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Avatar Hills 90210 [M.i.B.]

Inhalt: OoC-ness (50%), Schnulz (35%), Smileys (10%), Spannung (3%), natürlicher „Avatar“-Gehalt (2%), angereichert mit Vitamin 08/15, kann Spuren von Logik enthalten.
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Willkommen bei der M.i.B.!

Previously...on Avatar M.i.B.:
 

Wir schreiben den 30. Januar 20XX. Es ist ein milder Nachmittag, die Sonne scheint und die Temperaturen liegen bei etwa 6°C. Auf einer schneebedeckten Wiese tummeln sich Kinder zu Schneeballschlachten und Errichtung winterlicher Bauwerke aller Art, vom herkömmlichen Schneemann bis zum dreistöckigen Fort mit Katapulten, Kerkern und Waffenarsenal. Wie immer sind die Kleinen benachteiligt und den Einseifattacken der Furcht einflößenden Sechstklässler gnadenlos ausgeliefert.

Am Abend ziehen sich blutige Spuren durch die zerfurchte Winterlandschaft, ab und an ragt ein einzelner Arm aus dem Schnee. Eine blutbespritzte, orange-gelb gestreifte Wollmütze liegt auf den traurigen Überresten des Schneemannes, den der Grundschüler Willi ganz allein gebaut hatte.

An einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit und völlig unberührt von den Ereignissen dieses Massakers stehen drei angehende MSTing-Agenten vor dem Haupteingang der MSTing-Behörde, kurz M.i.B., deren Rezeption an diesem Morgen mal wieder nicht besetzt ist. Die Damen Angestellten verfolgen nämlich gerade ihre Lieblingssoap im Aufenthaltsraum und beten, dass ihr geliebter Renaldo den tragischen Jetskiunfall doch noch überleben wird. So versäumen sie es, den Hörer der Gegensprechanlage an ihrem Empfangstisch abzuheben, um das Anliegen der drei Ankömmlinge zu erfragen.

Mittlerweile hat sich das zögerliche Klingeln in die Tinitus verursachende Sturmversion gesteigert und ein Ende ist noch nicht absehbar, wenn man einen Blick auf das wutverzerrte Gesicht der Person wirft, die mit der Gewalt eines Presslufthammers auf die Klingel neben dem Eingang eindrischt. Bei der Person handelt es sich um die liebreizende, jedoch nicht sehr geduldige Isabel Baumüller, auch Sissi genannt, die für eine längere Wartezeit bei -10°C eindeutig nicht warm genug gekleidet ist. Doch bei ihr geht Stil stets über Zweckmäßigkeit.

„Ich bring die um! Ich kill diese elenden Saftsäcke, die es anscheinend nicht nötig haben uns rein zu lassen! Es ist kalt, verdammte Scheiße!“

Statt auf den Knopf hämmert Sissi schließlich gegen die schwarz getönten Glastüren, durch die man die Empfangshalle nur schemenhaft erkennen kann.

„Ich weiß, dass da jemand ist, also macht endlich diese scheiß Tür auf!“

Hinter ihr, jedoch mit etwas Sicherheitsabstand, steht ein junger, kränklich wirkender Mann mit dunklen Augenringen, der sich eine Aspirin einwirft, ehe er Sissi anspricht.

„Also sollte tatsächlich jemand dein Sturmklingeln hören, hätte dieser jemand wohl schon längst reagiert. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man einen Sachschaden riskieren würde, nur um uns zu ärgern. Und auch wenn es dich nicht interessiert, aber ich bekomme noch ein Knalltrauma von deinem Geschrei...“

Mit dem deutlichen Verlangen zu morden in den Augen dreht sich Sissi um und packt das kränkelnde Häufchen Elend an seinem Schal, denn der gute Colin von Braun ist schon seit er husten kann ein nervtötender Jammerlappen der schlimmsten Sorte.

„Colin, wenn du nur noch einen Ton über irgendeine deiner tausend Krankheiten oder sonstigen Scheiß von dir gibst, dann hast du bald einen echten Grund zum Arzt zu rennen!“

Mit Sissis linker Faust unter seiner Nase fühlt sich Colin schlagartig noch schlechter als ohnehin schon durch seine zahllosen Leiden und das letzte bisschen Farbe weicht aus seinem Gesicht. Als Sissi ihn schließlich schnaubend loslässt und sich mit einer wenig graziösen Drehung wieder Klingel und Tür widmet, tastet Colin panisch seine Manteltaschen nach seinem Inhaliergerät ab, um anschließend einen tiefen Zug zu nehmen und sich dadurch zumindest einen Moment lang wieder besser zu fühlen.

Der Dritte im Bunde steht etwas abseits, die Hände mangels Handschuhen in den Jackentaschen und den Blick zur psychiatrischen Anstalt auf der anderen Straßenseite gerichtet. Er wird üblicherweise einfach Elch genannt, da er stets eine etwas eigentümliche Mütze mit Elchgeweih trägt. Seinen wahren Namen kennen nur wenige und diese Minderheit hütet sich davor ihn auszusprechen, denn die Folgen wären äußerst schmerzhaft. Trotz der frustrierenden Situation scheint Elch sehr gelassen, fast schon gut gelaunt, denn er summt schon seit einer Weile vor sich hin.

Während er so dasteht, trottet Colin auf ihn zu und lässt sich schließlich über seine Beschwerden aus, außerdem bittet er Elch darum etwas gegen den drohenden Sachschaden an der Tür zu unternehmen, da er selbst nicht gegen Sissi ankommt. Elch jedoch zeigt keine Reaktion und bleibt weiterhin mit Blickrichtung zur Psychiatrie stehen, was Colin als böswilliges Ignorieren interpretiert.

„Jetzt dreh dich doch mal um, wenn ich mit dir rede! Ein bisschen Anstand und Mitgefühl ist ja wohl nicht zu viel verlangt!“

„Ich hoff’ es geht dir schlecht! Schlampe! Drecksau!“ trällert Elch und Colin klappt vor Fassungslosigkeit der Mund auf. Im nächsten Moment zeigt sich jedoch Verwunderung auf seinem Gesicht, weil Elch plötzlich beginnt zu tanzen und sich dabei nach und nach umdreht. Als er Colin schließlich bemerkt, erstarrt Elch in seiner Bewegung und blinzelt ihn überrascht an.

„Stehst du schon länger hinter mir?“ fragt er und greift unter die Ohrenklappen seiner Mütze, um die Stöpsel seines MP3-Players herauszunehmen. „Ich höre gerade ‚Marie’, also falls du eben was gesagt hast, hab ich’s nicht gehört.“

„Nein, schon gut. War nicht so wichtig“, antwortet Colin mit einem leicht sarkastischen Unterton in der Stimme.

„Ok, du Heulsuse, was tut dir jetzt wieder weh?“ seufzt Elch und macht sich schon auf eine Flut von Wehklagen gefasst, als sein Blick an Colin vorbei zur Eingangstür wandert und er sieht, wie Sissi mit brachialer Gewalt einen Mülleimer von der Wand reißt, um ihn als Rammbock zu benutzen.

„Oh, scheiße! Sissi, stell das Ding wieder hin!“ schreit Elch und stößt Colin beiseite, um Sissi von dem abzuhalten, was sie da gerade vorhat. Die ist allerdings wenig begeistert, als Elch sie von hinten packt und unnachgiebig festhält.

„Lass mich sofort los! Die haben es doch so gewollt! Warum sonst sagt man uns, dass wir hier um zehn Uhr erscheinen sollen, wenn dann keiner aufmacht?!“

Sissi versucht vergeblich sich zu befreien, als plötzlich ein Knacken aus der Gegensprechanlage ertönt und sich kurz darauf eine ruhige, freundliche Männerstimme mit einem kurzen Räuspern meldet.

„Bitte verzeihen Sie die lange Wartezeit. Ich nehme doch an, dass Sie die drei Studenten sind, die uns von Professor Grebner empfohlen wurden?“

Wie vom Donner gerührt stehen Sissi und Elch da, in ihrem Gerangel erstarrt, und schauen auf den Lautsprecher. Auch Colin ist das Lebenszeichen aus dem Gebäude nicht entgangen und er wetzt zur Gegensprechanlage.

„Gott sei Dank! Ich hab schon fast eine Nierenentzündung“, winselt er, ehe er den Knopf betätigt. „Ja, sind wir. Können Sie uns bitte endlich die Tür öffnen?“

„Sofort“, ertönt die Antwort. „Jedoch muss ich das Fräulein mit dem Mülleimer unter dem Arm zuvor bitten, denselbigen wieder an seinen Platz zu stellen. Aber ich kann Sie beruhigen, denn obwohl die Überwachungskamera Sie dabei gefilmt hat, wie Sie öffentliches Eigentum beschädigen, werden wir Sie nicht anzeigen.“

Ein vorwurfsvoller Blick von Colin und Elch, und Sissi stellt, aus Elchs Klammergriff befreit, mit peinlich berührtem Gesichtsausdruck den Mülleimer wieder brav an die Wand.

„Sehr schön. Dann darf ich Sie nun hereinbitten“, tönt es abschließend aus dem Lautsprecher, bevor das lang ersehnte Surren erklingt und Colin ohne Mühe die Tür öffnen kann.

Die Eingangshalle ist relativ sparsam eingerichtet. An der Wand hinter dem Rezeptionstisch hängt die übergroße Kopie eines Gemäldes von Monet. Neben den Eingangstüren stehen exotische Strauchgewächse in großen, quadratischen Marmortöpfen, auf dem dunklen Fliesenboden liegt mittig ein etwas abgenutzter, beigefarbener Teppich. Links befindet sich der Durchgang zum Treppenhaus und den Toiletten, daneben ist ein Fahrstuhl, vor dem ein attraktiver Mann Anfang 30 im weißen Anzug steht und die drei Ankömmlinge mit einem freundlichen Lächeln zu sich winkt.

„Willkommen bei der M.i.B., ich bin der stellvertretende Personalchef Hubertus Lemarck. Ich muss mich nochmal für das Missverständnis entschuldigen. Scheinbar hat man es versäumt Ihnen mitzuteilen, dass Sie am Hintereingang klingeln sollen, da unsere Damen von der Rezeption ab halb zehn eine Stunde Pause machen“, erläutert er immer noch lächelnd.

„Um die Zeit schon?“ fragt Elch mit hochgezogener Augenbraue. Auch den anderen beiden erscheint das eher merkwürdig, es sei denn die Damen stehen auf Knoppers.

„Nun ja“, beginnt Herr Lemarck, „diese Regelung wurde auf den persönlichen Wunsch der beiden Damen hin eingeführt. Die genauen Gründe dafür dürften Sie allerdings kaum interessieren.“

In diesem Moment kommt eine in Tränen aufgelöste Frau im adretten Kostüm aus der Damentoilette und tupft sich mit einem Papiertuch die Wangen ab. Als sie Richtung Rezeption stöckelt, bemerkt sie die kleine Versammlung vor dem Fahrstuhl und entschuldigt sich für ihr Auftreten. Sissi bemerkt, wie Herr Lemarck beim Anblick der Frau blass wird, sich aber schnell wieder fängt und sein typisches Lächeln aufsetzt.

„Wenn Sie mir jetzt nach oben folgen würden, werde ich Ihnen die Räumlichkeiten zeigen, in denen Sie arbeiten werden.“

Mit einem letzten Blick zu der Dame an der Rezeption betritt Herr Lemarck nach den anderen dreien den Fahrstuhl und drückt den Knopf für die fünfte Etage.

„Dürfte ich Sie etwas fragen?“ meldet sich Colin zu Wort.

„Natürlich.“

„Haben Sie keine rechtlichen Probleme wegen des Akronyms M.i.B.?“

„Ah, Sie meinen wegen des Films Men in Black? Das wurde bereits ohne große Konflikte geklärt, denn wir verwenden ein kleines ‚i’, während der Titel des Films ein großes ‚I’ enthält.“

Ein skeptisches Schweigen erfüllt den Fahrstuhl, bis sich die Türen mit einem Bing! öffnen und alle in den Gang hinaustreten. Dekorationen und dergleichen sucht man hier vergeblich: nichts als weiße Wände und ein langweiliger grauer Teppichboden. Rechts kann man durch großflächige Fenster mit Jalousien auf die Straße vor dem Haupteingang hinuntersehen, links befinden sich mehrere Bürotüren, von denen einige offen stehen. Im Vorbeilaufen erhaschen die drei angehenden MSTing-Agenten einen Blick in die Büroräume, aus denen ständig das Tippen auf Tastaturen, Rascheln von Papier und Husten in allen Variationen dringt. Was sie dort drin allerdings sehen, wirkt eher abschreckend und jenseits eines normalen Büros. Kaum einer der Angestellten dort macht einen gesunden Eindruck; einige haben sich sogar in eine Wolldecke eingewickelt und schaukeln apathisch auf ihren Stühlen vor und zurück. Colin, der Hypochonder vor dem Herrn, erkennt mit einem flüchtigen Blick auf die zahlreichen Medikamentverpackungen auf den Schreibtischen, was die Herren und Damen da drin schlucken: von Aspirin über Magentabletten bis hin zu verschreibungspflichtigen Psychopharmaka ist alles vorhanden. Herr Lemarck setzt währenddessen seine Einführungserklärungen fort.

„In diesen Räumen hier arbeiten die Googler, sie sind für das Aufspüren und Überprüfen der Badfics zuständig. Sollte es möglich sein diese zu dekontaminieren, was Ihre Aufgabe sein wird, so werden die Badfics an den Zentralrechner weitergeleitet. Wenn nicht, wird die Eliminierungsabteilung im Untergeschoss benachrichtigt. Mit denen auf der dritten und vierten Etage arbeiten hier übrigens 156 Googler. Falls Sie sich über die hohe Anzahl wundern, so muss ich Sie darauf hinweisen, dass es in diesem Beruf häufiger zu Ausfällen kommt und wir uns einen zu großen Rückstand nicht erlauben können. Man möchte es nicht glauben, aber die Zahl der Badfics steigt mittlerweile fast exponentiell an.“

Die Gruppe biegt nach links ab und steht vor einer Glaswand, deren Tür nur mit einem Kartenschlüssel geöffnet werden kann. Herr Lemarck zückt diesen sogleich aus seiner Innentasche und die vier können nach dem Ertönen eines kurzen Piepens ihren Weg fortsetzen.

„Ist ja fast wie in einer geschlossenen Anstalt“, flüstert Elch Sissi zu, die zustimmend nickt.

In diesem Bereich ist es wesentlich ruhiger als zuvor, man hört durch die eine oder andere Tür auf beiden Seiten lediglich die Lüftungen von Computern. Am Ende des Flurs befindet sich erneut ein Fahrstuhl, in den sie eintreten. Den drei Neulingen fallen sofort der teure Marmorboden und die Holzvertäfelung auf, abgerundet durch vergoldeten Stuck an der Decke. Des Weiteren bemerken sie, dass es in diesem Fahrstuhl nur die Knöpfe für den fünften bis zehnten Stock gibt.

„Sie müssen wissen“, beginnt Herr Lemarck, nachdem er die Taste für den siebten Stock gedrückt hat, „dass Sie in ihrer Funktion als MSTing-Agenten einige Privilegien erfahren, die den meisten anderen Mitarbeitern verwehrt bleiben. Die exklusive Lage ihrer luxuriös ausgestatteten Räumlichkeiten zur Gewährleistung höchster Leistungsfähigkeit ist ein Teil davon. Und in Ihrem speziellen Fall natürlich das Angebot Ihre verbleibenden Semester durch ein Jahr in unserer Behörde zu ersetzen, verbunden mit dem Entfallen sämtlicher Prüfungen. Sollten Sie hier erfolgreich arbeiten, werden Sie in einem Jahr Ihr Diplom erhalten, natürlich summa cum laude.“

Der Fahrstuhl öffnet sich und gibt den Blick frei auf einen Saal, wie man ihn nur aus reichen Königshäusern kennt. Selbst ein gigantischer Kronleuchter hängt von der hohen Decke. Über zwei gebogene Treppen kommt man auf die Galerie. Während die Gruppe den Saal durchquert, hallt jeder Schritt wider. Als sie eine der Treppen betreten, bleibt Herr Lemarck plötzlich stehen und dreht sich zu den anderen um.

„Man hat Sie doch aber hoffentlich zuvor über das Berufsrisiko hier aufgeklärt?“

„Kann man so sagen“, antwortet Sissi. „Wir haben alles, auch das Kleingedruckte, in unseren Arbeitsverträgen gelesen. Außerdem hat uns Professor Grebner über die Statistiken der Selbstmordfälle und Psychiatrieeinweisungen Ihrer Mitarbeiter aufgeklärt. Aber in diesem Job verdient man ja so viel Cash, dass wir gerne bereit sind das Risiko einzugehen.“

„Da Sie gerade auf ihn zu sprechen kamen, wie geht es denn dem werten Professor?“ erkundigt sich Herr Lemarck, jetzt wieder die Treppe hinaufsteigend.

„Er wurde letzte Woche in die Notaufnahme gebracht“, sagt Elch in einem beiläufigen Ton. „Chronischer Kommatamangel, vermutlich. Aber er ist schon wieder über'n Berg.“

„Ja, das kommt bei Leuten unseres Fachgebiets häufiger vor, man nennt es schon den Skorbut der Korrektoren“, meint Herr Lemarck scherzhaft.

Auf der Galerie wenden sich die vier nach links und biegen am Ende nach rechts in einen langen Korridor ein, wo gerade eine etwas kurz geratene Gestalt mit Glatze und schwarzem Kittel sehr gemächlich einen Servierwagen schiebt, der mit klapperndem Geschirr, inklusive einer großen Platte mit silberner Kuchenglocke, beladen ist. Man sieht die Person nur von hinten, aber den drei Studenten erscheint sie äußerst merkwürdig, da ihre Haut sehr fahl wirkt und sie leicht gebückt geht.

„Ah, perfektes Timing!" ruft Herr Lemarck strahlend und eilt zu der Person, um sie anzusprechen. „Wie ist denn Ihr Befinden heute?“

Die Gestalt bleibt stehen, dreht aber nur leicht den Kopf zu Herrn Lemarck ohne zu antworten.

„Ja, ich sehe schon, Sie sind auch heute wieder nicht zum Plaudern aufgelegt. Aber dürfte ich Ihnen dennoch unsere neuen Mitarbeiter vorstellen?“

Mit einer Handbewegung deutet Herr Lemarck in Richtung der Neulinge, woraufhin sich die Gestalt so gemächlich, wie sie zuvor gegangen ist, zu ihnen umdreht. Beim Anblick ihres Gesichts entkommt den dreien ein kurzer Schrecklaut.

„I-ist das etwa...?“ stammelt Sissi und sieht abwechselnd Herrn Lemarck und das Subjekt des Grauens an.

„Ganz recht, mein Fräulein“, antwortet Herr Lemarck und legt eine Hand auf die Schulter der Person neben ihm. „Das ist Der Schrei. Der Schrei, das sind die neuen MSTing-Agenten Isabel Baumüller, Colin von Braun und ...Elch.“

„Guten Tag“, sagen die drei fast unisono und mit deutlichem Unbehagen.

Der Schrei dagegen nickt mit starrer Mimik und gibt einen kurzen stöhnenden Laut von sich, vermutlich seine Art einer Begrüßung. Den drei Studenten fällt es schwer, ihr Gegenüber nicht anzustarren.

„Schön, dann wollen wir Sie nicht weiter von Ihrer Arbeit abhalten“, beendet Herr Lemarck das eingetretene Schweigen. „Sie werden ja später noch zu unseren neuen Kollegen kommen und den Kuchen servieren, nicht wahr?“

Wieder gibt Der Schrei nur ein kurzes, bejahendes Stöhnen von sich und schiebt dann seinen ratternden Servierwagen langsam aber stetig weiter den Gang entlang. Die anderen gehen mit einem letzten Blick an ihm vorbei und folgen Herrn Lemarck. Einen Moment später hören sie, wie der Servierwagen stehen bleibt und Der Schrei an eine der Türen klopft. Als diese geöffnet wird, setzt sich der Servierwagen wieder geräuschvoll in Bewegung und schließlich herrscht, abgesehen von den Schritten der Gruppe, nach dem Schließen der Tür absolute Stille auf dem Korridor.

„Das war vielleicht scary!“ meint Sissi zu Colin und Elch, die ihr zustimmen.

„Der Schrei ist schon seit einer ganzen Weile bei uns angestellt“, erklärt Herr Lemarck, der eine solche Reaktion erwartet hat. „Er wird sich um Ihre Verpflegung kümmern und Erste Hilfe leisten, sollten Sie...nun ja...einen kleinen Betriebsunfall erleiden. Ich weiß, angesichts seines Tempos beim Servieren ist es schwer vorstellbar, aber wenn es nötig ist, kann er in Sekunden zur Stelle sein.“

„Gut zu wissen“, bemerkt Elch wenig überzeugt. „Aber mich hat es gewundert, dass er nicht permanent die Hände ins Gesicht geklatscht hatte.“

Was eigentlich nur ein Scherz sein sollte, wird von Herrn Lemarck mit einem bedrückten Seufzen kommentiert.

„Ja, das war ein furchtbarer Schlag für den Guten. Macaulay Culkin hatte ihn verklagt und den Prozess leider gewonnen. Vermutlich war eine nicht unerhebliche Bestechungssumme im Spiel gewesen, denn der Vorwurf des Plagiats ist doch eher lachhaft, meinen Sie nicht? Jedenfalls hat Der Schrei danach zwei Jahre gebraucht, um sich zu erholen und schließlich wieder bei uns zu arbeiten. Mal sehen, 7-0-9. Ja, da wären wir.“

Die Gruppe steht vor der Tür mit der Nummer 709. Neben dem Türrahmen ist bereits ein Schild mit ihren Namen befestigt. Wieder holt Herr Lemarck einen Kartenschlüssel aus der Innentasche seines Jacketts und öffnet die Tür. Neugierig treten die drei Studenten ein, nachdem Herr Lemarck ihnen Platz gemacht hat.

Der Raum ist größtenteils in einem angenehmen Grün gehalten. Zu ihrer Linken steht ein offener Kamin, in dem ein einladendes Feuer knistert. Daneben befindet sich eine weitere Tür, die, wie Herr Lemarck anmerkt, zu ihrer eigenen Küche führt, natürlich voll ausgestattet vom Kühlschrank bis zum Eitrenner.

An der ihnen gegenüberliegenden Wand sind zwei hohe Fenster, durch die man auf eine paradiesisch gestaltete Parkanlage im Innenhof hinunterblicken kann, der mit einer gigantischen Glaskuppel überdacht ist.

In der Mitte des Raumes steht ein samtenes Sofa mit augenscheinlich sehr bequemen Polstern, davor platziert ist ein länglicher Couchtisch mit einer kleinen Schale belgischer Pralinen und daneben eine Fernbedienung. Diese gehört allem Anschein nach zu dem projektorähnlichen Gerät, das über dem Tisch an der Decke hängt und auf eine Leinwand ausgerichtet ist, die die Mitte der rechten Wand einnimmt. Daneben, in einer der hinteren Ecken des Raumes, ist eine dritte Tür, die zur Toilette führt.

„Jetzt verstehe ich auch, warum manche Leute hier ohne Einwände zwölf Stunden und mehr arbeiten“, sagt Elch, der diese Insiderinformation vom Professor selbst erhalten hat.

„Wie kann sich diese Behörde so eine Ausstattung überhaupt leisten?“ fragt Colin misstrauisch.

„Nun ja“, beginnt Herr Lemarck geheimnistuerisch. „Wir arbeiten für eine finanzkräftige, aber inoffizielle Regierungsbehörde. Sie dürfen nicht vergessen, wir überwachen die qualitativ zweifelhaften, schriftstellerischen Aktivitäten deutschsprachiger Fans und sind letztendlich die beste und einzige Verteidigung gegen diesen Abschaum aus dem Internet, die die Welt hat.“

„Das haben Sie aus Men in Black geklaut, nur leicht adaptiert ohne die Wörter ‚außerirdisch’ und ‚Universum’“, bemerkt Sissi und verdreht die Augen, woraufhin sich Herr Lemarck verlegen räuspert.

„Gut, damit wäre die Einführung fast beendet“, sagt er schließlich mit einem deutlich weniger freundlichen Ton und reicht den dreien jeweils einen Kartenschlüssel. „Hier, bitteschön. Ihre erste Badfic wurde bereits vom Zentralrechner ausgewählt und die Daten an den SMD-Projektor geschickt. Keine Sorge, als Anfänger werden Sie natürlich zunächst ein Exemplar der relativ harmlosen Sorte zu bearbeiten haben. Dennoch ist Vorsicht geboten, denn besagte Badfic wurde meines Wissens nach noch nicht abgeschlossen, daher könnte sich der Grad der Verletzung Ihrer Psyche mit zunehmender Kapitelzahl noch steigern. Oh, und Sie brauchen die Früchte Ihrer Arbeit nicht zu protokollieren, das übernimmt die Spracherkennungsfunktion dieses Wundergeräts da an der Decke. Haben Sie noch Fragen?“

Die drei Neulinge sehen sich nachdenklich an, als Sissi plötzlich ein nervöses Zucken in der Unterlippe und ein unverkennbares Funkeln in den Augen bekommt.

„Sie sind nicht zufälligerweise schwhmpf?“ Bevor sie ihre Frage beenden kann, halten ihr Elch und Colin mit einem mahnenden Blick den Mund zu.

„Was meinten Sie?“ fragt Herr Lemarck, der jedoch im nächsten Moment durch das eilige Klacken von Stöckelschuhen auf dem Gang abgelenkt wird. Die Urheberin ist die Dame von der Rezeption, erneut in Tränen ausgebrochen und direkt auf Herrn Lemarck zusteuernd, als sie ihn im Türrahmen entdeckt hat.

„Oh Gott, es ist so schrecklich!“ schluchzt sie und klammert sich an Herrn Lemarcks Jackett fest. „Bitte, du musst mitkommen und mit Jacqueline reden! Bitte, Hubsi!“

„Hubsi?!“ wiederholen die drei neuen MSTing-Agenten und müssen sich sehr zusammenreißen, um nicht loszuprusten.

„D-Das ist nicht komisch!“ faucht ‚Hubsi’ die drei an, ehe er sich besorgt an die Dame an seinem Jackett wendet. „Ganz ruhig, Tanja. Was ist mit Jacqueline? Hat es etwas damit zu tun, was in ‚Verbotene Triebe’ mit Renaldo geschehen ist?“

„N-Nein, nicht nur wegen Renaldo! Es ist noch viel, viel schlimmer! Renaldo hat noch rechtzeitig die Organtransplantationen erhalten, aber er konnte sich nach seinem Erwachen an niemanden erinnern, nicht an seine Verlobte oder seinen Adoptivvater und nicht einmal an Miguel!! Und das, wo doch...wo doch...!“ Tanja sackt in die Knie.

„Wo doch...was? Was ist heute passiert?!“ fleht Herr Lemarck sie an, als auch er auf die Knie sinkt und Tanjas Schultern fest umklammert.

„Miguel, er...er ist vom Dach des Krankenhauses gesprungen! Man hat einen Brief in seiner Jackentasche gefunden, in dem er schrieb, dass sie Renaldo seine Organe implantieren sollen, denn Miguel ist in Wahrheit sein Zwillingsbruder und liebt ihn über alles!“

„Oh Gott!“ schluchzt nun auch Herr Lemarck. „Sie sind Brüder? Aber...aber das ist doch unmöglich! Oder ist die Theorie, dass Lucia gar nicht Renaldos leibliche Mutter war, doch wahr gewesen?“

Die drei Studenten, die diese Szene auf dem Flur fasziniert verfolgen, tauschen einen viel sagenden Blick und Elch versucht mit einem Räuspern das Wort ‚Spinner’ zu vertuschen. Die beiden heulenden Individuen auf dem Boden bemerken davon allerdings nichts.

„Ja! Lucias leiblicher Sohn ist Enrico!“ fährt Tanja verzweifelt fort. „Er und Renaldo wurden kurz nach der Geburt vertauscht! Enrico ist gar nicht Miguels Bruder, sondern Renaldo! Und jetzt hat sich Jacqueline in der Toilette eingesperrt, weil sie das nicht verkraftet! Sie sagt, sie will sich da drin ertränken! Du musst sie davon abhalten, auf mich hört sie nicht!“

„Nur das nicht!“ Herr Lemarck springt auf und rennt Richtung Fahrstuhl, gefolgt von Tanja, die nicht die passenden Schuhe anhat, um mithalten zu können.

Allein zurück bleiben die drei neuen MSTing-Agenten, die nicht recht wissen, ob sie lachen oder sich ernsthaft Sorgen um diese Jacqueline machen sollen. Schließlich sehen sie sich achselzuckend an und ziehen dann ihre Jacken und Handschuhe aus, die am Garderobenständer hinter der Eingangstür Platz finden.

„Der kann mir nichts vormachen, er ist schwul! Welcher Hetero-Kerl schaut schon ‚Verbotene Triebe’?!“ argumentiert Sissi, von ihrer Einschätzung überzeugt.

„Kannst du es dir nicht ein einziges mal verkeifen, jeden wildfremden Kerl deinem Homoscan zu unterziehen?“ mault Elch, der sich genervt auf das Sofa fallen lässt und die Schuhe abstreift, um seine Füße auf dem Couchtisch abzulegen. „Weißt du nicht mehr, was ich damals mit dir gemacht hab, als du mir weismachen wolltest, ich sei schwul?“

„Ich bin bis heute noch nicht vom Gegenteil überzeugt“, antwortet Sissi und duckt sich gerade noch rechtzeitig aus der Schussbahn der Pralinenschale. „Ha! Du verfehlst beim Werfen dein Ziel! Eindeutiges Indiz für einen weibischen Uke!“

„Mal abgesehen von deiner keineswegs stichhaltigen Argumentation“, mischt sich jetzt Colin ein, nachdem er die Tür zum Flur geschlossen hat. „Warum hast du eigentlich nie von mir behauptet, ich sei homosexuell?“

„Dich hab ich schon in der Grundschule meinem Homoscan unterzogen und außer Hypochondrie wurde auf meinem mentalen Screen nichts angezeigt“, erwidert Sissi vollkommen ernst und schlendert in die Küche, um den Kühlschrank unter die Lupe zu nehmen.

„Und mit so was bist du seit der Grundschule befreundet“, sagt Elch und schüttelt bemitleidend den Kopf. „Da bin ich ja heilfroh, dass ich euch erst seit der Uni kenne.“

„Eigentlich kennen Sissi und ich uns schon seit dem Kindergarten, aber den Homoscan hat sie erst mit sieben Jahren entwickelt“, erklärt Colin, während er die verstreuten Pralinen samt Schale wieder einsammelt und sie anschließend in die Küche bringen will.

„Moment!“ hält Elch ihn auf. „Was hast du damit vor? Gib her, ich ess’ die noch!“

„Die kann man doch nicht mehr essen! Die haben auf dem Boden gelegen und da gibt es weiß Gott wie viele Keime!“ protestiert Colin angewidert, aber als Elch ihn über die Sofalehne hinweg böse anstiert, übergibt er das Sammelsurium an Krankheitserregern.

„Du und deine Keime“, nuschelt Elch, während er sich mit Pralinen voll stopft. „Die Dinger sind bestimmt verdammt teuer, so wie die schmecken! Viel zu schade zum wegschmeißen!“

„Du bist ekelhaft.“ Colin wischt seine Hände mit einem der stets paraten Desinfektionstücher ab. „Dass du noch nicht an einer Infektion gestorben bist, ist wirklich ein Wunder!“

„Nein, dass du noch nicht in eine Plastikblase gezogen bist, ist ein Wunder“, meint Sissi, die mit zwei Flaschen Gingerale und drei Gläsern aus der Küche zurückkommt.

„Und was ist mit was Anständigem zu essen? Ich hab Hunger!“ meckert Elch mit vollem Mund, als Sissi an ihm vorbeiläuft.

„War nichts da“, erwidert sie beleidigt und platziert Flaschen und Gläser auf dem Tisch. „Du musst eben warten bis der Scream-Verschnitt hier mit dem Kuchen auftaucht. Das dürfte ja nur etwa zwei Wochen dauern.“

„Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass wir etwas von dem essen, was uns dieses Ding serviert?!“ entrüstet sich Colin und hört in Gedanken schon das Grauen an der Tür klopfen.

„Ist mir egal, wer es bringt! Hauptsache, es ist essbar!“ beendet Elch das Thema und leckt sich die Finger ab, bevor er die leere Schale zurück auf den Tisch stellt. „Sollen wir uns dann mal an die Arbeit machen?“

Die anderen beiden setzen sich ebenfalls, bereit mit ihrem neuen Job anzufangen. Während Sissi noch allen etwas zu trinken einschenkt, begutachtet Colin die Fernbedienung und betätigt den Power-Knopf in Richtung des so genannten SMD-Projektors. Der beginnt sogleich zu Surren und das Firmenlogo des Herstellers erscheint auf der Leinwand, gefolgt von einer beruhigenden Melodie und schließlich einer Übersicht. Zur Auswahl stehen neben den einzelnen Kapiteln eine kurze Inhaltsangabe, Charakterbeschreibungen, Informationen zur Originalserie und Einstellungen wie die bereits erwähnte Spracherkennungsfunktion und automatisches bzw. manuelles Scrollen des Textes. Nachdem Colin die Spracherkennungsfunktion aktiviert hat, erscheint ein kleines weißes Fenster in der oberen linken Ecke, in dem ein schwarzer Balken aufblinkt.

„Scheiße, mein String zwickt wie blöd!“ schimpft Sissi und zupft an ihrem Rock und der Unterwäsche darunter herum.

Im nächsten Moment erscheinen ihre Worte in dem kleinen Fenster auf der Leinwand. Die drei starren die schwarzen Buchstaben an und werden rot. Die Herren, weil sie es unterdrücken loszulachen, Sissi dagegen vor Scham und Wut.

„Fuck! So eine Scheiße!“ flucht sie und tritt gegen den Tisch, wodurch die Flaschen umkippen und, Teppich sei dank, unbeschädigt auf den Boden rollen.

<Fuck! So eine Scheiße!> erscheint auf der Leinwand und der kleine schwarze Balken blinkt weiterhin erwartungsvoll.

Gerade als Sissi aufspringt und Anstalten macht mit ihrem Glas nach dem Projektor zu werfen, wählt Colin im Untermenü ‚Mitschrift löschen’ und das Fenster ist wieder leer. Elch zerrt Sissi zurück auf ihren Platz und tätschelt ihr den Kopf wie einem winselnden Hund. Anschließend wählt Colin das erste Kapitel aus und das Bild auf der Leinwand wird schwarz. Die drei neuen MSTing-Agenten sehen sich gleich mit ihrem ersten Übel konfrontiert...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  littlpinkunicorn
2011-04-26T22:50:12+00:00 27.04.2011 00:50
"Eine blutbespritzte, orange-gelb gestreifte Wollmütze liegt auf den traurigen Überresten des Schneemannes, den der Grundschüler Willi ganz allein gebaut hatte." - bwahahaha! XDDDD Einfach nur geil!!! XDDD
Also der Einstieg gefällt mir schonmal xDDD
(aber der arme Willi! x'D)
Von: abgemeldet
2009-05-31T23:55:09+00:00 01.06.2009 01:55
Das ist mitunter der lustigste Einstig in Msting, den ich bisher gelesen habe. Und einer der kreativsten.


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