24 hours before we will die von Votani (Pein/Konan) ================================================================================ Kapitel 1: ...and be born again. -------------------------------- 20:17 Uhr Konans Leben war ein einziger Stillstand, der nicht mehr Bewegung beinhalten konnte. Eine ewige Routine, die von zu viel Überraschung geprägt war. Sie lebte in einem Zwiespalt. Sie hasste und liebte mit demselben Herzschlag. „Essen setzt Glückshormone frei“, riss sie Peins tonlose Stimme aus ihren Gedanken. Sie blickte auf den Salat, der auf ihrem Schoß ruhte und in dem sie bisher nur lustlos mit der Gabel herumgestochert hatte. Natürlich hatte sie die Mahnung in seiner Geste verstanden, was sie aufsehen ließ. Doch Peins Gesicht lag in der Dunkelheit verborgen, wirkte blasser und starrer denn je. Er erinnerte sie manchmal an eine Porzellanpuppe, nur dass Pein keineswegs zerbrechlich war. In seinen Augen lag Härte, dort tobte ein Sturm, der sich niemals legte. Pein schaltete das Radio des Wagens ein, während er die Verpackung seines Burgers zusammenknüllte und in die Papiertüte stopfte. Inzwischen bog ein weiterer Wagen auf dem Burger King-Parkplatz ein und fuhr an ihnen vorbei zum Drive Thru. Die Scheinwerfer zerschnitten kurzweilig das Dunkel und blendeten sie. „Wie geht es Deidara?“, fragte Konan, nachdem sich erneute Stille zwischen ihnen ausgebreitet hatte. „Er wurde gestern gefeuert, war nicht seriös genug für ein Matratzengeschäft.“ Die Stimme des Rothaarigen war kühl, beherbergte aber dennoch einen gewissen Spott. „Das ist jetzt schon der dritte Job in zwei Monaten“, stellte die Blauhaarige daraufhin nüchtern fest. „Wirst du ihm helfen einen neuen zu finden?“ „Warum sollte ich?“ „Du bist immerhin so was wie ein Freund für ihn.“ „Tz...“ Eine Aussage, die Konan mit Schweigen quittierte, dass die angefangene Konversation einen grausamen Tod starb. Konan mochte das. Diese Leere zwischen ihnen war angenehm und unverbindlich und einfach. Sie betrachtete sich im Wagenfenster, wo ihr zwei tiefgeschminkte Augen begegneten. Doch sie spürte noch einen anderen Blick auf sich ruhen. So deutlich, als würde er sich in sie bohren und ihr bis auf den Grund der Seele blicken. Kalt, berechnend und wissend. Es stellte ihr immer wieder die Nackenhaare auf. „Das alte Leben hinter sich lassen, sterben, um neugeboren zu werden.“ Konan verstand nicht und musterte das schemenhafte Spiegelbild Peins in der Frontscheibe direkt neben dem ihrem. Ihre Augen trafen sich. „Wir gehören nicht in dieses Leben“, sagte er dieses Mal mit etwas mehr Nachdruck und Konan erkannte erneut, dass er keine Puppe mit einem Herz aus Porzellan war. Er lebte und fühlte – vielleicht sogar mehr als sie selbst es tat. „Was willst du damit sagen?“, erkundigte sie sich sachlich und klappte den Deckel der Salatschale zu. „Dass ich morgen um diese Zeit von hier verschwinden werde. Du bist genauso fehl an diesem Ort“, erwiderte er und sie erkannte die Botschaft hinter seinen Worten. Nicht genau wissend, was sie antworten sollte und ob Pein überhaupt eine Erwiderung erwartete, ließ sie stattdessen ein „Hast du das schon länger geplant?“ verlauten. „Ja“, kam es rasch zurück, nicht eine Sekunde zögernd oder unsicher. Aber Konan wusste, dass der Rothaarige sich stets seiner Sache sicher war. Weder zweifelte er, noch sah er sich nach anderen Möglichkeiten um. Um seine Pläne zu erreichen, würde Pein auch durch die Hölle gehen. Die einzige Frage, die noch zwischen ihnen im Raum stand, war, ob Konan das Vertrauen und den Mut hatte, ihm zu folgen. „Das ist nicht so einfach, wie es sich anhört“, entrann es ihr nach einer Weile der Stille, die diesmal drückend schien. Genauso wie Peins Blick, der noch immer auf ihr ruhte und noch einen Deut an Intensität zunahm. „Das Weglaufen ist dem Menschen angeboren. Du musst nur auf die Stimme in deinem Inneren hören und-“ Ein schrilles Piepen unterbrach Pein, dass er sich abwandte und sein Handy aus der Hosentasche kramte. „Deidara...“, stellte er tonlos fest, bevor er den Anruf beantwortete. „Was gibt es?“ „Hast du die Ware besorgt, hm?“ „Ja.“ „Du kannst nicht sprechen?“ „Damit hast du ausnahmsweise sogar Recht.“ „Treffen wir uns in einer Viertelstunde bei mir, hm?“ „In Ordnung.“ „Bring' die Ware mit, ich hab' einen Typ gefunden, der würde einen guten Preis zahlen, hm.“ „Bis dann.“ Daraufhin ließ Pein das Handy wieder in der Tasche verschwinden und schaltete den Motor seines Wagens ein, der mit einem tiefen Grölen die Nacht erfüllte. „Was treibt Deidara so?“, fragte Konan, wohl wissend, dass sie über den wahren Inhalt des Gesprächs nichts erfahren würde, selbst wenn sie sich wagen würde, direkt danach zu fragen. Es war kein Geheimnis mehr, dass Pein in Geschäfte verwickelt war, über die er nicht sprechen wollte, da sie die Grenze der Legalität längst überschritten. Im Nachhinein wusste die Blauhaarige nicht mehr, wann er diese schmale Linie zum ersten Mal übertreten hatte. Es kam ihr vor, als sei es eine Ewigkeit her, dabei konnten es erst wenige Jahre sein. „Er schreibt fleißig Bewerbungen“, erwiderte Pein ohne jede Mimik, als hätte er diesen Satz einstudiert. Er steuerte den Wagen auf die schwach beleuchtete Straße und schlug den Weg in die Innenstadt ein. Er musste Konan nicht sagen, dass er sie jetzt nach Hause fahren würde, denn sie wusste es auch so. „Ich hoffe, er findet schnell etwas...“ Mit diesen Worten lehnte Konan den Kopf nach hinten gegen den Sitz und verfolgte die schattenhafte Landschaft, die in Grautönen an ihnen vorbeizog. Sie mochte es, wenn Pein sie nach der Arbeit abholte, sie essen gingen oder einfach nur zusammen waren. Doch das Ende ihrer Treffen kam ihr zu schnell. Aber das war schon immer so gewesen - und würde es auch immer sein, würde Pein nicht aus diesem ewigen Teufelskreis ausbrechen wollen. Morgen Abend. In vierundzwanzig Stunden wäre er fort, ob sie nun mitkäme oder nicht. „Dein Vater würde dich nicht vermissen.“ Das wusste sie, trotzdem ließ dieser Satz, der Peins Mund mit reiner Gewissheit entfloh, sie schmerzhaft die Augen zusammenkneifen. „Er wird dich nie als ein gleichberechtigtes Lebewesen akzeptieren“, fuhr er fort. „Ino und Sakura sind beste Freundinnen. Sie sind zwar nett zu dir, aber du bist doch nur das dritte Rad am Karren. Du würdest gut daran tun, der Wahrheit ins Gesicht zu blicken. Ich bin alles, was du hast, Konan.“ Der Wagen hatte seit langem sein Ziel erreicht. Er parkte am Straßenrand vor einem Apartmentkomplex, von dessen Wänden längst die Farbe abblätterte. Die Eingangstür, die in den Hausflur führte, stand offen. Ihre Scheibe war zersplittert und das Licht im Inneren war nur ein seichtes Flackern, dass jeden Moment zu erlöschen drohte. Ohne dass weitere Worte fielen, stieg Konan aus und betrat das Innere. Sie stieg die Treppen hinauf, die unter ihrem Gewicht ein leises Ächzen von sich gaben, hielt aber inne, als sie hörte wie Pein wegfuhr. Ihre Hände verkrampfen sich um den Salat. Pein hatte recht. Im Gegensatz zu ihr, lebte er nicht in einer Illusion oder in der Hoffnung, dass sich irgendwann alles von selbst verändern und bessern würde. Er wusste, dass die Welt schlecht war und das Schicksal einen sadistischen Humor besaß, doch er war gewillt sein Leben alleine in die Hand zu nehmen und sich nicht länger herumschubsen zu lassen. Sie sollte seinem Beispiel folgen - zumindest glaubte sie, dass ihre innere Stimme ihr das mit einem Wispern verständlich machen wollte. Mit gemischten Gefühlen stieg sie die Treppe weiter hoch, bis sie das dritte Stockwerk erreichte und ihre Schlüssel hervorzog, um die Tür zu öffnen, die sie von ihrer persönlichen Hölle noch trennte. Wenige Sekunden, in denen sie sich einfach umdrehen und wegrennen wollte. Pein musste ihr nicht sagen, dass Wegrennen ein natürlicher Instinkt der Menschen war. Sie verspürte den Drang danach jeden Tag. Er verschwand nur, wenn sie mit Pein zusammen war. In Momenten mit ihm wollte sie, dass die Welt stillstand, so dass sie für immer bei ihm sein konnte. Doch morgen würde er sterben, um einem Phönix gleich aus der eigenen Asche zu steigen. Konan war kein Phönix, höchstens eine Nachtigal, unscheinbar und nicht von Bedeutung. Wenn eine Nachtigal nicht sang, fiel es keinem auf und wiedergeboren werden konnte sie auch nicht. Sie fragte sich, wie Pein dann nur auf den Gedanken kam, dass sie mit ihm kommen könnte. Ein freudlosen Lächeln huschte über ihr blasses Gesicht, bevor sie die Wohnung betrat, in der es stickig war und überall ein blauer Dunst in der Luft hing. „Ich bin wieder da...“, erwähnte sie schlicht und einfach, als sie den Flur durchquerte und an der Tür zum Wohnzimmer vorbeikam. Dort flimmerte der Fernseher und eine Stimme berichtete über die neusten Nachrichten. Ihr Zuschauer saß in einem alten Ledersessel und nippte an seiner Bierflasche, in der anderen Hand eine Zigarre haltend. „Da bist du ja endlich, du dummes Gör!“, zischte er sie an, machte sich jedoch nicht die Mühe, auch nur seinen Kopf in ihre Richtung zu drehen. „Denkst wohl, du kannst dir jede Freiheit rausnehmen und kommen und gehen, wann du willst!“ Aber Konan antwortete nicht. Stattdessen verschwand sie in ihrem Zimmer, schloss die Tür und ließ sich mit dem Rücken dagegen zu Boden sinken. 20:51 Uhr Pein konnte sich nicht mehr erinnern, wie oft er schon bei Deidara gewesen war. Eine geringe Verwunderung stieg aber jedes Mal erneut in ihm auf. Das Apartment glich einer vorangegangenen Mienenexplosion, die Glieder von Torsos getrennt hatte und an dessen Fragmente er sich nun den Weg vorbei suchen musste. Die Glastür des an der Eingangstür stehenden Schrankes hatte einen Sprung und Berge an alten Zeitungen standen an der vergilbten Wand. Zusätzlich lagen Jacken, Schuhe und leere Bierflaschen herum. Den Haufen an Rechnungen, die durch den Türschlitz geworfen und nie aufgehoben worden waren, ignorierte Pein dabei gnädig. Nichtsdestotrotz schaffte er es Deidaras Stimme zu folgen, die ihn in die Küche lotste, die jedoch kein Stückchen besser als der Rest der Wohnung ausschaute. Geschirr stapelte sich im Spülbecken und das Obst in der Schale war längst vergammelt. „Was zu trinken, hm?“ „Nein“, erwiderte der Rothaarige entschieden und ließ seinen Blick schließlich von der Umgebung wieder zu Deidara wandern. Inzwischen zog er ein Tütchen aus seiner Jackentasche, das mit weißem Pulver gefüllt war. Er warf es ihm zu und vergrub anschließend seine Hände in jene Taschen. „Ist dein Kunde zuverlässig?“ „Und ob, hm!“ Mit dem Tütchen in der Hand, ließ sich Deidara auf der Küchenanrichte nieder, ehe er es in Augenschein nahm. Und Pein meinte ein erregtes Funkeln in dem Auge zu entdecken, das nicht von seinem langen und glatten Haar verdeckt wurde. Dieses zeigte sich nur, wenn er dabei war einen riesigen Profit herauszuschlagen oder aber, wenn ihm eine wahnwitzige Idee kam, die für gewöhnlich die Normen sprengte. Letzteres kam des Öfteren vor, was Pein ungewollt festgestellt hatte. Denn Deidara war ein Meister darin sich selbst in Schwierigkeiten zu bringen. „Du kannst das Geld für den Deal behalten. Ich habe keine Verwendung mehr dafür“, sagte Pein nach einer Weile des Schweigens und zog die Aufmerksamkeit seines Gegenübers erneut auf sich. Mit der Augenbraue zuckend ließ dieser ein fragendes „Hm?“ erklingen. „Sehe es einfach so, als hättest du es endlich geschafft, mein Mitleid zu erwecken“, antwortete Pein tonlos, bevor er die Lider für einen Augenblick senkte. Dann wandte er sich ab und zog sich zurück. Deidara blieb auch weiterhin auf der Anrichte sitzen, auch, als die Tür mit einem dumpfen Schlag ins Schloss fiel. Zwar war der Blonde niemand, der sich über Kleinigkeiten wie diese sonderlich viele Gedanken machte, trotzdem wurde ihm klar, dass etwas in der Luft lag. Er konnte es ganz deutlich spüren. Pein war kein Mensch, der Mitleid kannte. Er war jemand, der seine Geschäfte ohne Rücksicht auf Verluste durchzog - genau das bewunderte er schließlich an dem Rothaarigen. Außerdem wollte ihm nicht einfallen, warum er so etwas wie Mitleid überhaupt verdient hätte. Deidara liebte sein Leben! Nachdenklich legte er die Stirn in Falten, zuckte aber anschließend mit den Schultern und griff nach seinem Handy. Immerhin wollte er seinen Kunden nicht unnötig warten lassen. 21:07 Uhr Tatsächlich war es keineswegs Mitleid, was Pein zu dieser Tat trieb. Es handelte sich dabei lediglich um Gleichgültigkeit. Vielleicht auch eine Art Freundschaftsdienst, wenn man es denn so sehen wollte. Schon seit Monaten hatte er die Hälfte des Geldes, dass er durch seinen Job und seinen Nebenbeschäftigungen verdient hatte, beiseite gelegt. Inzwischen war eine Summe zusammen gekommen, die Peins Pläne deckte. Mehr brauchte er einfach nicht. Als er wieder in seinem schwarzen Wagen saß, warf er einen kurzen Blick auf sein Handy. Doch dort waren weder ungelesene Nachrichten noch verpasste Anrufe verzeichnet. Überraschen tat es ihn nicht. Er hatte nicht damit gerechnet, dass er von Konan vor dem morgigen Tag eine Antwort erhalten würde. Sie kannten einander bereits seit der Mittelschule und daher wusste Pein nur zu gut, dass Konan gerne über Entscheidungen nachdachte. Allerdings neigte sie dazu, aufgrund von falschen Prioritäten falsch zu entscheiden. Ansonsten würde sie schon lange nicht mehr bei ihrem Vater wohnen und dessen Gehässigkeiten und Beleidigungen über sich ergehen lassen. Es war fast so, als besäße sie ein Herz aus Stein. Das hatten zumindest immer einige ihrer Mitschülerinnen früher behauptet. Doch Pein wusste es besser. Bei Konan war nichts aus Stein, obgleich es auf den ersten Blick so wirkten konnte. In Wirklichkeit war sie jedoch ein simpler Glassplitter, der schnitt, sobald er sich bedroht fühlte. Nur ihrem Vater gegenüber schien sie hilflos. Fast so, als gäbe sie sich die Schuld an dem Verschwinden ihrer Mutter. Dabei wusste Pein genauso gut wie Konan selbst, dass er die Silhouette am Fenster war, wenn er sie nach Hause brachte. Er war auch derjenige, der ihr so oft Alpträume bescherte. All diese Sachen waren unverzeihbar und trotzdem konnte Konan ihn einfach nicht verlassen. Wie ein treuer Hund, der auch dann zu seinem Herrschen zurückkehrte, nachdem er von ihm brutal zusammengeschlagen und anschließend ausgesetzt worden war. 21:39 Uhr Mittlerweile kam das Haus seiner Familie in Sicht. Ein schmales Gebäude, das zwischen zwei anderen in die Straße gequetscht worden war. Hinter seiner Fassade lebten zudem mehr Leute als es Zimmer gab. Durch das Küchenfenster konnte Pein seine Eltern sehen, die Geschirr abspülten. Früher hatten sie noch zusammen gegessen, doch irgendwann war Pein der Tisch so überfüllt vorgekommen, dass ihm jedes Mal schlecht geworden war, wenn er all diesen Menschen wieder gegenüber zu sitzen hatte. Seitdem brachte Pein Konan auch nicht mehr mit nach Hause, obwohl sie einmal gesagt hatte, dass sie ihn um diese große Familie beneidete. Aber er hasste sie und dieses Haus und dieses Leben! Eigentlich kam er nur noch zum Schlafen nach Hause, trieb sich ansonsten auf seinem Job oder mit Deidara und Konan herum. Er lebte nun in einer anderen Welt. Sie war zwar genauso wenig perfekt, ließ ihn aber wenigstens atmen. Sie ließ ihn am Leben. Zumindest irgendwie, bis zum morgigen Tag, an dem er sterben würde. Mit einem Knopfdruck auf die Fernbedienung öffnete sich das Garagentor. Es gab Sicht auf eine Couch, die mit Bettzeug und einem lesenden Mann belegt war. Genervt verdrehte Pein die Augen, als er den Wagen in die schmale Lücke fuhr, die nicht von Kartons oder den Sachen seines Onkels zugestellt worden war. „Du bist spät...“, stellte dieser im lieblichen Ton fest, als Pein ausstieg. Er sah über den Rand seines Buches hinweg und musterte den Rothaarigen. Der schritt jedoch wortlos an ihm vorbei, während das Tor sich im Hintergrund wieder schloss. Die Tür zum Haus fiel hinter Pein mit einem Scheppern zu und machte somit seine Antwort auf Yashamarus Worte deutlich. Doch über das Gesicht des Braunhaarigen huschte nur ein amüsiertes Lächeln, bevor er sich wieder seiner Lektüre zuwandte. Inzwischen stellte Pein seine Schuhe in dem kleinen Flur ab, wo bereits zig andere standen. Sie bildeten jedoch eher einen Haufen, anstatt eine ordentliche Reihe. Ebenso viele Jacken hingen an der Garderobe darüber. Aber Pein behielt seine eigene an und ging nur an den einzelnen Räumen vorbei. Er schenkte ihnen keine große Beachtung, obwohl Lärm aus jedem einzelnen von ihnen drang. Diesen Krach war Pein gewohnt, denn wirklich still war es in diesem Haus niemals. Nicht still genug für Pein. „Pein!“ Die vertraute Stimme aus der Küche ließ ihn trotz allem innehalten. „Wir dachten schon, du kommst gar nicht mehr, Alter.“ „Ich hatte noch etwas zu erledigen“, gab er undurchsichtig wieder, während seine Augen von Naruto über seine Eltern wanderten, ehe sie zu dem Blonden zurückkehrten. „Hauptsache, du bist jetzt da, Schatz. Willst du noch etwas essen?“ Karura lächelte und machte eine vage Handbewegung Richtung Kühlschrank. „Es ist noch etwas da. Ich kann es dir warm machen, wenn du möchtest.“ Doch Pein schüttelte lediglich den Kopf. Erneut richtete sich sein Blick auf seinen Vater. Der legte aber lediglich das Handtuch beiseite und verließ wortlos das Zimmer. „Heute war es sehr stressig auf der Arbeit“, brachte Karura in gesenkter Lautstärke über die Lippen. „Ja, es muss stressig sein, den ganzen Tag vor einem Computer zu sitzen...“ Mit diesen Worten wandte sich auch Pein ab und stieg die Treppe hinauf, die zu seinem Zimmer führte. Die Wand war mit Familienfotos geschmückt. Sein Vater fehlte auf jedem einzelnen. Als Pein noch klein war, hatte er sich oft gefragt, ob sein Vater keine Zeit für den Fototermin aufbringen konnte oder ob er einfach nicht wollte. Heute wusste er, dass er aus Gründen, die nur er kannte, nicht gewollt hatte. Auf den letzten zwei Bildern steigerte sich die Anzahl der fehlenden Personen. Auch Pein erschien längst nicht mehr zu den Familienfotos, obgleich sie seiner Mutter so wichtig waren. Aber was hatten solche Bilder schon für einen Sinn, wenn von vornherein nicht die gesamte Familie darauf abgebildet war? Sobald Pein sein Zimmer erreicht hatte, blickte er bereits in das Gesicht seiner Geschwister und er hielt abermals in seiner Bewegung inne. „Hey, Pein“, ließ Minato verlauten, der am Schreibtisch über einige Blätter gebeugt saß. Temari, die ihm über die Schulter schaute, warf Pein nur einen schrägen Blick zu. Es wirkte auf ihn so, als würde sie sich über sein frühes Erscheinen wundern. Sagen tat sie jedoch nichts. Pein schwieg ebenfalls und ignorierte sie und auch Kankuro, der auf seinem Bett lag und in einer Zeitschrift herumblätterte. Nur Minato schenkte Pein für einen Moment seine Aufmerksamkeit, ehe er sich wieder abwandte. Er verließ den Raum, bevor er ihn überhaupt wirklich betreten hatte. Es kam ihm vor, als hätte vor ihm ein Bus gehalten, der mit so vielen Menschen überfüllt war, dass sowieso alle Sitzplätze belegt waren. Statt sich also in irgendeine Ecke zu quetschen, bevorzugte er doch das Laufen. „Was ist nur mit ihm los?“, fragte Kankuro an Temari gewandt, als er Pein nachsah. Doch diese zuckte mit den Schultern. „Woher soll ich das wissen?“ „Du bist immerhin seine Zwillingsschwester. Ich dachte, da könnt ihr euch besser in einander hineinversetzen oder so was“, erwiderte der Braunhaarige nachdenklich. „Tz... Nicht einmal ein Gedankenleser würde aus Pein schlau werden!“, zischte Temari und nahm die Akte entgegen, die Minato ihr hinhielt. „Danke, ohne dich hätte ich eine Ewigkeit an dieser bescheuerten Steuerabrechnung für die Bar gesessen“, fügte sie noch hinzu, ehe sie den Raum verließ. Inzwischen stand Pein im Bad. Seine Jacke hatte er ausgezogen und auf den Toilettendeckel abgelegt. Seitdem stand er vor dem Spiegel, der über dem Waschbecken hing, und betrachtete sich darin mit eisiger Miene. Es schien, als sei er mit den Gedanken in eine andere Dimension eingetaucht. Eine, in der es seine Familie nicht gab. Nein, dort existierten nur Konan und er. Pein blinzelte ein, zweimal und drehte dann das Wasser auf, von dem er sich etwas ins Gesicht spritzte. Anschließend griff er nach dem Handtuch und trocknete sich ab. Derweil hingen seine Augen an seinem Handy, das sich in seiner Hosentasche abzeichnete. Er holte es heraus, musterte das Display erneut, bevor er auf Konans Namen und den grünen Hörer drückte. Mit einem knappen Zögern, das genauso gut der Fantasie entsprungen sein konnte, hielt er sich das Mobiltelefon ans Ohr. Er lauschte dem monotonen Tuten, welches ihn einzulullen drohte. Plötzlich, bevor am anderen Ende der Leitung abgenommen wurde, ertönte jedoch ein harsches Klopfen an der Badtür und ließ Pein den Anruf reflexartig abbrechen. „Ich muss ganz dringend mal darein!“, rief jemand mit einem Hauch von Panik. Naruto..., ging es Pein durch den Kopf. Gleichzeitig griff er nach seiner Jacke und öffnete die Tür. Daraufhin fiel ihm sein Bruder beinahe in die Arme, hätte Pein nicht einen Schritt zur Seite getan. „Danke, Alter!“, rief Naruto, rappelte sich vom Boden auf und schmiss die Tür hinter Pein zu. Dieser ließ das Handy wieder in der Hosentasche verschwinden. Anschließend kehrte er in sein Zimmer zurück. Im Grunde war es sowieso egal, wo er sich in diesem Haus befand, denn irgendjemand schaffte es immer ihn zu finden. Überrascht hielt Pein im Türrahmen zu seinem Zimmer inne. Er sah sich um, doch Minato war tatsächlich alleine. „Kankuro hilft Gaara bei seinen Hausaufgaben“, ließ der Blonde entwarnend verlauten, als Pein die Tür hinter sich schloss. Dann ließ er sich schwer auf dem Bett nieder, um die Ruhe genießen zu können. Sie war zu selten, um sie ungeachtet verstreichen zu lassen. „Ich habe Kagura heute getroffen.“ Minatos Stimme war gesenkt und seine Augen galten auch weiterhin nur dem Buch vor ihm. Er saß noch immer an dem aufgeräumten Schreibtisch. „Sie hat nach dir gefragt und sich gewundert, warum du heute nicht zur Arbeit erschienen bist.“ „Was hast du ihr gesagt?“ „Das es unglaublich ist, aber auch du mal krank wirst und das Bett hüten musst“, gab Minato von sich, während sich seine Mundwinkel zu einem angedeuteten Lächeln verzogen. Für einige Sekunden betrachtete Pein sein Seitenprofil, ließ sich dann aber nach hinten fallen und richtete seinen Blick gen Decke. „Was hast du wirklich gemacht?“, richtete Minato die Frage an Pein, als er keine Antwort erhielt. „Nebenjob...“, erwiderte Pein tonlos und schloss die Augen. Bleierne Müdigkeit begann seinen Glidern empor zu klettern, als er sich zunehmend entspannte. Für gewöhnlich fiel es Pein schwer sich gehen zu lassen, mehr noch, wenn er Zuhause war, doch bei Minato war es etwas anderes. Ihm Vertrauen entgegen zu bringen war einfach. Sehr einfach. 22:15 Uhr Das helle Piepen der Mikrowelle erfüllte die Küche und zog Konans Aufmerksamkeit auf sich. Sie legte den gefalteten Schwan beiseite und schob den Stuhl mit einem schabenden Geräusch über den Boden zurück, als sie sich erhob und zwei Teller aus dem Wandschrank holte. „Essen ist fertig!“, rief sie gerade laut genug, damit es bis ins Wohnzimmer drang. Das Fertigessen auf die Teller stellend, sah sie aus den Augenwinkeln ihren Vater in die Küche kommen. Er ließ sich wortlos am Tisch nieder, während Konan ihm einen der Teller reichte und sich auf die gegenüberliegende Seite setzte. Eigentlich hatte sie bereits mit Pein gegessen. Eigentlich wusste sie auch nicht recht, warum sie überhaupt hier saß und abermals an diesem Tag in ihrem Essen herumstocherte. Andererseits fiel ihr nicht ein, wie sie sonst die Zeit totschlagen sollte. Irgendwie schien diese geradezu stillzustehen, sobald sie die Wohnung betrat. Gleichzeitig aber raste sie auch, wenn sie an Peins Entschluss und über ihre bevorstehende Entscheidung nachdachte. Es war nicht so einfach, wie er es sich vorstellte! Wenn sie ginge, dann würde sie kein Stück besser als ihre Mutter sein. Auch sie war mitten in der Nacht mit ihrem neuen Freund verschwunden. Sie hatte ihre Familie ohne finanzielle Mittel oder Warnung zurückgelassen. Fast so, als würde sie ihr nichts bedeuten. Zuvor hatte die Welt für Konan noch rosarot ausgesehen, doch nach dieser Nacht hatte sie sich rabenschwarz gefärbt. Ihr Kartenhaus war bis auf den Grund abgebrannt und nur noch Asche erinnerte an das, was einmal gewesen war. „Kalt!“, kommentierte ihr Vater mit angewidertem Blick und riss sie somit aus den Gedanken. „Das Essen ist kalt! Außer Papier falten kriegst du wohl gar nichts zu Stande, was?“ „Origami.“ Konans Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Eines, das ihn dennoch aufsehen ließ. „Was?“ Ihre Blicke trafen sich für Sekunden, bevor Konan ihre Lider senkte. „Es heißt Origami“, wiederholte sie erneut, diesmal etwas lauter als zuvor. Eine Dummheit, die sie wissend und gleichzeitig unwissend beging. Sie wusste, dass Widerworte und Verbesserungen ihren Vater wütend machten. Aber sie wusste nicht, warum sie es trotzdem aussprach. Einen Moment war es noch still, im nächsten wurde der Teller vom Tisch gefegt. Krachend zersprang er auf dem Boden, während der Stuhl energisch zurückgeschoben wurde. Ihr Vater griff nach dem Papierschwan und zerknüllte ihn. „Was bildest du dir ein, du verwöhntes Balg?“, zischte er bedrohlich, als er ihr das Papier an den Kopf warf. „Du solltest froh sein, dass ich dich aushalte und nicht gleich auf die Straße setze! Du bist genauso unverschämt wie deine Mutter!“ Konan hielt die Augen geschlossen. Sie hätte sie nicht einmal öffnen können, wenn sie gewollt hätte. Dazu war ihr Körper zu starr vor Angst gewesen. Doch es war ein vertrautes Gefühl, eines das natürlich in der Nähe ihres Vaters geworden war. Kurz darauf hörte Konan jedoch wie sich die Schritte ihres Vaters entfernten. Die Küchentür wurde zugeworfen und der Fernseher im Nebenraum wurde laut aufgedreht, so dass Konan die dumpfen Stimmen vernehmen konnte. Sie stieß den Atem aus, den sie unwillkürlich angehalten hatte. Anschließend blickte Konan auf den zerbrochenen Teller hinab. Seine Scherben schimmerten im Licht der Deckenlampe, sie spiegelten es wieder. Doch bevor sie sich darum kümmerte, hob sie das zerknüllte Papier auf und richtete es, so dass es wieder mehr der Figur glich, die sie erschaffen hatte. Vielleicht hatte ihr Vater Recht und sie hatte tatsächlich keine großen Talente. Zumindest keine außer Origami. Andererseits gab es in ihrem Leben auch nicht viel, was sie sonderlich interessierte. In den letzten Jahren war ihr die Lust an fast allem vergangen. Früher hatte sie Tennis gespielt und hatte es geliebt mit Pein das Schwimmbad zu besuchen. Heute verstaubte ihr Schläger im Schrank und die Zeit mit Pein verbrachte sie meistens in seinem Wagen oder irgendwo auf der Straße. Aber solange sie Pein hatte, der jede Origamifigur, die sie ihm schenkte, aufbewahrte, war es ihr egal, wie untalentiert sie sein mochte. Es war nicht wichtig. Talente brachten andere Menschen nicht dazu, jemanden ins Herz zu schließen. Sie hob vorsichtig die Scherben auf und entsorgte diese zusammen mit den Essensresten im Mülleimer, bevor sie der Küche den Rücken kehrte und in ihrem Zimmer verschwand. Es war klein und besaß nur ein schmales Fenster, durch das fahles Mondlicht fiel und es ein wenig erhellte. Doch Konan reichte es. Anstatt die Lampe auf ihrem Nachtisch einzuschalten, ließ sie sich auf ihrem Bett fallen. Den Papierschwan stellte sie auf das Regal darüber und holte mit einem Griff unter das Kopfkissen ihr Handy hervor. Das Foto auf dem Display sagte ihr, von wem der verpasste Anruf stammte, aber in Konans Gesicht zuckte kein Muskel. Die einzige Reaktion war ihr Daumen, der scheinbar zufällig über den kleinen Bildschirm und Peins Gesicht fuhr. Für gewöhnlich rief Pein sie um diese Uhrzeit nicht mehr an, wodurch sogleich ein Gefühl der Sorge in ihr aufkam. Allerdings versuchte sie es zu unterdrücken. Sicherlich war es sowieso vollkommen an den Haaren herbeigezogen. Pein würde sie niemals mit seinen Problemen belästigen und auch keinesfalls unter Druck setzen. Sie schätzte sogar, dass er von ihr erwartete, dass sie sich freiwillig für ihn entschied. Aber sie wusste nicht, ob sie das konnte... Pein war stärker als sie. Er kannte keine Reue und keine Zweifel, Konan dagegen schon – egal, wie sehr sie dagegen anzukämpfen versuchte. Seufzend legte sie das Handy neben sich ab, drehte sich auf die Seite. Eine Weile betrachtete sie noch das Foto, bevor sie die Augen schloss. 0:29 Uhr Seichtes Flurlicht fiel durch den Türspalt, als Karura das Zimmer von Minato, Pein und Kankuro betrat. Dieses lag bereits im Dunkeln, während der ruhige Atem ihrer Söhne ihr verriet, dass sie bereits eingeschlafen waren. Trotzdem trat sie näher an die Betten heran und ließ ihren Blick über die friedlichen Gesichter Minatos und Kankuros wandern. Doch ein trauriges Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab, als sie die Decke, die zu Peins Füßen lag, über dessen Körper zog. Nicht einmal im Schlaf schien er wirklich entspannt. Stattdessen trug er auch jetzt noch diesen ernsten Ausdruck. Wieder einmal wurde Karura schlagartig bewusst, dass er viel zu schnell erwachsen geworden war und dass sie es nicht einmal mitbekommen hatte. Eigentlich wusste sie kaum etwas über Pein. Nein, er war ihr vollkommen fremd geworden. Früher hatte er noch Konan ab und an mit nach Hause gebracht, wodurch sie automatisch erfahren hatte, wo Pein sich den ganzen Tag herumtrieb. Doch nun blieben ihr jegliche Informationen verwehrt. Weder brachte er Konan mit, noch gab er etwas von sich preis. Selbst wenn sich Karura wagte, ihn direkt danach zu fragen, speiste er sie mit einer undurchsichtigen und knappen Antwort ab, so dass sie letztendlich unwissend blieb. Nur Minato gegenüber schien er genug Vertrauen zu besitzen, dass er ihm manchmal den ein oder anderen Gedanken anvertraute. Einerseits freute sie sich darüber, dass er zu einer Vertrauensperson Peins geworden war und dessen Geheimnisse bewahrte, anderseits tat es weh, nicht zu wissen, was in dem eigenen Sohn vorging. Es kam ihr vor, als hätte sie ihn schon vor Jahren verloren und jegliche Bemühungen, die sie unternahm, um ihn zurückzugewinnen, blieben erfolglos. Karura ließ ihre Finger sanft über Peins Wange fahren, ehe sie sich Kankuro zuwandte. Dessen Kissen hatte einen Platz auf dem Boden gefunden, doch nun hob sie auf und legte es wieder neben ihn ins Bett. Anschließend verließ sie den Raum, schloss die Tür hinter sich und kehrte ins Schlafzimmer zurück. Dort lag ihr Mann bereits mit dem Rücken zu ihr auf dem Bett. „Sie schlafen alle...“, sagte sie leise, erhielt jedoch keine Antwort. 2:44 Uhr Von etwas Unbekanntem geweckt, setzte Pein sich auf und schaute sich im ersten Moment desorientiert um. Doch das Zimmer war in Dunkelheit und Stille getaucht. Er wischte sich mit der Hand über sein Gesicht, bevor er die Decke zurückschob und aufstand. Leise, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, verschwand er durch die Tür und bewegte sich über die quietschenden Dielen ins untere Stockwerk. Er ließ das Licht aus, als er in die Küche trat. Das Haus kannte er gut genug, um auch in der Finsternis den Kühlschrank finden und sich eine Wasserflasche angeln zu können. Auf dem Weg zurück durch den gespenstigen Flur, nahm er einen Schluck. Erst im Wohnzimmer hob sich die Hand, um doch die Lampe einschalten zu können. Ein Räuspern ließ ihn jedoch in seiner Haltung gefrieren. Für einen Herzschlag lang war er erschrocken, beim nächsten war seine gewohnte Gleichgültigkeit bereits zurückgekehrt. Es gab nur eine Person in diesem Haus, die ein solches Geräusch von sich gab, das wusste Pein. Und mit das Wissen um die Gestalt, die auf dem Sofa saß, trat er tiefer in das Wohnzimmer hinein. Der Schemen hob derweil das Weinglas an seine Lippen, ehe es sich ans Nachschenken machte. „Du solltest nicht trinken“, ließ Pein kühl verlauten, wobei es sich lediglich um eine Feststellung und die Wiederholung der Worte seiner Mutter handelte. Ihm persönlich war es egal, was seine Großmutter tat. Auch wenn es sie womöglich dem Grab um einige Schritte näher brachte. „Und du solltest deine Nase nicht in Sachen stecken, die dich nichts angehen!“, gab sie im selben Ton zurück und nahm einen weiteren Schluck. „Was machst du überhaupt so spät noch hier? Du planst doch schon wieder was, das seh’ ich dir ganz genau an.“ „Tz... Ich bezweifele, dass du mich aus dieser Entfernung und bei der Dunkelheit überhaupt sehen kannst, Granny Chiyo.“ Spott unterlag seiner sonst so emotionslosen Stimme. Doch zu ihrem Erstaunen ließ sich Pein auf dem zweiten Sofa nieder, anstatt das Weite zu suchen. Er stützte die Arme auf die Knie, während er die Wasserflasche auf den Tisch abstellte und einen trüben Blick auf sich ruhen hatte. Pein spürte die Verwunderung, die seine Großmutter einnahm, als wäre sie greifbar. Aber er nahm es ihr nicht übel, er wusste, dass sein Verhalten untypisch auf sie wirken musste. Immerhin hielten sie es für gewöhnlich keine fünf Minuten im selben Zimmer aus, wobei er meist derjenige war, der sich zuerst vom Schlachtfeld zurückzog – noch bevor der Kampf überhaupt begonnen hatte. Allerdings sah er auch wenig Sinn darin sich mit einer alten Frau anzulegen. Und das, obwohl Granny Chiyo für ihr Alter noch immer eine scharfe Zunge besaß und mit Kritik an ihm nicht sparte. „Denk’ erst gar nicht daran, mich nach Geld anzubetteln!“, raunte sie und beäugte Peins schemenhafte Gestalt aus schmalen Augen. „Du wärst die Letzte, zu der ich deswegen kommen würde.“ „Das will ich auch hoffen“, erwiderte sie mit einem krächzenden Lachen, dessen Ursprung Pein sich nicht zu erklären vermochte. Aber er dachte nicht weiter darüber nach, verfiel stattdessen in ein simples Schweigen, das seine Gegenüber mit ihm teilte. Zu ihrem gemeinsamen Erstaunen wurde es jedoch schon nach wenigen Minuten durchbrochen, da das Licht in der Küche angeschaltet wurde. Peins Augen wanderten hinüber zum Türrahmen, durch den Flur und in die Küche hinein. Es dauerte einige Zeit, bis sich Peins Augen an die dortige Helligkeit gewöhnt hatten und er die herumwuselnde Gestalt im Nebenzimmer als Naruto identifizieren konnte. Anhand des Geschirrklapperns und Rascheln erkannte er, dass Naruto scheinbar nur wegen eines Snacks heruntergekommen war und sie nicht bemerkt hatte. Somit erhob sich Pein, nahm die Wasserflasche auf und drehte seiner Großmutter den Rücken zu. Kurz warf er noch einen Blick über seine Schulter zurück, um seine vorigen Worte mit etwas Nachdruck zu wiederholen. „Du solltest das Trinken unterlassen.“ Anschließend verschwand er und stieg die Stufen hinauf. Doch bevor er diese vollständig hinter sich bringen konnte, wurde auch das Flurlicht angeschaltet und blendete ihn zunächst. „Hey, Alter!“, ertönte es hinter Pein und eine Hand legte sich auf seine Schulter. „Was machst du denn hier?“ „Das Gleiche könnte ich dich fragen, Naruto...“, erwiderte der Rothaarige, obgleich er dessen Vorhaben längst durchschaut hatte. Doch Naruto brachte dennoch ein leises Lachen über die Lippen, als er mit Pein den Rest der Treppe erklomm. „Ich hatte plötzlich Hunger bekommen“, beichtete er mit gedämpfter Stimme und rührte mit der Gabel in der Fertignudelsuppenpackung herum. „Aha.“ „Und?“, erkundigte sich der Blonde, als sie an der Zimmertür Peins innehielten. „Was?“ „Warum irrst du nachts herum?“ Eigentlich wollte Pein Naruto nicht antworten und einfach im dunklen Flur stehen lassen, doch dieses unschuldige und freundliche Lächeln auf dem gebräunten Gesicht ließ das nicht zu. „Ein Traum hat mich geweckt“, antwortete er stattdessen tonlos und deutete anschließend auf die Wasserflasche in seiner Hand. „Außerdem hatte ich Durst.“ „Ach so, verstehe. Na ja, wenn du das nächste Mal schlecht träumst, dann kannst du dich ruhig zu mir ins Bett kuscheln“, erwiderte Naruto breit grinsend und verschwand im Nebenzimmer. Pein sah ihm noch eine Weile nach. Sich aber schließlich aus seiner Starre losreißend betrat auch er sein Zimmer. Aber bevor er sich wieder ins Bett legte, entledigte er seinen Klamotten und ließ lediglich die schwarze Boxershorts an. Danach warf er noch einen Blick auf den Wecker, der schon in wenigen Stunden wieder klingeln würde. 7:31 Uhr Konan war seit zwei Stunden wach, doch hatte seitdem lediglich im Bett gelegen und die Decke über sich betrachtet. Es fiel ihr schwer, sich aufzuraffen und sich für die Arbeit fertig zu machen. Schwerer als es für gewöhnlich der Fall war. Doch nachdem sie ihr Handy, das gleichzeitig als Wecker funktionierte, gänzlich ausgestellt hatte, schob sie sich schließlich gähnend von der Matratze und suchte sich frische Sachen aus dem Schrank hinter der Tür heraus. Ihr Vater schlief noch, wie es jeden Morgen um diese Uhrzeit der Fall war und wie sie sicherstellte, als sie durch den karg eingerichteten Flur in Richtung Badezimmer schlich. Das Schlafzimmer war mit einem Vorhang abgedunkelt und nur ein Streifen Sonnenlicht fiel durch das Fenster auf den Boden. Dieser ließ Konan ihren Vater im Bett erkennen. Er hatte alle Glider von sich gesteckt, während die Decke halb auf dem Boden lag. So leise wie es ihr möglich war, betrat sie den Raum und nahm die Bierflasche vom Nachtisch, bevor sie die Tür beim Rausgehen schloss. Sie legte ihre Sachen neben dem Waschbecken ab und steuerte dann die Küche an, wo sie eine Mülltüte aus dem Schubfachschrank holte. Damit bewaffnet trat sie in das angrenzende Wohnzimmer. Dieses sah im Gegensatz zum Rest der Wohnung wüst aus. Doch wenn ihr Vater wach war, hatte die Blauhaarige auch keinerlei Chance darin aufzuräumen. Deshalb blieb ihr nichts übrig, als morgens vor der Arbeit die leeren Bierflaschen und den vollen Aschenbecher zu entsorgen. Außerdem zog sie die Balkontür auf, um frische Luft hinein und den kalten Rauch hinaus zu lassen. Ihr Blick blieb jedoch an den Blumenkästen hängen. In ihnen war jegliches Leben längst eingegangen. Auch die Farbe des Geländers blätterte ab und Konan kam nicht umhin, sich daran zu erinnern, dass dieser kleine Balkon früher der private Garten ihrer Mutter gewesen war. Sie hatte ihn geliebt. Nach der Arbeit hatte sie sich stets dorthin zurückgezogen und gelesen oder einfach die Blumenpracht betrachtet. Die Pflanzen waren wie ihre Kinder gewesen, die sie umsorgen und denen sie alles hatte erzählen können. An machen Tagen hatte Konan sie durch das Wohnzimmerfenster einfach nur beobachtet. Sie hatte es gemocht, sehr sogar. Ihre Mutter hatte in jenen Augenblicken immer glücklich gewirkt und Konan hatte nicht bemerkt, dass diese Momente die Einzigen waren, in denen sie so etwas wie Glückseligkeit verspürt hatte. Ein Seufzen entrann Konans Lippen, als sie sich wieder abwandte. Sie stellte die Mülltüte mit einem Klappern an der Eingangstür ab, um sich endlich fertig machen zu können. 9:00 Uhr Das Schild an der Tür zum Yamanaka-Blumenladen wurde mit einer einfachen Handbewegung von ‚geschlossen’ auf ‚geöffnet’ umgeändert. „Sakura kommt heute etwas später“, sagte Ino und kehrte zu Konan am Tresen zurück. Sie lehnte sich dagegen, während sie eine Blumenvase mit geschnittenen Rosen richtete. „Sie hat gerade einen Arzttermin, müsste aber in einer halben Stunde oder so da sein. Bis dahin müssen wir den Laden alleine schmeißen.“ Ein amüsiertes Grinsen schlich sich auf ihre weiblichen Züge und sie zwinkerte Konan zu. Diese war sich bewusst, dass der Laden um diese Uhrzeit stets leer blieb. Erst gegen Mittag bekamen sie die meiste Kundschaft. Besonders Leute, die Verwandte und Freunde in dem Krankenhaus einige Blocks entfernt besuchten, kauften hier Sträuße. Früher hatte sich Konan immer gewundert, wie sich der Laden über Wasser halten konnte und ob überhaupt etwas Profit dabei heraussprang. Doch für Ino ging es um mehr als nur Geld. Für sie ging es um Blumen und Pflanzen, die sie mit Freude an Menschen verkaufte, die ihre Liebe zu ihnen teilten. Außerdem war ihr Vater Aktionär und mit ihrem Taschengeld konnte sie für mögliches Minus aufkommen. Obwohl Ino den Laden noch lange nicht vollkommen übernommen hatte, kam es Konan bereits so vor. „Geht es Sakura nicht gut?“, fragte Konan, die auf einem Barhocker hinter der Theke saß und das Kinn auf die Hand gestützt hielt. „Was? Oh, natürlich geht es ihr gut!“, erwiderte Ino, wobei ihre Stimme plötzlich etwas Schadenfrohes annahm. „Anscheinend hat sich unsere kleine Sakura nicht gründlich genug die Zähne geputzt.“ Sie lachte leise, doch Konan antwortete nicht, sondern blätterte nur stumm die Seite in dem Brautmagazin um, das einsam vor ihr gelegen hatte. Sie schätzte, dass es Ino gehörte, wusste jedoch nicht, was diese mit ihm wollte. Ihres Erachtens war sie ein Single, das sich niemals an einen Mann zu binden gedachte – zumindest sagte sie das immer. „Und wie läuft es mit deinem Freund?“, riss Ino sie aus ihren Gedanken. „Freund?“, war jedoch das Einzige, was Konan erwiderte, wobei es aufrichtig nach einer Frage klang. „Na, der Typ, der dich jeden Tag abholt und so. Der ist doch dein Freund, oder?“ „Sein Name ist Pein“, informierte Konan sie mit unterschwelligem Zorn in der Stimme. Doch Ino überging es und beugte sich stattdessen mehr über den Tresen zu ihr herüber. „Ist er nun dein Freund oder nicht?“ Inos türkisfarbenen Augen bohrten sich praktisch in Konans, als sie den Kopf hob und ihren Blick erwiderte. Zuerst wirkte sie ein wenig ratlos, verneinte aber schließlich und hoffte, dass sich Ino damit zufrieden geben würde. Aber eigentlich kannte sie ihre Gegenüber bereits zu gut, so dass sie wusste, dass sie sich nicht so einfach herausreden konnte. „Warum nicht? Ist er nicht dein Typ oder bist du zu schüchtern, um ihn dir zu angeln?“ „Nichts von alledem“, erwiderte Konan nach einigen Sekunden, erhielt als Antwort jedoch einen misstrauischen Blick. „Und wieso schaust du dir das Brautmagazin dann so nachdenklich an? Hm? Du kannst mir nichts vormachen, Konan!“ Die Angesprochene schien verwirrt, da es ihr schwer fiel Inos Gedankengang nachzuvollziehen. Was hatte ein Brautmagazin mit Pein zu tun? Noch schwerer fiel es ihr jedoch, eine passende Erwiderung auf Inos Worte zu finden. Eigentlich war sie sogar sprachlos, weswegen sich ein erneutes und diesmal unangenehmes Schweigen zwischen sie legte. Ino starrte sie noch immer an und Konan blickte stur aus dem Fenster. Gerade als Ino erneut die Stimme erheben wollte, ertönte glücklicherweise die Glocke über der Tür. „Hey, Leute!“, rief Sakura, als sie den Laden betrat und sogleich den Tresen umrundete. Sie zog ihre Jacke aus und brachte sie ins Hinterzimmer. Nachdem Sakura sie dort über eine der Stuhllehnen gehangen hatte, schritt sie zur Kaffeemaschine, die in der Kochnische stand und den Raum mit einem angenehmen Aroma füllte. „Und, was geht hier ab? Irgendwas passiert? Ihr schaut so verbissen aus“, rief sie durch den Kettenvorhang hindurch. „Nein, nichts...“, erwiderte Ino zu Konans Verwunderung heiter. „Und wie war dein Termin?“ „Gut, aber rate mal, wen ich getroffen habe!“ „Wen?“ „Nanae“, erwiderte Sakura und grinste Ino vielsagend an, als sie zu Konan und ihr zurückkehrte. „Beim Zahnarzt?“, fragte Ino, um sicherzugehen, und erhielt ein knappes Nicken von der Rosahaarigen. „Was erwartet man auch? Sie hat doch sowieso nichts anderes im Kopf, als sich wie ein billiges Flittchen an jeden Typen ranzuwerfen.“ „Stimmt.“ Mit den Ellbogen auf dem Tresen abgestützt, nippte Sakura an ihrer Tasse und stellte jene anschließend ab. „Und dabei hat sie noch nicht mal Erfolg.“ „Vielleicht liegt es am Mundgeruch!“, schlug Ino lachend vor und Sakura klatsche amüsiert in die Hände. „Schlechte Mundhygiene halt! Wahrscheinlich hat sie es jetzt auch raus und ist deshalb zum Zahnarzt.“ „Ja, aber bei ihr kommt sowieso jegliche Hilfe zu spät!“ Ihrer beider Lachen erfüllte den Laden, während Konans Verschwinden unbemerkt blieb. Diese hatte sich ins Hinterzimmer zurückgezogen und versuchte die Stimmen ihrer Freundinnen auszublenden und sich stattdessen auf etwas anderes zu konzentrieren. Doch es ging einfach nicht, dafür waren sie zu laut und zu schrill. Nichtsdestotrotz bemerkte sie wieder einmal wie wenig sie mit solchen Unterhaltungen anzufangen wusste. Das Leben anderer und den Grund für das Handeln jener interessierten Konan nicht. Ihr war es schlichtweg egal, ob diese Nanae schlechte Zähne hatte und ob sie beliebt oder unbeliebt beim anderen Geschlecht war! Solange sie Pein nicht anrührte, – bei dem sie sowieso nicht den Hauch einer Chance hätte - konnte sie tun und lassen, was immer sie wollte. Konan biss sich auf die Unterlippe. Schon wieder waren ihre Gedanken zu Pein zurückkehrt und schon wieder in einem anderen Sinne, als sie beabsichtigte. Zum ersten Mal kam ihr die Frage in den Sinn, warum die Beziehung zwischen Pein und ihr so war wie sie war und vor allem, wie sie tatsächlich zueinander standen. Es kam ihr vor wie ein unlösbares Mysterium... Natürlich mochte sie Pein, mehr als man einen Freund mögen konnte, und doch würde sie niemals Adjektive benutzen, die Sakura und Ino verwendeten, um einen gutaussehenden Mann zu beschreiben. Aber Pein war auch nicht zu beschreiben und genau das fand Konan so faszinierend an ihm. Bisher gab es in ihren Leben jedoch nichts weiter, als dieses einfache Band, das sie teilten. Leider. 10:51 Uhr „Danke, dass du so freundlich bist und mich zur Schule fährst, Pein“, ließ Sasori nüchtern verlauten, als der schwarze Wagen an einer Ampel hielt. Sein starrer Blick war auf einen entfernten Punkt geheftet, während der Wind, der durch das offene Fenster ins Wageninnere eindrang, an seinen roten Haaren zog. Pein, der seinem Bruder diesen Gefallen nur auf Wunsch von Karura tat, betrachtete ihn für einen kurzen Moment aus den Augenwinkeln. Obgleich man ihm bereits Emotionslosigkeit vorwarf, personifizierte Sasori sie. Er hatte noch niemanden gesehen, dessen Gesichtsregung so eingefroren war. Nicht einmal seine eigene. Nur wenn der Jüngere Ungeduld verspürte, zuckte sein Mundwinkel Blinzeln tat er dagegen so gut wie nie. „Granny Chiyo hat mir erzählt, dass du nun entgültig den Verstand verlierst“, erhob der Jüngere nach einiger Zeit erneut die Stimme, doch Pein schwieg auch diesmal. „Aber es war vermutlich auch abzusehen. Dad hat gesagt, du bist schon als Baby anders gewesen.“ „Wenn du mich als anders bezeichnest, als was siehst du dich an?“ Für gewöhnlich ließ sich Pein nicht auf solche Kinderspielchen ein, aber trotzdem nervte ihn Sasoris Gerede. Wahrscheinlich wollte er das genau damit bezwecken, ging es Pein durch den Kopf. Aus diesem Grund vermied es er für gewöhnlich, Zeit mit Sasori oder ihrer Großmutter zu verbringen. Es war kein Geheimnis für Pein, dass diese dazu neigten, sich gegen ihn zu verbünden. „Als normal“, erwiderte dieser knapp und lehnte den Kopf gegen den Sitz. An der Schule hielt Pein den Wagen für einen Moment und bedeutete Sasori mit einem knappen „Raus“ auszusteigen. „Noch mal danke fürs Fahren...“, ließ Sasori verlauten, schnappte sich seine Schultasche und ging mit ruhigen Schritten auf das Gebäude zu. Peins Blick klebte an dem Rücken seines Bruders. Für die zukünftigen Wochen und Monate musste sich Sasori wohl oder übel eine andere Mitfahrgelegenheit suchen. Pein verstand sowieso nicht, warum sie an seiner Schule manchmal zur dritten Stunde kommen musste. An seiner hatte es damals dergleichen nicht gegeben. 13:03 Uhr Obwohl Konan es für gewöhnlich vorzog alleine zu sein, liebte sie ihren Job und die Teamarbeit mit Sakura an der Kasse ebenso. Dabei kam sie sich effizient und professionell vor. Ein bisschen so, ob sie es wert wäre, angesehen zu werden. Manchmal fragte sich Konan, ob ihr Vater sie auch einen Versager nennen würde, wenn er sie jetzt so sehen könnte. Sakura kassierte das Geld ab, während Konan mit geschickten Händen den Blumenstrauß in Papier einwickelte. Ein Klebestreifen auf der linken und einen auf der rechten Seite, aufgestellt und herübergereicht. „Haben sie noch einen schönen Tag!“, entrann es ihr. Sie blickte dem jungen Mann nach, als er den Laden verließ und wandte sich dann Sakura zu. „Soll ich uns etwas zum Mittag holen?“ „Gute Idee!“, erwiderte ihre Gegenüber erfreut. „Ich hole nur mein Portmonee von hinten.“ Doch bevor Sakura sich auch nur dem Hinterzimmer nähern konnte, hielt Konans Stimme sie zurück. „Lass nur, ich lade euch ein“, sagte sie, schenkte Sakura ein flüchtiges Lächeln und verschwand selbst durch den Kettenvorhang. Kurz zögerte sie, als sie Ino über einige Unterlagen gebeugt am Tisch sitzen sah, dann steuerte sie den Garderobenständer in der Ecke an. Mit dem Rücken zum Tisch schob sie Inos Pullover beiseite, um ihre Jacke zu erreichen und ihre Geldbörse herausziehen zu können. „Ich wollte dich vorhin nicht so unter Druck setzen, sorry“, erklang Inos Stimme plötzlich und ließ Konan innehalten. Sie warf einen knappen Blick über ihre Schulter hinweg und begegnete den türkisfarbenen Augen, die sie unverwandt anschauten. „Ich hatte es schon wieder vergessen“, antwortete Konan lediglich in einem eher nüchternen Tonfall. Zwar war ihr die Situation tatsächlich unangenehm gewesen, weil sie nicht recht gewusst hatte, was sie hatte erwidern sollen, doch war sie deshalb keineswegs sauer auf Ino gewesen. Im Grunde war es ihre eigene Schuld, wenn sie bisher zu feige gewesen war, sich mit ihren Gefühlen für Pein und ihrer Beziehung zu ihm auseinander zu setzen. Stattdessen hatte sie es einfach hingenommen - genauso wie sie es bisher mit allem getan hatte. „Gut...“, kam es erleichtert zurück. „Ich will nicht, dass irgendwelche Spannung zwischen uns entsteht. Ist nicht gut fürs Arbeitsklima.“ Zwinkernd wurde Konan angelächelt, als diese einige Schritte in den offenen Raum machte. „Kann ich dich etwas fragen? Etwas Persönliches?“, entrann es ihren Lippen nach einigen Sekunden des Zögerns. Eigentlich redete Konan ungern über sich selbst, doch ihr drängte sich eine Frage auf, über deren Antwort sie Gewissheit brauchte und die sie selbst sich nicht geben konnte. „Klar, wir sind doch Freunde. Was ist es?“ „Wenn du dich für etwas entscheiden musst,... woher weißt du, ob du am Ende die richtige Entscheidung getroffen hast?“ Minutenlange Stille folgte, in der Konan ihre Frage bereits bereute. Es war dumm, Ino etwas dergleichen zu fragen. Wahrscheinlich gab es darauf nicht einmal eine Antwort. Auch das würde vermutlich eine dieser Umgereimtheiten des Lebens bleiben. So etwas wie richtig und falsch gab es nicht, kein Schwarz und Weiß, nur Grautöne. So viele Graunuancen, dass Konan sie nicht zu unterscheiden vermochte. „Das weißt du nie mit hundertprozentiger Sicherheit...“, bejahte Ino ihren Gedanken, als sie das Kinn auf ihre Handfläche stützte. „Aber wenn sie sich tief in deinem Herzen richtig anfühlt, kannst du kaum falsch entschieden haben. Außerdem sind Fehler da, um gemacht zu werden. Nur Mut, Konan!“ Auf Inos Gesicht erschien ein Grinsen. Es war kein spöttisches, eher ein sanftes, aufmunterndes, vor allem aber wissendes, so dass Konan den Blick unwillkürlich auf die Geldbörse in ihren Händen richtete. „Danke“, erwiderte sie, bevor sie abermals zum Garderobenständer zurückkehrte und auch noch ihr Mobiltelefon herausholte. Durch Inos Worte beflügelt, zeigte sich Konan ein Grauton, der heller, geradezu weiß auf sie wirkte. Vielleicht war es wirklich an der Zeit Mut zu beweisen und auf ihr Herz, anstatt auf ihren Verstand zu hören. Das wusste nämlich genau, was es wollte. „Ich gehe etwas vom Supermarkt holen, möchtest du etwas Besonderes?“, lenkte Konan ein, als sie am Verlassen des Zimmers war. „Nein, irgendwas, ganz egal.“ „Okay, bis gleich!“ Mit diesen Worten verschwand sie wieder mit einem Klirren durch den Vorhang, wo ihr Sakura bereits entgegen kam. „Lass dir ruhig Zeit!“, rief diese Konan noch hinter, als diese den Laden verließ, und gesellte sich anschließend selbst zu Ino ins Hinterzimmer. „Du verteilst wieder deine ach-so-schlauen-Ratschläge, was?“, fragte Sakura ihre Freundin spöttisch, als sie die Arme vor der Brust verschränkte. „Bist du etwa eifersüchtig, dass Konan sich mir und nicht dir öffnet, Stirni?“, konterte diese sogleich und erntete ein Augenbrauenheben. „Wer sagt, dass sie mir nichts anvertraut, du Tussi?“ „Tz...“, entrann es Ino. Anstatt weiter zu argumentieren, wechselte sie jedoch das Thema. „Und, meinst du, sie ruft diesen Pein an?“ „Ja, ich denke schon. Was auch immer zwischen den beiden läuft, sie wird das jetzt in die Hand nehmen. Das habe ich im Gefühl.“ Frische Luft und eine tiefstehende und Winter ankündigende Sonne begrüßten Konan, als sie nach draußen trat. Sie zog die Ärmel ihrer dunklen Bluse enger um ihre Handgelenke, als sie den Gehweg entlang schritt. Obwohl zig Autos an ihr vorbeirasten und eine schnatternde Gruppe an Geschäftsmännern sie überholte, war das Einzige, was Konan vernahm ihr eigener Herzschlag. Sie spürte das Organ ganz deutlich gegen ihre Brust schlagen. Laut und kräftig und beinahe überschlagend. Für gewöhnlich neigte Konan zur Ruhe und nicht zu einer übertriebenen Nervosität. Heute war es dagegen anders. Es kam ihr vor, als wäre jegliches Blut in ihren Adern durch Adrenalin ersetzt worden. Fast so, als könnte sie plötzlich auch das Unmögliche möglich machen. Der Supermarkt befand sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite, weshalb sie bei der nächstbesten Gelegenheit die Fahrbahn überquerte. Ihre Hände verkrampften sich um ihre Geldbörse, als die Schiebetür des Ladens sich mit einem leisen Quietschen öffnete und ein helles Geräusch ihr Eintreten signalisierte. Draußen war es bereits kühl gewesen, doch die klimatisierte Kälte im Inneren erschien Konan noch einige Grade niedriger zu sein. Sie strich ihren Rock glatt, der mit ihren schwarzen Stiefeln beinahe abschloss, und ging durch die Gänge des Geschäfts. Der frühen Uhrzeit wegen waren sie bis auf vereinzelte Kunden vollkommen verlassen. Sie steuerte den kleinen Bäckerstand an, der sich im hinteren Teil des Ladens befand, und wählte währenddessen Peins Nummer. Konan wusste nicht, was auf Pein und sie zukommen würde, doch solange sie mit ihm zusammen sein konnte, würde alles in Ordnung sein. Daran glaubte sie, daran hielt sie fest. Ohne ihn konnte sie einfach nicht leben. Das war die bittere Wahrheit. Er war alles, was sie hatte. Gleichzeitig war er aber auch alles, was sie wollte. Er war die Droge, deren Abhängigkeit keine negativen Konsequenzen für sie hatte. Sie ließ Konan nur alles vergessen, denn mit Pein war nichts anderes mehr wichtig. „Konan...“, meldete sich Peins Stimme. Im Hintergrund konnte Konan Öl in einer Pfanne knistern hören. Es war ein vertrautes Geräusch. Anstatt zu antworten, konzentrierte sie sich für wenige Sekunden darauf, als würden ihr die richtigen Worte dadurch schon irgendwie einfallen. „Du hattest Recht mit dem, was du gesagt hast“, entwich es ihr schließlich. Ihre Augen visierten inzwischen den Bäcker an, der sich keine drei Meter von ihr entfernt befand. Doch sie stoppte ihren Lauf und blieb stattdessen mitten im Brotgang stehen. „Was habe ich gesagt?“, folgte es monoton, obwohl Konan ganz genau wusste, dass sich Pein erinnerte. Er erinnerte sich immer. Konan sparte sich daher die Wiederholung seiner Worte. „Ich gehe mit dir!“, erwiderte sie und ihr Herz schien einen Schlag auszusetzen. Unwillkürlich fragte sie sich, ob es Pein genauso erging. Sekundenlanges Schweigen folgte, nur begleitet von dem knisternden Öl in der Pfanne und irgendwelcher Musik, die aus den Lautsprechern über ihr spielte.„Bist du dir sicher?“, erklang es vom anderen Ende der Leitung. „Sonst würde ich nicht anrufen, Pein?“ „Dann sehen wir uns nachher. Bis dann.“ Anschließend beendete er den Anruf und Konan lauschte noch einen Augenblick dem Tuten, bis auch sie das Handy sinken ließ. Noch immer konnte sie ihr Blut in den Ohren rauschen hören. Ihre Hände waren zudem eiskalt, doch innerlich breitete sich eine Zufriedenheit aus, die sie schon lange nicht mehr gespürt hatte. Sie war mit einem Hauch von Aufregung gemischt. Sie würden sterben, um neugeboren zu werden. Es schien so, als könnte sich auch eine Nachtigal mit etwas Mut und Hilfe in einen Phönix verwandeln. Das Unmögliche war tatsächlich gerade dabei möglich zu werden... 13:46 Uhr Pein sprach eigentlich nie viel, sondern zog das Schweigen vor und dachte ohne Unterlass. Nach Konans Anruf war er allerdings nicht nur sprachlos, sondern auch von jeglichen Gedanken befreit. In seinem Inneren herrschte nur Leere. Eine, die er weder als angenehm noch als unangenehm empfand. Sie war einfach da und ließ sich nicht vertreiben. „Was ist los mit dir, Pein?“, wurde er von einer spottunterlegten Stimme gefragt. „Seit wann sind kochende Nudeln so interessant?“ Er blinzelte leicht und riss seinen Blick von dem Kochtopf los, um die Schwarzhaarige aus dem Augenwinkel zu betrachten. Ihre schwarzen Haare waren wie üblich hochgesteckt, während die braunen Augen seinem Blick keck begegneten. „Es ist nichts, Kagura...“, erwiderte er knapp und wischte sich die Hände an seiner weißen Schürze ab. Anschließend holte er zwei Pappschachteln unter der Theke hervor. „Ich sehe dir doch an, dass was ist. Hat es mit Deidara zu tun? Oder deiner kleinen Freundin?“ „Ihr Name ist Konan“, erwiderte er lediglich, fügte jedoch ein sachtes Kopfschütteln hinzu. Aber Kagura ließ sich davon nicht beirren, stattdessen lehnte sie sich neben ihn mit dem Rücken gegen die Anrichte des kleinen Imbisses und beobachtete ihn beim Einpacken der Ramen. „Rück’ schon raus mit der Sprache“, bohrte sie abermals nach, dass Pein ihren Blick schließlich abermals erwiderte. Er schien in ihren rotbraunen Augen nach dem Motiv ihrer plötzlichen Aufdringlichkeit zu suchen. Allerdings fand er nur Neugierde, Verschlagenheit und das Wissen, dass sie ihn brechen und den Grund für sein noch schweigsameres Verhalten in Erfahrung bringen würde. Peins Augenbraue zuckte daraufhin leicht in die Höhe. „Ich brauche eine Pause“, erwiderte er stattdessen und löste den Knoten seiner Schürze. Die drückte er danach Kagura in die Hand, ehe er aus dem Imbiss verschwand. Sogleich verdrängte die frische Luft den Nudelgeruch, der ihm über all die Zeit hinweg so vertraut geworden war. Seine Augen blieben noch einen Moment länger an dem Stand hängen, der auf einem Platz an der Hauptstraße stand. Etwas abseits waren einige Parkbänke aufgestellt worden, bei denen Pein eine ältere Dame ausmachte, die Tauben mit Brotkrümeln fütterte. Doch er riss seinen Blick von ihr los und steuerte den Gehweg an, der vom Platz nur durch vereinzelte Bäume abgetrennt war. Es war ihm gleichgültig, dass er Kagura mit der Schlange vor dem Imbiss alleine ließ. Er wusste, sie würde es schon irgendwie meistern. Zumindest bis Ayame vom Markt zurückkam und die Zügel wieder in die Hand nahm. Daher ignorierte er auch die Leute, die aus dem U-Bahn-Schacht strömten und sich wie eine Flutwelle über den Bürgersteig ergossen und zum Imbiss flossen. Pein war der Fisch, der gegen den Strom schwamm, obgleich er wusste, dass um diese Uhrzeit Hochbetrieb herrschte. Der Imbiss hatte einen günstigen Standpunkt. Er lockte Menschen, die aus Bus und Bahn stiegen, für einen Zwischenstop und einem Frühstück zum Mitnehmen an. Genauso beliebt war er bei Mitarbeitern der nahegelegenen Banken und Finanzzentren in ihren Mittagspausen. Es war ein ewiger Kreislauf. Der Mensch war eine ewige Routine und wenn das bedeuten sollte, dass auch Pein sein Leben so fristen sollte, dann wollte er keiner sein. Viel lieber ein Gott, der unsterblich und frei war. Einer, der die Regeln aufstellte, anstatt sich ihnen beugen zu müssen. Seine Augen hingen an seinem Handy, bevor er es sich ans Ohr hielt und dem leisen Tuten, das im Straßenverkehr um ihn herum glatt unterzugehen drohte, lauschte. „Hm?“, erklang es nach einigen Sekunden. „Du bist mir noch etwas schuldig“, sagte Pein. „Ich wusste, dass die Sache mit dem Deal einen Haken hatte, hm. Was ist es?“ „Konan braucht einige Sachen aus ihrer Wohnung, hat aber keine Zeit sie selbst zu holen und ich bin gerade auf der Arbeit. Bring’ mir einfach das, was auf dem Zettel steht, den ich dir in den Briefkasten geworfen habe.“ „Hm...?“ Deidara schien über Peins Worte einen Moment nachzudenken. „Das klingt ziemlich... geplant!“, stellte er fest. „Tu dir selbst einen Gefallen und stelle keine Fragen.“ Deidara zögerte, obwohl sie beide wussten, dass er Pein noch nie etwas hatte abschlagen können. „In Ordnung, geb' mir eine Stunde, hm.“ 14:16 Uhr Als er die Treppe hinunterstieg, ließ Deidara seinen Blick durch den Hausflur schweifen. Dieser lag verlassen vor ihm, genauso wie er es am liebsten hatte. Nur sein schemenhaftes Abbild begegnete ihm, als er näher an die blecherne Briefkastenwand heran trat. Sie war einheitlich und durchnummeriert und identitätslos. Lediglich ein einziger sprang aus der Reihe und zerstörte das Bild der Perfektion. Deidara fixierte ihn. Das Klebeband, das er über den Schlitz geklebt hatte, hatte eigentlich verhindern sollen, dass der Briefträger irgendwelche Post hineinwarf. Er tat es trotzdem, wenn auch oben an der Tür, womit Deidara sich wenigstens das ständige Ausleeren des Kastens ersparte. Aber das war jetzt nebensächlich. Viel schlimmer fand er, dass der Streifen fast gänzlich abgerissen worden war und jetzt nur noch leblos vor sich hinbaumelte. Die Nase rümpfend stellte er nach einigen Sekunden fest, dass es Pein gewesen sein musste - immerhin hatte er etwas hineingeworfen! Deidara kramte seinen Schlüsselbund aus der Hosentasche und mit einem Hauch von Ungeduld schob er einen Schlüssel nach dem anderen versuchsweise ins Schloss. „Mh!“, entrann es ihm erfreut, als er den Richtigen erwischt hatte und sich die Tür quietschend öffnen ließ. Im Inneren erwartete ihn der Zettel, von dem Pein gesprochen hatte. Er nahm ihn heraus und überflog ihn kurz, bevor er den Briefkasten wieder schloss, das Klebeband an seinem herkömmlichen Platz befestigte und mit grimmiger Zufriedenheit davon stiefelte. Draußen zog sofort der Wind an seiner Lederjacke und ließ sein Haar spielerisch tänzeln. Auch hier auf dem Hinterhof war keine Menschenseele zu entdecken. Deidara umrundete die verkümmerte Wiese, um sein Motorrad zu erreichen, das unter der hauseigenen Überdachung stand. Mit einer eleganten Fußbewegung klappte er den Ständer nach hinten und schob es dann den Weg entlang zum Torbogen. Dort wurde er auch sogleich von dem alltäglichen Trubel eingeholt, schenkte ihm jedoch keine besondere Aufmerksamkeit. Es war es gewohnt. Die Straße hatte er nie für sich. Nicht einmal, wenn er nach Mitternacht auf seinem Motorrad noch eine Spritztour machte. Stattdessen setzte Deidara sich seine Motorradbrille auf und bestieg sein Bike, um sich anschließend zwischen den Autos an der Ampel einzureihen. Als das Licht von rot auf grün schaltete, beschleunigte er und schlängelte sich zwischen den Wagen hindurch, um eine freiere Fahrt zu haben. Er kannte die Gegend praktisch wie seine Westentasche, so dass er Konans Adresse mit Leichtigkeit finden würde. So stand er bereits kurze Zeit später vor dem Apartmentkomplex und stemmte die Hände in die Hüften, während sein Blick über die Fassade wanderte. Erst als er durch den Eingang ins Treppenhaus trat, fischte er den Zettel aus seiner Hosentasche. Erneut hielt er inne, da er die Instruktionen entdeckte, die Pein auf die Rückseite geschrieben hatte. „Denkt der etwa, dass ich keine Ahnung vom Einbrechen habe, hm?“, fragte Deidara sich, als er sich auf dem Absatz umdrehte und wieder ins Freie trat. Er mochte es nicht, wenn Pein ihm Befehle erteilte. Andererseits... war sein Plan besser, als alles was Deidara im Moment eingefallen wäre. Eher widerwillig umrundete er das Gebäude, um zu seiner Rückseite zu gelangen, wo sich die Wohnung von Konan und ihrem Vater befinden sollte. Schließlich stand er vor einem kleinen Fenster, das zur Hälfte geöffnet war und vor dem glücklicherweise ein Baum stand. Nicht, dass Deidara einen gebraucht hätte. Immerhin war er eine Zeitlang den Kletterclub beigetreten. Zumindest, bis man Mitgliedsgebühr von ihm verlangt hatte. Kurz schaute er sich nach unerwünschten Beobachtern um, dann kletterte er bereits den Baum hinauf und von diesem etwas umständlich auf den Fenstersims, wo er sich durch den Spalt schob. Konan lässt meistens ihr Zimmerfenster offen, gingen Deidara die geschriebenen Worte Peins durch den Kopf, als er mit einem Poltern auf dem Boden des Zimmer plumpste. „Hätte die nicht die Wohnungstür offen lassen können, hm?“, zischte er, als er sich aufrappelte und in die Stille lauschte. Doch er konnte kein Geräusch vernehmen, was nur bedeuten konnte, dass Konans Vater ihn nicht gehört hatte. Auch seine Anwesenheit hatte Pein auf dem Zettel erwähnt. Deidara legte die Stirn in Falten, als er den dunkelblauen Rucksack vom Haken hinter der Tür nahm und ihn auf dem Bett abstellte. Er fand, dass die Aktion seine Schuld bei Pein mehr als nur ausglich, so dass Pein ihm praktisch nun etwas schuldig war. Daran würde er Pein erinnern, sobald er ihm die Sachen gebracht hatte. Sollte er es nicht vorher wieder vergessen haben, verstand sich. Mit einem erregten Funkeln in den Augen, zog er die Schubladen der Schränke auf und nahm – den Anweisungen folgend – ein paar Klamotten heraus, die er dann in der Tasche verstaute. Unter diesen befanden sich T-Shirts, eine Hose, Socken, ein Pullover und Unterwäsche. Diese stopfte er als letztes und mit einem anerkennenden Blick in die Ecken der Tasche. Anschließend wandte er sich dem Regel über ihrem Bett zu, das mit Faltfiguren beladen war. Nur ein kleiner Bilderrahmen hauchte ihm etwas Farbe ein. Deidara nahm ihm hoch und musterte das kleine, blauhaarige Mädchen, das mit breitem Lächeln auf dem Gesicht zwischen ihren Eltern stand. Zwar kannte Deidara Konan nicht besonders gut, doch er musste zugeben, dass er bei ihr niemals auch nur ein Schmunzeln erlebt hatte. Bei Pein genauso wenig, wenn er ehrlich sein sollte. Schulternzuckend schob er es zusammen mit einem gefalteten Schmetterling ebenfalls in den vollen Rucksack und zog dann den Reißverschluss zu. Er interessierte sich nicht sonderlich für Konan, außerdem hatte Pein ihm auch schon öfter verständlich gemacht, dass sie Sperrgebiet war. Davor hatte Deidara immer geglaubt, dass Pein kein Herz hatte, doch es schien vorhanden und die Blauhaarige darin irgendwie verankert zu sein. Mehr als das brauchte er nicht zu wissen. Als er wieder zum Fenster zurückgekehrt war, kletterte er mit dem Rucksack auf dem Rücken heraus und den Baum herunter. An dem kleinen Mädchen, das ihm dabei beobachtete, ging er einfach vorbei. „Was glotzt du denn so?“ Eine Grimasse schneidend verschwand er um die Ecke, um sein Motorrad zu erreichen. Währenddessen zog er sein Handy aus der Hosentasche und warf einen Blick auf das Display. „14.38 Uhr. Gar nicht übel, hm!“, sagte er zu sich selbst, als er aufstieg. 15:01 Uhr „Familiäre Probleme...?“ Pein beobachtete wie Kagura ihre Zigarette mit dem Fuß austrat. Die Glut hinterließ einen schwarzen Streifen auf dem Asphalt, an dem sein Blick hängen blieb. „Nein“, gab er zurück und stützte die Arme auf den Knien ab. Inzwischen war es ruhig geworden. Nur ein älterer Mann befand sich noch an einem der Stehtische. Kagura saß auf einem Barhocker, den sie draußen an der Tür aufgestellt hatte, und Pein auf den Treppen, die in den Imbiss führten. Obwohl sie sich an der Hauptstraße befanden, konnte Pein dennoch das leise Zwitschern irgendwelcher Vögel vernehmen. „Steckst du in finanziellen Schwierigkeiten?“ Die Arme vor der Brust verschränkend tippte die Schwarzhaarige mit dem Fuß ungeduldig gegen das Stuhlbein. „Schließe nicht von dir auf andere, Kagura...“, erwiderte Pein aber doch nur emotionslos. Er mochte es nicht, wenn man in seinem Privatleben herumschnüffelte. Auch nicht bei Kagura. Schon gar nicht bei ihr! Sobald sie von seinen Plänen erfuhr, würde es zu Deidara durchsickern, der es wiederum irgendjemand anderes erzählte. Es würde so ablaufen, dessen war sich Pein bewusst. Es war praktisch ein Naturgesetz. „Was ist es dann? Lass dir doch nicht alles aus der Nase-“, schimpfte Kagura, beendete ihren Satz jedoch nicht, so dass Pein unwillkürlich aufsah. Er folgte ihrem Blick und bemerkte Deidara, der mit einem Rucksack auf den Schultern auf sie zugeschlendert kam. Das Grinsen, das sich über sein gesamtes Gesicht erstreckte und schließlich unter der losen Haarsträhne verloren ging, ließ Pein auf dessen Erfolg schließen. Rühren tat er sich aber erst, als Deidara den Rucksack vor seinen Füßen zu Boden gleiten ließ. „Dafür bist du mir was schuldig, hm!“, meinte er zur Begrüßung und Kaguras Augen wanderten prüfend von ihm zu Pein. „Steckt er etwa mit drin?“, fragte sie genervt. Scheinbar war sie die einzige, die man im Dunkeln stehen ließ. „Wo drin stecken, hm?“ Doch Pein antwortete keinem der beiden. Stattdessen erhob er sich und ging davon, wobei er sowohl Deidaras wie Kaguras Blick im Rücken hatte. Aber er ignorierte sie. Ihm war es nur recht, wenn sie weiter nach tiefreichenden Gründen für sein Verhalten suchten – solange sie ihn nicht damit belästigten, verstand sich. „Was geht hier eigentlich ab?“ Kaguras stechende Augen bohrten sich förmlich in Deidara hinein, der Pein noch immer nachsah. „Woher soll ich das wissen? Mir vertraut er wahrscheinlich noch weniger an als dir, hm.“ „Was soll das heißen?“, knurrte sie und hob eine Augenbraue, als sich ihre Blick begegneten. In seinem lag ein gewisses Glühen, als er ihren Körper mit einem Hauch von Provokation auf und ab fuhr. „Du bist eine Frau“, entfloh es schließlich seinem Mund. „Du hast weibliche Reize einzusetzen, ich nicht, hm.“ Kurz lag Schweigen zwischen ihnen, in denen sie sich einfach nur anstarrten. „Vielleicht ist er ja schwul...“, gab Kagura schließlich zu bedenken. „Solltest mal dein Glück versuchen.“ Sie zwinkerte Deidara zu und verschwand anschließend im Imbiss. Die Tür fiel mit einem Scheppern hinter ihr zu und ließ Stille drinnen wie draußen aufkommen. Verwirrt zuckte Deidaras Augenbraue in die Höhe. Hatte er soeben tatsächlich eine Abfuhr bekommen? Inzwischen öffnete Pein den Kofferraum seines Wagens, in dem schon eine andere Tasche verstaut war. Doch bevor er Konans dort verfrachtete, machte er sie auf und zog den weißen Schmetterling heraus. Alle Vorbereitungen waren getroffen. Nun galt es nur noch, die verbliebenen Stunden hinter sich zu bringen, die ihn von der Freiheit, die ihm rechtmäßig zustand, noch trennten. Er zog den Reißverschluss zu, stellte die Tasche hinein und schloss den Kofferraum. Dann wanderte seine freie Hand zu der Stelle, wo sein Herz saß. Er konnte es spüren, in diesem Augenblick deutlicher denn je. Es schlug schneller und kräftiger. Es schrie nach Erlösung. 15.25 Uhr Die Tür zum Imbiss gab ein leises Quietschen ab, als Pein sie öffnete und anschließend eintrat. „Wo ist Deidara?“, entwich es ihm, als er Kagura am Herd stehen sah. „Bin ich sein Babysitter, woher soll ich das wissen?“, fauchte diese zurück. Ihr Kunde entfernte sich und zog sich zu einem der Stehtische zurück. Pein beobachtete ihn dabei, bevor er sich Kaguras Seitenprofil widmete. Anschließend zog er einen Zettel aus der Hosentasche und hielt ihn Kagura unter die Nase. „Was ist das für eine Nummer?“ „Ich bin Deidara noch etwas schuldig...“, ließ Pein verlauten. „Außerdem bin ich es leid ein Auge auf ihn haben und notgedrungen die Suppe für ihn auslöffeln zu müssen.“ Kagura hob abschätzend die Augenbrauen, nahm den Zettel aber mit einem Zögern entgegen und ließ ihn in der Tasche ihrer Schürze verschwinden. „Deshalb muss ich jetzt deinen Job übernehmen?“, fragte sie nun wieder belustigt, zuckte anschließend jedoch mit den Schultern. „Wenn er unartig ist, leg ich ihn einfach übers Knie.“ Sie grinste überlegend, während Pein schwieg. Allerdings hielt das Schweigen nur wenige Sekunden an, genauso wie Kaguras Grinsen schnell wieder verebbte. Man konnte Kagura einiges vorwerfen, aber nicht, dass sie dumm war. Sie war in der Lage eins und eins zusammenzuzählen. „Du verschwindest von hier...“, entwich es ihr in gedämpfter Lautstärke. „Ja“, antwortete Pein wahrheitsgemäß und beide wussten, dass Fragen und Feststellungen überflüssig waren. Keine Gesten und Worte würden an Peins Entschluss etwas ändern. Kagura war zum Lachen und Schreien zugleich zumute. Sie kannte Pein nicht einmal ein ganzes Jahr, trotzdem mochte sie seine Einstellung und war sich bewusst, wie selten man auf solche Menschen traf. Pein war der Außenseiter, der sich bewusst absonderte, weil er nicht wie jeder andere sein wollte. Er hatte den eisernen Willen, auf den sie neidisch war. Hätte er sie gefragt, ob sie mit ihm kommen wolle, hätte sie nicht den Bruchteil einer Sekunde gezögert. Doch weder war sie das Mädchen in seinem Herzen, noch er der Kerl in ihrem. Einer wilden Fantasie war es aber durchaus wert... „Dann komm aber bloß nicht mit eingeklemmtem Schwanz wieder angekrochen!“, knurrte sie nach Minuten, worauf Peins Mundwinkel amüsiert in die Höhe zuckte. 20:11 Uhr „Deine Mitfahrgelegenheit ist hier, Konan!“, bemerkte Ino, als sie sich der Tür des Blumenladens nährte. Sie drehte das Schild auf ‚geschlossen’, ließ es sich jedoch nicht nehmen, den schwarzen Wagen diesmal eingehender zu mustern. Die Scheiben waren getönt und Peins Gestalt nur eine verstümmelte Silhouette dahinter. Manchmal stieg er aus, diesmal blieb er jedoch im Wagen sitzen. Inos Stirn war in Falten gelegt, als sie zu Konan und Sakura ins Hinterzimmer trat. Dort war Konan gerade dabei ihre Jacke anzuziehen. „Also, ich finde, du solltest ihn uns mal vorstellen!“, schlug Ino vor und stemmte die Arme in die Hüften. „Finde ich auch!“, bestätigte Sakura. „Immerhin müssen wir als deine Freundinnen doch wissen, mit wem du verkehrst.“ „Ja, vielleicht...“, begann Konan, als sie ihre Jacke schließlich schloss. Dann breitete sich ein Schmunzeln auf ihren Zügen aus. „Aber nicht heute. Morgen ist auch noch ein Tag, ein besserer.“ „Meinetwegen“, seufzte Ino. „Dann morgen!“ „Genau, bis dann!“, rief Sakura Konan noch nach, als diese durch den Kettenvorhang verschwand und mit festen Schritten den Ladenausgang ansteuerte. Nur an der Tür hielt sie noch einmal inne. Es war wahr. Pein war ihre Mitfahrgelegenheit, ihre Fahrkarte in ein neues Leben, gleichzeitig war er aber auch so viel mehr als das. Er war ihr Mut und ihr Wille zu leben. Sie verließ den Laden, wich der Frau mit dem Kinderwagen aus und überwand den Abstand zwischen Pein und ihr. „Du bist früher als sonst...“, bemerkte dieser, als sie sich ins Auto hineinsetzte. Konan zog die Tür zu und verhinderte somit, dass mehr von der kalten Abendluft ins Wageninnere eindringen konnte. „Wir haben heute etwas früher mit dem Einräumen angefangen“, erklärte sie sachlich. „Bin ich zu früh?“ „Nein, ich freu mich“, stellte Pein klar, auch wenn der gefühlsarme Ton im Gegensatz zu jenen Worten stand. Konan aber wusste wie es gemeint war und nickte sachte. Inzwischen startete Pein den Wagen und fuhr ihn auf die Straße. Sie redeten nicht, sondern folgten nur dem Verkehrsnetz Richtung Freiheit und Glück und Neuanfang. Die Laternen begleiten sie zum Stadtrand. Überall kehrte langsam Ruhe ein, die Konan durch das Seitenfenster beobachtete. Ein Schild kündigte den Highway an und nur eine Ampel trennte sie noch davon. Konans Herz klopfte, während ihr Körper von einer Flutwelle aus Gefühlen erfasst wurde. Der Motor des Wagens gab ein monotones Brummen von sich und stellte somit das einzige verbleibende Geräusch dar, während Konan allmählich in dem roten Licht zu versinken schien. „Jetzt gibt es kein Zurück mehr...“, erklang Peins Stimme leise. „Ich weiß.“ Ihre Augen von dem leuchtenden Kreis losreißend wandte Konan sich zu Pein um und musterte die markanten Züge, die ihr nur zu vertraut waren. Ein Schauer rann über ihren Rücken. Konan hatte stets versucht, die guten Zeiten in ihrem Herzen einzuschließen, trotzdem waren sie ihr wie Wasser durch die Finger geflossen. Nun war es jedoch an der Zeit neue zu erschaffen! Eine Röte erschien auf ihren blassen Wangen und ein Zögern erfasste ihre Hand, die sich schließlich an Peins Wange legte. Ihr schwarz lackierter Daumen strich der weichen Haut entlang und endete an den farblosen Lippen. Pein ließ sie gewähren, regierte jedoch nicht. Da war nur das leichte Zittern, das Konan sich genauso gut hätte einbilden können. Zumindest, bis sie es erneut spürte. Genauso wie die Gänsehaut, die sich unter ihren Fingern auszubreiten begann. Peins Gesicht sanft in ihre Richtung drehend beugte sie sich trotz Gurt vor. Sie sah ihn einen Moment an, ehe sie ihn einfach küsste. Zunächst zärtlich und schüchtern, aber als sie abermals seine Lippen mit ihren berührte, spürte sie erstmals eine Erwiderung. Der Schneesturm in Peins Augen legte sich. Die Welt stand still - und erst das Lärmen von Autohupen brachte sie wieder zum Rotieren. Die Ampel erstrahlte in einem frischen Grasgrün, als Pein die Augen öffnete. Er schob Konan auf ihren Sitz zurück, konzentrierte sich auf den Straßenverkehr und fuhr auf den Highway auf. Währenddessen zog er den gefalteten Schmetterling aus seiner Jackentasche und reichte ihn Konan. Die hielt ihn anfangs in den Händen, während die Überraschung sich auf ihren Zügen abzeichnete. Schließlich erschien auf ihren Lippen ein sachtes Lächeln. Sie kurbelte das Seitenfenster herunter und ließ ihn fliegen, als sie den Wind auf ihrer Haut spürte. Im Rückspiegel beobachtete sie seine Reise, ehe sie ihren Blick wieder nach vorne, auf den Highway, richtete. Dieser erstreckte sich gen Horizont, wo Wolkenberge bereits darauf warteten von ihnen erklommen zu werden. …24 hours before we will die… …and be born again… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)