Zero Percent, maybe less von abgemeldet (That's enough, I guess) ================================================================================ Kapitel 14: Cooking with a Vampire - oder - Die Mordszene --------------------------------------------------------- Und da war der Film zu Ende. Mein Sohn strahlte mich glücklich an. Er liebte diesen Film wirklich. Das machte mich glücklich, ihn wieder lächeln zu sehen. Während des Films hatte er auch oft gelacht, und jedes Mal wenn er das getan hatte, musste ich automatisch mitlachen oder zumindest lächeln. Als Gackt allerdings einmal lachte - an seiner Lieblingsstelle des Films, wie es schien -, zuckte der Rest von uns zusammen. Entweder kam es für uns so unerwartet, weil wir im Gegensatz zu Gackt den Witz nicht verstanden hatten, oder weil Gackt seine eigene kleine witzige Geschichte dazu hatte, oder weil er sehr verspätet über den vorherigen Witz gelacht hatte. Oder es war eigentlich gar nichts witzig an der Szene. ~Das wird es wohl sein...~ „So“, meinte ich dann, als der Abspann zu Ende war, den ich nicht unterbrechen durfte, weil da noch einmal die besten Lieder des Films liefen und einen davon mein Sohn besonders gern mochte. „Habt ihr auch langsam Hunger?“ Ich schaute auf die Uhr. Ich musste dringend noch etwas essen, bevor ich ins Studio ging. Dazu hatte ich nicht mehr viel mehr als eine Stunde Zeit und man konnte ja nie wissen, was für Komplikationen bei den simpelsten Dingen auftreten konnten, wenn Gackt dabei war. „Mein kleiner Vielfraß…“, war Gackts Kommentar dazu, den ich geflissentlich ignorierte. „Was würdest du gerne essen, mein Schatz?“, fragte ich meinen Sohn direkt. Was Gackt wollte, interessierte nicht. In dem Moment. „Joseph“, warf Gackt ein und es dauerte einen Augenblick, bis ich verstand, dass er mich hatte korrigieren wollen. Ich ignorierte ihn. Mein Sohn schien überfordert mit der Frage. Deshalb schlug ich ihm einfach Folgendes vor: „Wie wäre es mit Spaghetti?“ „Oh, ja!“, meinte er begeistert und nahm meine Hand, die ich ihm hin hielt, entgegen. Zusammen gingen wir in die Küche; Gackt dackelte uns hinterher. Für einen Moment sah es so aus, als wollte er Jose- äh - ach, was solls - Josephs andere Hand nehmen, getraute sich jedoch nicht, was auch gut so war. Oder er verstand einfach nicht, wofür. Vielleicht dachte er, Joseph sollte in seinem eigenen Haus wohl die Küche alleine finden, oder so etwas. Aber Gackt konnte ja auch nichts dafür, dass er keine Kinder hatte. ~Na ja, eigentlich…~ Das Problem war jetzt wahrscheinlich, dass nichts mehr daran zu ändern war, wie er war. Und so war es nun einmal wahnsinnig schwierig, eine so tolerante Frau zu finden. Oder einen Mann. Ich versuchte, die aufkommenden Erinnerungen an gewisse Stunden zu verdrängen… „Papi?“, fragte mein Sohn verwirrt. Ich wurde mir plötzlich wieder bewusst, dass ich, mit meinem Sohn an der Hand, mitten in der Küche stand. Hastig überspielte ich die Tatsache, dass Joseph mich aus meinen Tagträumen reißen musste, und holte eine Packung Nudeln aus dem Schrank und zwei Töpfe. Gackt beteiligte sich - zum Glück - sehr wenig am Kochen. Er stand eher nur dabei und gab uns Tipps, wie man es besser machen konnte. Genau das, was Tetsu gesagt hatte, was er wahrscheinlich tun würde, wenn ich ihn mit zum Bandmeeting bringen würde. Als die Nudeln im Wasser vor sich hin kochten und wir gerade den Tisch zu Ende gedeckt hatten, klingelte mein Handy. ~Vielleicht ist das die Rettung in letzter Minute - äh, Stunde - für mich und Joseph!~ Vielleicht war es seine ehemalige Kindergärtnerin oder ein Privatlehrer oder der erhoffte Teilzeitmeuchelmörder! Vielleicht war es auch ein Kindermädchen, von dem ich gar nichts wusste! Denn eigentlich wollte Megumi bisher noch niemandem unser Kind anvertrauen außer ihren eigenen Eltern. Und, wenn es sein musste, auch meinen. Ich rannte förmlich zu dem kleinen Telefontisch, auf dem ich mein Handy und meine Schlüssel immer ablegte, damit ich sie nicht suchen musste, auch nicht vergessen konnte und sie vor dem Aus-der-Tür-Gehen einstecken konnte, und nahm etwas außer Atem ab: „Ja?“ „Warum so außer Atem, Doiha?“, fragte Tetsu am anderen Ende der Leitung und ich konnte nicht anders, als enttäuscht auszuatmen. Er würde nicht auf Joseph für mich aufpassen können. Plötzlich fügte er noch an: „Nein, warte, ich will es gar nicht wissen.“ „Okay, warum rufst du dann an? Was gibt’s?“, wollte ich wissen. „Erinnerst du dich noch daran, dass wir heute verabredet sind?“, fragte er. „Ich… Ja. Natürlich. Aber doch erst in einer Stunde, oder?“, fragte ich unsicher nach. „Ja. Ich dachte nur, ich rufe dieses Mal früher an, in der Hoffnung, dass du dann pünktlich bist.“ „Das ist nett von dir“, meinte ich entschuldigend lächelnd. „Und? Bist du noch bei Gackt?“, wollte er dann wissen. Ich glaubte, eine gewisse Neugier aus der Spöttelei herauszuhören. „Nein“, sagte ich stolz. Ich war sogar mächtig stolz, das zu ihm sagen zu können, ohne zu lügen. Dass Gackt trotzdem nicht weit war, brauchte er ja nicht zwingend zu erfahren. „Hai-chan!“, rief in dem Moment Gackt aus der Küche. „Ich glaube, die Soße brennt an.“ „Dann schalte die Herdplatte ab!“, rief ich zurück, bevor ich in peinliches Schweigen verfiel. „Okay, dann ist Gackt also bei dir“, stellte Tetsu fest. „Es ist nicht so, wie du denkst. Er passt für mich auf Joseph auf während unserem Meeting.“ „Joseph?“, fragte Tetsu verwirrt nach. „Mein Sohn, meine ich“, korrigierte ich mich schnell und setzte noch hinzu: „Ist nur so ein Spiel.“ „Aha“, sagte er wenig überzeugt. „Und du lässt Gackt also auf deinen Sohn aufpassen. Gute Ausrede.“ „Das ist keine Ausrede, Tet-chan.“ „Wenn ich ehrlich bin, Doiha, dann muss ich sagen, dass es wirklich schwierig ist, dir noch zu glauben, wenn du nicht endlich sagst, was Sache ist.“ „Aber…“, begann ich protestierend und ließ dann resignierend den Kopf hängen. „Du hast ja Recht. Aber ich weiß es eben selbst nicht.“ Schweigen am anderen Ende der Leitung. Ich seufzte. „Ich…mag Gackt, glaube ich“, sagte ich leise. Noch stilleres Schweigen am anderen Ende der Leitung. „Und wie sehr magst du ihn?“ „Ich weiß es nicht. Er hat halt…diese Anziehungskraft, verstehst du?“ „Nein, aber ich glaube, ich weiß, was du mir damit sagen willst. Das heißt, ich fürchte, dass es so etwas bedeutet wie: Er ist einfach unwiderstehlich.“ „Ich fürchte auch, so etwas in der Art, ja“, gab ich zu und bekam einen leichten rosa Schimmer im Gesicht. „Gut. Und was hast du dann jetzt vor? Willst du Megumi weiterhin mit ihm betrügen und versuchen, ein Doppelleben führen?“ „Tet-chan, das, was du da sehen musstest, war eine einmalige Sache… Na gut, eine zweimalige Sache - oder eine dreimalige? Egal, jedenfalls ist das bestimmt nur vorübergehend. Ich will nicht, dass Megumi etwas davon erfährt und ich bemühe mich, es so schnell wie möglich zu beenden.“ „Du willst es also beenden?“, fragte Tetsu übertrieben betont, fast so, als wäre er äußerst überrascht, das zu hören. „Ja, natürlich will ich das.“ Totenstilles Schweigen am anderen Ende der Leitung. „Was denn?!“ „Es ist immer noch schwierig, dir zu glauben, wenn du solche Dinge sagst, die sich sowas von gelogen aus deinem Mund anhören“, ließ Tetsu mich wissen. „Aber…“, begann ich verzweifelt. „Nichts ‚aber.’ Du kannst tun und lassen, was du willst. Ich werde Megumi nichts verraten.“ Ich atmete erleichtert aus. Ich hatte zwar bis eben noch nicht daran gedacht, dass Tetsu mit Leichtigkeit - und zwar mit simpler Ehrlichkeit - meine Ehe zerstören konnte, doch ich hatte das Gefühl, dass mir eine meiner größten Sorgen genommen wurde - bis Tetsu weitersprach: „Aber ich werde nicht für dich lügen. Wenn Megumi mich direkt fragt, dann werde ich ihr ehrlich antworten.“ „Nein, bitte nicht… Nur ein paar kleine Notlügen…“, flehte ich und suchte nach Lösungen in meinem Kopf: „Oder geh einfach nicht ans Telefon, wenn sie anruft. Und komm uns nicht besuchen. Und renn weg, wenn du ihr auf der Straße begegnen solltest. Und m-“ „Stopp, Doiha. Jetzt aber ganz ruhig. Ich werde tun, was ich kann, aber ich werde mich nicht verbiegen, nur damit deine Affäre nicht aufgedeckt wird. Das hast du verbockt, also wirst du es auch wieder geradebiegen. Verstehst du? Du verbogen - du wieder geradebiegen. Ich nichts verbogen - ich mich nicht verbiegen. Okay?“ „Kannst du den letzten Teil noch einmal wiederholen?“, fragte ich vorsichtig nach. Er knurrte nur und meinte: „Das ist deine Sache, lass mich da einfach raus. Ich habe schon genug mitansehen müssen.“ Mein Gesicht wurde wieder wärmer und war jetzt bestimmt nicht nur rosa, sondern eher rot. Es tat mir einerseits so leid, was Tetsu hatte sehen müssen, und andererseits schämte ich mich einfach nur abgrundtief dafür. „Du hast ja Recht. Aber versuche es mindestens, okay?“, bat ich ihn. „Ich wüsste nicht, was ich tun soll, wenn Megumi es erfährt.“ „Ja, natürlich versuche ich es“, meinte er in einem selbstverständlichen Tonfall. Doch im nächsten Moment wusste ich, dass er es für ein Ding der Unmöglichkeit hielt, dass es nicht ans Licht kam. „Viel Glück, du wirst es brauchen.“ „Danke“, murrte ich nur, bevor er sagte: „Also dann, bis in einer Stunde.“ Er korrigierte sich noch: „Bis spätestens in einer Stunde.“ Ich legte auf und starrte einen Moment geradeaus. Tetsu hatte so Recht. Früher oder später würde ich auffliegen. Und wenn es Gackt persönlich war, der es Megumi ins Gesicht sagte, wie oft er mit mir im Bett war. Eine Gänsehaut ließ mich zusammenzucken. Und dann hörte ich einen Topfdeckel zu Boden kleppern. ~Oh, mein Gott.~ Schnell lief ich in die Küche und sah Joseph mit vor den Mund geschlagener Hand beim Esstisch stehen und Gackt anstarren, der verzweifelt versuchte, sich mit einem Geschirrtuch vor der in alle Richtungen spritzenden Tomatensoße zu retten. Ich rannte zu ihm und schob den Topf sofort von der Herdplatte, die Gackt NICHT ausgeschaltet hatte, wie ich es ihm gesagt hatte. Jetzt sah die Küche dementsprechend aus: verkleckst. Einerseits wirkte sie jetzt farbenfroher, andererseits chaotischer und, da Gackt einen Spritzer ins Gesicht bekommen hatte, sah es auch ein bisschen aus wie eine Mordszene. Ich fürchtete, dass Joseph das ähnlich sah. Nachdem ich das gröbste Chaos beseitigt hatte, konnten wir zu essen anfangen. Ich versuchte mich währenddessen damit zu besänftigen, dass Gackt in den paar Stunden, in denen ich weg sein würde, wohl kaum schon wieder etwas würde kochen wollen, vor allem, weil Joseph erst wieder viel später Hunger haben würde und Gackt selbst sowieso keinen Hunger verspürte. Außer nach Blut vielleicht. Schließlich behauptete er ja, ein Vampir zu sein. Wahrscheinlich war das eine Marketingstrategie von seinem kranken Manager, der ihm ja auch weismachte, dass sich sein Garagentor mit dem Spruch „Sesam, öffne dich“ von alleine öffnete. ~Würde das aber nicht erklären, warum Gackts Jahrhunderte alte Behausung keine Fenster hat? Und dafür aber einen so riesigen Keller? Na ja, das meiste ist wohl sowieso Stauraum für seine Weinsammlung... Hhh! Ist das etwa...! Ist das etwa gar kein Wein, sondern...Blut?~ Aber ein Vampir mit einer Vorliebe für Seepferdchen? Das klang absurd. Als wir fertig waren mit Essen, wünschte ich mir, dass Gackt seine Wichtel mitgebracht hätte, um die Küche aufzuräumen, doch am Ende blieb dann doch wieder an mir hängen - Gackt würde sich doch nicht seine zarten Hände schmutzig machen. Und dann fragte ich meinen Sohn, ob er noch gerne einen anderen Film schauen würde. Ich hoffte es inständig, denn das war wirklich die harmloseste Methode des Zeittotschlagens, die, mit der ich leben konnte. Die, mit der ich mit nicht ganz so schlechtem Gewissen aus dem Haus gehen konnte. Joseph durchstöberte den Wohnzimmerschrank und fand glücklicherweise noch etwas, das er sehen wollte. Ich lächelte und schaltete ihm den Film ein. Gackt setzte sich vorerst nicht zu ihm aufs Sofa, sondern kam zu mir und meinte thetralisch verzweifelt: „Wie lange wirst du fort sein?“ „Ich schätze, es wird zwei, drei Stunden dauern“, flüsterte ich zur Antwort, damit es Joseph nicht hören würde. „Vielleicht auch länger. Glaubst du, du kriegst das hin?“ Gackt nickte zuversichtlich. „Mach dir darüber keine Gedanken. Wir verstehen uns doch prächtig.“ Ich konnte meine Augenbrauen nicht davon abhalten, nach oben zu wandern. „Vertrau mir, das wird schon“, versuchte er mich zu beruhigen, doch aus seinem Mund waren keine Worte beruhigend. Durch diese vollen Lippen kamen nur seltsame Worte, unzusammenhängende Worte, unvernünftige Worte. Ich ertappte mich dabei, wie ich ebendiese Lippen anstarrte. Plötzlich lehnte er sich zu mir hinunter und gab mir einen Kuss. Auf die Lippen. Einfach so. Ohne Vorwarnung. Zu seinem Vergnügen. Und zu meiner Panik! Ich schaute sofort zu Joseph, um zu sehen, ob er das gesehen hatte, was Gackt gerade getan hatte, und atmete erleichtert aus, als ich sah, dass er schon ganz vertieft in den Film war. „Lässt du das wohl bleiben! Vor Joseph auch noch!“, zischte ich, so leise ich konnte. So war es ja schon schlimm genug, aber von Gackt in meinem eigenen Zuhause geküsst zu werden und das mit meinem eigenen Sohn im Raum, das ließ mich mich noch seltsamer in meiner Haut fühlen, auf eine erbarmungslose Art und Weise richtig eigenartig, um nicht zu sagen „verräterisch“ und „ehebrecherisch“ und „schrecklich grausam.“ Ich ging an Gackt vorbei, umarmte Joseph von der Seite und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Also, ich bin dann mal weg. Bis nachher“, versuchte ich, mich von ihm zu verabschieden und es dabei so wenig wie möglich wie einen Abschied klingen zu lassen. „Papi?“, hörte ich die ängstliche Stimme meines Sohnes hinter mir und ich drehte mich wieder zum Sofa um, gequält seufzend. „Ich beeile mich, mein Schatz“, versicherte ich ihm und versuchte, ihn damit zu beruhi¬gen, doch nicht einmal mich selbst beruhigte das. Was konnte nicht alles innerhalb von ein paar Minuten passieren, wenn Gackt in der Nähe war? Wer wusste das besser als ich? Seine Augen sahen mich flehend an, als wollten sie sagen: „Papi, bitte geh nicht! Ich mag Onkel Gakuto nicht! Ich hab Angst! Er wird mich umbringen!“ Ich riss meinen Blick los von diesen angsterfüllten Augen und ging zur Tür hinaus. ~Ich bin so ein Rabenvater...~ Ich fühlte mich, als hätte ich mein eigenes Kind soeben an den Teufel verkauft. Im Prinzip hatte ich das. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)