You will be the anchor that keeps my feets on the ground von midoriyuki ================================================================================ Kapitel 7: ----------- „Vergiss es.“ „Adrian, bitte…“ „Nein!“ „Adrian…Ich koch auch morgen, ja?“ „…“ „Bitte…“ „Welche Straße?“ „Danke, du hast wirklich was gut bei mir. Drosselgasse 12.“ „Bis gleich.“ „B..“ Bevor Myron noch etwas sagen konnte hatte er bereits aufgelegt und starrte missmutig auf das Handy in seiner Hand. Völlig verschlafen schlug er die Decke zur Seite, setzte sich auf und rieb sich gähnend die Augen. Grummelnd stellte er fest, dass es grade mal zwei Uhr morgens war und er vom Klingeln seines Handys aus dem schönsten Tiefschlaf gerissen worden war. Und das nur, weil Myron zu lange bei Ariane gewesen war und keine Busse mehr nach Hause fuhren musste er ihn jetzt vom anderen Ende der Stadt abholen. Wäre sie in ihrer Wohnung gewesen hätte er ja laufen können, aber nein Ariane war bei ihren Eltern. Genervt und unendlich müde zog er sich einen Pullover über den Kopf und suchte nach seinem Schlüssel. Seine Jogginghose würde er einfach anlassen schließlich sollte er nur seinen Mitbewohner von seiner völlig aufgelösten Freundin abholen. Er war grade dabei gewesen das Mittagessen vorzubereiten, sie hatten sich darauf geeinigt abwechselnd zu kochen, als Myron an ihm vorbei raste und ihm nur im Vorbeigehen zurief, dass es später werden könnte, weil Ariane sich von ihrem Freund getrennt habe und er jetzt hinfahren würde, um sie wieder aufzubauen. Kopfschüttelnd hatte er ihm einen Moment nachgestarrt, da es ihm ein absolutes Rätsel war warum grade Ariane am Boden zerstört war, wenn sie doch Schluss gemacht hatte. Allerdings hatte er sich weiter keine Gedanken darüber gemacht, weil es ihn ja auch nicht direkt betraf. Nur die Tatsache, dass er bereits begonnen hatte das Essen für zwei Personen zuzubereiten und jetzt alleine essen würde wurmte ihn, da er das nie im Leben aufessen würde. Unmotiviert stapfte er die Treppen hinunter, schloss die Haustür auf und verfluchte Myron für seine Verpeiltheit, als ihm eisig kalter Wind um den Körper fegte. „Verdammtes Küken…“ Wenig später bog er in die Straße ein, die Myron ihm genannt hatte. Glücklicherweise hatte er ein Navigationsgerät, da er sonst niemals diese vollkommen abgelegene Ecke gefunden hätte in der sich Arianes Elternhaus befand. Schon von Weitem sah er eine schlanke Gestalt auf dem Gehweg stehen und runzelte missbilligend die Stirn. Zumindest hätte sie ihn im Haus warten lassen können, da es immer noch einige Grade unter Null waren und in seiner Hektik hatte der Student nur seine viel zu dünne Jeansjacke mitgenommen. Langsam bremste er ab und hielt neben ihm, sodass sich die Beifahrertür direkt auf einer Höhe mit ihm befand. Als er die Tür öffnete und sich auf den Sitz fallen ließ, ließ der Schwall eisig kalter Luft Adrian unwillig das Gesicht verziehen, sodass Myron sich beeilte die Tür wieder zu schließen. Schweigend ohne in seine Richtung zu blicken fuhr er wieder an. Außer dem Motorengeräusch und Myrons gelegentlichem Husten war nichts zu hören. Mit einem Seitenblick auf die blau angelaufenen Lippen und zitternden Hände seines Mitbewohners drehte Adrian die Heizung auf und schaltete das Radio ein. Zwar hatte er nichts dagegen sich anzuschweigen, da das meist einfacher war, als sich über belanglose Nichtigkeiten zu unterhalten, aber bei Myron war es ihm schon fast unheimlich, wenn Stille herrschte. Außerdem musste er sich irgendwie wach halten, wenn er nicht einfach einschlafen sollte. „Tut mir leid.“ „Mh?“ „Dass du wegen mir mitten in der Nacht rumfahren musst…“ Adrian sah erneut kurz in seine Richtung und in Myrons braunen Augen, die in der Dunkelheit unwirklich schwarz wirkten, stand aufrichtige Reue, die ihn beinahe dazu brachte zu lächeln. Stattdessen brummte er jedoch nur. „Hast du getrunken?“ Er hatte den Blick wieder nach vorne gewandt sah aber in der Spiegelung der Frontscheibe wie Myron ihn verwundert anstarrte. „Ehm…Ja…“ Seufzend fuhr Adrian langsamer und umfuhr die großen Schlaglöcher, die sich in der mehr oder weniger ländlichen Straße befanden, damit der Kleinere ihm nicht ins Auto kotzte. Er hatte schon öfters die Erfahrung gemacht, dass Menschen, die getrunken hatten nicht sonderlich gut auf holprige und schlaglochgeprägte Autofahrten reagierten. „Bist du sauer?“ Das schmale Gesicht war unnatürlich blass und die Augen glänzten, wobei er sich nicht sicher war, ob es am Alkohol oder an zurückgehaltenen Tränen lag. Alkohol war ihm in diesem Fall allerdings um einiges lieber, da er absolut nicht wüsste wie er ihn trösten sollte und auch nicht wusste warum er überhaupt weinen sollte. So wahnsinnig schrecklich war es ja nun wirklich nicht, dass er ihn angerufen hatte. Besser als wenn er in diesem Fetzen, der sich Jacke nannte, gelaufen wäre. „Nein. Sollte ich?“ Die schwarzen Strähnen flogen um sein Gesicht, als er den Kopf schüttelte und Adrian sah wieder nach vorne. Es hatte wieder zu schneien begonnen und im Lichtkegel der Scheinwerfer leuchteten die Schneeflocken wie helle Punkte, während sie in der restlichen Umgebung kaum auszumachen waren. Einen Großteil der Fahrt schwiegen sie sich an was Adrian jetzt allerdings auch ganz lieb war. Er war sich nicht sicher, ob Myron nicht schon so viel getrunken hatte, dass er bei der nächsten ein wenig bissiger ausfallenden Antwort anfangen würde zu weinen und darauf hatte er wirklich keine Lust. Allerdings hatte dieser schon seit geraumer Zeit den Kopf an die Fensterscheibe des Autos gelehnt und soweit er es erkennen konnte waren auch seine Augen geschlossen. „Myron?“ Der Angesprochene reagierte nicht und resigniert fand Adrian sich damit ab, dass sein Mitbewohner eingeschlafen war und wohl auch nicht vorhatte so schnell wieder aufzuwachen. Nach einigen weiteren Minuten hielt er schließlich vor dem Gebäude in dem sich ihre Wohnung befand und starrte verstimmt durch die Frontscheibe auf den immer dichter werdenden Schneefall. Seufzend schnallte er sich ab, drehte sich zu Myron und rüttelte leicht an seiner Schulter. „Hey, wir sind da. Los, wach auf.“ Allerdings erhielt er keine Antwort, sondern nur ein unwilliges Murren. Seufzend lehnte er seinen Kopf gegen die Kopfstütze und musterte ihn nachdenklich. Selbst völlig fertig, verfroren und schlafend in einem Auto strahlte der Jüngere noch etwas so Verletzliches aus, dass er das Gefühl hatte ihn mit einer falschen Bemerkung oder Handlung bis ins Mark verletzen zu können. Und das passte ihm wirklich überhaupt nicht. Er wollte sich nicht darum kümmern müssen was andere von ihm dachten und er wollte auch nichts damit zu tun haben, wenn irgendjemand wegen ihm unglücklich war. Trotzdem verhielt er sich wie ein Trottel sobald es um den Kleinen ging. Stand nachts mit ihm auf dem Balkon, um sich ein völlig uninteressantes Feuerwerk anzusehen oder fuhr mitten in der Nacht durch die Gegend nur weil er ihn verzweifelt anrief. Selbst seinen Bruder hatte er nach Saufgelagen nicht abgeholt, sondern für seine Verfehlungen bluten lassen. Die Augenlider mit den Kränzen aus schwarzen Wimpern flatterten ein wenig und für einen Moment glaubte er schon er würde aufwachen, aber er bewegte sich nur ein wenig unruhig. Sein zuvor friedlicher Gesichtsausdruck hatte sich verändert und er sah jetzt mehr gequält als ruhig schlafend aus. Sein Atem ging ein wenig flacher, während sich die feinen Augenbrauen unwillig zusammenzogen. Überrascht starrte Adrian auf eine Träne, die langsam unter den dichten Wimpern hervorsickerte und eine feuchte Spur hinterlassend über seine Wange lief. Den Impuls unterdrückend ihm die Träne aus dem Gesicht zu wischen, drehte er sich abrupt um und verließ das Auto. Die Tür vorsichtig schließend versuchte er ihn nicht zu wecken, ging um das Auto herum und versuchte die Tür der Beifahrerseite zu öffnen. Das gestaltete sich jedoch schwieriger als gedacht, da Myron gegen die Tür gelehnt im Auto saß und ihm um ein Haar entgegen gefallen wäre hätte er nicht hastig nach seiner Schulter gegriffen und ihn abgestützt. Vorsichtig schob er ihn wieder in eine aufrecht sitzende Position und beugte sich grade über ihn um seinen Sicherheitsgurt, als er seinen Kopf in seiner Halsbeuge spürte. Augenblicklich erstarrte er und wartete auf irgendeine Reaktion, dann wurde ihm aber bewusst, dass Myron immer schlief und einfach nur nach vorne gekippt war. Er setzte ihn wieder richtig hin und runzelte unwillig die Stirn. Anscheinend war er wirklich durch nichts mehr zu wecken und irgendwie musste er ihn die Treppen hochschaffen. Während er überlegte war ihm gar nicht bewusst, dass es immer stärker schneite und erst als sich eine Schneeflocke auf Myrons schwarzes Haar verirrte wurde ihm klar, dass er wie der der letzte Vollidiot mit viel zu dünnen Klamotten im Schnee stand und sinnlos in sein Auto stierte, während eigentlich klar war, dass es wohl kaum eine andere Option gab als Myron bis zu ihrer Wohnung zu tragen. Aufstöhnend legte er den rechten Arm seiner schlafenden Fracht um seinen Hals, schob seinen Arm darunter hindurch und legte ihn um seinen Brustkorb, während er mit dem anderen Arm unter seinen Beinen durchlangte und ihn so hochhob. Mit dem Fuß stieß er die Autotür zu und wandte sich murrend dem Haus zu, da er so das Auto schlecht abschließen konnte und auch noch nicht wirklich wusste wie er die Haustür aufbekommen sollte. Zu seiner Überraschung war Myron nicht sonderlich schwer und es bereitete ihm keine wirkliche Mühe ihn bis unter das schmale Abdach vor der Haustür zu tragen. Trotzdem war das Gewicht auf seinen Armen durchaus hinderlich den Schlüssel aus seiner Hosentasche in das dafür vorgesehen Gegenstück zu befördern. Dennoch schaffte er es nach einigem Verlagern seiner Last und mehreren durchaus derben Flüchen die Tür aufzuschieben und sich selbst und Myron in die erlösende Wärme des Hauses zu befördern. Ihm war doch empfindlich kalt geworden durch sein sinnloses in der Gegend herumstehen und auch der Prozess des Türaufschließens hatte nicht dazu beigetragen, dass ihm wärmer wurde. Myron hatte ebenfalls wieder begonnen zu zittern und die Lippen, die grade erst wieder eine halbwegs normale Färbung angenommen hatte schimmerten bereits wieder bläulich. Adrian war grade erst am ersten Treppenabsatz angekommen, als Myron sich erneut regte und seine freie Hand in seinem Oberteil vergrub. Er murmelte erstickte Wortfetzen, die er nicht in Zusammenhang bringen konnte, während der warme Atem wesentlich schneller über seinen Hals strich als zuvor. Nachdenklich sah er kurz in das unglücklich wirkende, blasse Gesicht, das sich an seine Brust presste und lief dann hastig weiter. Es sollte ihn eigentlich nicht interessieren warum das Küken so schlecht träumte und doch tat es genau das. Verhalten schüttelte er den Kopf, als er schließlich vor ihrer Wohnungstür stand und versuchte diese Tür ebenfalls aufzuschließen ohne Myron zu wecken. Er sollte sich nicht mehr so viele Gedanken um ihn machen schließlich würde das nur nach hinten losgehen und da hatte er nicht das geringste Interesse dran. Mit einem Fußtritt schloss er die Tür hinter ihnen und steuerte auf die helle Tür zu dem Zimmer des Studenten. Die Tür war glücklicherweise nur angelehnt, sodass er sie nur aufschieben musste. Durch den fast vollständigen Vollmond war der Raum ausreichend beleuchtet, sodass er sofort das Bett fand. Behutsam legte er den Kleineren darauf ab und wollte sich wieder aufrichten, als er die immer noch in sein Oberteil verkrampfte Hand bemerkte. Vorsichtig setzte er sich neben ihn auf die Bettkante und löste nachsichtig die Finger aus dem Stoff und legte seine Hand neben ihn auf das Bett. Fast augenblicklich rollte er sich zu einer Kugel zusammen und Adrian seufzte leise. Der Kleine musste wirklich Nerven haben wie Drahtseile, wenn er selbst jetzt noch nicht aufgewacht war. Das fahle Mondlicht ließ seine Haare matt glänzen, während seine Haut fast weiß wirkte und einige wenige Schneeflocken auf seinen Haaren langsam schmolzen. Er erinnerte Adrian an eine dieser zerbrechlichen Porzellanpuppen, die seine Großmutter so geliebt hatte und von denen er eine versehentlich hatte fallen lassen. Seine Großmutter war nicht böse auf ihn gewesen, aber sie war traurig, da es ihre Lieblingspuppe gewesen war. Ein fast weißes Gesicht und schwarze lange Zöpfe. „Du kannst mit zerbrechlichen Dingen nicht so grob umgehen, Adrian. Du musst sie vorsichtig und liebevoll behandeln.“ Stumm starrte er weiter auf das schmale Gesicht auf dem immer noch die schmale Spur der einzelnen Träne glänzte. Warum musste er ausgerechnet jetzt an so einen Blödsinn denken? Und dann hatte Ariane auch noch so etwas Ähnliches gesagt…Unwillen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als er an ihre ernste Mine dachte. Trotzdem konnte er seinen Blick nicht von dem schlafenden Gesicht lösen und bevor er richtig merkte was er eigentlich tat strich er sanft mit der Hand über die Wange und wischte das Zeugnis seines Albtraums weg. Die Haut unter seinen Fingern war zwar weich, dennoch spürte er auch einige wenige Bartstoppeln und zog seine Hand zurück. Kopfschüttelnd erhob er sich und verließ hastig das Zimmer in dem außer Myrons immer noch unregelmäßigen Atemzügen nichts zu hören war. Möglichst lautlos schloss er die Tür des Badezimmers hinter sich, stützte sich auf den Rand des Waschbeckens und starrte sein Spiegelbild an. Nachdenkliche grüne Augen starrten zurück und er glaubte es darin unterdrückt leuchten zu sehen. Aber genau das wollte er nicht sehen. Dieses Gefühl was sich langsam in ihm auszubreiten versuchte wollte er auf keinen Fall zulassen oder gar Besitz von ihm ergreifen lassen. Energisch schloss er die Augen und konzentrierte sich darauf die kribbelnde Wärme niederzukämpfen. Er konnte es sich nicht leisten, dass er sich von diesem Gefühl beherrschen ließ, wenn er grade so etwas wie Boden unter seinen Füßen hatte. In der nächsten Zeit würde er versuchen Myron nicht mehr so nahe zu kommen und dann würde sich das von ganz allein erledigen. Zumindest hoffte er das inständig. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)