Stumme Tränen von AnaO (Darfst du mich denn lieben, Inuyasha?!) ================================================================================ Kapitel 32: Prügelpartner ------------------------- "Endlich", stöhnte Yuichi auf, als sie am nächsten Morgen vor Anjaanis Wohnung ankamen. "Ich platze vor Neugier!" Yoko und Yuki sahen ihn an, beide denselben warnenden Ausdruck in den Augen. "Du bist ruhig. Kein Wort", drohte Yuki. "Er hat sich mir anvertraut, nicht dir. Ich werde jetzt garantiert nicht sein Vertrauen missbrauchen und mir in Ruhe anhören, was er zu sagen hat." "Außerdem soll Aani davon nichts mitbekommen. Benimm dich bitte Yui-kun." "Nee-chan war doch dabei, was auch immer er gestern mit ihr gemacht hat." "Und sie ist auch so offenherzig in solchen Dingen", spukte Yuki sarkastisch aus. "Besonders wenn es um sie geht." "Ich bin ja brav." Das bezweifelten die Schwestern. Überschwänglich betrat die blauäugige Frohnatur die kleine Küche. Anjaani stand gerade am Herd. "Na, Onee-chan. Wie geht es meinem bösen Mädchen heute?" Inuyashas Kopf wurde rot, Anjaani fiel der Kochlöffel aus der Hand und die Drillinge schlugen sich die Hände vors Gesicht. Yami, die halb schlafend auf Aryans Schoß saß, schreckte auf. "Was habe ich verpasst?" "Woher weißt du davon?", war Anjaani überrascht und deutete vorwurfsvoll auf den immer noch menschlichen Inuyasha. "Hast du es ihm erzählt?" "Ich sehe dir an, wie ungezogen du warst. Brauchst es gar nicht zu leugnen." Röte stieg in Anjaanis Wangen. "Ich hab das doch gar nicht gewollt, Chi-chan." "Das sagen sie alle", winkte er ab. Und sie schüttelte die dunklen Locken. "Wirklich. Ich habe nichts getan. Es ist einfach explodiert." Jetzt starrten sie alle an und Inuyasha vergrub das Gesicht in den Händen. "Anjaani, bitte", stöhnte er gequält. "Erklär denen, was du meinst." "Wie kann man das denn falsch verstehen?", war sie irritiert. "Es ist meine Schuld, dass es explodiert ist." Sie blickte in sprachlose Gesichter. "Aber sonst ist nichts passiert. Außer, dass ich danach völlig erledigt war. Ich habe geschlafen, als wäre ich im Koma gewesen." Inuyasha verzweifelte. "Anjaani, du machst es nur schlimmer!" "Müssen wir ihr jetzt gratulieren, oder nicht", war Yuichi sich unsicher und Anjaanis Lächeln verblasste. "Gratulieren? Dafür, dass ich mich nichtunter Kontrolle hatte? Das hätte nie passieren dürfen, ich war völlig unvorbereitet. Den armen Inuyasha hat's fast genauso stark erwischt wie mich." Inuyashas Gesicht hatte mittlerweile die Farbe vollreifer Himbeeren angenommen. "Das war allein meine Schuld. Ich war dumm und unvorsichtig. Aryan-nii wäre enttäuscht von mir." "Bin ich nicht", versicherte ihr Aryan beruhigend, die Wange an Yamis Scheitel geschmiegt. "Ich hätte dich vorwarnen sollen, aber mir selber ist das noch nie passiert." "Okay, jetzt weiß ich, dass wir sie falsch verstehen", grinste Yami. "Aani, wovon redest du?" "Von meiner kleinen Energiekugel", war Anjaani überrascht. Sie dachte, alle wüssten, wovon sie redete. "Sie hat uns gestern am See Licht gespendet, ist aber plötzlich explodiert. Was dachtet ihr denn, wovon ich rede?" Inuyasha stieß ein warnendes Knurren aus, als sich ein dreckiges Grinsen auf Yuichis Gesicht breit machte. "Ich ziehe die Frage zurück!", deutete sie Yuichis Mimik korrekt. "Du bist unmöglich! Weißt du das?" "Du bist diejenige, die gesagt hat…" "Schluss mit dem Scheiß! Das Thema ist beendet! Halt die Schnauze, Yamada!" Inuyashas Blick war eindringlich, doch Yuichi sah ihn herausfordernd an. "Was, wenn nicht?" "Dann schmeiße ich dich hier raus!" Yuichis Stimme war trügerisch sanft, aber seine Augen wurden heller. "Nur zu. Versuche es, solange du menschlich bist." Anjaani, Yuki und Yoko erstarrten in ihren Tätigkeiten und blickten den Japaner an. Den ernsten, überlegenen und plötzlich um einiges männlicheren Japaner. Inuyasha erhob sich. "Dich packe ich locker, Plagegeist!" Yuichi lächelte, seine Stimme wurde dunkler. Und die Selbstsicherheit, die er plötzlich ausstrahlte, war einschüchternd. "Ich zeige dir gerne, wie sehr du dich irrst. Los, trau dich." "Hinsetzen, beide", wies Yami sie unbeeindruckt zurecht. "Inuyasha, hör auf ihn zu reizen, du wirst das bitter bereuen. Und du!" Yuichi sah sie unschuldig an. "Du hast Prügelverbot, soweit ich das weiß." "Er hat angefangen", schmollte der Schauspieler. "Hab ich nicht", schmollte der Dämonenjäger. "Du lässt Inuyasha in Ruhe, solange er menschlich ist." "Meine Meinung!", nickte Inuyasha zustimmend. "Ich bin nämlich die einzige, die ihn verprügeln darf." "Genau! Warte, was?" "Wir wissen alle, wie brutal du sein kannst, beweisen musst du es nicht. Vor allem nicht jetzt an diesem Schwächling." "Hey!" "Ruhe, ich helfe dir nur. Du setzt dich wieder hin, Yuichi und hörst auf, so viel Testosteron zu versprühen. Yoko wird sonst den ganzen Tag nicht zu gebrauchen sein." Yuichi blickte sich irritiert um. Yoko starrte ihn an, ein Ausdruck in den Augen, den er absolut nicht deuten konnte. "Mach das noch mal", hauchte sie. "Testosteron versprühen?", war er verwirrt. "Das ist, wonach ich so verzweifelt suche", ließ sie sich nicht beirren. "Diese Stimmlage. Setzt sie nochmal ein." Er war überfordert. "Welche denn?" "Meinst du, wenn sein Tenor sich einem Bariton nähert?" Doch Yami wurde ratlos angesehen. "Es gibt fünf Stimmlagen. Die höchste ist Sopran, dann Alt, Tenor, Bariton und am tiefsten ist der Bass. Yuichi ist ein Tenor. Die beiden", deutete sie auf die Dämonenjäger, "sind Bariton. Wobei der Flohsack nahe einem Bass ist. Wenn Yuichis Stimme dunkler wird, nähert sie sich einem Bariton." "Taten, nicht Worte", verlangte Yuki kurz und knapp. Also räusperte sich Yami und tat, was Yuichi so hasste. Und sie tat es viel zu gut. "Das ist es!", begeisterte sich Yoko. "Fantastisch! Das klingt ja besser, als bei Yuichi." "Glückwunsch, Küken", strahlte Yuichi. "Du bist offiziell die männlichere Version von mir." "Blödsinn, du hast doch gerade auch so geredet! Das ist die Stimmlage, die du als Romeo nicht hinbekommst. Genau die habe ich immer gemeint!" "Das ist dieselbe Tonlage, die Zuma drauf hat, wenn er sich jemandem überlegen fühlt", begriff Anjaani. "Dann lass Akira den Romeo spielen, wenn er so viel besser ist", wandte sich Yuichi beleidigt seinem Frühstück zu. "Zuma singt aber nicht so schön wie du. Wir müssen dich nur etwas provozieren…" "Nein", widersprach Yuki. "Das halte ich nicht nochmal aus. Jetzt wissen wir ja, welche Stimme du willst. Oder Yami synchronisiert ihn." "Das ist eine tolle Idee!", rief Yuichi begeistert. "Lassen wir doch meine kleine Schwester für mich übernehmen, wenn ich nicht männlich genug bin. Es ist ja nicht so, dass mein Ego dadurch zertrümmert wird." "Keine Sorge, das wird gar nicht möglich sein", meinte Aryan sanft. "Yami ist die ganze Woche mit mir im Urlaub." Yuichi sah ihn an. "Das wird nicht passieren, wenn sie davor an Übermüdung stirbt. Vielleicht solltest du sie mal eine Nacht schlafen lassen." Yami lag mehr auf Aryans Schoß, als dass sie saß und hatte den Kopf an seine Schulter gelehnt, die schweren Augenlider nur halb offen. "Aryan war die ganze Nacht weg und ist erst vor einer Stunde gekommen. Ich habe auch die ganze Nacht gearbeitet", korrigierte sie gähnend. Hauptsächlich, um sich abzulenken, damit die Warterei auf Aryan sie nicht in den Wahnsinn trieb. "Meisterwerke komponieren sich nicht in 5 Minuten. Besonders nicht, wenn man so anspruchsvoll ist wie meine Schwester." Yoko war sprachlos. "Den Text solltest du dir aber noch einmal ansehen. Ich bin besser darin Gefühle in Melodien auszudrücken, statt in Worten." "Julias Sterbeszene?" Yoko glaubte es nicht. Yami begann eine Melodie leise zu summen, eine Melodie, die niemand je so gehört hatte. Sie traf ins Herz, war pure Verzweiflung, endlose Trauer, grenzenlose Liebe. Klang gewordener Verlust. Yoko und Anjaani standen die Tränen in den Augen, Yuki hatte sich unbewusst an Yuichi gedrückt. Alle waren sprachlos und traurig, mitgerissen. Inuyasha schüttelte seine Melancholie ab. "Das ist grob die Melodie", sagte Yami arglos. "Glaub mir, die Wirkung des Orchesters wird umwerfend sein. Selbst Yuki würde es zum Weinen bringen." "Sing es mir", bat Yoko mit stockender Stimme. "Nein", wehrte Yami entschieden ab. "Wenn du es von mir hörst, wird es dir nicht mehr gefallen, wenn Naoko es singt." "Wie hast du das vollbracht? Hast du nicht gesagt…" "Ich hatte nichts anderes zu tun. Jetzt hast du dein Stück. Nun muss ich während dem Urlaub kein schlechtes Gewissen haben." "Küken…" Yuichi nahm ihre Hand, Verzweiflung in den Augen. "So starke negative Emotionen… Das freut mich für Yoko, aber du Dickkopf hättest zu mir kommen sollen, statt dir alleine die Augen auszuheulen, solange du auf Aryan wartest." "Bist du bald fertig", knurrte sie leise. "Ich musste diese Melodie sowieso komponieren. Außerdem war Aryan nicht beruflich unterwegs." Alle sahen Aryan überrascht an. "Nein, ich habe keine Affäre", widersprach er sofort. "Dann weiß ich nicht, wo du dich die ganze Nacht rumgetrieben hast." "Ich glaube nicht, dass er dich betrügt, Küken", war Yuichi fest überzeugt. "Es ist zu dir zurückgekommen, alles andere ist egal. Ich zitiere meinen absoluten Lieblingsmenschen: Was war ist vorbei. Entscheidend ist das Jetzt und Heute." "Und von wem ist das Zitat?", wunderte sich Yuki. "Das sage ich nämlich auch immer." Er lächelte sie mit schimmernden Augen an. "Ganz genau." Sie sah ihn an, wie sonst Yoko schaute, wenn Worte sie bezauberten. "Sieh an", freute sich der rote Drilling. "Selbst Mademoiselle Steinhart kann sich für Liebesworte begeistern." Kampfeslust glitzerte in Yukis Augen. "Natürlich kann ich das, nur bin ich nicht so leicht zu begeistern wie du. Es macht einen Unterschied, ob Worte ehrlich und ohne Eigennutzen ausgesprochen werden oder nur aufwendig konstruiert werden, um jemanden rumzukriegen. Den Unterschied solltest du kennen." "Blödsinn, deine Hormone spielen nur verrückt, weil deine PMS langsam beginnt", widersprach Yami müde. "Was musst du denn eigentlich privat tun, dass es die ganze Nacht dauert?", wandte sie sich an Aryan. "Es hat nicht wirklich mit dem Urlaub zu tun", verriet er geheimnisvoll. "Es ist eine Überraschung für dich, die während unseres Urlaubs enthüllt wird. Gestern hat sich die Chance geboten und ich musste sie nutzen. Etwas streng geheimes." "Ein Tipp?", leuchteten Yokos Augen auf. "Bot sich die Chance hier in Japan?" "Nein, nicht einmal in derselben Zeitzone. Jetzt habt ihr Raum für Spekulationen." Anjaani öffnete als erste den Mund. "Außer dir", sagte Aryan mit blitzenden Augen. Er sah ihr an, dass sie den richtigen Gedanken hatte. Anjaani schloss den Mund, doch ihre Augen waren riesig. "Wirklich?", stammelte sie. "Oh du meine Güte!" "Aani!", riefen alle drei Frauen laut. Anjaani war völlig aus dem Häuschen. "Ich… oh Gott! Falls es das ist… ist es einoooh!" Ihre Worte gingen in einen begeisterten Quieken unter. "Das habe ich mir immer gewünscht!" "Ein Kind?!" Sie hatte die Drillinge auf eine falsche Fährte gelockt und so sehr diese auch diskutierten, sie kamen nicht auf des Rätsels Lösung. Aryan schwieg und Anjaani freute sich still. Was konnte Aryan für Yami bereit halten, das Anjaani in solche Verzückung versetzte? "Sagst du es mir?", wagte sich Inuyasha voran, als sie sich zur Zentrale aufmachten. Neumond war bald vorbei, er spürte das Kribbeln seines Dämonenblutes. "Dir was sagen?", tat Aryan ahnungslos. "Das ist es ja! Das weißt nur du!" "So soll es auch bleiben. Du verplapperst dich nur." Inuyasha blies die Backen auf. "Das stimmt doch gar- ja, ok… Aber Anjaani weiß es auch!" "Sie weiß es nicht, sie ahnt es nur. Dafür kann ich nichts. Kümmre du dich lieber um deine Sachen." "Aryan kann richtig gemein sein", beschwerte sich Yuichi während einer Drehpause. "Aani ist auch nicht besser", schnaubte Yoko. "Ich tippe auf etwas richtig widerwärtig Schnulziges", meinte Yuki. "Uns sind schon die denkbar schnulzigsten Dinge eingefallen." Den ganzen Morgen hatten sie schon die wildesten Vermutungen aufgestellt. Ihre Fantasie kam richtig in Fahrt. Aber auf die naheliegendste, simpelste und richtige Lösung waren sie einfach nicht gekommen. "Ich bin immer noch für das Unterwasser-Liebesnest." "Viel zu simpel", winkte Yoko ab. "Finde ich auch", ertönte plötzlich Yamis Engelsstimme. "Wenn Aryan etwas plant, dann wird es spektakulär." "Weißt du näheres?", wollte Yuichi aufgeregt wissen. "Eher ist Fort Knox zu knacken als Aryan", seufzte sie. "Habt ihr Vermutungen?" Yoko wurde ernst. "In Anbetracht dessen, dass es sich hier um Aryan handelt, gäbe es absolut keinen abwegigen Gedanken. Er könnte alles schaffen. Mein Favorit ist, dass er es geschafft hat, Sterne zu bewegen und jetzt bilden sie eine Konstellation, die wie dein Gesicht aussieht." "Und damit auch wie euers", widersprach Yami. "Oh." "Wir werden es bald erfahren", tröstete Yuichi die aufgeregten Schwestern. "Morgen Abend fliegt ihr weg." Die Aufregung war Yami deutlich anzusehen. "Ich weiß wirklich nicht mehr, ob ich mich freuen soll. Dieser Urlaub verspricht, mich fertig zu machen." Oh, wie sie Recht behalten würde! "Was machst du eigentlich hier?", wunderte sich Yuki. "Ich hab gehofft, Yuichi reinlegen zu können, dass er mich für dich hält, du uns erwischst und mir den Schädel brichst, damit ich in kein Flugzeug steigen muss." "Aryan kann das heilen", erklärte Yuki trocken. "Küken", legte ihr Yuichi die Hände auf die Schultern. "Ich sitze ständig in einem Flugzeug. Dir wird nichts passieren. Besonders nicht, wenn Aryan dabei ist. Weißt du was, ich fliege mit dir mit." Yami riss in gespieltem Entsetzen die Augen auf. "Ist schon gut, ich fliege ja. Du musst ja nicht gleich so gemein werden." "Und was machst du dann hier?" Sie hielt einen dicken Stapel Notenblätter hoch. "Ich bin hier, um Julias Sterbeszene mit dem Orchester einzustudieren. Ich kann das jetzt nicht unbeendet stehen lassen. Dann kannst du die Szene drehen, auch wenn ich weg bin." Yoko fiel ihrer Schwester um den Hals. "Mäuschen, du bist die beste! Danke!" "Ich rufe dich, wenn ich fertig bin." "Das ist kein Grund, sich so zu freuen", bemerkte Yuichi und starrte seiner jüngsten Schwester mit Schmerz in den Augen hinterher. "Stimmt. Hat sie nicht gesagt, sie sei zu glücklich, um sowas zu komponieren?", erinnerte sich Yuki. "Und urplötzlich liefert sie hier ein komplettes Orchesterstück ab?" "Dann kannst du dir vorstellen, wie sie sich gestern gefühlt haben muss…" "Was ist denn hier los?" Jemand fasste Yuki an die Schulter und im Reflex wirbelte sie herum. Inuyasha fing ihre Faust auf, zog sie instinktiv an sich. "Beruhige dich, ich bin's nur." "Dann erschreck mich nicht so, dummer Köter!", grollte sie und verpasste ihm mit der freien Hand eine Kopfnuss. "Au!" Er ließ sie los und rieb sich den Kopf. Sein Haar war immer noch schwarz. "Ich korrigiere mich", grinste Yuki. "Pfoten weg, dummer Mensch!" "Das war ein Reflex", verteidigte er sich. "Das mache ich immer, wenn meine Beute sich wehrt…" "Ich bin nicht deine Beute!" "Du weißt genau, was ich meinte!" "Was mich interessiert", mischte sich Yuichi ein. "Warum schleichst du dich überhaupt an sie ran?" "Ich habe mich nicht ran geschlichen. Yuki, können wir?" "Klar. Bis nachher, Liebling." Sie schulterte ihren kleinen Rucksack und gab Yuichi einen Kuss, doch Yoko hielt sie an der Hand zurück. "Inuyasha, warum nimmst du mir meine Rechte Hand weg?" "Ich… ähm…" Improvisation war nicht seine Stärke. "Ich habe ein Problem…" "Im Requisitenraum vielleicht", unterstützte ihn Yuki kichernd. "Genau… im Requisitenraum!" "Womit?", wollte Yoko wissen. "Ähm, das… ich habe keine Zeit. Ich muss es ihr zeigen!" Er ergriff ungeduldig Yukis Handgelenk. Yoko ließ ihn auflaufen. "Sag Shinta Bescheid, wenn du Hilfe brauchst, meine Regieassistentin hat wichtigeres zu tun." Ein Knurren entwich seiner Kehle. "Haltet euch da raus! Das geht nur sie und mich etwas an. Komm, Yuki, es ist gerade nicht so, dass ich dich einfach packen und mitnehmen kann!" "Oh, du kannst es versuchen", lächelte Yuichi trügerisch sanft. "Sie ärgern dich nur. Sie waren gestern dabei, als du angerufen hast. Kätzchen!" Yoko warf ihr die Autoschlüssel zu. "Ja, ja, das ist mir jetzt auch egal! Komm mit, bevor…" Yuki hob die Brauen und stemmte die Hände in die Hüften. "Bevor?" Er errötete. "Ich brauche einfach Hilfe und zwar deine. Und das bevor deine PMS anfängt." "Ich beeile mich, bin bald wieder da", lächelte sie und wandte sich im Gehen dem noch menschlichen Dämon zu. "Hast du Hunger?" "Ich verhungere", stöhnte Inuyasha. "Du?" "Dito. Lass uns am See etwas essen. Ich hab Waffeln dabei." "Oh, ich liebe Waffeln! Mit Himbeeren?" "Besser! Mit Blaubeeren!" Yuichi starrte seiner Freundin hinterher. "Sie ähneln sich tatsächlich", bemerkte Yoko. "Die beiden passen wirklich gut zusammen." Sie konnte mitansehen, wie die Farbe von Yuichis Augen immer heller wurde. "Yuichi!" Er sah Yoko an, die ihn wütend die Faust gegen die Brust schlug. "Aua!" "Dein Ernst, Yamada?!" "Aie! Arrête ça! Karina!" "Du bist jetzt nicht tatsächlich eifersüchtig? Nach allem, was ihr beiden durchgemacht habt? Yuki würde auch nicht durchdrehen, wenn du mit Aani in den Park gehen würdest." "Stimmt", beruhigte er sich. Es gab rein gar keinen logischen Grund unruhig zu sein. "Ich frage mich nur, was er von ihr will. Warum kann nur sie ihm helfen? Ich platze vor Neugier." "Hier wart ihr gestern?", fragte Yuki, als sie sich neben Inuyasha auf den Steg am See setzte. Die Badegäste, die sich in der Nähe aufgehalten hatten, waren bei seinem bösen Blick geflüchtet. Das Bedrohliche verließ ihn nicht mit seinen Kräften. "Mit Sternenhimmel und dieser kleinen Sonne und Waffeln", seufzte Inuyasha, als er sich von Yukis Proviant bediente. "Und was ist passiert? Du hast nur etwas von einem Kuss gesagt." "Sie hat mich geküsst", murmelte er. "Aani?!" "Nein, der Sandmann!" Sie blickte in sein errötetes Gesicht. "Aani ist doch sonst nicht so… fordernd." "Zu ihrer Verteidigung, ich habe angefangen." "Womit? Herrgott, Inuyasha! Ich will dir nicht alles aus der Nase ziehen. Erzähl einfach!" "Die Nacht, der Sternenhimmel, generell die ganze Atmosphäre", begann er. "Und Anjaani eben. Du weißt wie sie ist." "Liebevoll, gutherzig und einfach nur unwiderstehlich?" "Richtig. Wir waren uns so nah und sie ist so… voller Wärme. Ich hab einfach nicht anders können. Ich habe sie auf die Wange geküsst. Und sie…" "Sie wollte mehr", begriff Yuki. "Und sie hat sich genommen was sie wollte." "Das hat mich völlig überwältigt", gestand er. "Den Rest kannst du dir denken." "Ist dann diese Energiekugel explodiert?" "Genau, den Grund kannst du dir auch denken. Aber diese kleine Explosion hat ihr zugesetzt. Sie erinnert sich gar nicht an den Kuss." Yuki stöhnt genervt auf. "Das darf doch nicht wahr sein! War sie nicht in Aufruhr? Hat sie nicht wenigstens deine Gefühle erkannt?" "Sie dachte, ich sei wütend, weil meine Energie brannte", knurrte Inuyasha leise und warf einen Stein ins Wasser. "Die Anzeichen ihres Körpers hat sie völlig missverstanden und ist deswegen in Panik geraten. Sie wollte unbedingt zu Aryan." Jetzt lachte Yuki los. "Das hätte ich gerne gesehen! Hilf mir, Nii-san, mit mir stimmt etwas nicht", ahmte sie Anjaanis besorgte Stimme nach. "Mir ist ganz heiß und schwindelig und mein Bauch kribbelt und Inuyasha ist ganz sauer auf mich!" Jetzt lachte auch Inuyasha. "So ungefähr." "Und ich liege richtig, wenn ich rate, dass du nicht den Mut hattest, sie aufzuklären?" "Und wie hätte ich das machen sollen? Sie kennt das Gefühl von Lust doch gar nicht richtig. Und dann? Wie erkläre ich ihr, woher das Gefühl kommt? Es wäre eine ähnliche Situation, wie damals nach der Clubnacht." "Also hat sich nichts geändert." Yuki steckte sich seufzend einige Heidelbeeren in den Mund. "Ihr beiden seid verflucht, weißt du das? Das ist doch nicht mehr normal, das Schicksal hasst euch." "Das glaube ich langsam auch." Er atmete kurz durch. "Du weißt, dass ich irgendwann gehen werde?" Yuki sah ihn an, statt Protest fand er Verständnis in ihren braungelben Augen. Sie war derjenige Drilling, der ihn nicht für diese Entscheidung verurteilen würde. Rational und realistisch mit klarem Blick für das Offensichtliche. "Darauf läuft es hinaus, Inuyasha. Es scheint, als hättest du keine andere Wahl. Die Frage ist nur, ob Aani es überleben wird." Er wandte den Kopf ab, seine Schultern spannten sich an. "Wir wissen beide, dass du sie nicht töten wirst, so sehr sie auch drum flehen wird", sprach Yuki sanft weiter. "Und wir wissen auch beide, was du ihr damit antun wirst." Er vergrub das Gesicht in den Händen. "Ich tue ihr nur weh", murmelte er zwischen seine Finger hindurch. "Wenn ich gehe und wenn ich bleibe. Erinnerst du dich, als ich sie verlassen hatte?" Yuki lehnte sich zurück. "Wie könnte ich das vergessen! Diesen Geburtstag wird keine von uns jemals vergessen." Sie fing seinen Blick auf. "Hätte es etwas geändert, wenn du es gewusst hättest?" Das konnte er nicht sagen. "Ich bekomme so viel von ihr. Ich möchte ihr etwas zurückgeben." "Diese Kette, Inuyasha, sie liebt sie wirklich über alles." "Aber das ist nicht genug", schüttelte er entschieden den Kopf. "Ich möchte ihr etwas geben, das sie glücklich macht. Etwas, das sie selbst dann noch glücklich macht, wenn ich nicht mehr da bin." "Damit ihr Leben nach dir immer noch wertvoll ist. Ich vermute, hier komme ich ins Spiel." Er setzte sich gerade hin, seine Augen fest auf ihre gerichtet, leuchtend braun wie dunkler Bernstein, schon fast glühend. "Ich will ihr dieses Baumhaus schenken." Yuki zuckte mit keiner Wimper, doch sie brauchte einige Minuten, bis sie antwortete. "Das wird nicht einfach." "Bis zu ihrem nächsten Geburtstag." Er sah, wie es in Yukis Gehirn ratterte. Und dann sagte sie: "Komm nach dem Abendessen mit zu mir." "Ich will aber nicht, dass Yamada-" "Wir brauchen Yuichi!", würgte sie seinen Protest ab. "Du willst ihr kein Holzgestell bauen, Inuyasha, sondern ein voll funktionales, vermutlich autarkes und langlebiges Heim. Isoliert und mit Strom. Ohne dass Aryan es erfährt, weil es mit seiner Hilfe nicht mehr deine Leistung wäre." Inuyasha nickte, baff darüber, wie schnell sie die Lage erfasst hatte. "Mein Studium wird uns vermutlich nützlich sein, aber ich brauche Yuichi. Er war Elektriker und hat die Befugnis, Stromkabel zu legen und anzuschließen. Er ist auch ein sehr geschickter Handwerker. Inuyasha, er ist Gold wert in deinem Plan. Wir sparen uns dadurch viele Leute, die der Geheimhaltung schaden könnten." "Du hast ja recht. Also hilfst du mir?" Sie schnappte sich die letzte Waffel, reichte ihm aber mit einem Lächeln die Hälfte. "Wir versuchen es, so gut es geht. Du kannst dich auf mich verlassen." "Danke." "Für Aani", flüsterte sie und starrte auf das Wasser. "In der Hoffnung, dass es sie weiterleben lässt." Mit einem Sprung war sie auf den Beinen. "Lass uns zurück fahren. Wir müssen mit Yoko reden. Wir werden auch ihre Hilfe brauchen", beteuerte sie, bevor Inuyasha sich beschweren konnte. "Nur leider müssen wir es vor Yami geheim halten, sonst wird Aryan alles erfahren. Nenn es weibliche Intuition, aber irgendwas sagt mir, dass Aryan es nicht wissen darf." "Also gut", gab er nach, als sie seine Hand ergriff und ihn mit ungeahnter Kraft auf die Beine zog. "Wann fangen wir an?" "Heute Abend", überraschte sie ihn. "Wir müssen bis Mai fertig sein. Ich habe einen riesigen Ordner nur mit Skizzen von dem Baumhaus." "Du hast Baupläne da?!" "Von jedem winzigen Eckchen und alles nach Aanis Wünschen. Ich habe selber mal davon geträumt, ihr dieses Baumhaus zu bauen, wenn mein Studium-" Sie verstummte plötzlich und blickte sich um. "Hast du gerade geknurrt?" "Meine Kräfte kommen langsam wieder, aber ich habe nichts gemacht." "Deine Augen sehen heller aus", bemerkte sie. "Du bist auch menschlich sehr hübsch, weißt du das?" "Sag bloß deine PMS fängt an?!" "Beruhige dich, sie hat schon angefangen. Aber ich habe kein Verlangen nach- Da! Hörst du das? Hier ist jemand!" Er hörte nichts mehr. Im nächsten Moment traf ihn etwas mit solch einer Kraft, dass er weit ins Wasser geschleudert wurde. Die Wucht des Angriffes raubte ihm die Orientierung. YUKI! Grauen erfasste ihn, als er begriff. Ein Dämon war ihnen aufgelauert und hatte ihn erfolgreich beseitigt. Er versuchte sich im Wasser zu orientieren. So schnell er konnte, schwamm er an die Oberfläche. Panik machte sich breit. "Yuki!" Sie war verschwunden. Scheiße, gerade jetzt war er menschlich! Wer konnte sich so lautlos anschleichen und sie ohne ein Geräusch mitnehmen? Egal welcher Dämon, menschlich hatte er keine Chance! Er hievte sich aus dem Wasser. "YUKI!" "Inu-", hörte er ihren abgewürgten Schrei und folgte ihm. "Inuya- au! Lass mich los, du blöder Affe!" "Ich bin ein Hund, kein Affe", ertönte ein mächtiges Knurren und Inuyasha erstarrte. Ein Hundedämon! Oh verdammte Scheiße! Von allen Dämonen ausgerechnet so einer. Einer seiner eigenen Truppe. Wie lange würde er das Alpha-Männchen bleiben, wenn sie ihn in seiner menschlichen, verletzlichen Form sahen? Ein lautes schmerzhaftes Grollen ließ die Vögel in den Bäumen aufschrecken. Yuki wehrte sich offensichtlich. Stolz nahm neben der Sorge Platz in Inuyashas Brust. Er schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass der Neumond endlich vorbei sein möge. Seine Zähne waren immer noch stumpf, aber er spürte seine Kräfte langsam zurückkehren. Wie viel Zeit blieb ihm? Immerhin war der Wind auf seiner Seite. Er würde dem Hund nicht Inuyashas Geruch in die Nase wehen. So blieb ihm vielleicht die Chance unerkannt zu bleiben. "Lass mich endlich-" Yukis Stimme erstickte und endlich sah er sie. Der Hund, der sie mit seinem Körper zu Boden drückte, hielt ihr den Mund zu. "Du bist in Hitze, Süße. Wehr dich, ich steh drauf." "Runter von ihr, Drecksack!", brüllte Inuyasha und zog Tessaiga. Dämon hin oder her. Wenn Yuki etwas passierte, war ein Hundedämon im Vergleich zu Yuichi wirklich sein geringeres Problem. Der Youkai sah ihn an, Spott in den orangebraunen Augen. "Und was willst du gegen mich ausrichten, Mensch?" Doch er hatte nicht mit Yuki gerechnet. Die nutzte seine Unachtsamkeit aus. Der Dämon schrie auf, sie befreite sich von ihm, entkam um Haaresbreite den messerscharfen Krallen. Inuyasha ergriff ihre Hand und zerrte sie sofort hinter sich. "Alles ok?", murmelte der hastig, ließ den Gegner aber nicht aus den Augen. "Immer doch. Wäre trotzdem schön, wenn du wieder ein Dämon werden würdest." "Das kannst du laut sagen. Was hast du mit dem gemacht?" Der Youkai kam nur schwer auf die Beine. "Knie in die Eier und Ellenboden in den Solar Plexus." "Das war ein Fehler", knurrte der Dämon und fletschte die spitzen Zähne. "Eine Beute, die sich wehrt, ist nur umso reizvoller." "Lass die Finger von ihr!", verlangte Inuyasha mit all der Autorität, die ihm als Anführer gegeben war. "Euer Alpha hat euch verboten, die Frauen hier anzufassen." "Es kümmert mich nicht, was der Alpha sagt. Er ist nicht hier und sein lächerliches Jagdverbot ist mir scheißegal! Ich will diese Frau! Ihr Duft ist eine Einladung!" "Du setzt dich über diesen Befehl hinweg?", knurrte Inuyasha eiskalt. "Das ist dein Todesurteil!" Er schwang sein Schwert. Der Hund parierte in letzter Sekunde. Leider war er stärker und Tessaiga in diesem rostigen Zustand unbrauchbar. "Mutig für einen-" Er verstummte plötzlich und seine Augen weiteten sich, seine Nasenflügel bebten. "Du bist der Alpha!", entsetzte er sich. "Unser Halbblut- Anführer. Es ist Neumond!" Inuyashas Augen glühten vor Wut. Er setzte zum nächsten Angriff an. "Yuki, verschwinde!" Dann konzentrierte er sich auf den Kampf. Doch das Blatt wendete sich nach wenigen Hieben. Der Youkai war schneller und stärker. Statt anzugreifen, war Inuyasha bald nur noch damit beschäftigt abzuwehren. Es dauerte nicht lange und er verlor den Halt, stürzte und riss in letzter Sekunde das Schwert zur Abwehr hoch. Doch seine Kraft verließ ihn. Als die Schwertklinge seinen Kehlkopf berührte, brüllte sein Gegner auf und ließ von ihm ab. Yuki hatte ihn an den dunkelbraunen Haaren weggerissen, und sich unter den Klauen hinweggeduckt. Sie hieb ihm die Faust in den Magen. Der flinke Drilling agierte so schnell, dass Inuyasha nicht sah, wie sie den Dämon zu Fall brachte und ihn im Staub festnagelte. Sein Schwert flog im hohen Bogen davon. Sie holte zum K.o.-Schlag aus, doch der Dämon hatte bessere Reflexe. Im nächsten Moment wirbelte er herum. Sein Körper legte sich auf Yukis und drückte ihr die Luft aus der Lunge. "So macht das Spiel Spaß", knurrte er erregt. "Hey, ich bin dein Gegner!" Inuyashas Angriff zwang ihn, von Yuki abzulassen. Ein geschickter Tritt von ihr verhinderte, dass die Dämonenklauen Inuyasha erwischten. "Danke, Nervenzwerg." "Gerne, Flohsack." Sie standen Seite an Seite, bereit, als Team zu kämpfen. "Nur noch ein bisschen", murmelte sie. Auf Inuyashas Kopf erschienen schon die ersten hellen Strähnen. Noch wenige Minuten, dann war Neumond rum. So lange mussten sie überleben. "Ihr hattet euren Spaß", fauchte der Hunde-Youkai zornig. "Du bist tot, Alpha", spuckte er verächtlich aus. "Und du, kleine Amazone, du wirst meine Gespielin." "Schon einmal dran gedacht, mich zu fragen?", hob Yuki unerschrocken die Brauen. "Außerdem habe ich einen Mann." "Den ich gleich zerfetzen werde!" Yuki und Inuyasha sahen sich angewidert an. "Sehen wir aus wie ein Paar?", würgte sie. "Allein dafür stirbt er", versicherte er. Sie nickten sich zu und gleichzeitig griffen sie an. Inuyasha wehrte den Klauenhieb ab und Yuki rammte dem Hundedämon ihre Schulter in die Seite. Doch er war schnell und kickte Inuyasha von den Füßen. Yuki warf sich mit aller Kraft gegen ihn, als er ausholte, Inuyasha mit den Klauen den Brustkorb aufzuschlitzen. Inuyasha rollte auf die Füße, Yuki wich dem Hund aus. Strähnen hatten sich aus ihrer Frisur gelöst und diese bekam er in die Finger. Der blaue Drilling schrie auf. Fest vergrub der Dämon seine Finger in ihrem Haar und presste sie an sich. Inuyasha verharrte still in der Bewegung. "Oh, ich freue mich auf dich, kleine Amazone", keuchte er in ihr Ohr. "Weichei." Seine Lippen hatten sich gerade auf ihren Hals senken wollen. "Wie bitte?!" "Taub bist du auch noch", knurrte sie ihn an. Es war völlig verdattert und Inuyasha bewunderte ihren Mut. "Du nennst dich Youkai? Diese kleinen Krallen sind lächerlich!" Sie keuchte auf, als er fester an ihren Haaren zog, ließ sich aber nicht beirren. "Inuyashas Klauen sind schärfer." "Ich bin der Alpha", sagte Inuyasha, froh, Zeit schinden zu können. "Alphas sind immer die mächtigsten." "Du warst der Alpha!" Der Dämon stieß ein Grollen aus. "Deine Zeit ist vorbei! Um dich, meine kleine Wilde, kümmere ich mich gleich. Sobald er tot ist!" Er schleuderte sie von sich. "Yuki!" Inuyasha sah zu, wie sie hart auf dem Boden aufprallte. Diese Ablenkung kam ihm teuer zu stehen. Eine stählerne Faust traf seinen Magen. Er landete neben ihr im Sand. Der Schlag war gewaltig. Inuyasha taumelte am Rande seines Bewusstseins. Wie durch einen Nebelschleier bemerkte er, dass die junge Frau sich aufrichtete. Er erwischte ihre Hand. "Nein", ächzte er. "Gleich." Und sie begriff. Eiserne Finger schlossen sich um Inuyashas Kehle, hoben ihn auf die Füße. Er bekam keine Luft. Doch eine wohl bekannte Energie schoss ihm durch die Venen, sein Körper begann zu beben. Der Youkai triumphierte. "Und somit haben wir einen neuen Alpha." Inuyasha lächelte, seine Reißzähne blitzen auf. "Zu früh gefreut." Energie explodierte in einer Welle aus Hitze und mit einem Mal wurde sein Haar schneeweiß. Yuki erlebte Inuyasha zum ersten Mal in Aktion. Und ein wenig konnte sie Yamis Grauen vor ihm Verstehen. Aber nur ein wenig. So furchteinflößend diese Bestie auch war, so faszinierend war sie. Und dann waren sie da. Hundedämonen. Rund ein duzend weiterer Stammesangehöriger tauchten auf. Sie waren sprachlos, starrten ehrfurchtsvoll den Hanyou an und dann zu Yuki. Sie dachten, dass hier um sie gekämpft wurde, weshalb sie keiner von ihnen anrührte, obwohl sie ihren Blicken nach nichts lieber tun würden. Doch der Respekt vor dem Alpha war größer, als der Jagdtrieb. Inuyasha hatte den nun weit unterlegenen Gegner vor sich in den Dreck geworfen, blutend und am Ende. Erhaben sah er sich um. "Das", wies er auf den Dämon zu seinen Füßen, "passiert, wenn man sich meinem Befehl widersetzt." Und dann starb der Dämon mit einem schnellen Hieb seiner rechten Hand. Es geschah so schnell, dass Yuki nicht imstande war, die Augen abzuwenden. Wie gelähmt starrte sie auf den Dämonenkopf, der ihr vor die Füße rollte. Inuyasha packte den Kopf an den braunen Haaren und hob ihn in die Höhe. Die andere Hand legte er auf Yukis Schulter, drückte sie schützend an seinen Körper. Sie sah hoch in sein stolzes, erbarmungsloses Gesicht. Das Gesicht eines Alphas. "Das hier blüht jedem Verräter", sagte Inuyasha kalt. "Die Menschenfrauen sind tabu für euch. Und ganz besonders diese hier und ihre Drillingsschwestern. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?" "Verstanden, Alpha", ertönte er treu auch zwölf Mündern. "Entsorgt ihn", warf ihnen Inuyasha den Kopf des Enthaupteten zu und verließ mit Yuki im Arm den See. Schweigend fuhren sie zum Set zurück. Er beobachtete sie aus dem Augenwinkel, doch sie summte munter ein Liedchen, als wären sie auf einem Picknick gewesen. Erst, als er sie ins Studio begleitete, sprach sie. "Habe ich Blutspitzer auf der Kleidung?" "Das ist deine größte Sorge?", lockerte sich seine Zunge endlich. "Es wird deine größte Sorge sein, wenn Yuichi Blut an mir findet." Inuyasha musterte sie. "Nur etwas staubig, aber sonst kein einziger Kratzer. Wie das denn? Er hat dich doch auf den Boden geschleudert." "Ich habe mich abrollen können", zwinkerte sie. "Ist meine Spezialität." "Wow." "Wow? Du hättest dich sehen sollen! Deine Verwandlung war der Hammer! Diese Energie, die so heiß war, dass sie dich komplett getrocknet hat. Das war besser als im Film." "Freut mich, dass es dir gefallen hat", lachte er kopfschüttelnd. "Mir hat es gefallen, mit dir zu kämpfen. Du bist ein toller Prügelpartner. Hach, es war schön, mal gegen einen richtigen Gegner zu kämpfen. Aber was meinte er damit, ich sei in Hitze?" Inuyasha errötete. "Du riechst, als wärst du in Hitze, fruchtbar", erklärte er. "Es ist aber deine PMS. Merkst du nichts?" "Doch, ich fühle mich seltsam", gestand sie. "Ich bin richtig aufgekratzt und irgendwie total scharf auf Yuichi." "Du warst im Kampfesrausch. Das Adrenalin verstärkt deine PMS." Er hielt leichten Abstand zu ihr. "Ich tu dir nichts. Es wird grad immer schlimmer, dieser Hunger. Aber irgendwie denke ich nur an Yuichi." Sie versuchte die kribbelnde Hitze abzuschütteln. "Du hast absolut keine Angst gehabt", schüttelte Inuyasha den Kopf. "Warum?", wunderte sie sich. "Wegen diesen kleinen Kampf? Das war richtig erfrischend." "Was war erfrischend?", wunderte sich Yuichi, als er ihr entgegen kam. Sie wich instinktiv einige Schritte zurück. Ihr Hals schnürte sich zu, in ihrem Kopf rauschte das Blut und ihr Unterleib schien zu brennen, als sie ihm in die geliebten blauen Augen sah. Verdammt, ihn auch nur zu sehen, machte sie wahnsinnig! "Inuyasha und ich", lächelte sie und versuchte ihren Atem zu kontrollieren. "Wir sind ein gutes Team." Inuyasha lachte weich und dunkel. "Ja, das sollten wir wirklich öfter machen, Prügelpartner." "So bald es geht", leckte sie sich über die Lippen. Ihre Augen taxierten Yuichi glühend. "Inuyasha, hilf mir irgendwie." Inuyasha rollte die Augen. "Diesen Kampf trägst du alleine aus." "Aber ich werde verlieren...." Voll Verlangen in den Augen trat sie an ihren überrumpelten Freund. "Oh, Liebling…" "Kampf?", kam Yoko ihr in die Quere. "Was habt ihr zwei denn gemacht? Inuyasha, warum hast du Blut im Gesicht?" "Uns hat ein Hundedämon angegriffen, als Inuyasha noch menschlich war", erklärte Yuki und versuchte an ihrer Schwester vorbeizukommen. "Das war aufregender als jeder perverse Depp, der sich je an mich rangeschmissen hat." "Inuyasha, du hast als Mensch gegen einen Youkai gekämpft?", entsetzte sich Yoko. "Er hat den Nervenzwerg gewollt, weil er ihre PMS gerochen hat", winkte Inuyasha ab. "Sie hat mehr gegen ihn gekämpft, als ich." "Du hast ihn abgelenkt, damit ich mich befreien konnte." "Aber du hast ihn entwaffnet", rief er ihr in Erinnerung. "Und du hast ihn am Ende besiegt." "Was ich ohne dich nicht hingekriegt hätte" Yuichi und Yoko beobachteten sprachlos den untypisch vertrauten Dialog zwischen den beiden. "Einigen wir uns darauf, das wir ein gutes Team sind", beschloss Inuyasha. "Prügelpartner?" "Prügelpartner!" Sie stießen sacht die Köpfe gegeneinander und besiegelten ihren Pakt mit dieser Geste. "Was geht hier vor?", kam Yuichi absolut nicht mehr mit. "Ihr habt zusammen gegen einen Dämon gekämpft?" "Irgendein Vollidiot, der meinte, er dürfe mich anfassen, nur weil ich scharf auf Sex bin. Karina, du bist mir im Weg!" Yoko hinderte sie immer nicht daran, zu Yuichi zu gelangen. "Dich hat ein heißer Hundedämon angefasst und du hast dich gewehrt, obwohl du deine PMS hast?" "Ich wollte nicht angefasst werden, als hätte ich meine PMS gar nicht. Und er war nicht mal ansatzweise so heiß wie- oh, lass mich zu ihm!" "Anscheinend ist ihre Libido ausschließlich auf Yamada fixiert", erklärte Inuyasha dem völlig überraschten Romeo. "Ich habe gehofft, dass du Raj aus ihrer Seele vertreibt. Sonst hätten wir den Dämon nicht zusammen erledigen können." "Das war ein lustiger Kampf", hauchte Yuki. "Aber ich habe jetzt Lust auf jemand anderen. Geh endlich weg, Karina!" "Du bist echt nicht normal", amüsierte sich der Dämon. "Weißt du das?" Sie grinste. "Ich würde das schnellstmöglich wiederholen." "Au ja! Ich ruf dich, sobald es günstig ist." "Inuyasha, das wird Aryan nicht erlauben", erinnerte ihn Yoko und stieß dann Yuki von sich, die verzweifelt zu ihrem Freund wollte. "Du bist total von der Rolle, beruhige dich mal. Oh, verdammt! Yuki, deine Haut ist heiß, du brennst!" "Meine PMS", sagte Yuki unwirsch. "Und jetzt lass mich zu Yuichi!" "Yuki, wir sind mit dem Dreh heute nicht fertig… YUKI!" Yuki hatte sich in Yuichis Arme geworfen, die Beine um seine Hüfte geschlungen, die Hände in seinen Haaren vergraben und ihn voll Feuer an ihre Lippen gerissen. Yuichis Verstand war augenblicklich pulverisiert. Er versuchte sich von Yuki zu lösen, hatte aber keine Chance. "Yoko… Yuki, nicht", versuchte er seine Stimme ruhig zu halten, als Yuki prickelnde Küsse auf seinem Hals verteilte. "Was… was mache ich mit ihr?" Yuki schaffte es nicht, ihren Atem unter Kontrolle zu bringen. "Garderobe", war das einzig verständliche Wort, das sie herausbrachte, bevor sie ihn wild entschlossen aus dem Foyer bugsierte. Yoko stöhnte frustriert auf. "Das war's dann wohl." "Sie ist nur vom Kampf etwas aufgekratzt. Ihre PMS ist nicht so stark wie früher", beruhigte sie Inuyasha. "Stark genug, dass es meinen Hauptdarsteller lahm legt." "Ich meinte damit, dass sie nur auf einen Mann fixiert sein wird." "Das wird Yuichi unglaublich freuen." "Wenn er das überlebt." Yuichi hatte das Glück, oder auch Pech- das kam darauf an von welchem Standpunkt aus man es betrachtete- dass Yuki irgendwann Hunger bekam, da Inuyasha die meisten Waffeln am See gegessen hatte. "Chi-chan, geht es dir gut?", sorgte sich Anjaani, als sie das Abendessen auftischte. "Sehe ich aus, als würde es mir schlecht gehen", lächelte er matt und erschöpft, eine ungewohnt anhängliche Yuki auf dem Schoß. "Ich sterbe nur vor Hunger." "Du bist lebendiger, als ich erwartet habe", murmelte sie. "Häschen, Essen ist fertig." Die beiden stürzten sich auf ihre Portion. "Dass ich mal erlebe, dass Inuyaha völlig entspannt in Yukis Nähe ist, wenn sie PMS hat", kicherte Yoko. "Dass ich es mal erlebe, dass er sich neben sie setzt und sie freundlich begrüßt", warf Yami ein. "Aber ich vermute, gemeinsam Dämonen bekämpfen schweißt zusammen." "Ohne mich hätte er nicht überlebt", warf Yuki ein, als sie kurz vom Essen aufsah. "Ohne dich wären wir nicht angegriffen worden", erinnerte Inuyasha sie knurrend. "Wer wollte mit mir ungestört sein?" "Und wer wollte dafür unbedingt an den See?" "Was mich viel eher interessiert ist, seit wann gerade ihr Zwei zusammen etwas unternehmt", grinste Yami mit blitzenden Augen. Allein Yoko fiel eine passende Lüge schnell genug ein, um glaubwürdig zu klingen. "Der Trainingsraum war voll und die beiden mussten in Ruhe an Julias Kampfszene pfeilen. Yuki ist leicht ablenkbar während ihrer PMS." "Und ich hatte eine hervorragende Gelegenheit mich auszuprobieren. Es war besser als jeder Karate-Kampf. Keine Regeln, keine spezielle Technik…" "Einfaches Überleben. Ich sag doch, das macht Spaß", warf Inuyasha ein. "Das macht richtig Spaß. Ich freue mich auf eine Wiederholung." "Die wird es nicht geben", ließ Yuichi von seinem Mahl ab. Seine Augen funkelten und Yuki wurde schwach. "Lisa", erklang Anjaanis Stimme drohend, als sie Yuichi an sich ziehen wollte. Yuki schüttelte die aufkeimende Lust ab. "Es war nicht mein erster Kampf", rief sie ihm ins Gedächtnis. "Normalerweise bin ich kein Teamplayer." "Aber wir waren ein gutes Team", gab Inuyasha zu. "Es hat sein Gutes gehabt", sagte er beschwichtigend zum Japaner. Der bezweifelte dies stark. "Kein Hundedämon wird sich mir mehr widersetzten und niemand wird je einer der Drillinge zu nahe kommen." "Öffentliche Enthauptungen sind auch etwas einschüchternd. Das war ganz anders, als ich es je in einem Film gesehen habe." Yuichi fiel der Bissen von der Gabel. "Du hast gesehen, wie er jemandem den Kopf abgetrennt hat?! Er hat vor deinen Augen jemanden geköpft?!" "Es geschah so schnell", zuckte sie die Schultern. "Ich hab nicht wegschauen können. So schlimm war das nicht. Ich bin nicht so empfindlich." "Offensichtlich", schauderte es Yami. "Ich habe noch immer Alpträume von dem Kampf, den ich mitansehen musste." Yuichi lächelte Yuki liebevoll an. "Soll ich dich dafür bewundern, oder mir Sorgen machen? Du bist und bleibst eine Amazone." "Aber Amazonen sind männerfeindlich." "Du bist ja auch meine kleine Amazone." "Deine. Nur deine", versicherte sie. "Wie viele Frauen arbeiten eigentlich für den DSE?", wechselte sie abrupt das Thema, bevor Yuichi sie wieder schwach machen konnte. "In der Verwaltung hunderte", überlegte Inuyasha. "Im Einsatz nur die rote Nervensäge. Du wärst keine schlechte Kämpferin. Du darfst nur keine Angst haben, mehr als nur Schmerzen zuzufügen." "Aryan tötet ja auch nicht. Und ich habe echt Lust für den DSE zu arbeiten." "Wir arbeiten zusammen, du und ich. Das wird lustig." "Nein. Sie wird bestimmt nicht für den DSE arbeiten", sagte Yuichi entschieden. "Und garantiert nicht mit dir!" "Da hat immer noch Aryan das letzte Wort, Liebling." "Nein. Du wirst bestimmt nicht für den DSE arbeiten", sagte Aryan entschieden. Nur wenige Minuten später, als er endlich beim Abendessen erschien. "Und garantiert nicht mit diesem Berserker." "Hey, ich bin kein Berserker", schmollte Inuyasha. "Ich bin dein bester Kämpfer." "Und ohne mich hättest du heute deinen besten Kämpfer verloren." "Mein bester Kämpfer hätte dich nicht in solch eine Situation bringen dürfen", blieb Aryan hart. "Du solltest die Hundedämonen im Griff haben." "Ich habe sie im Griff", versicherte Inuyasha missmutig. "Mir wird sich keiner mehr widersetzen. Weibliche Kämpfer sind von Vorteil Aryan…" "Die Drillinge kommen nicht in Frage!" "Wir waren so ein perfektes Team. Sie ist weniger zimperlich als du." "Schlag dir das gemeinsame Kämpfen aus dem Kopf." "Aber du hättest Yuki sehen sollen…" "Nicht meine kleine Schwester!" "Du bist egoistisch!", warf ihm Inuyasha knurrend vor. "Und du rücksichtslos. Gut, ihr habt meinen Segen", gab er klein bei. "Wenn Yuichi dem zustimmt. Er hat das letzte Wort." Yuichi verschränkte die Arme vor der Brust, sein finsterer Gesichtsausdruck war Antwort genug. "Wer hätte gedacht, dass ihr euch gemeinsam prügeln müsst, um euch anzufreunden", freute sich Anjaani. "So ist das mit Männerfreundschaften", erklärte ihr Yuki. "Man misst einen Freund daran, wie gut er deinem Feind in die Fresse hauen kann." Inuyasha schlug seinen Kopf kameradschaftlich gegen ihren. "Du sagst es, blauer Zwerg!" "So, eines will ich jetzt klar stellen", sprach Aryan plötzlich autoritär. "Inuyasha! Yuki!" Beide sahen ihn schuldbewusst an. "Ihr benehmt euch. Keinen Blödsinn, solange ich im Urlaub bin. Ihr sucht euch nicht jemanden zum kämpfen. Habt ihr verstanden?" "Ja, General", sagten beide brav. "Ich meine es ernst. Schluss mit den Prügelpartnern! Morgen Mittag fliege ich weg. Ich will mir nicht ständig Sorgen wegen euch machen müssen. Fragt Yami, was mit euch passiert, wenn ich meinen Urlaub frühzeitig abbrechen muss." Yami lächelte engelsrein. "Die ewige Hölle wird ihnen wie ein kleiner Spaziergang vorkommen. Ihr seid fällig." "Apropos fällig." Yuki sah ihren Freund an, dem bei ihrem Blick alles Blut automatisch gen Süden wanderte. "Ich bin satt, Liebling." Eher er reagieren konnte, hatte sie seinen Arm gepackt und war mit ihm aus der Wohnung gestürmt. Inuyasha knirschte. Da war's dann wohl mit dem Pläne schmieden nachher. Solange sie so drauf war, konnte er das Baumhaus vergessen. Er wandte demonstrativ den Kopf ab, als er bemerkte wie Yoko ihn beobachtete. Ihr und ihrem scharfen Verstand entging nichts. Er wusste, er würde sich nachher auch vor ihr rechtfertigen müssen. Spätestens wenn er sie nach Hause begleitete. "Ich fasse es nicht, dass gerade so jemand wie Yuki tatsächlich glaubt, dieses Baumhaus bauen zu können", hauchte Yoko fassungslos, nachdem sie sich 10 Minuten lang darüber entsetzt hatte, dass er vorhatte Anjaani irgendwann zu verlassen. Zum zweiten Mal fuhr er heute im Auto der Drillinge mit, allerdings mit einer anderer Fahrerin. "Ich mache da nicht mit", wiederholte sie zum fünften Mal. "Ich werde bei diesem Abschiedsgeschenk nicht helfen! Das ist so eine Heuchelei! Was für eine Ironie! Du erfüllst ihr ihren größten Wunsch, kurz bevor du ihr das Herz brichst. Ihr Wunsch erfüllt sich, weil ihr Traum platzt! Das ist so absurd!" Inuyasha ließ die Anschuldigungen über sich ergehen. Er hatte schon gewusst, warum er die Blaue um Hilfe gebeten hatte und nicht die Rote. "Das ist für dich Anjaani", äffte sie seine Stimme so tief sie konnte nach. "Lebe deinen Traum, aber leider ohne mich. Tschüss! Schönes Restleben noch!" Inuyasha atmete erleichtert aus, als sie den Wagen anhielt. Er bereute es, mitgefahren zu sein. "Hör mal zu, Nervenzwerg." Yoko hörte ihn in ihrer Schimpftriade nicht. "Dieses scheiß Baumhaus wird ihre Grabstätte…" "Yoko!" "Ich bin nicht fertig mit dir! Hast du eigentlich auch mal daran gedacht, dass…?" Es gab nur einen effektiven Weg, Frauen zum Schweigen zu bringen. "Und wie zum Teufel sollen wir das vor Aani geheim halten? Wir können nicht einfach auf ihrem Land ein Haus bauen, ohne dass sie-" Inuyasha schlang den Arm um ihre Taille, riss sie an sich… ihre Augen weiteten sich, ihr Atem stockte… und er legte den Zeigefinger auf ihren Mund. Ihre weichen, warmen Lippen. "Sei jetzt endlich ruhig." Er beugte sich näher zu ihr, hörte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte. "Zwing mich nicht, dich anders zum Schweigen zu bringen." Yokos Nacken begann zu prickeln. Sie meinte etwas in seinen Augen zu sehen. Feuer. Und sie liebte es, mit dem Feuer zu spielen. "Das traust du dich nicht, Hündchen", bewegten sich ihre samtigen Lippen unter seinem Finger. "Nimm die Hand da weg." "Ich lasse dich los, wenn du mir zuhörst", raunte seine Samtstimme. "Und ich verpetze alles Aani, wenn du nicht deine Hände von mir nimmst." "Ich tu dir ja nichts", grollte er und schloss ihre Wohnungstür auf. Es ein einfacher Ablauf, seit sie Romeo abgewiesen hatte. Inuyasha inspizierte kurz die Wohnung, kontrollierte die Fenster und sah auf dem Balkon nach. Niemand da. Nur der Wind und die tiefer sinkende Sonne. "Er ist in der Nähe", erschnupperte Inuyasha die Abendluft. "Nicht in Reichweite, aber er lauert da draußen." "Natürlich lauert er da draußen", lehnte Yoko sich über das Balkongeländer. "Er ist ein Geschöpf der Nacht." "Genauso wie diese Spinne da", deutete er auf das kleine Tier, dass sich eine Handbreit von Yokos Fingern sein Netzt webte. Der kommende Schrei war ohrenbetäubend. Im Reflex sprang sie an Inuyashas Brust, die Arme um seinen Kopf geklammert, die Beine fest um seine Taille geschlungen. "Mach sie weg! Mach sie weg! Mach sie weg!" Seine Ohren klingelten. "Beruhige dich! Und hör auf so zu zappeln! Bäh!" Ihre Haare hingen in seinem Mund. "Inuyasha! Mach das Viech weg!" Er drehte verzweifelt den Kopf in jede Richtung, doch ihr Haar war überall. Sie klammerte sich panisch an ihn, drückte sich höher, bis ihre Brüste sich gegen sein Gesicht pressten. Weiche, pralle, feste Brüste. Mit einem Schlag wurde ihm ihre Weiblichkeit bewusst, ihre zarte Haut, die Rundungen ihres Körpers. Und der Jäger, der schon so lange unbefriedigt blieb, drohte aus seinem Käfig zu brechen. Er packte sie fest an den Schultern. Sie sah ihn an, Tränen in den schönen, runden Augen. "Yoko, du beruhigst dich jetzt, oder ich muss dich ruhig stellen!" Sie erstarrte und an ihren sich rötenden Wangen, bemerkte er, dass auch sie sich ihrer Situation bewusst wurde. Sie löste die Beine, ließ sich von ihm auf die Füße stellen. "Hast du nicht behauptet, der Jäger in dir wird nicht gereizt?" "Du reizt den Mann in mir, wenn du mir deine Brüste ins Gesicht drückst", grollte er. "Du würdest bei mir schwach werden?!" "Nein! Aber du musst es nicht extra herausfordern!" Das tat Anjaani schon genug. Tag für Tag. "Wir sind wohl beide einsam", seufzte sie und schlang die Arme um ihre Schultern. Die Abendluft wurde kühler. Es war schon fast September. "Hilfst du mir jetzt beim Bau?" Sie schüttelte entschieden den Kopf. "Mal angenommen, dass man auf diesem Land bauen darf, dieses Baumhaus wird ein Schlag ins Gesicht. Du begibst dich auf Messers Schneide. Und ich lasse das nicht zu." "Hast du eine bessere Idee?" "Denk nach. Das wichtigste in ihrem Leben wird sie verlassen. Retten kann sie nur etwas anderes, das ihr mindestens genauso wichtig ist." Inuyashas Ohren zuckten ahnungslos. "Du wirst ausrasten…" "Sag es einfach." "Ein Kind." Sein Gesicht entgleiste. "Ein Kind von dir." Inuyasha war erstarrt und sein Gehirn arbeitet auf Hochtouren. Er wusste, wie sehr Anjaani Kinder liebte. Vielleicht sogar mehr als ihn. Und er wusste, dass dies ihr größter Wunsch war. Sie würde ewig unter dem Verlust ihres Embryos leiden. Und so langsam beschlich ihn auch eine Ahnung, was hinter ihrer Mauer weggesperrt war… "Etwas schlimmeres könnte ich ihr nicht antun", sagte er entschieden und Yoko schrumpfte unter seinem kalten Blick. "Ich schenke ihr eine Familie, um sie dann zu zerreißen?! Das wäre barbarisch! Hilf mir mit dem Baumhaus, oder lass es!" Dem Drilling fröstelte es. "Geh rein, du frierst", sagte er sanft. "Versteh mich doch", murmelte sie an der Balkontür. Er blieb mitten auf dem Geländer stehen, von dem er gerade springen wollte. "Es ist nicht so, dass ich dir nicht helfen will…" Sie seufzte schwer. "Es ist nur so, dass ich auf ein Happy End hoffe. Ich..." Sie rang mit den Worten, wandte dann beschämt den Blick ab. "Ich würde dich vermissen." Sie spürte plötzlich seine Nähe. Sein Finger, der sich sacht unter ihr Kinn legte, es anhob, damit sie ihm in die liebevoll glimmenden Augen sehen konnte. Seine Lippen drückten ihr einen Kuss auf die Stirn, dann war er im Sonnenuntergang verschwunden. "Endlich Zuhause", war Inuyashas erster Gedanke, als er auf Anjaanis Balkon landete. Wehmut erfasste ihn. Das hier war sein Zuhause, hier fühlte er sich zugehörig. Aber es war falsch, denn er gehörte nicht einmal in diese Zeit. Er würde das alles hier vermissen… er musste an Yokos Worte denken. Auch die Drillinge würden ihm fehlen, denn er hatte sie lieb gewonnen. Aber ein Happy End, wie Yoko es sich wünschte, würde es nicht geben. Er musste seine Beziehung zu Anjaani auf rein freundschaftlicher Ebene führen. Als er die Türe öffnete, wäre er gerade wieder rückwärts gestolpert. Der Duft, der die Wohnung erfüllte, haute ihn um. Und seine guten Vorsätze schwanden, als sein Geruchssinn seinen Verstand besiegte. Was er roch, ließ ihm das Wasser im Mund zusammen laufen. "Auf die Sekunde genau, Saajan", strahlte sie ihn vom Mixer aus an. Sie verteilte gerade frisch gemachte Eiscreme auf zwei Schüsseln. "Es ist gerade etwas abgekühlt, sodass du es essen kannst. Hast du Lust auf gebackene Himbeeren mit Streuseln, Saajan?" Saajan. Seit er wusste, was das bedeutete, war ihm dieser Spitzname heilig. Seine Augen leuchteten, und sein Bauch schien sich wie verrückt zu freuen. "Wann…?", begann er. "Solange du Yoko weggebracht hast." "Warum…?" "Weil ich mir sicher war, dir damit eine Freude zu machen." Wärme erfüllte ihn. Wieso machte sie es ihm so schwer? Wie konnte man sie denn nicht lieben? Ihm wurde bewusst, wie er sie ansah, als der Ring um ihre Pupille sich vergrößerte. "Inuyasha, das ist nur etwas zu essen. Schau mich nicht so an." "Wie?" Sein Blick verdunkelte sich, als er sich zu ihr beugte und ihre Knie wurden weich. "Bitte… ich mag das nicht…" Ihre Stimme strafte ihrer Worte Lügen. "Aha." Sie blinzelte und ihre goldenen Augen verschleierten sich. "Was genau hast du jetzt vor?" "Um ehrlich zu sein", wurde seine Stimme leiser. "Will ich meinen Nachtisch." "Dann hol ihn dir…" Oh... Oh nein! "Anjaani." Er schloss die Augen. "Du forderst mich heraus." "Ich weiß." Er riss die Augen auf, starrte in ihre, ein Lächeln auf den Lippen, einladend, sinnlich… verlangend. Oh verdammt! "Saajan", wisperte sie und betörend schmiegte sich ihr Arm um seinen Nacken. Seine Haut begann zu kribbeln. "Entfache kein Feuer, wenn du es nicht bändigen kannst." Ihr Blick verbrannte deinen Verstand zu Asche. "Denn ich habe es satt immer nur zu träumen." Es war dieser winzige Runzler auf seiner Stirn, den sie als Unsicherheit deutete. Inuyasha wollte sie nicht. Er hätte keine Gefühle dabei, wenn sie sich nahm, was sie begehrte. Nur simples sexuelles Verlangen. Mehr nicht. Aber sie wollte mehr. Inuyasha war völlig überwältigt. Willenlos und bereit sein Leben für nur eine Berührung zu geben. Scheiß auf seine Vergangenheit! Scheiß auf Kagome! Er sollte Anjaani gehören, mit ganzem Herzen! Für den Rest seines Lebens! Jetzt? Dies war der Moment, dieses verhängnisvolle kleine Stirnrunzeln. Ja, jetzt! Los, Dämon! Doch Anjaanis Augen wurden auf einen Schlag braun, sie nahm sofort die Hand von seiner Schulter. "Es tut mir leid", raunte sie. "Was?" Ihm war, als wäre er von einer Wolke gestürzt. "Ich wollte nicht, dass du dich unwohl fühlst. Ich habe vergessen, dass du dir deine… Mitspielerin selber aussuchst." In dem Moment, in dem sie sich abwandte, begriff er. Sie hatte seine instinktive Mimik falsch verstanden. Shit, nein! "Anjaani!" Anjaani war schon fast auf dem Balkon, um den Sonnenuntergang zu genießen. "Anjaani, du hast das falsch verstanden…" Sie drückte ihm seine Schüssel in die Hand, ohne die Augen vom brennenden Himmel zu nehmen. "Geht es Yoko gut?", fragte sie. "Ja, warum?" Wieso ging er jedes Mal auf ihren Themenwechsel ein? "Weil du nach ihr duftest. Zumindest glaube ich, dass es Yokos Duft ist." Er brauchte kurz, um zu antworten, weil der Geschmack der weichen Eiscreme kombiniert mit der fruchtigen Himbeere und den knusprigen Streuseln seine Sinne völlig durcheinander brachte. "Da war eine Spinne neben ihr…", begann er zu erklären. "Ehe ich reagieren konnte, hat sie versucht, mir auf den Kopf zu klettern. Und meine Ohren klingeln immer noch." "Sie sind unbesiegbare Amazonen", kicherte Anjaani und streckte die Finger nach einer kleinen Spinne aus, um sie zu streicheln. "Doch solch harmlose Lebewesen können sie bezwingen." "Jeder hat Schwächen", erklärte Inuyasha, mühsam beherrscht sich nicht die ganze Schüssel dieser Köstlichkeit in den Schlund zu kippen. "Auch ich. Das macht uns ja menschlich." Sie drehte sich zu ihm, ein überraschtes Schimmern in den schönen Augen. "Seit wann stört es dich nicht, menschlich zu sein?" "Ich wollte immer ein vollblütiger Dämon sein." Sein Lächeln wurde sanft. "Aber du hast mir gezeigt, dass ich perfekt bin, wie ich bin. Dank dir akzeptiere ich mich." Seine Worte zauberten einen lieblichen Hauch Rosa auf ihre Wangen. "D- du…" Ihre Stimme war schwach. "Du bist so schon stärker als jeder vollblütige Dämon." "Ein vollblütiger Alpha meiner Art ist unvorstellbar stark", widersprach er weich. "Hat er auch ein Herz, so wie du?" "Nein. Mitleid, Gerechtigkeit, Gnade. Das sind Gefühle, die mich stark machen. Ich möchte keine kalte Bestie sein. Der Hundedämon am See hätte Yuki rücksichtslos vergewaltigt und… das will ich mir gar nicht ausmalen", stöhnte er entsetzt und schüttelte den Kopf. "Ich war nie so. Ich war einfühlsam…" Sie kicherte. "Einfühlsamer als meine Artgenossen", bemerkte er. "Ich habe immer versucht die Schwachen und Unschuldigen zu beschützen. Und ich habe mir nie eine Frau mit Gewalt genommen, nie etwas getan, was sie nicht wollte…" "Und wenn sie verschüchtert, verunsichert und verschreckt war?" So wie sie selber? "Kaum vorstellbar, aber gerade für solche Frauen hatte ich ein Händchen. Ich glaube, genau deswegen war ich beim anderen Geschlecht so beliebt." "Und diese Bestätigung hat dir das Selbstvertrauen gegeben, dich zu der starken Persönlichkeit gemacht, die du bist." Er sah in ihre Augen, diese Augen voller Verständnis, voller Wärme. Ihre Augen, die jede Seele durchleuchten können. "Jämmerlich, oder?" "Warum? Weil du dich durch die Bewunderung anderer stärkst? Wie sollst du dich denn selber akzeptieren können, wenn du von deiner Außenwelt abgelehnt wirst? Die Kraft zur Selbstliebe muss auch von irgendwoher kommen. Und nebenbei", grinste sie schelmisch. "Es ist äußerst befriedigend, seine Konkurrenz dermaßen auszustechen." "Selbst wenn man damit konkurriert, wer die meisten Frauen verführt hat?" Sie blinzelte, errötete, doch sah ihn weiterhin an. "Hast du ihnen je weh getan?" "Nein", war die sofortige Antwort. "Hast du je etwas getan, was ihnen nicht gefallen hat?" "Natürlich nicht." "Hast du je eine Frau gezwungen? Sich ihr aufgedrängt? Egoistisch gehandelt?" Er runzelte angewidert die Stirn. "Niemals!" "Dann hast du nichts, was du dir vorwerfen musst", erwiderte sie. "Ich weiß, ich benehme mich unnormal, bin verklemmt, verstaubt, verschlossen, verständnislos und…" "Anjaani." Sie verstummte, als er liebevoll eine Hand an ihre Wange legte. Wärme breitete sich kribbelnd über ihre Wirbelsäule aus. "Du wurdest nie so behandelt, wie du es verdienst." Seine Stimme schien aus Samt zu sein. "Du hast nie Wärme und Geborgenheit erfahren, geschweige denn Liebe. Zu allem Überfluss hat dich der Mensch, dem du deine Zukunft anvertrauen wolltest, aufs brutalste misshandelt. Wie kann man einer Sache etwas Gutes abgewinnen, wenn man es als einen Alptraum erlebt hat?" Sie war erstarrt, wie gebannt von seiner liebevollen Stimme. Er nahm ihr ihre Schüssel aus der Hand, legte sie neben seine leere auf das Fenstersims und zog sie in seine Arme. Instinktiv umschlang sie seinen Rücken und ein wohliger Schauer durchrieselte sie. Seine Nähe war unglaublich schön. Und sein Duft Gefahr für ihre Sinne. Warum konnte sie nicht ewig hier stehen, in seinen Armen, an seinem Herzen? Hier mit ihm gemeinsam den Sonnenuntergang ansehen. Das war so schön. Träumte sie wieder? Aber die Gefühle, die sie überkamen waren so intensiv, so real. "Du bist nicht unnormal, Anjaani", summte seine Stimme in seinem Brustkorb. Er klang, als würde er ihre Nähe ebenso genießen. "Ich mag deine Unschuld, sie macht dich zu etwas ganz besonderem." "Ich…ich bin nicht unschuldig", flüsterte sie und vergrub das Gesicht in seiner Brust. "Ich könnte dir… nicht w- widerstehen." Er spürte die Röte in seinen Kopf schießen. "Das hat doch nichts mit Unschuld zu tun", versicherte er. "Außerdem gilt das doch nur für mich?" Sie nickte hastig, das Gesicht in den Falten seines T-Shirts vergraben. "Du bist so unvoreingenommen, verurteilst nie, wertest nie, akzeptierst jeden so wie er ist. Du siehst in jedem das Beste. Das meine ich mit unschuldig. Deine Seele ist so rein. Selbst, wenn du ein Liebesleben hättest, das ändert nichts an deinem schuldlosen Charakter." "Inuyasha?" "Was- Anjaani!" Entsetzt betrachtete er die Tränen, die ihr aus den Augen liefen. "Warum weinst du, was-" "Weißt du, wie gut das tut, so etwas zu hören?", weinte sie leise. "So ehrliche Worte? Etwas anderes, als nur, wie schön ich sei? Danke, Saajan." Sie vergrub sich wieder an seiner Brust, ehe er etwas erwidern konnte. "Jetzt ist mir klar, wie du eine verschüchterte, verschreckte, verunsicherte Frau verführen könntest. Danke für die kleine Demonstration." Ein Lachen entsprang seiner Kehle, wie eine sprudelnde Quelle und erfüllte seine komplette Brust. "Das war nicht meine Absicht, aber gern geschehen! Ich wollte dir bloß sagen, wie einzigartig du bist und warum ich so gerne bei dir bin." Ein weiterer wohliger Schauer erfasste ihren Körper und sie presste sich fester an ihn. "Saajan", murmelte sie selig. "Ich liebe es, was ein wenig Nachtisch mit deinem Benehmen anstellt." "Apropos", sein gierigen Augen wanderten zum Fenstersims. Ihre Schüssel war noch voll. "Isst du deinen denn nicht?" "Bediene dich", murmelte sie, das Gesicht gegen seinen Oberarm geschmiegt. "Dafür musst du mich loslassen…" Doch sie umschlang ihn nur fester. "Halt mich bitte noch etwas. Ich will jetzt nicht, dass du mich los lässt." Und warum zum Teufel sollte er dem Paradies entsagen? Als Antwort schmiegte er die Wange in ihr Haar und küsste ihren Scheitel, ohne zu realisieren, was er da tat. "Nochmal", summte ihre leise Stimme, ohne sich dieses Wortes wirklich bewusst zu sein. Sofort senkte Inuyasha die Lippen auf ihren Scheitel. Ein Laut wie ein leises Schnurren, entwich ihrer Kehle. Und er drückte noch einen Kuss auf ihr Haar. Sie hob leicht den Kopf, in Hoffnung auf mehr. Inuyashas Lippen wanderten über ihr Haar, platzierten warme Küsse auf ihre Locken und sie reckte sich ihm entgegen. Als seine Lippen ihre Stirn berührten, erschauderte sie und ein halb ersticktes Schnurren entkam ihren geöffneten Lippen. Inuyasha war verloren, ergab sich ihrem Zauber. Ein Kuss nach dem anderen. Es war wie ein Rausch. Sanft, warm und magisch. Er wanderte über ihre Augenbrauen, ihre Schläfe entlang. Sie seufzte und hob das Gesicht. Seine brennende Spur zogen sich über ihre Wangen bis zu ihrem Mundwinkel und verharrten dort. Ihr Atem stockte hörbar und ihre Augen öffneten sich flatternd. Sprühend golden. Seine dunklen Bernsteinaugen, seine Lippen an ihrer Haut, sein prickelnder Atem und er presste sie fest an sein Herz. "Anjaani, willst du das?", flüsterte er heiser, gab ihr eine letzte Chance zum Rückzug. "Ja." Und sie küsste ihn. In genau dem Moment ertönte ein wildes Hämmern gegen die Wohnungstür, so donnernd laut, dass die beiden erschrocken zusammenzuckten. "Was zur Hölle…?", setzte er an, mehr als nur wütend über diese Störung. Anjaani eilte wortlos zur Tür. Irgendetwas schlimmes musste passiert sein. Vor der Tür stand ein Mann, offensichtlich in heller Panik. Inuyasha kannte diesen Japaner nicht, er hatte ihn noch nie gesehen. "Aani! Schnell, ich brauche deine Hilfe!" Inuyasha stöhnte genervt auf. Nicht schon wieder! Garantiert hatte er Ärger mit seiner Frau oder Freundin und Anjaani musste wieder als seelischer Mülleimer herhalten. Sie tat ihm so leid. Doch Anjaani würde nie jemanden im Stich lassen, egal wie sehr es sie selber belastete. Und das liebte er an ihr. "Kenta, beruhige dich. Was ist passiert?", fragte Anjaani, im Türrahmen gelehnt, nicht bereit, den Störenfried rein zu lassen. "Es ist gerade ungünstig." Inuyasha stutzte. Hörte er schlecht?! Sie warf ihm einen kurzen Blick über die Schulter zu und er riss die Augen auf. Der Besuch störte sie mindestens so sehr wie ihn! Anjaani wollte jetzt bei ihm sein und sich um niemand anderen kümmern müssen! Er brachte sie dazu egoistisch zu sein. "Aani, es ist dringend! Tetsumi liegt in den Wehen. Wir müssen ins Krankenhaus!" "Und ich soll auf Mia aufpassen? Um die Uhrzeit?" "Bitte, Aani! Ich kann sie so kurzfristig nirgends unterbringen!" "Was ist mit Lena und Makoto?" "Sie mag ihre Großeltern nicht, das weißt du doch!" "Und ihre Tanten?" "Ich kann die Drillinge nicht erreichen. Mia liebt dich. Bitte, Aani, es ist eilig, warum hilfst du mir nicht?" Anjaani zuckte zusammen. Ja, warum half sie nicht? Was zum Teufel war in sie gefahren?! Da stand ein verzweifelter Ehemann, dessen Frau mit dem zweiten Kind in den Wehen lag und er bat sie, auf seine 4-Jährige aufzupassen. Wegen einem Kuss wollte sie ihm nicht helfen? Was hatte Inuyasha mit ihr angestellt, dass sie so ein eiskaltes Miststück war? Anjaani schüttelte das Brennen in ihrem Inneren ab und legte dem Schwager der Drillinge beruhigend die Hände auf die Schultern. "Entspanne dich, Teti wird nicht in den nächsten 10 Minuten gebären. Das geht auch bei dem zweiten Kind nicht so schnell. Wie lang sind die Abstände zwischen den Wehen?" "10 Minuten. Aber sie werden stärker!" "Ist Mia noch im Auto?" Er nickte hektisch. Und Anjaani nahm ihn liebevoll am Arm und zog ihn die Treppen hinunter. Inuyasha atmete tief durch. Das Brennen seines Blutes beruhigte sich so langsam. Anjaani hatte ihn geküsst. Sie hatte ihn verzaubert, verführt und verdammt! Sie waren verflucht. Das war doch nicht normal! Die Stimmung war perfekt, der Ort, die Zeit, nichts hätte stören können. Und dann das. Es war ein Zeichen. Ein Zeichen, dass es nicht sein sollte. Dass sie sich nicht nahe kommen durften. Das Schicksal hatte sie zusammen geführt, doch es arbeitete so verbissen gegen sie. Aber es fiel ihm schwer zu widerstehen, wenn sie… mitspielte. Würde sie nein sagen, ihn abweisen, dann hätte er kein Problem. Aber wenn sie ihn herausforderte, wie konnte er so widerstehen? Zeit nachzudenken blieb ihm keine, denn sie kam zurück mit einem kleinen Mädchen auf dem Arm. Und er erkannte die Nichte der Drillinge an der rotbraunen Farbe ihres geflochtenen Haars. Sie trug einen roten Schlafanzug mit kleinen Hunden drauf und hielt einen schneeweißen Stoffhund im Arm. Er konnte ahnen, was ihr Lieblingstier war. "Bist du müde, Mia, mein Schatz?", schmiegte sich Anjaani an das süße, puppenhafte Gesicht der Kleinen. Kinder standen ihr gut, das musste Inuyasha sich eingestehen. "Darf ich bei dir schlafen, Aani-chan?" "Natürlich. Und wenn du morgen aufwachst, hast du einen kleinen Bruder." Dann entdeckten die großen, dunkelbraunen Augen den Hundedämon und sie drückte sich enger an Anjaani, starrte aber auf seine Ohren. "Das ist Inuyasha", lächelte Anjaani und Inuyasha versuchte, nicht so furchteinflößend auszusehen. "Inuyasha wohnt bei mir. Er ist ein Hundedämon, ein ganz weißer Hund, dein Lieblingstier." "Beißt er mich?", hörte er das leise, verunsicherte Stimmchen. "An dir ist doch nichts dran", sagte Inuyasha. "Er beißt nicht, Mia", versicherte Anjaani und blitze ihn warnend an. "Er beschützt uns. Er kämpft gegen die bösen Dämonen, damit uns nichts passieren kann." "Tante Yami sagt, die gemeinen Jungs sind doof. Ich mag nur liebe Jungs." "Inuyasha ist der allerliebste. Er hat deine Tante Yami auch schon mal gerettet. Und Tante Yuki auch." Dass er Yoko aber fast geköpft hätte, verschwieg sie. Mia blieb skeptisch. "Aber Kago-san sagt, er tut Kinder beißen." "Deine Tante kennt ihn aber nicht. Was habe ich dir gesagt über Vorurteile? Weißt du das noch?" "Erst jemanden kennen und dann sagen, wie er ist." "Du bist so ein schlaues Mädchen! Willst du noch eine warme Bananenmilch, bevor wir schlafen gehen?" Der Hund und das Mädchen sahen sie begeistert an. Anjaani lachte und drückte Inuyasha einen Kuss auf die Wange. "Du kriegst auch eine, Saajan. Aber, Mia, dafür musst du von mir runter." "Ich will aber schmusen." "Mit Inuyasha kann man ganz toll schmusen. Geh doch solange zu ihm, ja?" Die kleine Mia zögerte etwas und auch Inuyasha war verunsichert. Sollte er jetzt die Kleine nehmen? Doch als er ihr die Arme entgegen streckte, beugte sie sich rüber zu ihm und schlang die dünnen Ärmchen um seinen Hals. Sie betrachtete ihn ganz genau. Die Lust, an seine Ohren zu greifen, sah man der Vierjährigen deutlich an, doch die Unsicherheit hielt sie zurück. Die Ähnlichkeit zu den Drillingen war nicht zu übersehen. Mia besaß die gleiche runde Augenform und die gleichen Schmolllippen. Mal abgesehen von den rotbrauen Haaren, die alle Higurashi-Töchter von Lena geerbt hatten. "Ich kriege morgen einen Bruder", sagte sie zu Inuyasha. "Ich weiß", antwortete er. "Mama macht ihn jetzt aus ihrem Bauch. Und Papa hilft ihr." "Das ist nett von ihm", sagte Inuyasha, weil ihm nichts besseres einfiel. "Er muss Mama helfen. Er hat das Baby auch gemacht. Gell, Aani-chan?" Inuyasha fiel fast die Kinnlade herunter. "Du hast sie aufgeklärt, Anjaani? Kleine, wie alt bist du?" Sie hielt ihm vier Finger hin. "Inuyasha, sie weiß das nötigste", ermahnte ihn Anjaani aus der Küche. "Aber nicht alles. Du hast keine Ahnung, wie viele Fragen sie stellt. Ich habe ihr das beigebracht, was sie wissen darf. Besser ich, als ihre drei Tanten. Komm, Mia, erklär Inuyasha mal, wie man Babys macht." Und die Vierjährige setzte Yokos berühmten belehrenden Gesichtsausdruck auf. "Mama und Papa haben sich ganz lieb, wenn sie ein Baby wollen. Papa macht dann ein bisschen von sich in Mamas Bauch und dann wächst ein Baby und kommt unten raus, wenn es fertig ist. Ein Baby ist Liebe. Gell, Aani-chan?" "Ganz genau", strahlte Anjaani. "Und du bist auch Liebe." "Hast du den da lieb?", fragte sie plötzlich. "Inuyasha?", war Anjaani am Mixer beschäftigt. "Ganz arg." "Macht er dir auch ein Baby?" Inuyasha hätte das kleine Mädchen fast fallen lassen. Er spürte das Blut in seinen Kopf schießen. "Nein, ich kriege kein Baby." "Du hast ihn doch lieb. Und du hast ihn geküsst." Inuyasha war überrumpelt. "Anjaani bekommt kein Baby." "Aber ihr habt euch lieb", beharrte die Kleine. "Sie küsst dich. Ein Kuss ist Liebe." "Ein Kuss ist keine Liebe", wurde er jetzt ungehalten. "Ich darf bei ihr wohnen. Nur weil man sich küsst, heißt es nicht, dass man sich gern hat." Anjaani wäre fast das volle Glas Bananenmilch aus der Hand gefallen. Sie nahm ihm die Kleine aus dem Arm, der Blick dunkel und anweisend. "Nicht?" "Natürlich nicht!" "Was erzählst du ihr für einen Blödsinn?!" "Das ist die Wahrheit! Hinter einem Kuss stecken nicht automatisch Gefühle." "Ach, nein?! Was bedeutet dir denn ein Kuss?" "Das Verlangen nach Nähe. Es muss nicht sofort Liebe sein." "Das ist falsch!", zischte sie ihn an. "Nein, das ist realistisch", korrigierte er. "Du erziehst die Kleine zu einem hoffnungslosen Träumer. Die Welt ist nicht so rosarot, wie du es ihr erzählst. Sie wird sich dem anderen Geschlecht mit absolut überzogenen Erwartungen nähern und dann bitter enttäuscht werden." "Warum? Weil Männer nur Lust wollen, keine Liebe?!" "Anjaani, du musst realistisch bleiben. Ein Kuss führt nicht sofort zum Traualtar." "Und wo führt er dann hin?", wurde sie laut. Sie hielt der trinkenden Mia die Ohren zu. "Ins Bett?!" "In der Regel. So ist es nun mal zwischen-" "Ist es so zwischen uns?", unterbrach sie ihn laut. "Hätte unser Kuss so geendet, wenn Mia nicht gekommen wäre?" Er ballte die Fäuste. "Schrei mich nicht so an. Du hast mich geküsst. Nicht umgekehrt. " "Weil ich dich liebe", schrie sie schon fast. "Weil es mir etwas bedeutet, dich zu berühren! Hätte ich gewusst, dass du nur Sex willst, hätte ich niemals angefangen!" "Wir sind Freunde, Anjaani, ich werde irgendwann gehen! Ich liebe dich nicht, nur weil ich deinen Kuss erwidere!" Und augenblicklich bereute er seine Worte. Anjaani sah ihn genauso entsetzt an, wie das Mädchen auf ihrem Arm. Im Gebrüll hatte er sein Gebiss entblößt. Mia starrte seine spitzen Zähne an, die langen Reißzähne. Sie zitterte und dann brach sie in ängstliches Geheule aus. "Oh nein", jammerte Anjaani und drückte das plärrende Kind an sich. "Mia, beruhige dich bitte. Hunde bellen manchmal. Er tut dir nichts. Nicht wahr, Inuyasha?" Inuyasha hielt sich die schmerzenden Ohren zu. "Jetzt sag doch was!" "Was soll ich sagen? Du hast mit dem Streiten angefangen!" Ihre Augen füllten sich mit Schmerz. Er hörte ihre leise Stimme über Mias Schluchzen hinweg. "Ich weiß, es ist immer meine Schuld. Das tut mir leid." Inuyasha war dankbar dafür, zu einem Einsatz gerufen zu werden. Das Geplärre der Göre war unerträglich. Fast so schlimm wie Anjaanis Enttäuschung. Er war wütend. Nicht über ihre Erwartungen an ihn, sondern über sein Mangel an Taktgefühl. Natürlich erhoffte sie sich mehr von einem Kuss, aber er konnte ihr nicht mehr geben. Warum war er so schwach? Sie war ihm doch wichtiger als sein Jagdtrieb? Seine Gedankenversunkenheit kam ihm teuer zu stehen. Beinahe. "Sei aufmerksam, oder du warst mein bester Kämpfer", beschwerte sich der Dämonenjäger sanft, der ihm gerade die Haut gerettet hatte. "Warum bist du hier?", wunderte sich Inuyasha. "Noch habe ich keinen Urlaub", bemerkte Aryan. "Den kannst du auch erst haben, wenn du mit der Arbeit aufhörst. Oder vertraust du mir nicht?" "Ich vertraue dir, wenn du bei der Sache bleibst." "Der Giftzwerg!", riss Inuyasha die Augen auf. "Sie hat es dir gebeichtet und jetzt ist alles abgeblasen!" "Was hat sie mir gebeichtet?" Und Inuyasha zuckte zusammen. Oh-oh. "Nichts." Doch Aryan erwischte ihn an den langen Haaren. Sein Nerv war getroffen, sobald es um Yami ging. "Hier geblieben!" "Ich bin unschuldig!" "Ich gehe auch nicht davon aus, dass du sie angerührt hast." "Was?! Sie würde mich umbringen!" "Interessant", lächelte Aryan. "Dass dir das Argument zuerst einfällt. Und ich dachte, du wärest derjenige, der sie nicht anfassen will." "Das will ich auch nicht!", brüllte Inuyasha. "Dann erklär mir mal, was sie mir beichten sollte." "Nichts, was mit mir zu tun hat!" "Und warum bist du so unkonzentriert?" "Das hat nichts mit dem Drilling zu tun, sondern mit Anjaani. Wir haben gestritten." Doch Aryan ging nicht auf diese Ablenkung ein. "Da ihr beiden nicht gerade die besten Freunde seid, wundere ich mich darüber, was Yami mir verheimlicht, aber dir anvertraut. Und vorallem warum?" Es war sinnlos, Aryan zu belügen. "Sie hat extreme Panik in ein Flugzeug zu steigen. Sie hat mir nichts gesagt, aber ich erkenne Angst, wenn ich sie rieche. Und Yami ist einem Nervenzusammenbruch nahe." "Mir wäre fast lieber, du hättest sie angefasst", seufzte Aryan. "Dieser kleine Dickkopf. In meiner Nähe unterdrückte sie ihre Gefühle." "In deiner Nähe empfindet sie nun mal mehr Glück, als Angst." "Was mache ich jetzt?" "Blas bloß nicht den Urlaub ab! Das wird sie mir nie verzeihen", entsetzte sich Inuyasha. "Kannst du ihr nicht sagen, dass ihr in deiner Nähe nichts passieren kann? Dir würde sie alles glauben." "Dafür ist es zu spät", bedauerte der General. "Ich hab ihr gesagt, dass auch ich keinen Absturz überleben kann." "Spinnst du?! Warum sagst du ihr das?" "Weil es die Wahrheit ist. Warum sollte ich die anlügen?" "Aryan, hab ich dir denn nichts über die Frauen beigebracht?! Die Wahrheit bringt dir nichts, wenn sie ihnen nicht passt! Du sagt ihnen immer nur das, was sie hören wollen! Nur so kommt man mit ihnen klar." Aryan warf ihm einen amüsierten Blick zu, bevor er sich wieder ins Kampfgetümmel stürzte. "Was würde ich jetzt dafür geben, dass Aurora das gehört hätte." "Das würde es auch nicht schlimmer machen" murmelte Inuyasha leise, vergaß, wie gut Aryans Gehör wirklich war. Aryan wehrte einen Dämon ab, während er Inuyasha direkt in die Augen sah. "Was hast du angestellt?" "Nichts, sie hat mich geküsst…" "Wie hast du es ruiniert?" "Ihr gesagt, dass ich nichts für sie empfinde, nur weil ich mitspiele", fasste er kurz zusammen. Aryan blieb abrupt stehen. "Ist das dein ernst?" "Hast du nie eine geküsst, ohne sie gleich unsterblich zu lieben?" "Nein", sagte Aryan. "Ich fühle mit dem Herzen und denke mit dem Kopf, im Gegensatz zu dir. Du brauchst wohl offensichtlich nur ein bestimmtes Körperteil für beides." "Mann, Aryan!" Inuyasha schlug nebenher einen Dämon nieder. "Das hilft mir nicht! Sie ist total gekränkt und ich weiß nicht, wie ich es wieder gut machen soll." "Inuyasha, wir sind mitten im Einsatz, verschieb deine Probleme auf später." "Kannst du mich denn gar nicht verstehen? Hilf mir bitte." Aryan schüttelte den Kopf, bevor er weitere Befehle an seine Truppe erteilte. "Tut mir leid, das verstehe ich nicht. Ich kann dir nicht helfen. Aber es gibt jemanden, mit dem du immer reden kannst, weil sie dir ähnelt. Weil sie dich versteht. Sowohl dich, als auch Aurora." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)