Die Liebe ist ...wie Schach von MadameHobbit ================================================================================ Kapitel 9: Schach Matt ---------------------- Die Tränenspuren brannten auf meinen Wangen, wenn der kalte Wind darüber strich. Weinen tat ich schon lange nicht mehr. Meine Tränen hatte ich alles aufgebraucht. In mir hatten sich Panik und Verzweiflung eingenistet. Und immer noch war ich allein. Allein mit den riesigen Schachfiguren, die mich aus ihren blutroten Augen anstarrten. Wie lange sollte ich noch hier hängen? Bis ich verhungert war? Bis mich ein Tier fraß? Bis ich den Verstand verlor? Ich weiß es nicht. Ich wollte es auch gar nicht wissen. Es gab nur eines, was ich unbedingt erfahren wollte. Wo war Chess? Wie ging es ihm? Das war das einzige, was mir neben Todesgedanken noch durch den Kopf ging. Ich sah mich wieder um. Wie lange ich wohl schon hier hing? Keine Ahnung. Es war noch dunkel, der Mond stand hoch am Himmel, aber ich wusste nicht, wie lange ich während meiner Ohnmacht schon hier war. Mir schauderte es bei diesem Gedanken. Andy und Bill. Bill und Andy. Plötzlich fiel es mir wieder ein. Die Beiden hatten mich entführt. Hass begann in mir zu brodeln. Bill und Andy. Da konnte man wieder sehen, wie man sich täuschen konnte. „BILL! ANDY! ICH WEIß DAS IHR DA SEID!“, schrie ich aus voller Kehle. Ich wartete. Da. Ich hörte etwas. Ein leises Kichern. Es klang seltsam fremd und diabolisch. „Sieh an. Hast du es doch noch begriffen.“, hauchte plötzlich eine Stimme an mein Ohr. Mein Kopf fuhr herum. Ich blickte direkt in Bills Gesicht. Zumindest glaubte ich das. Die Fratze vor mir war zu einer Hälfte weiß, zur anderen Hälfte schwarz. Die Augen waren strahlendblau. Kontaktlinsen. Die Haare waren starr zurückgegelt und ein schwarzer Zylinder saß darauf. Ein beinah melancholisches Lächeln lag auf den verzerrten Zügen. Ich betrachtete den Rest. Anzug. Krawatte. Gehstock. Er sah seltsam aus. Definitiv. Aber es machte mir trotz allem Angst. „Willkommen zum Todesschach, Sally. Und du bist heute unser Ehrengast. Also mach es dir bequem!“, wieder kicherte er. Es war gemein und irgendwie unnatürlich. Mir zitterten die Knie. Ich konnte einfach nichts sagen. Bill ging an mir vorbei, strotzte nur so vor Kraft und Boshaftigkeit. Er schritt über das große Spielfeld und strich dem schwarzen Springer schon beinahe liebevoll über die steinerne Schnauze. Dann drehte er sich um, machte eine ausladende Armbewegung. „Nun warten wir nur noch auf den Kontrahenten. Wann wird er wohl eintreffen? Kukukuku.“, lachte er. Mir wurde übel, je länger ich in ansehen musste. „SALLY!“, schrie plötzlich jemand auf der anderen Seite der Lichtung. Mein Herz setzte aus, nur um dann mit doppelter Geschwindigkeit weiter zu schlagen. Chess. Er war gekommen. Mein Retter in der Not. Dann fiel mir die Gestalt neben meinem Geliebten auf. Andy. Er war beinahe genauso skurril wie Bill angezogen. Doch sein Gesicht war komplett weiß und mit schwarzen Schnörkeln versehen. Außerdem fehlten ihm Zylinder und Gehstock. Ein ungutes Gefühl beschlich mich und nistete sich brennend in meiner Kehle ein. Ich schluckte. „Ah. Das ist er ja! Willkommen Chess. Welch reizender Anblick. Dann lasst die Spiele beginnen. Wie es geht, weißt du ja, nicht?“, trompetete Bill, doch Chess schien ihn nicht zu beachten. Sein Blick ruhte auf mir. Und dieser Blick schmerzte, denn eine unvorstellbare Qual war darin deutlich zu erkennen. Dann wandte Chess sich jedoch ab und ging zu Bill. „Diesmal werde ich gewinnen.“, fauchte er und stellte sich hinter die weißen Figuren. Da trat Andy vor. Er räusperte sich. „Der Herausforderer, der Master, befehligt über die schwarzen, der Gegner, Chess, die weißen Truppen. Wer gewinnt, gewinnt das Leben. Wer verliert. Muss sterben. Die Trophäe in dem Fall stellt dieser Junge dar!“, erklärte er mit lauter und klarer Stimme und zeigte mit seiner hand auf mich. Ich musste schlucken. Bill kicherte wieder dämonisch. „Wenn ich gewinne, stirbt er mit dir!“ Chess starrte den eindeutig geistesgestörten Jungen an und seine Augen schienen nur so vor Hass zu brennen. Doch dann nickte er. „Ich nehme die Herausforderung an.“, meinte er mit erstaunlich fester Stimme. Irgendwie war ich tierisch stolz auf ihn. Trotzdem, ich hatte meine Bedenken und beobachtete stattdessen das Schachspiel. Wie es die Regeln verlangten, zog Chess zuerst. Er musste die riesigen Figuren mit eigener Körperkraft schieben, aber das schien ihn nicht zu stören. Die Figuren waren anscheinend, trotz ihrem massiven Eindruck, leicht zu bewegen. Jetzt muss ich sagen, dass ich in meiner Panik das Spiel mitverfolgte, aber bald schon nicht mehr richtig durchblickte. Bill machte einen Zug, dann Chess. Die geschlagenen Figuren stapelten sich am Rand und zu meinem Entsetzen merkte ich, dass der weiße Haufen größer und größer und Chess Miene immer verkniffener und verzweifelter war. Innerlich begann ich mich schon auf den Tod vorzubereiten. Ich weiß, dass klingt so, als ob ich kein Vertrauen in Chess hätte. Das stimmte nicht. Ich sah einfach den Tatsachen ins Auge, dass Chess es einfach nicht schaffte, gegen Bill zu gewinnen. Ich machte ihm daraus keinen Vorwurf. Das einzige, was ich fühlte, war eine tiefe Ruhe und Traurigkeit darüber, dass ich nicht noch mehr Zeit mit Chess hatte verbringen können. Ich beobachtete den Rest der Partie recht teilnahmslos, bekam nur noch richtig mit, wie Bill laut „Schach Matt!“, rief und Chess’ verzweifeltes Aufheulen. Ich spürte auch noch, wie Chess zu mir gestürzt kam und mich umarmte, küsste und schluchzte. Ich wollte ihn beruhigen, ihm sagen, dass alles gut werden würde. Aber das konnte ich nicht. Fest klammerte er sich an mich und schaute weinend auf Andy, der mit einer Pistole auf uns zukam. Mittlerweile liefen auch mir wieder Tränen über die Wangen. Bill kam auf uns zu und war sichtlich amüsiert. „Na. Das kommt doch nicht überraschend. Tatsächlich kommt es mir fast so vor wie ein Deja vu! Kukukuku“, meinte er und nickte dann seinem Kumpanen zu. „Auf Widersehen.“, sagte Andy und zielte. „Ich liebe dich…“,hauchte Chess und sah mir noch ein letztes Mal tief in die Augen. In ihnen las ich dasselbe Bedauern, das ich auch in mir spürte. Dann ein Knall. Er sackte neben mir zusammen. Dann begann ich hemmungslos zu schluchzen. „Ich liebe dich auch...“, schniefte ich. Kurz darauf blickte ich zu Andy auf und weinte weiter. „Adiou!“, murmelte dieser, richtete den Lauf der Waffe auf mich, drückte ab, ein Knall….und dann wurde alles schwarz… Schach Matt. Fortsetzung folgt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)