Die Prophezeiung von maidlin (SPOILERS!!!!) ================================================================================ Kapitel 29: Gespräche --------------------- Dieses Kapitel dient eigentlich nur dem Zweck, um das Ende einzuläuten.^^ Aus diesem Grund ist es auch recht unspektakulär geworden. Ich habe versucht es mit ein wenig Witz aufzulockern, hoffe gleichzeitig, dass ich es nicht zu sehr übertrieben habe. Aber ich glaube nach dem letzten Kapitel, kann das nicht schaden. Ich wünsche euch trotzdem viel Spaß. PS: Ich weiß, dass mehr Fehler als sonst drin sein werden, bitte sagt mir, wenn ich was Gravierendes findet. Ich konnte einfach nicht mehr. ;_; ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Gespräche Zero rieb sich die Augen und versuchte den Schlaf zu vertreiben, der fest darin saß. So recht wollte es ihm aber nicht gelingen. Er wusste, dass er die ganze Nacht durchgeschlafen hatte, so tief und fest wie schon lange nicht mehr. Trotzdem fühlte er sich keineswegs ausgeruht. Er drehte den Kopf ein wenig und sah Ai neben sich und hinter ihr Yuki. Beide schliefen noch fest. Was hatte ihn gestern Abend nur dazu gebracht sie in das Bett zu ziehen?, fragte er sich schlaftrunken. Er hätte es nicht tun dürfen und doch hatte es sich gut und richtig angefühlt. Sie ganz in seiner Nähe zu wissen, sie zu berühren hatte ihn irgendwie... Zero konnte es nicht beschreiben. Es hat sich einfach gut angefühlt. Er würde es gern noch einmal erleben, erlaubte er sich den Gedanken. Natürlich wusste er, dass ihm dies nicht erlaubt war. Deswegen wollte er am liebsten sofort weiter schlafen und noch ein wenig länger die Ruhe und den Frieden genießen Unweigerlich schob sich Jinmus Gesicht in seine Gedanken und er stöhnte kurz auf. Er würde ihm auf keinen Fall einen weiteren Tag Aufschub gewähren. Es hatte Zero sowieso schon überrascht, dass sie nicht gestern schon vor seiner Tür gestanden hatten. Sicher hatten sie von Ais Genesung erfahren. Ein letztes Mal rieb sich Zero über die Augen, dann erhob er sich langsam aus dem Bett. Noch nie war es ihm so schwer gefallen aufzustehen. Doch kaum hatte er sich aufgesetzt, zögerte er nicht mehr. Leise ging er zum Kleiderschrank und nahm sich ein paar frische Sache heraus. Ebenso leise verließ er das Schlafzimmer, ohne Yuki und Ai dabei zu wecken. Bevor er ins Badezimmer ging, betrat er die Küche. Dort standen die Bluttabletten auf dem Schrank. Obwohl er den Anblick kannte und an die Einnahme gewöhnt war, gab es immer noch Tage an denen er sich vor ihnen ekelte. So wie an diesem Morgen. Aber es war notwendig. Er öffnete das Glas und ließ ein paar Tabletten in seine Hand fallen. Yuki so nah zu sein und die Erschöpfung seines Körpers brachte ihn an seine Grenzen. Ohne Wasser schluckte er sie herunter. Anschließend ging er ins Bad. Dort entledigte sich seiner Kleidung, die er in den Wäschekorb stopfte und stellte sich dann unter die Dusche. Er drehte den Wasserhahn auf heiß und zuckte kurz zusammen, als das Wasser schließlich auf seinen Rücken traf. Dennoch wiederstand er dem natürlichem Drang es wieder herunter zu drehen. Der Duschstrahl massierte seine Schultern und Zero konnte ein Seufzen nicht unterdrücken. Er stand eine ganze Weile reglos da, bis es ihm die Luft zu feucht und warm wurde. Dann dreht er den Hahn ein wenig nach rechts, so dass es in der Mitte zwischen dem roten und blauen Strich stand. Dann hob er den Kopf, fuhr sich durch die Haare und seifte sich ein. Die Gaststube war noch ruhig, nur aus der Küche hörte er gedämpfte Geräusche. Kurz warf Zero einen Blick auf die Uhr, die auf dem Tresen stand. Kurz nach um acht. Jinmu würde ihm hoffentlich noch eine Stunde Ruhe gönnen, bevor er mit seinem Verhör begann. Er wollte wenigstens in Ruhe frühstücken. In der Küche war bereits Herr Sayuka, der über seinen Herd gebeugt stand und etwas in der Pfand hin und her schob. Es roch nach Rührei und Speck. Zero wusste nicht so recht, ob ihm davon schlecht werden sollte oder ob er Appetit darauf hatte. „Morgen.“, begrüßte Herr Sayuka ihn gut gelaunt. Ihm sah man die Sorgen der vergangenen Tage überhaupt nicht an, dachte Zero. „Morgen.“, murmelte er zurück. „Warum schlafen sie nicht mehr?“ „Ach, in meinem Alter kann man nicht mehr so lange liegen, das habe ich dir doch oft genug erzählt. Der Rücken will einfach nicht mehr.“, sagte er schmunzelnd. Gleichzeitig nahm er zwei Teller aus dem großen Regal und häufte das Rührei und den gebratenen Speck gleichmäßig darauf. Aus dem Besteckkasten nahm er zwei Gabeln. Dann nahm er Teller und Besteck mit in die Gaststube. Dort stellte er es auf einen Tisch und Zero setzte sich neben ihn. Herr Sayuka gab ihm eine Gabel in die Hand uns Zero sah skeptisch auf den Teller vor ihn. „Du musst etwas essen, du wirst deine Kraft noch brauchen, so wie ich das mitbekommen habe.“, sagte Herr Sayuka und gestikulierte dabei mit seiner eigenen Gabel vor Zeros Teller. Ohne zu wiedersprechen begann Zero zu Essen und offenbar spürte Herr Sayuka, dass er nicht in Stimmung für eine Unterhaltung war. Er redete nicht weiter auf ihn ein. Sie aßen schweigend und zu Zeros eigener Überraschung aß er auch auf. So etwas Exotisches gab es nur höchst selten bei Herr Sayuka und noch seltener zum Frühstück. Dennoch schmeckte es ihm. Als Zero geendet hatte, konnte er mit der Frage, die ihn schon länger beschäftigte, nicht mehr an sich halten:„Warum tun sie das alles?“ Herr Sayuka sah ihn fragend an. Zero atmete tief ein und holte etwas weiter aus: „Warum dürfen wir immer noch bei ihnen bleiben? Warum haben sie uns nicht schon längst weggeschickt? Gut Ai war krank, aber sie wissen doch inzwischen was mir vorgeworfen wird und... Warum dulden sie mich immer noch? Warum setzten sie mir ein Frühstück vor? Warum stellen sie nicht einmal Fragen?“, sprudelte es aus ihm heraus. „Ich habe sie die ganzen Jahre angelogen.“ Herr Sayuka nahm einen letzten Bissen von seinem Rührei und legte dann die Gabel neben seinen Teller. „Das hast du keineswegs, mich belogen meine ich. Du hast mir nur nicht erzählt, was in deiner Vergangenheit geschehen ist und ich habe dich nicht danach gefragt. Also gibt es keinen Grund dir Vorwürfe zu machen oder an deiner Ehrlichkeit zu zweifeln. Ich habe dir ja auch nicht von meiner Vergangenheit erzählt. „Und genau das macht es doch aus. Es ist vergangen, vorbei, unwiederbringlich. Ganz egal, wie sehr wir es uns auch wünschen. Alles was wir tun können, ist es zu akzeptieren und hoffen, dass wir in der Zukunft weiser sind und aus den Fehlern gelernt haben. Es bringt nichts sich weiter damit zu quälen, sich Dinge vorzustellen, die doch nie sein werden.“ „Aber...“, wollte Zero anfangen zu wiedersprechen, doch Herr Sauce ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Ich weiß man wirft dir vor jemanden getötet zu haben und ich weiß, dass es besser für mich ist nicht nach den genaueren Umständen zu fragen und das will ich auch gar nicht. Aber ich habe dich in den letzen fünf Jahren kennenlernt. Ich muss deine Vergangenheit nicht kennen, um dich beurteilen zu können. Ich weiß auch so, wer du bist.“ „Ach ja?“, fragte Zero herausfordernd. Woher nahm dieser Mann seinen unerschütterlichen Glauben? „Ja und das werde ich dir auch genau sagen. Du bist ein Mann, der in seinem Leben schon viele Dinge gesehen hat, mehr schreckliche und traurige, als er in dem Alter gesehen haben sollte. Das kann man in deinen Augen lesen. Und auch wenn es Wunden in deinem Inneren hinterlassen hat, so hat es dich doch niemals zerstört. Vielleicht hat es dein wahres Ich für eine kurze Zeit begraben, doch unser wahres Ich ist zu stark, als dass man es für immer verlieren könnte. „Zero, du warst schon immer ein guter Mensch, fürsorglich, aufrichtig, gerecht, sanftmütig und vor allem immer mehr um das Wohl anderer bedacht, als um dein eigenes. Das alles habe ich in den fünf Jahre über dich erfahren, die du hier bist und ohne, dass du es mir sagen musstest. Vielleicht gab es mal eine Zeit, in der du rücksichtslos warst oder egoistisch, aber auch das gehört zum Leben dazu. „Ich will nicht sagen, dass jeder Mensch von Natur aus gut ist, aber du bist es. Du machst dir viel zu viele Gedanken darüber, welche Konsequenzen dein Handeln hat. So etwas kann man nicht lernen, das ist angeboren. Damit kann es also auch nicht verschwinden. Egal welche Steine man uns im Leben in den Weg legt, es kommt nur darauf an sie zu überwinden. Du hast aus diesen Steinen eine Brücke gebaut, die dir das Leben hier in unserer Stadt ermöglichte, als vollwertiges Mitglied noch dazu. Jeder respektiert dich und schätz dich.“ Wieder wollte Zero den Mund öffnen um zu wiedersprechen, dass es nur von Ai kam, doch wieder war Herr Sayuka schneller. „Und das liegt nicht nur an Ai. Natürlich ist sie ein Goldstück und man kann sich ihrem Charme nicht entziehen und es ist eindeutig, dass sie zu deiner Veränderung beigetragen hat. Dennoch hat sie keinen neuen Menschen aus dir gemacht. Sie hat nur das hervorgebracht, was schon lange da war. Du hast es bisher nur nicht gemerkt, weil du zu sehr an deiner Vergangenheit gehangen hast. Du wolltest sie nicht loslassen, weil sie dich beschützte, dich definierte. Denn was wärest du ohne sie?“, fragte er provokativ und sah ihm fest in die Augen. Zero schloss die Augen und schüttelten den Kopf. „Sie haben ja keine Ahnung.“, flüsterte er leise. „Ach nein? Du vergisst, dass auch ich mal jung war und dass auch ich schon viel gesehen habe. Nach Kiras Tod wollte ich dieser Stadt für immer den Rücken kehren, aber es hätte mir meinen Sohn nicht zurückgebracht. Ich gab mir selbst die Schuld, aber auch das brachte ihn mir nicht zurück. Nichts wird das je tun. Er ist tot und so hart es klingt, ein Teil meiner Vergangenheit. Das ist die einzige Art es zu sehen, ohne daran zu Grunde zu gehen. Ich trage noch Verantwortung meiner Frau und Sasuke gegenüber. Sie machen mich jeden Tag aufs Neue glücklich. Alles was ich tun kann, ist mich ständig daran zu erinnern.“ Zero sah stumm nach unten. War es wirklich so einfach? Konnte er die Vergangenheit einfach so abschließen? Nein, dafür musste er sich seiner Vergangenheit erst einmal stellen. Denn das war es, was in erwarten würde, wenn Jinmu schon bald vor ihm sitzen würde. Er würde alles erzählen müssen. Er wusste nicht ob er dazu bereit war. „Allerdings muss ich auch gestehen, dass es nicht jedem gelingt so zu denken. Sasuke konnte es nie.“, fügte Herr Sayuka an und seine Stimme klang traurig. „Seine Trauer fraß Sasuke fast auf und er wurde aggressiv und gewalttätig. Er konnte nicht damit abschließen. Wie auch? Meine Frau und ich hatte einander und Sasuke, er hingegen hatte nicht nur seinen Bruder verloren, sondern auch seinen besten Freund und Vertrauten. Er hat uns damals um Erlaubnis gefragt, ob er gehen dürfte, weißt du. „Er wusste, wie sehr es uns schmerzte ihn auch noch zu verlieren, deswegen hat er gefragt, aber er war unglücklich. Wir hatten gar keine andere Wahl als ihn gehen zu lassen. Nur einer hätte ihm in dieser Zeit helfen können und Kira war nicht mehr da.“ Herr Sayuka schüttelte den Kopf. „Entschuldige. Ich verliere mich in Erinnerungen. Ich hoffe aber du verstehst, was ich dir damit sagen will. Es ist wichtig die Vergangenheit zu akzeptieren, aber man braucht trotzdem jemanden der einem zu Seite steht. Und ich glaube du hast so eine Person an deiner Seite.“ Nun schüttelte Zero den Kopf. „Ich kann Ai unmöglich sagen, was ich getan habe. Nicht jetzt.“, sagte er mehr zu sich selber, als zu Herr Sayuka. „Ich meinte auch nicht unbedingt Ai.“, erwiderte dieser sanft. Zero sah ihn kurz an. „Noch viel unmöglicher.“, flüsterte er leise. „Sie möchte dir helfen, das sieht man deutlich und ihr ist sehr viel an dir gelegen. Ich weiß nicht, was zwischen euch vorgefallen ist, aber sie kann dir ein wertvoller Freund sein und davon kann man nie genug haben.“ Zero erwiderte nichts mehr. Wenn es nur so einfach wäre, dachte er. Herr Sayuka stand auf und brachte Teller und Besteck in die Küche zurück. Doch bevor er ganz in dem Raum verschwand sagte er noch: „Es ist wie bei einem Pflaster. Der erste Schritt ist der schwerste, aber wenn es einmal ab ist, fühlt man sich befreit.“ Wieder antwortete Zero nicht. Er konnte darauf nichts erwidern. Nicht ohne Erklärungen geben zu müssen, zu denen er noch nicht bereit war. „Lassen sie mich aufräumen. Sie haben schon genug getan.“, sagte er zu dem Gastwirt und nahm ihm schon die Teller aus der Hand. „Nein, das ist-“ „Lassen sie mich das machen, ich kann ein bisschen Ablenkung brauchen.“, gab Zero ehrlich zu und widerstandslos ging Herr Sayuka zur Treppe. „Lasst euch so viel Zeit wie ihr braucht. Ich kümmere mich nachher um ein Mittagessen.“ „Nicht nötigt.“, erwiderte Zero, doch Herr Sayuka hob nur die Hände. „Ich kann dich nicht hören.“, sagte er, während er bereits nach oben ging. Zero atmete seufzend aus. Manchmal wurde ihm diese Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit auch zu viel. Besonders, wenn er der Meinung war, dass sie nicht angebracht war. Zero war gerade mit dem Geschirr fertig geworden, als er ihre Präsenz spürte. Langsam ging er in den Gastraum und öffnete die Tür. Sie waren noch ein paar Schritte entfernt: Kaname, Aidou, Kain, Ichijo, Jinmu, Kaito und zwei weitere Hunter, die er nicht kannte. Es waren nicht alle. Ein paar waren wohl im Hotel geblieben oder holten in der Stadt weitere Erkundigungen über ihn ein. Aber es genügte ihm schon. Acht Leute, dachte er. Offenbar glaubten sie immer noch, er würde sie angreifen. Wie von selbst glitt seine Hand zu seiner Jacke und wollte die Bloody Rose berühren, als Sicherheit. Erst da fiel ihm ein, dass er sie schon seit ein paar Tagen nicht mehr bei sich trug. Er hatte sie nicht einmal vermisst, so sehr waren seine Gedanken mit Ai beschäftigt gewesen. Zero ließ die Tür offen und nahm bereits an einem Tisch in der Mitte Platz. Sie würden ihren Weg auch so finden. Noch einmal riebe er sich über den Nacken und atmete tief durch. Es würde ein langer Vormittag werden, dachte er. Vielleicht hatte Herr Sayuka auch recht. Vielleicht war es das zweite Mal leichter von seiner Vergangenheit, seinen Taten zu erzählen. Seine größte Sünde hatte er Yuki bereits erzählt. Er wusste nun, wie sich die Worte in seinem Mund anfühlen würden und er wollte glauben, dass sie nicht mehr ganz so bitter schmeckten. Kaname trat als erster ein. „Wo ist sie?“, fragte er sofort und mit schneidender Stimme. Zero atmete scharf aus. Er wollte sich nicht reizen lassen. „Sie schläft noch.“, antwortet Zero und wollte es dabei belassen. Doch als er den Gedanken hatte, Kaname könnte verlangen zu ihr gebracht zu werden, fügte er an: „Sie ist an Ais Bett eingeschlafen und ich wollte sie nicht wecken.“ Wo Yuki wirklich eingeschlafen war, musste dieses Reinblut nicht wissen. In seinem Inneren jedoch breitet sich das Gefühl eines kleinen Triumphes aus. Nach Kaname traten Jinmu, Kain und die anderen ein. Aidou schloss die Tür und alle setzten sich um den großen Tisch. Jinmu saß rechts neben ihm und auf der anderen Seite Kaito, dann folgte die anderen beiden Hunter, deren Name Zero immer noch nicht kannte, und anschließend die Vampire, wobei Kaname ihm am Kopfende gegenüber saß. „Zero, das hier sind Anaki und Christian. Sie sind beide vollwerte Mitglieder unserer Gesellschaft und werden dich und deine Geschichte objektiv beurteilen können.“ „Aber sie haben von mir gehört.“, konnte sich Zero nicht verkneifen. „Natürlich.“, antwortete Jinmu ruhig. Zero blickte Kaname direkt in die Augen und spürte die Wut in sich auflodern. Er erinnerte sich an Herr Sayukas Rat, aber er konnte ihn nicht so einfach befolgen und die Vergangenheit ruhen lassen. Dafür hasste er diesen Mann zu sehr. „Wenn du jetzt anfangen würdest, Zero.“, sagte Jinmu und die Aufforderung war deutlich. Von Kaname wanderte Zeros Blick zu den Gesichtern der anderen Männer. Kaito sah nicht feindselig aus, aber auch nicht sonderlich interessiert. Zero konnte sich denken, was eigentlich in seinem Kopf vorging. Jinmu sah ihn abwartend an, als hätte er noch nicht entschieden, was er über ihn denken oder urteilen sollte. Anaki und Christian teilten diese Einstellung offenbar. Ihre Gesichter waren offen und abwartend. Aidou sah auf die Tischplatte, als wäre es ihm ganz und gar unangenehm hier zu sein und das konnte ihm Zero nicht einmal verübeln. Es ging ihm ja nicht viel anders. Kain und Ichijo hingegen waren ganz gefasst und ihre Blicke aufmerksam und aufnahmebereit. Schließlich blickte er wieder zu Kaname. Dieser sah ihn kalt und abweisend an. Zero konnte in seinem Gesicht lesen, dass seine Entscheidung schon lange feststand. „Wo soll ich anfangen?“, fragte Zero schließlich. „Es ist sind immerhin 20 Jahre.“ „Was geschah nachdem Yagari dich unter Arrest gestellt und in den Kerker gesperrt hatte?“, erwiderte Jinmu. Zero presst die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen. Musste er wirklich damit beginnen? Wusste sie es denn nicht schon? Noch einmal sah Zero zu Jinmu, einen Mann den er schon sein ganzes Leben lang kannte und der auch Ichiru gekannt hatte und er sah Verständnis in seinen Augen. Zero nickte kurz. Dann begann er zu erzählen, ohne darüber nachzudenke, ohne zu überlegen, welche Worte er wählen sollte. Es hätte ihn nur unsicher werden lassen, zögernd. Und dann hätte er nicht weiter erzählen können, diesen einen schrecklichen Tag nicht noch einmal durchleben können. Zero erzählte ohne Pause. Er stockte nicht einmal dann, als er davon erzählte, wie sein Bruder in seinen Armen gestorben ist. Es war vorbei, hörte er Herr Sayukas Stimme in seinem Kopf, Vergangenheit. Nichts würde Ichiru zurückbringen. Er musste lernen, damit zu leben. Er musste lernen, dass die Erinnerung genug war. Genug sein musste. Sie hörten ihm still zu und unterbrachen ihn auch nicht ein einziges Mal. Erst in jenen Moment, in dem er davon berichtete, wie er den ersten Level E grausam verschlungen hatte, hörte er einzelne von ihnen nach Luft schnappen. Er wusste nicht, wer es gewesen war und es interessierte ihn auch nicht. Er ahnte aber, was sie von ihm dachten. Aber auch an dieser Stelle ließen sie ihn erzählen. Als er geendet hatte beherrschte Schweigen den Raum. Kaito stand schließlich auf und lief im Raum auf und ab. Offenbar hatte es selbst ihm die Sprache verschlagen und Zero wusste, dass es eine Menge bedeutete. Ebenso wie bei Aidou. Jedoch konnte Zero die Anspannung nicht mehr aushalten. Niemand sprach etwas und so stand er auf und kochte eine Kanne Tee. Es lag ihm fern, die anderen zu bewirten aber er brauchte Beschäftigung, um nicht zu viel über das Gesagte nachzudenken. Außerdem war seine Kehle vom langen Reden ganz ausgetrocknet. Als er zurückkam und die Tassen und Kanne in die Mitte des Tisches stellte und sich anschließend wieder setzt, hatten sie wieder zu sich selbst gefunden und begannen mit ihren Fragen. Die häufigsten begannen mit einem „Warum...“. Ähnlich ihrem Papa rieb auch Ai sich als erstes die Augen, als sie erwachte. Das Erste, was sie sah, war das Weiß vor den Fenstern. Hatte der Winter schon begonnen?, dachte sie träge und gähnte noch einmal herzhaft. Dann schloss sie wieder die Augen. Wo war ihr Papa und warum lag sie in seinem Bett?, fragte sie sich dumpf, während sie die Decke noch ein wenig mehr über ihre Schultern zog. Doch schon in der nächsten Sekunde stürzte alles auf sie ein, wie ein riesiges Kartenhaus: Ihre Flucht, die Lawine im Wald, die Hütte. Sie hatte sich krank gefühlt. Danach erinnerte sie sich an nicht mehr viel. Erst gestern – war es wirklich gestern? – war sie wieder erwacht. Es musste wirklich schlimm gewesen sein, dachte sie, wenn sie an die erleichterten Gesichter von ihrem Papa und Frau und Herr Sayuka dachte. Frau Sayuka war ganz gelöst gewesen und hatte Tränen in den Augen. Langsam drehte sich Ai zur Seite und erst da bemerkte sie, dass noch jemand anderes neben ihr lag. Als sie die Augen öffnete blicke sie direkt in Yukis Gesicht, die sie lächelnd ansah. „Wie geht es dir?“, hörte sie sie fragen. Kurz musste Ai überlegen. Sie fühlte sich zwar immer noch schwach, aber nicht mehr so wie gestern noch. „Durstig.“, antwortete sie schließlich. Yukis Lächeln wurde noch ein wenig breiter. „Ich hole dir schnell etwas zu trinken.“ Hastig stand sie auf und verließ das Zimmer. Währenddessen richtete sich Ai auf und lehnte den Kopf gegen das Bettende. Warum hatte Yuki neben ihr gelegen? Hatte sie zusammen mit ihr und ihrem Papa zusammen geschlafen? Wann war sie gekommen? „Hier bitte schön.“, sagte Yuki und reichte ihr ein Glas Wasser. Erst nachdem es bis auf den letzten Tropfen leer war, war Ais Durst ein wenig gestillt. „Wo ist Papa?“, fragte sie dann. „Zero ist unten und...“, Yuki biss sich kurz auf die Lippen. „Was?“, fragte Ai sofort und ein mulmiges Gefühl beschlich sie. „Kaname und die anderen sind da. Er wird ihnen wohl gerade ein paar Fragen beantworten müssen.“ Stumm sah Ai sie an und wusste wirklich nicht, was sie darauf antworten sollte. Es war alles für umsonst gewesen. Jetzt würde man ihren Papa ganz bestimmt einsperren. Dabei hatte er doch gar nichts getan! Und sie... würde sie zu Kaname zurückgehen müssen? Allein bei den Gedanken bekam sie Angst. Sie mochte diesen Mann ganz und gar nicht, selbst wenn er Yukis Bruder war. Die beiden hatten in ihren Augen überhaupt nichts gemeinsam. „Ich möchte zu ihm.“, sagte Ai schließlich. „Ai, ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.“, widersprach Yuki. „Zero wäre sicher dagegen.“ „Aber es geht doch um mich!“, erwiderte sie etwas heftiger, als beabsichtigt. Yuki konnte dem nicht wiedersprechen. Und eigentlich fand sie auch, dass sie auch dort unten sein sollte. Nur so konnten die anderen schließlich selbst erkennen, was für ein wunderbares Kind Ai war. „Also schön...“, stimmte sie schließlich zu. Ai lächelte kurz. „Danke, ich will nur schnell ins Bad.“ „Gut, ich warte auf dich.“ Ai stand auf und war gleich wieder zu übermütig. Sie war zu schnell gewesen und schwankte ein wenig. Yuki stützte sie am Arm, bis sie ihr Gleichgewicht wieder fand. „Langsam.“, mahnte Yuki sie. Schwach nickte Ai. Ai ging auf die Toilette und als sie sich die Hände wusch, sah sie sich das erste Mal im Spiegel. Nicht nur dass ihre Haut so blass war, wie der Schnee selbst, ihre Wangen eingefallen und unter ihren Augen tiefe Ringe, so war auch ihr Haar strähnig und stand nach allen Seiten ab. Ai war nicht eitel und eigentlich war es ihr egal, wie sie aussah, aber wenn sie sich diesen Männern stellen wollte, wollte sie wenigsten annehmbar aussehen. Schließlich war es ja ihr Ziel, sie davon zu überzeugen, dass sie nichts Böses wollte. Wenn sie sich aber schon bei ihrem Anblick erschreckten, würde das nicht funktionieren. Mit nassen Fingen fuhr sie sich durch das Haar und versuchte es zu bändigen, aber es fühlte sich schwer und unangenehm an. „Ai, ist alles in Ordnung?“, fragte Yuki und öffnete die Badezimmertür ein wenig. „Ich sehe furchtbar aus.“, jammerte Ai und zog eine Haarsträhne zur Seite, die ihr schlaff über der Schulter hin. Ihre Haare waren gar nicht mehr golden, sonder glichen eher einem dreckigem Blond. „Du warst lange krank.“, sagte Yuki und strich ihr durch das Haar. „So kann ich nicht nach unten gehen. Ich erschrecke doch alle.“, murmelte Ai. Auf Yukis Gesicht erschien ein Lächeln. Es ging ihr wirklich besser. „Wenn du es mir erlaubst, helfe ich dir beim Haare waschen und baden.“, bot Yuki an. „Ich glaube ein heißes Bad wird dir gut tun und wenn du dann noch magst und nicht zu erschöpft bist, können wir nach unten gehen.“ Zustimmend nickte Ai. „Ich will nicht, dass die Männer noch schlechter von mir oder meinen Papa denken.“, sagte sie, sprach aber mehr zu sich selbst, als zu Yuki. Yuki nahm sie in die Arme und strich ihr über den Rücken. „Das tun sie nur, weil sie keine Ahnung haben, was für ein tolles Mädchen du bist.“, flüsterte sie. „Aber bei Zero bin ich mir da nicht so sicher. Wahrscheinlich ist er mal wieder besonders wortkarg oder spricht gleich gar nicht. Du kennst ihn ja.“, fügte sie an und hoffte, Ai damit wieder zum lächeln zu bringen. Tatsächlich gelang es ihr und Ais Mundwinkel zogen sich nach oben. Davon ermutigt sprach Yuki weiter: „Also müssen dafür sorgen, dass du besonders hübsch aussiehst, damit du Zero aus der Patsche helfen kannst.“ „Glaubst du er braucht mich?“ „Natürlich braucht er dich. Du hast wesentlich mehr Charme als er und da unten sitzen lauter Männer.“, zwinkerte Yuki ihr zu. „Was ist mit Kaname?“ „Er will dich kennenlernen und wird nicht eher etwas entscheiden, bevor er das getan hat.“, versicherte Yuki ihr, konnte aber das ungute Gefühl in ihrer Magengegend nicht vollständig ignorieren. „Gut.“, sagte Ai schließlich und klang bereits entschlossener. Ihr Papa würde das nicht allein durchstehen müssen. „Du willst uns weis machen, dass du seit 20 Jahre kein Blut mehr getrunken hast?“, fragte Kaito scharf und in seinem Gesicht war das Misstrauen deutlich zu lesen. Er glaubte ihm nicht und das würde er auch nicht, ganz egal, was er noch sagen würde. „Bis auf die Level E, nein.“, antwortete Zero fest und wusste schon nicht mehr, wie oft er das gesagt hatte. „Das kann nicht sein! Niemand hat-“, begann Kaito von neuem, doch Jinmu unterbrach ihn. „Du weißt wirklich nicht, wie sie hießen?“, wollte er wissen. „Nein.“, erwiderte Zero. Diese Frage hatten sie ihm ebenfalls schon so oft gestellt, dass er aufgehört hatte zu zählen. Zero hatte das Gefühl, dass ihre Fragen sich nur im Kreis drehten und sie überhaupt nicht voran kamen. Langsam verstand er, was Herr Sayuka gemeint hatte. Man konnte die Vergangenheit nicht ändern. Warum also befassten sie sich nicht mit dem, was wirklich wichtig war? „Es war nicht ihr Name den ich wollte.“, fügte er mit fester Stimme an und hoffte, dass sie es damit endlich dabei belassen würden. „Wir müssen wissen, wer sie waren, damit wir sie endlich von unserer Liste streichen können. Wenn du die Namen nicht weißt, wirst du dir ihre Bilder ansehen, wenn wir zurück sind.“, erwiderte Jinmu ebenso fest und Zero verkrampfte sich augenblicklich. Dennoch sagte er nichts dazu. Er würde noch nicht darüber nachdenken, was weiter geschehen würde. Noch waren nicht alle Fragen beantwortet, weder ihre noch seine. Aber auf keinen Fall, würde er sich einfach so verurteilen lassen. „Und dieser Taiki hat dir die Bluttabletten von da an besorgt?“. Fragte Kaito noch einmal. Die Vampire hatten sich bisher rausgehalten. Dieses Gespräch drehte sich um Angelegenheiten der Hunter. Sie würden später ihre Gelegenheit bekommen. Zero atmete einmal tief durch, um weiterhin ruhig bleiben zu können. „Das habe ich euch doch alles schon gesagt!“, stieß er dennoch ungehalten aus. „Ich weiß nicht, wie oft ihr mich all das noch fragen wollt, aber die Antworten werden immer die gleichen bleiben!“, machte er seinen Gedanken endlich Luft und sah dabei jeden, der mit am Tisch saß, an. Mehr als die Wahrheit konnte er ihnen nicht erzählen. „Du wirst uns doch aber wohl zustimmen müssen, dass wir so eine Geschichte nicht einfach glauben können. Du bist ein Vampir! Du kannst mir nicht erzählen, dass du nicht einmal einen Menschen gebissen hast!“, erwiderte Kaito kalt. Zero sah ihm direkt in die Augen. Er hatte geahnt, dass Kaito in dieser Sache sein stärkster Gegner sein würde. „Ja, ich bin ein Vampir.“, wiederholte er seine Worte mit sicherer und fester Stimme. „Du brauchst mich nicht daran zu erinnern. Es vergeht kein Tag, an dem ich mir dessen nicht zu bewusst bin.“ Den letzten Satz sprach er nun schon sehr viel schärfer aus. „Ja, ich habe mich dem Drang nach Blut hingegeben, war nichts weiter als jemand der für Blut tötete, aber ich habe nie... niemals auch nur einen Menschen angerührt. „Ich leugne nicht, dass der Wahnsinn manchmal übermächtig war! Ich habe mich auch erst wieder in die Nähe von Menschen gewagt, als ich mich an die Bluttabletten gewöhnt hatte!“ Seine Stimme war nun doch lauter geworden. „Dennoch kannst du es nicht beweisen.“, antwortete Kaito unbeeindruckt. „Nein, das kann ich nicht. Aber du solltest mich besser kennen.“, sagte Zero und schüttelte resigniert den Kopf. Er würde ihm nicht glauben, einfach weil er ihm nicht glauben wollte. „Pah.. ihr Vampire seid doch alle gleich, verlogen und blutbesessen.“, spie Kaito aus, doch in diesem Moment waren Schritte auf der Treppe zu hören und alle Anwesenden drehten den Kopf in die Richtung des Geräusches. Nur wenig später stand Yuki ebenfalls im Gastraum. Ihr Blick war auf Kaito geheftet. „Er hat niemals das Blut eines Menschen genommen.“, sagte sie an ihn gewandt. „Ach und woher weißt du das?“, fragte Kaito spöttisch und in diesem Moment schien es, als würde Kaname aufwachen. Die ganze Zeit hatte er beinah unbeteiligt am Tisch gesessen, doch jetzt warf er Kaito einen drohenden Blick zu. „Ich weiß es, weil...“, Yuki sah Zero kurz an und dieser wusste, was sie sagen würde. Er atmete schwer aus. „Ich in seinem Blut nichts dergleichen geschmeckt habe.“, beendete sie den Satz. Zero konnte nicht anders und sah zu Kaname. Sein Blick war zornig und seine Aura bedrohlich, dennoch schien es ihn nicht zu überraschen. Den anderen Stand es hingegen deutlich ins Gesicht geschrieben. Wie nicht anders zu erwarten, fand Kaito als erster seine Sprache wieder. „Interessant. Das hast du gar nicht erwähnt. Dabei warst du die ganze Zeit so ehrlich gewesen.“, sagte er und seine Stimme triefte vor Sarkasmus. „Es hat auf die Situation mit Ai keinerlei Einfluss.“, erwiderte Yuki abermals für ihn. „Und es ist auch unangenehm für mich. Es ist geschehen und alle können sich denken warum. „Als ich sein Blut nahm, sah ich ein wenig von seiner Vergangenheit. Er hat nie einen Menschen angriffen oder verletzt. Darauf gebe ich ihnen mein Wort.“ Niemand reagierte darauf. Sie konnte es schließlich nur sagen, um ihn zu schützen, dachte Zero. „Ihr zweifelte meine Worte an?“, fragte Yuki und ihre Stimme glich der überheblichen Art, wie sie Reinblütern zu Eigen war. Jinmu machte schließlich eine beschwichtigende Handbewegung. „Es gibt keinerlei Beweise und uns ist allen klar, warum du so etwas sagst.“, antwortete er schließlich ehrlich. „Sie werden keine anderen Beweise bekommen außer meinem Wort.“, sagte Zero noch einmal bestimmt. Er versuchte den Zorn und die Ungeduld aus seiner Stimme zu verbannen, doch er merkte selbst, dass es ihm nicht gelang. „Mag sein, aber anders als früher, kann ich mich nicht darauf verlassen.“ Noch einmal stieß Zero scharf die Luft aus. Das führte doch zu nichts. „Wo ist Ai?“, fragte er Yuki. „Ai ist noch bei den Sayukas. Sie hat ein Bad genommen und ein bisschen was gegessen. Allerdings hat sie immer noch Hunger.“, schmunzelte Yuki ein wenig. „Sie wird gleich runter kommen. Sie wollte es so, Zero.“, fügte sie an, bevor er ihr wiedersprechen konnte. „Das kann ich mir denken.“, murmelte er. Im gleichen Moment hörten sie von oben abermals Schritte und Zero erhob sich sofort. Mit großen Schritten ging er zur Treppen. Wenige Augenblicke später kam Ai herunter und ließ sich in seine Arme fallen. Zero hob sie nach oben und drückte sie fest an sich. Seine Hand strich über ihren Rücken. „Geht es dir gut?“, flüsterte er leise. Es war ihm egal, dass die anderen ihm zusahen oder was sie dachten. Sie hatten keine Ahnung, wie es sich anfühlte, sie fast zu verlieren. Sie konnten sich nicht vorstellen, wie viel sie ihm bedeutet. Bis vor ein paar Wochen, konnte er das nicht einmal selbst. „Ich hab nur ein bisschen Hunger, sonst geht’s mir gut.“, antwortete Ai und drückte ihn aber noch ein bisschen fester. Ihr Papa lachte leise in ihr Haar. Wenn sie Hunger hatte, war sie ganz sicher auf dem Weg der Besserung. Zero sah sie liebevoll an. Dann ließ er eine gelockte Haarsträhne durch seine Finger gleiten. „Was hast du gemacht?“, fragte er sie verwundert. „Das war Yuki. Erst sollte sie mir ja ein Zopf flechten, aber dann hat sie das mit den Locken vorgeschlagen und das ging ganz einfach. Das Beste ist, dass ich das auch allein machen kann. Das nächste Mal zeige ich es dir.“, erzählte sie mit leuchtenden Augen. Obwohl sie so fröhlich klang, entging Zero nicht, dass sie noch furchtbar blass war und Ringe unter den Augen hatte. Es würde mit der Zeit vergehen, sagte er sich. Wenn sie sich erst einmal erholt hatte. Ein kleiner Teil in seinem Herzen freute sich jedoch auch darüber, dass es Yuki gewesen war, wegen der sie im Moment so strahlte. Er ließ Ai schließlich ganz herunter und nahm ihre Hand. Zusammen gingen sie zum Tisch. Die Männer hatten sich inzwischen erhoben und die Neugier stand ihnen deutlich ins Gesicht geschrieben. „Hallo Ai, es ist schön, dich kennenzulernen. Wir haben schon viel von dir gehört.“, sagte Jinmu höflich und Zero konnte heraushören, dass er es auch so meinte. „Mich kannst du ruhig Jinmu nennen, dass machen alle und das hier sind Anaki und Christian.“ „Und das hier ist-“, fuhr Jinmu fort, wurde aber von Ai unterbrochen. „Kaito.“, beendete Ai seinen Satz. „Das weiß ich. Wir haben ihn ja getroffen, als wir davongelaufen sind. Er hat uns gehen lassen.“, erwiderte Ai ehrlich. Im gleichen Moment atmete ihr Papa hinter ihr schwer aus und auch die anderen Hunter sahen sie ungläubig an. Hatte sie etwas Falsches gesagt? „Ach, tatsächlich?“, fragte Jinmu und drehte sich zu Kaito um, den er dann mit einem scharfen Blick ansah. Doch sein Blick änderte sich auch nicht, als er wieder zu Zero sah. Ai wünschte sie hätte den Mund gehalten. Sie wollte ihrem Papa doch helfen und nicht ihm noch mehr Ärger machen. Aber genau danach sah es im Moment aus. „Mir scheint, wir wissen so einiges noch nicht. Und wir-“, wandte er sich wieder zu Kaito, „werden uns später noch eingehend unterhalten.“ Kaito zuckte mit den Schultern und setzte sich bereits wieder. Noch immer verstand Ai nicht, was eigentlich passiert war. Aber offenbar war es doch nicht so schlimm, wie sie dachte. Zumindest sagte niemand etwas dazu. Zero schüttelte mit dem Kopf, ungläubig. Wie hätte er auch ahnen können, dass das Erste, was Ai als sagen würde, etwas sein würde, was er nicht erzählt hatte. Das und dass Yuki Blut von ihm genommen hatte, war das einzige gewesen, was er ihnen verschwiegen hatte. Beides aus guten Gründen und da Kaito bei seiner Erzählung keinerlei Einwände erhoben hatte, hatte er angenommen, dass es ihm ganz recht gewesen war. Schließlich hatte sein Handeln weitreichende Konsequenzen gehabt. „Jedenfalls...“, fuhr Jinmu fort, „Kain und Aidou kennst du ja bereits, wie Zero erzählt hat. Neben Kain steht Ichijo und Kaname...“ „Ja.“, unterbrach ihn Ai abermals. „Ich weiß sehr gut, wer er ist.“ Ihr lief ein Schauer über den Rücken, doch sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Schwäche wollte sie auf keinen Fall zeigen. Dennoch nickte sie einmal kurz in seine Richtung. Sie musste höflich sein, um einen guten Eindruck zu vermitteln. Nur darauf kam es jetzt an. Immer noch sprach Kaname nicht und Zero beobachtete dies mit Misstrauen. Seinen Worten konnte er etwas entgegensetzen, seinem Schweigen hingegen schwerlich. „Oh, bevor ich es vergesse: Herr Sayuka sagte, er wird gleich mit dem Kochen beginnen.“ Abermals seufzte Zero. „Und du sollst ihm nicht wiedersprechen.“, fügte Ai an und lächelte schwach. „Es gibt etwas zu essen?“, fragte Aidou und war sogleich hellhörig geworden. „Wird aber auch Zeit. Ich habe so langsam wirklich Hunger.“ Alle anderen sahen ihn schweigend an. „Was? Es ist so.“, verteidigte er sich, setzte sich aber wieder. Ai kicherte leicht. Sie mochte diesen Aidou wirklich. Er war immer so lustig, dachte sie. Sie setzten sich an den großen Tisch, Yuki auf den Stuhl neben Kaname und Ai setzt sich auf Zeros Schoß. So schnell würde er sie nicht wieder aus den Augen lassen. Ai lehnte ihren Kopf gegen seine Brust und atmete seinen Duft ein. Nirgendswo würde sie sich sicher fühlen, als bei ihm. „Bereit?“, flüsterte er seiner Ziehtochter ins Ohr und diese nickte knapp. „Ai, Zero hat uns schon etwas über dich erzählt. Wir müssen dich jedoch selbst noch einmal fragen. Wir wissen nicht, in wie weit wir ihm glauben können.“, begann Jinmu das Gespräch. Das irritierte Zero ein wenig. Es war doch Kaname gewesen, der Ai unbedingt finden wollte, der Wert auf diese Prophezeiung legte. Warum stellte er dann nicht die Fragen? Wahrscheinlich ließ er andere die Arbeit für sich machen. Das hatte er schon immer getan, dachte Zero wütend. „Ai, stimmt es, dass dein Vater ein Vampir war und deine Mutter ein Hunter?“, stellte Jinmu seine erste Frage und Zero lenkte seine Aufmerksamkeit auf das Gespräch. „Ja.“ „Bist du dir sicher? Woher weißt du das?“ „Ich bin mir sicher, es stand ja in dem Brief, den wir gefunden haben.“ „Der Brief, der in der Spieluhr verborgen war?“ „Ja.“ „Ai, erzähl uns doch bitte von deiner Mama und Papa. An was kannst du dich erinnern. Wo warst du, bevor du zu Zero gekommen bist?“, fragte Jinmu sie freundlich. „Da gibt es eigentlich nicht viel zu erzählen.“, sagte Ai und zuckte mit den Schultern. „Wir möchten es dennoch hören.“ „Erzählen sie mir dann, warum es so schrecklich ist, dass meine Mama ein Hunter war und mein to-san ein Vampir?“, stellte Ai die Gegenfrage und ihre Augen funkelten. Sie wollte ihren Papa unterstützen und keine Bürde sein, aber es gab ein paar Dinge, auf die sie auch eine Antwort wollte. Einen Moment sah Jinmu sie überrascht an. „Hat dir Zero nichts davon gesagt?“ „Nein.“, schüttelte Ai den Kopf und sah ihren Papa fragend an. Warum hatte er ihr das verheimlicht? War es wirklich so schrecklich? War es wirklich so... unnatürlich? „Ich habe dir nichts gesagt, weil ich nichts davon halte.“, beantwortete Zero ihre unausgesprochene Frage. „Außerdem wollte ich dir keine Angst machen.“ In seinen Augen erkannte sie Ehrlichkeit und glaubte ihm. Er würde ihr niemals absichtlich etwas so wichtiges vorenthalten, das wusste sie. „Möchtest du es gleich wissen oder willst du uns erst erzählen was geschehen ist?“, fragte Jinmu. Ai schüttelte kurz den Kopf. „Ich erzähle erst. Es dauert ja nicht so lange.“ Auch Ai hörten sie die meiste Zeit ruhig zu und fragten nur hin und wieder etwas genauer nach. Besonders interessierte sie, wie viele Erinnerungen Ai an ihren Vater hatte und wie klar sie waren. Doch da konnte AI ihnen nicht viel erzählen und sie wurde bei dem Gedanken daran, selbst ganz traurig. Ihre waren nur die Erinnerungen an ein Lächeln, eine Umarmung und die Geschichten geblieben, die er ihr vor dem Einschlafen immer erzählt hatte. Und natürlich die Spieluhr, die sich als noch größerer Schatz herausgestellt hatte, als sie ohnehin schon war. An ihre Mutter konnte sich Ai besser erinnern, auch wenn sie die Nacht ihres Todes am liebsten für immer aus ihrem Gedächtnis streichen würde. Nur einmal wurden sie kurz unterbrochen, als Herr Sayuka in die Küche gegangen war und die Männer kurz begrüßt hatte. Er hatte sich ihnen gegenüber freundlich und höflich verhalten, ganz so, als wären sie nur gewöhnliche Gäste. Zeros Respekt vor diesem Mann war noch ein wenig mehr gewachsen. Als Jinmu dann aber wissen wollte, welche Beziehung ihre Eltern zueinander hatten, konnte Ai nicht gleich antworten. Sie wunderte sich ein wenig über die Frage, deswegen sagte sie auch das erste was ihr einfiel: „Sie haben sich geliebt.“ „Wie kommt es, dass du so sicher bist?“, wollte Aidou wissen. Liebe... Langsam erschien es ihm, als würde das Wort allein alles erklären können. „Ich kann mich erinnern, dass sie... dass sie...“, begann sie zaghaft. Wie sollte sie das beschreiben? Sie konnte es nicht in Worte fassen. „Ich weiß es einfach.“ „Man sieht es auf dem Foto.“, sagte nun Yuki und sprach zum ersten Mal, seit dieses Gespräche begonnen hatte. „Foto?“, fragte Ichijo interessiert. „Es war mit in dem Brief.“, erwiderte Zero. „Sie hat recht. Darauf erkennt man wohl es am besten.“ „Wir wollen das Bild sehen.“, sagte Kaito. Ai sah ihn kurz erschrocken an, fing sich aber schnell wieder. „Du hast bitte vergessen.“, wies sie ihn zurecht. „Ich muss überhaupt nicht bitte sagen.“, konterte er sogleich. „Doch, denn das gehört sich so. Außerdem ist es mein Foto!“, erwiderte sie und starrte ihn an. „Nun, da hat sie nicht ganz unrecht.“, lenkte Jinmu ein. Aber es gefiel ihm, wie die Kleine so furchtlos war. „Würdest du uns bitte das Bild und den Brief zeigen?“, fragte er Ai. Einen Moment lang war sie unschlüssig, aber welche Wahl hatte sie schon? Würde sie nein sagen, würde es ja doch nur auf ihren Papa zurückfallen. Gerade als sie nickte, ging die Küchentür auf und Herr Sayuka trug vier dampfende Teller auf dem Arm. „Essen ist fertig.“ „Endlich!“, rief Ai. Der Brief und das Bild waren augenblicklich vergessen. „Ihr habt sicher nichts dagegen, wenn wir erst essen oder?“, fragt Zero mit leicht scharfem Unterton. „Nein.“, erwiderte Jinmu. „Eine kleine Pause, kann nicht schaden. Dabei sah er jedoch auch zu den anderen und diese nickte zustimmend. Nur Kaname saß noch immer reglos da und auch Jinmu behagte dies nicht. Was ging in seinem Kopf vor? Nach dem Essen ging Ai nach oben, um die Spieluhr zu holen. Doch bereits in ihrem Zimmer öffnete sie sie. Sie wollte nicht, dass alle anderen sahen, wie das Kästchen zu öffnen war. Ein kleines Geheimnis wollte sie für sich behalten. Sie löste den Anhänger von der Öse mit wenigen Bewegungen und legte es in die passende Form. Das Kästchen sprang mit einem leisen Klick auf. Obwohl Ai den Brief schon oft gelesen und sich das Fotos noch öfter angesehen hatte, zitterten ihre Finger immer noch, als sie nun danach griff. Diese beiden Schätze fremden Leuten zu zeigen, kam ihr wie ein Verrat vor. Die Worte ihrer Mutter waren nur für sie bestimmt gewesen, genauso wie das Foto. Ai betrachtete das Bild einen Moment. Yuki hatte recht, dachte sie. Man sah auf dem Bild eindeutig, wie sehr ihr Vater ihre Mutter geliebt hatte. Und man sah, wie sehr sie von beiden geliebt wurde. Einmal noch seufzte Ai, dann gab sie sich einen Ruck und nahm Brief, Foto und auch die Spieluhr mit nach unten. Als sie den Treppenabsatz erreichte hörte sie, wie gerade Yuki Rede und Antwort stehen musste. Sie wollten wissen, warum sie Zero und ihr geholfen hatte. Besonders dieser Ichijo redete eindringlich auf sie ein. Auch Ai wunderte sich, dass Kaname die ganze Zeit so ruhig war. Aber auch sie konnte sich nicht vorstellen, warum das so war. „Yuki, als Reinblut hast du die Pflicht alles zu tun, um unserer Gesellschaft zu helfen. Du kannst dir nicht vorstellen, was die anderen hinter deinem Rücken reden.“, sagte Ichijo gerade, als Ai nach unten kam. „Es ist mir egal, was sie sagen!“, erwiderte Yuki heftig. Das Gerede anderer interessierte sie nicht mehr. „Es war das einzig richtige und ich würde es jederzeit wieder tun!“ „Aber dir hätte sonst was passieren können!“ „Ist es aber nicht! Mir geht es gut und noch wichtiger Ai und Zero ebenfalls. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen!“ Es war ganz eindeutig, dass die Diskussion damit für sie beendet war, doch es war offensichtlich, dass dies für Ichijo nicht der Fall war. Nur, dass Ai sich wieder auf Zeros Schoß setzte und Jinmu anschließend wortlos das Foto reichte, hielt ihn wohl davon ab mehr zu sagen. Jinmu betrachtete es eingehend, aber an seinem Gesicht konnte man keinerlei Reaktion ablesen. Er reichte das Bild an die anderen weiter, dann schüttelte er den Kopf. „Ich will es einfach nicht begreifen.“ „Das heißt, sie glauben mir?“, fragte Ai und Hoffnung schwang in ihrer Stimme mit. Das wäre zumindest schon mal ein Anfang. „Bei diesem Bild kann man gar nicht anders.“, erwiderte er schlicht. „Das hat es noch nie gegeben.“ „Ich konnte es auch nicht glauben.“, sagte Zero nun. „Aber es ist so und es ist besser, wenn sie sich an den Gedanken gewöhnen.“ „Hast du es denn?“, wollte Kaito herausfordernd wissen. „Ja, inzwischen schon.“, erwiderte Zero ehrlich. „Sagen sie mir jetzt, warum es so schlimm ist, dass ich lebe?“, wollte Ai nun wissen. Sie rieb sich über die Augen und gähnte leicht. Zero beobachtete es mit wachsendem Unmut. Doch genauso gut wusste er dass sie jetzt nicht nach oben gehen würde, wenn er es ihr sagte. „Ja, sagen sie es ihr.“, sagte Zero und konnte den Sarkasmus aus seiner Stimme nicht verbergen. „Es gibt einen alten Text, eine Prophezeiung. Weißt du was das ist?“, fraget Jinmu. „Natürlich! Ich bin doch kein kleines Kind mehr.“, antwortete Ai entrüstet. Zero verdrehte die Augen, Jinmu und die anderen beiden jungen Hunter schmunzelten leicht. „In dieser Prophezeiung steht, dass ein Hunter und ein Vampir ein Kind bekommen werden. Dieses Kind kann die Untergang der Hunter und Vampir bedeuten.“ Fragend sah Ai ihn an. „Und warum?“ „Ähm...“, sagte Jinmu hilflos. Er hatte ja mit allem gerechnet, aber damit nicht. „Was meinst du?“ „Warum sollte es den Untergang bedeuten? Warum sollte gerade ich dieses Kind sein? Es kann doch auch sein, dass es schon öfter vorgekommen ist, sie nur nichts davon wissen.“ „Zeigen sie ihr den Text.“, kam Zero Jinmu unerwartet zu Hilfe, der sich mit den Kind ein wenig überforder fühlte. „Darf ich es ihr erklären?“, fragte nun Yuki und Jinmu sah sie beinah dankbar an. „Ich denke, das wäre eine gute Idee.“, sagte er schlicht. „Ai, kannst du mir einen Zettel und einen Stift geben? Ich schreibe es dir auf.“ Yuki folgte Ai und ging mit ihr zum Tresen. Ai verschwand dahinter und reichte ihr im nächsten Augenblick einen Block, auf den sie immer die Bestellungen schrieben und einen Stift. Danach setzt sich Ai neben Yuki und schaute ihr über die Schulter, während sie begann die alten Worte aufzuschreiben. „Aber warum sollte ich das tun?“, fragte Ai, nachdem sie mit Yuki gemeinsam die Prophezeiung enträtselt hatte. Viele Geschehnisse um sie herum verstand sie nun besser und sie konnte jetzt auch die Befürchtung der Männer verstehen und doch konnte sie es auf einer gewissen Ebene nicht nachvollziehen. Sie drehte sich zu den Huntern und Vampiren um und sah auch zu ihrem Papa. Sie diskutierten schon wieder über etwas. Doch offenbar war dieses Mal Kaito derjenige, der Antworten geben musste. „Warum sollte ich wollen, dass die... Hunter oder Vampire untergehen?“, präzisierte Ai ihre Frage. Ohne auf eine Antwort von Yuki zu warten, stand sie auf und ging zu ihrem Papa. Sofort verstummte das Gespräch und sie wiederholte ihre Frage noch einmal. Vielleicht konnten sie ihr antworten. Doch sie schaute nur in ratlose Gesichter, deren Blicke sich nach unten senkten – bis auf Kanames. „Ich weiß es nicht, Ai. Ich glaube nicht daran, das weißt du.“, sagte Zero sanft. „Aber offenbar die anderen Herren hier am Tisch.“, fügte er bissig an. „Aber warum?“, fragte sie noch einmal. „Ich will das doch nicht.“ Dieses Mal war Verzweiflung in ihrer Stimme zu hören. „Ich weiß.“, sagte Zero nur und zog sie fest an sich. Ai vergrub das Gesicht an seiner Brust und schüttelte den Kopf. Sie verstand das alles überhaupt nicht mehr. „Was ist nun? Sie haben sie kennengelernt, glauben sie immer noch, dass sie so etwas könnte?“, fragte Zero die Männer geradeheraus. „Sie ist ein ganz gewöhnliches Mädchen, mehr nicht.“ Dieses Mal gab Kaname einen abfälligen Laut von sich. „Das glaubst du doch selber nicht. Ihr Vater war ein Vampir, noch dazu ein Clay. Ihre Mutter ein Hunter. Sie ist aus einer Verbindung entstanden, die es niemals hätte geben dürfen. Sie kann nicht einfach nur ein gewöhnliches Kind sein.“, sagte er scharf. Seine Worte waren wie Messer, dachte Yuki und zuckte vor ihm zusammen. Dabei hatte er nicht einmal direkt mit ihr gesprochen. Doch Ai sank noch ein bisschen mehr in sich zusammen und drehte sich auch nicht um. Zero legte schützend die Arme um sie und sein Blick sagte genug, um zu wissen, was er gerade dachte. „Es gibt nichts, rein gar nichts, was jemals darauf hingewiesen hätte, dass sie kein normales Kind ist. Sie hat nicht einmal die Aura eines Vampirs.“, zischte Zero. „Vielleicht wolltest du es auch nicht wahrhaben.“, konterte Kaname gelassen. Daraufhin sah Zero zu Yuki. „Hast du etwas gespürt?“, fragte er sie und kannte die Antwort bereits. Sie hatte es ja schon einmal gesagt. „Nein, gar nichts. Ich konnte nichts Ungewöhnliches feststellen und Onii-sama, auch du wirst zugeben müssen, dass da nichts ist, was sie als Vampir verrät.“, wagte Yuki offen auszusprechen. „Kain und Aidou geht es sicher ebenso.“ Die beiden Angesprochenen nickten kurz. Das konnten sie nicht abstreiten. „Das mag sein, aber es bedeutet nicht, dass sie nicht andere Eigenschaften eines Vampirs besitzt. Wie steht es um ihre Beweglichkeit, ihre Geschicklichkeit?“ Es klang ja fast so, als wäre sie nicht ihm Raum, dachte Ai, als könnte sie nicht selbst mit ihm sprechen. Ihr Papa musste ähnliche Gedanken haben, denn sein Körper versteifte sich immer mehr. Entschlossen löste sich Ai von Zero. Sie würde sich nicht so behandeln lassen. Dennoch bereitet ihr die Frage Unwohlsein. Trotzdem war ihre Wut im Moment stärker. „Um meine Geschicklichkeit steht es nicht besonders gut.“, gab sie bissig zurück. Ihre Tollpatschigkeit war ihr ohnehin schon peinlich, aber wenn man bedachte, dass sie zur Hälfte ein Vampir war, war es gleich noch sehr viel peinlicher. Dabei war es nicht einmal so, dass sie unsportlich war. Sie hatte eben nur kein besonderes Interesse daran, genauso wie an Mathe. Sie machte Sport zwar gern, immerhin musste man da keine Gleichungen lösen, aber viel lieber schwatze sie dabei mit ihrem Freundinnen, so dass sie öfters ermahnt werden musste. Und wenn sie nicht mit ihnen sprach, neigte sie dazu, vor sich hin zu träumen und übersah dann das ein oder andere Hindernis oder sie beobachtete die anderen Läufer und achtete nicht weiter auf ihr eigenes Tempo. Beim Bocksprung war sie auch schon mehr über den Bock gefallen, als darüber zu springen und beim Hochsprung war sie immer diejenige, die die Latte von 10 Versuchen mindestens 5 Mal herunterriss. Aber was konnte sie auch dafür, wenn sie dabei jedes Mal das Gefühl hatte zu Fliegen. So ähnlich erzählte es Ai, auch wenn sie die besonders peinlichen Momente ausließ. Ihre Zuhörer sahen sie auch so schon ungläubig genug an. „Das sagt nichts über ihre Beweglichkeit, lediglich dass sie mit ihren Gedanken öfter nicht bei der Sache ist.“, sagte Kaname ausdruckslos. „Sie ist sportlich.“, sagte Zero schließlich. „Vielleicht ein bisschen mehr, als andere Kinder. Vielleicht kann man es auf ihre Herkunft zurückführen, aber im Grunde ist es egal. Man muss nicht von Vampiren abstammen, um sportlich zu sein. Yuki war zum Beispiel nie besonders sportlich.“ „Zero!“, rief Yuki entrüstet auf und wurde rot. Wie konnte er das gerade jetzt sagen? Und das vor allen anderen?! „Was ist mit den geistigen Fähigkeiten?“, fragte Kaname weiter, als hätte er alles andere nicht gehört. Zeros Geduld wurde immer weniger. Kaname suchten krampfhaft nach etwas, was er Ai anlasten konnte. Nichts anderes geschah hier, dachte er. „Das ist das gleiche, wie beim Sport.“, antwortete Ai. „Ich bin mit meinen Gedanken zu oft wo anders, weil es mich einfach nicht interessiert.“, antwortete sie ehrlich. „Besonders schlau ist sie also auch nicht.“, stellte Kaname nüchtern fest. „Passt auf was du sagst.“, zischte Zero. „Du bist gemein!“, sagte Ai. „Man sag so was nicht! Ich nenn dich doch auch nicht überheblich und eingebildet obwohl es stimmt!“, schimpfte sie drauf los, ohne groß darüber nachzudenken. Die Vampire am Tisch sogen scharf die Luft ein und starrten sie ungläubig an. Noch nie hatte es jemand gewagt, so mit Kaname-sama zu reden. Selbst Yuki konnte es nicht glauben. Sie war ebenso sprachlos, wie all die anderen. Nur Kaito schien als erster seine Sprache wieder zu finden: „Endlich sagt es ihm mal einer. Ich glaub, ich mag dich doch.“ Ai musste grinsen, allerdings nur so lange, bis sie von Zero ein tiefes „Ai“ hörte. „Willst du sie nicht zurechtweisen?“, fragte Kaname kalt und sah Zero abwartend an. „Nein. Sie weiß auch so sehr genau, dass man so etwas nicht sagt, aber in dem Fall hat sie recht.“ Hätte sich Ai bei jeder anderen Person so benommen, hätte er ihr schon längst ein paar Takte gesagt, aber bei Kaname würde er einen Teufel tun. „Meine Herren, ich muss doch sehr bitten.“, ging Jinmu dazwischen, bevor es noch eskalieren konnte. „So wie es aussieht, gibt es keinerlei Anzeichen, die den Vampir in ihr erkennen lassen. Sie hat vielleicht die Gene, aber sie scheint dennoch menschlich zu sein.“ „Komm her, Ai.“, sagte Kaname schließlich. Fragend sah sie ihn an und dann ihren Papa. „Ich möchte etwas ausprobieren.“, fügte Kaname hinzu und langsam rutschte Ai von Zeros Schoß. „Und was?“, fragte sie. Etwas neugierig war sie schon. Kaname hob seine linke Hand und machte mit der rechten eine so schnelle Bewegung, dass sie erst glaubte, er würde sie schlagen. Sie zuckte zusammen, doch nichts geschah. Sie blickte kurz zu Zero und sah, wie er seinen gesamten Körper anspannte. Er blickte starr nach unten. Auch die anderen Vampire am Tisch regten sich unruhig. Eine Moment fragte sich Ai was passiert war. Als sie wieder zu Kanames Hand sah, erkannte sie den dünnen Schnitt der über die Innenseite seiner Handfläche verlief. Ein wenig Blut quoll daraus. Jetzt verstand sie, warum die anderen sich so verhielten. Zero hatte ihr einmal gesagt, dass das Blut der Reinblüter für Vampire unwiderstehlich war. Es musste ihren Papa sehr quälen. Warum machte Kaname das?, fragte sie sich leicht verärgert. Wieder sah sie den Mann vor sich an. Sie wusste einfach nicht, was er damit bezwecken wollte. „Was denkst du? Was fühlst du?“, wollte Kaname von ihr wissen. Fragend hob Ai eine Augenbraue. Was sie dachte? Wollte er hören, dass sie es ganz schön dumm fand, sich selbst zu verletzten? Sollte sie sagen, dass es gemein von ihm war, es hier vor all den anderen Vampiren zu tun? Wohl kaum. Stattdessen entschied sie sich für das Nächste was ihr einfiel: „Tut es weh?“, fragte sie zögerlich. Aus Zeros Richtung hörte sie ein Schnauben und sah, dass sich einer seiner Mundwinkel leicht nach oben zog. Auch bei Kaito konnte sie ein Lächeln erkennen. Was war daran so lustig? „Was noch?“, fragte Kaname ungeduldig weiter, offenbar unzufrieden über ihre Antwort. Angestrengt dachte Ai nach. Warum hatte er ihr sein Blut gezeigt? „Soll ich dir ein Pflaster holen?“, fragte sie nun und dieses Mal war sie leicht genervt. Warum sagte er ihr nicht einfach was er wollte? In so was war sie noch nie gut gewesen. Dieses Mal war das Lachen vom anderen Ende des Tisches eindeutiger zu hören. „Nein.“, erwiderte Kaname kalt. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich sagen soll.“, gestand sie. „Ai, ich glaube Kaname-sama möchte von dir wissen, ob du... naja... ob du Hunger nach seinen Blut verspürst, ob du ein Verlangen danach hast.“, versuchte es Aidou ihr zu erklären. Er selbst hatte einen leicht gequälten Gesichtsausdruck. „Ach so!“, rief sie aus. „Nein.“, schob sie sofort hinterher. „Du fühlst gar nichts dabei?“, wollte nun Kain wissen. Abermals schüttelte Ai den Kopf. Warum musste sie alles wiederholen? „Nein, das hab ich doch gesagt. Es ist Blut, das ist alles.“ „Wie reagierst du sonst auf Blut? Ich meine, wenn du welches siehst oder riechst?“, fragte Ichijo. Ai zuckte mit den Schultern und sah unsicher zu Zero. „Sag einfach was du denkst.“, forderte er sie auf. „Nichts.“, antwortete sie schließlich. „Also... es ist eben Blut.“, sagte sie schulterzuckend. „Ich finde es nicht abstoßend aber auch nicht... besonders lecker.“, formulierte sie ihre Gedanken frei heraus. „Was heißt ‚es ist eben Blut‘?“, wollte Jinmu wissen. „Na, dass es nichts Gewöhnliches ist. Ich habe schon oft welches gesehen. Als meine Freunde gestürzt sind, als ich gestürzt bin, als meine Mama...“ Sie brach ab und schluckte. „Der Mensch und auch Vampire bestehen doch aus Blut. Wir brauchen es zum Leben. Es lässt unser Herz schlagen oder so ähnlich.“, erklärte sie kurz. Kaname erwiderte darauf hin nichts. Stattdessen fuhr er mit dem Zeigefinger der anderen Hand über die Wunde, so dass das Blut auf dem Finger haften blieb. Der Schnitt schloss sich wie von selbst und zurück blieb nicht einmal mehr eine Narbe. „Oh, warum geht das bei mir nicht!“, stieß Ai frustriert aus, nachdem sie das beobachtet hatte. „Soll das heiße du hast auch keine Selbstheilungskräfte?“, fragte Ichijo interessiert. „Nein, dabei wäre das wirklich mal was Tolles! Warum kann ich das nicht von meinem Papa bekommen haben?“ „Verletzt du dich denn wirklich so viel?“, fragte nun Yuki, die Ai zwar schon kennengelernt hatte, sich das aber nicht vorstellen konnte. Ai antwortete nicht gleich, sondern setzte sich wieder auf Zeros Schoß. „Was ist, magst du mir nicht antworten?“, wollte Yuki wissen. „Das ist peinlich.“, murmelte sie. „Was hat das zu bedeuten?“, stellte Jinmu die Frage. „In ihrer Tollpatschigkeit stürzt Ai hin und wieder und schlägt sich dann meistens das Knie auf, oder hat Schürfwunden an den Händen.“ „Und das tut weh.“, fügte Ai Zeros Erklärung hinzu. „Und es dauert so lange, bis es verheilt.“ Zero sagte nichts darauf, beobachtete aber, wie die anderen Blicke austauschten. Er verschwieg, dass Ais Wunden eigentlich schon schneller heilten als bei anderen Kindern. Doch bisher hatte er sich nichts weiter dabei gedacht. Vielleicht war es wirklich auf das Erbe ihres Vaters zurückzuführen, überlegte er. Doch davon musste die anderen ja nichts wissen. Ai legte den Kopf an seine Brust und atmete erschöpft aus. Sanft strich Zero ihr über den Rücken. „Es wird Zeit, dass du ins Bett zurück gehst. Das war viel zu viel auf einmal.“, sagte er und wartet eigentlich auf ihren Wiederspruch. Als dieser Ausblieb, war für ihn nur umso mehr ein Zeichen sie nach oben zu bringen. Er schlang die Arme um sie und wollte sie gerade anheben, als sie doch mit ihm sprach. „Ich will erst wissen, was entschieden wird.“ Zero blickte kurz in den Runde. Jinmu unterhielt sich mit den Hunter und Yuki mit den Vampiren. Kaname hatte den Blick immer noch auf Ai gerichtet. „Was machen sie jetzt?“, fragte Zero zwischen die Gespräche, die augenblicklich verstummten. „Ich habe ihnen gesagt, was passiert ist, alles, sie haben Ai kennengelernt. Glauben sie immer noch sie sei eine Bedrohung?“, fragte er und hatte Mühe seine Stimme neutral zu halten. Allein bei dem Gedanken, dass man ihr so etwas zu traute, wurde er wütend. „Nun...“, begann Jinmu und kreuzte die Arme über der Brust, „ich denke nicht, dass wir das jetzt einfach entscheiden können. Wir müssen uns beraten oder was sagst du Kaname?“ Einen Augenblick sah es so aus, als würde Kaname gar nichts antworten, doch dann sagte er: „Ich denke nicht, dass es da viel zu beraten gibt. Auch, wenn sie im Moment keine Bedrohung für uns darstellt, heißt das nicht, dass es nicht werden kann.“ „Wie kannst du das sagen?!“, fuhr Yuki ihren Bruder ungewohnt heftig an, bevor Zero die Chance hatte. „Ich denke auch, dass wir darüber reden müssen. Wir haben das entschieden, bevor wir mehr wussten. Die Dinge haben sich geändert.“, pflichtete ihr Jinmu bei. „Die Prophezeiungen von Úmmei treten immer ein.“, erwiderte Kaname schlicht. Seine Entscheidung klang unumstößlich. „Ach, Prophezeiungen, das ist doch nur Aberglaube.“, sagte Kaito abfällig. „Und wenn wir es glauben sieht es außerdem so aus, als hätten wir Angst vor einem Kind.“ Zero biss sich auf die Zunge, um nicht Dinge zu sagen, die ihre Lage noch schwieriger gemacht hätte. Er wusste, dass er sich zurückhalten musste und es beruhigte ihn auch bis zu einem gewissen Grad, dass Jinmu als auch Kaito nicht alles glaubten, was Kaname sagte. Er glaubte zwar nicht, dass Kaito für ihn Partei ergriff, wahrscheinlich ging es ihm nur darum nicht nach Kanames Willen zu handeln, aber das war Zero im Moment egal. Yuki würde dem ebenso nicht zustimmen. Es war gut zu wissen, sie auf seiner Seite zu haben. Er würde ihre Hilfe brauchen, wenn es wirklich zum Kampf kommen würde. Inzwischen glaubte er darauf vertrauen zu können, dass er auf sie zählen konnte. Nicht für sich, aber für Ai. „Úmmei?“, fragte Ai und öffnete noch einmal die Augen. Offenbar war sie kurz vor dem Einschlafen. „Schon gut.“, versuchte Zero sie zu beschwichtigen. Er würde es ihr später erklären. Das war ihr Name gewesen, dachte Ai träge. „Es ist so traurig, was mit ihr passiert ist.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)