You will be the anchor that keeps my feets on the ground von midoriyuki ================================================================================ Kapitel 3: ----------- „Jetzt mach schon sonst dreh ich noch durch!“ „Ich weiß nicht…Wirklich?“ Aufstöhnend legte er den Kopf in den Nacken und schloss mit zusammen gezogenen Brauen genervt die Augen. Nicht nur, dass Weihnachten grade erst vorbei war, nein er stand jetzt auch noch mitten in einem völlig überfüllten Möbelhaus. Überall quietschten kleine Kinder, meckerten pingelige Hausfrauen und murrten zahlungsunwillige Ehemänner und Väter. Mal ganz abgesehen von den keifenden Stimme, derer Kunden, die ihre Weihnachtsgeschenke umtauschen wollten aber keine Kassenbelege besaßen. Und warum tat er sich das alles an? Richtig, weil er als herzensguter Mensch nicht „Nein“ sagen konnte, als Myron ihn gestern gefragt hatte, ob er ihn nicht beim Möbel aussuchen begleiten würde, da er ja kein Auto hatte und einige Sachen bereits so mitnehmen wollte. Sehr zu seiner Erleichterung waren sie aber inzwischen so weit, dass sie nur noch ein Bett aussuchen mussten und den Rest bereits zusammen hatten. Allerdings stellte sich grade die Frage nach einem Bett als sehr problematisch heraus. Seiner Meinung nach war das einfach nur ein Gegenstand der flach, bequem und funktional sein musste. Myron hingegen schien sein komplettes weiteres Leben von diesem Ding abhängig zu machen, so wie er jetzt mit zusammengezogenen Brauen und Zeigefinger an der Oberlippe zwischen zwei Modellen hin und her starrte. Entweder der Kleine hatte sie nicht mehr alle oder er verbrachte eindeutig zu viel Zeit im Bett. In den letzten Tagen war es zwar relativ ruhig verlaufen und er hatte keinerlei Anlass gehabt sich irgendwie durch den Studenten gestört zu fühlen, da dieser den ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag bei Freunden verbracht, sogar zwischendurch in sein Elternhaus gekommen war, als seine Eltern nicht da waren, um seine Studienunterlagen und Klamotten zu holen, und ihm somit seine Ruhe gelassen hatte, aber das holte er jetzt innerhalb einer einzigen Shoppingtour wieder auf. Genervt ließ er sich in einen kitschig pinken Plüschsessel fallen, der direkt hinter ihm stand und stützte den Kopf auf die Hände. Was hatte er denn nur verbrochen, dass er so gestraft wurde? Und dann freute Sonja sich auch noch darüber, dass er endlich mal etwas anderes machte als zu arbeiten. Klasse. Es gab wirklich nichts was er lieber tat, als diesem Küken beim Möbelkauf auf die Sprünge zu helfen. Zynisch lächelnd wanderte sein Blick wieder zu Myron, der ihm einen bittenden Blick zuwarf, bevor er sich wieder mit verschränkten Armen den Betten zuwandte. „Adrian?“ „Mhm.“ „Links oder rechts?“ Die grünen Augen musterten flüchtig die beiden Objekte der Begierde. Das eine war ein simpler Holzrahmen wie ihn so ziemlich jeder Zweite besaß und das andere war ein schwarzes Metallgestell mit einigen Verstrebungen am Kopfende. „Rechts.“ Allein schon aus Prinzip war er für das Metallbett. Wenn der Kleine schon so viel Wert auf sein Bett legte dann sollte es ihm wenigstens was nützen und aus eigener Erfahrung wusste er, dass diese Art von Betten durchaus ihren ganz eigenen Reiz hatten. Als Myron das anzügliche Lächeln und das spöttische Aufblitzen in den Augen sah, schoss ihm das Blut in die Wangen und er drehte sich schnell einmal um die eigene Achse. „Danke. Ich geh eben zu dem Verkäufer.“ Adrian lehnte sich zurück und sah ihm noch einen Augenblick hinterher. Wirklich noch ein Küken. Ein leises Klingeln drang fast gleichzeitig durch die Geräuschkulisse zu ihm durch, welches von ihm auszugehen schien. Irritiert blickte er an sich herunter und stellte zu seiner Erleichterung fest, dass er nicht irgendwelche Halluzinationen hatte, sondern sein Handy aufdringlich in seiner Hosentasche vibrierte. Er hatte es einfach viel zu selten bei sich, als das er immer direkt an einen Anruf denken würde. „Was willst du?“ „Freundlich wie immer, was? Ich wollte fragen wie es dir geht.“ Gequält lächelnd verzog er das Gesicht, obwohl er sich durchaus bewusst war, dass Sonja ihn nicht sehen konnte. „Wie solls mir schon gehen? Ich sitze mit einem Küken, das Entscheidungsschwierigkeiten hat, schon den ganzen Tag über in einem gigantischen Hochofen der Geschmacklosigkeit fest.“ Kichern drang durch den Hörer gedämpft an sein Ohr und er fragte sich wirklich, ob es nicht die reine Schadenfreude war, die sie dazu getrieben hatte ihn anzurufen. „Oh du armer, armer, armer Mann. Braucht ihr denn noch lange?“ Er konnte ihr spöttisch lächelndes Gesicht mit den Grübchen in der Wange und dem Funkeln in den blauen Augen schon fast vor sich sehen und seufzte erleichtert auf. „Nein, Gott sei Dank nicht. Wir müssen jetzt nur noch einige Sachen ins Auto packen dann können wir hier endlich weg.“ Aus dem Hintergrund hörte er plötzlich das laute Schreien eines kleinen Kindes und hielt den Hörer einige Zentimeter von seinem Ohr weg. „Ups, tut mir leid ich muss auflegen…Chrissy hat grade rausgefunden, dass Scheren weh tun. Tschüssi.“ Verdutzt sah er auf das tutende Handy in seiner Hand und steckte es dann kopfschüttelnd wieder in seine Hosentasche. Sonja wie sie leibte und lebte. Selbst wenn ihre Kinder das ganze Haus abfackeln würden, würde sie das ganze wahrscheinlich noch unter „lehrreiche Erfahrung fürs Leben“ verbuchen. Aus dem Augenwinkel sah er in diesem Moment Myron, der ihn zu sich heranwinkte. Unwillig erhob er sich aus dem zugebenermaßen unfassbar hässlichen, allerdings sehr bequemen Sessel und gesellte sich zu dem vor Freude strahlenden Studenten, der ihm einige Unterlagen in die Hand drückte und dann an seinem Ärmel in Richtung des Großlagers zog. Na das konnte ja noch heiter werden. „Nie wieder.“ Mit schmerzverzerrtem Gesicht ließ er vorsichtig die rechte Schulter kreisen, die er sich beim Hochtragen des Bettgestells irgendwie verhoben hatte. Myron stand mit betroffenem Gesichtsausdruck vor ihm, fuhr sich nervös durch die Haare und biss sich auf die Unterlippe. „Tut mir leid, dass du dich wegen mir verletzt hast…“ Das schlechte Gewissen stand ihm überdeutlich ins Gesicht geschrieben und Adrians Ärger verflog. Naja, zumindest wollte er ihn jetzt nicht mehr hochkant aus dem Fenster schmeißen. „Sag mal wo hast du eigentlich das Geld für die ganzen Möbel her? Deine Eltern haben dich doch rausgeschmissen.“ Myron verzog den Mund etwas unwillig und zuckte dann mit den Schultern. „Das schon, aber wie würde das denn aussehen, wenn der eigene Sohn wirklich mittellos auf der Straße sitzen würde. Ausserdem jobbe ich in einem Cafe.“ Das fein geschnittene Gesicht des Jüngeren hatte sich verdüstert und auch seine Stimme hatte einen mehr als nur abfälligen Klang, als er von seinen Eltern sprach. Daher beschloss Adrian auch nicht weiter nachzufragen, schließlich hatte ihn nur interessiert woher er sein Geld hatte und nicht welche Umstände dazu geführt hatten, dass er zuhause rausgeflogen war. Auch wenn er dafür leiden musste und einen kompletten Tag mit Möbeln, nervigen Kunden und einer gezerrten Schulter verbringen musste. Murrend griff er nach der Schmerztablette, die vor ihm auf dem Tisch lag und spülte sie mit einem Schluck aus der Wasserflasche in seiner Hand runter. Angeekelt verzog er das Gesicht. Es gab seiner Meinung nach wirklich nichts Ekelhafteres als Medikamente in jeglicher Form. Außer vielleicht seine Deutschlehrerin in der Grundschule. Die hatte er wirklich gehasst. Verwundert über seine eigenen Gedankengänge steuerte grade auf das Sofa zu auf welchem Myron die letzten Nächte über geschlafen hatte, um sich einfach nur tot zu stellen damit er nicht weiter beim Möbelaufbau helfen musste, als er von dem Schwarzhaarigen vorsichtig am Arm festgehalten wurde. „Ehm…Kann ich vielleicht noch irgendwas für dich tun?“ Mit hochgezogener Braue musterte er ihn kurz und schüttelte den Kopf. „Was solltest du denn machen können.“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage und Myron wirkte noch bedrückter als sowieso schon. Adrian ließ sich aufs Sofa fallen und beobachtete fasziniert das Minenspiel seines Gegenübers. Zunächst schuldbewusst, wechselte es zu nachdenklich, um dann verlegen zu werden mit einem leichten Rotschimmer um die Nase herum. „Ich…Ich hab mal ein Praktikum bei einem Chirotherapeuten gemacht…Soll ich dich vielleicht massieren?“ Adrian grinste spöttisch zu ihm hoch und der Rotton verdunkelte sich noch um einige Nuancen. „So ein schlechtes Gewissen?“ Zögernd nickte der Jüngere und vermied es ihm in die Augen zu sehen. Einen Moment lang überlegte er noch dann zuckte er mit den Schultern, was er besser nicht getan hätte, wie er mit einem leisen Zischen feststellte, und zog sich das Shirt über den Kopf. Was auch nicht grade angenehm war, allerdings machte es ihm schon fast Spaß Myron so aus der Reserve zu locken. Mal sehen zu was er das Küken noch bewegen konnte, wenn er so ein schlechtes Gewissen hatte. Mindestens einmal das Bad putzen müsste da eigentlich noch drin sein. „Hinlegen oder sitzen bleiben?“ „Ehm hinlegen.“ Die Überraschung war deutlich aus seinen Worten herauszuhören und der Braunhaarige grinste still in sich hinein als er sich auf den Bauch legte, den schmerzfreien Arm anwinkelte und seinen Kopf darauf legte. „Ich komm sofort wieder.“ Myron ging zum Spülbecken der Küchenzeile und ließ einige Zeit Wasser über seine Hände laufen, während Adrian ihm mit den Augen folgte. War ja wirklich fast schon niedlich wie leicht er zu manipulieren war, wenn er sich schuldig fühlte. Die schwarzen Haare fielen ihm locker ins Gesicht und bildeten einen interessanten Kontrast zu der hellen Haut. Bisher war ihm das noch nicht so bewusst aufgefallen aber seine Bezeichnung als Küken war gar nicht so weit hergeholt. Seine ganze Erscheinung wirkte eher so als müsse er beschützt werden und nicht als würde er mit seinen zwanzig Jahren schon das Selbstbewusstsein haben, um sich gegen jeden durchzusetzen, der ihm blöd kam. Auch konnte er sich nicht vorstellen, dass in diesem schlanken Körper Kraft genug stecken konnte, um jemanden der zudringlich wurde ernsthaft auf Abstand halten zu können. Erst als er die braunen Augen fragend auf sich ruhen spürte, schloss er die Augen und drehte den Kopf auf die andere Seite. Kurz darauf spürte er warme Hände auf seinem Rücken und verstand jetzt auch warum er sich erst die Hände gewaschen hat. So warm wie seine Hände waren hatte er wahrscheinlich einfach nur sehr warmes Wasser darüber laufen lassen damit ihm das nicht zu kalt war. Süß. Langsam bewegten sich die Hände auf seine unverletzte Schulter zu und begannen sanft die verspannten Muskeln zu bearbeiten. Ihm war gar nicht aufgefallen wie verspannt er eigentlich war aber das war im Prinzip kein Wunder, da er jeden Tag mehrere Stunden am PC saß und auch nicht zwischendurch aufstand, außer um mal etwas zu essen oder ins Bad zu verschwinden. Die warmen Hände auf seinem Rücken beschrieben sanfte, kreisförmige Bewegungen, während sie sich langsam auf seine rechte Schulter zu bewegten. Für einen Moment fragte er sich wie jemand nur so geschickt mit seinen Händen sein konnte, beschloss dann aber nicht weiter darüber nachzudenken. Das letzte Mal, dass er sich einfach nur hatte verwöhnen lassen war wirklich schon eine Ewigkeit her. Genau genommen konnte er sich nicht einmal daran erinnern wann das gewesen sein könnte. Vorsichtig fuhren erst nur die Fingerspitzen, dann die ganzen Hände über seine Schulter und hinterließen ein warmes Prickeln. Ob es jetzt an der Schmerztablette oder an den sanften, aber bestimmten Bewegungen lag wusste er nicht genau, aber es war ihm auch herzlich egal. Für ein Küken ist er ziemlich gut. Unauffällig entfernten sich die Hände von seiner Schulter, glitten langsam seine Wirbelsäule hinunter und verweilten bei jedem einzelnen Wirbel, um sich dann wieder genauso nach oben zu bewegen. Myrons warmer Atem strich über seinen Rücken, als er sich ein wenig vorbeugte und eine leichte Gänsehaut zog sich über seine Arme. Seine braunen Haare ein wenig zur Seite schiebend widmete der Jüngere sich jetzt eingehend seinem Nacken und Adrian biss sich auf die Zunge, um das Stöhnen zu unterdrücken was ihm fast unbedacht entschlüpft wäre. Oh Gott, nicht da. Entweder der Kleine kannte ihn besser als ihm lieb war oder aber, was er für wahrscheinlicher hielt, hatte soeben zufällig seine Schwachstelle gefunden. Mit gerunzelter Stirn atmete er konzentriert ein und aus, um sich wieder zu beruhigen. „Alles in Ordnung?“ Die schlanken Finger hielten mit ihren Bewegungen nicht inne, sondern intensivierten diese sogar noch, als Myron spürte, dass Adrian seine Nackenmuskeln plötzlich angespannt hatte. „Ja. Du kannst aufhören.“ Sofort zogen sich die Hände zurück und hinterließen eine unangenehme Kälte, die er am liebsten durch weitere Berührungen ausgeglichen hätte. Beherrscht setzte er sich auf, zog sein Shirt über den Kopf und vermied es Myron direkt anzusehen, als er auf seine Zimmertür zuging. „Danke.“ Verwirrt saß Myron auf der Kante des Sofas, sah zwischen der sich schließenden Tür und seinen Händen hin und her und legte die Stirn in nachdenkliche Falten. Hatte er was falsch gemacht? Wütend auf sich selbst pfefferte Adrian eins seiner Kissen gegen die Wand, als er im Bett lag und verschränkte missgelaunt die Arme hinter dem Kopf. Er sollte wirklich besser aufpassen und sich im Griff haben, wenn der Kleine in seiner Nähe war. So nötig, dass er sich an einem unschuldigen Küken vergriff hatte er es schließlich wirklich noch nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)