Via Inquisitoris von Hotepneith ================================================================================ Kapitel 11: In der Provinz Oaxaca: die zweite Nacht, Teil 2 ----------------------------------------------------------- Sarah hatte bislang Glück - ob das anhält? 11. In der Provinz Oaxaca: die zweite Nacht, Teil 2 The city is a jungle you better take care Never walk alone after midnight If you don´t believe it, you better beware Of me Abba: Tiger Sarah öffnete die Augen, als sie spürte, dass Don Fernando seine Fangzähne aus ihrem Hals löste. Er starrte sie erschreckt an und umklammerte die eigene Kehle, als ob er verhindern könnte, dass er ihr Blut bereits geschluckt hatte – das Blut einer Artgenossin war tödliches Gift. Sie richtete sich auf. Unwillkürlich taumelte er zurück. Ihr war nicht ganz klar, ob das durch den Schock verursacht wurde, eine Vampirin vor sich zu sehen, oder bereits durch die beginnende Auflösung. „Perque…?“ keuchte er. „Warum ich dich nicht warnte? Du hast verwerflicherweise Gebissene erschaffen. Ich habe bereits die Hälfte von ihnen getötet.“ Don Fernando brach langsam in die Knie. Sein Blick glitt zu dem toten Meister, als er begriff, dass er den fälschlicherweise ermordet hatte: „Quien estais…?“ Wer sind Sie? „Yo soy la Kadash.“ Es hatte nicht in ihrer Absicht gelegen, ihm diese Erkenntnis zu ersparen. Zu Leid taten ihr die Gebissenen, die Menschen, die diese beiden diesmal und schon früher der Seele beraubt oder getötet hatten. Sie rieb sich unwillkürlich ein wenig über die Bissspur in ihrem Hals. Breits in fünfzehn Minuten wäre diese verschwunden. „Aber er hatte gesagt…ahnungslos…“ Das waren die letzten, spanischen Worte, die der Vampir hervorbrachte, ehe seine Auflösung einsetzte. Seine Haut wurde grau, rissig, wie ausgetrocknete Erde. Keine Minute später war von ihm nur noch ein Häufchen Staub übrig, das der leichte Zug, den der Nachtwind in den Raum trug, verteilte. Sarah hörte, dass unvermittelt draußen Schreie klangen. Menschen waren dort anscheinend in Panik. Sie sprang hektisch auf. Natürlich. Wie hatte sie vergessen können, dass mit dem Tod des Vampirs die restlichen Gebissenen ohne Kontrolle waren. Eilig nahm sie ihre Pistole und schob sie wieder in den Hosenbund, ehe sie hinunter in das Erdgeschoss lief, wo die Haustür offen stand. Als sie annahm, in Sichtweite der anderen zu sein, bemühte sie sich jedoch schwach, taumelnd zu erscheinen, während sie bereits nach den Gebissenen Ausschau hielt. Sie musste die Menschen schützen – unter der Regel der Unauffälligkeit. „Wo ist der Meister?!“ schrie ein Mann, der mit zwei Frauen ins Haupthaus gerannt kam: „Wo ist Don Fernando? Die...die Wachen drehen durch!“ Sarah erkannte Monica, die zu ihr eilte: „Lady Sarah! Was ist…? Oh, Sie wurden ja auch….“ Sie starrte ihren Hals an. „Der Meister ist tot.“ Die Vampirin bemühte sich, matt und geschockt zu klingen: „Don Fernando hat ihn…ihm den Hals gebrochen. Was ist nur passiert?“ „Das wissen wir nicht. Drei der Wachen…sie…sie versuchen uns zu fangen! Sie sind anscheinend völlig durchgedreht. Sie haben so rote Augen…“ „Dann müssen wir hier weg!“ Sie musste die Menschen von der Hacienda schicken – zum einen in Sicherheit, und zum anderen, damit niemand von denen mitbekam, dass sie die Gebissenen umbrachte. „Aber der Meister…“ sagte der Mann und spurtete bereits die Treppe hinauf: „Ich muss ihn retten!“ Dazu war es zu spät, dachte Sarah, aber sie blickte zu Monica: „Wir müssen von dieser Hacienda weg. Vielleicht war etwas in dem Trinkwasser….“ Das klang für die verwirrte Frau glaubhaft: „Ja. Kommen Sie, ich helfe Ihnen. Sie werden sich schwach fühlen...“ „Das geht schon. Wo sind die anderen? Ich meine, die Gläubigen? Warnen Sie sie, ja?“ Sie bemühte sich, ihre Manipulationsfähigkeiten gegen Monica und die andere Frau einzusetzen, zur Flucht zu drängen. Je eher die Menschen aus der Bahn waren, umso eher konnte sie selbst sich unauffällig um die Gebissenen kümmern. Der Mann, der nach oben gelaufen war, würde ja hoffentlich bald wiederkommen. Da die beiden Menschenfrauen tatsächlich das Haupthaus verließen und den anderen zuschrieen, dass sie zum Tor rennen sollten, folgte sie ihnen langsamer, bemüht, auch den anderen Menschen den Impuls von Flucht und das Bild des offenen Tores zu vermitteln. Als sie plötzlich nur wenige Meter neben sich einen Gebissenen erkannte, der gerade dabei war, seine Zähne in einen sich verzweifelt wehrenden Mann zu schlagen, änderte sie jedoch die Form ihrer Gedanken und schlug mit dem unsichtbaren Gedankennetz eines besonders talentierten Vampirs zu. Der Mensch und dessen Angreifer stürzten besinnungslos zu Boden. Sarah rannte eilig hin und kniete nieder, zerrte den Mann aus den Armen des Gebissenen, ehe sie sich rasch umsah und in der Deckung des Bewusstlosen ihre Waffe zog. Das war einmal ebenfalls ein Mensch gewesen, dachte sie bitter beim Anblick des verzerrten Gesichts, der roten Augen. Und die einzige Möglichkeit, wenigstens im Tode wieder einer zu werden, war, dass sie ihn ermordete. Seine Seele war verloren, aber immerhin würde er als er selbst sterben. So drückte sie voller Mitgefühl ab. „Sarah, kommen Sie!“ schrie jemand, wohl Monica. „Ich helfe nur dem Mann hier…“ gab sie zurück, als sie ihn aufzog, bei weitem mühsamer scheinend, als es wirklich der Fall gewesen wäre. Die Körperkräfte eines Vampirs übertrafen die eines Menschen doch deutlich: „Hallo? Können Sie rennen? Wir müssen hier weg!“ Die Angst, die der Mann zuvor ausgestanden hatte, und ihre Gedankenmanipulation taten das ihre und er stand auf und lief, wenn auch taumelnd, Richtung Tor. Monica packte ihn, um ihn zu stützen: „Jetzt kommen Sie schon, Sarah!“ „Gehen Sie nur und helfen Sie den anderen .Ich komme schon zurecht.“ Nette Menschen konnten wirklich lästig sein. Wo waren nur die letzten beiden Gebissenen? Vorher waren sie noch im Hof gewesen, aber jetzt…? Die meisten Menschen hatten die Hacienda verlassen, nun alle wohl, bis auf den einen Mann, der nach seinem eigenen Meister hatte sehen wollen. Wo steckte der jetzt? Sie sah sich um und versuchte, die Gebissenen zu erspüren. Verflixt, dachte sie dann. Natürlich. Da sie jetzt ohne Kontrolle waren, aber sicher unbezähmbaren Durst verspürten, waren sie dorthin gegangen, wo sie Don Fernando als letztes bemerkt hatten. Er hatte bislang für ihr Futter gesorgt. Sie drehte sich um und rannte zurück in das Haupthaus, die Treppe empor. Da waren sie, sie konnte den unwillkürlichen Ekel bereits spüren. So lief sie weiter, in das Arbeitszimmer. Dem Menschen konnte sie nur mehr indirekt helfen, das war ihr klar, als sie seine weit aufgerissenen Augen sah, die verkrampfte, regungslose Körperhaltung – und die beiden Gebissenen, die sich über ihn hergemacht hatten. Nur drei Sekunden später lagen vier tote Menschen in dem Raum. Sarah atmete durch. Schade, dass dieser Mann nicht zu retten gewesen war, aber immerhin war so die Bedingung der Unauffälligkeit erfüllt. Und die Gebissenen hatten nun ihren Frieden gefunden… Jetzt musste sie nur noch zusehen, dass sie keinem der anderen Menschen in die Hände lief und selbst verschwand. Wenn die anderen später der Polizei von ihr berichten würden, und diese sie in London aufsuchen würde, müsste sie eben angeben, dass sie in Panik in die Nacht gelaufen war, und nur noch Mexiko hatte verlassen wollen. Es war taktisch unklug gewesen, ihren eigenen Namen anzugeben. Das würde sie in Zukunft bei solchen Aktionen lieber nicht tun. Sie drehte sich um und ging. Sarah erreichte die Gegend, in der Maestro Cacau lebte, ohne noch einem Menschen zu begegnen. Der alte Meistervampir erwartete sie bereits: „Gute Jagd, Inquisitor.“ „Buena caza, Maestro Cacau.“ „Sie haben den Auftrag erfüllt.“ „Ja.“ Sie konnte nicht verhindern, dass sich ihre Müdigkeit in ihrer Stimme niederschlug. Meister Cacau nickte jedoch nur: „Es ist für niemanden einfach, die Blutschuld zu tragen, Kadash. Umso dankbarer sind Ihnen alle unseres Volkes. – Darf ich Sie zur Straße begleiten?“ „Gern, danke. Und darf ich Sie etwas fragen, Maestro?“ Da er den Kopf neigte: „Vielleicht wissen Sie es, Sie erwähnten ja, dass Sie mit...mit meinem Vorgänger befreundet wären. Was ist eigentlich mit dieser Pistole? Sie soll aus dem 16. Jahrhundert stammen, aber sie benötigt ja kein Schwarzpulver?“ „Hat man Ihnen nicht einmal das gesagt? Nun, soweit er mir erzählte, ließ er sie im 16. Jahrhundert umwandeln. Nur äußerlich. Ich mag Distanzwaffen nicht, wie ich bereits erwähnte, aber, soweit ich weiß, ist im Inneren eine Art Mechanismus, der die Silberkugel abschießt, ähnlich wie ein Bogen, nur viel stärker.“ „Eine Armbrust?“ „Ich weiß nicht, was das ist.“ „Perdon, Maestro.“ Natürlich, warum hatte sie nicht daran gedacht, dass der Kadash ja auch schon vor dem 16. Jahrhundert eine Waffe gegen Gebissene benötigt hatte? Pfeile und Bogen gab es schon sehr lange. Warum sollte also nicht ihr Vorgänger oder dessen diese weiterentwickelt haben? Unauffällig, lautlos – und tödlich. Zudem konnte sie den Gegebenheiten der jeweiligen Zeitläufe angepasst werden. Der mexikanische Meistervampir betrachtete sie kurz, ehe er sich erkundigte: „Möchten Sie noch etwas wissen?“ „In welchem Alter zieht sich ein Vampir zurück?“ entfuhr es ihr prompt. Er nickte: „Das kann Ihnen niemand sagen, weil es nicht vom Alter abhängt. - Ist Mahabarati noch immer im Rat?“ „Ja.“ Diese Frage bestätigte ihre eigene Vermutung, dass auch er einst im Hohen Rat gewesen war. „Sie ist das Beispiel für hohes Alter und nicht Zurückziehen. Nun, wenn sie einsam in der Bibliothek lebt, kommt das wohl dem Zurückziehen schon sehr nahe. Vermutlich hat sie darum noch nicht das Bedürfnis. – Aber Sie möchten sicher eine andere Erklärung. Wie Sie sicher wissen, meditiert jeder Vampir im Laufe des Tages, denkt nach, versenkt sich in sich. Je öfter man dies tut und je länger man übt…irgendwann gelangt man zu seinen magischen Fähigkeiten. Das bedeuten in der Regel erwachen zwei Befähigungen: zum einen die Möglichkeit, Bannkreise zu erschaffen, die einen gegenüber Menschen und anderen Vampiren, die diese Fähigkeit noch nicht entwickelt haben, zu verbergen. Zum anderen sinkt der Appetit. Wie Sie sich sicher vorstellen können, kann ich in dieser Einöde nur selten auf die Jagd gehen. Wenn sich diese beiden Begabungen entwickelt haben und der jeweilige Vampir der Händel der Welt müde ist, außerdem seine Schüler selbstständig sind, wird er sich zurückziehen.“ Das klang sehr logisch, aber…. „Sie müssen nicht mehr oft jagen?“ „Nein. Und es wird immer seltener. Haben Sie sich nie gefragt, warum Sie uralte Vampire nicht mehr finden?“ „Sie jagen gar nicht mehr?“ „Richtig. In der Zurückgezogenheit entwickelt man die Magie weiter. Irgendwann erreicht man einen Punkt, der noch weit vor mir liegt, an dem man eins wird mit seiner Umgebung, mit der Natur. Dann können andere Vampire und Menschen an einem vorbeigehen, ohne dass sie den Meditierenden wahrnehmen. Das ist die Endstufe der Entwicklung eines Vampirs: eines zu werden mit allem Leben, nur noch davon und damit zu existieren.“ „Das klingt irgendwie schön“, murmelte Sarah: „Aber bis dahin ist es sicher ein sehr langer Weg.“ „In der Tat. Aber unser Volk hat ja praktisch die Ewigkeit vor sich.“ Meister Cacau betrachtete erneut die junge Inquisitorin, ehe er langsam meinte: „Ich muss zugeben, dass ich etwas verwundert bin. Trotz Ihrer unbestreitbaren Fähigkeiten hat der Hohe Rat Sie ausgewählt, obwohl Ihre Ausbildung ….nun, ich möchte Ihren Meister nicht beleidigen…“ „Ich habe keinen.“ „Wie bitte?“ Er war erschüttert. Sarah seufzte. Aber er war so freundlich zu ihr und womöglich konnte er ihr noch mehr erklären: „Lord John fand mich eines Tages in London. Das war 1838. Ich war ein Vampir, aber hatte keine Ahnung, was das eigentlich sei oder wie ich es geworden war. Er nahm mich auf und informierte den Hohen Rat. Sie…sie suchten nach einem möglichen Meister, fanden aber niemanden. Dafür bekam der Rat mit, dass ich über…gewisse Fähigkeiten verfüge. Einige Ratsmitglieder rieten dazu, mich zu töten, damit ich nicht außer Kontrolle geraten würde. Donna Innana und Lord John überzeugten sie dann, dass sie mich ausbilden würden. Und vor einigen Wochen schlug mich der Kadash als Nachfolger vor. Nachdem ich die erste Aufgabe in Edinburgh gut gelöst hatte, ernannten sie mich offiziell. Und sandten mich hierher.“ „Ich bin sicher, Donna Inanna und Lord John gaben sich alle Mühe. Aber natürlich ist das Verhältnis eines Meisters zu seinem Schüler ein wenig anders, intimer. Andererseits verstehe ich auch, dass mein alter Freund Sie vorschlug. Sie verfügen über Fähigkeiten, die dem Jäger der Jäger eine Hilfe sind. Und Sie sind wohl bereits in so jungen Jahren die Einsamkeit gewohnt.“ „Der Jäger der Jäger….“ „Nun, das sind Sie doch. Dort oben ist die Straße. Ich bin sicher, Sie werden einen Menschen dazu bringen können, Sie mitzunehmen. Allerdings ist nicht viel Verkehr.“ „Das macht nichts. Und früher oder später werden die Menschen der Hacienda auch andere finden, die Polizei rufen. Dann wird hier einige Unruhe entstehen.“ „Nur vorübergehend. Danach werde ich meinen Gast entlassen. Auch sie wird nie mehr zurückfinden. Die Regel der Unauffälligkeit bleibt gewahrt.“ „Danke, Maestro Cacau.“ Er hatte ihr viel erklärt. Noch mehr zu erfragen wäre wohl wirklich zu unhöflich gewesen. „Ich möchte Ihnen noch eine Frage stellen, Kadash. Können Sie mir sagen, wer im Hohen Rat dafür stimmte, Sie zu töten? Ich vermute, Amunnefer nicht.“ „Nein, der Ratssprecher war eher neutral. Ikol und einige andere.“ „Ikol. Nun ja. – Oh, auch ich war einst Ratsmitglied.“ „Das dachte ich mir.“ Sie lächelte ein wenig. „Aber niemand will mehr meinen Tod.“ „Natürlich nicht. Die Berufung zum Inquisitor muss ja einstimmig erfolgen. Ich vermute, dass die Möglichkeit, Ihre Fähigkeiten zum Wohle aller einzusetzen auch Ikol und die anderen überzeugt haben. Und sie werden und können eine solche Entscheidung nicht ohne sehr guten Grund revidieren – den Sie ihnen nie liefern werden, davon bin ich überzeugt. Sie erstatten nun dem Hohen Rat Bericht?“ „Ja. Ich werde von Mexiko City den nächsten Flug nach Rom nehmen.“ „Dann gute Jagd, Kadash.“ Er blieb stehen. Sie hatten die Straße erreicht. „Buena caza, Meister Cacau.“ Sie blickte sich nicht um, als sie allein weiter in die Nacht ging, sicher, dass er unverzüglich ihren Augen wieder entzogen sein würde. Den ersten Autofahrer, der an ihr vorbeikam, stoppte sie durch den Gedankenangriff. Nach einer kleinen Erfrischung brachte sie ihn dazu, sie nach Mexiko City zu fahren. Noch spät am nächsten Tag wunderte sich der Mann über seine ungewöhnliche Schwäche – und darüber, wie er sich derart hatte verfahren können. Sarah trat ein wenig nervös in der Grotte in Rom vor den Hohen Rat, neigte aber nur diplomatisch grüssend den Kopf. Sie war der Kadash. Gerade die Höflichkeit Meister Cacaus hatte ihr dies eigentlich bewusst gemacht. Der Ratssprecher der Zwölf nickte: „Gute Jagd, Inquisitor. Wie war es in Mexiko?“ „Gute Jagd dem Hohen Rat.“ Sie holte ein wenig Atem. Amunnefer, der Sprecher, sah sie nicht unfreundlich an. Und soweit sie wusste, war er eher einer der Vampire gewesen, die sich zu ihren Gunsten ausgesprochen hatten. So sah sie ihn an, als sie sachlich Bericht erstattete – ohne ihre Mutmaßung zu erwähnen, dass es jemand im Hintergrund des „Meisters“ und Don Fernandos gegeben hatte. Sie nahm nicht an, dass sie mit wilden Verdächtigungen einen sehr positiven Eindruck hinterlassen würde. Amunnefer nickte und sah in die Runde: „Hat noch jemand eine Frage an den Kadash?“ Die anderen elf schüttelten die Köpfe, ehe Donna Innana meinte: „Wir sollten Lady Sarah noch unser neues Mitglied vorstellen. - Magog ist das neue Ratsmitglied für Ihren Vorgänger.“ „Gute Jagd, Magog“, murmelte Sarah höflich. Magog war dunkelhaarig, mit fast olivenfarbener Haut. Er lächelte ihr flüchtig zu. Neben ihm saß Ikol. Er wirkte wie immer fast strahlend, durch seine hellen Haare, seine fast schneeweiße Haut. Sie entsann sich nur zu gut, dass auch Ikol einer der Vampire gewesen war, die sich dagegen ausgesprochen hatten, dass sie nur eine Ausbildung erhielt, eher auf ihren Tod drängten. Aber er schien sich wie alle anderen mit ihrer Berufung abgefunden zu haben, wirkte jetzt nur sachlich. „Wir haben zuvor gerade Magog den Weg zum nächsten Ratstreffen in neun Jahren erklärt“, meinte Innana: „Ich vermute, Sie wissen, Lady Sarah, wo unser Treffpunkt in der Nähe des Göbekli Tepe ist?“ „Sie haben es mir erklärt.“ Am Göbekli Tepe, mitten in der Türkei, hatten Menschen den ältesten Tempel ausgegraben, der je gefunden wurde, noch aus einer Zeit, als ihre Vorfahren Jäger und Sammler gewesen waren. Donna Innana interessierte sich stets für derartige Ausgrabungen, mit Vorliebe allerdings im Zweistromland, war das doch ehemals ihre Heimat gewesen und sie hatte viel Zeit darauf verwendet, Sprache und Kulturen solange zu bewahren, bis die Menschen sich wieder daran erinnern konnten. „Die Menschen bauten dort einst Tempel für uns. Ich finde, wie es sich auch mächtigeren Wesen gegenüber gehört.“ Ikol nickte: „Darauf sind die ach so klugen Archäologen allerdings noch nicht gekommen.“ „Sie brauchen eben Zeit“, verteidigte Innana prompt ihren Lieblingsberuf, sah aber wieder zu Sarah: „Sie sollten dann ebenfalls dort sein, Kadash.“ „Das ist dann das reguläre Treffen in zehn Jahren. Falls etwas dazwischen geschieht…?“ Die junge Inquisitorin wollte lieber nichts von ihren Besorgnissen erwähnen. „Erhalten wir und Sie auch Nachricht,“ erklärte Amunnefer sofort: „ Umgekehrt, falls Sie etwas erfahren sollten, können Sie jederzeit eine Nachricht mit Hilfe der Tauben an den Rat schicken, die Sie inzwischen bei Lord John erhalten haben. Jede dieser Tauben ist auf ein bestimmtes Ratsmitglied geprägt und wird es finden.“ „Das dauert aber“, stellte Magog fest: „Oder irre ich mich? Lady Sarah lebt in England – ich dagegen in Südostasien.“ „Es sind besondere Tauben“, meinte Mahabarati, ein weibliches Ratsmitglied. Wenn sich Sarah richtig entsann, entstammte sie einer fast fünftausend Jahre alten Induskultur, hatte sich aber noch nicht zurückgezogen. Und hatte Maestro Cacau nicht etwas von einer Bibliothek erwähnt, die sie besäße? „So läuft das schon seit Jahrtausenden. Auf einen Tag mehr oder weniger kommt es doch bei unserer Lebensspanne nicht an.“ Möglich, dachte die junge Inquisitorin. Aber gab es da doch jemanden, der genau darauf gesetzt hatte? Sie musste unbedingt eine andere Meinung einholen – und sicher nicht die eines Vampirs. Amunnefer nickte: „Dann hebe ich unsere Sitzung auf. Wir werden uns in neun Jahren in dem unterirdischen Tempel im Hethiter…in der Türkei treffen.“ Der Rat traf sich nur alle zehn Jahre, dachte Sarah. Warum war er dennoch ausgerechnet jetzt in Rom gewesen? Sie bemerkte, dass Donna Innana zu ihr kam, und stellte ihre Frage einfach. Immerhin war die mesopotamische Meistervampirin ihre Lehrerin. „Das hat natürlich mit Ihnen zu tun, Sarah. – Wir hatten die reguläre Ratssitzung in Rom, als der…der Kadash, Ihr verehrter Vorgänger, Sie als Nachfolgerin vorschlug. Wie Sie wissen hatte es bereits bei einer früheren Ratssitzung durchaus kontroverse Diskussionen um…um Ihre Person gegeben. Und dann dieser Vorschlag….Der Hohe Rat beschloss, meine Ausbildung und die Lord Johns zu überprüfen, Sie zu beobachten. Und solange hier zu bleiben. Da Sie durchaus fähig schienen, wurde Ihnen der Auftrag in Edinburgh als neuer Inquisitor zur Probe erteilt. Da Sie dies und auch den Fall in Mexiko erledigt haben, besteht keine Notwendigkeit mehr, sich in Rom aufzuhalten. Ich vermute, sie sind alle erfreut, nach zwei Jahren wieder nach Hause zu kommen.“ „Sie bleiben bei Rom, Donna Innana?“ „Nein. Der ehemalige Kadash ist dabei, sein Haus hier zu verkaufen, und ist bereits in seine Heimat zurückgekehrt. Er stammte aus Australien. So werde ich auch in mein Zweistromland gehen.“ „Dort ist es recht gefährlich….“ „Meine Liebe, ich meine Inquisitor: die Sorge sollte mich ehren, aber ich bin in der Lage, allein auf mich aufzupassen.“ „Ich bitte um Verzeihung, Donna Innana.“ „Schon gut. Möchten Sie vor Ihrem Weiterflug noch bei mir übernachten? Wir werden uns dann doch nur noch zu den Ratsversammlungen sehen.“ „Ja, gern.“ ******************************** Sarah hat einen argen Verdacht und will sich Hilfe suchen. Im innersten Kreis der Vampire wird sie allerdings wohl kaum Unterstützung finden. Das nächste Kapitel heist: Rom, Brüssel, London - der Kadash auf Reisen und Inspektor Cuillin bekommt einen Tipp... bye hotep Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)