The Best Thing (LILEY) von EmiLy_RoHan (You and Me) ================================================================================ Kapitel 16: I Never Dreamt It'd Be Like This -------------------------------------------- THE BEST THING YOU AND ME LILEY Kapitel 16 „Was wollen Sie jetzt wieder hier? Lilly hat Ihnen alles gesagt, was sie weiß und bis jetzt hat sich noch niemand hier blicken lassen, oder? Dafür haben Sie doch ihren Mann überhaupt vor unsere Tür gesetzt.“, Miley verschränkt ihre wütenden Arme vor dem Körper und sieht Officer Charlie mit einer Mischung aus Missbilligung und Abscheu an. Sie hat ihm wohl immer noch nicht ganz verziehen, dass er sie zuerst für das beschuldigt hat, was mit mir passiert ist. Er ist ziemlich nervös in ihrer Gegenwart, was wahrscheinlich daran liegt, dass er denkt, sie könnte ihm jede Sekunde an die Kehle springen und ihn zerfleischen. Ich nehme es ihm nicht übel, eine wütende Miley kann schon sehr verängstigend sein. Ich bin einfach nur froh, dass sie hier bei mir ist. Und Gott sei Dank schicken die Schwestern sie jedes Mal raus, wenn meine Verbände gewechselt werden. Es ist wahrscheinlich schwachsinnig, dass ich nicht will, dass sie mich so sieht. Immerhin hat sie mich gefunden und gesehen, als meine Wunden noch frisch waren. Trotzdem könnte ich es nicht ertragen, zu wissen, dass sie mich ansehen muss, während ich so verletzt bin. Es ist jetzt fünf Tage her, dass ich ins Krankenhaus gekommen bin. Ich war lange bewusstlos. Na ja, betäubt. Mein Arzt sagt, dass die Schmerzen zu groß waren, als dass ich bei Bewusstsein hätte bleiben können. Trotz starker Schmerzmittel. Ich kam abends in die Klinik und bin erst einen Morgen nach dem folgenden Tag wieder aufgewacht. Mein Dad hat gesagt, dass Miley die ganze Zeit bei mir war, obwohl sie es eigentlich nicht durfte. Die Schwester, die sie an dem Morgen fort schicken wollte, als ich aufgewacht bin, war mir neu zugeteilt worden. Sie wusste es nicht besser. Trotzdem musste sie Mileys Zorn erleiden. Sie wird sich hüten, Miley noch einmal verbieten zu wollen, mich zu sehen, obwohl sie theoretisch nicht zur Familie gehört. Ich will nur sie bei mir haben und meine Eltern verstehen das, trotzdem tue ich ihnen damit vielleicht weh. Ich kann ihnen nicht ins Gesicht sehen. Ich will das Entsetzen in ihren Augen nicht sehen, wenn sie mich anstarren und sich fragen, weshalb das gerade ihrem Kind hatte passieren müssen. Sie sagen es nicht offen, aber ich weiß, dass sie so denken. Und ich kann es ihnen nicht verdenken. Immerhin muss es schwer sein, das eigene Kind im Krankenhaus zu sehen und dann auch noch wegen so einer schrecklichen Geschichte. Ich komme mir seltsam losgelöst von allem vor. Vielleicht ist das normal, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich mich fühle, als wäre es nie passiert. So als wäre es alles ein böser Traum gewesen. Vielleicht trifft mich die Wucht dieser Sache erst später, ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass alles in Ordnung ist, solange ich die Augen schließe und mir vorstelle, alles wäre in Ordnung. Ich will das alles nicht sehen. Ich habe keine Ahnung, was Jake und die anderen mir angetan haben, ich schließe meine Augen, wenn die Schwestern den Verband wechseln. Ich will mich so nicht sehen. Ich bin wahrscheinlich feige, weil ich es nicht einfach hinter mich bringe, aber ich kann mich nicht ansehen. Ich kann einfach nicht. Charlie streitet wieder mit Miley, während sie meine Hand fest in ihrer hält, die Brust mir zu gewandt und in einer beschützerischen Haltung. Sie wird mich nicht mehr aus den Augen lassen, sie hat sich in den Kopf gesetzt, mich ab jetzt vor allem Schlechten, was mir schaden will, zu beschützen. Ich mache mir mehr Sorgen um sie, als um mich. Denn was könnte mir passieren, was meine Situation noch verschlimmern könnte? Ich bin mir nicht sicher, ob überhaupt etwas meine Situation verändern könnte. Immerhin sitze ich jetzt aufrecht und musst nicht mehr zu allen hoch starren. „Verzeihen Sie bitte, aber wir sind hier einem schweren Verbrechen auf der Spur und wenn Sie Lilly wirklich lieben, dann lassen Sie Ihr kindisches Verhalten jetzt sein und sind etwas kooperativer! Ich habe mich bei Ihnen entschuldigt, mehr kann ich nicht tun.“, er schnaubt leise und schüttelt missbilligend den Kopf, bevor er sich an mich wendet. Ich erwidere seinen Blick für eine Sekunde, dann sehe ich weg. Mitleid flammte für eine Sekunde in seinen Augen bei meinem Anblick. Wahrscheinlich kann man seinen Beruf ohne Mitleid nicht ausführen, aber es verbrennt meinen ganzen Körper und schmerzt schlimmer als jeder Messerstich. Miley knirscht mit ihren Zähnen. „In Ordnung, meinetwegen. Ich komme mit. Aber wir bleiben nicht lange weg, verstehen Sie mich! Ich will Lilly nicht so lang allein lassen.“, Mileys verschränkte Arme lockern sich sanft, als sie sich zu mir lehnt und mir einen kleinen Kuss auf den Mund gibt. „Ich bin gleich wieder da, Lil.“ Sie lächelt sanft, bevor sie sich erhebt und Officer Charlie nach draußen folgt. Ich starre ihr nach, während ich mit der Bedienung meines Bettes den hochgefahrenen Teil, gegen den ich lehne, wieder nach unten fahre. Wieso soll ich gegen die weiße Wand gegenüber starren, wenn ich auch bequem auf dem Rücken an die weiße Decke starren kann? Ein bisschen Farbe würde dem ganzen auch nicht schaden. Vielleicht ein freundliches Gelb oder ein warmes Orange? Etwas, was die Patienten nicht so monoton werden lässt. Ich werde noch ganz bescheuert, wenn ich die ganze Zeit nur auf eine weiße Wand starre. Ich komme mir jetzt ja schon vor wie in der Psychiatrie. Vielleicht wollen sie mich ja darauf vorbereiten. Ich meine, wer würde denn aus so einem Erlebnis... nicht irgendwie verkorkst heraus kommen? Ich fühle nichts, wenn ich auf den Vorfall zurück denke. Ich weiß nicht einmal, was genau ich tun würde, wenn einer der Fünf jetzt durch meine Tür ins Zimmer kommen würde. Würde ich versuchen, ihnen das zu zu fügen, was sie mir angetan haben? Könnte ich je einem Menschen so weh tun? Dieser Zwischenfall rückt alles in eine vollkommen andere Perspektive. Jake hätte das nicht getan, wenn ich ihn nicht mit den Jungs verprügelt hätte. Jack hätte das nicht getan, wenn ich ihm schon vor Jahren einen endgültigen Laufpass gegeben hätte und Jay... mit ihr hätte ich nie etwas anfangen sollen. Liebeskummer kann einen Menschen so verderben. Und Amber und Ashley? Willenlose Sklaven. Mein Blick ist an die weiße Decke geheftet, während ich meine Arme betaste, die dick bandagiert sind. In meinem Gesicht sind keine Verbände, aber auf meiner Brust. Auf meinen Beinen, meinem Bauch. Ich spüre alles, bei jedem Atemzug. Weil sich die Verbände um mich schnüren wie Fesseln. Ich setze mich in meinem Bett auf und starre in den großen Spiegel, der in meinem Zimmer steht. Es ist eine Ironie. Ein so großer Spiegel in einem Zimmer mit jemandem zu lassen, der so entstellt ist, wie ich es bin. Ich sehe die Schnitte in meiner Stirn und auf meinen Wangen. Wahllos in verschiedene Ecken und Winkel gesetzt. Sie bilden Kreuze, Parallelen. Und sind doch so willkürlich wie alles andere. Ich erhebe mich auf wackeligen Knien und stapfte zu dem Spiegel, bevor ich mein weites Shirt über den Kopf ziehe, was Mom mir vor ein paar Tagen mitgebracht hat. Weiß, so wie alles in diesem Raum und in diesem Haus. Alles, bis auf das Essen. Ich starre die Verbände auf meinem Körper an, bevor ich meine Schlafhose von meinem Beinen streife. Ich stehe nur noch in meiner Unterhose da, aber ich bin nicht nackt. Die Verbände bedecken meinen gesamten Körper und hüllen ihn in eine Art Schleier. Ein Geheimnis wartet hinter ihnen, eine Sünde. Ich finde den Verschluss meiner Bandagen und beginne meinen linken Arm ab zu rollen. Nach fünf Tagen muss ich mir keine Sorgen machen, dass die Wunden wieder auf gehen, wenn ich keine abrupten Bewegungen mache und mich hinterher sofort wieder einwickele. Ich komme mir vor wie eine Mumie, als lange, spitze Schnitte auf meinem Oberarm ans Tageslicht kommen, die sich über meinen Bizeps spannen und meinen Ellbogen hinab laufen. Meine Handgelenke waren festgeklebt, also haben sie immerhin keine Pulsadern aufschneiden können ohne zu riskieren, dass ich frei komme. Ich mache an meinem rechten Arm weiter. Dieselben Schnitte, vier über meinen Oberarm und ein paar willkürliche an meinem Unterarm. Alle tief genug, um ohne Zweifel klaffende Narben zu hinterlassen. Meine Lippen zittern, als ich mich an meine Beine mache. Ich schließe meine Augen, als seine Stimme wieder durch meinen Körper sickert. Ich kann doch nicht zulassen, dass jemand meine Lilly entweiht. Mein ganzer Körper erzittert und meine Arbeit an meinen Beinen versagt für einige Sekunden. Die Bandagen fallen von meinen Beinen und enthüllen noch mehr Schnitte. Lange und kurze, tiefe und noch tiefere. Kreuze und Parallelen, wie auf meinen Armen und meine zitternden Finger streifen über die zwei längsten. Zwei platziert direkt auf meinen Oberschenkeln, die zu meiner Mitte hin führen. Fast so, als wollten sie meine Oberschenkel der Länge nach auf brechen. Meine Knie zittern, als ich mich selbst im Spiegel anstarre. Ich zucke zusammen. Meine Arme und Beine sehen aus, als hätte ein Blinder versucht, die richtige Stelle zu finden, den Braten auf zu schneiden und so als hätte er immer und immer wieder ansetzen müssen. Ein paar der Schnitte sind genäht und die Fäden stechen gegen die Luft wie Signalfeuer. Meine Hände zittern noch heftiger, als ich mich an der letzten Bandage zu schaffen mache. Meine Brust und mein Bauch. Meine Lippen zittern. Mal sehen, ob Miley dich noch will, nachdem wir mit dir fertig sind, Lilly-Bärchen. Immer mehr von meinem Rumpf wird sichtbar, je mehr Verbände ich abrolle. Meine Eingeweide ziehen sich zusammen und heiße, scharfe Tränen schießen in meine Augen, als ich auf meine Knie sinke und die Stelle anstarre, die einmal die Mitte meiner Brust bildete. Von meinen Schlüsselbeinen bis zu meinem Bauchnabel. Ein einziges, fleischig rotes Wort, was mich mit seiner Klarheit und seiner tiefen Bedeutung verhöhnt und mich mit eben dem erfüllt, was es heißt. Tränen tropfen auf meine nackte Brust. Schande. Schande. Scham durchfließt meinen Körper, während meine Hände zum Boden sinken und verzweifelt nach Halt suchen. Schande. Dicke, rote Lettern, alle mit dünnen, dezenten Fäden genäht. Zwischen meinen Brüsten entlang verlaufend. Sieben dicke Buchstaben. Schande. Und es gibt keinen Zweifel. Die Narben dieses Wortes werden die Schlimmsten sein. Das war es, was Jake als erstes auf mich geschrieben hat. Deshalb hat er mein Shirt zerschnitten. Ich bin eine Schande. Ich bin also eine Schande. Ich schließe meine Augen gegen den Schmerz und balle meine Hände auf dem Boden zu Fäusten, bevor ich anfange, haltlos zu schluchzen. Ich habe keine Träne vergossen, als er mir das angetan hat und ich hatte mir geschworen, nicht zu weinen. Und jetzt strömen sie wie Wasserfälle meine klammen Wangen hinab auf den Boden. Mein Spiegelbild ist erbärmlich, wie es mich aus roten Augen anstarrt, so vollkommen hilflos. Völlig nackt und gänzlich entblößt. Eine Schande. Ich beiße meine Zähne aufeinander, bevor ich einen wütenden Schrei ausstoße und den Spiegel zur Seite werfe, damit er zerspringt und ich mich nicht mehr ansehen muss. Tausend Teile fliegen über den Boden, als der Spiegel zu Boden kracht und bevor ich richtig registriere, was ich hier eigentlich tue, schnappe ich mir mein Shirt vom Bett und streife es mir über den Kopf, bevor ich aus der Türe renne, den Gang entlang. Menschen starren mich an, als ich an ihnen vorbei renne, aber ich schere mich nicht darum. Meine Arme und Beine schreien und meine Brust fühlt sich an, als würde sie jeden Moment wieder zerreißen, aber ich kann nicht länger hier bleiben. Ich kann mich nicht ansehen. Mal sehen, ob Miley dich noch will, nachdem wir mit dir fertig sind, Lilly-Bärchen. Wie kann sie mich denn jetzt noch lieben? Jedes Mal, wenn wir miteinander schlafen, wird sie mich so sehen. Sie wird sehen, was unsere Liebe uns antut, sie wird sehen, was wegen mir geschehen ist und sie wird mich bemitleiden. Es wird nie mehr so sein, wie es einmal war. Ich spüre jeden Messerstich, so als wäre das Wort gerade eben erst in mich hinein geritzt worden, doch dieses Mal in mein schnell pochendes Herz. Der Polizist vor meinem Zimmer rennt mir hinterher, aber er ist nicht schneller als ich. Ich schlängele mich durch die Massen von Patienten und Angehörigen. „Ms. Truscott! Ms. Truscott, bleiben Sie stehen!“, Tränen laufen immer noch meine Wangen hinab, aber ich bleibe nicht stehen. Ich renne immer weiter und weiter. Ich kann doch nicht zulassen, dass jemand meine Lilly entweiht. Ich hasse sie. Ich hasse sie, wie konnten sie mir so etwas antun? Wieso haben sie das getan? Wieso konnten sie nicht wie alle anderen verdammten Teenager auch sein und ihren Kummer im Alkohol oder sonst in was ertränken? Warum ich?! Ich pralle gegen jemanden, aber ich falle nicht. Schlanke Arme schlingen sich um meinen Körper und halten mich ganz fest und ich schluchze und weine und vergrabe mein Gesicht im Nacken dieser Person, die sanft mit ihren Fingern durch mein Haar fährt. „Shh, ist doch okay. Alles ist okay, Lil. Wir schaffen das schon irgendwie. Mach dir keine Sorgen, alles wird wieder gut werden. Du wirst schon sehen. Shh, hör auf zu weinen. Ich liebe dich.“, Mileys sanfte Stimme umspielt meine Ohren und ich wickele meine Arme nur noch etwas fester um ihren Körper und schmiege mich noch näher an sie. „M-Miley.“, meine Lippen beben, als ich ihren Namen sage. Ich brauche sie, ich kann das nicht alleine. Ich kann es ohne sie nicht schaffen, was soll ich ohne sie denn machen? Ich will nicht, dass sie mich verlässt. Ich will, dass sie für immer bei mir bleibt. „Shh, ist okay. Ist okay.“, eine Schwester fährt eine Liege zu uns und mit Mileys Hilfe lege ich mich darauf. Sie lässt mich nicht los, ihre Hand liegt fest in meiner, während die Schwester mich zurück zu meinem Zimmer fährt. Ich kann mich kaum daran erinnern, die Treppen hinunter gerannt zu sein. Ich wollte nur raus. Mileys Augen sind auf mich fixiert. Und ich sehe kein Mitleid, kein Abscheu, kein Entsetzen. Miley liebt mich und Miley würde mich nie verlassen. Miley ist immer für mich da, immerhin ist sie meine beste Freundin. Sie ist für mich da und ohne sie könnte ich mir ein Leben nicht vorstellen. - „Sie müssen wirklich vorsichtiger sein, Ms. Truscott. Wenn Sie nicht aufpassen, könnten sich Ihre Wunden leicht entzünden und wir sollten Ihre Heilung auf keinen Fall beeinträchtigen. Bitte, verlassen Sie Ihr Bett erst einmal nicht mehr. Ich weiß, es muss sicher sehr frustrierend sein, die ganze Zeit an ein Bett-.“, die Stimme meines Arztes rutscht in den Hintergrund, als ich zu Miley herüber sehe, die neben meinem Bett sitzt und meine Hand hält. Sie starrt mich intensiv an. Wieso sie mich überhaupt noch ansehen kann, jetzt, wo ich so aussehe, ist mir immer noch schleierhaft. Ich hoffe wirklich, sie ist nicht nur aus Mitleid noch mit mir zusammen. Andererseits... so etwas kann Paare zusammen schweißen. Ich hoffe nur, dass das für uns auch gilt. Mein Arzt verlässt das Zimmer und lässt uns beide in stillem Schweigen zurück. Ich starre sie jetzt ebenfalls an und unsere Augen bohren sich in die des jeweils anderen. Ich drücke ihre Hand. „Es tut mir Leid, Miles. Ich wollte nicht... einfach so weg rennen. Aber... als ich gesehen habe, was... ich musste einfach... raus.“, wenn auch nur für eine Sekunde. Miley seufzt leise, bevor sie mich in meinem Bett leicht zur Seite schiebt und sich neben mir ins Bett legt. Mom und Dad haben ihr Klamotten von mir gebracht. Sie verlässt meine Seite nur zum Essen und das auch nur, wenn Mom oder Dad sie dazu zwingen. Oliver war hier. Er hat nicht viel gesagt. Ich glaube, er hat versucht, Tränen zu verstecken, als er mich gesehen hat. Er kam nicht noch einmal wieder, aber wir haben telefoniert. Er kann mich nicht so sehen. Ich nehme es ihm nicht übel. Ich habe keine Ahnung, was mit Jackson ist oder mit Robbie Ray. Ich weiß nur, dass Mileys Verletzungen besser sind, seit sie hier ist. Ihre einst geschwollene Lippe ist jetzt wieder völlig normal, aber die Blessur an ihrer Wange ist immer noch zu sehen. Wenn ich nicht an dieses Bett gekettet wäre, dann wäre ich schon längst zu Robbie Ray und hätte ihm einen kleinen Teil dessen gesagt, was ich im Moment von ihm halte. Er war nicht hier. Und er hat auch nicht nach Miley verlangt. Ich weiß nicht, ob sie ihm inzwischen egal ist und jedes Mal, wenn ich auch nur darüber nachdenke, kocht mein Blut und ich will ihn sofort dafür erledigen, dass er sich so benimmt. Miley hat keine Schuld. Schuld... Schande. Bin ich wirklich eine Schande? Miley lächelt jetzt. „Ist schon in Ordnung, es ist ja nochmal alles gut gegangen. Du darfst jetzt nur keine Dummheiten machen.“, sie presst ihre schönen Lippen auf meine, während ihre weiche Hand über meine Wange fährt, über ein paar genähte Wunden und kalte Haut. „Ich liebe dich, Lilly, egal wie du aussieht.“ Neue Tränen schießen in meine Augen, bevor ich wieder mein Gesicht in Mileys Nacken presse und haltlos anfange, an ihr zu schluchzen. Ich habe solche Angst. Solche Angst. Mileys Hand schließt sich um meinen Kopf und hält mich ganz nah an sich. Ihre Wärme sickert in meinen Körper und ihr ruhiges Atmen fließt über mein Ohr, was ihrem Mund am nächsten ist. Ich schließe meine Augen in Entspannung, als ich immer ruhiger werde und darauf warte, dass sie noch etwas sagt. „Ich liebe dich, Miley. So sehr.“, ich spüre, wie sie lächelt, bevor ich ein letztes Seufzen von mir gebe und in einen unruhigen Schlaf versinke, in dem Mileys Präsenz das einzige ist, was mich nicht verrückt werden lässt. - Sanftes Atmen bläst in mein Ohr, während ich mit offenen Augen an die schwarze Decke starre. Kein Licht, die Jalousien sind zu gezogen, tiefste Nacht. Wieso ich nicht schlafen kann? Ich bin mir nicht ganz sicher. Vielleicht rechne ich jede Sekunde damit, dass jemand kommt, um Miley mit sich zu nehmen. Um sie zu verletzen, ihr weh zu tun. Ich bin ans Bett gefesselt. Zumindest fühlt es sich so an. Ich kann immer noch das Klebeband an meinen Handgelenken und Knöcheln fühlen. Wie es sich nicht bewegte, egal wie sehr ich mich wand. Den nassen Lappen fest und kaltblütig in meinen Mund gestopft. Sie haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, das Messer mit sich zu nehmen. Natürlich ohne Fingerabdrücke. Denn selbst wenn ich gestorben wäre und sie nicht hätte entlarven können... mit diesem Messer hätte die Polizei sie gefunden. Mein Fuß juckt, aber ich bewege mich nicht. Ich kann mich nicht bewegen. Alles ist still in diesem von der Dunkelheit gänzlich in Besitz genommenen Zimmer. Ich möchte nicht hier sein, ich will raus, ich will an einen Ort gehen, an dem sie mich und Miley niemals finden können. Schritte hallen durch den Gang vor meine Tür. Dumpfe, schwere Schritte, die durch die Stille schreien. Ganz so wie meine Gedanken, die aus meinem Kopf zu verschwinden suchen. Ewig suchend und doch für immer an mich gefesselt. Miley liegt ganz ruhig neben mir, ihre Arme um meinen Körper geschlungen, in einer beschützenden Haltung, so als wolle sie alles Schlimme von mir fort weisen. Und vielleicht will sie das. Ich frage mich nur, wie sie mich wollen kann, jetzt da sie... jeden Tag durch mich daran erinnert wird, was unsere Liebe uns an tut. Ich fürchte mich davor, dass sie mich verlässt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das tun würde. Aber vielleicht würde sie es, wenn sie kein Mitleid mit mir hätte, schließlich brauche ich sie gerade jetzt am meisten. Ohne sie wäre ich wahrlich verloren und das muss sie wissen. Die Schritte in der Halle werden lauter, werden klarer zu vernehmen, aber ich weiß, dass uns nichts passieren kann. Ein Polizist steht vor der Tür, er wird uns beschützen, er hat doch sicher eine Waffe. Meine Hand schließt sich um etwas festes und kaltes, was neben mir in meinem Bett liegt und gerade ganz sicher noch nicht da war. Ich hebe meine Hand. Jakes Messer. Blutig. Es tropft auf mein Bettzeug. Die Dunkelheit ist plötzlich gar nicht mehr so undurchdringlich und ich sehe einen Schatten von zwei Füßen, der durch den Spalt zwischen Tür und Boden aus dem Gang vor meinem Zimmer hinein fällt. Jakes Messer in meiner eigenen Hand. Ich drehe es zwischen den Fingern, während meine Augen zwischen ihm und der Tür immer wieder hin und her zucken. Die Türklinke wird herunter gedrückt, während ich mich langsam aus dem Bett erhebe, das Messer fest in der linken Hand. Ich schmiege mich an die Wand mit den Fenstern hinter mir, das Messer mit meinem eigenen, frischen Blut auf die Tür gerichtet. Ich spüre den Schmerz, wie er durch jede Pore meines Körpers zuckt. Spüre, wie heißes Blut über mein Gesicht läuft und auf meine, wie ich jetzt bemerke, vollkommen nackte Brust tropft. Die Tür öffnet sich einen Spalt. Ein schwarzer Schuh und eine weiße Hand schlingen sich durch die beinahe geschlossene Tür und Augen, wie ich sie erst ein einziges Mal gesehen habe, starren mich aus irren Höhlen an. Das Messer in meiner Hand zittert. Gegen ihn scheint es ein lachhafter Scherz zu sein. Jacks ganzer Körper zieht sich wie eine Schlange durch den Spalt in der Tür, bevor sie hinter ihm ins Schloss fällt und den Raum abermals ins Dunkle zurück drückt. Ich kann ihn hören, wie er sich bewegt. Wie er sich an der Wand entlang drückt, so als wäre er eine Schlange. Ein Licht flammt auf, ganz nah bei mir. Eine Taschenlampe und das Licht verbrennt meine Haut, lässt mich für eine Sekunde lang blind erstehen. Ich versuche, meine Augen zu öffnen, aber es klappt nicht. Immer wenn ich sie öffne, schneidet das helle Licht wie ein Dolch in meine Augäpfel. Blut läuft aus meinem Hals, als ich versuche, zu rufen. Jack wirft die Taschenlampe zur Seite und mit einem Schritt steht er vor mir, seine irren Augen auf mich fixiert, mit dem starren Blick und den gefletschten Zähnen und mit seiner Zunge, die über seine Lippen fährt. Er sagt nichts. Er kann nichts sagen. An seinem Hals befindet sich ein langer, blutender Schnitt. Wie aus Reflex packe ich ihn bei den Schultern und werfe ihn auf den Boden, das Messer fest in meiner kalten, klammen Hand und Blut tropft auf sein Gesicht. Ich werde zu stechen, ich werde ihn umbringen, ich werde... ich lasse das Messer hinab fahren. Seine Klinge bohrt sich unbarmherzig in meine Brust und ich reiße meine Augen auf und starre... in mein eigenes Gesicht. Mein zerschlissenes, blutendes Gesicht mit den irren Augen, die ich eben hatte töten wollen. Ich starre auf das Wort, was in meine Brust geritzt ist. Blutend und rot und mich anstarrend und ich versuche, mich selbst von mir herunter zu werfen, aber ich schaffe es nicht. Lilly Truscott, ich, sticht immer weiter auf mich ein. Mit einer Entschlossenheit, die ich noch nie bei mir gesehen habe. Blut spritzt aus meinen Wunden, aus seinen, aus Jacks, ich bin Jack. Blut spritzt auf Lillys Gesicht und ihre Lippen verziehen sich zu einem grausamen Grinsen. Im flackernden Schein des Lichtes, dessen Ursprung ich nicht erkennen kann, zieht sie die Klinge aus meiner Brust. Ihre rote Zunge fährt beinahe genüsslich über das Blut, was auf mein Gesicht tropft und ich nutze den Moment, um Lilly von mir zu werfen und zur Tür zu rennen, durch die Jack, ich, eben gekommen bin. Ich reiße sie auf und stürze in das Zimmer dahinter. Helles Licht umgibt mich fast sofort und ich finde mich in einer Küche wieder, die mir nur allzu bekannt vorkommt. Ich sehe hinunter auf meine blutige Brust, bevor ich durch die Tür in den Flur trete. „Wo bist du so lange gewesen?“, erst jetzt bemerke ich den Stuhl in meinen Händen und ich lasse ihn fast fallen, bevor ich ihn neben Jake auf den Boden stelle und mich gegen die Wand lehne, während ich dabei zusehe, wie Jack und Jake Lilly, mich, an den Stuhl fesseln. Lillys Augen starren leer nach vorne, als Jake ihr Shirt mit dem Messer zerreißt. Sie hebt ihren Kopf, als er anfängt, das Wort in ihre Brust zu ritzen und ihre leeren, milchigen , weißen Augen, Augen, wie ich sie noch nie gesehen habe, starren mich an. Und rote Tränen laufen ihre Wangen hinab und ich will ihr helfen, aber ich kann nicht. Meine Hände und Füße sind wie gelähmt, als ich dabei zusehen muss, wie Jake und die anderen lachen und Lilly... mich zerfleischen, wie Raubtiere bei ihrer ersten Mahlzeit seit Tagen. Ich schlucke. „Macht's Spaß?“, eine Stimme flüstert es, ganz nah bei meinem rechten Ohr und ich zucke zusammen und stürze, denn meine Beine fühlen sich wie Gummi an, als mir plötzlich zwei Lillys gegenüber stehen. Weiße Augen und das verrückte, blutige Grinsen. Aber sie sind nicht allein. Jack, Jake, Jay, Amber, Ashley und Miley. Sie stehen alle hinter ihnen, Miley in ihrer Mitte. Lilly mit dem verrückten Grinsen schlingt ihren rechten Arm um Mileys Taille und zieht sie näher an sich, während die Lilly mit den weißen Augen nur starr starrend daneben steht und mich ansieht. Sabber sickert aus ihrem Mund. Ich rutsche auf dem Boden von ihnen weg, bis mein Kopf gegen die Kommode vor der Tür schlägt. Ich will raus, ich will weg von ihnen. Ich kann nicht dabei zusehen, wie sie meiner Miley weh tun. Ich schüttele den Kopf. Mit der kalten, flachen Seite des Messers über Mileys Wange streichend, lehnt sich die blutige Lilly nach vorn und presst ihre Lippen auf die meiner festen Freundin, bevor sie sich von ihr löst und sie von sich stößt, damit die weißäugige sie auffangen kann. „Wovor fürchtest du dich? Davor, dass wir dich töten? Willst du, dass wir dich töten?“, Blut tropft ihr Kinn hinunter, während sie auf mich zu geht und mich mit ihren irren Augen mustert. Mein Blick fliegt zurück zu Miley, die jetzt wie ein Kind im Arm der weißen Lilly liegt, die Stirn in ihren kalten Nacken gepresst und die Arme um sie geschlungen. „Wieso hast du Angst vor dir selbst?“, ihre blutigen Knie treffen den Boden, als sie sich vor mir nieder lässt, den Kopf schief legt und mich ansieht. Jack, Jake, Amber, Ashley, Jay. Sie alle stehen nur da und starren mich an. Sie bewegen sich nicht. „Wieso hast du Angst vor dir selbst?“ Ihre Zunge leckt über ihre Lippen und sie legt ihre Hände auf den Boden und kommt auf mich zu, wie ein Tier auf allen Vieren und mit diesem wilden, undurchdringlichen Blick, der ganz auf mich gerichtet ist. Sie fletscht ihre Zähne. „Wieso hast du Angst vor dir selbst?“ Aber ich weiß keine Antwort auf diese Frage. Sie kommt vor mir zu einem plötzlichen Halt und bäumt sich auf, ihre Unterschenkel auf dem Boden und ihre Brust weit erhoben, das grässliche Wort zur Schau gestellt, spannt sie ihre Muskeln und schaut auf mich herab. Nur auf mich. Ich starre mich an. „Wieso hast du Angst vor dir selbst, Lilly?!“, ihre Stimme ist so laut, dass es mich fest an das Holz hinter mir zurück drückt und bevor ich richtig registrieren kann, was gerade passiert, packt sie mein Shirt und reißt es entzwei. Mein Kinn fällt auf meine Brust, während ich auf das glühende Wort starre, was mir entgegen strahlt, wie eine makabere Weihnachtsdekoration. Lillys Augen bohren sich in meine und ihr blutiger Speichel tropft auf mein Gesicht. Sie ist mir so nah, dass sich unsere Nasen fast berühren. Sie atmet schwer. „Fürchte dich nicht vor dir selbst, Lilly. Fürchte dich nicht vor denen, die dir das angetan haben. Fürchte dich nicht davor, dass sie dich verlassen könnte. Fürchte dich nicht. Fürchte dich nicht.“, und mit diesem letzten Flüstern presst Lilly ihre Lippen auf meine und legt ihre warmen, weichen Hände auf meine Wangen. „Fürchte dich nicht vor dir selbst, Lilly.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)