Memory Fragments von Rejah ================================================================================ Kapitel 6: Kapitel 6 -------------------- Kapitel 6 „Sie sind also praktisch ... mein Lehrer, ja?“ Der Mann, der sich als Kakashi vorgestellt hatte, nickte lächelnd. Nachdem ich mich von meinem ersten Schock erholt hatte, hatte er mir das Kunai aus der Hand genommen und stirnrunzelnd den zerbrochenen Rahmen auf dem Fußboden gemustert. Ich hatte schuldbewusst dreingesehen, doch er sagte, dass es nicht so schlimm sei und lud mich zu einem Tee in einem kleinen Lokal ein. „Woher wussten Sie eigentlich, dass ich verletzt bin?“ Kakashi hatte eine Krücke bei sich gehabt und sie mir gegeben. „Ich habe eben Sakura getroffen; sie meinte, dass sie ganz vergessen hätte, dir etwas zum Gehen zu geben.“ Ich nickte; Kakashis Gegenwart verwirrte mich. Er war mir früher sicher eine sehr vertraute Person gewesen und auch das Lächeln, das er mir gegenüber zeigte, schien diese Tatsache beweisen zu wollen. Dennoch war etwas an ihm, das mich vorsichtig bleiben ließ, auch wenn ich den Grund dafür nicht benennen konnte. „Sasuke.“ Kakashis Lächeln verschwand auf einmal und er sah mich ernst über den Rand seiner Tasse hinweg an. Ich hatte doch gewusst, dass etwas nicht stimmte. „Sakura und Naruto haben dir alles erzählt oder? Das mit deiner Familie.“ Ich nickte, meine Kehle war auf einmal zu trocken zum Sprechen. „Möchtest du wieder so werden wie früher?“ „Wenn ich wüsste, wie ich früher gewesen bin.“ „Das meine ich nicht.“ Kakashi stellte klirrend seine Tasse ab. Sein unbedecktes Auge fixierte mich. „Möchtest du auch wieder ein Ninja werden, wie Sakura und Naruto es sind, und Missionen annehmen? Ich bin mir sicher, dass sich dein Körper schnell wieder an die Techniken, die du konntest, erinnern wird.“ Kakashi wandte den Blick ab und das war das Zeichen für mich, dass er noch nicht alles ausgesprochen hatte. „Es gibt einen Haken, oder?“ „Ja.“, sagte er unverblümt. „In dir steckt ein großes Potenzial, Sasuke. Damals warst du der beste Schüler in der Akademie und auch später hast du deine Missionen immer erfolgreich abgeschlossen. Du hättest eines Tages Hokage werden können, da bin ich mir sicher ...“ Kakashi hielt inne, trank einen Schluck Tee und sah mir erst dann wieder in die Augen. „Wenn da nicht dein Hass gewesen wäre.“ Er ließ die Worte zwischen uns in der Luft hängen und ich spürte, wie sie langsam in mein Gehirn sickerten. Hass, hatte er gesagt. Ich konnte mir vorstellen, gegen wen sich mein Hass gerichtet hatte, doch auch wenn ich jetzt an Itachi dachte, konnte ich diesen Hass nicht wieder neu aufflammen spüren. Da war einfach nichts, höchstens Traurigkeit, dass ich mich noch nicht einmal an dieses Gefühl erinnern konnte. „Sasuke, ich glaube, es wäre besser, wenn du die ganze Geschichte hörst. Willst du es?“ Ich nickte ohne zu zögern. Und er erzählte es mir. Erzählte mir, wie ich mit dem Tod meiner Familie umgegangen war – nämlich gar nicht – und dass ich aus Einsamkeit und einem einzigen Wunsch heraus besser und stärker werden wollte. Er erzählte mir, dass ich mein ganzes Leben auf Rache ausgerichtet hatte, auf Rache an meinem Bruder. Und er erzählte mir, wie ich jemandem namens Orochimaru in die Hände fiel, der mir diesen Wunsch erfüllen wollte und konnte und wie ich mit ihm ging und wie Naruto und Sakura nach mir suchten, verzweifelte drei Jahre lang. Es war eine schlimme Geschichte und ich wischte unauffällig eine Träne aus dem Augenwinkel. Diese Person namens Sasuke war verdammt noch mal bemitleidenswert und ich war froh, dass es sie nicht mehr gab. Ich war froh, dass es mich nicht berührte. Danach tranken wir stillschweigend unseren Tee, Kakashi bezahlte und dann gingen wir getrennte Wege. Ich musste darüber nachdenken, was ich tun sollte. Er hatte es nicht gesagt, weil es nicht ausgesprochen werden musste, damit ich es verstand. Wenn ich wieder lernen würde, zu kämpfen, würde ich dann dem selben Pfad folgen und nach Rache suchen? Ich sagte mir: Nein, denn es ist dir egal. Das war die Wahrheit. Doch was würde ich tun, wenn ich es wirklich wieder lernen würde? Würde sich mein Körper nur an die Techniken erinnern oder auch an andere Dinge? Ich wollte nicht, dass sich das alles wiederholte und ich in einen ewigen Kreislauf geriet. Andererseits – es tat weh, diese Geschichten über meine Vergangenheit zu hören und gleichzeitig zu wissen, dass es mich berühren sollte. Ich war nur ein halber Mensch ohne meine Erinnerungen. Möglicherweise war es vielleicht doch erstrebenswerter, nicht nur die Techniken erneut zu lernen, sondern auch meine Erinnerungen. Und ich würde mit aller Macht versuchen, das Versprechen einzuhalten, das ich Naruto gegeben hatte. ~~~~~*~~~~~ Als ich wieder in Narutos Wohnung ankam, wartete dieser schon ungeduldig auf mich. „Wo bist du gewesen?“ „Das gleiche könnte ich dich fragen.“, gab ich giftig zurück und fragte mich, woher dieser Tonfall auf einmal kam. „Ich hab Ramen gekauft, wie versprochen.“ „Du wolltest was zu essen holen.“ Ich setzte mich auf das Sofa. Die ganze Herumlauferei hatte mich müde gemacht. „Und was soll Ramen sonst sein? Deko?“ Ich verzog den Mundwinkel und sagte: „Ich mag das Zeug nicht. Zu salzig.“ Naruto sah aus, als wollte er mich deswegen gleich anspringen. Dann zuckte er jedoch mit den Schultern. „Für heute hab ich nichts anderes. Kannst ja morgen mit zum Einkaufen kommen.“ Ich nickte und Naruto stellte mir schweigend eine Schüssel auf den Tisch, die ich widerwillig zur Hälfte leerte. „Ich versteh nicht, wie man Ramen nicht mögen kann.“ „Wenn das dein größtes Problem ist.“ Ich starrte aus dem Fenster und sah, dass es dämmerte. Dieser Tag war sehr lang und sehr, sehr erschöpfend gewesen. Ich war so müde, dass ich meine Augen kaum noch aufhalten konnte. Naruto setzte sich neben mich. „Was ist los?“, fragte er rundheraus. „Das fragst du noch? Mein Bruder hat ja nur meine ganze Familie getötet.“ Naruto sah mir forschend in die Augen. „Das ist es nicht, oder?“ Ich seufzte. „Nein.“ Ich zog die Knie an und legte meinen Kopf darauf. „Ich ... ich möchte mich einfach nur erinnern. Ich ... fühle mich so leer, Naruto. Aber ich habe Angst davor, wieder wie früher zu werden.“ „Wie früher? Was meinst du damit?“ „Kakashi hat mir alles erzählt. Was für ein Mensch ich früher gewesen bin.“ Ich begann zu zittern und zog meine Knie dichter an den Körper. „Und dass ihr mich ... dass ihr mich gesucht habt. Naruto, es tut mir Leid.“ Ich merkte, wie er zögerte, doch dann spürte ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter, warm und fest. Ich lehnte mich an ihn, obwohl ich nicht wusste, ob das angebracht war, und dann konnte ich mich nicht mehr halten. Ich weinte nicht, weil ich es einfach nicht konnte, doch ich zitterte am ganzen Leib und wollte nur den anderen Körper an meinem spüren, etwas, das mir Halt gab in einer Welt, die ich nicht mehr kannte. ~~~~~*~~~~~ „Ich möchte wieder ein Ninja werden.“ Mit weichen Knien stand ich im Büro des Hokages. Tsunade-sama musterte mich über ihren riesigen Schreibtisch hinweg. „Dein Grund?“, fragte sie scheinbar gelangweilt. „Ich möchte meine Erinnerungen wieder haben.“ Ich stand so aufrecht wie möglich. „Und du glaubst, sie dadurch wiederzuerlangen?“ „Nein, Tsunade-sama.“ Sie hob eine Augenbraue. „Aber ich hoffe es. Bitte gestatten Sie es mir.“ Minuten verstrichen, ohne dass sie etwas sagte. Sie musterte mich nur stillschweigend. Dann faltete sie die Hände zusammen, stützte ihr Kinn darauf und sagte streng: „Sasuke, ich hoffe, du bist dir nach Kakashis Informationen bewusst, dass du eigentlich ein gesuchter Vebrecher bist. Hättest du deine Erinnerungen noch, hätte ich dich bei deiner Ankunft in Konoha gefangen nehmen und dich verhören lassen müssen. Wenn du wieder so stark wirst, wie du es früher einmal warst, könntest du eine Gefahr für das ganze Dorf werden.“ Ich ballte die Hände zu Fäusten. Bedeutete das ein 'Nein'? Ich wusste nicht, was ich tun sollte und wollte schon zu meiner Verteidigung ansetzen, als sie plötzlich weitersprach. „Dennoch möchte ich auf deine Fähigkeiten nicht verzichten. Wenn du dich Konoha unterstellst, bin ich mir sicher, dass du uns eine große Hilfe sein wirst. Aber wenn du Konoha ohne meine Erlaubnis verlässt“, sie hob den Zeigefinger, „hast du deine letzte Chance vertan.“ Ich verbeugte mich so tief, wie ich nur konnte. „Ich werde Sie nicht enttäuschen, Tsunade-sama.“ Ich musste hier raus, ich wollte nicht, dass sie mein Zittern sah. „I-Ich danke Ihnen.“ Ich stürmte aus dem Büro. ~~~~~*~~~~~ Vor der Tür warteten Naruto, Sakura und Kakashi, doch ich lief einfach an ihnen vorbei, so schnell ich es mit meinem verletzten Fuß konnte. Sie würden mich nur mit Fragen bombardieren wollen und mir war nicht nach reden zumute. Als ich aus dem Gebäude trat, traf ich auf strahlenden Sonnenschein. Es war warm geworden, geradezu heiß und in Narutos Wohnung würde es stickig sein, ganz zu schweigen davon, dass er mich dort sehr schnell aufsuchen würde. Ich ging daher kreuz und quer durch Konoha, auf der Suche nach einem kühlen Platz, an dem man mich nicht suchen würde. Ich fand ihn am Rande des Dorfes, wo die Bäume des umgebenden Waldes über die Mauern gewachsen waren. Ein Bach lief am Rand entlang. Etwas stromaufwärts sah ich kleine Kinder, die sich im Wasser gegenseitig nass spritzten. Ich hatte mich gerade auf den Rücken gelegt, die Augen geschlossen, als sich plötzlich ein Schatten über mich legte. „Hey.“ Ich öffnete die Augen und sah Naruto, um dessen Haare sich ein weißgelber Kranz aus Sonnenlicht gelegt hatte. Er legte sich neben mich und sah einfach nur nach oben in die Wolken, die Arme im Nacken gekreuzt. Ich atmete seufzend aus. „Folgst du mir eigentlich überall hin?“ „Ja.“ Naruto sah mich nicht an, als er weitersprach. „Und, wie ist es gelaufen?“ „Sie nimmt mich an.“ „Dann ist doch alles gut, oder?“ Naruto sah mich erstaunt an. „Ich meine, wieso läufst du dann weg?“ „Weiß auch nicht ... ich brauchte auf einmal etwas Platz für mich selbst. Zum Nachdenken.“ „Du denkst zu viel, Sasuke.“ „Tu ich gar nicht. Ich ... will nur mehr erfahren.“ „Soll ich dir's erzählen?“ Ich sah zu ihm herüber. Er hielt seine blauen Augen genau auf mich gerichtet und blinzelte kein einziges Mal. „Was erzählen?“, fragte ich zögerlich. „Wie du früher warst, natürlich. Nicht nur das übliche, sondern ... Einzelheiten. Was du gerne mochtest, was nicht und ... was wir so gemacht haben.“ Erstaunt setzte ich mich auf. „Das würdest du tun?“ „Natürlich! Immerhin waren wir – Freunde.“ Ich hielt inne. Freunde, ja, das hatte er mir gesagt. Dennoch hatte das Foto, das ich in seinem Zimmer gefunden hatte, nicht danach ausgesehen und außerdem konnte ich mir nach dem, was mir Kakashi erzählt hatte, gar nicht vorstellen, Freunde gehabt zu haben. Denn wenn man nur ein Ziel hat, ist einem alles andere doch egal, oder? Dennoch legte ich mich wieder zurück ins Gras und forderte Naruto dazu auf zu beginnen. ~~~~~*~~~~~ Der Tag verging schnell und langsam zugleich. Naruto erzählte mir soviel, dass ich gar nicht alles behalten konnte. Aus manchen Einzelheiten konnte ich erkennen, dass ich wohl ziemlich mürrisch und ernst gewesen sein musste, doch Naruto erzählte mir vor allem witzige Dinge, die uns widerfahren sind, über die ich lachen musste, aber auch traurige, die meistens mit einer unserer Missionen zusammenhingen. Wenn er von diesen erzählte, wurde ich immer ganz still und versuchte so gut wie möglich zuzuhören und schloss die Augen, um es mir noch besser vorstellen zu können. Allein seine Erzählungen machten mir Angst und ich war froh, dass es nur noch eine Erinnerung war. Als Naruto schließlich aufhörte zu reden, dämmerte es bereits. „Wir sollten langsam mal nach Hause.“ Er stand auf und reichte mir seine Hand, doch ich machte keine Anstalten, sie zu ergreifen. „Was ist los?“ „Ich ...“ Ich setzte mich auf. „Ich wollte dir nur sagen ... ähm ... lass uns wieder Freunde sein, okay?“ Naruto lächelte. „Klar.“ Ich nahm seine Hand, ließ mich von ihm hochziehen und umarmte ihn. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)