Die Prophezeiung von maidlin (SPOILERS!!!!) ================================================================================ Kapitel 24: Was ich getan habe ------------------------------ Es gibt ein neues Kapitel.^^ Unschwer zu erkennen. Ich will auch nicht viel sagen, außer dass ich es leicht unheimlich finde, wie sehr dieses Kapitel gerade mit dem aktuellen Chap (73) übereinstimmt. O.O Nur die Gründe sind andere... ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Was ich getan habe Wie ein Tier stürzte sie sich auf ihn und riss ihn zu Boden. Blitzschnell und ohne jede Rücksicht bohrte sie ihre Zähne in seinen Hals. Sein Fleisch war weich und gab sogleich nach. Das Blut floss sofort in ihrem Mund und jeder Tropfen war wie eine kleine Explosion auf ihrer Zunge. Gierig begann sie zu trinken. Sein Blut schmeckte herrlich. Es schmeckte nach etwas, für das Yuki keine Worte kannte. Sie wollte mehr und mehr. Sei vergaß alles um sich herum, hörte nur noch das begierige Schlucken und Schmatzen des Untiers, das einfach nicht genug bekommen konnte. Ihre Fingernägel krallten sich in seinen Pullover. Ihr Griff war fest und eisig. Er würde ihr nicht entkommen. Sie würde sich nehmen, was sie begehrte, bis nichts mehr von ihm übrig blieb. Sie hätte es schon viel früher tun sollen. Warum hatte sie so lange gezögert? Es war unvergleichlich. Noch nie hatte sie so etwas gekostet. Jeder Schluck forderte den nächsten. Bis sie alles von ihm bekommen hatte. Zero rührte sich nicht. Er sagte nichts. Er fühlte nichts. Aber er dachte. Es war die gleiche Stelle, dachte er dumpf. Jene links an seinem Hals. Genau die gleiche Stelle. Er sah die Kirschblüten vor sich; ihre Gestalt, die aus dem Nichts erschienen war. Ein Reinblut, so schön und doch mörderisch. Alles auf einmal kehrte zurück: Grauen, Angst, Schmerz, Einsamkeit und der Tod. Zero war versteinert, gefangen in einer längst, für besiegt geglaubten, Vergangenheit. Aber das hier war nicht die Vergangenheit. Er wollte dass sie aufhörte. Er konnte den Gedanken an das was sie da tat nicht ertragen und doch... er konnte sie auch nicht von sich stoßen. Das Gefühl, welches in ihm ausgelöst wurde war zu mächtig, zu süß, als das er es gleich wieder loslassen wollte. Er kämpfte mit sich, es ihr nicht gleichzutun. Es war eine Ewigkeit her, dass er ihr so nah gewesen war. Ihr hörte das Blut durch ihre Adern fließen, konnte es riechen und förmlich auf seiner Zunge schmecken. Nie hatte Zero diesen Geschmack vergessen. Immer war ihm die Erinnerung eine liebsame Qual gewesen. Bilder begannen schnell vor ihren geschlossenen Augen aufzuzucken. Sie sah sie nur flüchtig und doch erkannte sie das wesentliche: Ai, die in ihrem Zimmer las, Zero und Ai gemeinsam beim Essen, wie Ai etwas mit leuchtenden Augen erzählte und wird mit den Armen gestikulierte, wie Zero sie dabei ansah und leicht schmunzelte. Unbewusst realisierte sie, dass es sich um Szenen aus seinem und Ais Leben handelte. Sie sah sie durch sein Blut und beobachtete sie. Ein Schauer fuhr durch ihren Körper. Es bewegte sie so sehr, dass ihr Herz sich schmerzhaft zusammenzog. Sie wollte mehr sehen und trank weiter. Seine Hände verkrampften sich, als er merkte was eigentlich geschah und er keuchte auf. Er hatte während seiner Ausbildung davon gehört. Sie sah Teile seiner Vergangenheit und mit jedem Schluck, den sie trank, tauchte sie weiter hinein. Er wollte es nicht. Er wollte nichts von seiner Vergangenheit preisgeben. Es ging sie nichts an. Sie würde schon bald wieder aus seinem Leben verschwinden und ebenso zu einer Vergangenheit werden. Trotzdem schaffte er es auch jetzt noch nicht, sie von sich zu stoßen, sie am aufhören zu hindern. Das Kribbeln in seinem Körper war angenehm und schien seinen Verstand zu benebeln. Es breitete sich von seinem Hals zu seinem Körper aus. Warum sollte sie es auch nicht sehen? Sollte sie sehen, wie er es geschafft hatte sich ein eigenes Leben aufzubauen, ohne sie. Sollte sie erkennen, dass er sie nicht brauchte, versuchte er sich einzureden. So lange, wie sie nur diesen Teil sah. Yuki zuckte kurz zusammen, als sich die Szene plötzlich änderte. Die Umgebung war nicht mehr so hell und voller Liebe und Wärme. Stattdessen fand sie sich in einem dunklen Wald wieder, der ihr bedrohlich und unheimlich erschien. Die Bäume waren wahrscheinlich Jahrhunderte alt und die Äste hingen so tief, dass man mühelos danach greifen konnte. Durch Zeros Blut wusste sie, dass es nicht der Wald von Koritokái war. Sie befand sich wo anders, nur wo konnte sie nicht sagen. Es war dunkel um sie herum. Yuki konnte Elend spüren, Einsamkeit und Wahnsinn. Aus den Schatten der Bäume trat eine Gestalt. Es war ein Mann und Yuki wusste, dass es nicht Zero war. Der Mann war groß, hager und seine Kleidung ist zerrissen. Dann blickte sie in sein Gesicht und erschrak. Dort wo sein Gesicht hätte sein sollen, saß nur noch eine entstellte Fratze, die vom Wahnsinn gezeichnet war. Er war ein Level E. Zero sah das Bild ebenfalls. Die Erinnerung an jenem Moment kam so plötzlich über ihn, dass ihm schlecht wurde. Sie hatte jenen Moment seiner Vergangenheit erreicht, der ihn zu einem wahren Monster hatte werden lassen. Auf einmal fühlte Zero nur noch Angst. Das Prickeln war einer Kälte gewichen, die seine Abscheu vor sich selbst projiziert hatte. Die Kälte brachte ihm seinen eigenen Willen zurück. Seinen Wille, den er sich mühsam zurück erkämpft hatte. Seine Hände zitterten heftig, als er sie hob. Obwohl die Kälte seinen Verstand von diesem prickelnden Gefühl befreit hatte, kostete es ihm immer noch Kraft seine Hände auf ihre Schulter zu legen. Doch kaum berührte er sie, schien er aus einer langen Trance aufzuwachen und stieß sie mit den Armen und Knien kräftig von sich. Yuki landete unsanft auf Holzboden und schüttelte irritiert den Kopf, als müsste sie einen schlechten Traum abschütteln. Doch mitten in ihrer Bewegung erstarrte sie. Sie wurde sich bewusst, was sie eigentlich getan hatte. Langsam hob sie den Kopf. Selbst in dieser Dunkelheit konnte Zero sehen, dass ihre Augen weit aufgerissen waren, als könnte sie nicht glauben, was geschehen war. Yuki sah, wie Zero seinen Hals berührte, links, genau die Stelle an der sie ihn... Entsetzt schlug sie die Hand vor den Mund und die ersten Tränen bahnten sich einen Weg aus ihren Augen, während ihr Körper unkontrolliert bebte. Unter seinen Fingerspitzen konnte er die Bisswunden fühlen. Wie Nadeln hatten sich ihre Reiszähne in seinen Hals gebohrt. Die Wunden schlossen sich bereits langsam wieder, doch es würde länger dauern. Als er die Hand wieder wegzog klebte noch etwas Blut auf seinen Fingern und doch empfand er nichts. Nicht einmal Abscheu oder Hass. Langsam erhob Zero sich. Er fühlte sich kraftlos und einen Moment wurde ihm sogar schwindlig. Es dauerte etwas, bis er das Gleichgewicht wieder fand. Sie hatte zu viel Blut genommen, dachte er träge. Wortlos ging er zu den Stufen. Sein Geist schien ihm wie benebelt, er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Kaum hatte er die erste Stufe betreten, hörte er ihre leise und zitternde Stimme. „Es tut mir leid.“, wisperte sie kaum hörbar und gebrochen. „Es tut mir so leid. Ich konnte nicht... Ich wollte nicht... du musst mir glauben. Verzeih mir. Bitte verzeih mir.“, schluchzte sie. Behutsam drehte Zero sich zu ihr um. Yuki saß zusammengekauert auf dem Boden, die Hände verbargen ihr Gesicht und ihr ganzer Körper zitterte. Immer wieder schüttelte sie den Kopf, als könnte sie selbst nicht glauben, was geschehen war. Sie weinte, das konnte er deutlich hören. Dennoch empfand er noch immer nichts. „Besser ich, als Ai.“, antwortete er kurz. Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, entfuhr Yuki ein entsetzter Laut und sie brach weinend zusammen. „Ich hätte nie... niemals... Ich...“, brachte sie zwischen den Schluchzern hervor, die ihren gesamten Körper erschütterten. Er antwortete ihr nicht. Das konnte sie nicht wissen. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun würde, wenn es besitzt von ihr ergriff. Sie konnte es nicht kontrollieren. Das Wesen in ihnen war zu stark. Es dürstet nach Blut, immer und gab man ihm einmal nach, wollte es mehr und mehr. Es war unersättlich. Es war ein Monster. Sie alle waren Monster, geschlagen mit dem Fluch des Blutes. Stumm ließ er sie allein zurück und schloss auch die Luke hinter sich. Ohne groß darüber nachzudenken, ging Zero zum Ofen, neben dem noch immer der Eimer mit Wasser stand. Er füllte es in eine kleine Schüssel und wusch sich das verschmierte Blut vom Hals. Es war nicht viel. Sie hatte gründliche Arbeit geleistet, dachte er stumpf. Ein wenig wunderte er sich über sich selbst. Wie kam es, dass er nicht mehr fühlte? Alles was er empfand war plötzlich eine bleierne Müdigkeit, die ihn überfallen hatte. Er zog den Pullover aus und wischte sich mit dem unteren Teil den Hals trocken. Er würde ihn waschen müssen. Er konnte schwach seinen Blutgeruch wahrnehmen, auch wenn er sicher war, dass kein Blut darauf haftete. Langsam zog er sich einen neuen an und legte den anderen erst einmal in den Schrank. Er würde sich später darum kümmern. Vollkommen erschöpft ließ er sich auf dem Boden vor dem Sofa sinken. Kurz sah er Ai an, aber als er merkte, dass sie noch ruhig schlief zog er die Knie an und verschränkte die Arme darauf. Dann bettet er seinen Kopf darauf. Er drehte den Kopf so, dass er das Feuer im Kamin sah. Es würde eine Weile brennen, dachte er müde. Leise konnte er Yukis Schluchzen hören. Es war wirklich geschehen, dachte er träge. Es erschien ihm so unwirklich. Zero wusste nicht, was er denken sollte. Erneut konnte er das Prickeln an spüren, dass sich von seinem Hals aus, bis zu seiner Brust ausgebreitet hatte, sogar bis hinab bis zu seinem Bauch. Eine weitere Erinnerung an sie, von der er sich wünschte sie zu vergessen, die er aber doch immer wieder herauf beschwören würde. Sie hätte ihn niemals finden sollen. Und er hatte es ja gewusst, dachte er während er scharf ausatmete. In dem Moment, in dem er nach unten gegangen war, hatte er gewusst, was geschehen würde. Warum also hatte er es trotzdem getan? Wegen Ai, sagte er sich. Allein bei der Vorstellung Yuki hätte sich auf das Mädchen gestürzt drehte sich ihm alles. Aber das war nur die halbe Wahrheit, auch das wusste er. Doch er ließ den Rest des Gedankens nicht zu. Zero vergrub den Kopf in seinen Armen und atmete tief durch. Es war egal, sagte er sich. Es war nicht zu ändern. Außerdem hatte er nun endlich eine Schuld beglichen. Er musste sich ausruhen, denn nun würde auch er stärker mit seinem eigenen Hunger kämpfen müssen. Zero wusste, dass er es eins, zwei Wochen ohne die Tabletten aushalten konnte, aber auch nur wenn er in guter körperlicher Verfassung war. Im Moment fühlte er sich aber alles andere als das. Bei ihrer überstürzten Suche nach Ai hatte er überhaupt nicht daran gedacht, sie einzustecken. Es musste also auch ohne gehen. Yuki weinte noch immer, doch das Geräusch schwand, je weiter sein Geist in die schützende Leere des Schlafes sank. „Papa?“ Ais Stimme an seinem Ohr ließ ihn aufschrecken. Wie lange hatte er geschlafen?, war sein erster Gedanke. Es konnten höchstens ein paar Sekunden gewesen sein, zumindest an dem gemessen, wie er sich fühlte. Ein Blick auf das Feuer, ließ ihn beruhigt aufatmen. Es brannte noch genauso hell und stark, wie zuvor. Er konnte also wirklich nicht lange geschlafen haben. Ai, die seinen Blick bemerkt hatte sagte: „Ich habe gerade ein paar Holzscheite nachgelegt. Es brannte nicht mehr so kräftig, wie du gesagt hast, dass es brennen sollte.“ Nachdem sie zu Ende gesprochen hatte schluckte sie heftig. Ein Fehler, denn es bereitete ihr Schmerzen und auch das Sprechen viel ihr schwer. Vielleicht hatte sie sich ja doch mehr eingefallen als eine Erkältung, dachte sie. Trotzdem würde sie ihrem Papa nichts davon sagen, ganz gleich wie sie sich fühlte. Er machte sich ohnehin schon so viele Gedanken um sie, da wollte sie ihn auf keinen Fall zusätzlich belasten. „Wie spät ist es?“, fragte Zero noch immer müde. „Kurz nach elf Uhr.“, antwortete sie. „Was?“, erschrocken fuhr er herum. Er hatte mindestens acht Stunden geschlafen. Wie hatte er nur so unvorsichtig sein können?! Er wollte sich schnell erheben, doch der Schwindel riss ihn auf den Boden zurück. „Was ist mir dir?“, fragte Ai und in ihrer Stimme klang Sorge mit. „Es geht schon. Ich bin nur noch nicht richtig munter.“, antwortete er ausweichend und lächelte sie schwach an. Er versuchte es ein zweites Mal und war dieses Mal vorsichtiger. Er konnte noch keinen Hunger spüren, doch er wusste, dass er schleunigst etwas essen und trinken musste, um den Energieverlust auszugleichen und um genug bei Verstand zu sein, um nicht das gleiche zu tun, wie Yuki. Allein bei dem Gedanken daran konnte er immer noch fühlen, wie sie ihn gebissen hatte. Augenblicklich breitet sich das Kribbeln wieder in ihm aus. „Hilfst du mir beim Kochen?“, fragte er Ai. Es würde sie beide ablenken und er hoffte, dass Ai nicht gleich nach Yuki fragen würde, die offenbar noch immer nicht nach oben gekommen war. „Wo ist Yuki?“, fragte Ai, kaum dass er es zu Ende gedacht hatte. Er hätte es wissen müssen. „Sie ist unten. Ihr geht es nicht so gut. Ich glaube, es ist besser, wenn du sie noch einen Moment allein lässt.“ Fragend zog Ai eine Augenbraue nach oben. „Warst du wieder gemein zu ihr?“ Zero sah sie sprachlos an. Wie kam sie darauf, dass er... Dann schüttelte er den Kopf. Was regte er sich darüber auf? Sie hatte ja keine Ahnung. „Nein, war ich nicht.“, gab er dennoch etwas gereizter zurück. „Ich sehe mal nach ihr.“, sagte das Mädchen und sprang auf. „Ai, nicht, dass...“ Zweifelnd sah er ihr hinterher. Es würde nichts bringen, wenn er sie aufhalten wollte. Dafür war sie zu... stur. Und jetzt würde sie ihr nichts tun. Jetzt nicht mehr... vorläufig. Sie mussten aus dieser Hütte raus. Yuki stand im dem kleinen Badezimmer und sah in den Spiegel. Eine kleine Kerze brannte auf dem Schrank und erhellte den Raum etwas. Beim ersten Anblick ihres Gesichts war sie selbst ein wenig erschrocken. Ihre Augen waren stark verquollen und die Lippen spröde. Ihre Haare hingen strähnig über den Schultern. Sie sah aus als hätte sie tagelang nicht geschlafen, dabei war sie irgendwann vor Erschöpfung auf dem Fußboden eingeschlafen. Sie stützte die Hände auf dem Waschbecken ab und schüttelte den Kopf. Sie konnte immer noch nicht glauben, was geschehen war. Wie hatte sie das tun können?, fragte sie sich zum wiederholten Male und kannte die Antwort doch bereits. Sie konnte es einfach nicht kontrollieren. Sie war zu schwach gewesen, ihr Geist, ihr Körper, alles. Sie war es nicht gewohnt zu hungern, immer hatte sie sich von Kaname nehmen können. Nie hatte sie ihren Durst zügeln müssen. Das die Wirkung der Bluttabletten so schnell nachlassen würde, war abzusehen. Warum hatte sie nicht daran gedacht welche mitzunehmen? Nur ein paar. Es hätte sie sicher über die Tage in dieser Hütte gerettet, es hätte sie davor bewahrt Zero zu b- Sie schluckte heftig. Nicht nur weil sie ihre Tat verabscheute, sondern vielmehr weil sie den Geschmack seines Blutes noch auf ihrer Zunge spüren konnte. Yukis Lippen bebten leicht und sie berührte sie mit den Fingerspitzen. Ja, sie hasste sich für das was sie getan hatte. Dennoch konnte sie nicht anders, als sich immer wieder an diesen süßlichen Geschmack zu erinnern. Es war so anders, als das ihres Bruders. Vielleicht eine Spur verführerischer, verlockender und... reiner. Yuki konnte sich nicht erinnern sich jemals so... befriedigt gefühlt zu haben, nachdem sie Kanames Blut genommen hatte. Es war als hätte Zeros sie vollkommen ausgefüllt. Yuki biss sich auf die Lippen, um den Gedanken endgültig zu verbannen. Es wurde nicht besser, wenn sie ständig daran dachte. Aber das Bild, welches sie zuletzt gesehen hatte, blieb dennoch haften. Was war das für ein Vampir gewesen? Was hatte Zero mit diesem Level E zu tun? Sie konnte sich nur vorstellen, dass er ihn getötet hatte. Eine andere Möglichkeit gab es gar nicht. Dennoch hatte sie das Gefühl, dass die Erinnerung bedeutet für ihn war. Anders als jene mit Ai. Endlich ließ sie ein wenig Wasser in das Waschbecken laufen und wusch sich das Gesicht. Sie fühlte sich danach etwas besser, trotzdem verspürte sie den Drang sich ganz zu waschen, den Schmutz, der durch ihre Tat an ihrem ganzen Körper zu kleben schien, abzuspülen. Wie mochte er sich erst fühlen? Plötzlich hörte sie von oben, wie sich die Luke öffnete und ihr Körper verkrampfte sich kurz. Erst dann merkte sie, dass es nicht Zero war, der nach unten ging. „Yuki?“, hörte sie Ai fragen und eine Klammer setzte sich um ihr Herz. Wie sollte sie ihr gegenübertreten? Hatte Zero was gesagt? Nein, ganz bestimmt nicht. Das würde er nicht tun, versicherte sie sich selbst. „Ich bin hier.“, antwortete sie leise und hoffte beinah dass Ai sie nicht verstand. Aber wo sollte sie auch sonst sein? Die Tür ging auf und Ai sah sie mit forschem Blick an. „Alles in Ordnung?“, fragte sie gleich und hielt die Kerze, die sie in der Hand trug, ein Stückchen höher. „Ja, natürlich.“, antwortete sie augenblicklich und versuchte so etwas wie ein Lächeln zu Stande zu bekommen. „Warum fragst du?“ „Papa war so komisch. Hast du geweint?“ Ais aufmerksamen Augen entging wirklich nichts, dachte Yuki. „Nein, das sieht nur so aus, weil...“ Sie überlegte kurz. Was war glaubwürdig? Wahrscheinlich, wenn sie nah an der Wahrheit blieb. „Ich habe nur zu wenig geschlafen.“, antwortete sie deshalb. „Kommst du dann mit nach oben. Ich glaube Papa macht schon was zum Essen. Das Frühstück können wir ja weglassen.“ „Warum?“ „Es ist schon nach elf Uhr.“, antwortete Ai. „Oh.“, erwiderte sie erstaunt. Wie viel Zeit war vergangen? Es war egal. Sie wollte Zero nicht sehen. Sie würde ihm nie wieder in die Augen sehen können. „Ich komme gleich nach oben, ich will nur noch... die Haare waschen. Sie haben es bitter nötig.“, lächelte sie leicht. „Dann mach das doch oben.“, drängte Ai sie. „Dort kannst du das Wasser warm machen.“ „Nein, ich will Zero nicht stören.“ Ich will ihn nicht sehen. Ich kann ihn nicht sehen. „Aber das Wasser ist doch viel zu kalt.“, beharrte Ai. „Das macht nichts. Ehrlich gesagt, glaube ich, dass das kalte Wasser mir ganz gut tun wird.“ Ai sah sie einen Moment schweigend an. War sie wirklich eine so schlechte Lügnerin?, fragte sich Yuki zweifelnd. Konnte sie nicht einmal ein elfjähriges Kind täuschen? „Ich sag es ihm.“, war schließlich alles, was Ai antwortete und ging dann wieder nach oben. Yuki atmete erleichter auf. Jetzt hatte sie noch ein wenig Zeit gewonnen, dennoch... es war ganz gewiss nicht genug. Sie konnte es nicht länger hinauszögern, als sie nach circa einer Stunde immer noch vor dem Spiegel stand. Sie hatte sich die Haare gewaschen, sorgfältig getrocknet und gekämmt, nur um anschließend wieder mit einem Handtuch darüber zu fahren und wieder zu kämmen. Dabei wusste sie, dass sie schneller trocknen würden, wenn sie endlich nach oben ging und sich neben den Kamin stellte. Außerdem musste sie Zero irgendwann wieder ansehen. Vielleicht sollte sie es also einfach hinter sich bringen. Yuki schüttelte den Kopf und atmete tief durch. Dann verließ sie das kleine Badezimmer und trat langsam nach oben. Das warme Licht, das vom Kamin kam, blendete sie einen Moment und sie blinzelte. „Da bist du ja, Yuki.“, begrüßte Ai sie fröhlich, doch Yuki stutzte kurz. Irgendwie hörte sich ihre Stimme so seltsam rau und leise an. Im nächsten Moment räusperte Ai sich und Yuki glaubte sie hatte sich nur etwas eingebildet. „Das Essen ist fertig.“, sagte Ai weiter und klang wieder vollkommen normal. Ai hielt drei Teller in der Hand, die sie gerade auf den Tisch stellte. „Danke.“, murmelte Yuki leise und ging mit gesenktem Kopf zum Tisch hinüber. Noch nie hatte sie sich für das geschämt was sie war, doch nun verspürte sie dieses Gefühl zum ersten Mal. Und dies in solch einer Heftigkeit, dass es ihr die Kehle zuschnürte und ihr das Atmen erschwerte. Ein Teller wurde vor ihr abgestellt. Es war heiße dampfende Reispfanne, die wirklich lecker roch und unter anderen Umständen hätte sie sie wohl mit Freude gegessen, doch nun drehte sich ihr der Magen um. Sie schaffte es nicht einmal Zero anzusehen, wie sollte sie dann den ganzen restlichen Tag mit ihm auf so kleinem Raum verbringen? Diese Hütte kam ihr noch kleiner und bedrückender vor. Am liebsten wäre sie davon gerannt. Die Kälte draußen konnte nicht schlimmer sein, als die, die er ihr entgegenbrachte. Aber wenn sie ging, würde nur ein sehr wütender Onii-sama auf sie warten und sie würde Fragen beantworten müssen, sehr viele Fragen. Fragen auf die sie immer nur eine Antwort haben würde: Sie hatte das richtige getan. Und der Schneesturm war noch immer nicht schwächer geworden, wie sie hören konnte. „Hast du keinen Hunger, Yuki?“, fragte Ai sie, weil Zero und sie bereits begonnen hatten zu essen. „Was?“, wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. „Nein, eigentlich nicht.“, antwortete sie schlicht. „Aber du solltest trotzdem etwas essen. Es ist ungesund eine Mahlzeit auszulassen, nicht wahr Papa?“ „Ja, das stimmt.“, pflichtete er ihr bei. Yuki fragte sich einen Moment, ob dies das war, was Zero Ai immer erzählt, wenn sie auch nicht essen wollte. Da sie ihr kein schlechtes Beispiel sein wollte, griff sie nun doch zur Gabel und nahm ein paar Bissen. Obwohl sie keinen Appetit hatte, schmeckte es dennoch sehr gut. Wie nicht anders zu erwarten von ihm, dachte sie traurig. Bisher hatte sie ihn nicht angesehen, Zero wusste das und er glaubte auch nicht, dass sie es tun würde. Er wusste wie sie sich fühlte. Er selbst kannte dieses Gefühl ja nur zu gut. Jedes Mal hatte er es gespürt, wenn er sich an ihr vergangen hatte. Damals, als sie beide noch jung waren und sie noch ein Mensch. Noch immer machte er ihr keine Vorwürfe, empfand keine Abscheu. Nicht nach den Erfahrungen, die er selbst gemacht hatte. Sie war nun einmal ein Reinblut, nicht gewöhnt sich zu kontrollieren und verzichten zu müssen. Trotzdem konnte auch er sie nicht anschauen. Zu sehr weckte es seine eigenen Begierden. Sein Durst und Verlangen nach ihr waren immer vorhanden gewesen, manchmal mal nur sehr schwach, kaum wahrnehmbar, dennoch immer da. Doch jetzt, nachdem sie von ihm getrunken hatte, konnte es nur umso mehr spüren. So wie damals, kurz nachdem er gegangen war. Aber dieses Mal war eine Sache anderes. Im Gegensatz zu ihr hatte er gelernt seinen Durst zu beherrschen. Er hatte genügend Zeit dafür gehabt. Er wusste, wie lange er es würde durchhalten können, selbst ohne die Bluttabletten. Es war noch Zeit, kein Grund sich sorgen zu machen, sagte er sich selbst. Ein paar Tage war es noch möglich und länger würde der Schneesturm nicht anhalten. Das hoffte er innständig. Aber sie beide würden sich zusammenreisen müssen, um Ai nicht noch misstrauischer zu machen. Sie hatte ein Gespür für so etwas. Er wollte sie vor allem beschützen, was ihr Sorgen machen könnte. Ai schaute immer wieder zwischen den beiden hin und her und wusste, dass etwas nicht in Ordnung war. Sie war zwar nur ein Kind, mit wenig Erfahrung, aber man musste auch kein Erwachsener sein, um zu erkennen, dass irgendwas passiert war, während sie geschlafen hatte. Nur konnte sie sich absolut nicht vorstellen, was das gewesen sein sollte. Sie hoffte nur, dass es bald vorbei sein würde. Sie mochte diese Stimmung nicht. Und ihre Kopfschmerzen wurden dadurch auch nicht besser. Wie ein stetiges Hämmern klopfte es hinter ihren Augen und alles nahm sie nur noch unscharf war. Außerdem war ihr jetzt auch noch schwindlig. Vielleicht sollte sie ihrem Papa doch davon erzählen? Es schien nicht von allein besser zu werden, egal wie viel sie schlief oder Tee trank. Nein, sie würde noch ein wenig warten. Offenbar hatte ihr Papa im Moment ganz andere Sorgen. Sie konnte es an seinem verspannten Gesichtsausdruck ablesen. Nicht auch noch damit wollte sie ihn behelligen. Zumindest nicht gerade jetzt. Sie würde bis morgen warten. Möglicherweise war es da auch endlich besser oder sie würden die Hütte endlich verlassen können. Sie sah sich in der Hütte um und ihr Blick blieb an ihrem Rucksack haften. Er stand noch an genau der gleichen Stelle an der sie ihn vor wenigen Tagen abgestellt hatte. Bisher hatte sie nicht wieder hinein gesehen. Eigentlich hätte sie jetzt Zeit den Brief ihrer Mutter noch einmal zu lesen, in Ruhe und nur für sich. Aber allein die Erinnerung an ihre Zeilen machten sie traurig. Aber das Photo würde sie sich nachher noch einmal ansehen. Vielleicht fand sie ja doch ein paar Dinge, die sie mit ihrem richtigen Vater gemeinsam hatte und von denen ihre Mutter gesprochen hatte. Wie Yuki befürchtet hatte zog sich dieser Tag hin. Er schien endlos und da es nicht wirklich sehr viel zu tun gab, war es fast eine Qual. Ai ging wie die anderen Tage zuvor früh zu Bett, doch an diesem Tag war es das erste Mal gewesen, dass sie die Spieluhr aus ihrem Rucksack hervorgeholt hatte. Es erstaunte Yuki nicht sehr, dass sie sie mitgenommen hatte. Nun da Ai sich in die Decken gekuschelt hatte, zog sie vorher die kleine Blüte an der Seite des Kästchens auf und wieder erfüllte diese traurige und doch himmlische Melodie den Raum. Sie begleitet Ai in den Schlaf und Yuki glaubte fast, dass sie selbst auch ein wenig entspannte. Dennoch würde sie es an diesem Abend nicht wagen sich wie in den anderen Nächten zuvor neben sie zu legen. Sie war fast sicher, dass Zero das nicht zulassen würde. Außerdem befiel sie selbst zu sehr die Angst, sie könnte dem Mädchen etwas tun. Auch wenn ihr Durst im Moment gestillt war. Deswegen saß sie immer noch auf dem Stuhl, die Hände in ihrem Schoß gefaltet und starrte darauf. Den Nachmittag über hatte sie sich mit Ai unterhalten können. Doch nachdem diese schlief und die Spieluhr verklungen war legte sich eine bedrückende Stille über die Hütte, die nur durch das Heulen des Sturmes unterbrochen wurde. Zero saß wie immer vor dem Sofa und sah in die Flammen. Auch vorher schon hatte Yuki das Gefühl gehabt, dass sie so weit von einander entfernt waren, als befänden sie sich auf zwei unterschiedlichen Kontinenten, doch dieses Mal erschien es ihr noch weitaus schlimmer. Aber vor allem konnte sie es nicht ertragen. Es breitete ihr regelrecht Schmerzen. „Wie machst du das?“, fragte sie plötzlich und war selbst ein wenig überrascht. Aber kaum hatte sie die ersten Worte ausgesprochen, atmete sie tief durch und wollte es auch beenden. Sie wollte Antworteten haben, einen Hinweis, Hilfe, wie sie sich besser beherrschen konnte. Irgendwas! „Wie gelingt es dir dich so zu beherrschen. Sage es mir. Bitte! Ich will mich nicht länger davon bestimmen lassen. Ich will nicht länger eine... Gefahr sein. Ich habe nie gelernt meinen Durst zu kontrollieren, ich musste es nie. „Es tut mir unendlich leid, was heute geschehen ist, glaube mir. Ich... Ich kann dir gar nicht beschreiben, wie sehr. Ich wünschte, ich hätte deine Selbstbeherrschung. Also, wie machst du es? Bitte sag es mir. … Bitte hilf mir.“, wisperte sie und merkte selbst, wie verzweifelt sie klang. Zero atmete scharf aus und Yuki versetzte dies einen Stich ins Herz. Er würde ihr nicht antworten. Warum auch? Er hatte keinen Grund dazu. Er würde ihr nicht verzeihen. Sie hatte ja keine Ahnung, was sie da sagte. Zero wusste sehr genau wovon sie sprach, von dem allesbeherrschendem Durst, doch im Moment schien ihn ein anderes Begehren weitaus mächtiger und schwieriger zu kontrollieren. Er wollte ihr zusprechen, sie in die Arme schließen und wenn er das tat, so wusste er, würde er sie nicht mehr gehen lassen. Denn das war es, was er mehr wollte, als alles andere. Sie bei sich zu haben, für immer. Noch einmal atmete er durch und blickte ihr doch direkt in die Augen. Natürlich war es unmöglich, dass sie bei ihm blieb, dass sie sein würde. Dieser dumme Gedanke hatte nur durch ihre Anwesenheit neues Leben bekommen. Er würde ihr davon erzählen und dann würde sie erkennen, wer er wirklich war. Sie würde erkennen, dass auch er es nicht geschafft hatte. Und vielleicht würde sie dann begreifen, dass er jeden Tag aufs Neue mit sich kämpfte. Es würde nie enden. „Am Anfang...“, begann er schließlich, „war es schlicht unmöglich. Ich hatte nicht einmal Bluttabletten. Immer war da nur dieser unstillbare Hunger und Durst nach deinem Blut, keinem anderen.“ Die feinen Härchen auf ihrem Arm stellen sich auf und gleichzeitig spürte Yuki einen Stich im Herzen. Sie erinnerte sich an ihren Abschied, seine Worte, seine Taten. Ihre Lippen begannen zu prickeln. „Ich lebte irgendwo in den Bergen, weil ich sicher war, dort niemand zu begegnen und mich niemand finden würde. Ich war so naiv und bildete mir ein den Durst so kontrollieren zu können mit bloßer Willenskraft. Es gelang mir sogar ein paar Tage, aber länger nicht. Es wurde schnell unerträglich. Es machte mich fast wahnsinnig. Ich blieb in der Höhle und dachte... „Ich dachte, ich könnte sterben.“, flüsterte er. „Ich weiß, ich habe gesagt, ich würde euch alle töten, aber in dieser Zeit war mir alles andere egal. Ich wollte nur noch dass es endet. „Natürlich geschah es nicht. Das Wesen in mir wollte überleben und ich fing an mich selbst zu beißen. Aber das...“ „Half auch nicht, nicht wahr?“, beendete sie den Satz für ihn. „Ich weiß. Ich habe das auch getan.“, sagte sie leise. „Es wurde nur noch schlimmer.“ „Ich konnte nicht sterben und der Wahnsinn wuchs Stunde um Stunde. Irgendwann traf ich schließlich auf einen anderen Vampir. Bis dahin hatte ich nicht einmal bemerkt, dass ich mein Versteck verlassen hatte. Ich selbst war irgendwie... verschwunden und bin nur noch den Instinkten des Wesens in mir gefolgt. Der Vampir, den ich traf, war der Level E, den du gesehen hast. „Sein Gesicht war blutverschmiert und ich konnte noch den leichten Geruch seiner Opfer wahrnehmen. Sein Auftauchen hat mich meinen Verstand gekostet. „Ich wollte seine Beute haben, wollte wissen wo die Körper waren, damit ich mich ebenso an ihnen laben konnte, damit ich diesen unsäglichen Hunger stillen konnte. Das bisschen was von mir noch übrig geblieben war, verspürte gleichzeitig solch einen Ekel und Hass auf ihn, aber vor allem auf mich selbst, dass ich ihn nur noch töten wollte. Sein Tod sollte mich von meiner Sünde reinwaschen, dachte ich. „Er war kein Gegner für mich und der Kampf war kurz. Ich verletzte ihn am Arm und Blut quoll aus seiner Wunde und ich...“ Zero stockte auf einmal und verbarg das Gesicht hinter den Händen. Yuki sah ihn mit bleichem Gesicht an. Sie hatte versucht sich in seine Situation hineinzuversetzen, sich vorzustellen, wie sie gehandelt hätte, wenn sie nach Blut gedürstet hätte und sich selbst vergessen hätte, wenn ihr sich plötzlich ein Gegner gestellt hätte, ein lebendiger Gegner der blutete... Ihr wurde ganz kalt. Auch von der Vorstellung, wie Zero wohl ausgesehen haben mochte. Allein sein Blick genügte manchmal schon um sie Angst empfinden zu lassen. Wie furchteinflößend musste er da gewesen sein. „Ich nahm sein Blut.“, wisperte Zero heißer. „Ich habe nicht von ihm getrunken, ich habe ihn regelrecht verschlungen. Ich trank so lange von ihm, bis er unter meinem Biss zerfiel und nichts mehr an seine Existenz erinnerte, bis auf sein Blut, das an meinen Händen klebte. „Ich bereue es nicht einen Level E getötet zu haben, aber alles andere. Das war der Moment in dem ich meine Menschlichkeit für eine sehr lange Zeit verlor. Es blieb nicht bei dem einen. Da ich unter keinen Umständen Menschen angreifen wollte, zumindest das gelang mir noch, hungerte ich so lange, wie es ging und begab mich gleichzeitig auf die Suche nach Level E. Ich habe sie aufgespürt und jeden von ihnen regelrecht gefressen, wie ein wildes Tier. „Andere Vampire, ehemalige Menschen, wurde die Quelle meiner Nahrung. „Ich war ein Monster.“ Zero schloss die Augen und sah die Bilder lebhaft vor sich. So viel Blut, das an seinen Finger klebte, so viel Leben die er ausgelöscht hatte. Keiner dieser Vampire war unschuldig gewesen, viele von ihnen hatten noch mit ihren Opfern geprahlt und doch waren auch sie einmal Menschen gewesen. Lange bevor eines dieser Reinblüter sich an ihnen vergangen und sie zu diesem Schicksal verdammt hatte. Dennoch war er am Ende nicht viel besser gewesen als sie selbst. Noch jetzt verachtete er sich für seine Taten. „Ich war ein Mörder ohne Verstand und Gefühl, nicht viel besser als die Level E selbst.“, sprach er den Gedanken aus. „Zero, ich... das...“, sagte Yuki stockend. Er sah sie an und erkannte den Schrecken in ihrem Gesicht. „Verabscheust du mich?“, fragte er sie gerade heraus und seine Stimme war kalt. Ganz so als würde er es erwarten. „Ich kann es verstehen, denn ich tue es. Ich bin nicht so stark gewesen, wie du denkst.“ Yuki schüttelte augenblicklich den Kopf. „Nein, ich verabscheue dich nicht.“ Sie war schuld, schrie es in ihr. Nur sie war schuld! Sie hätte ihm helfen müssen! Irgendwie. Sie hätte etwas tun müssen, damals als sie sah, wie er Ichirus Körper holte. Stattdessen war sie mit ihrem Onii-sama gegangen, in ein neues, aufregendes Leben, während Zeros Seele zerbrochen war. Sie hatte geglaubt er wäre... stärker. „Wie... Wie...“, stotterte sie, dann sah sie zu Ai. „Es ging über Jahre, bis ich auf einen anderen Vampir gestoßen bin. Ich war in einem Teufelskreis gefangen, aus dem ich allein nicht entkommen konnte. Es war ein einfacher Level C Vampir, der mir in der Nähe einer Stadt begegnete. Ich dachte, er suchte dort nach einem Opfer und wollte ihn... aufhalten. Doch als ich ihn stellte, versicherte er mir, das dem nicht so war und er etwas anderes dagegen nahm.“ Verständnislos sah Yuki ihn an und Zero lachte sogar kurz. „Genauso hab ich wohl auch ausgesehen. Er meinte, die Bluttabletten, die verbreitet wurden. Er sagte, er nehme sie, weil er wissen wollte, wie es sich anfühlte ohne den ständigen Hunger auf Blut zu verspüren. Es hatte ihm ein neues Leben ermöglicht. Er erzählt, dass er dadurch sogar Matrose auf einem Schiff sein konnte. Noch heute ist es mir ein Rätsel, wie ich überhaupt in der Lage war ihm zuzuhören. Aber durch ihn konnte ich mein Leben endlich ändern. „Von diesem Moment an verschaffte er mir die Bluttabletten und das tut er auch heute noch. Damit niemand meine Spur fand, war es besser so. Wenn ich ihn nicht getroffen hätte, hätte ich es nie geschafft, davon bin ich überzeugt. „Es hat sehr lange gedauert, bis ich mich selbst wieder gefunden und an die Tabletten gewöhnt hatte. Fast 10 Jahre und es war niemals einfach. Egal, wie viele Tabletten du nimmst, der Durst wird nie verschwinden. Er wird nur unterdrückt. „Nach all den Jahren des Wahnsinns wollte ich das Leben zurück, welches er mir gegeben hatte.“, flüsterte er. „Als ich Ai traf, war ich wieder mehr ich selbst, sonst hätte ich sie niemals aufgenommen.“ „Ich kann mir das nicht vorstellen.“, brachte Yuki schließlich hervor. „Das dachte ich mir. Manchmal denke ich mir, dass ich nur deswegen so sehr an Ai festhalte, weil ich immer noch Angst habe, dass es ohne sie wieder so sein könnte.“ „Das ist nicht wahr. Du liebst sie, aus keinem anderen Grund ist sie bei dir. Etwas anderes brauchst du dir gar nicht einzureden.“, widersprach sie etwas zu heftig. „Ja, das tue ich.“, stimmte er schließlich nach einer Pause zu. „Trotzdem muss ich immer daran denken, was passiert, wenn ich irgendwann noch einmal die Kontrolle verliere. Ich kann mir nichts Schrecklicheres vorstellen. „Yuki, ich habe dir das erzählt, damit du verstehst. Wenn du es wirklich willst, musst du dafür kämpfen. Du musst um das bisschen Menschlichkeit kämpfen, was noch in den Vampiren ist. Und es wird ein schwerer, endloser Kampf, in dem dir niemand helfen kann. Nur du allein kannst es schaffen auch wenn du Versuchung manchmal noch so groß ist. Gott, du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich wieder kämpfen muss seid dem du das erste Mal wieder vor mir gestanden bist.“, stieß er ehrlich aus und klang dabei sehr erschöpft. Yuki wurde leicht rot und hoffte, dass er es nicht sah. Sie nickte kurz. Sie wusste, dass es nicht einfach werden würde. „Es tut mir wirklich leid. Das, was heute Morgen geschehen ist, damals... alles. Ich hätte...“ „Ich will dein Mitleid nicht und ich mache dir auch keinen Vorwurf.“, unterbrach er sie. „Du bist was du bist und die Vergangenheit ist unabänderbar, selbst wenn wir noch so viele Worte oder Gedanken daran verschwenden.“ Seine Stimme klang nun wieder bitter und Yuki konnte sich nur ausmalen, wie oft er bereits über das Geschehene nachgedacht hatte, ohne dass er etwas hatte ändern können. „Warum, hast du dann...damals, als du...“ „Ich fühlte mich verraten, obwohl ich wusste, wie sehr du ihn liebst. Das tue ich noch. Nie hast du auch nur eines seiner Worte in Frage gestellt oder Antworten, die du doch haben wolltest, eingefordert. Immer war er dir ausgewichen. Auch schon vorher und dann plötzlich schien alles geklärt, einfach so. Dabei wusstest du immer noch nicht alles.“ „Was ist es, was ich nicht weiß? Sag es mir, Zero.“ Er schüttelte den Kopf. „Es ist nicht an mir, dir das zu sagen. Es geht mich nichts mehr an.“, antwortete er kühl. „Es ist dein Leben und deine Entscheidung.“ Wieder schwieg sie eine Weile und dachte über seine Worte nach. Sie musste dringend mit Kaname reden und dieses Mal würde sie ihn nicht einfach gehen lassen, nahm sie sich fest vor. „Du hast dich sehr verändert, Zero, wirklich. Sie werden es erkennen.“, sagte sie schließlich. „Ai, weiß nicht, was vor ihrer Zeit war.“, erwiderte er daraufhin bloß und Yuki wusste, was er meinte. „Ich werde ihr nichts sagen.“ Zero nickte kurz, dann wandte er sich wieder dem Kaminfeuer zu. Offenbar war diese Unterhaltung für ihn beendet. Yuki betrachtete sein Profil und dachte an das, was er ihr vor wenigen Augenblicken erzählt hatte. Wie sehr mochten ihn seine Taten zerrissen haben? Er war gerecht und gütig und nicht das... Monster, welches er gerade beschrieben hatte. Wie lange hatte es gedauert, bis er wieder er selbst war? Wie sehr hatte Ai ihm bei all dem geholfen? Was wäre aus ihm geworden, hätte er diesen Vampir nicht getroffen? Daran wollte sie lieber gar nicht denken. Wahrscheinlich wären Level E irgendwann nicht mehr genug gewesen. Die psychischen Wunden, die er davon getragen hatte, heilten immer noch und würden wohl nie ganz verschwinden. Und wenn doch, würden hässliche Narben bleiben. Sie wären für niemanden anderen außer ihm sichtbar und würde ihn immer an das was war erinnern. Sie schwiegen wieder, doch Yuki hatte den Wunsch weiter mit ihm zu sprechen. Sie hatte das Gefühl, dass eine weitere Barriere eingestürzt war. „Was hast du noch getan?“, fragte sie ihn schließlich. Vielleicht konnte sie ihn so auf andere Gedanken bringen und sich selbst auch. Erneut antwortete er nicht gleich, sagte dann aber: „Ich war in vielen Städten, habe dort gearbeitet, langsam wieder in die Zivilisation zurückgefunden, könnte man sagen. Ich glaube es hätte dir gefallen. So viele verschiedene Menschen und Eindrücke. Aber ich war auch auf der anderen Seite des Passes. Dort gelten nicht die gleichen Gesetze, wie hier.“ „Warum bist du zurückgekommen? Du hättest dort bleiben können. Niemand hätte dich in der stillen Welt gefunden.“ Sie sah wie er die Lippen aufeinander presste, so als wäre er nicht sicher, ob er das nächste sagen sollte. Doch wieder antwortete er ihr: „Es war zu weit weg.“ Mehr sagte er nicht. Stattdessen war er es, der sie nun fragte: „Was hast du denn gemacht?“ Yuki verdrehte die Augen, als sie daran dachte: „Gelernt, viel gelernt. Sehr viel, um genau zu sein. Die Geschichte der Vampire, der Gesellschaft, Umgangsformen, Etikette, Gang und Anstand, alles. Natürlich noch Rechen, Schreiben und all das Zeug, was wir auch in der Schule hatten.“ „Hört sich anstrengend an.“, spottete Zero leicht. Yuki verzog das Gesicht. „Das war es auch!“, zischte sie leise. „Das kann ich mir bei dir sogar vorstellen.“, zog er sie auf. „Wer hat dich unterrichtet? Aidou? Er kann einem fast leidtun.“ „Das kann er wirklich.“, sagte sie ehrlich und seufzte. Sie erinnerte sich nur ungern an die vielen Unterrichtsstunden, die sie gemeinsam verbracht haben. Oft hatte sie ihn bis zur Verzweiflung getrieben. Trotzdem musste sie leicht lächeln. Schweigen trat wieder ein, doch dieses Mal war es ein angenehmes. Was sie getan hatte, war immer noch unverzeihlich, aber sie wusste nun, dass er sie verstand. Vielleicht sogar besser als ein anderer. „Darf ich zu dir kommen.“, fragte Yuki schüchtern und erhielt als Antwort nur ein Schulterzucken. Sie deutete es als ein Ja und stand langsam auf. Schritt für Schritt kam sie zu ihm und mit jedem weiteren schlug ihr Herz noch ein wenig schneller. Woher kam es, dass sie seine Gegenwart so nervös machte? Es war nicht nur wegen dem Vorfall in der Nacht, das wusste sie. Nur richtig zuordnen konnte sie es noch nicht. Sie kniete sich auf den Boden und sah auf das Sofa. Einen Moment betrachtete sie Ais schlafende Gestalt. „Ich hätte ihr nie etwas angetan.“, beteuerte sie noch einmal. Als Antwort hörte sie Zero geräuschvoll ausatmen. „Das kannst du nicht wissen. Wenn der Hunger so mächtig ist, wie ich ihn erfahren habe, wirst du alles tun, ohne zu zögern, ohne Konsequenzen. Du wirst nur noch handeln und dich selbst vergessen. Auch wenn du es nicht willst.“ „Ich will nicht, dass jemals so werden könnte.“ „Dann wird es das auch nicht.“ „Ich konnte nicht aufhören. Ich wollte nicht aufhören.“, wisperte sie und sah noch immer zu Ai. Sie wagte es nicht ihn anzusehen. „Ich wollte alles von dir.“ Wieder atmete Zero neben ihr aus. „Ich weiß sehr gut, wie sich das anfühlt.“ Röte stieg ihr ins Gesicht. Vorsichtig streckt sie eine Hand nach Ai aus und wollte ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht streichen. Doch kaum berührte sie ihre Haut zog sie die Finger erschrocken zurück. „Was ist?“, fragte Zero, der es bemerkt hatte. „Sie glüht vor Fieber.“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Ich habe ein wenig mit mir selbst gehadert, als ich Zeros erzählen ließ. Ich habe lange Zeit überlegt, ob ich in wirklich so werden lassen konnte, dass er Level E tötet und sie verschlang. Ich wusste, dass es ihm das schwer zu schaffen machen würde und er sich noch mehr selbst hasste. Allerdings mangelte es mir an Alternativen, mit denen ich zufrieden sein konnte. Menschliches Blut kam gleich gar nicht in Frage, obwohl ihm das wohl endgültig den Rest gegeben hätte, aber er ist auch sehr willensstark, so dass er eher zu den Hunter zurückgegangen wäre und sich töten lassen hätte, als sowas zutun. Dann hatte ich noch an Tierblut gedacht. Allerdings schied das sofort wieder aus, weil es mich zu sehr an Twilight erinnerte. Natürlich hat Frau Meyer das nicht erfunden, aber nachdem heute eigentlich alles den Stemple Twilight aufgedrückt bekommt, wollte ich erst recht davon Abstand nehmen. Deswegen ist es so geworden, wie es ist. Auch passiert in diesem Chap nicht so viel, aber es war irgendwie nötig. Außerdem, hoffe ich euch mit dem Cliff wieder neugierig auf das nächste gemacht zu haben. Heute Morgen ist mir dann auch ein Song zu dem Kapitel eingefallen. Er passt nicht ganz, aber der Refrain schon und ja, ich liebe diese Band einfach. *_* Linkin Park – What I’ve done: http://www.youtube.com/watch?v=LrZdsBJ984w See you next chap… maidlin Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)