vollkommen gleichgültig sein. Dann würde er nicht mehr diesen stechenden Schmerz in seinem Herzen fühlen, den er jetzt fühlte. Diesen stechenden Schmerz der seinen Körper lähmte und seine Entscheidung zum Wanken brachte. Diesen Schmerz, der ihm jetzt Tränen in ihm aufsteigen ließ.

Sanft legte ihm seine Mutter ihre Hand auf die Schulter, sah ihm verständnisvoll in die glitzernden Augen und fragte: „Kakashi, ein Leben ohne Süßigkeiten, ist kein Leben. Kannst du, willst du wirklich ohne Sakura leben? Du liebst sie doch, oder?“
 

„Mehr als alles andere auf der Welt.“, wisperte er mit bebender Stimme und wischte sich mit seinem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht. Er konnte nicht. Er konnte es einfach nicht übers Herz bringen. Denn er liebte sie einfach zu sehr. Er konnte nicht mehr ohne sie leben. Denn sie wie die bunten Dangos im Frühling, machte sie das Leben lebenswert.

„Hab Mut und vertraue dem Mädchen, das du liebst, mein Sohn.“, sagte Yuri bevor sie ihrem Sohn einen Kuss auf den Kopf gab und dann verschwand.
 

Plötzlich wachte Kakashi mit pochendem Herzen schweißgebadet auf und Tränen flossen ihm die Wangen herunter. Er musste sich erst einmal beruhigen, Luft schnappen und zur Ruhe kommen. Seinen Atem kontrollierend, setzte er sich auf den Bettrand, trank das Glas Wasser, das auf seinem Nachttisch stand in einem Zug aus und atmete schwer ein und aus. Er musste gerade einen mitreisenden Traum gehabt haben, doch jetzt konnte er sich nicht mehr daran erinnern. Völlige Leere herrschte in seinem Kopf und alles fühlte sich dumpf und pelzig an, wenn er versuchte sich daran zu erinnern. Egal, wie sehr er es versuchte, kamen ihm keine Erinnerungen mehr in den Sinn. Alles vollkommen weggeblasen. Doch er fühlte starke Schmerzen in seiner Brust und seine Augen brennten wie Feuer. Was in Gottes Namen hatte er da gerade geträumt?
 

Wie aus heiterem Himmel viel ihm ein, dass er sich ja mit Rin vor dem Tor treffen wollte und sah panisch auf seinen Wecker. Puh - fünf Minuten vor vier Uhr. Er war wohl noch vor dem Weckerklingeln aufgewacht und hatte jetzt glücklicherweise noch viel Zeit sich fertig zu machen. So packte er seine restlichen Sachen in seinen Rucksack, schnürte ihn fest zu, zog seine Sandalen an, öffnete die Haustür und plötzlich -

„Sa…Sakura?!“, gerade als er vor die Tür treten wollte, stand die rosahaarige Kirschblüte vor ihm und sah aus, als wollte sie eben gerade anklopfen. Kakashi versuchte zu schlucken, doch ein Kloß steckte in seinem Hals und er bekam kein Wort heraus. Nein, er durfte jetzt nicht ins Wanken geraten. Er hatte seine Entscheidung bereits getroffen und so würde es das beste für alle sein. Egal, was sie jetzt noch zu ihm sagte oder mit ihm verhandeln wollte, würde er sich nicht mehr umstimmen lassen.
 

Auch dem Mädchen schien die Situation unangenehm zu sein, denn auch sie wusste nicht richtig wie sie beginnen sollte: „Ähm, also, …“, druckste sie herum, „Entschuldige, dass ich so früh morgens bei dir antanze. Du wolltest bestimmt los und ich hatte auch nicht vor dich aufzuhalten.“ Doch obwohl sie das so sagte, bewirkte sie genau das Gegenteil. Nein, hör auf, sprich nicht weiter, dachte der Silberhaarige. Sein Herz pochte wie wild vor Aufregung und Angst die Kontrolle über seinen Körper zu verlieren. Er musste dem jetzt standhalten, sonst würde er sie beide ins Verderben stürzen. Allerdings spürte er auch, wie er gerade von ihrer Präsenz übermannt wurde. Ihr schlanker Körper, ihre klaren türkisblauen Augen, das feine Haar. Und obwohl so klein und zierlich war, hatte er das Gefühl, dass von ihrem Körper eine gewaltige Kraft ausging. Schon damals als sie eifersüchtig auf alle anderen Frauen in seiner Umgebung war, hatte er gespürt, dass sie anders war. Ihm war schon vorher aufgefallen, dass er - im Gegensatz zu anderen Männern - nicht den weiblichen Rundungen und bezirzenden Charme anderer Frauen erlag, was ihm immer sehr zu Gute kam, denn so konnte er Viele von Ihnen für seine Zwecke gebrauchen. Aber Sakura war anders - sie war aufrichtig und rein und es waren genau diese Eigenschaften denen er nicht widerstehen konnte.
 

Und genau jetzt, in einem so unpassenden Augenblick wie diesem, kamen ihm all diese Momente wieder in den Sinn, in denen sie ihn mit ihrer Aufrichtigkeit, Reinheit und Stärke so beeindruckt hatte, dass seine Liebe zu ihr überquoll. Immer noch brachte er kein Wort über die Lippen, denn all seine Kräfte flossen in die Zurückhaltung seines Körpers.

Das Mädchen ihm gegenüber merkte nichts von seinem Kampf und seiner Anspannung und brauchte ebenfalls eine Weile bis sie die richtigen Worte fand. Doch auch ihr viel es nicht leicht vor ihrem Geliebten zu stehen.

„Also, was ich sagen wollte…“, setzte sie an und brach wieder ab, da ihr Tränen in die Augen schossen und sie sich nicht mehr zurückhalten konnte. Eigentlich für ihn nichts Neues, denn, wie oft hatte er sie schon weinen gesehen? Es war ein gewohnter Anblick und dennoch löste es diesen Reflex in ihm aus sie in seine Arme zu ziehen, ihre Tränen zu trocken und ihr Leid zu lindern. Was sollte er jetzt tun? Konnte er wirklich gehen und sie alleine lassen? Auf irgendeine Art und Weise brauchte sie ihn doch. Nein, falsch, er brauchte sie. Er brauchte sie wie ein Fisch das Wasser, wie die Luft zum Atmen. Er brauchte sie wie süße, bunte Dangos an einem schönen Frühlingstag. Er konnte einfach nicht ohne sie leben.
 

Und schließlich nahm auch Sakura all ihren Mut zusammen und lächelte den Silberhaarigen mit glitzernden Tränen in den Augen an, als sie sagte: „Kakashi, ich möchte, dass du weißt, dass auch, wenn ein Jahr furchtbar lange ist - ich werde auf dich warten! Ich werde warten, bis du wieder zurückkommst. Weil ich dich von ganzem Herzen liebe!“ Als wären an ihm alle Kontrollstricke und Ketten gerissen, zog er das Mädchen zu sich in die Arme, machte einen Schritt rückwärts in seinen Wohnungsflur und schloss die Tür hinter ihnen. Schließlich konnte er sich nicht mehr beherrschen, umarmte sie so stark, dass sie fast zerbrach und übersäte sie mit Küssen.

„Wolltest du nicht gehen?“, fragte Sakura irritiert und wusste gar nicht wie ihr geschah. Obwohl sie die lang ersehnten Küsse ihres Geliebten genoss, zögerte sie dieses Glücksgefühl zuzulassen.

„Nein, ich werde nie wieder gehen und dich alleine lassen. Ich werde für immer hier bleiben. Bei dir.“, erwiderte er und drückte sie noch fester an sich heran. Erst jetzt schlang auch sie die Arme um seine Taille und lies nicht mehr los.
 

„Wieso bist du so früh überhaupt wach?“, fragte er und sog den lieblichen Duft ihrer Haare genüßlich ein.

Auch das Mädchen genoß das leichte Kitzeln und schmiegte sich weiter an ihn heran als sie antwortete: „Blödmann, das hatte ich doch gerade gesagt, oder hörst du mir nicht zu? Außerdem konnte ich nicht schlafen.“

„Dann lass und jetzt gemeinsam schlafen gehen.“, er schwang kurzerhand seine Arme unter ihre Kniekehlen, trug sie zu seinem Bett und ließ sie sanft hinab während er sich ebenfalls zu ihr legte.

„Du bist echt der größte Blödmann auf der ganzen Welt.“, meinte sie, während sie sich wieder an seine Brust kuschelte und erleichtert die Augen schloß.

„Ja, und du bist die größte Heulsuse auf der ganzen Welt.“, erwiderte er und setzte hinzu, „Aber deshalb liebe ich dich so.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  sama-chan
2019-06-11T06:10:36+00:00 11.06.2019 08:10
Ich war erstmal total verwirrt.. ich konnte mit dem neuen Titelbild der FF nichts anfangen und dachte: "Wenn mich nicht erinnern kann, wird es schon nicht so wichtig gewesen sein. Da lass ich mir Zeit mit lesen..."
Wumm!
Da schau ich heut rein und bin total geflasht, dass es sich ja um diese FF handelt und musste gleich sofort lesen. 🤣

Ein wundervolles Kapitel! 😍 Endlich sind die Beiden über ihren Schatten gesprungen und kommen einen Schritt zueinander und weiter! Juchu!!!

Aber wie geht's weiter? Nähern sie sich noch mehr (was Kakashi ja verhindern wollte)?... Und Rin hat sicherlich auch was dagegen ...
Ich bin gespannt!!!
Von:  Cosplay-Girl91
2019-06-07T22:04:18+00:00 08.06.2019 00:04
Tolles Kapitel :)
Es war sehr emotional für beide Parteien.
Ich dachte fast Sakura gibt sich wieder auf...
Nun sind die Beiden wieder vereint!
Bin schon sehr gespannt wie es weitergeht.
Mach weiter so.
Lg
Antwort von:  Sweet_Sakura0307
08.06.2019 13:02
Danke für deinen Kommi. Ja, eine Achterbahn der Gefühle, aber es ist ja doch noch alles gut gegangen.
Freu dich aber nicht zu Früh, wir sind noch lange nicht beim Ende angekommen ;)


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