Brüder unter sich. von Gwendal ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Es waren einige Tage vergangen, seit dieser unglücklichen Begegnung der zwei Brüder. Wolfram war seinem älteren Bruder ausgewichen und verbrachte seine Zeit nun meistens damit, Gwendal den letzten Nerv zu rauben. Nicht nur, dass er sich über ihren menschlichen Bruder ausließ, er begann regelrecht, sich wie ein verzogenes Kind zu benehmen, dem man einen üblen Streich gespielt hat. Irgendwann hatte Gwendal genug von den ewigen Tiraden seines jüngsten Bruders gegen Konrad und beschloss den jungen von Bielefeld auf eine Außenmission zu schicken. Es traf sich daher äußerst gut, dass ein angrenzendes Reich drauf bestand, einen Abgesandten des Maô zu sehen. Scheinbar glaubten sie, dass das Großreich der Dämonen nach dem plötzlichen Tod ihres Herrschers in sich zusammen fallen und es ihnen wirtschaftliche und globale Probleme bringen würde. So bestanden sie nun also darauf, einen ehemaligen Vertrauten des Herrschers oder ein Mitglied der zehn Familien in ihren Hallen zu begrüßen. Dementsprechend hatte Gwendal einer Wache Bescheid gegeben, die wiederum Wolfram zu ihm geschickt hatte. Der blonde Prinz, außer sich vor Wut, dass ausgerechnet er gehen sollte, zeterte vor sich hin, als Konrad das Arbeitszimmer des ältesten Bruders betrat. Sofort herrschte Ruhe. „Was soll das?“ Ein eiskalter Blick traf den Dunkelhaarigen. Gwendal sah von seinem Arbeitstisch auf und musterte seinen vor Wut glühenden Bruder, sowie Konrad, der wie immer wirkte. Er faltete einen Brief zusammen und reichte ihn Wolfram. „Dies ist ein Schreiben, welches ihr unseren Verbündeten überreichen werdet. Dort wird unsere derzeitige Situation beschrieben. Ich erwarte, dass ihr die Mission gemeinsam zum Erfolg führt!“ „Das soll doch wohl ein schlechter Scherz sein!“, schrie Wolfram ihn an, bevor er mit einer Handbewegung auf Konrad deutete. „Ich hab dir erzählt, was er getan hat. Und mit wem! Und du willst mich mit IHM auf eine Mission schicken? Hat dir der neue Posten etwa das Hirn vernebelt?“ Gwendal schaute grimmiger als sonst, doch sein Blick traf diesmal nicht Wolfram, sondern Konrad, der mittlerweile die Tür geschlossen hatte. Die ihn herführende Wache hatte sich beim ersten Anzeichen eines lauter werdenden Gespräches verabschiedet, weshalb sie alleine waren. „Was denkt ihr, Sir Weller?“ fragte der künftige Regent. Konrad sah Gwendal an. „Ihr werdet Eure Gründe haben, warum ich Lord von Bielefeld begleiten soll, Lord von Voltaire. Aber wenn ich etwas anmerken darf: In der jetzigen Situation ist es wohl eher unangebracht, mich mit auf diese Mission zu schicken.“ „Eher unangebracht?“ Da war er wieder, der wütende junge Prinz, der partout nicht auf diese Mission gehen wollte. Zumindest nicht zusammen mit Konrad. „Das ist doch wohl ein schlechter Scherz!“ „Das ist weder ein Scherz, noch sind meine Sinne vernebelt, Lord von Bielefeld.“ Gwendal richtete seine Aufmerksamkeit nun wieder auf Wolfram. „Man hat sehr deutlich gemacht, dass man einen Nahestehenden des ehemaligen Maô zu sehen wünscht. Wer wäre da besser geeignet als der Verlobte, der zusätzlich noch ein Vertreter der zehn Familien ist. Auch wenn offiziell Waltorana diesen Posten bekleidet.“ „Dann muss DER da trotzdem nicht mitkommen!“ „Doch.“ Gwendal schaute kurz zu Konrad. Innerlich wünschte er sich zwar, dass sie sich wieder vertragen würden, aber bei der momentanen Sachlage würde sich dieser Wunsch so schnell nicht erfüllen. „Konrad gilt auch über unser Reich hinaus als äußerst vertrauensvoll und rechte Hand Yûris. Das Vertrauen, was die beiden ineinander setzten, hat auch unsere Verbündeten tief bewegt. Gerade weil sein Stand einem Maô angeblich unwürdig war, hat es die meisten überrascht, dass der Maô ihn als Vertrauten erwählt hat. Daher ist es unerlässlich, dass er dich begleitet. Zudem wissen wir nicht, ob sie etwas planen, daher möchte ich den besten Schwertkämpfer des Landes an Eurer Seite wissen, Lord von Bielefeld!“ Er betonte den Titel seines Bruders extra deutlich, um klar zu machen, dass es sich bei diesem Auftrag nicht darum drehte, sie beide zu versöhnen, sondern dass er – wie eigentlich immer – nur das Beste für sein Land im Sinn hatte. „Ich verstehe.“ Konrad machte eine kurze Verbeugung, wurde aber, bevor er weiter sprechen konnte, von Wolfram unterbrochen. „Also gut, wir werden diese Mission gemeinsam bestreiten, aber das heißt nicht, dass sich irgendetwas ändern wird!“ Gwendals Gesichtsausdruck hätte bei normalen Menschen zu einem Herzinfarkt oder plötzlicher Zur-Stein-Werdung geführt, aber Wolfram stockte nur kurz. „Was?“, fragte er mit verschränkten Armen. Gwendal stand auf, ging gelassen um seinen Schreibtisch und lehnte sich dann an. „Ich weiß nicht, ob ihr das vielleicht nicht verstanden habt, aber solltet ihr auf dieser Reise nicht die perfekten Brüder, Verbündeten und Vertrauten Yûris abgeben, so wäre ich arg enttäuscht. Was eure privaten Probleme angeht, so interessiert es mich … gar nicht… aber unser Land geht mich sehr wohl etwas an. Yûri ist tot! Daran lässt sich nichts ändern. Aber so wahr ich ein Mitglied der zehn Familien bin, so werde ich es nicht zulassen, dass irgendwer denkt, wir hätten an Souveränität oder sonst was verloren! Haben wir uns verstanden?“ „Ja“, kam es knapp von Konrad, der eigentlich eher wie Beiwerk neben der Szene stand. Wolfram allerdings stand kurz vor der Explosion. Mit dem letzten bisschen Selbstbeherrschung, was ihm geblieben war, verbeugte er sich kurz und entgegnete: „Sehr wohl, Lord von Voltaire. Eure Worte waren ausgesprochen deutlich!“ Dann drehte er sich um und verließ den Raum. Gwendal seufzte kurz bevor er seine Aufmerksamkeit auf Konrad richtete. „Und ist es so zu deiner Zufriedenheit, Bruder?“ Konrads typisches Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit und ließ den kläglichen Anblick, den er zuvor abgegeben hatte, schnell verschwinden. Er trat einen Schritt auf Gwendal zu. „Du hättest ihn aber nicht so zu reizen brauchen.“ Der zukünftige Regent sah in die braunen Augen seines jüngeren Bruders, welcher nur noch einige Zentimeter von ihm entfernt stand. „Du weißt doch, ich liebe kleine süße Sachen. Und gerade, wenn er sich aufregt, ist unser Baby-Bruder besonders süß.“ Ein liebevolles Lächeln zog sich über Gwendals Gesicht. Konrad küsste ihn auf die Stirn. „Was würde ich nur ohne dich machen?“ „Dich weiter verkriechen“, raunte ihm Gwendal entgegen, bevor er die Arme um seine Taille legte. Kurz schauten sich die Brüder in die Augen, bevor dieser unergründliche Ausdruck in Gwendals Augen wieder auftauchte. „Tu ihm bloß nicht weh!“ „Ich liebe ihn, warum sollte ich ihm also weh tun wollen?“ „Ich sag es ja auch nur…“ Konrad lächelte wie ein unschuldiges Kind. „Ich würde nie einem meiner Brüder weh tun.“ Dann löste er sich und verließ den Raum. Denn schließlich liebe ich euch beide, dachte er, während er zu den Stallungen ging, um die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Diese waren schnell erledigt und so befanden sich Wolfram und Konrad schon auf dem Weg, als Gwendal den Papierkram weitestgehend bearbeitet hatte. Er ließ den Kopf kreisen und schaute aus dem Fenster, wo der Mond schon hoch am Himmel stand. „Ich sollte mich hinlegen… Die beiden werden sich schon wieder versöhnen.“ Unterdessen waren Konrad und Wolfram in der Stadt angekommen, in der sie übernachten wollten, da sie am nächsten Tag bereits am Hofe erwartet wurden. Der Ritt dorthin dauerte dann am Morgen nur noch eine Stunde, weshalb sie die Nacht lieber noch im Großreich der Dämonen verbrachten. Scheinbar war in der Stadt aber gerade ein besonderes Fest, weshalb bis auf ein Zimmer einer recht heruntergekommenen Herberge alles ausgebucht war. Wolfram sah Konrad wütend an. „Das hast du doch geplant! Aber vergiss es, ich werde die Nacht nicht mit dir verbringen!“ Den ganzen Tag über war er schweigend neben ihm hergeritten, lustlos und nicht bedacht darauf, sich zu streiten, aber das ging wirklich zu weit. Also drehte er auf dem Absatz um und stiefelte hinaus. Konrad ließ sich die Schlüssel zu ihrem Zimmer geben, bedankte sich kurz und folgte ihm dann. „Jetzt warte doch mal.“ „Wozu? Du willst doch eh nur abartige Dinge mit mir tun!“ „Wolfram bitte. Ich hab weder vor, dir irgendwas anzutun, noch über dich herzufallen. Du hast also nichts zu befürchten. Wie schlecht kennst du mich eigentlich?“ Wolfram blieb abrupt stehen, nachdem sie schon fast auf dem Marktplatz waren. Langsam drehte er sich um. Seine Augen waren müde und seine Stimme gefährlich ruhig. „Ich kenne dich gar nicht mehr. Ich hätte nie gedacht, dass du diese Sachen, wie du sie mit Yozaku gemacht hast, mit mir tun wollen würdest. Ich hätte nie gedacht, dass mich Gwendal zwingt, mit dir diesen Auftrag zu erledigen. Und ich hätte nie gedacht, dass du so niederträchtig sein würdest, es so zu planen, dass wir gezwungen werden, in einem Zimmer zu schlafen.“ Konrad fuhr sich durch die Haare. „Erstens hab ich dir erklärt warum ich mit Yozaku das tat, was ich tat. Zweitens hat Gwendal Recht, wenn er an unser Land denkt, egal wer was persönlich dagegen hat und drittens: Ich hatte keine Ahnung, dass hier ein Fest ist. Und wenn du deine Aufmerksamkeit mal kurzfristig von deiner Angst, dass ich dir etwas antun könnte auf die Plakate lenken würdest, dann würdest du auch sehen, dass das Ganze hier eine relativ spontane Geschichte ist. Wie es hier steht:“, er hielt ihm einen Zettel hin und las ihn vor. „24. Jährliches Fest zur Erneuerung der Würde und Liebe zu unserem Herrscher. Bleibt einen Tag, lebt ein Leben. Nur hier und heute werden sich eure Wünsche erfüllen. Trefft Madame Love im Zelt am Markt.“ Wolfram betrachtete den Zettel missmutig. „Ich kann selber lesen.“ Dann riss er Konrad den Zettel aus der Hand und hielt ihn ihm hin. „Da steht aber nix davon, dass du nicht wusstest, dass es hier stattfindet.“ Konrad grinste. „Doch, tut es wohl.“ Wolfram sah ihn an, nachdem er den Text noch mal gelesen hatte. „Wo?“ Konrad trat neben ihn und deutete auf die Zeile >Trefft Madame Love im Zelt am Markt<, las sie laut vor und betonte die Silben anders, als normal. Wolfram sah ihn irritiert an. „Dieses Jahr nur hier, nächstes Jahr wo anders. Haltet Ausschau nach dem schwarzen Kaninchen“, übersetzte er und musste einsehen, dass Konrad wirklich nicht wissen konnte, dass das Fest gerade in dieser Stadt abgehalten würde. „Na gut, du hast nicht gewusst, was hier los ist. Trotzdem werd ich nicht mit dir in einem Zimmer schlafen!“ Damit war das Gespräch für ihn beendet, er drehte sich um und ging in Richtung Festzelt. Konrad folgte ihm mit einem gewissen Abstand und wartete, sodass Wolfram nichts mitbekam. Schließlich war sein jüngerer Bruder nicht so dumm die ganze Nacht durchzumachen, wenn sie am nächsten Morgen einen wichtigen Besuch zu vollziehen hatten. Es kam, wie es kommen musste und Wolfram ertrank seinen Ärger in einer regionalen Spezialität, die dummerweise die Eigenschaft hatte, den Genießenden ziemlich umgänglich zu machen. Es wurde also später und später und Wolfram wurde immer lustiger. Als Konrad ihn zu gegebener Zeit einsammeln und von den hübschen Mädchen und einigen interessierten Gentleman wegholen wollte, fand er das alles andere als angemessen und beschimpfte ihn lauthals, ohne ihn allerdings arg zu sehr zu beleidigen. „Entschuldigt meinen Bruder, ich werde ihn ins Bett bringen.“ Mit diesen Worten entschuldigte er sich bei dem Besitzer des fahrenden Getränkestandes, packte sich den mehr als lustigen Wolfram und brachte ihn in ihr Zimmer. Dass dieser dagegen lautstark protestierte, ignorierte er geflissentlich und erklärte den Umstehenden nur immer wieder, dass sein Bruder zu viel getrunken habe. Auf ihrem Zimmer angekommen, war Wolfram so fertig, dass er direkt ins Bett fiel und sich sogar bereitwillig von Konrad aus der Uniform helfen ließ. „Du willst mich doch nur flachlegen…“, brummte er, gerade als Konrad die Decke über ihn warf. „Ich liebe dich, so etwas würde mir nie einfallen.“ Konrad gab ihm ein Küsschen auf die Stirn, weil er sich sicher war, dass Wolfram sich jetzt nicht wehren würde und setzte sich dann in den Sessel, der dem Bett gegenüber stand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)