Stumme Tränen von AnaO (Darfst du mich denn lieben, Inuyasha?!) ================================================================================ Kapitel 24: Albtraum und Wirklichkeit ------------------------------------- Keuchend stand Aryan inmitten der Trümmer. Schweiß lief ihm die Stirn herunter, seine Hände schmerzten. Schmerzten vom Töten. Er hasste es abgrundtief, wenn es so enden musste. Inuyasha nahm das gelassener. „So macht es mehr Spaß“, bemerkte er. Aryan war nicht nach Spaß zumute. „Hast du Yami gefunden?“ „Beruhige dich endlich“, beschwerte sich der Dämon. „Ich rieche kein Blut, also ist alles ok mit ihr.“ „Sie muss hier sein“, flüsterte Aryan. Langsam geriet er in Panik. Und drang tiefer in das düstere, verlassene Gebäude. Bis er in etwas Nasses trat. Er wusste, was es war, bevor Inuyasha es ausgesprochen hatte. „Oh mein Gott, ist das viel Blut!“ Sein Herz verkrampfte sich. „Nein! Yami!“ „Verdammt nochmal, Aryan, es ist Yamis Blut! Und es ist noch warm!“ Aryan rannte los! Überall war Blut. Die dreckigen, leeren Korridore waren vollgespritzt mit frischem Blut. Yamis Blut. Yami! YAAAMIIII!!! Etwas Grünes schimmerte durch die Düsternis. „Yami!“ Zusammengekauert lag sie in einer dunkelroten Blutlache, zitternd wie Espenlaub. Sie lebte! Erleichterung vertrieb die eisigen Dolche aus seinem Magen. „Nein“, kreischte sie. „Komm nicht näher! Verschwinde!“ Er blieb wie angewurzelt stehen. Sie hatte Angst vor ihm. Panik und Abscheu. Nein, das konnte doch nicht sein! „Yami, was ist passiert?!“ Er wollte sie in seine Arme schließen, doch sie wehrte sich. „Nein, fass mich nicht an!“ Ihre blutüberströmten Hände krallten sich in ihre Brust. Aryan stockte der Atem. Ein riesiges Loch klaffte in ihrer Brust, blanke, schneeweiße, geborstene Rippen stachen aus dem Fleisch hervor. „Dein Herz! Wer hat dir das angetan? Wer hat dir das Herz herausgerissen?“ Sie sah ihn an, unendliche Qualen in den Augen. „Du.“ Er blickte herab. In seiner Hand hielt er ihr schlagendes Herz. Und Yami brach tot zusammen. „Sanam! Oh, mein Gott, Aryan! Wach auf! Was ist los!“ Yamis erschrockenes Rufen riss ihn aus dem grauenvollen Alptraum. Gehetzt und völlig konfus blickte er sich um. Seine Wohnung! Sein Bett! Seine Freundin! Lebendig! Er riss die Bettdecke weg. Kein Loch in ihrer Brust. Ihr Herz schlug kräftig unter seinen zitternden Fingern. Er schlang die Arme um ihren zarten Körper, spürte das Leben in ihr. „Sanam“, wurde ihre Stimme sanfter. „Was ist denn passiert?“ „Ein Alptraum“, raunte er, die Augen vor Schrecken weit aufgerissen. „Ich habe dich getötet.“ Er spürte ihr Zucken. „Ein Traum“, wiederholte sie. „Das hat nichts zu sagen. Du könntest mir nie weh tun.“ „Niemals. Du lebst“, hauchte er in ihr Haar. „Ich lebe“, beruhigte sie ihn. „Du lebst“, raunte er an ihren Lippen, verschlang sie mit all der Verzweiflung, die in ihm tobte. „Ja, Sanam, ich lebe“, stöhnte sie, von seiner brennenden Leidenschaft überwältigt. „Du lebst“, beschwor er, als er sie unter seinem heißen Körper vergrub. Und für Yami existierten nur noch er und das Feuer, das er in ihr entfachte. Alles andere war vergessen. „Die werden fragen, warum wir so spät kommen“, lächelte Yami an Anjaanis Wohnung. „Die werden sich denken können, warum wir so spät kommen“, entgegnete Aryan und öffnete ihr die Türe. Doch das interessierte niemanden und Yami erkannte auf dem ersten Blick, warum. Sie stürmte sofort zu ihrer Schwester. Yoko hatte, den geschwollenen Augen nach zu urteilen, wohl die ganze Nacht geweint. „Ich werde diesen Tanzheini umbringen!“, knurrte sie, als sie Yoko in die Arme nahm. „Er war mit Kago zusammen, als ich ihn angerufen habe“, flüsterte Yoko entmutigt. „Es ist vorbei.“ „Es ist nicht vorbei“, widersprach Anjaani voll Hoffnung. „Es ist nur eine Prüfung, die du zu bestehen hast. Hat er sie nicht sitzen gelassen und wollte zu dir?“ Dann starrte sie plötzlich Aryan an, sagte jedoch nichts. Er erwiderte ihren Blick, ebenso stumm. Der Rest beobachtete die beiden Inder. Yami runzelte die Stirn. Aryan war nicht anzusehen, was in ihm vorging und sie selbst spürte die reißende Angst nicht, die ihn noch vor wenigen Stunden in ihrer Gewalt hatte. Anjaani aber, so schien es, kannte ihn viel zu gut. Besser als sie selber. „Hey, Kätzchen, soll ich dir Heinrich bringen“, rief sie, mehr um sich selbst, als um Yoko aufzumuntern. „Du hast Heinrich?“, prustete Yuki los. „Natürlich nicht“, entrüstete sie sich. „Was soll ich mit ihm, Aryan reicht mir vollkommen. Aber ich muss vor der Arbeit kurz zu unserem Elternhaus, Vater will mich sprechen. Also hast du Heinrich nicht?“, fragte sie Yuki. „Gott, nein! Yui-kun wäre garantiert sowas von beleidigt! Gib ihn Yoko!“ „So verzweifelt bin ich nicht“, schmollte Yoko. „Ich schätze mal, euer „Heinrich“ ist ein Dildo“, kombinierte Yuichi amüsiert. „Ein was?“ Inuyasha hatte keine Ahnung was das ist. Er sah in Anjaanis verschlossenes, tomatenrotes Gesicht. „Das ist ein nachgemachtes Gemächt“, lächelte Yoko und Inuyasha bereute seine Neugierde sofort. „Bäh! Ich will gar nicht wissen, wozu ihr verdorbenen Zwerge das braucht!“ „Musst du auch nicht“, beruhigte ihn Yami. „Heinrich ist kein Dildo.“ „Immerhin etwas“, wirkte auch Yuichi erleichtert. „Was sollen wir denn mit einem Dildo?“, entrüstete sich seine Freundin. „Heinrich ist ein Vibrator.“ „Ein was?!“ Inuyasha fiel der Bissen von seiner Gabel. „Na, ein Gemächt, dass vibrieren k-“ „Das hab ich auch kapiert! Hört jetzt endlich auf damit!“ „Du bist nur neidisch, dass du nicht vibrieren kannst.“ „Es reicht jetzt“, mischte sich Anjaani endlich ein. „Ihr habt mir versprochen, nicht mehr über dieses Ding zu reden!“ „Ich wollte nur Yoko aufmuntern“, lachte Yami. „Munter lieber Nee-chan auf“, warf Yuichi nun etwas ernster ein. „Du hast dein Frühstück noch gar nicht angerührt.“ „Geht es dir gut?“, erkundigte sich Inuyasha. „Ich hab keinen Appetit“, seufzte sie. „Ihr versucht fröhlich zu sein, aber die Stimmung hier ist richtig schwer.“ „Ich hab nichts gemacht“, murmelte Yoko ruhig und stocherte in ihrem Essen rum. „Nein, du bist voll mit meiner Energie. Ich rede auch von Aryan.“ Aryan sah sie völlig überrascht an und alle anderen Blicke richteten sich verdutzt auf ihn. „Ich wusste nicht, dass du so sensibel bist.“ „Nii-san, du bist mit den Nerven am Ende.“ „Dann hilf mir“, bat er sanft und er Rest am Tisch erstarrte. Was war mit Aryan los? „Was ist dir denn passiert?“ Yuichi konnte es sich nicht erklären. „Ein Alptraum“, sagte er schlicht. „Muss ja schlimm sein“, spottete Inuyasha. „Du siehst jeden Tag die unaussprechlichsten Gräueltaten. Was kann dich noch schocken?“ „Ich habe Yami das Herz aus der Brust gerissen.“ Die Frauen erstarrten und wurden bleich. „Metaphorisch?“, fragte Yuichi zögernd. „Nein“, widersprach er leise und drückte Yami schützend an sich. „Wortwörtlich.“ Yami durchlief ein eisiger Schauer. Dieses Detail hatte er ihr verschwiegen. Sie wusste nur, dass er sie im Traum umgebracht hatte, aber nicht wie. Yuki fluchte leise. „Aber, es war doch nur ein Traum.“ „Er ist immer so empfindlich, wenn es um den Nervenzwerg geht.“ „Wie würdest du denn empfinden, wenn du Aurora das Herz herausreißt?“ Inuyasha senkte die Augen. Diese Tatsache war nicht so abwegig, wenn man bedachte, was er ihr vor kurzem geschworen hatte. Sie zu töten, bevor er sie verlässt. Sie hatte ihn tatsächlich dazu gebracht, es ihr zu versprechen. Er wusste, er würde seinen Schwur nicht einlösen können. „Kurz und schmerzlos“, flüsterte sie ihm zu. Er starrte sie entsetzt an. Dann wandte sie sich an Aryan. „Was ist die schnellste und schmerzloseste Art jemanden zu töten?“ Aryan war nichts vorzumachen. „Warum willst du das wissen?“ „Ich bin neugierig“, meinte sie nur. „Und ihr zwei müsstet genug Erfahrung damit haben.“ „Oh, ein Blick in den Dämonenjäger-Arbeitstag“, begeisterte sich Yuki. „Mit den Klauen zerfetzen ist bestimmt Inuyashas bevorzugte Art zu töten.“ „Aber garantiert nicht schmerzlos“, grummelte der Hanyou. „Soll ich‘s dir zeigen?“ „So, wie du vor kurzem meine Krallen zu spüren gekriegt hast?“, grinste sie überlegen. „Ist es denn einfach einem das Herz herauszureißen?“ „Wenn du genug Schwung und Kraft hast“ begann Inuyasha. „Aber Präzision ist gefragt. Du musst immerhin die Rippen durchbrechen, aber darfst nicht den kompletten Torso-“ „Inuyasha!“, unterbrach ihn Aryan streng. Inuyashas Ohren zuckten unschuldig. „Das ist nichts, was du ihnen beibringen musst.“ Zumal der Rest der Gruppe weniger Begeisterung zeigte, als Yuki. „Schlimm genug, dass wir das können müssen. Unsere Arbeit ist kein Zuckerschlecken und nichts für schwache Nerven.“ „Was du nicht sagst“, lächelte Yami. „Nenne mir einen anstrengenderen Beruf.“ „Es gibt keinen.“ „Und trotzdem, Sanam, leidet deine Psyche nicht unter all dem Druck. Niemand wäre in der Lage, das zu leisten, was du tagtäglich leistest.“ „Kämpfen, töten, zerstören“, murmelte er mit geschlossenen Augen. „Helfen, schützen, retten“, widersprach Yami. „Und Inuyasha dran hindern, zu viel Spaß zu haben.“ Jetzt lachte Aryan. „Das ist definitiv die anstrengendste Aufgabe. Und das Chaos beseitigen, das er hinterlässt.“ „Das ist ein Synonym für Leichen“, vermutete Anjaani. „Nicht immer“, schmollte Inuyasha. „Ich morde auch nicht wahllos. Aber wenn ich kämpfe, dann liegt alles in Trümmern.“ „Wie ist es mit eurem Gewissen zu vereinbaren?“, wollte Yoko wissen. „Gewissen?“, entgegnete Inuyasha. „Ich bin ein Dämon, mir liegt es im Blut. Und Aryan tut als Ausgleich Gutes. Helfen und so einen Quatsch.“ „Ich komme nach Hause“, lächelte Aryan sanft. „Nehme Yami in den Arm und die Welt ist wieder in Ordnung.“ Den Mädchen entwich ein Seufzer. „Mäuschen, kannst du dir überhaupt vorstellen, was es eigentlich bedeutet, was er dir gerade gesagt hat?“, hauchte Yuki entzückt. „Seit wann gefällt dir das?“, wunderte sich ihr Freund. Sie sah ihn nicht an. Dieser blöde Vampirfluch! „Es gefällt mir auch nicht.“ Das war die Wahrheit. Er gab aber nicht auf. „Und wenn ich sowas zu dir sagen würde?“ „Ich hasse dich“, flüsterte sie und seufzte dann. „Das würde ich lieben. Von dir höre ich sowas gerne.“ „Er hat dich weich gemacht“, lächelte Yami. „Nein, ich bin einfach nur in ihn-“ Sie hielt sich den Mund zu, Yuichi hatte interessiert die Brauen gehoben. „Hey, es ging ursprünglich um etwas anderes! Aani wollte wissen, wie man schnell und schmerzlos jemanden tötet.“ „Warum willst du das wissen?“, wandte sich ihr Aryan wieder misstrauisch zu, sah dann Inuyasha an. Der Dämon machte sich hastig über sein Essen her. „Ich war wirklich nur neugierig. Im Grunde ist es mir egal.“ Inuyasha zuckte zusammen. Er war der einzige, der wusste, worauf sie anspielte. Er knurrte. „Sag‘s ihr endlich. Das Thema geht mir auf den Sack!“ „Genickbruch“, sagte Aryan ernst und hob die Hände, um die richtige Geste vorzuführen. „Eine geschickte, schnelle Drehung und das Genick ist durch. Schneller und schmerzloser geht es nicht. Dein Hals ist besonders zart.“ Er sah dabei den Hanyou an. „Töten ist das Schlimmste, Aurora“, seufzte er. „Besonders Menschen, die man liebt. Damit würde nicht einmal meine Psyche klarkommen.“ Anjaanis Augen wurden weich. „Es war ein Traum. Du befürchtest, es könnte eine Vorahnung sein.“ Aryan nickte nur. Sie trat zu ihm und legte ihm die Hände auf die Schultern. „Hör mal zu, Nii-san. Ich-“ Ihre Stimme stockte, ihre Augen vergoldeten sich und ihre Knie fingen an zu zittern. Aryan hielt sie fest. Ihr Körper bebte. Sofort waren alle alarmiert. „Anjaani, was ist los?!“ „Mir geht es gut“, versuchte sie Aryans Arme abzuschütteln. „Mein Kreislauf hat nur schlapp gemacht.“ „Lügnerin“, raunte Aryan sanft. „Was hast du gesehen?“ „Nichts, ich hab nichts gesehen. Aryan-nii, lass mich bitte los.“ Sein Griff um ihre Oberarme wurde fester. „Wenn du mir sagst, was du gesehen hast.“ Sich gegen ihn zu wehren war sinnlos. „Aryan, bitte… Au. Nicht so fest.“ „Aurora…“ „Wenn du sie nicht los lässt, krallt sich meine Hand um dein Herz!“, grollte Inuyasha düster. „Und es ist mir scheißegal, dass die Nervensägen zusehen!“ Aryan seufzte und Inuyasha legte schützend die Arme um die verstörte Anjaani. „Bitte, Aurora, das macht mich nervös.“ Aryans Stimme war sanfter geworden. „Ich habe wirklich nichts gesehen.“ Sie schmiegte das schöne Gesicht an Inuyashas muskulösen Oberarm. „Nur gefühlt. Etwas Düsteres. Etwas Bedrohliches.“ „Ist Yami in Gefahr?“ Aryans Augen waren dunkel geworden, wie ein undurchdringlicher Wald. „Ich weiß es nicht“, gestand sie. „Tatsache ist, dass dieser Alptraum eine Warnung ist. Vor was, weiß ich nicht. Nii-san, ich habe kein gutes Gefühl. Etwas bedroht eure Beziehung.“ „Hast du eine geheime Verlobte?“, rätselte Yami. „Nein.“ Er war so angespannt, dass er nicht einmal lächeln konnte. „Du bist die erste Frau, der ich je näher gekommen bin. Aber es gibt genug Frauen, die eifersüchtig auf dich sind.“ „Hat es etwas mit all den Hassnachrichten und Drohungen zu tun“, wollte Yami von Anjaani wissen. „Keine Ahnung“, wiederholte Anjaani. „Es muss nichts mit dieser offensichtlichen Gewalt aus Aryans Traum zu tun haben. Aber eure Beziehung ist in Gefahr. Als würdest du ihr irgendwann das Herz brechen, metaphorisch gesprochen.“ „Das könnte ich nie“, widersprach Aryan. „Ich kann dir nicht mehr sagen, Nii-san, aber eure Liebe ist bedroht. Ihr steht vor einer Herausforderung und es gilt sie zu meistern.“ „Das schaffen wir, Sanam.“ Yami drückte aufmunternd seine Hand. „Jede Beziehung hat Höhen und Tiefen und wir werden alles zusammen durchstehen. Ich fliege morgen mit meinem Chef nach Indien, vielleicht ist es ja diese Trennung, die wir überstehen müssen?“ Als er sie ansah, verschwanden die Schatten aus seinen Augen und die goldenen Sprenkel kehrten zurück. „Du hast recht, Prinzessin.“ „Womit?“, hauchte Yami, vom Zauber seiner Augen völlig verzaubert. Jetzt musste Aryan lachen und alle Anspannung war vergessen. Yoko hingegen war, trotz Anjaanis stärkender Energie, unruhig. Sie musste ans Set, klar, sie war die Regisseurin. Das war ihr Film, Yuki konnte doch nicht die komplette Arbeit alleine erledigen. Aber ihre Hand zitterte über der Türklinke. Sie wollte bei Anjaani bleiben. Yuichi ergriff ihre Hand. „Wann kommt Zuma zum Set?“ „Gegen Nachmittag“, erwiderte sie etwas irritiert über die brüderliche Fürsorge in seinen Saphiraugen. „Ich bin bei dir, Kätzchen. Du musst nicht alleine da durch.“ Sie unterdrückte die aufkommenden Tränen. „Es tut mir leid, dass er nicht erkennt, wie einmalig du bist.“ „Yui-chan“, flüsterte sie und er zog sie in seine Arme. Die Blicke ihrer Schwestern waren voller Mitleid. „Ist gut, Kleines“, streichelte er beruhigend ihr Haar. „Ich bin nicht er.“ „Du duftest anders als er“, hauchte sie an seiner Brust. „Du bist nicht Zuma.“ „Nein, werde ich nie sein.“ „An mir ist nichts Besonderes. Ich bin nur ein billiger Abklatsch meiner Schwestern.“ „Nein, du bist ganz und gar nicht wie Yuki und Yami.“ Sie sah ihn an und er wischte ihr liebevoll die Tränen von den Wangen. „Yuki heult nicht so schnell los.“ Sie konnte das Lachen nicht verhindern. „Ich werfe euch Drei nicht in einen Topf, ich sehe klar und deutlich eure Unterschiede. Für mich ist jede von euch einzigartig und besonders. Dein Gesicht macht dich nicht aus. Wenn ich Yuki halte, fühle ich nicht diese brüderliche Liebe. Ich sehe gerade in dein Gesicht, nicht in Yukis. Ich bin dein großer Bruder und ich beschütze dich. Auf mich kannst du dich verlassen.“ „Danke.“ „So und jetzt gehen wir zur Arbeit und du kannst mich wieder nach Herzenslust herumkommandieren!“ Yokos Lachen verhallte im Treppenhaus. „Bravo, Chi-chan“, flüsterte Anjaani, als sie die Türe schloss. „Damit hat er bei Yoko mehr erreicht als ich.“ „Ist das mit Zuma und dem Nervenzwerg wirklich zu Ende?“, fragte Inuyasha. Sie waren jetzt allein und Anjaani konnte Klartext reden. „Nein“, winkte sie ab. „Das ist eine Prüfung und sie werden bestehen. Zuma ist nämlich für sie geschaffen.“ „Und Aryan?“ Anjaanis sorglose Miene brach. „Es ist schlimmer, als du ihm gesagt hast“, erkannte der Dämon. Sie zuckte zusammen und ein leichtes Zittern erfasste ihren Körper. Instinktiv zog Inuyasha sie an sich. Augenblicklich entspannte sie sich und schlang die Arme um seine Brust. Es fühlte sich so richtig an, als wäre ihr Körper für seinen bestimmt. Himmel, wie sie duftete! Er sortierte seine Gedanken. „Ist es denn so schlimm?“ „Saajan, es wird irgendwas passieren. Geht etwas Bestimmtes vor sich?“ „Was meinst du? Ich habe keine Ahnung wovon du sprichst.“ Sie sah deutlich die Lüge in seinen Augen. „Sag es, oder ich hole die Wahrheit aus dir heraus.“ „Wir ziehen in den Krieg“, erklärte Inuyasha schlicht. „Es wird einen Krieg gegen die Schattendämonen geben und ich habe meine eigene Truppe von Hundedämonen. Aryan führt uns bald in die Schlacht.“ „Machst du dir Sorgen?“, lächelte sie und er erwiderte ihr Lächeln. Seine Arme umschlangen sie fester. „Wenn du es nicht tust, sorge ich mich auch nicht. Also hat deine böse Vorahnung nichts mit dem Krieg zu tun?“ „Nein, ich glaube nicht.“ „Was ist wirklich los? Warum verschweigst du Aryan die Wahrheit?“ Dem Funkeln in Inuyashas Augen konnte sie sich nicht widersetzen. „Ich weiß nicht wann und ich weiß auch nicht wie, Saajan“, flüsterte sie gequält. „Aber er wird Yami das Herz brechen.“ „Sanam, sorgst du dich immer noch?“ Yami saß auf Aryans Motorrad und hatte sich gerade ihren Helm abgenommen. „Nicht so sehr wie du“, erkannte er. Sie wich seinem Blick aus und sah zu ihrem Elternhaus hoch. „Unsere Uhr tickt“, flüsterte sie. „Ich habe Angst, dass Aani spürt, was ich befürchte.“ Dass sie irgendwann nicht mehr gut genug für Aryan ist… „Ich hoffe, es hat wirklich nur mit der Indienreise zu tun.“ Dann müsste sie eine Woche nicht mehr zu Fujishima ins Büro. Aber sie wäre ständig bei ihm, seinen Launen ausgeliefert. Konnte es eigentlich noch schlimmer werden? Der tägliche Gang zur Arbeit wurde mit jedem Tag mehr und mehr zu Folter. Langsam setzte es ihr psychisch zu. Nur kurze Zeit konnte sie bei ihren Eltern schinden, dann musste sie ihrem Chef unter die Augen treten. „Komm mit mir nach Hause“, sagte Aryan plötzlich. Sie sah auf, in seinen Augen lag Besorgnis. Er wusste zu viel. „Ich muss arbeiten“, seufzte sie. „Nein, musst du nicht.“ „Wir sind nicht verheiratet und selbst dann werde ich nicht auf deine Kosten leben.“ „Es macht keinen Unterschied, ob verheiratet oder nicht“, erklärte er. „Ich bin finanziell so weit abgesichert, dass ich jetzt schon in Rente könnte.“ Aryan als nicht einmal 30-jähriger Rentner war ein wirklich komischer Gedanke. „Amüsiere ich dich?“ Seine Augen funkelten himmlisch. „Ich muss arbeiten. Ich darf nicht von dir abhängig sein. Ich weiß nie-“ Sie verstummte und das goldene Funkeln seiner Augen verschwand. „Glaubst du das wirklich?“ Seine Stimme war leise. „Dass ich dich verlassen würde?“ Lügen war eh sinnlos. „Ja.“ „Warum?“ Er begriff es immer noch nicht. „Weil du zu schön bist, um wahr zu sein. Zu gut für mich. Ich werde nicht einmal dem Dreck in deinem Schatten gerecht.“ „Was ist denn so toll an mir“, stöhnte er verzweifelt. Diese bescheuerte Aryan-ist-ein-schöner-Traum- Idee würde er ihr nicht aus dem Dickkopf treiben können. Sie erhob sich und öffnete die Tür. „Du musst dich mal aus meinen Augen sehen“, lächelte sie. „Ich bin nichts im Vergleich zu dir.“ Er zog sie in seine Arme, an seine zehrenden Lippen. „Ich werde dir zeigen, was du für mich bist.“ Yamis Beine zitterten immer noch leicht nach Aryans Abschiedskuss, als sie das Haus ihrer Eltern betrat. Zum allerletzten Mal. Ihre Mutter erschien im Eingangsbereich und ihr Blick war alles andere als willkommen heißend. Gut, das war er nie, aber so kalt war sie noch niemals gewesen. „Sofort in Vaters Büro“, zischte sie und Yami sackte das Herz in die Hose. Was war denn jetzt los? Voll abgrundtiefen Hasses starrte ihr Vater sie an. Er saß hinter seinem Schreibtisch, zitternd vor Zorn. So hatte sie ihn nie erlebt. Sonst war er der klischeehafte, geduldige, beherrschte Japaner. Noch nie war er laut geworden. Herablassend, ja. Gleichgültig, immer. Sie bedeutete ihm schließlich nichts. Aber nie zornig. „Wie konntest du, undankbares Balg?“ Seine Stimme war eisig. „Wie kannst du meine Ehre so mit Füßen treten?“ „Kannst du mir bitte erst einmal sagen, was passiert ist?“, ließ sie sich nicht einschüchtern. Dennoch fehlte ihr der Rückhalt ihrer Schwestern. Aber ihr Vater hatte sie bewusst ohne Yuki und Yoko herbeordert. „Du ehrloses Stück Scheiße hast mich hintergangen!“, schrie er. Sein glattes Gesicht lief Rot an. Er drehte ihr seinen Laptop zu. Auf dem Bildschirm lief ihre Shampoowerbung. Sie und Yui-kun waren wirklich ein schönes Paar. Aryan hatte ihr gesagt, dass die Werbung seit gestern ausgestrahlt wurde. „Und wo ist dein Problem?“ „Wo mein Problem ist? Du bist mein Kind! Du gehörst mir! Deine Schönheit darf nur ich mir zunutze machen! Du hast nur mir zu dienen und nicht mit der Konkurrenz anzubandeln!“ Wenn sie hier rauskam, dann garantiert mit geplatzten Trommelfellen. Sie rang um Beherrschung. Sie war ihren Eltern stets eine Last gewesen und war als Model für die Firma seines Vaters jahrelang ausgenutzt worden. Er war ihr Erzeuger, aber so ließ sie sich von ihm nicht behandeln. „Korrekt“, erwiderte sie kühl. „Dein Kind, nicht dein Eigentum. Ich bin dir zu nichts verpflichtet. Mal davon abgesehen, dass es dich nichts angeht, was ich tue, ist das keine Konkurrenz. Das war ein Werbespott für Haarpflegeprodukte. Du stellst Kosmetik her. Und dir werde ich nie wieder als kostenloses Werbemodel dienen. Bist du jetzt fertig? Danke, tschüss!“ Ihre Mutter versperrte ihr wütend den Weg. „Nix da, Fräulein! Wir sind nicht fertig!“ „Bleibst du wohl hier!“ Er stürmte hinter dem Tisch hervor und packte ihren Ellenbogen. „Ich bin nicht fertig mit dir!“ „Ich aber mit dir, Vater.“ Seine Hand schnellte zum Schlag hervor. Aber Yami war darauf vorbereitet gewesen. Geschickt blockte sie die Ohrfeige ab. Die Adern auf seiner Stirn schienen fast du platzen. „Wenn du mich schlägst, schlag ich zurück!“ „Dir sollte man die Seele aus dem Leib prügeln! Scham und Schande bist du für unsere Familie! Du hast diese Familie nicht verdient!“ „Familie? Du hast mich nie mit Zuneigung behandelt. Du hast nur mein Aussehen für deine blöde Firma benutzt. Mehr als eine hübsche Puppe war ich nie für dich.“ „Du verdienst das nicht, undankbares Balg! Wir hätten dich abtreiben sollen!“ Sie sah ihre Mutter an, doch deren Blick sprach Bände. „Habt aber lange gebraucht, mir das endlich zu sagen. Kann ich jetzt gehen?“ „Du brauchst nicht wieder zu kommen“, knurrte er leise und stieß sie grob weg. „Das ist nicht mehr mein Kind! Verschwinde aus meinem Leben! Und sag das auch den anderen beiden. Wehe, ich sehe euch jemals wieder!“ Dankbarkeit lag in ihrem Lächeln, Erleichterung und Freude. „Endlich. Lebt wohl, Eltern.“ Sie wandte sich um und verließ ihr Elternhaus. Sie würde niemals wieder zurück kommen. Nie wieder. Und doch tat es weh. Nach Zwanzig Jahren sagten sie ihr das ins Gesicht. Endlich war sie die Last ihrer Eltern los. Aber solch böse Worte schmerzten. Aryan… Sie wollte zu Aryan. Schlimmer konnte dieser Tag nicht mehr werden. Dessen war sie sich sicher, als sie zur Arbeit kam und sich an ihren Schreibtisch setzte. Nun, da hatte sie sich gründlich geirrt. Aber immerhin wartete der Schock bis zum Feierabend. „Fujishima-sama, wir sehen und morgen am Flughafen“, rief sie ihm zu, nachdem sie sich von allen Kollegen verabschiedet hatte. Ihr Chef sah sie an und sein Blick löste Krämpfe in ihrem Magen aus. „Wir haben ein Problem, Fräulein Higurashi.“ „Können wir das in Ihrem Büro besprechen?“ „Nicht nötig. Das sollen alle wissen.“ Sein Gesichtsausdruck war diabolisch und das Herz rutschte ihr in die Hose. Auf dem Nachhauseweg kämpfte sie krampfhaft mit den Tränen. „Guten Abend“, grüßte Aryan in die Runde. „Ist Yami noch nicht hier?“ „Nein“, entgegnete Anjaani am Backofen nestelnd. „Sie kommt bestimmt jeden Moment.“ „Genieß doch einfach, wenn sie dir mal nicht auf die Pelle rückt“, grummelte Inuyasha. „Glaub es, oder glaub es nicht“, lachte Aryan. „Ich genieße es, wenn sie mir auf die Pelle rückt.“ „Das nennt man Liebe, Hündchen“, klärte ihn Yuichi auf. „Das kennt man nicht, wenn man sein Leben lang nur damit beschäftigt ist, die halbe Frauenwelt zu besteigen.“ Inuyashas Augen blitzten herausfordernd. „Dafür würde sich mir meine Freundin nicht verwehren“, entgegnete er und das Lachen brach aus Yuichis Augen. „Inuyasha, reiz ihn nicht“, mischte sich Yuki ein, weil sie wusste, das los war, wenn Yuichi die Nerven verlor. „Er weiß sich zu prügeln. Und ich setzte auf ihn.“ Überrascht sah er seine Freundin an und der Zorn in ihm verebbte. „Saajan, belass es jetzt dabei“, bat Anjaani, als er den Mund zum Gegenschlag öffnete. Sie wuchtete den schweren Gartopf mit dem Abendessen auf den Tisch und die hungrige Meute stürzte sich darauf. „Keine Sorge, Nii-san“, lächelte Anjaani Aryan liebevoll an und platzierte eine kleinere Form auf seinem Platz. „Dir habe ich eine tierfreie Version gekocht. Und sie schmeckt noch besser.“ „Isst du nichts?“ „Nein, das ist nur für dich. Und ich habe dir Tee gekocht.“ „Das ist mein Lieblingstee“, wunderte er sich dann. „Und?“ „Der ist sehr teuer. Wo hast du den her?“ „Aus dem Internet.“ Er packte ihre Hand und zog sie auf seinen Schoß. Sie schlang die Arme um seinen Hals und lehnte die Stirn gegen seine. „Danke, Kleines. Ich habe dich nicht verdient.“ In dem Moment öffnete sich die Haustüre und Yami erstarrte auf der Schwelle. Starrte Aryan und Anjaani an, in inniger Umarmung, Seligkeit in den Augen. Ehe jemand reagieren konnte, wirbelte sie herum und stürmte davon. Statt zur Tür, blickten alle verwundert zu Aryan. Er rührte sich nämlich nicht. Anjaani erhob sich. „Warum gehst du ihr nicht hinterher?“ Aryan lächelte. „Ich lasse ihr nur etwas Vorsprung. Sie mag es nicht, wenn ich sie gleich erwische.“ „Wohin so eilig, schöne Frau?“ Yami starrte in die smaragdgrünen Augen direkt vor ihr und blieb wie angewurzelt stehen. „Wo kommst du her?“ „Aus deinem Herzen“, antwortete Aryan und schritt gemächlich auf sie zu. Er ging nicht auf ihre Tränen ein. Je näher er kam, desto wärmer wurde die Luft. Himmel, warum musste er nur so atemberaubend gut aussehen? Sie musste es schaffen, die Augen zu schließen, aber sie konnte nicht. Der Zauber seiner Smaragdaugen hatte sie in seiner Gewalt. „Was willst du von mir?“ „Deine Trauer dämpfen. Es tut mir leid.“ „Was tut dir leid?“ Er kam auf sie zu und ihre Füße schienen im Boden festgewurzelt zu sein. „Komm her und lass mich alle Sorgen vertreiben.“ Er legte die Arme um sie, doch sie stieß ihn weg. „Wer zur Hölle bist du?!“ „Du Miststück lässt dich also nicht täuschen?“ Aryans Gestalt verschwamm und machte einer Dämonin Platz. „Ich kenne ihn viel zu gut, um mich täuschen zu lassen. Was willst du von mir? Ich habe keine Lust, mich heute auch noch mit einem eifersüchtigen Weibsbild herumzuschlagen.“ „Genau das will ich aber. Dir die Seele aus dem Leib schlagen, um deinen Platz einzunehmen.“ Tief versteckt in Yamis Innerem machte sich die Angst breit. Sie war viel zu erschöpft und fertig mit den Nerven, um sich jetzt mit einer Dämonin zu prügeln. „Ich will deinen Mann, Miststück. Du warst viel zu lang auf seiner Seite!“ „Das sehe ich anders“, durchbrach eine warme Kraft den Bann der Dämonin. Der echte Aryan betrat die Szene, mächtig, erhaben und so unglaublich männlich. „Warum belästigst du ein kleines Mädchen, Dämonin?“ Kleines Mädchen? Irgendwas hielt Yami davon ab, sich einzumischen. Warum war seine Stimme so kühl? Keinen einzigen Blick warf er ihr zu. „Ein kleines Mädchen?“ Die Dämonin war kurz verwirrt. „Sie behauptet deine Freundin zu sein!“ „Und du hast etwas dagegen“, lächelte er. Das Lächeln erreichte seine Augen nicht. „Eine Frau ist auf ein Mädchen eifersüchtig.“ Empörung erfasste Yami. Jetzt ging er zu weit! „Was soll das Theater, Aryan?“ „Hier herrscht anscheinend ein Missverständnis.“ Aryan sah sie an. Schwarze Augen. Eiskalt und emotionslos. Ihr Blut schien zu gefrieren. Aber es war der echte Aryan. „Ein Missverständnis, dass ich hier regeln werde. Geh Heim, Mädchen.“ „Du willst nicht, dass sich dich bei der Arbeit sehe“, erkannte sie. „Lass den Unsinn, Aryan. Und du, lass die Finger von meinem Mann!“ Die Dämonin zückte die Krallen. „Du oder ich. Aber eine wird sterben. Und das werde nicht ich sein, Miststück!“ „Halt!“ Aryans Energie stieß die Dämonin zurück. „Lass das Mädchen in Ruhe. Du bist grundlos eifersüchtig. Wenn du unschuldige Menschen angreifst, muss ich zu härteren Mitteln greifen. Und du, geh endlich Heim.“ Yami zuckte zusammen. Diese eiskalten Augen, fremd und abweisend. Schmerz wallte in ihr auf. „Sie liebt dich, General“, ließ sich die zornige Dämonin nicht beirren. „Das mag sein. Dafür kann ich nichts. Geh jetzt.“ „Ich gehe nirgendwo hin“, regte Yami sich auf. Sie wusste, es war vernünftiger, auf ihn zu hören. Aber ihr trotziger Kopf war zu jeder Logik unfähig. Zu viel Schlechtes war heute passiert und sie wollte, dass er zu ihr stand. „Warum bist du so abweisend? Warum stehst du nicht zu uns?“ „Weil es kein „uns“ gibt. Und jetzt verschwinde. Das hier ist meine Angelegenheit.“ „Nein, das geht nur dieses Miststück und mich etwas an. Danach können wir uns miteinander beschäftigen.“ „Ich kenne dieses Mädchen kaum“, sagte Aryan kalt. „Lüg nicht. Ihr seid ständig zusammen. Ihr wohnt zusammen. Du liebst sie doch!“ „Mag sein, aber ich liebe sie nicht.“ Yamis Herzschlag blieb stehen, sie taumelte einige Schritte zurück. Nein! Das hatte er jetzt nicht wirklich gesagt! „Ihr seid kein Paar?“ „Nein. Ein Mädchen, das für mich schwärmt. Wir wohnen nicht zusammen und wir sind kein Paar. Also lass sie in Ruhe.“ Yami war wie betäubt. Dann wandelte sich der Schmerz in Zorn. Sie stürzte sich auf die kampfbereite Dämonin, begrub sie unter sich. Die Dämonin wehrte sich, wollte zuschlagen, aber Aryan war schneller. Er packte sie und riss sie auseinander. „Das hier ist meine Angelegenheit“, wies er Yami grob zurecht. „Ich regel das!“ „Sanam.“ „Sanam? Wir sind kein Paar. Ich habe keine Gefühle für dich. Jetzt geh bitte endlich, du störst mich nur. Geh zurück, wo du herkommst und misch dich nicht in meine Angelegenheiten ein.“ Sie wirbelte herum und rannte davon. Unbeeindruckt waren die schwarzen Augen auf die Dämonin gerichtet. Er trat an sie ran und sie errötete, als seine Hand ihr Gesicht umfasste. Ehe sie es verhindern konnte, stieß er in ihren Geist. „Dieses Mädchen ist eine gute Freundin.“ „Gute Freundin“, wiederholte die Dämonin, völlig von seiner Energie beeinflusst. „Jede Dämonin soll das wissen. Glaubt eine etwas anderes, wirst du dein Leben lassen. Sorge dafür, dass ihr niemand nahe kommt und dasselbe vorhat, was du vorhattest.“ „Niemand wird ihr etwas antun. Du liebst sie nicht.“ „Gut. Jetzt geh. Und halte dein Wort, sonst bist du tot.“ Als die Dämonin verschwunden war, rieb sich Aryan müde die Stirn. Da hatte er sich aber tief in die Bredouille geritten. Er musste dringend nach Hause. Doch er zögerte. Er hatte Mist gebaut und zwar großen. Sehr, sehr großen! Sie würde ihn in der Luft zerfetzen. Aber er musste ihr zeigen, dass alles nur Lug und Trug gewesen war. Er hatte nicht gewusst, ob er die Dämonin manipulieren konnte, oder wirklich töten musste. Und er hatte nicht gewollt, dass Yami das mitansieht. Das musste er jetzt dringend klären. Auf der Stelle! Er betrat seine Wohnung nicht einmal. Yami befand sich nicht hier. Oh nein! „Aurora, war Yami hier?“, fragte er statt einen Begrüßung. Alle sahen ihn überrascht an. „Nein“, antwortete Anjaani wie erwartet. „Was hast du angest-“ Ihr Atem stockte, sie wurde bleich. Auch Yuki und Yoko erstarrten. „Was ist los?“ „Deine Augen“, bemerkte Inuyasha nur. „Oh.“ Das hatte er ganz vergessen. Er blinzelte kurz und seine Augen nahmen ihre ursprüngliche Farbe an. „Jetzt stell dir das in Rot vor“, schauderte es Yuki. „Hat Yami dich so gesehen?“ „Ja“, gab er seufzend zu. „Ich habe etwas sehr Dummes getan.“ Und erzählte es ihnen kurz und knapp. Den Mädchen blieben die Münder offen stehen. „Wie kannst du nur so unsensibel sein! Kannst du dir nicht annähernd vorstellen, wie dein Verhalten auf sie wirkt?“, warf ihm dann Yoko vor. „Sie fühlt dich sowieso nicht gut genug für dich. Und dann noch mit diesen abweisenden, kalten Augen.“ „In dem Moment ist es mir richtig erschienen. Sie wird sauer sein.“ „Sie wird nicht sauer sein“, warnte Inuyasha. „Wäre sie sauer, hätte sie dich erwartet, um dich fertig zu machen.“ Oh! Aryan riss die grünen Augen auf. „Nein, sie ist verletzt“, pflichtete ihm Yuki bei. „Und zwar richtig tief verletzt. Für Yami gibt es nichts Schlimmeres auf der Welt.“ „Dagegen kannst du doch was tun“, schmunzelte Yuichi. Aryan sah Inuyasha fragend an, doch dieser schüttelte mit großen Augen den Kopf. „Nein“, sagte er ernst. „Wütend und verletzt ist nicht vergleichbar. Wütend kannst du mit deinem Charme wieder gerade biegen, aber verletzt… Gnade dir Gott. Du hast ein richtig großes Problem. Du hast ihr quasi das Herz aus der Brust gerissen.“ Aryan fluchte leise, etwas völlig untypisches. „Was soll ich tun?“ Die Mädchen sahen sich an. Seine Frage war an seinen Partner gerichtet, nicht an Anjaani. Inuyasha setzte eine professionelle Miene auf, die Aryan gut kannte, den Mädchen aber völlig fremd war. Inuyasha, der Mentor in Frauenangelegenheiten. „Du muss nicht befürchten, dass sie dich umbringt und das ist das einzig Gute an deiner Situation“, begann er. „Es ist entscheidend, ob sie reden will. Wenn sie reden will, gut für dich. Wenn nicht, wehe du belässt es dabei und gehst. Du bleibst bei ihr! Frauen sind widersprüchlich, wenn sie verletzt sind. Sie wollen Nähe aber du darfst sie nicht berühren. Sobald du Körperkontakt herstellen darfst, hast du die erste Hürde überwunden.“ Die Frauen lauschten fasziniert. Er wusste eindeutig, wovon er sprach. „Wenn du sie berühren darfst, dann nur ihre Hand“, sprach der Frauenversteher weiter und hob warnend den Zeigefinger. „Niemals ein anderes Körperteil und unter ja keinen Umständen ihre Handgelenke. Die Handgelenke sind ein sexuelles Körperteil, das für Ergebung und Unterwerfung steht. Das wirkt bei wütenden Frauen, aber nicht bei gekränkten.“ Yuichi hatte begeistert angefangen, mitzuschreiben. „Männer lösen Streit mit Sex, aber Frauen müssen reden. Sie fühlen sich sonst nicht ernst genommen. Lass sie reden, unterbrich niemals und erteile keine Ratschläge, du sollst zuhören. Das einzige, was du sagen musst, ist eine Entschuldigung. Und egal, was sie dir vorwirft, das stimmt nicht und es tut dir wahnsinnig leid, dass sie das denkt. Verstanden?“ „Verstanden“, nickte Aryan. „Entschuldigen, Mund halten, zuhören, bitter bereuen.“ „Ganz genau“, lobte Inuyasha. „Und ehrliche Reue, Frauen haben einen eingebauten Detektor für Heucheleien.“ „Ich bereue auch ehrlich.“ „Dann wird nichts schief laufen. Du musst sie nur finden, bevor ihr etwas zustößt.“ Und ehe man sich versah, war Aryan verschwunden. Inuyasha drehte sich zu seinem Publikum um und verschränkte die Arme vor der Brust. „Irgendwas hinzuzufügen?“ Yoko und Yuki schüttelten die Köpfe. „Inuyasha?“ Er sah Anjaanis atemberaubendes Gesicht an. Atemberaubend schön und völlig überrascht. „Was?“ „Inuyasha?“, wiederholte sie. „Bist du das? Seit wann bist du so feinfühlig?“ „Erfahren“, korrigierte er, bereute es aber sofort, als ihr Blick sich verdüsterte. „Ich bin nur realistisch“, legte er hastig nach. „Ich lerne Tag für Tag an dir.“ Sie konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Das ist die gängige Theorie“, lachte er. „Das heißt nicht, dass sie sich auch immer mit der Praxis deckt.“ „So oft, wie du es versaust“, erinnerte ihn Yoko. „Ich habe nie gesagt, dass ich einfühlsam bin. Ich kann mich aus der Misere aber wieder herauswinden.“ „Das ist wahr“, bestätigte Anjaani. „Er weiß immer, wie er es wieder gut machen kann.“ „Nein, dein gutes Herz macht es aus“, flüsterte er. Anjaanis Augen vergoldeten sich, ihre Wangen erröteten. „Quatsch“, lachte Yuki. „Du weißt einfach ganz genau, wie du sie schwach machst! Ein warmes Lächeln, liebe Worte und- Bumm! Goldene Augen.“ Anjaani blinzelte. Inuyasha sah Yuki warnend an. Sie biss sich auf die Zunge. Warum war jede Geste von ihm so attraktiv? Lag es an diesen brennenden Augen? „Anjaani lässt sich nicht so einfach um den Finger wickeln, wie andere Frauen“, grollte er leise. „Sie würde immer wissen, ob Schmeicheleien wahr sind oder gelogen.“ „Und wir nie?“ „Nein.“ Inuyasha schüttelte sacht den Kopf, ohne den Blick von ihren Augen zu nehmen. Diese Geste machte Frauen schwach. Yuichi sah Yuki stirnrunzelnd an. „Ich kann dir sagen, was immer ich will“, lächelte er böse. „Wenn es die richtige Stimmlage ist, der richtige Gesichtsausdruck, wirst du mir alles glauben. Anjaani lässt sich davon nicht blenden.“ „Ich schon?“ Er nickte ganz leicht und sah Yuichi an, dessen heimliche Eifersucht in ihm aufgebrodelt war. Inuyasha konnte sie riechen. „Soll ich es dir beibringen, Yamada?“ Zack, war die Eifersucht verschwunden. „Nein“, widersprach Yuki heftig. „Er ist unwiderstehlich genug, ohne dass du ihn mutieren lässt. Ich muss mich doch noch gegen ihn behaupten können. Es reicht, wenn du Aryan hilfst.“ Aryan war aber gerade ziemlich hilflos. Er fluchte. Wo war nur Yami? Es war bereits dunkel und von ihr keine Spur. Seit zwei Stunden suchte er sie schon. Würde er den DSE auf sie ansetzten, würde sie… er musste sie finden! Yami kannte ihn gut. Sie war irgendwo, wo er sie niemals vermuten würde, damit er sie nicht findet. Wo hielten sich Frauen unter gar keinen Umständen nachts auf? Wo war es ungefährlich, aber abschreckend? Und es machte klick. Tatsächlich. Er spürte ihre Anwesenheit. Endlich! Nachts auf einem Friedhof. Seine Freundin war entweder ziemlich furchtlos, oder extrem trotzig. Eine gefährliche Mischung aus beidem. Oh, verflucht! Sie weinte bitterlich. Und alles seine Schuld! Er trat nah genug an sie heran, dass sie seine Gegenwart bemerkte. „Aryan?“ , hörte er ihre traumhafte Stimme in seinem Kopf. „Ich bin es.“ „Welcher? Der Alte, der mich mal geliebt hat, oder der Neue, der mich nicht mehr kennen will?“ Seufzend kam er näher. „VERSCHWINDE!“, schrillte es in seinen Gedanken. „Warum bist du nicht daheim?“ Sie hatte sich neben dem Grabstein ihres Bruders zusammengerollt und rührte sich auch jetzt nicht. Es war die gleiche kauende Haltung wie in seinem Alptraum. „Was soll ich bei meinen Eltern?“ Ihre Stimme war schwach, brüchig und kläglich und immer noch wunderschön. „Sie haben mich rausgeschmissen.“ Das war ihm neu. „Wann?“ „Heute.“ „Warum?“ „Das kann dir egal sein“, schniefte sie. „Und jetzt geh in deine Wohnung zurück. Shiro hat mich noch nicht verstoßen.“ „Ich habe dich nicht verstoßen.“ „Soll ich deine Worte wiederholen?“ „Nein“, stöhnte er. „Ich erinnere mich nicht gern dran, wenn ich so sein muss.“ „Bitte, lass mich jetzt alleine.“ „Yami, du bist seit Stunden hier, du frierst, bist hungrig, müde und völlig ausgelaugt. Wo kann es denn noch schlimmer sein als hier?“ „Bei dir“, flüsterte sie. Er zuckte zurück. „Au“, murmelte er. „Genau, au“, wiederholte sie dumpf. „Oder bedeutet es dir irgendetwas, was ich zu dir sage?“ „Ich will es dir erklären“, bat er sanft. „Komm nach Hause, ich möchte hier weg.“ „Hast du Angst?“ „Nein, aber du.“ „Hab ich nicht. Ich bin nicht Aani. Ich kann keine Geister sehen. Und ich dachte, du findest mich hier nicht.“ „Ich finde dich immer. Ich liebe dich.“ Sie gab ein trockenes, ungläubiges Lachen von sich. Das tat weh. „Kümmer dich nicht um mich, du hast bestimmt viel zu tun, wie immer.“ „Nein, habe ich nicht. Ich habe einen dummen Fehler wieder gut zu machen.“ Sie richtete sich auf. „Ich weiß ich überreagiere, aber es war heute alles zu viel.“ Sie wich vor seiner Hand zurück. „Bitte fass mich nicht an. Ich bin so froh, dass ich deine Augen nicht sehen kann.“ Sie wäre natürlich sofort schwach geworden. „Ich wollte dir nur meine Jacke geben.“ „Ich brauche keine, danke.“ Stur schritt sie voran. Im hellen Licht des Wohnzimmers sah er sie erst genau. Rote, verquollene Augen, zerzauste Haare, blutig gebissene Unterlippe und den Schmerz, für den er verantwortlich war. Erschöpft ließ sie sich auf die Couch sinken. Wieder streckte er die Hand aus, um wenigstens die Wunde an ihrer Lippe zu heilen, doch sie zuckte zurück, als würde sie einen Schlag vermuten. So eine Situation war völlig neu für ihn. Er kniete auf den Boden und sah zu ihr hoch, natürlich wich sie aus. „Glaubst du wirklich, ich würde dich schlagen?“ „Ja, wenn seelische Schläge dazuzählen.“ „Es tut mir wirklich leid“, flüsterte er, im Wissen, wie diese Tonlage auf sie wirkte. Die Bestätigung erhielt er von der Gänsehaut an ihren Armen. „Ich hielt es für das Beste und habe erst im Nachhinein bemerkt, wie ich dich vor den Kopf gestoßen habe.“ Jetzt sah sie ihn an, Tränen in den Augen. „Aani hat recht. Du bist wirklich ein guter Schauspieler. Fragt sich nur welches die Rolle war.“ „Yami, es tut mir wirklich leid, was ich getan habe. Ich-“ „Was genau hast du denn getan?“ Oh, darauf hatte Inuyasha ihn nicht vorbereitet. „Hast du erwartet, du müsstest nur zuhören und dich ab und zu entschuldigen?“ Sie hob spöttisch die Augenbrauen. „Da hast du dich mit der Falschen angelegt.“ Ergeben senkte er den Kopf. „Die lange oder die kurze Version?“ „Die kurze“, war sie gnädig. „Ich stehe nicht zu dir. Du bist meine Partnerin und trotzdem schließe ich dich aus meinem Leben aus. Das will ich nicht.“ „Steh zu mir“, bat sie. „Egal wie brenzlig die Situation ist. Du bist eine Beziehung mit mir eingegangen. Freiwillig. Dann musst du auch mit den Konsequenzen zurechtkommen. Ich tue es.“ „Du hast recht“, lächelte er. „Ich war immer alleine. Doch jetzt gibt es dich.“ „Es war ein Scheißtag“, stieß sie bitter hervor. „Darf ich hier duschen?“ „Yami.“ „Es ist so üblich, den Gastgeber vorher zu fragen!“ Er ließ die Schultern hängen. „Nie wieder hörst du das aus meinem Mund. Darf ich dir ein Bad einlassen?“ Oh, das heiße Wasser war wie Balsam! Yami versank fast völlig im duftenden Schaum. Aryan hatte sich neben die Wanne gesetzt. „Geht es dir besser?“ „Ja, danke. Darf ich hier schlafen?“ „In der Wanne?“ „In deiner Wohnung.“ „Nein, in unserer Wohnung. In unserem Bett. Wenn es sein muss, schlafe ich auf der Couch, aber bleib hier, es ist unsere Wohnung.“ „Wo steht das?“ „Im Mietvertrag.“ Oh. Er hielt ihr seine Hand hin, doch sie weigerte sich immer noch, ihn zu berühren. „Was ist los, Prinzessin“, wagte er sich zärtlich voran, ohne ihr das Gefühl zu geben, wie ein bockiges Kleinkind behandelt zu werden. „Es ist nicht deine Art, so durchzudrehen. Was ist alles passiert?“ „Du hast recht. Wäre all das heute nicht gewesen, würde mich deine Ablehnung nicht so treffen. Aber mir ist alles einfach zu viel geworden.“ „Was ist denn alles passiert?“ „Weißt du das denn nicht?“ „Nein, ich war heute nicht im Land.“ „Warst du in Indien?“, begann sie. „Nein. Werde ich auch nicht in nächster Zeit.“ „Ich auch nicht.“ „Was? Das tut mir leid.“ Er war ehrlich betroffen. „Ich weiß, wie sehr du dich darauf gefreut hast. Er hat es dir erst heute gesagt? Ein Tag vor der Abreise?“ „Ja. Er hat mich vor allen Kollegen als inkompetent bezeichnet. Deswegen würde er mich nicht mitnehmen. Es hätte gereicht, mir das unter vier Augen zu sagen.“ „Du bist inkompetent?“ „Inkompetent, die Beine für ihn zu öffnen“, knurrte sie. „Männer und ihr verletztes Ego! Ich war bloßgestellt vor allen. Hätte ich mich gewehrt, wäre es vermutlich noch schlimmer gekommen. Seitdem er dir begegnet ist, macht er mir die Tage zur Hölle.“ Härte trat in Aryans Augen. „Wieso sagst du mir das nicht?“ Ihr Blick begegnete seinem. „Weil ich kein hilfloses Kind bin. Was bringt es mir, dir etwas vorzujammern? Ich bin erwachsen und brauche niemanden, mit meinen Problemen komme ich alleine klar.“ Sein Lächeln war steinerweichend. Aber davon ließ sie sich nicht beirren. „Und davor haben dich deine Eltern rausgeschmissen? Aus einem Haus, in dem du nicht mehr wohnst.“ „Sie haben sich von mir abgewendet, mich nicht aus dem Haus, sondern aus der Familie geschmissen. Ich bin kein Teil mehr von ihnen.“ Aryan wusste, wie ungewollt die Drillinge waren und ganz besonders Yami. Ein viertes Kind wäre noch in Ordnung gewesen, Yoko dazu hätten sie auch ertragen. Aber ein sechstes war zu viel. Die Ablehnung ihrer Eltern tat ihm weh. „Meine Eltern wollten mich auch nicht. Ich weiß, wie das schmerzt.“ Jetzt ergriff sie seine Hand. Nichts war so schön wie ihre Haut an seiner. „Der genaue Wortlaut meines Vaters war: Das da ist nicht mehr mein Kind. Verschwinde aus meinem Leben. Und das war noch das Netteste, was aus seinem Mund kam. Er hat den Werbespot für das Shampoo gesehen. Jetzt habe ich ihn verraten.“ „Seine Firma stellt dekorative Kosmetik her. Er überreagiert im höchsten Maße.“ „Mag sein, jedenfalls will er nichts mehr mit mir zu tun haben. Er war völlig ausgerastet. Er hat sogar versucht, mich zu schlagen. Versucht“, wiederholte sie als Aryans Augen dunkler wurden. „Und Mutter war das völlig egal.“ „Yami…“ Sie sprach weiter, ohne ihn zu beachten. „Bei der Arbeit gedemütigt, von der Familie verstoßen. Ich brauchte dringend Wärme und Zuneigung. Ich wollte nur noch zu der Person, die mich braucht. Und fand ihn in den Armen seiner Seelenverwandten. Innig, selig lächelnd und überglücklich.“ „Du bist wirklich im falschen Moment aufgetaucht.“ Das Wasser schwappte über, als sie sich aufrichtete. „Entschuldige, nächstes Mal komme ich erst rein, wenn ihr fertig seid!“ Er seufzte. „Du weißt genau, was ich meine.“ „Ihr saht so perfekt zusammen aus. Du hättest dein Gesicht sehen sollen, als du sie angesehen hast und dann wenige Minuten später mich.“ Es schüttelte sie. Gequält schloss sie die Augen, ihre Stimme wurde leise. „So kalt, so eiskalt. So fremd. Diese dunklen Augen.“ „Diese Augen sind nicht zu durchschauen“, erklärte er sanft. „Meinen gewöhnlichen Augen könnte man vielleicht das Schauspiel ansehen, den schwarzen nicht.“ „Es war grauenhaft. Du warst so fremd, so kalt, so gefühllos. Und deine Stimme.“ Tränen flossen ihr wieder die Wangen hinab. „Wir sind kein Paar. Ich habe keine Gefühle für dich“, wiederholte sie seine Worte in seiner Stimme. „Jetzt geh bitte endlich, du störst mich nur. Geh zurück, wo du herkommst und misch dich nicht in meine Angelegenheiten ein.“ Aryan schauderte es. „So habe ich nicht geklungen.“ „Du hast genau so geklungen.“ „Das ist ja furchtbar. Mir war diese extreme Wirkung nicht bewusst. Ich hatte nur die Absicht dich zu schützen, Yami.“ „Wenn schützen verjagen bedeutet, hast du es geschafft. Warst das du?“ „Na“, schüttelte er entschieden den Kopf. „Du weißt, dass ich so nicht bin.“ „Ich verstehe, warum Aani solch eine Angst vor dir hatte. Du warst haargenau wie Raj.“ „Raj?“ Das hatte er nicht erwartet. „Der gleiche kalte, überlegene Ausdruck in den Augen, die gleiche schneidende Stimme. Alles, was ich an Raj so hasse. Mir war nie bewusst, warum man immer zuerst dich mit Raj verwechselt und nicht Inuyasha. Jetzt weiß ich es, du bist ihm ähnlich. Das habe ich erst vorhin gemerkt. Es war, als wärst du ein vollkommen Fremder. Weißt du, dass du nicht ein Mal geblinzelt hast? Wie der Teufel.“ Jetzt zuckte er zusammen. Hatte sie ihn bisher nicht tief getroffen, diese Worte schmerzten. Er wandte den Blick ab und die Tatsache, dass sie ihn verletzt hatte, traf sie unerwartet hart. „Sanam, entschuldige!“ „Yami, ich habe dir gesagt, wenn du mich bei der Arbeit siehst, stoße ich dich nur ab.“ Er sah sie an, die grünen Augen gequält. „Ich war vergleichsweise harmlos.“ „Es wäre alles nicht so schlimm gewesen, wenn du nicht gesagt hättest, dass du mich nicht liebst.“ „In dem Moment, als es mir über die Lippen kam, hat es bitter geschmeckt. Es war so falsch. Aber dann gab es kein Zurück mehr. Es tut mir so leid. Kannst du mir vergeben?“ Sie legte ihre Hand in seine. „Wenn ich mehr für dich bin, als die Unterhaltung in deinem Bett.“ Aryans Augen wurden riesig. „Du bist alles für mich!“ „Dann zeige es mir. Teile dein Leben endlich mit mir und schirme mich nicht ab.“ „Yami, auf meinen Schultern lastet so viel Macht, so viel Verantwortung. Manches ist zu riskant-“ „Gott, dass auch du mal debil sein kannst!“, knurrte sie. „Du sollst mir deine Geheimnisse nicht anvertrauen. Ich weiß ganz genau, dass das zu gefährlich für mich ist. Ich will wissen, wer du bist. Wer du warst. Ich will dich kennen.“ „Darf ich dich dann umarmen?“ Die Frage verwirrte sie. Es störte ihn, dass sie sich nicht berühren ließ? Aryan ist ein Mann. Männer suchen Bestätigung in Nähe und Berührung. „Ich brauche keine starke Schulter, ich komme alleine klar!“ „Ich nicht.“ „Kya?“ „Ich brauche dich, Prinzessin. Du gibst mir Kraft. Du hast nicht die geringste Ahnung, wie sehr ich dich brauche, nicht wahr?“ Nein, das wusste sie wirklich nicht. „Ich könnte nicht mehr ohne dich. Du glaubst, ich bin der Starke. Nein, mittlerweile bin ich vollkommen abhängig von dir. Ohne dich wäre ich nur halb so stark und bei weitem nicht so glücklich.“ Zaghaft schlang sie die Arme um seinen Nacken. Es war ihm völlig egal, dass sie ihn durchnässte. Sekundengeschwind war er ausgezogen und in die Badewanne gestiegen. „Ich weiß kaum etwas von dir“, flüsterte sie und schmiegte sich an seine Brust. „Du kennst mich besser, als irgendwer“, versicherte er und schlang die Arme um ihren Körper. „Und ich verspreche dir, wir sind ein Team. Was willst du wissen?“ „Ich will dich kennenlernen“, gähnte sie. „Erzähl mir aus deinem Leben. Ich will wissen, wer du warst.“ „Ich war ein Etwas“, antwortete er. „Gelebt habe ich erst durch dich. Und wenn ich dir meine Vergangenheit offen darlege, wirst du es auch begreifen.“ Und sie begriff. „Wie fühlst du dich?“, fragte sie, nachdem Aryan ihr alles erzählt hatte und sie hundemüde im Bett lagen. Ihr Körper bettelte um Schlaf. „Leichter“, gähnte Aryan. „Viel wohler. Liebst du mich immer noch?“ Ein süßes, doch todmüdes Kichern erklang. „Mehr denn je“, versicherte sie und gab ihm endlich den versöhnenden Kuss, den er brauchte. „Und nimm dir morgen Nacht nichts vor“, murmelte sie schon halb im Schlaf. „Willst du den Versöhungssex nachholen?“, lachte er. Sie nickte. „Es verstößt nur gegen meinen Trotzkopf, jetzt schon angefasst zu werden.“ „Ich bin auch so glücklich. Ich bin nicht, wie andere Männer.“ „Oh nein. Ganz und gar nicht. Zum Glück!“ „Was machst du hier?“, starrten alle Yami am nächsten Morgen an. „Frühstücken“, erwiderte sie leicht patzig. „Oder soll ich gehen?“ „Nein, nein, entschuldige!“ Anjaani brachte ihr hastig ihr Gedeck. „Solltest du nicht in Mumbai sein?“, wunderte sich Yuichi. Yuki sah ihn warnend an. „Nein.“ „Das war aber heute, oder?“ „Ja.“ „Warum sitzt du dann nicht im Flieger? Aua, warum trittst du mich?“ „Weil du den Mund halten sollst“, beschwerte sich Yuki. „Mein Chef hat sich kurzfristig um entschieden“, sagte Yami knapp und in einem Tonfall, der Yuichi hinderte, nachzufragen. „Ich schätze mal, du bist inkompetent“, erkannte Yoko. Yami nickte. „Dieser verfluchte männliche Stolz. Hast du nicht mal einen Chef gehabt, der dich feuern wollte, Häschen, weil du zu inkompetent warst?“ „Worin warst du inkompetent?“, interessierte sich Yuichi. „Darin, die Beine für ihn breit zu machen“, aß sie ungerührt ihr Frühstück weiter. „Wann hören Männer endlich auf, einen nur als Frischfleisch zu sehen?“ „Was war dann?“ Jetzt sah sie ihn an, Vorwurf in den ockerbraunen Augen. „Was wohl? Denkst du, ich lass jeden ran? Ich bin keine Schlampe!“ „Das hab ich nicht gemeint“, entschuldigte er sich sofort hastig. „Ich wolle nur wissen, wie du damit umgegangen bist.“ „Auf einzig richtige Art und Weise. Ich hab mich gewehrt und gekämpft. Jetzt ist er nicht mehr mein Chef und mein Gehalt hat sich erhöht.“ Sie sah dann Yami an. „Jetzt hast du wenigstens eine Woche Ruhe vor dem Idioten.“ „Und dann?“, wollte Yami entmutigt wissen. „Er ist der höchste Chef im Verlag. Ich kann ihn nicht bei jemand höherem anschwärzen. Vielleicht beruhigt er sich ja.“ „Lass ihn doch ein wenig ran“, riet Yuki. „Ein kleiner Kuss vielleicht.“ „Hättest du das gemacht?“ Yuichi spitzte heimlich die Ohren. „Niemals. Aber ich hatte auch andere Möglichkeiten. Versuchs doch, dann ist er bestimmt ruhiger.“ „Ja, weil er dann tot ist. Aryan bringt ihn um.“ „Sagen wir mal so, es wird ihm nicht gut gehen“, korrigierte Aryan. „Jedenfalls wäre er nicht mehr dein Vorgesetzter.“ Yami wirbelte in seinen Armen zu ihm herum. „Du kannst ihn aus seiner eigenen Firma rausschmeißen?“ Er nickte nur. „Manchmal ist uns gar nicht bewusst, wieviel Macht du hast“, staunte Yuki. „Ja, weil er so bescheiden ist“, erklärte Anjaani. „Niemand, der solch eine Macht wie Aryan hätte, wäre noch normal.“ „War das jetzt ein Kompliment“, lachte Aryan. „Ein großes“, lächelte Anjaani. „Wartet einfach ab, wie es wird, wenn er aus Indien zurück kommt.“ Yami sah sie an. Mit ihrem Chef hatte sie es auch nicht leicht. „Zuma ist auch eher unumgänglich“, hatte Yoko denselben Gedanken. „So streng kann er nicht sein, wenn er sich von dir regelmäßig bei der Arbeit stören lässt“, warf Yuki neckend ein. Yoko errötete bei der Erinnerung. „Er hat einen großen Schreibtisch“, hauchte der Drilling. „Und hoch genug“, zwinkerte Yuki. „Hoch genug“, entfuhr es Anjaani ungewollt, die jetzt den Faden verlor. „Ich schätze mal, der Schreibtisch hat dieselbe Höhe, wie seine Hüfte.“ „Und?“ Damit Inuyasha nicht die Nerven verlor, wandte sie sich an ihren Freund, der überrascht reagierte. „Dein Schreibtisch ist fast 15 cm zu niedrig, Liebling. Um genau zu sein 14,7cm.“ „Niedriger als was?“ Ihm gefiel die Richtung, in die das Gespräch verlief. „Niedriger als deine Hüfte. Präzisiert meine ich, die Länge von deinen Füßen bis zu einem bestimmten Punkt bei deiner Hüfte. „Woher weißt du wie lang… meine Beine sind“, lenkte er auf Inuyashas Knurren hin ein. „Ich hab ein sehr genaues Außenmaß. Ich liege selten falsch.“ Sie sah Aryans Hand an, die an Yamis Schulter ruhte. Und nannte die geschätzte Länge seines Zeigefingers. Aus ihrem BH-Bunker zog sie ein kleines Maßband hervor und reichte es Yami. Diese bestätigte mit einem Nicken. „Was ist da eigentlich alles drin?“ Yuichis Blick glitt in ihrem Ausschnitt. „Und wo passt das alles rein?“ „Du kannst gerne noch mal nachmessen, Liebling, aber wir brauchen einen 14,7cm höheren Tisch. Seine Augen begannen zu funkeln. „Heißt das, wir sollen uns neue Möbel kaufen?“ „Zumindest einen Tisch, der exakte Höhe hat“, nickte sie und sein Gesicht erstrahlte. „Versteht du das?“, wandte Anjaani sich an Inuyasha. Er schnaubte. Leider verstand er das viel zu gut. „Schweinkram“, knurrte er. „Was denn sonst!“ „Zumas Tisch ist aber immer ordentlich“, sinnierte Anjaani. Sie schaffte es einfach nicht, Tische und Sex miteinander zu kombinieren. „Wie hoch ist denn mein Schreibtisch?“, fragte sie. „Im Vergleich zu wessen Hüfte?“, grinste Yuki. „Was hat das damit zu tun?“, seufzte Anjaani frustriert. „Meine Möbel sind super. Zuma hat nicht gegeizt. Im Grunde seines Herzens ist er voller Güte“, sagte sie zu Yoko. „Er ist nur zu tief verletzt, um sein Herz zu öffnen. Aber er ist ein guter Chef.“ Yoko hob ungläubig die Brauen. „Es gibt keinen schlimmeren Chef als ihn. Yuichi vertuschte ein Lachen hinter einem Husten. „Willst du irgendwas sagen?“, knurrte der rote Drilling ihn an. „Nein“, lächelte er. „Arbeiten mit dir ist wie Urlaub. Im Arbeitslager.“ „Du bist nur sauer, weil ich dir nie die Chance gebe, allein mit Yuki zu sein.“ „Nein, du bist ein Spielverderber. Sogar Aryan wäre entspannter.“ Aryan hob die Brauen. „Bist du dir bewusst, womit ich mein Geld verdiene?“ „Dämonen verkloppen, Welt retten und sowas.“ Inuyasha schnaubte. „Ja, arbeite eine Stunde unter Aryans Befehl.“ „Ist das eine Beschwerde?“, lächelte Aryan. „Wenn es dir nicht passt, kannst du ja übernehmen.“ „Nein, danke! Ich hab nichts gesagt! Aber du glaubst doch nicht im ernst, Yamada, dass es entspannend ist, im Dämonensondereinsatz zu arbeiten? Vorallem nicht in Aryans Position. Aryan ist weltweit für Sicherheit zuständig, während du am Set Unsinn treibst.“ „Und du benimmst dich immer?“, lachte Aryan. „Spiel nicht den Moralapostel, Inuyasha, wenn ich dich ständig im Auge behalten muss.“ „Ich kann auch gar nichts mehr machen“, motzte Inuyasha. „Dann hast du überhaupt kein Privatleben mehr.“ „Und du wärst als nicht-registrierter Dämon Freiwild für mich.“ „Oh, Inuyasha gegen Aryan“, begeisterte sich Yuki. „Wer würde wohl gewinnen?“ Das war jetzt aber mal wirklich eine interessante Frage! „Tiger gegen Löwe“, flötete Yoko. „Wer gewinnt?“ „Der Löwe“, war Yami natürlich überzeugt. „Nein, der Tiger“, schüttelte Anjaani ernst den Kopf. „Erklär warum“, verlangte Yami mit einem bösen Lächeln Richtung zufriedenen Hanyou. „Inuyasha ist brutaler und blutrünstiger als Aryan. Es hat keine Skrupel und kein Gewissen. Aryan ist gütig und gerecht. Er tötet nicht einfach so.“ Inuyashas Grinsen war schneller verblasst, als es erschienen war. Beleidigt sah er sie an. „Mal davon abgesehen, dass sich Tiger und Löwe wohl nie in freier Wildbahn begegnen würden“, warf Aryan ein. „Kann man nicht klar sagen, wer gewinnen würde.“ „Ein Tiger ist größer als ein Löwe und agiler“, verteidigte Inuyasha sein Sinnbild. „Aber er ist ein Einzelgänger und ein Löwe als Rudeltier ist durchaus im Kampf geübt. Und seine Mähne schützt den empfindlichen Hals.“ „Der Tiger ist um einiges stärker!“, knurrte der Dämon. „Was nicht heißt, dass er dem Löwen überlegen ist. Ich sag dir ständig, dass dir Muskeln nichts bringen, wenn du keine Strategie hast.“ „Also, fassen wir zusammen!“ Anjaani legte beruhigend die Hand auf Inuyashas Arm. „Ein Inuyasha ist deutlich stärker, aber ein Aryan taktischer. Das bedeutet Gleichstand. Und gemeinsam seid ihr sowieso unbesiegbar.“ „Du oder ich ist völlig irrelevant“, lächelte Aryan. „Yami würde uns beide fertig machen.“ „Yami ist ein Schwächling“, widersprach Yami und Schmerz trat in ihre Augen. „Sie kann sich weder gegen ihren Chef, noch gegen ihre Eltern verteidigen.“ „Was haben unsere Eltern getan?“, entfuhr es ihren Schwestern gleichzeitig. „Beziehungsweise, was sie nicht tun. Uns lieben zum Beispiel.“ Sie sah Yuichi an. „Sie haben unseren Werbespott gesehen.“ „Oh, mir schwant übles“, stöhnte Yoko. „Dann kann ich zusammenfassen: Schande, Ehre, Abtreibung.“ Yami nickte. „Wir müssen uns bei ihnen nicht mehr blicken lassen. Wenn sie könnten, würden sie uns sogar die Nachnamen wegnehmen.“ „Das macht nichts“, winkte Yuki ab. „Ich hab sowieso vor, Yuichis Namen anzunehmen.“ Er sah sie verblüfft an. „Sag bloß, wir heiraten nie?“ Die Kinnlade fiel ihm herunter, er fasste sich aber sofort wieder. „Natürlich tun wir das! Was für eine blöde Frage. Aber ich hab nicht erwartet, das mal aus deinem Mund zu hören. Solche Eltern habt ihr nicht verdient! Ich wünschte, ich wäre euer Bruder“, sagte er zu Yoko und Yami. „Deiner besser nicht“, zwinkerte er Yuki zu. „Du bist mein Bruder“, lächelte ihn Yami an. „Wir hier sind eine Familie. Mir bedeuten meine Eltern nichts, ich habe euch.“ Seine Finger schlossen sich um ihre kleine Hand und der Ausdruck in den meerblauen Augen wurde weich, voll brüderlicher Liebe. Plötzlich wurde Yami bewusst, wie gutaussehend er war. Nicht annähernd wie Aryan, aber wirklich schön. „Wenn euch niemand mehr liebt, habt ihr immer noch mich“, schwor er und sah Yoko an. „Besonders du.“ „Was soll das bitte heißen“, regte sie sich auf und Yami musste lachen. Aryan drückte seine Liebste an sich und sah Yuichi dankbar an. Dankbar, dass er ihre Laune gehoben hatte. Yuichi nickte ihm zu. Doch Yami war anhänglicher als sonst. Es schlug ihr auf den Magen, diese Enttäuschung, nicht nach Indien zu fliegen. Dazu noch die Erniedrigung, ihren Arbeitskollegen unter die Augen zu treten. Sie war so stark. Stärker als er. „Soll ich mit rein?“, fragte er als sie ihn länger als üblich zum Abschied umarmte. „Damit meine Kolleginnen den ganzen Tag arbeitsunfähig sind“, kicherte sie an seiner Brust. „Nein, Sanam, es tut mir leid. Ich hatte mich so auf Indien gefreut. Ich beneide dich, dass du wirklich überall rumkommst, alles siehst, während ich selber noch nie aus Tokio raus bin.“ Er hob ihr Kinn an, sah in ihre wunderschönen Honigaugen. „Und trotzdem, Prinzessin, bin ich am allerliebsten bei dir.“ Ihr Gesicht strahlte mit der Sonne um die Wette. Jeden Tag verliebte er sich neu in dieses Lächeln. „Immerhin bin ich dann nicht getrennt von dir. Ohne dich wäre es sowieso nicht schön gewesen. Urlaub mit dir, das wäre mein allergrößter Wunsch.“ „Bald“, raunte er. „Ich verspreche es dir.“ Ihre Freude wurde nur noch durch seinen sinnlichen Kuss gesteigert. Er lehnte die Stirn gegen ihre, sein schneller Atem quälte heiß ihre Lippen. Sie schloss die Lider, um sich von seinen Augen nicht überwältigen zu lassen. „Ich habe mir heute den ganzen Abend frei genommen“, flüsterte er. Sie öffnete die Augen und ihre Pupillen weiteten sich. Ihre Stimme versagte. „Ich dachte, du bist nicht wie andere Männer…“ „Auch ich genieße etwas Vorfreude. Und in einem Punkt bin ich allen Männern gleich: Du hast die komplette Macht über mich, Prinzessin.“ „Was bist du eigentlich so nervös“, wunderte sich Yuichi am Abend über seine kleine Schwester. „Ich vermisse Aryan“, antwortete sie knapp. „Das kennst du nicht, du bist mit Yuki quasi fusioniert.“ Yuki schlang demonstrativ die Arme fester um ihren Freund. „Ich habe so viele Jahre auf ihn gewartet. All die Zeit keine Nähe, keine Zärtlichkeit, nichts. Und den Lohn für meine Geduld darf ich wirklich genießen.“ „Ich bin dein Lohn“, raunte er und streichelte mit den Lippen zärtlich ihre Wange. „Was noch? Bin ich dein Herz? Dein Glück? Sag es mir.“ „Hör auf diesen blöden Fluch so auszunutzen! Du Idiot bist mein ganzes Glück und wenn dieser bescheuerte Fluch nicht mehr wirkt, rede ich eine Woche kein Wort mit dir“, flüsterte sie und küsste ihn zärtlich. Yami wandte sich grollend ab und begann den Tisch für das Abendessen zu decken. „Verdreh du ja nicht die Augen“, warf ihr Yoko vor. „Du und dein Freund seid keinen Deut besser.“ „Aani, wann kommen sie?“ Anjaani drehte sich fröhlich zu ihr um und umarmte sie, beruhigend warm war ihre Nähe. „Inuyasha und Aryan sind zusammen unterwegs. Sie kommen ganz sicher pünktlich zum Essen. Außerdem müsst ihr euch noch versöhnen?“ „Woher weißt du davon?“, sah sie ihre Freundin verdutzt an. „Aryan hat mir nur gesagt, dass er sich kaum auf die Arbeit konzentrieren kann, weil er sich auf eure Versöhnung freut. Und dass du ihm jeden Anstand ausgetrieben hast.“ Ein seliges Grinsen breitete sich auf Yamis Gesicht aus. „Kein Versöhnungssex?“, wunderte sich Yuki und unterbrach kurz ihr Gekuschel mit Yuichi. „Wie hast du das denn geschafft?“ „Leicht, ich war todmüde. Du hast mir doch eingeschärft, nach einem Streit nicht sofort schwach zu werden.“ „Gut gemacht, Mäuschen“, lobte Yuki. „So machst du ihn verrückt. Wenn es selbst bei Aryan klappt, klappt es bei jedem.“ „Du bist der Teufel“, warf ihr Yuichi lachend vor. „Und du mein liebstes Opfer.“ „Ich bin stolz auf dich, Schönheit. Lass dich von keinem Mann kontrollieren!“ „Besonders nicht von dir!“ „Das habe ich nicht gesagt. Ich dürfte dich ruhig etwas weniger kalt lassen.“ „Kalt lassen?“, riss sie die Augen auf. „Yui-kun, ich weiß kaum wo mir der Kopf steht, sobald du-“ Sie hielt sich den Mund zu und ärgerte sich maßlos über sein listiges Grinsen. „Lass den Mist, Yamada! Wenn du nicht aufhörst, werd ich dir nicht einmal mehr nahe kommen!“ „Kannst du denn gar nichts dagegen machen?“, wunderte sich Yoko. „Du bist doch sonst so starrköpfig.“ „Und du nicht?“ „Klar, deswegen wundere ich mich ja auch so.“ „Nein“, stöhnte sie genervt. „Die Worte kommen raus, bevor ich sie verhindern kann. Aber nur, wenn der Trottel was sagt.“ „Der größte Trottel, den du kennst?“ „Nein, der schönste Mann- hör jetzt auf damit!“ Fauchend riss sie sich von ihm los. „Sei froh, dass er nur deine Worte kontrolliert und nicht deinen Willen“, munterte Yoko sie auf. Yuki grinste. „Nein, ich hab‘s nicht mit Worten, so wie du. Mir sind Taten wichtiger. Ich mach lieber, was er sagt, als du sagen, was er immer hören möchte. Mal davon abgesehen, dass Yuichi mir niemals seinen Willen aufdrängen würde.“ „Du hast einen wundervollen Mann“, flüsterte ihr Yami auf Hindi zu. „Ich weiß. Du auch, er muss nur Heim kommen.“ „Der kommt gleich“, lächelte Anjaani. „Wenn Inuyasha ihn nicht zu sehr aufhält.“ „Inuyasha, hör endlich auf, so zu trödeln“, beschwerte sich Aryan. „Erledige es endlich und fertig.“ „Ich hasse es, wenn du mich meine Arbeit nicht genießen lässt“, entgegnete der Hundedämon. „Ich hab heute keine Zeit, dein Kindermädchen zu spielen. Du zögerst meinen Feierabend nur unnötig heraus!“ „Ich weiß, du hast Feierabend, aber-“ Dann sah Inuyasha den Ausdruck in Aryans Augen und er grinste breit. „Du hast dich gestern nicht mit dem Nervenzwerg versöhnt.“ Aryan blinzelte. „Doch, wir haben uns ausgesprochen.“ „Mach mir nichts vor, ich kenne diese Ungeduld in den Augen. Außerdem versöhnen Männer sich nicht nur durch ein Gespräch. Dieser Zwerg ist ausgefuchst, sie wird dich bis zum Lebensende bei Laune halten.“ „Das hoffe ich doch. Bist du jetzt endlich fertig?“ Aryan seufzte, als er sich umsah. „Bravo, Inuyasha, wir sind im Territorium der Sirenen. Beeil dich endlich!“ Inuyasha blieb stehen, seine Ohren zuckten. „Oh, hörst du das?“ „Ich will jetzt nach Hause!“ „Das ist wunderschön. Aber was ist das?“ Aryan beachtete ihn überhaupt nicht. Inuyasha hielt ihn an der Schulter fest. „Hörst du das nicht?“ „Das ist Sirenengesang“, erklärte er warnend. „Sie sind in der Paarungszeit. Auf Gene wie deine sind sie richtig scharf.“ „Ich rieche sie nicht.“ „Weil der Gesang deine Sinne verwirrt. Komm jetzt endlich!“ Inuyasha schüttelte sich kurz. Der Gesang wurde lauter, lockender, sinnlicher. Einen Blick konnte er doch riskieren und diesen eingebildeten Weibern weismachen, dass er ihnen überlegen war. Quatsch, er musste hier weg! Er musste Heim! Heim… heim zu… Er stieß ein kurzes Knurren aus und rannte dem Klang nach, bis zum Wasser. Aryan stöhnte genervt auf und folgte ihm. Der traumhafte Gesang in Inuyashas Ohren wurde unerträglich schön. Da saßen sie, schön, wunderschön. Viel zu schön! Eine zarte, kleine Hand schmiegte sich um seine Wange. Desidero wusste, er musste jetzt weg. Er wollte nicht bleiben, aber der Gesang war bannend und dieses Gesicht, so traumhaft schön, wunderschön… Die goldenen Augen, die schwarzen Locken… Anjaani… sie zog ihn zu sich. Plötzlich wurde sie ihm entrissen. Aryan stieß die Sirene ins Wasser zurück und zerrte Inuyasha hinter sich her. „Anjaani!“ „Das war nicht Aurora! Komm zu dir!“ Inuyasha schüttelte sich. „Verflucht, was war das?“ Er rannte jetzt selber, wütendes Gekreische im Ohr. Eine abgewiesene Frau war teuflisch. „Wirklich, Inuyasha? Bist du nie von einer Sirene bezirzt worden?“ Inuyasha schnaubte verächtlich. „Doch, aber es hat nie geklappt. Ich lasse mich nicht dominieren und erst recht nicht verführen!“ Jetzt sah ihn Aryan an, mit hochgezogenen Augenbrauen und der Hundedämon errötete. „Anjaani zählt nicht“, murmelte er. „Sie ist übermenschlich und mit nichts zu vergleichen.“ „Und unschuldig zum Glück der gesamten Männerwelt.“ „Wieso wirkt der Gesang auf dich nicht? Wie eisern bist du?“ Aryan lachte. „Ich kenne viel schöneren Gesang. Du weißt, wer daheim auf mich wartet.“ Jetzt lachte Inuyasha, weil er begriff. „Die Königin der Sirenen!“ „Genau. Diese Stimmen sind nicht einmal halb so anziehend wie Yamis. Ich kenne ihren Zauber, da lässt mich dieser kalt.“ Inuyasha lächelte. Auf ihn selbst wartete daheim das größte Glück. Sie warf sich in seine Arme, kaum dass er im Raum war. Yami stürzte sich auf Aryan. „Saajan!“ „Sanam!“ Ihre Gesichter hoben sich misstrauisch. „Warum riechst du nach einer anderen Frau?“, kam es gleichzeitig aus ihren Mündern. Die Männer sahen sich an, erst starr, dann brachen sie in lautes Lachen aus. Weibliche Sinne waren nicht zu täuschen. „Das meintest du damit, als du sagtest, eine schlaue Frau riecht jeden Betrug“, begriff der General. „Betrug?!“ Yami war kreidebleich geworden, die Stimme versagte ihr. „Wo habt ihr euch rumgetrieben?“, hauchte Anjaani erschüttert. „Nicht da, wo ihr jetzt denkt“, lächelte der General und zog eine etwas widerstrebende Yami an sich. Er schien in ihren Augen zu versinken. Da war es wieder, dieses Unerklärliche zwischen ihnen, als würden sie in Gedanken miteinander reden. Yamis Gesichtsausdruck änderte sich, als hätten sie tatsächlich miteinander gesprochen. „Dann ist ja gut“, lächelte sie beruhigt. „Für den Schock bezahlst du nachher.“ Inuyashas war das Ganze nicht geheuer. Anjaanis Blick war noch unheimlicher. Mit verschränkten Armen schritt sie auf ihn zu, verärgert, unwiderstehlich. Tausendfacher Sirenengesang kam nicht gegen das verführerische Funkeln ihrer dunklen Augen an. Damn it, eine zornige Anjaani! Er wich vor ihr zurück. „Wir sind Sirenen begegnet“, versuchte er zu erklären, weil Aryan mit Yami beschäftigt war. „Die sind in der Paarungszeit“, hauchte sie leise. Gott, diese Stimme fuhr direkt in seinen Unterleib! „Jeder erfahrene Dämonenjäger meidet ihr Gebiet, nicht wahr, Aryan?“ Oh- oh, kein Nii-san? Sie sah aber immer noch Inuyasha an. „Wir sind natürlich nicht zu ihnen gegangen“, erklärte Aryan, als er sich kurz von Yami löste. Puh, danke! „Wir hörten sie nur von weitem und Inuyasha ließ sich von ihren Gesang verzaubern. Ich musste ihm hinterher.“ Du mieser, kleiner…! „Es ist nichts passiert. Warum rechtfertige ich mich vor dir?“ Wenn er hilflos war, holte er zum Angriff aus. „Aryan hat sich nicht um den Verstand bringen lassen. Ich bin nur enttäuscht über dein mangelndes Ehrgefühl. “ Das traf wie ein Schwall Eiswasser. „Ehrgefühl?“ Jetzt war er zornig. „Wie leicht kannst du dich denn gegen Magie wehren?“ „Magie? Du warst einfach nur geil. Komm mir nicht damit, dass man mich mit Sex ködern kann. So schwach bin ich nicht!“ Inuyasha war nicht der einzige, den ihre Wortwahl umhaute. Er fasste sich schnell wieder. „Schwach? Das ist keine Schwäche, das ist menschlich! Sie hat mich nur berührt, dann bin ich weggerannt. Behandle mich nicht wie ein moralloses Monster, nur weil du reizlose alte Jungfer keine Libido besitzt!“ Au! Jetzt war er zu weit gegangen. Die Drillinge rissen die Augen auf, Yuichi bekam den Mund nicht mehr zu. „Reizlos?“ Ihre Stimme ließ ihm die Eingeweide gefrieren. Das Wort war hängen geblieben. „Ich bin reizlos?“ Und etwas glühte in ihren Augen auf, etwas gefährliches, etwas, das er ein Mal gesehen hatte- oh Gott, bitte nein! Sein Herzschlag blieb stehen. Dann, wie auf einen Schlag, sackten ihre Schultern hinunter, ihr Gesicht verdüsterte sich und sie wandte sich ab. „Ihr habt bestimmt Hunger. Wir haben auf euch gewartet.“ Inuyasha spürte, wie seine Knie zitterten. „Da hast du aber riesiges Glück gehabt“, raunte ihm Aryan zu. „Pass endlich auf, was du sagst. Du kannst es dir nicht leisten, so mit ihr zu spielen.“ Er gab nur ein kurzes Knurren von sich. Danke, das wusste er selber! Etwas ruhiger setzte er sich an den Tisch. „Wie sieht eine Sirene aus?“, fragte ihn Yuichi im lauten Flüsterton. „Hör auf“, warnte ihn der Hanyou. „Ich bin nur neugierig“, tat er unschuldig. „Ich habe nie eine gesehen.“ „Ihre Stimme ist wichtiger, als ihr Aussehen“, erklärte ihm Aryan. „Wenn ihre Stimme alleine nicht ausreicht, verwirrt ihr Zauber deine Sinne so sehr, dass sie für dich unwiderstehlich aussieht. Ein Wesen, dem du nicht widerstehen kannst.“ Ach, deswegen hatte er Anjaani gesehen! „Wie sah sie für dich aus, Aryan-nii?“, interessierte sich Yoko, warf Inuyasha aber ein Lächeln zu, das verriet, dass sie wusste, wie seine Sirene aussah. „Wie sie für gewöhnlich aussehen. Dunkle Haare und silbrige, schuppige Haut. Gelbe Augen und spitze Haizähne. Nicht gerade so attraktiv, wie in der Fantasie der meisten Menschen.“ „Hat denn ihr Zauber gar nicht auf dich gewirkt?“, wunderte sich Yuki. „Nein“, lächelte er. „Ich bin Tag für Tag einem mächtigeren Zauber erlegen.“ Er schenkte Yami ein solch bezauberndes Lächeln, dass allen Mädchen ein Seufzer entwich. Anjaani schloss kurz die Augen. Was gäbe sie dafür, solche Worte aus Inuyashas Mund zu hören. Aber nein, sie bedeutete ihm nichts. Sie, das reizlose Weibsbild, das ihn durchfütterte. Mit mehr Schwung als nötig, stellte sie das Essen auf den Tisch. „Ich hoffe, es schmeckt euch“, murmelte sie und sah Inuyasha in die Augen. „Es gibt nur Fisch. Keine Meerjungfrau.“ Ein Lächeln traf Aryan. „Nicht für dich, Nii-san. Nur für die, die nicht widerstehen können.“ Inuyashas Augen wurden zu Schlitzen, die Drillinge begannen zu Kichern. Allein die Tatsache, dass das Abendessen unglaublich köstlich war, besserte seine Laune. Anjaani war auffällig still und nachdenklich. Und wie so oft aß sie kaum etwas. „Nee-chan, hast du keinen Hunger?“ Sie sah Yuichi an. „Nein, morgen wieder.“ „Sie isst immer so wenig“, klärte ihn seine Freundin auf. „Drei Tage isst sie kaum etwas und am vierten haut sie ordentlich rein. So war das schon immer.“ „Seltsam. Bist du sicher, dass das normal ist?“ Es war als Neckerei gemeint, doch sie zuckte zusammen. „Nein, ich glaube nicht. Ich glaube, ich bin überhaupt nicht normal.“ Aryan sah Inuyasha vorwurfsvoll an, doch der hungrige Hanyou zuckte nur schuldlos mit den Ohren. Anjaani hatte Hindi gesprochen, er hatte kein Wort verstanden. „Red nicht so einen Stuss“, warf ihr Yami vor. „Wie kommst du überhaupt darauf?“ „Hey, ich versteh kein Wort!“ „Aurora, leg nicht alles auf die Goldwaage, was er sagt“, beschwichtigte sie Aryan. „Er wird immer grob, wenn er in die Ecke gedrängt wird. Du kennst ihn doch.“ „Hallo, ich versteh immer noch nix!“ Anjaani sah den Japaner an, nicht unfreundlich, aber fest, sodass er zurückwich. „Ich bin nicht normal. Zufrieden?“ „Das war doch nicht ernst gemeint, Nee-chan. Du bist die einzig Normale in diesem ganzen Haufen von Spinnern.“ „Er hat recht, Aani“, lachte Yuki. „Schau uns an. Du bist wirklich nicht diejenige, die verquer ist.“ „Dass ihr einen Schaden habt, ist klar“, brummte Inuyasha. „Aber warum ich?“ „Deine Taktlosigkeit und dein Mangel an Feingefühl sprengen wirklich jede Grenze“, wies ihn Yami grob zurecht. „Du bist der größte Spinner von allen!“ „Also bin ich nutzlos und langweilig“, fasste Anjaani zusammen. „Bedeutungslos, sinnlos.“ „Wer hat das jetzt behauptet?“, wunderte sich Aryan. „Das ist nur eine Zusammenfassung“, meinte sie trocken. „Ich bin ein normaler, gewöhnlicher Mensch, der kein Talent hat, nichts besonders gut kann. Im Vergleich zu euch allen bin ich ein Nichts. Geistig kann ich euch nicht das Wasser reichen, nicht einmal äußere Reize kann ich vorweisen.“ Die Blicke der Drillinge, die Inuyasha trafen, waren tödlich. „Ich hab nicht einmal natürliche Bedürfnisse“, murmelte sie weiter, in Gedanken versunken. „Keine Libido. Ich bin nicht normal. Was bin ich?“ Oje. Inuyasha seufzte innerlich. Was hatte er angestellt? „Meine Familie hielt es nicht für nötig, mich zu mögen. Raj hat mich jahrelang benutzt, keine Nähe, keine Gefühle. Keiner bringt Gefühle für mich auf. Selbst Zuma, bei dem ich die Chance hätte, dass ich ihm wenigstens Freundschaft wert bin, hasst mich aus tiefstem Herzen. Yami und Yuki misstrauen mir, wenn ich in der Nähe ihrer Männer bin.“ Die Schwestern zuckten zusammen und sahen sich schuldbewusst an. „Ich störe nur“, erkannte Anjaani plötzlich. „Ich bin jedem nur im Weg.“ „Aani, du steigerst dich da rein!“, herrschte Yoko sie an. „Reiß dich jetzt zusammen!“ „Sag mir ehrlich“, bat sie. „Wäre dir wohler, wenn ich nicht mit Zuma zusammen arbeiten würde?“ Yoko Augen weiteten sich. „Hasst du es, wenn ich Yuichi berühre?“ Yuki senkte den Blick. „Und du wünscht dir, dass Aryan und ich uns nicht mögen.“ Yami presste die Lippen zusammen. Anjaani konnte man sowieso nicht anlügen. „Eigentlich bin ich euch nur im Weg. Ich störe euer Weiterkommen.“ „Aani...“ „Wieso studiert ihr nicht?“ Die Drillinge tauschten ratlose Blicke. „Ihr hängt wegen mir hier fest, seid jeden Tag bei mir. Gebt eure ganze Energie, damit ich nicht zusammenbreche. Ihr seid unglaublich und lebt eure Talente wegen mir nicht aus. Keine von euch lebt ihr Leben, so wie sie es sich wünscht. Wegen mir. Ich habe immer nur gestört. Seit meiner Geburt war ich immer nur im Weg. Gäbe es mich nicht, wäre alles so, wie es sein sollte.“ Entsetzte Stille war eingetreten. Keiner wusste, wie er darauf reagieren sollte. Verdammt! Inuyasha hatte mehr angerichtet, als er gedacht hatte. Sie glaubte fest an diesen Mist, der ihr jahrelang auch noch bestätigt worden war. Es gibt niemanden, der sie vom Gegenteil überzeugen kann. Die bittere Wahrheit in ihren Worten schmerzte ihn. Sie glaubte fest daran, dass ihr Tod das Beste für alle war. „Wir danken dir zu wenig“, erkannte er leise. Anjaanis Kopf zuckte hoch. Alle Augen richteten sich auf ihn. „Du weißt gar nicht, was du alles für uns tust, weil wir es dir nicht zeigen. Wir sind undankbar.“ „Nein!“, rief sie aus und schüttelte wild die schwarzen Locken. „Das habe ich nicht sagen wollen, das-“ „Aber es ist so“, unterbrach Inuyasha sie grob. „Wir sind so an dich gewöhnt, dass deine Fürsorge selbstverständlich ist.“ „Du redest-“ „Zahle ich Miete?“ Sie sah verblüfft drein. „Nein, du bist mein Gast.“ „Helfe ich dir im Haushalt?“ „Du hast genug zu tun.“ „Und du studierst und arbeitest! Wenn du daheim bist, machst du entweder den Haushalt, bist im Garten oder in der Küche. Alles machst du alleine. So gut wie alles machst du selber, statt es fertig zu kaufen. Angefangen bei der Hygiene bis zum Essen.“ „Weil ihr es mir wert seid.“ „Du gönnst dir nie etwas. Ich habe noch nie gesehen, dass du etwas alleine für dich kaufst. Außer etwas Essbares und dann teilst du es mit mir.“ „Ich brauche nichts. Das Geld ist für wichtigeres.“ „Wie für mich?“ „Gibt es etwas Wichtigeres?“ Er geriet kurz aus dem Konzept. „Du wäscht die gesamte Wäsche.“ „Weil ihr nicht dazu kommt. Ich will euch nur helfen.“ „Wer hilft dir?“ „Wobei? Ich helfe doch kaum.“ Langsam wurde er wütend. „Du hilfst kaum? Was ist mit all den Leuten, die ständig mit ihren Problemen zu dir kommen?“ „Also wenn das mal nicht selbstverständlich ist! Man soll helfen, wo man kann. Das ist nun wirklich nicht der Rede wert! Ein mitfühlendes Ohr kann Wunder bewirken.“ „Du tust pausenlos Dinge für andere. Jeder braucht deine Hilfe. Du verbreitest Freude. Ohne dich wären wir alle nicht hier. Du hältst uns zusammen. Ohne dich weiß ich nicht, was mit mir wäre.“ „Ich kann dir genau sagen, was mit dir wäre, hätte Aurora dich nicht gefunden“, lächelte Aryan. „Wir zwei wären aneinander geraten und einer von uns wäre jetzt nicht mehr am Leben.“ „Hörst du, ohne dich wäre Aryan nicht mehr am Leben. Wir brauchen dich. Ohne dich sind wir aufgeschmissen! Du tust alles für uns!“ „Ich tue das nur für mich“, schrie sie ihn an. Unvermittelt sprang sie vom Stuhl auf, Zorn und Schuld in den schönen Augen. „Ihr seid meine Familie, die einzigen Menschen, denen ich etwas bedeute. Ich hatte nie jemanden, dem ich etwas wert war. Ich würde alles für euch tun, damit ihr euch wohl fühlt bei mir. Damit ihr mich nicht verlässt! Damit ihr bei mir bleibt! Ich denke dabei an mich. Ich handle aus purem Egoismus!“ Die Runde brach in Gelächter aus. Anjaani war völlig verdattert, dann stimmte sie mit ein. „Das versuchst du dir wirklich einzureden“, kicherten die Schwestern. „Es ist so“, lachte die Inderin. „Nein“, wurde Inuyasha wieder ernst. „Er hat recht“, hielt Aryan zu ihm. „Wir danken dir zu wenig.“ „Ich brauche keinen Dank.“ „Und genau das, Anjaani, liebe ich so an dir.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)